22.12.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 337/27


BESCHLUSS DES RATES

vom 2. Dezember 2005

über die Unterzeichnung — im Namen der Europäischen Gemeinschaft — des Protokolls „Bodenschutz“, des Protokolls „Energie“ und des Protokolls „Tourismus“ zur Alpenkonvention

(2005/923/EG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 175 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 300 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1,

auf Vorschlag der Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Das Übereinkommen zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention) wurde mit dem Beschluss 96/191/EG des Rates (1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft geschlossen.

(2)

Das Protokoll „Bodenschutz“, das Protokoll „Energie“ und das Protokoll „Tourismus“ sind ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung der Alpenkonvention, und die Gemeinschaft ist den Zielen dieser Konvention verpflichtet.

(3)

Die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen grenzüberschreitenden Probleme der Alpen sind weiterhin eine große Herausforderung, die in diesem hoch sensiblen Gebiet bewältigt werden muss.

(4)

Die Politik der Gemeinschaft, insbesondere die vorrangigen Bereiche des Sechsten Umweltaktionsprogramms (2), sollten in der Alpenregion gefördert und gestärkt werden.

(5)

Diese Protokolle sollten von der Gemeinschaft unterzeichnet und die beigefügten Erklärungen genehmigt werden —

BESCHLIESST:

Artikel 1

Unterzeichnung des Protokolls „Bodenschutz“, des Protokolls „Energie“ und des Protokolls „Tourismus“ zur Alpenkonvention, geschehen zu Salzburg am 7. November 1991, wird — vorbehaltlich des Abschlusses dieser Protokolle — im Namen der Gemeinschaft genehmigt.

Der Wortlaut der Protokolle und der Erklärungen dazu ist diesem Beschluss beigefügt.

Artikel 2

Der Präsident des Rates wird ermächtigt, die Person(en) zu bestellen, die befugt ist (sind), die in Artikel 1 genannten Protokolle vorbehaltlich ihres Abschlusses im Namen der Gemeinschaft zu unterzeichnen und die Erklärungen zu hinterlegen.

Geschehen zu Brüssel am 2. Dezember 2005.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

M. BECKETT


(1)  ABl. L 61 vom 12.3.1996, S. 31.

(2)  ABl. L 242 vom 10.9.2002, S. 1.


ERKLÄRUNGEN IM NAMEN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT

Erklärung der Europäischen Gemeinschaft zu Artikel 12 Absatz 3 des Protokolls „Bodenschutz“ zur Alpenkonvention

Die Europäische Gemeinschaft weist darauf hin, dass Artikel 12 Absatz 3 des Protokolls „Bodenschutz“ im Einklang mit dem bestehenden Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Richtlinie 86/278/EWG des Rates vom 12. Juni 1986 über den Schutz der Umwelt und insbesondere der Böden bei der Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft (1), ausgelegt werden sollte. Die Europäische Gemeinschaft ist der Ansicht, dass Schlämme agronomisch nutzbringende Eigenschaften haben können und in der Landwirtschaft verwertet werden können, sofern sie ordnungsgemäß verwendet werden. Ihre Verwendung darf — wie im Erwägungsgrund 7 dieser Richtlinie dargelegt — die Qualität der Böden und der landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht beeinträchtigen und — wie im Erwägungsgrund 5 und in Artikel 1 der Richtlinie ausgeführt — keine schädlichen Auswirkungen auf Mensch (direkte und indirekte Folgen für die menschliche Gesundheit), Tier, Vegetation und Umwelt haben. Schlämme können verwendet werden, wenn dies für den Boden oder die Ernährung von Kulturen und Pflanzen von Nutzen wäre.

Erklärung der Europäischen Gemeinschaft zu Artikel 17 Absatz 2 des Protokolls „Bodenschutz“ zur Alpenkonvention

Artikel 17 Absatz 2 des Protokolls „Bodenschutz“ sollte im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht dahingehend verstanden werden, dass Abfallkonzepte zur Vorbehandlung, Behandlung und Ablagerung von Abfällen und Reststoffen zu erstellen und umzusetzen sind, um die Kontamination von Böden zu vermeiden und nicht nur die Umweltverträglichkeit, sondern auch die Verträglichkeit für die menschliche Gesundheit zu gewährleisten.

Erklärung der Europäischen Gemeinschaft zu Artikel 19 Absatz 2 und Artikel 21 Absatz 2 des Protokolls „Bodenschutz“ zur Alpenkonvention

Hinsichtlich des Artikels 19 Absatz 2 und des Artikels 21 Absatz 2 des Protokolls „Bodenschutz“ sollte das gemeinsame Beobachtungssystem gegebenenfalls mit dem globalen Überwachungssystem für Erdbeobachtungssysteme (GEOSS) kompatibel sein und die von den Mitgliedstaaten gemäß dem Gemeinschaftsrecht über Beobachtung, Datenerfassung und Metadaten erstellten Datenbanken berücksichtigen.

Vorbehaltserklärung der Europäischen Gemeinschaft zu Artikel 9 des Protokolls „Energie“ zur Alpenkonvention

Artikel 9 des Protokolls „Energie“ betrifft Fragen der Kernkraft. Was die Europäische Gemeinschaft anbelangt, so sind die in Artikel 9 genannten Anforderungen im Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomenergiegemeinschaft (Euratom) enthalten. Der Beschluss, durch den die Alpenkonvention ratifiziert wurde, stützt sich nicht auf den Euratom-Vertrag, sondern allein auf den EG-Vertrag. Der Beschluss über die Genehmigung der Unterzeichnung des Protokolls wird sich auf dieselbe Rechtsgrundlage stützen. Infolgedessen wird die Europäische Gemeinschaft nicht durch Artikel 9 des Protokolls „Energie“ gebunden sein, wenn das Protokoll für die Gemeinschaft in Kraft tritt.


(1)  ABl. L 181 vom 4.7.1986, S. 6.


PROTOKOLL

zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz

Protokoll „Bodenschutz“

Präambel

DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND,

DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK,

DIE ITALIENISCHE REPUBLIK,

DAS FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN,

DAS FÜRSTENTUM MONACO,

DIE REPUBLIK ÖSTERREICH,

DIE SCHWEIZERISCHE EIDGENOSSENSCHAFT,

DIE REPUBLIK SLOWENIEN

sowie

DIE EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFT —

IN ERFÜLLUNG ihres Auftrags aufgrund des Übereinkommens vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention), eine ganzheitliche Politik zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung des Alpenraums sicherzustellen,

IN ERFÜLLUNG ihrer Verpflichtungen gemäß Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Alpenkonvention,

MIT DEM ZIEL der Verminderung der quantitativen und qualitativen Bodenbeeinträchtigungen, insbesondere durch Anwendung bodenschonender land- und forstwirtschaftlicher Produktionsverfahren, sparsamen Umgang mit Grund und Boden, Eindämmung von Erosion sowie durch Beschränkung der Versiegelung von Böden,

IN KENNTNIS DER TATSACHE, dass der Schutz der Alpenböden, ihre nachhaltige Bewirtschaftung und die Wiederherstellung ihrer natürlichen Funktionen an beeinträchtigten Standorten von allgemeinem Interesse sind,

IN DER ERKENNTNIS, dass die Alpen als einer der größten zusammenhängenden Naturräume Europas durch ökologische Vielfalt und hochempfindliche Ökosysteme geprägt sind, die in ihrer Funktionsfähigkeit erhalten werden müssen,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass die ansässige Bevölkerung in der Lage sein muss, ihre Vorstellungen von der gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung selbst zu definieren und an deren Umsetzung im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung mitzuwirken,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass die Alpen einerseits wichtiger Lebens- und Wirtschaftsraum der ansässigen Bevölkerung und Erholungsraum für Menschen anderer Regionen sind, andererseits der Erhalt der Bodenfunktionen durch die unterschiedlichen Nutzungsansprüche, die in dem eng begrenzten Alpenraum aufeinander treffen, gefährdet wird und deshalb wirtschaftliche Interessen mit den ökologischen Erfordernissen in Einklang gebracht werden müssen,

IN KENNTNIS DER TATSACHE, dass der Boden innerhalb der Ökosysteme eine Sonderstellung einnimmt, seine Neubildung sowie eine Regeneration beeinträchtigter Böden nur sehr langsam verläuft, aufgrund der topographischen Gegebenheiten im Alpenraum verstärkt Bodenabträge zu erwarten sind, er einerseits eine Senke für Schadstoffe darstellt und andererseits kontaminierte Böden Quelle von Schadstoffeinträgen in angrenzende Ökosysteme und eine Gefahr für Menschen, Tiere und Pflanzen sein können,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass Beanspruchungen des Bodens insbesondere durch Siedlungsentwicklung, Industrie und Gewerbe, Infrastrukturen, Abbau von Bodenschätzen, Tourismus, Land- und Forstwirtschaft sowie Verkehr zu quantitativen oder qualitativen Bodenbeeinträchtigungen führen können und deshalb bereichsübergreifend für den Bodenschutz entsprechende Maßnahmen zur Vorsorge sowie zur Schadensbegrenzung und -beseitigung vorgeschlagen werden sollen,

IN DER ERWÄGUNG, dass der Bodenschutz vielfältige Auswirkungen auf andere Politikbereiche im Alpenraum hat und deshalb fach- und bereichsübergreifend zu koordinieren ist,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass bestimmte Probleme nur grenzübergreifend gelöst werden können und gemeinsame Maßnahmen der Alpenstaaten erforderlich machen, die von den Unterzeichnern nach Maßgabe der vorhandenen Mittel umgesetzt werden —

SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Ziele

(1)   Dieses Protokoll dient der Umsetzung der zwischen den Vertragsparteien in der Alpenkonvention vereinbarten Verpflichtungen zum Bodenschutz.

(2)   Der Boden ist

1.

in seinen natürlichen Funktionen als

a)

Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen,

b)

prägendes Element von Natur und Landschaft,

c)

Teil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen,

d)

Umwandlungs- und Ausgleichsmedium für stoffliche Einwirkungen, insbesondere aufgrund der Filter-, Puffer- und Speichereigenschaften, besonders zum Schutz des Grundwassers,

e)

genetisches Reservoir,

2.

in seiner Funktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte sowie

3.

zur Sicherung seiner Nutzungen als

a)

Standort für die Landwirtschaft einschließlich der Weidewirtschaft und der Forstwirtschaft,

b)

Fläche für Siedlung und touristische Aktivitäten,

c)

Standort für sonstige wirtschaftliche Nutzungen, Verkehr, Ver- und Entsorgung,

d)

Rohstofflagerstätte

nachhaltig in seiner Leistungsfähigkeit zu erhalten. Insbesondere die ökologischen Bodenfunktionen sind als wesentlicher Bestandteil des Naturhaushalts langfristig qualitativ und quantitativ zu sichern und zu erhalten. Die Wiederherstellung beeinträchtigter Böden ist zu fördern.

(3)   Die zu ergreifenden Maßnahmen zielen insbesondere auf eine standortgerechte Bodennutzung, einen sparsamen Umgang mit den Flächen, die Vermeidung von Erosion und nachteiligen Veränderungen der Bodenstruktur sowie auf eine Minimierung der Einträge von bodenbelastenden Stoffen.

(4)   Insbesondere sind auch die im Alpenraum typische Vielfalt der Böden und charakteristische Standorte zu bewahren und zu fördern.

(5)   Hierbei kommt dem Vorsorgeprinzip, welches die Sicherung der Funktionsfähigkeit und Nutzungsmöglichkeit der Böden für verschiedene Zwecke sowie ihre Verfügbarkeit für künftige Generationen im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung einschließt, besondere Bedeutung zu.

Artikel 2

Grundverpflichtungen

(1)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, die erforderlichen rechtlichen und administrativen Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz der Böden im Alpenraum sicherzustellen. Die Überwachung dieser Maßnahmen erfolgt unter der Verantwortung der nationalen Behörden.

(2)   Besteht die Gefahr schwerwiegender und nachhaltiger Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Böden, ist grundsätzlich den Schutzaspekten der Vorrang vor Nutzungsaspekten einzuräumen.

(3)   Die Vertragsparteien prüfen die Möglichkeiten, die mit diesem Protokoll angestrebten Maßnahmen zum Bodenschutz im Alpenraum mit fiskalischen und/oder finanziellen Maßnahmen zu unterstützen. Maßnahmen, die mit dem Schutz des Bodens und mit den Zielen einer sparsamen und umweltschonenden Bodennutzung im Einklang stehen, sollen besonders unterstützt werden.

Artikel 3

Berücksichtigung der Ziele in den anderen Politiken

Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Ziele dieses Protokolls auch in ihren anderen Politiken zu berücksichtigen. Im Alpenraum gilt dies insbesondere für Raumordnung, Siedlungs- und Verkehrswesen, Energiewirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Rohstoffgewinnung, Industrie, Gewerbe, Tourismus, Naturschutz und Landschaftspflege, Wasser- und Abfallwirtschaft und Luftreinhaltung.

Artikel 4

Beteiligung der Gebietskörperschaften

(1)   Jede Vertragspartei bestimmt im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung die für die Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den unmittelbar betroffenen Institutionen und Gebietskörperschaften am besten geeignete Ebene, um eine gemeinsame Verantwortung zu fördern, namentlich um sich gegenseitig verstärkende Kräfte beim Vollzug der Politiken des Bodenschutzes sowie der sich daraus ergebenden Maßnahmen im Alpenraum zu nutzen und zu entwickeln.

(2)   Die unmittelbar betroffenen Gebietskörperschaften werden in den verschiedenen Stadien der Vorbereitung und Umsetzung dieser Politiken und Maßnahmen unter Wahrung ihrer Zuständigkeit im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung beteiligt.

Artikel 5

Internationale Zusammenarbeit

(1)   Die Vertragsparteien unterstützen eine verstärkte internationale Zusammenarbeit zwischen den jeweils zuständigen Institutionen, insbesondere bei der Erstellung von Bodenkatastern, bei der Bodenbeobachtung, bei der Ausweisung und Überwachung von Bodenschutz- und Bodenbelastungsgebieten sowie Gefahrenzonen, der Bereitstellung und Harmonisierung von Datengrundlagen, der Koordinierung der alpenbezogenen Bodenschutzforschung sowie bei der gegenseitigen Berichterstattung.

(2)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, Hindernisse der internationalen Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften des Alpenraums zu beseitigen und die Lösung gemeinsamer Probleme auf der am besten geeigneten Ebene zu fördern.

(3)   Wenn die Festlegung von bodenschutzbezogenen Maßnahmen in der nationalen oder internationalen Zuständigkeit liegt, sind den Gebietskörperschaften Möglichkeiten einzuräumen, die Interessen der Bevölkerung wirksam darzulegen.

KAPITEL II

SPEZIFISCHE MASSNAHMEN

Artikel 6

Gebietsausweisungen

Die Vertragsparteien achten darauf, dass bei der Ausweisung von Schutzgebieten auch schützenswerte Böden einbezogen werden. Insbesondere sind Boden- und Felsbildungen von besonders charakteristischer Eigenart oder von besonderer Bedeutung für die Dokumentation der Erdgeschichte zu erhalten.

Artikel 7

Sparsamer und schonender Umgang mit Böden

(1)   Bei der Erstellung und Umsetzung der Pläne und/oder Programme nach Artikel 9 Absatz 3 des Protokolls „Raumplanung und nachhaltige Entwicklung“ sind die Belange des Bodenschutzes, insbesondere der sparsame Umgang mit Grund und Boden, zu berücksichtigen.

(2)   Zur Begrenzung der Bodenversiegelung und des Bodenverbrauchs sorgen die Vertragsparteien für ein flächensparendes und bodenschonendes Bauen. Sie richten die Siedlungsentwicklung bevorzugt auf den Innenbereich und begrenzen das Siedlungswachstum nach außen.

(3)   Bei der Prüfung der Raum- und Umweltverträglichkeit von Großvorhaben im Industrie-, Bau- und Infrastrukturbereich insbesondere des Verkehrs, der Energie und des Tourismus, ist im Rahmen der nationalen Verfahren dem Bodenschutz und dem begrenzten Flächenangebot im alpinen Raum Rechnung zu tragen.

(4)   Wenn die natürlichen Gegebenheiten dies zulassen, sind nicht mehr genutzte oder beeinträchtigte Böden, insbesondere Abfalldeponien, Bergwerkshalden, Infrastrukturen, Skipisten, zu renaturieren oder zu rekultivieren.

Artikel 8

Sparsame Verwendung und bodenschonender Abbau von Bodenschätzen

(1)   Die Vertragsparteien sorgen für einen sparsamen Umgang mit Bodenschätzen. Sie wirken darauf hin, dass vorzugsweise Ersatzstoffe verwendet und Möglichkeiten der Wiederverwertung ausgeschöpft werden oder deren Entwicklung gefördert wird.

(2)   Bei Abbau, Aufbereitung und Nutzung von Bodenschätzen sind Belastungen der anderen Bodenfunktionen möglichst gering zu halten. In zum Schutz der Bodenfunktionen besonders bedeutsamen Gebieten und in ausgewiesenen Gebieten zur Trinkwassergewinnung soll auf den Abbau von Bodenschätzen verzichtet werden.

Artikel 9

Erhaltung der Böden in Feuchtgebieten und Mooren

(1)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, Hoch- und Flachmoore zu erhalten. Dazu ist mittelfristig anzustreben, die Verwendung von Torf vollständig zu ersetzen.

(2)   In Feuchtgebieten und Mooren sollen Entwässerungsmaßnahmen außer in begründeten Ausnahmefällen auf die Pflege bestehender Netze begrenzt werden. Rückbaumaßnahmen bei bestehenden Entwässerungen sollen gefördert werden.

(3)   Moorböden sollen grundsätzlich nicht genutzt oder unter landwirtschaftlicher Nutzung derart bewirtschaftet werden, dass ihre Eigenart erhalten bleibt.

Artikel 10

Ausweisung und Behandlung gefährdeter Gebiete

(1)   Die Vertragsparteien vereinbaren, Alpengebiete, die durch geologische, hydrogeologische und hydrologische Risiken, insbesondere Massenbewegungen (Hangbewegungen, Murenbildungen, Erdfälle), Lawinen und Überschwemmungen, gefährdet sind, zu kartieren und in Kataster aufzunehmen und, soweit erforderlich, Gefahrenzonen auszuweisen. Gegebenenfalls sind auch seismische Risiken zu berücksichtigen.

(2)   Die Vertragsparteien sorgen dafür, dass in gefährdeten Gebieten möglichst naturnahe Ingenieurtechniken angewendet sowie örtliche und traditionelle, an die landschaftlichen Gegebenheiten angepasste Baumaterialien eingesetzt werden. Diese Maßnahmen sind durch geeignete Waldbaumaßnahmen zu unterstützen.

Artikel 11

Ausweisung und Behandlung erosionsgefährdeter Alpengebiete

(1)   Die Vertragsparteien vereinbaren, nach vergleichbaren Kriterien zur Quantifizierung der Erosion von Böden die durch flächenhafte Erosion betroffenen Alpengebiete zu kartieren und in Bodenkataster aufzunehmen, soweit dies für den Schutz von Sachgütern erforderlich ist.

(2)   Die Bodenerosion ist auf das unvermeidbare Maß einzuschränken. Erosions- und rutschungsgeschädigte Flächen sollen saniert werden, soweit dies der Schutz des Menschen und von Sachgütern erfordert.

(3)   Zum Schutz des Menschen und von Sachgütern sind bei Maßnahmen zur Eindämmung der Erosion durch Gewässer und zur Minderung des Oberflächenabflusses vorzugsweise naturnahe wasserwirtschaftliche, ingenieurbauliche und forstwirtschaftliche Techniken einzusetzen.

Artikel 12

Land-, Weide- und Forstwirtschaft

(1)   Zum Schutz vor Erosion und schädigenden Bodenverdichtungen verpflichten sich die Vertragsparteien zur Anwendung einer guten, an die örtlichen Verhältnisse angepassten ackerbaulichen, weidewirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Praxis.

(2)   Im Hinblick auf Stoffeinträge durch Düngemittel- und Pflanzenschutzmittelanwendung streben die Vertragsparteien an, gemeinsame Maßstäbe für eine gute fachliche Praxis zu erarbeiten und umzusetzen. Die Düngung ist nach Art, Menge und Zeit auf den Bedarf der Pflanzen unter Berücksichtigung der im Boden verfügbaren Nährstoffe und der organischen Substanz sowie der Standort- und Anbaubedingungen auszurichten. Dazu dienen die Anwendung von ökologischen/biologischen und integrierten Anbaumethoden sowie die Abstimmung des Viehbesatzes auf die natürlichen Standort- und Aufwuchsbedingungen.

(3)   Auf Alpflächen ist insbesondere der Einsatz mineralischer Düngemittel und synthetischer Pflanzenschutzmittel zu minimieren. Auf den Einsatz von Klärschlämmen soll verzichtet werden.

Artikel 13

Waldbauliche und sonstige Maßnahmen

(1)   Für Bergwälder, die in hohem Maß den eigenen Standort oder vor allem Siedlungen, Verkehrsinfrastrukturen, landwirtschaftliche Kulturflächen und Ähnliches schützen, verpflichten sich die Vertragsparteien, dieser Schutzwirkung eine Vorrangstellung einzuräumen und deren forstliche Behandlung am Schutzziel zu orientieren. Diese Bergwälder sind an Ort und Stelle zu erhalten.

(2)   Insbesondere ist der Wald so zu nutzen und zu pflegen, dass Bodenerosion und schädliche Bodenverdichtungen vermieden werden. Zu diesem Zweck sind auch standortgerechter Waldbau und natürliche Waldverjüngung zu fördern.

Artikel 14

Auswirkungen touristischer Infrastrukturen

(1)   Die Vertragsparteien wirken in der geeignetsten Weise darauf hin, dass

nachteilige Auswirkungen von touristischen Aktivitäten auf die alpinen Böden vermieden werden,

die durch eine intensive touristische Nutzung beeinträchtigten Böden stabilisiert werden, insbesondere und soweit möglich durch die Wiederherstellung der Vegetationsdecke und die Anwendung naturnaher Ingenieurtechniken. Die weitere Nutzung soll so gelenkt werden, dass derartige Schäden nicht mehr auftreten,

Genehmigungen für den Bau und die Planierung von Skipisten in Wäldern mit Schutzfunktionen nur in Ausnahmefällen und bei Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen erteilt und in labilen Gebieten nicht erteilt werden.

(2)   Chemische und biologische Zusätze für die Pistenpräparierung werden nur dann zugelassen, wenn sie nachgewiesenermaßen umweltverträglich sind.

(3)   Wenn bedeutende Schäden an Böden und Vegetation festgestellt werden, ergreifen die Vertragsparteien zum frühestmöglichen Zeitpunkt die erforderlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung.

Artikel 15

Begrenzung von Schadstoffeinträgen

(1)   Die Vertragsparteien unternehmen alle Anstrengungen, um den Schadstoffeintrag in die Böden über Luft, Wasser, Abfälle und umweltbelastende Stoffe so weit wie möglich und vorsorglich zu verringern. Bevorzugt werden Maßnahmen, die Emissionen an ihrer Quelle begrenzen.

(2)   Zur Vermeidung der Kontamination von Böden beim Umgang mit gefährlichen Stoffen treffen die Vertragsparteien technische Regelungen, sehen Kontrollen vor und führen Forschungsprogramme und Aufklärungsmaßnahmen durch.

Artikel 16

Umweltverträglicher Einsatz von Streumitteln

Die Vertragsparteien verpflichten sich, den Einsatz von Streusalz zu minimieren und, soweit möglich, abstumpfende und weniger kontaminierende Mittel wie Kies und Sand einzusetzen.

Artikel 17

Kontaminierte Böden, Altlasten, Abfallkonzepte

(1)   Die Vertragsparteien verpflichten sich zur Erhebung und Dokumentation ihrer Altlasten und Altlastenverdachtsflächen (Altlastenkataster), zur Untersuchung des Zustands dieser Flächen sowie zur Abschätzung des Gefährdungspotenzials nach vergleichbaren Methoden.

(2)   Zur Vermeidung der Kontamination von Böden sowie zur umweltverträglichen Vorbehandlung, Behandlung und Ablagerung von Abfällen und Reststoffen sind Abfallkonzepte zu erstellen und umzusetzen.

Artikel 18

Weitergehende Maßnahmen

Die Vertragsparteien können Maßnahmen zum Bodenschutz treffen, welche über die in diesem Protokoll vorgesehenen Maßnahmen hinausgehen.

KAPITEL III

FORSCHUNG, BILDUNG UND INFORMATION

Artikel 19

Forschung und Beobachtung

(1)   Die Vertragsparteien fördern und harmonisieren in enger Zusammenarbeit Forschungen und systematische Beobachtungen, die zur Erreichung der Ziele dieses Protokolls dienlich sind.

(2)   Die Vertragsparteien sorgen dafür, dass die jeweiligen Ergebnisse nationaler Forschung und systematischer Beobachtung in ein gemeinsames System zur dauernden Beobachtung und Information einfließen und im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung öffentlich zugänglich gemacht werden.

(3)   Die Vertragsparteien vereinbaren, ihre alpenbezogenen Forschungsvorhaben zum Bodenschutz unter Berücksichtigung anderer nationaler und internationaler Forschungsentwicklungen zu koordinieren, und nehmen gemeinsame Forschungsaktivitäten in Aussicht.

(4)   Besondere Aufmerksamkeit ist den Bewertungen der Bodenempfindlichkeit im Hinblick auf unterschiedliche menschliche Tätigkeiten, den Bewertungen der Regenerationsfähigkeit der Böden sowie der Prüfung der bestgeeigneten entsprechenden Technologien beizumessen.

Artikel 20

Erstellung harmonisierter Datengrundlagen

(1)   Die Vertragsparteien kommen überein, im Rahmen des Beobachtungs- und Informationssystems der Alpen vergleichbare Datengrundlagen (Bodenparameter, Probenahme, Analytik, Auswertung) und die Möglichkeit des Datenaustauschs zu schaffen.

(2)   Die Vertragsparteien verständigen sich über vorrangig zu untersuchende bodengefährdende Stoffe und streben vergleichbare Bewertungsmaßstäbe an.

(3)   Die Vertragsparteien streben an, den Zustand der Böden im Alpenraum unter Berücksichtigung der geologischen und hydrogeologischen Situation nach gleichen Bewertungsgrundlagen und harmonisierten Methoden repräsentativ zu erfassen.

Artikel 21

Einrichtung von Dauerbeobachtungsflächen und Koordinierung der Umweltbeobachtung

(1)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, für den Alpenraum Dauerbeobachtungsflächen (Monitoring) einzurichten und in ein alpenweites Netz zur Bodenbeobachtung zu integrieren.

(2)   Die Vertragsparteien vereinbaren, ihre nationale Bodenbeobachtung mit den Umweltbeobachtungseinrichtungen in den Bereichen Luft, Wasser, Flora und Fauna zu koordinieren.

(3)   Im Rahmen dieser Untersuchungen werden die Vertragsparteien nach vergleichbaren Vorgaben Bodenprobenbanken aufbauen.

Artikel 22

Bildung und Information

Die Vertragsparteien fördern die Aus- und Weiterbildung sowie die Information der Öffentlichkeit im Hinblick auf Ziele, Maßnahmen und Durchführung dieses Protokolls.

KAPITEL IV

DURCHFÜHRUNG, KONTROLLE UND BEWERTUNG

Artikel 23

Durchführung

Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Durchführung dieses Protokolls durch geeignete Maßnahmen im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung sicherzustellen.

Artikel 24

Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen

(1)   Die Vertragsparteien erstatten dem Ständigen Ausschuss regelmäßig Bericht über die aufgrund dieses Protokolls getroffenen Maßnahmen. In den Berichten ist auch die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen darzulegen. Die Alpenkonferenz bestimmt die zeitliche Abfolge der Berichterstattung.

(2)   Der Ständige Ausschuss prüft die Berichte daraufhin, ob die Vertragsparteien ihren Verpflichtungen aus diesem Protokoll nachgekommen sind. Er kann dabei auch zusätzliche Informationen von den Vertragsparteien anfordern oder Informationen aus anderen Quellen beiziehen.

(3)   Der Ständige Ausschuss erstellt für die Alpenkonferenz einen Bericht über die Einhaltung der Verpflichtungen aus diesem Protokoll durch die Vertragsparteien.

(4)   Die Alpenkonferenz nimmt diesen Bericht zur Kenntnis. Falls sie eine Verletzung der Verpflichtungen feststellt, kann sie Empfehlungen verabschieden.

Artikel 25

Bewertung der Wirksamkeit der Bestimmungen

(1)   Die Vertragsparteien überprüfen und beurteilen regelmäßig die in diesem Protokoll enthaltenen Bestimmungen auf ihre Wirksamkeit. Soweit zur Erreichung der Ziele dieses Protokolls erforderlich, werden sie geeignete Änderungen des Protokolls in die Wege leiten.

(2)   Im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung werden die Gebietskörperschaften an dieser Bewertung beteiligt. Die einschlägig tätigen nichtstaatlichen Organisationen können angehört werden.

KAPITEL V

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 26

Verhältnis zwischen der Alpenkonvention und dem Protokoll

(1)   Dieses Protokoll ist ein Protokoll der Alpenkonvention im Sinne des Artikels 2 und der anderen einschlägigen Artikel der Alpenkonvention.

(2)   Nur Vertragsparteien der Alpenkonvention können Vertragspartei dieses Protokolls werden. Eine Kündigung der Alpenkonvention gilt zugleich als Kündigung dieses Protokolls.

(3)   Entscheidet die Alpenkonferenz über Fragen in Bezug auf dieses Protokoll, so sind lediglich die Vertragsparteien dieses Protokolls abstimmungsberechtigt.

Artikel 27

Unterzeichnung und Ratifikation

(1)   Dieses Protokoll liegt für die Unterzeichnerstaaten der Alpenkonvention und die Europäische Gemeinschaft am 16. Oktober 1998 sowie ab dem 16. November 1998 bei der Republik Österreich als Verwahrer zur Unterzeichnung auf.

(2)   Dieses Protokoll tritt für die Vertragsparteien, die ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein, drei Monate nach dem Tag in Kraft, an dem drei Staaten ihre Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegt haben.

(3)   Für die Vertragsparteien, die später ihre Zustimmung ausdrücken, durch dieses Protokoll gebunden zu sein, tritt das Protokoll drei Monate nach dem Tag der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft. Nach dem Inkrafttreten einer Änderung des Protokolls wird jede neue Vertragspartei dieses Protokolls Vertragspartei des Protokolls in der geänderten Fassung.

Artikel 28

Notifikationen

Der Verwahrer notifiziert jedem in der Präambel genannten Staat und der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf dieses Protokoll

a)

jede Unterzeichnung,

b)

jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde,

c)

jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens,

d)

jede von einer Vertrags- oder Unterzeichnerpartei abgegebene Erklärung,

e)

jede von einer Vertragspartei notifizierte Kündigung, einschließlich des Zeitpunkts ihres Wirksamwerdens.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.

Geschehen zu Bled am 16. Oktober 1998 in deutscher, französischer, italienischer und slowenischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Staatsarchiv der Republik Österreich hinterlegt wird. Der Verwahrer übermittelt den Unterzeichnerparteien beglaubigte Abschriften.


PROTOKOLL

zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie

Protokoll „Energie“

Präambel

DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND,

DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK,

DIE ITALIENISCHE REPUBLIK,

DAS FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN,

DAS FÜRSTENTUM MONACO,

DIE REPUBLIK ÖSTERREICH,

DIE SCHWEIZERISCHE EIDGENOSSENSCHAFT,

DIE REPUBLIK SLOWENIEN

sowie

DIE EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFT —

IN ERFÜLLUNG ihres Auftrags aufgrund des Übereinkommens vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention), eine ganzheitliche Politik zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung des Alpenraums sicherzustellen,

IN ERFÜLLUNG ihrer Verpflichtungen gemäß Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Alpenkonvention,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass eine natur- und landschaftsschonende sowie umweltverträgliche Erzeugung, Verteilung und Nutzung von Energie durchzusetzen und energiesparende Maßnahmen zu fördern sind,

IN ANBETRACHT der Notwendigkeit, die Treibhausgasemissionen auch im Alpenraum zu verringern und damit auch die Verpflichtungen aus dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen zu erfüllen,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass wirtschaftliche Interessen mit den ökologischen Erfordernissen in Einklang gebracht werden müssen,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass der Alpenraum ein Gebiet von europäischer Bedeutung ist und hinsichtlich seiner Geomorphologie, seines Klimas, seiner Gewässer, seiner Pflanzen- und Tierwelt, seiner Landschaft und seiner Kultur ein einzigartiges sowie vielfältiges Erbe darstellt und dass seine Hochgebirge, Täler und Vorgebirge ökologische Einheiten bilden, deren Erhaltung nicht nur Aufgabe der Alpenstaaten sein kann,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass die Alpen Lebens- und Wirtschaftsraum für die ansässige Bevölkerung sind und darüber hinaus größte Bedeutung für die außeralpinen Gebiete haben, unter anderem als Transitraum nicht nur für den transeuropäischen Personen- und Warenverkehr, sondern auch für die internationalen Energieversorgungsnetze,

IN ANBETRACHT der ökologischen Anfälligkeit des Alpenraums auch hinsichtlich Energieproduktion, -transport und -verwendung, die bei Naturschutz, Raumplanung und Bodennutzung zu berücksichtigen ist,

UNTER BERÜCKSICHTIGUNG der Tatsache, dass die bestehende Gefährdung der Umwelt und die möglichen durch den Menschen verursachten Klimaänderungen eine besondere Betrachtung der engen Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Handeln des Menschen und Erhaltung der Ökosysteme verlangen, wobei insbesondere im Alpenraum geeignete sowie unterschiedlich gestaltete Maßnahmen im Einvernehmen mit der ansässigen Bevölkerung, den politischen Institutionen und den wirtschaftlichen und sozialen Organisationen erforderlich sind,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass die ansässige Bevölkerung in der Lage sein muss, ihre Vorstellungen von der gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung selbst zu definieren und an deren Umsetzung im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung mitzuwirken,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass bestimmte Probleme nur grenzübergreifend gelöst werden können und gemeinsame Maßnahmen der Alpenstaaten und der unmittelbar betroffenen Gebietskörperschaften erforderlich machen,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass die Deckung des Energiebedarfs einen wesentlichen Faktor für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowohl innerhalb als auch außerhalb des Alpenraums darstellt,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass der Nutzung und der Weiterentwicklung von ökonomischen Instrumenten, mit denen die Kostenwahrheit stärker in die Berechnung der Energiepreise einbezogen werden könnte, eine wesentliche Bedeutung zukommt,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass der Alpenraum einen dauerhaften Beitrag zur Deckung des Energiebedarfs und zur Trinkwasserversorgung auf europäischer Ebene leistet und auch selbst eine ausreichende Energieversorgung zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit benötigt,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass der Alpenraum eine besonders wichtige Rolle für den Verbund der Energiesysteme der europäischen Staaten spielt,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass im Alpenraum Maßnahmen zur rationellen Energienutzung sowie zur nachhaltigen Nutzung der Wasser- und Holzressourcen einen wesentlichen volkswirtschaftlichen Beitrag zur Energieversorgung leisten können und die Nutzung von Biomasse und Sonnenenergie zunehmend Bedeutung erlangt —

SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Ziele

Die Vertragsparteien verpflichten sich, im räumlichen Anwendungsbereich der Alpenkonvention Rahmenbedingungen zu schaffen und konkrete Maßnahmen in den Bereichen Energieeinsparung sowie Energieerzeugung, -transport, -versorgung und -verwendung zu ergreifen, um die energiewirtschaftlichen Voraussetzungen für eine nachhaltige, mit den für den Alpenraum spezifischen Belastbarkeitsgrenzen verträgliche Entwicklung zu schaffen; damit werden die Vertragsparteien einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt, zur Schonung der Ressourcen sowie zur Klimavorsorge leisten.

Artikel 2

Grundverpflichtungen

(1)   Im Einklang mit diesem Protokoll streben die Vertragsparteien insbesondere Folgendes an:

a)

Harmonisierung ihrer energiewirtschaftlichen Planung mit der allgemeinen Raumplanung im Alpenraum,

b)

Ausrichtung der Energieerzeugungs-, -transport- und -versorgungssysteme unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Umweltschutzes auf die allgemeine Optimierung des gesamten Infrastruktursystems im Alpenraum,

c)

Reduzierung der energiebedingten Umweltbelastungen im Zuge der Optimierung der Energiedienstleistungen für die Endverbraucher unter anderem nach Möglichkeit durch:

die Reduktion des Energiebedarfs durch den Einsatz effizienterer Technologien,

die verstärkte Deckung des verbleibenden Energiebedarfs aus erneuerbaren Energieträgern,

die Optimierung der bestehenden Anlagen zur Energieerzeugung aus nicht erneuerbaren Energieträgern,

d)

Verminderung der Beeinträchtigungen von Umwelt und Landschaft durch die energietechnischen Infrastrukturen einschließlich jener zur Abfallentsorgung mittels Vorsorgemaßnahmen bei neuen Anlagen und, soweit erforderlich, mittels Sanierungsmaßnahmen bei bestehenden Anlagen.

(2)   Bei Errichtung neuer und erheblichem Ausbau bestehender großer energietechnischer Infrastrukturen nehmen die Vertragsparteien im Rahmen der geltenden Rechtsordnung eine Umweltverträglichkeitsprüfung im alpinen Raum sowie eine Bewertung der räumlichen und sozioökonomischen Auswirkungen nach Artikel 12 vor; dies schließt das Anhörungsrecht auf internationaler Ebene ein, wenn möglicherweise grenzüberschreitende Auswirkungen bestehen.

(3)   Sie berücksichtigen in ihrer Energiepolitik, dass der Alpenraum zur Nutzung der erneuerbaren Energieträger geeignet ist, und fördern die Zusammenarbeit im Rahmen der Entwicklungsprogramme in diesem Bereich.

(4)   Sie bewahren die Schutzgebiete mit ihren Pufferzonen, die Schon- und Ruhezonen sowie die unversehrten naturnahen Gebiete und Landschaften und optimieren die energietechnischen Infrastrukturen im Hinblick auf die unterschiedlichen Empfindlichkeits-, Belastbarkeits- und Beeinträchtigungsgrade der alpinen Ökosysteme.

(5)   Die Vertragsparteien sind sich dessen bewusst, dass eine geeignete Forschungs- und Entwicklungspolitik einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Alpen vor Umweltbelastungen durch energietechnische Infrastrukturen mittels Vorbeugungs- und Sanierungsmaßnahmen leisten kann. Sie fördern deshalb die entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in den einschlägigen Bereichen sowie den Austausch relevanter Ergebnisse.

(6)   Die Vertragsparteien werden im Energiebereich bei der Entwicklung von Methoden zur besseren Berücksichtigung der Kostenwahrheit zusammenarbeiten.

Artikel 3

Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und mit den anderen Politiken

(1)   Die Durchführung dieses Protokolls erfolgt in Übereinstimmung mit den geltenden völkerrechtlichen Normen, insbesondere mit denen der Alpenkonvention und ihrer Durchführungsprotokolle, sowie mit den geltenden völkerrechtlichen Übereinkünften.

(2)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Ziele dieses Protokolls auch in ihren anderen Politiken zu berücksichtigen, insbesondere in den Bereichen der Raumordnung und Regionalentwicklung, des Verkehrs, der Land- und Forstwirtschaft sowie des Tourismus, um mögliche negative oder widersprüchliche Auswirkungen im Alpenraum zu vermeiden.

Artikel 4

Beteiligung der Gebietskörperschaften

(1)   Jede Vertragspartei bestimmt im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung die für die Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den unmittelbar betroffenen Institutionen und Gebietskörperschaften am besten geeignete Ebene, um eine gemeinsame Verantwortung zu fördern, namentlich um sich gegenseitig verstärkende Kräfte beim Vollzug der Energiepolitiken im Alpenraum sowie der sich daraus ergebenden Maßnahmen zu nutzen und zu entwickeln.

(2)   Die unmittelbar betroffenen Gebietskörperschaften werden in den verschiedenen Stadien der Vorbereitung und Umsetzung dieser Politiken und Maßnahmen unter Wahrung ihrer Zuständigkeit im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung beteiligt.

(3)   Die Vertragsparteien fördern die internationale Zusammenarbeit zwischen den mit Energie- und Umweltproblemen unmittelbar befassten Institutionen mit dem Ziel, einvernehmliche Lösungen für die gemeinsamen Probleme zu erreichen.

KAPITEL II

SPEZIFISCHE MASSNAHMEN

Artikel 5

Energieeinsparung und rationelle Energieverwendung

(1)   Der Alpenraum erfordert geeignete Maßnahmen zur Energieeinsparung und -verteilung sowie zur rationellen Energieverwendung, die

a)

dem räumlich weit gestreuten, höhenmäßig und jahreszeitlich sowie tourismusbedingt sehr schwankenden Energiebedarf,

b)

der örtlichen Verfügbarkeit von erneuerbaren Energieträgern,

c)

den durch die geomorphologische Beschaffenheit bedingten besonderen Auswirkungen von Luftimmissionen auf Becken und Täler

Rechnung tragen.

(2)   Die Vertragsparteien sorgen für eine umweltverträglichere Energienutzung und fördern vorrangig die Energieeinsparung sowie die rationelle Energieverwendung insbesondere bei Produktionsprozessen, öffentlichen Dienstleistungen, großen Hotelbetrieben sowie Transport-, Sport- und Freizeitanlagen.

(3)   Sie beschließen Maßnahmen und erlassen Bestimmungen insbesondere in folgenden Bereichen:

a)

Verbesserung der Wärmedämmung bei Gebäuden und der Effizienz von Wärmeverteilungssystemen,

b)

Leistungsoptimierung der Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen,

c)

Durchführung von periodischen Kontrollen und gegebenenfalls Reduktion der Schadstoffemissionen thermischer Anlagen,

d)

Energieeinsparung durch moderne technologische Verfahren zur Energieverwendung und -umwandlung,

e)

verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten,

f)

Planung und Förderung von Neubauten mit Niedrigenergietechnologie,

g)

Förderung und Umsetzung kommunaler/lokaler Energie- und Klimaschutzkonzepte unter Berücksichtigung der Maßnahmen nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c,

h)

energietechnische Gebäudesanierung bei Umbauten und Förderung des Einsatzes von umweltverträglichen Heizungssystemen.

Artikel 6

Erneuerbare Energieträger

(1)   Die Vertragsparteien verpflichten sich im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten zur Förderung und zur bevorzugten Nutzung erneuerbarer Energieträger unter umwelt- und landschaftsverträglichen Bedingungen.

(2)   Sie unterstützen auch den Einsatz dezentraler Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energieträger wie Wasser, Sonne und Biomasse.

(3)   Sie unterstützen den Einsatz erneuerbarer Energieträger auch in Verbindung mit der bestehenden konventionellen Energieversorgung.

(4)   Die Vertragsparteien fördern insbesondere die rationelle Nutzung von Wasserressourcen und von Holz aus nachhaltiger Bergwaldwirtschaft zur Energieerzeugung.

Artikel 7

Wasserkraft

(1)   Die Vertragsparteien stellen sowohl bei neuen als auch soweit wie möglich bei schon bestehenden Wasserkraftanlagen die ökologische Funktionsfähigkeit der Fließgewässer und die Unversehrtheit der Landschaften durch geeignete Maßnahmen wie die Festlegung von Mindestabflussmengen, die Umsetzung von Vorschriften zur Reduzierung der künstlichen Wasserstandsschwankungen und die Gewährleistung der Durchgängigkeit für die Fauna sicher.

(2)   Die Vertragsparteien können unter Einhaltung ihrer Sicherheits- und Umweltvorschriften Maßnahmen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit bestehender Wasserkraftanlagen ergreifen.

(3)   Sie verpflichten sich des Weiteren, den Wasserhaushalt in den Trinkwasserschutz- und Naturschutzgebieten mit ihren Pufferzonen, in den Schon- und Ruhezonen sowie in den unversehrten naturnahen Gebieten und Landschaften zu erhalten.

(4)   Die Vertragsparteien empfehlen die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Wasserkraftwerke vor einem Neubau. Auch im Fall der Wiederinbetriebnahme gelten die Bestimmungen des Absatzes 1 über die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gewässerökosysteme und anderer betroffener Systeme.

(5)   Die Vertragsparteien können im Rahmen ihres nationalen Rechts prüfen, wie den Endverbrauchern alpiner Ressourcen marktgerechte Preise berechnet werden können und inwieweit die von der ansässigen Bevölkerung im öffentlichen Interesse erbrachten Leistungen angemessen abgegolten werden können.

Artikel 8

Energie aus fossilen Brennstoffen

(1)   Die Vertragsparteien gewährleisten, dass bei neuen thermischen Anlagen zur Strom- und/oder Wärmeerzeugung aus fossilen Energieträgern die besten verfügbaren Techniken zum Einsatz gelangen. Sie beschränken bei bestehenden Anlagen im Alpenraum die Emissionen so weit wie möglich durch den Einsatz dazu geeigneter Technologien und/oder Brennstoffe.

(2)   Die Vertragsparteien prüfen die technische und wirtschaftliche Machbarkeit sowie die ökologische Zweckmäßigkeit des Ersatzes von thermischen Anlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, durch Anlagen, in denen erneuerbare Energieträger zum Einsatz gelangen, und durch dezentrale Anlagen.

(3)   Zur wirksameren Energienutzung treffen die Vertragsparteien geeignete Maßnahmen für die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung.

(4)   In grenznahen Gebieten sorgen sie so weit wie möglich für eine Harmonisierung und Verknüpfung ihrer Emissions- und Immissionsüberwachungssysteme.

Artikel 9

Kernkraft

(1)   Die Vertragsparteien verpflichten sich zu einem umfassenden Informationsaustausch im Rahmen der internationalen Übereinkünfte über Kernkraftwerke und andere kerntechnische Anlagen, die Auswirkungen auf den Alpenraum haben oder haben könnten, mit dem Ziel eines dauerhaften Schutzes der Gesundheit der Menschen, des Tier- und Pflanzenbestandes, ihrer Lebensgemeinschaften, Lebensräume und deren Wechselbeziehungen.

(2)   Darüber hinaus sorgen die Vertragsparteien so weit wie möglich für eine Harmonisierung und Vernetzung ihrer Systeme zur Überwachung der Umweltradioaktivität.

Artikel 10

Energietransport und -verteilung

(1)   Die Vertragsparteien streben die Rationalisierung und Optimierung der bestehenden Infrastrukturen an; dabei tragen sie den Erfordernissen des Umweltschutzes Rechnung, insbesondere der Notwendigkeit, die in hohem Maße empfindlichen Ökosysteme sowie die Landschaft zu erhalten, und ergreifen erforderlichenfalls Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der alpinen Umwelt.

(2)   Bei Bauten von Stromleitungen und der entsprechenden Netzstationen, von Gas- und Ölleitungen einschließlich der Pump- und Kompressionsstationen und sonstigen Anlagen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt treffen die Vertragsparteien alle erforderlichen Vorkehrungen, um die Belastung von Bevölkerung und Umwelt gering zu halten, wobei so weit wie möglich bestehende Strukturen und Leitungsverläufe zu benutzen sind.

(3)   Die Vertragsparteien tragen im Zusammenhang mit den Energieleitungen insbesondere der Bedeutung der Schutzgebiete, der dazugehörenden Puffer-, Schon- und Ruhezonen, den unversehrten naturnahen Gebieten und Landschaften sowie der Vogelwelt Rechnung.

Artikel 11

Renaturierung und naturnahe ingenieurbauliche Methoden

Die Vertragsparteien legen bei Vorprojekten beziehungsweise bei den nach geltendem Recht vorgesehenen Umweltverträglichkeitsprüfungen die Bedingungen fest, unter welchen die Renaturierung der Standorte und die Wiederherstellung der Gewässer nach der Fertigstellung öffentlicher und privater energiewirtschaftlicher Bauten mit Auswirkungen auf die Umwelt und die Ökosysteme im Alpenraum zu erfolgen hat; dabei sind, soweit möglich, naturnahe ingenieurbauliche Methoden anzuwenden.

Artikel 12

Umweltverträglichkeitsprüfung

(1)   Die Vertragsparteien führen bei der Planung energiewirtschaftlicher Anlagen nach den Artikeln 7, 8, 9 und 10 dieses Protokolls sowie bei wesentlichen Änderungen dieser Anlagen im Voraus Umweltverträglichkeitsprüfungen gemäß den geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften und den internationalen Übereinkünften und Vereinbarungen durch.

(2)   Die Vertragsparteien stimmen überein, dass die beste verfügbare Technik zur Vermeidung oder Verringerung von Umweltbelastungen so weit wie möglich angewendet werden soll und dass unter den verschiedenen Möglichkeiten gegebenenfalls auch der Abbau stillgelegter umweltbelastender Anlagen vorzusehen ist.

Artikel 13

Abstimmung

(1)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, bei Vorhaben, die grenzüberschreitende Auswirkungen haben können, vorherige Konsultationen bezüglich ihrer Folgen durchzuführen.

(2)   Bei Vorhaben, die grenzüberschreitende Auswirkungen haben können, muss den betroffenen Vertragsparteien Gelegenheit gegeben werden, rechtzeitig eine eigene Stellungnahme abzugeben; diese ist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens angemessen zu berücksichtigen.

Artikel 14

Weitergehende Maßnahmen

Die Vertragsparteien können Maßnahmen im Energiebereich und solche zur nachhaltigen Entwicklung ergreifen, welche über die in diesem Protokoll vorgesehenen Maßnahmen hinausgehen.

KAPITEL III

FORSCHUNG, BILDUNG UND INFORMATION

Artikel 15

Forschung und Beobachtung

(1)   Die Vertragsparteien fördern und harmonisieren in enger Zusammenarbeit und unter Berücksichtigung der auf den verschiedenen nationalen und internationalen Ebenen schon vorhandenen Ergebnisse Forschungen und systematische Beobachtungen, die der Umsetzung dieses Protokolls dienen, insbesondere über Methoden und Kriterien zur Analyse und Bewertung der Umwelt- und Klimaauswirkungen sowie über spezifische Technologien zur Energieeinsparung und rationellen Energienutzung im Alpenraum.

(2)   Sie berücksichtigen die Forschungsergebnisse bei der Bestimmung und Überprüfung der energiepolitischen Ziele und Maßnahmen sowie bei der Bildung und Beratung der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Gebietskörperschaften auf örtlicher Ebene.

(3)   Die Vertragsparteien sorgen dafür, dass die jeweiligen Ergebnisse nationaler Forschung und systematischer Beobachtung in ein gemeinsames System zur dauernden Beobachtung und Information einfließen und im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung öffentlich zugänglich gemacht werden.

Artikel 16

Bildung und Information

(1)   Die Vertragsparteien fördern die Aus- und Weiterbildung sowie die Information der Öffentlichkeit im Hinblick auf Ziele, Maßnahmen und Durchführung dieses Protokolls.

(2)   Sie setzen sich insbesondere dafür ein, Ausbildung, Weiterbildung und Beratung im Energiebereich zu fördern und dabei den Umwelt-, Natur- und Klimaschutz einzubeziehen.

KAPITEL IV

DURCHFÜHRUNG, KONTROLLE UND BEWERTUNG

Artikel 17

Durchführung

Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Durchführung dieses Protokolls durch geeignete Maßnahmen im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung sicherzustellen.

Artikel 18

Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen

(1)   Die Vertragsparteien erstatten dem Ständigen Ausschuss regelmäßig Bericht über die aufgrund dieses Protokolls getroffenen Maßnahmen. In den Berichten ist auch die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen darzulegen. Die Alpenkonferenz bestimmt die zeitliche Abfolge der Berichterstattung.

(2)   Der Ständige Ausschuss prüft die Berichte daraufhin, ob die Vertragsparteien ihren Verpflichtungen aus diesem Protokoll nachgekommen sind. Er kann dabei auch zusätzliche Informationen von den Vertragsparteien anfordern oder Informationen aus anderen Quellen beiziehen.

(3)   Der Ständige Ausschuss erstellt für die Alpenkonferenz einen Bericht über die Einhaltung der Verpflichtungen aus diesem Protokoll durch die Vertragsparteien.

(4)   Die Alpenkonferenz nimmt diesen Bericht zur Kenntnis. Falls sie eine Verletzung der Verpflichtungen feststellt, kann sie Empfehlungen verabschieden.

Artikel 19

Bewertung der Wirksamkeit der Bestimmungen

(1)   Die Vertragsparteien überprüfen und beurteilen regelmäßig die in diesem Protokoll enthaltenen Bestimmungen auf ihre Wirksamkeit. Soweit zur Erreichung der Ziele dieses Protokolls erforderlich, werden sie geeignete Änderungen des Protokolls in die Wege leiten.

(2)   Im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung werden die Gebietskörperschaften an dieser Bewertung beteiligt. Die einschlägig tätigen nichtstaatlichen Organisationen können angehört werden.

KAPITEL V

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 20

Verhältnis zwischen der Alpenkonvention und dem Protokoll

(1)   Dieses Protokoll ist ein Protokoll der Alpenkonvention im Sinne des Artikels 2 und der anderen einschlägigen Artikel der Alpenkonvention.

(2)   Nur Vertragsparteien der Alpenkonvention können Vertragspartei dieses Protokolls werden. Eine Kündigung der Alpenkonvention gilt zugleich als Kündigung dieses Protokolls.

(3)   Entscheidet die Alpenkonferenz über Fragen in Bezug auf dieses Protokoll, so sind lediglich die Vertragsparteien dieses Protokolls abstimmungsberechtigt.

Artikel 21

Unterzeichnung und Ratifikation

(1)   Dieses Protokoll liegt für die Unterzeichnerstaaten der Alpenkonvention und die Europäische Gemeinschaft am 16. Oktober 1998 sowie ab dem 16. November 1998 bei der Republik Österreich als Verwahrer zur Unterzeichnung auf.

(2)   Dieses Protokoll tritt für die Vertragsparteien, die ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein, drei Monate nach dem Tag in Kraft, an dem drei Staaten ihre Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegt haben.

(3)   Für die Vertragsparteien, die später ihre Zustimmung ausdrücken, durch dieses Protokoll gebunden zu sein, tritt das Protokoll drei Monate nach dem Tag der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft. Nach dem Inkrafttreten einer Änderung des Protokolls wird jede neue Vertragspartei dieses Protokolls Vertragspartei des Protokolls in der geänderten Fassung.

Artikel 22

Notifikationen

Der Verwahrer notifiziert jedem in der Präambel genannten Staat und der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf dieses Protokoll

a)

jede Unterzeichnung,

b)

jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde,

c)

jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens,

d)

jede von einer Vertrags- oder Unterzeichnerpartei abgegebene Erklärung,

e)

jede von einer Vertragspartei notifizierte Kündigung, einschließlich des Zeitpunkts ihres Wirksamwerdens.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.

Geschehen zu Bled am 16. Oktober 1998 in deutscher, französischer, italienischer und slowenischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Staatsarchiv der Republik Österreich hinterlegt wird. Der Verwahrer übermittelt den Unterzeichnerparteien beglaubigte Abschriften.


PROTOKOLL

zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus

Protokoll „Tourismus“

Präambel

DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND,

DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK,

DIE ITALIENISCHE REPUBLIK,

DAS FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN,

DAS FÜRSTENTUM MONACO,

DIE REPUBLIK ÖSTERREICH,

DIE SCHWEIZERISCHE EIDGENOSSENSCHAFT,

DIE REPUBLIK SLOWENIEN

sowie

DIE EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFT —

IN ERFÜLLUNG ihres Auftrags aufgrund des Übereinkommens vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention), eine ganzheitliche Politik zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung des Alpenraums sicherzustellen,

IN ERFÜLLUNG ihrer Verpflichtungen gemäß Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Alpenkonvention,

IN ANBETRACHT der Absicht der Vertragsparteien, die wirtschaftlichen Interessen mit den ökologischen Erfordernissen in Einklang zu bringen und eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen,

IM BEWUSSTSEIN, dass die Alpen den Rahmen für das Leben und die wirtschaftliche Entwicklung der ansässigen Bevölkerung darstellen,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass die ansässige Bevölkerung in der Lage sein muss, ihre Vorstellungen von der gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung selbst zu definieren und an deren Umsetzung im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung mitzuwirken,

IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass in unserer verstädterten Zivilisation bei den Menschen von heute ein immer größeres Bedürfnis nach vielfältigen Tourismus- und Freizeittätigkeiten besteht,

IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass die Alpen aufgrund ihrer außerordentlich großen Freizeitmöglichkeiten, des Reichtums ihrer Landschaften und der Vielfalt ihrer ökologischen Verhältnisse nach wie vor eines der großen Tourismus- und Freizeitgebiete Europas sind und dass deren Bedeutung eine über den nationalen Rahmen hinausgehende Betrachtungsweise erfordert,

IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass ein bedeutender Teil der Bevölkerung einiger Vertragsparteien in den Alpen wohnt und dass der alpine Tourismus im öffentlichen Interesse liegt, da er zur Aufrechterhaltung einer dauerhaften Besiedlung beiträgt,

IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass sich der Gebirgstourismus in zunehmender weltweiter Konkurrenz entwickelt und einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaftsleistung des Alpenraums leistet,

IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass sich in letzter Zeit Entwicklungen zu einem besseren Einklang zwischen Tourismus und Umwelt abzeichnen, wie etwa das wachsende Interesse der Gäste für eine im Winter wie im Sommer anziehende intakte Landschaft oder das Bemühen zahlreicher lokaler Entscheidungsträger, die Qualität der Feriengebiete im Sinne des Umweltschutzes zu verbessern,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass im Alpenraum die Grenzen der Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme eines jeden Ortes eine besondere Beachtung finden und entsprechend ihren Besonderheiten abgeschätzt werden müssen,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass das natürliche und kulturelle Erbe sowie die Landschaften wesentliche Grundlagen für den Tourismus in den Alpen darstellen,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass die zwischen den Alpenstaaten bestehenden naturräumlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und institutionellen Unterschiede zu eigenständigen Entwicklungen und zu einer Vielzahl touristischer Angebote geführt haben, die nicht internationaler Gleichförmigkeit weichen dürfen, sondern Quelle vielfältiger und sich ergänzender touristischer Tätigkeiten sein sollen,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass eine nachhaltige Entwicklung der Tourismuswirtschaft, die sich auf die Aufwertung des natürlichen Erbes und die Qualität der Angebote und Dienstleistungen stützt, erforderlich ist, da die meisten Regionen im Alpenraum wirtschaftlich vom Tourismus abhängen und dieser Erwerbszweig eine Überlebenschance für ihre Bevölkerung bietet,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass bei den Touristen die Rücksichtnahme auf die Natur und das Verständnis für die in den besuchten Gebieten lebende und arbeitende Bevölkerung zu fördern und möglichst günstige Voraussetzungen für ein echtes Entdecken der Natur im Alpenraum in ihrer ganzen Vielfalt zu schaffen sind,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass es Aufgabe der berufsständischen Organisationen der Tourismuswirtschaft und der Gebietskörperschaften ist, im Alpenraum in einem abgestimmten Rahmen die Mittel zur Verbesserung der Angebotsstrukturen und ihrer Funktionsweise zu schaffen,

IN DEM BESTREBEN, die nachhaltige Entwicklung des Alpenraums durch einen umweltverträglichen Tourismus, auch als wesentliche Grundlage für die Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse der ansässigen Bevölkerung, zu sichern,

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass bestimmte Probleme nur grenzübergreifend gelöst werden können und gemeinsame Maßnahmen der Alpenstaaten erforderlich machen —

SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Ziel

Ziel dieses Protokolls ist es, mit spezifischen Maßnahmen und Empfehlungen, welche die Interessen der ansässigen Bevölkerung und der Touristen berücksichtigen, im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung durch einen umweltverträglichen Tourismus zu einer nachhaltigen Entwicklung des Alpenraums beizutragen.

Artikel 2

Internationale Zusammenarbeit

(1)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, Hindernisse für die internationale Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften des Alpenraums zu beseitigen und die Lösung gemeinsamer Probleme durch Zusammenarbeit auf der geeigneten territorialen Ebene zu fördern.

(2)   Die Vertragsparteien unterstützen eine verstärkte internationale Zusammenarbeit zwischen den jeweils zuständigen Institutionen. Insbesondere achten sie auf eine Aufwertung von grenzübergreifenden Räumen durch die Koordination umweltverträglicher Tourismus- und Freizeittätigkeiten.

(3)   Wenn die Gebietskörperschaften Maßnahmen nicht durchführen können, weil sie in nationaler oder internationaler Zuständigkeit liegen, ist ihnen die Möglichkeit einzuräumen, die Interessen der Bevölkerung wirksam zu vertreten.

Artikel 3

Berücksichtigung der Ziele in den anderen Politiken

Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Ziele dieses Protokolls auch in ihren anderen Politiken zu berücksichtigen, insbesondere in den Bereichen der Raumplanung, des Verkehrs, der Land- und der Forstwirtschaft, des Umwelt- und Naturschutzes sowie bei der Wasser- und Energieversorgung, um etwaige negative oder diesen Zielen widersprechende Auswirkungen zu mindern.

Artikel 4

Beteiligung der Gebietskörperschaften

(1)   Jede Vertragspartei bestimmt im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung die für die Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den unmittelbar betroffenen Institutionen und Gebietskörperschaften am besten geeignete Ebene, um eine gemeinsame Verantwortung zu fördern, namentlich um sich gegenseitig verstärkende Kräfte beim Vollzug der Tourismuspolitiken sowie der sich daraus ergebenden Maßnahmen zu nutzen und zu entwickeln.

(2)   Die unmittelbar betroffenen Gebietskörperschaften werden in den verschiedenen Stadien der Vorbereitung und Umsetzung dieser Politiken und Maßnahmen unter Wahrung ihrer Zuständigkeit im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung beteiligt.

KAPITEL II

SPEZIFISCHE MASSNAHMEN

Artikel 5

Geordnete Entwicklung des Angebots

(1)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, auf eine nachhaltige touristische Entwicklung mit einem umweltverträglichen Tourismus zu achten. Zu diesem Zweck unterstützen sie die Ausarbeitung und Umsetzung von Leitbildern, Entwicklungsprogrammen sowie von sektoralen Plänen, die von den zuständigen Stellen auf der am besten geeigneten Ebene eingeleitet werden und die den Zielen dieses Protokolls Rechnung tragen.

(2)   Diese Maßnahmen werden es ermöglichen, die Vor- und Nachteile der geplanten Entwicklungen insbesondere unter folgenden Aspekten zu bewerten und zu vergleichen:

a)

sozioökonomische Auswirkungen auf die ansässige Bevölkerung,

b)

Auswirkungen auf Boden, Wasser, Luft, Naturhaushalt und Landschaftsbild unter Berücksichtigung der spezifischen ökologischen Gegebenheiten, der natürlichen Ressourcen und der Grenzen der Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme,

c)

Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen.

Artikel 6

Ausrichtung der touristischen Entwicklung

(1)   Die Vertragsparteien beziehen die Anliegen des Naturschutzes und der Landschaftspflege in die Tourismusförderung ein. Sie verpflichten sich, möglichst nur landschafts- und umweltschonende Projekte zu fördern.

(2)   Sie leiten eine nachhaltige Politik ein, welche die Wettbewerbsfähigkeit des naturnahen Tourismus im Alpenraum stärkt und damit einen wichtigen Beitrag zur sozioökonomischen Entwicklung des Alpenraums leistet. Dabei sind Maßnahmen zu bevorzugen, welche die Innovation und die Diversifizierung des Angebots fördern.

(3)   Die Vertragsparteien achten darauf, dass in den Gebieten mit starker touristischer Nutzung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen intensiven und extensiven Tourismusformen angestrebt wird.

(4)   Bei fördernden Maßnahmen sollen folgende Aspekte berücksichtigt werden:

a)

für den intensiven Tourismus die Anpassung der bestehenden touristischen Strukturen und Einrichtungen an die ökologischen Erfordernisse sowie die Entwicklung neuer Strukturen in Übereinstimmung mit den Zielen dieses Protokolls;

b)

für den extensiven Tourismus die Erhaltung oder die Entwicklung eines naturnahen und umweltschonenden Tourismusangebots sowie die Aufwertung des natürlichen und kulturellen Erbes der Feriengebiete.

Artikel 7

Qualitätsförderung

(1)   Die Vertragsparteien leiten eine Politik ein, die ständig und konsequent auf ein qualitativ hochwertiges Tourismusangebot im gesamten Alpenraum abzielt, wobei insbesondere den ökologischen Erfordernissen Rechnung zu tragen ist.

(2)   Sie fördern den Erfahrungsaustausch und die Durchführung gemeinsamer Aktionsprogramme mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung, insbesondere in folgenden Bereichen:

a)

Anpassung von Anlagen und Einrichtungen an Landschaft und Natur,

b)

Städteplanung, Architektur (Neubauten und Dorferneuerung),

c)

Beherbergungseinrichtungen und touristische Dienstleistungsangebote,

d)

Diversifizierung des touristischen Angebots innerhalb des Alpenraums durch die Aufwertung der kulturellen Aktivitäten in den jeweiligen Gebieten.

Artikel 8

Lenkung der Besucherströme

Die Vertragsparteien fördern insbesondere in Schutzgebieten die Lenkung der Besucherströme, indem sie die Verteilung und Aufnahme der Besucher in einer Weise organisieren, die den Fortbestand dieser Gebiete sichert.

Artikel 9

Naturräumliche Entwicklungsgrenzen

Die Vertragsparteien achten darauf, dass die touristische Entwicklung auf die umweltspezifischen Besonderheiten sowie die verfügbaren Ressourcen des jeweiligen Ortes oder der jeweiligen Region abgestimmt wird. Im Fall von Vorhaben mit möglichen erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt sind diese im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung einer vorherigen Bewertung zu unterziehen und die Ergebnisse dieser Bewertung bei der Entscheidung zu berücksichtigen.

Artikel 10

Ruhezonen

Die Vertragsparteien verpflichten sich, gemäß ihren Vorschriften und nach ökologischen Gesichtspunkten Ruhezonen auszuweisen, in denen auf touristische Erschließungen verzichtet wird.

Artikel 11

Politik im Beherbergungsbereich

Die Vertragsparteien entwickeln Politiken im Beherbergungsbereich, die der Begrenztheit des verfügbaren Raumes durch Bevorzugung der kommerziellen Beherbergung und der Erneuerung und Nutzung der bestehenden Bausubstanz sowie durch Modernisierung und Qualitätsverbesserung der bestehenden Beherbergungseinrichtungen Rechnung tragen.

Artikel 12

Aufstiegshilfen

(1)   Die Vertragsparteien einigen sich darauf, im Rahmen der nationalen Genehmigungsverfahren für Aufstiegshilfen eine Politik zu verfolgen, die außer den Belangen der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit auch den ökologischen und landschaftlichen Erfordernissen Rechnung trägt.

(2)   Neue Betriebsbewilligungen und Konzessionen für Aufstiegshilfen haben den Abbau und die Entfernung nicht mehr gebrauchter Anlagen und die Renaturierung nicht mehr benutzter Flächen vorrangig mit heimischen Pflanzenarten vorzusehen.

Artikel 13

Verkehr und Beförderung von Touristen

(1)   Die Vertragsparteien fördern Maßnahmen, die auf eine Einschränkung des motorisierten Verkehrs in den touristischen Zentren abzielen.

(2)   Sie unterstützen zudem private oder öffentliche Initiativen, welche die Erreichbarkeit touristischer Orte und Zentren mit öffentlichen Verkehrsmitteln verbessern und die Benutzung solcher Verkehrsmittel durch die Touristen fördern sollen.

Artikel 14

Besondere Erschließungstechniken

(1)   Die Vertragsparteien achten darauf, dass Bau, Unterhalt und Betrieb der Skipisten möglichst landschaftsschonend und unter Berücksichtigung der natürlichen Kreisläufe sowie der Empfindlichkeit der Biotope erfolgen.

(2)   Geländekorrekturen sind so weit wie möglich zu begrenzen, und sofern es die naturräumlichen Gegebenheiten zulassen, sind die umgestalteten Flächen vorrangig mit heimischen Pflanzenarten zu begrünen.

Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften können die Erzeugung von Schnee während der jeweiligen örtlichen Kälteperioden zulassen, insbesondere um exponierte Zonen zu sichern, wenn die jeweiligen örtlichen hydrologischen, klimatischen und ökologischen Bedingungen es erlauben.

Artikel 15

Sportausübung

(1)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, insbesondere in Schutzgebieten eine Politik zur Lenkung der Sportausübung im Freien festzulegen, damit der Umwelt daraus keine Nachteile entstehen. Erforderlichenfalls sind auch Verbote auszusprechen.

(2)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Ausübung motorisierter Sportarten so weitgehend wie möglich zu begrenzen oder erforderlichenfalls zu verbieten, es sei denn, von den zuständigen Behörden werden hierfür bestimmte Zonen ausgewiesen.

Artikel 16

Absetzen aus Luftfahrzeugen

Die Vertragsparteien verpflichten sich, außerhalb von Flugplätzen das Absetzen aus Luftfahrzeugen für sportliche Zwecke so weitgehend wie möglich zu begrenzen oder erforderlichenfalls zu verbieten.

Artikel 17

Entwicklung von wirtschaftsschwachen Gebieten und Gebietskörperschaften

Den Vertragsparteien wird empfohlen, auf der geeigneten territorialen Ebene angemessene Lösungen zu untersuchen, um eine ausgewogene Entwicklung von wirtschaftsschwachen Gebieten und Gebietskörperschaften zu gewährleisten.

Artikel 18

Ferienstaffelung

(1)   Die Vertragsparteien bemühen sich um eine bessere räumliche und zeitliche Staffelung der touristischen Nachfrage in den Feriengebieten.

(2)   Zu diesem Zweck sind die zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Bereich der Ferienstaffelung und der Erfahrungsaustausch über Möglichkeiten der Saisonverlängerung zu unterstützen.

Artikel 19

Innovationsanreize

Den Vertragsparteien wird empfohlen, geeignete Anreize für die Umsetzung der Anliegen dieses Protokolls zu entwickeln; zu diesem Zweck prüfen sie insbesondere die Einrichtung eines Wettbewerbs der Alpenländer, der innovative touristische Initiativen und Produkte, die den Zielsetzungen dieses Protokolls entsprechen, auszeichnen soll.

Artikel 20

Zusammenarbeit zwischen Tourismuswirtschaft, Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Handwerk

Die Vertragsparteien unterstützen die Zusammenarbeit zwischen Tourismuswirtschaft, Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Handwerk. Sie fördern dabei insbesondere arbeitsplatzschaffende Erwerbskombinationen im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung.

Artikel 21

Weitergehende Maßnahmen

Die Vertragsparteien können Maßnahmen für den nachhaltigen Tourismus treffen, welche über die in diesem Protokoll vorgesehenen Maßnahmen hinausgehen.

KAPITEL III

FORSCHUNG, BILDUNG UND INFORMATION

Artikel 22

Forschung und Beobachtung

(1)   Die Vertragsparteien fördern und harmonisieren in enger Zusammenarbeit Forschungen und systematische Beobachtungen, die einer besseren Kenntnis der Wechselbeziehungen zwischen Tourismus und Umwelt im Alpenraum sowie der Abschätzung zukünftiger Entwicklungen dienlich sind.

(2)   Die Vertragsparteien sorgen dafür, dass die jeweiligen Ergebnisse nationaler Forschung und systematischer Beobachtung in ein gemeinsames System zur dauernden Beobachtung und Information einfließen und im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung öffentlich zugänglich gemacht werden.

(3)   Die Vertragsparteien verpflichten sich, Informationen über eigene Erfahrungen, die für die Umsetzung der Maßnahmen und Empfehlungen dieses Protokolls nützlich sind, auszutauschen und die relevanten Daten über die qualitative Entwicklung des Tourismus zusammenzutragen.

Artikel 23

Bildung und Information

(1)   Die Vertragsparteien fördern die Aus- und Weiterbildung sowie die Information der Öffentlichkeit im Hinblick auf Ziele, Maßnahmen und Durchführung dieses Protokolls.

(2)   Den Vertragsparteien wird empfohlen, in die Aus- und Weiterbildung zu touristischen und tourismusbedingten Berufen die Vermittlung von Kenntnissen über Natur und Umwelt aufzunehmen. So könnten Ausbildungen durchgeführt werden, welche die Anliegen von Tourismus und Umwelt miteinander verbinden. Zum Beispiel:

„Naturanimateure“,

„Verantwortliche für die Qualität der touristischen Zentren“,

„Tourismus-Helfer für Behinderte“.

KAPITEL IV

DURCHFÜHRUNG, KONTROLLE UND BEWERTUNG

Artikel 24

Durchführung

Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Durchführung dieses Protokolls durch geeignete Maßnahmen im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung sicherzustellen.

Artikel 25

Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen

(1)   Die Vertragsparteien erstatten dem Ständigen Ausschuss regelmäßig Bericht über die aufgrund dieses Protokolls getroffenen Maßnahmen. In den Berichten ist auch die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen darzulegen. Die Alpenkonferenz bestimmt die zeitliche Abfolge der Berichterstattung.

(2)   Der Ständige Ausschuss prüft die Berichte daraufhin, ob die Vertragsparteien ihren Verpflichtungen aus diesem Protokoll nachgekommen sind. Er kann dabei auch zusätzliche Informationen von den Vertragsparteien anfordern oder Informationen aus anderen Quellen beiziehen.

(3)   Der Ständige Ausschuss erstellt für die Alpenkonferenz einen Bericht über die Einhaltung der Verpflichtungen aus diesem Protokoll durch die Vertragsparteien.

(4)   Die Alpenkonferenz nimmt diesen Bericht zur Kenntnis. Falls sie eine Verletzung der Verpflichtungen feststellt, kann sie Empfehlungen verabschieden.

Artikel 26

Bewertung der Wirksamkeit der Bestimmungen

(1)   Die Vertragsparteien überprüfen und beurteilen regelmäßig die in diesem Protokoll enthaltenen Bestimmungen auf ihre Wirksamkeit. Soweit zur Erreichung der Ziele dieses Protokolls erforderlich, werden sie geeignete Änderungen des Protokolls in die Wege leiten.

(2)   Im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung werden die Gebietskörperschaften an dieser Bewertung beteiligt. Die einschlägig tätigen nichtstaatlichen Organisationen können angehört werden.

KAPITEL V

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 27

Verhältnis zwischen der Alpenkonvention und dem Protokoll

(1)   Dieses Protokoll ist ein Protokoll der Alpenkonvention im Sinne des Artikels 2 und der anderen einschlägigen Artikel der Alpenkonvention.

(2)   Nur Vertragsparteien der Alpenkonvention können Vertragspartei dieses Protokolls werden. Eine Kündigung der Alpenkonvention gilt zugleich als Kündigung dieses Protokolls.

(3)   Entscheidet die Alpenkonferenz über Fragen in Bezug auf dieses Protokoll, so sind lediglich die Vertragsparteien dieses Protokolls abstimmungsberechtigt.

Artikel 28

Unterzeichnung und Ratifikation

(1)   Dieses Protokoll liegt für die Unterzeichnerstaaten der Alpenkonvention und die Europäische Gemeinschaft am 16. Oktober 1998 sowie ab dem 16. November 1998 bei der Republik Österreich als Verwahrer zur Unterzeichnung auf.

(2)   Dieses Protokoll tritt für die Vertragsparteien, die ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein, drei Monate nach dem Tag in Kraft, an dem drei Staaten ihre Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegt haben.

(3)   Für die Vertragsparteien, die später ihre Zustimmung ausdrücken, durch dieses Protokoll gebunden zu sein, tritt das Protokoll drei Monate nach dem Tag der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft. Nach dem Inkrafttreten einer Änderung des Protokolls wird jede neue Vertragspartei dieses Protokolls Vertragspartei des Protokolls in der geänderten Fassung.

Artikel 29

Notifikationen

Der Verwahrer notifiziert jedem in der Präambel genannten Staat und der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf dieses Protokoll

a)

jede Unterzeichnung,

b)

jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde,

c)

jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens,

d)

jede von einer Vertrags- oder Unterzeichnerpartei abgegebene Erklärung,

e)

jede von einer Vertragspartei notifizierte Kündigung, einschließlich des Zeitpunkts ihres Wirksamwerdens.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.

Geschehen zu Bled am 16. Oktober 1998 in deutscher, französischer, italienischer und slowenischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Staatsarchiv der Republik Österreich hinterlegt wird. Der Verwahrer übermittelt den Unterzeichnerparteien beglaubigte Abschriften.