ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 125

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

60. Jahrgang
21. April 2017


Informationsnummer

Inhalt

Seite

 

I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

STELLUNGNAHMEN

 

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

522. Plenartagung des EWSA vom 25./26. Januar 2017

2017/C 125/01

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Bedrohungen und Hindernisse für den Binnenmarkt (Initiativstellungnahme)

1

2017/C 125/02

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Einleitung einer Konsultation über eine europäische Säule sozialer Rechte(COM(2016) 127 final)

10


 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

 

522. Plenartagung des EWSA vom 25./26. Januar 2017

2017/C 125/03

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt(COM(2016) 593 final — 2016/0280 (COD)) und zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften für die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen(COM(2016) 594 final — 2016/0284 (COD)) und zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte zulässige Formen der Nutzung urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen und zur Änderung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft(COM(2016) 596 final — 2016/0278 (COD))

27

2017/C 125/04

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Zertifizierungssystems der Union für Ausrüstungen für Luftsicherheitskontrollen(COM(2016) 491 final — 2016/0236 (COD))

34

2017/C 125/05

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Neuansiedlungsrahmen der Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 516/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates(COM(2016) 468 final - 2016/0225 COD)

40

2017/C 125/06

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Neufassung)(COM(2016) 411 final — 2016/0190 (CNS))

46

2017/C 125/07

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Konnektivität für einen wettbewerbsfähigen digitalen Binnenmarkt — Hin zu einer europäischen Gigabit-Gesellschaft(COM(2016) 587 final)

51

2017/C 125/08

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung)(COM(2016) 590 final — 2016/0288 (COD))

56

2017/C 125/09

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK)(COM(2016) 591 final — 2016/0286 (COD))

65

2017/C 125/10

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1316/2013 und (EU) Nr. 283/2014 im Hinblick auf die Förderung der Internetanbindung in Kommunen“ (COM(2016) 589 final — 2016/0287 (COD))

69

2017/C 125/11

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — 5G für Europa: ein Aktionsplan(COM(2016) 588 final)

74

2017/C 125/12

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beteiligung der Union an der von mehreren Mitgliedstaaten gemeinsam durchgeführten Partnerschaft für Forschung und Innovation im Mittelmeerraum (PRIMA)(COM(2016) 662 final — 2016/0325 (COD))

80


DE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

STELLUNGNAHMEN

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

522. Plenartagung des EWSA vom 25./26. Januar 2017

21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Bedrohungen und Hindernisse für den Binnenmarkt“

(Initiativstellungnahme)

(2017/C 125/01)

Berichterstatter:

Oliver RÖPKE

Beschluss des Plenums

21.1.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung

 

Initiativstellungnahme

Zuständige Fachgruppe

Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

13.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung am

25.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

166/62/8

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Binnenmarkt ist eine große Errungenschaft und stellt ein Kernstück des europäischen Integrationsprozesses dar. Er sollte den Eckpfeiler des Wohlstands in Europa bilden. Die Einführung des Euros und das Schengener Abkommen waren entscheidende Weichenstellungen für die Vollendung des Binnenmarkts. Beide sind jedoch — teilweise aus kurzsichtigen nationalen Interessen — zunehmend unter Druck geraten und werden von einem nicht unerheblichen Teil der Bürger zunehmend infrage gestellt, teilweise aufgrund realer Anliegen der europäischen Bürgerinnen und Bürger.

1.2.

Der EWSA hat sich immer dafür ausgesprochen, den freien Waren-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und Personenverkehr zu stärken und die notwendige Ausgewogenheit zwischen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik herzustellen. Der Weg der wirtschaftlichen und sozialen Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten muss konsequent weitergegangen werden.

1.3.

Für die Weiterentwicklung des Binnenmarkts müssen unnötige Hindernisse beseitigt werden, um Wachstum, Beschäftigung, langfristigen Wohlstand und eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft zu gewährleisten. Dies betrifft insbesondere Markthindernisse wie die unzureichende Anerkennung von Qualifikationen und Diplomen, technische Beschränkungen vor Ort, regulatorische Hindernisse aufgrund verschiedener nationaler Rechtsvorschriften oder die ungenügende Koordinierung von E-Government-Lösungen auf EU-Ebene.

1.4.

Der EWSA ist darüber besorgt, dass der EU-Binnenmarkt seit der Finanzkrise kaum gewachsen ist. Im Euroraum ist die Konjunktur zwischen 2008 und 2015 sogar um 1,6 % zurückgegangen. Im Gegensatz dazu haben andere Wirtschaftsräume wie die USA, Australien oder Japan die EU in puncto Binnennachfrage und Wachstum weit hinter sich gelassen. Deshalb sind energische Anstrengungen notwendig, um Europa wieder näher an die politischen Ziele der EU-2020-Strategie zu bringen.

1.5.

Der EWSA betont einmal mehr die Wichtigkeit der grenzüberschreitenden Mobilität für Unternehmen und Arbeitnehmer. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Unterstützung für die Prinzipien des Binnenmarkts bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung deutlich nachlässt. Ein Grund dafür ist das zunehmende Risiko fortgesetzter unlauterer und rechtswidriger Praktiken bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung. Ein hohes Missbrauchsrisiko unterminiert das Vertrauen der Arbeitnehmer und der redlichen Unternehmen in den Binnenmarkt enorm.

1.6.

Diesen Tendenzen muss entschlossen entgegengewirkt werden; ein fairer Wettbewerb muss auch im Interesse der Unternehmen sichergestellt werden. Ein funktionierender Binnenmarkt setzt die Einhaltung europäischer und nationaler Rechtsvorschriften bei grenzüberschreitenden Aktivitäten voraus. Aus diesem Grund unterstützt eine Mehrheit der EWSA-Mitglieder alle Bemühungen, um die Forderung von Präsident Juncker, dass in der EU gleiche Arbeit am gleichen Ort gleich vergütet werden sollte, auch in der Praxis umzusetzen.

1.7.

Der Binnenmarkt hat zwar eine feste soziale Basis, die auf dem AEUV und dem Sekundärrecht der EU fußt, doch sollte über ein besseres Gleichgewicht von marktwirtschaftlichen Freiheiten und grundlegenden sozialen Rechten im Primärrecht nachgedacht werden, um das Unbehagen vieler Menschen aufzugreifen, die ihre sozialen Interessen und Anforderungen im Binnenmarkt zunehmend nicht ausreichend gewährleistet bzw. berücksichtigt sehen.

1.8.

Grundsätzlich begrüßt der EWSA, wenn EU-Recht auf seine Effizienz geprüft wird. Diese Initiative könnte eine wichtige Rolle bei der Reduzierung unnötiger Verwaltungslasten spielen, die aufgrund unterschiedlicher nationaler oder regionaler Vorschriften für denselben Anwendungsbereich zur Anwendung kommen. Gerade im Interesse von KMU sollten deshalb harmonisierte Rechtsvorschriften auf ihre Notwendigkeit geprüft werden. Der EWSA bekräftigt aber seinen Standpunkt, dass hohe Verbraucherschutzstandards keine unnötige Belastung darstellen.

1.9.

Der EWSA unterstreicht seine Ansicht, dass der digitale Binnenmarkt angesichts seines enormen Wachstumspotenzials zu den politischen Prioritäten gehören sollte. Bestehende Rechtsunsicherheiten in den Bereichen Beschäftigung, Wirtschaft und Verbraucher müssen rasch untersucht und ausgeräumt werden. Die Kommission sollte einen klaren Rechtsrahmen für neue Formen des Wirtschaftens und neue Geschäftsmodelle im Binnenmarkt einschließlich der Formen der Sharing Economy anwenden, um Regelungslücken zu schließen. Dabei müssen die geltenden Rechtsvorschriften im vollen Umfang respektiert und insbesondere die Rechte der Verbraucher und Arbeitnehmer sowie ein fairer Wettbewerb gewährleistet werden.

1.10.

Die Schaffung einer Kapitalmarktunion muss ebenfalls mit hoher Priorität weiterverfolgt werden, da die damit verbundene effizientere Kapitalzuweisung positive Auswirkungen sowohl für die Wirtschaft und die Beschäftigung als auch für die Verbraucher bringen kann. Eine Reihe aktueller Entwicklungen wie der Ausgang des Brexit-Referendums dürfen die Verwirklichung dieser Pläne nicht grundlos verzögern oder in Gefahr bringen.

1.11.

Der EWSA bekräftigt seine Auffassung, dass Regelungslücken in der Steuerpolitik zu unfairem Wettbewerb im Binnenmarkt führen. Er unterstützt deshalb die Arbeiten für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage, länderbezogene Berichte sowie die laufenden Bemühungen, gegen Steuervermeidung und Steueroasen vorzugehen. Darüber hinaus könnte die Einführung eines gemeinsamen Mindestkörperschaftssteuersatzes eine sinnvolle Ergänzung dieser Initiativen darstellen und den Wettstreit um den niedrigsten Steuersatz beenden.

1.12.

Öffentliche Dienstleistungen, auch als Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bezeichnet, spielen im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft eine tragende Rolle und sind für die Bevölkerung von essenzieller Bedeutung. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sind Teil der gemeinsamen EU-Werte, die bei der Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts zum Tragen kommen.

1.13.

Bei den „Grundsätzen und Bedingungen“, die die EU für diese Dienstleistungen festsetzen kann, ist ebendiesem Stellenwert des sozialen und territorialen Zusammenhalts Rechnung zu tragen. Der EWSA erinnert im Zusammenhang mit den geplanten Reformen bei der Dienstleistungsrichtlinie an das Protokoll Nr. 26 des EU-Vertrags zu den Diensten von allgemeinem Interesse, wonach den nationalen, regionalen und lokalen Behörden der Mitgliedstaaten ein weiter Ermessensspielraum bei den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse eingeräumt wird.

1.14.

Im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe bedarf es verschiedener Maßnahmen gegen unlautere Praktiken, die Angebote unter ein faires Niveau drücken, die auf nationaler Ebene geltenden und praktizierten Mindestlohnanforderungen mitunter nicht beachten und schlussendlich häufig in hohen Kostenüberschreitungen münden. Insbesondere muss Transparenz über den Bestbieterpreis und die entsprechenden Leistungen und die später möglicherweise anfallenden Kostenüberschreitungen geschaffen werden. Das Ziel muss die Durchsetzung des Bestbieterprinzips gegenüber dem Billigstbieterprinzip sein.

2.   Herausforderungen für den Binnenmarkt

2.1.

Die europäische Integration muss das Ziel verfolgen, die notwendige Ausgewogenheit zwischen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik herzustellen. Der freie Waren-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und Personenverkehr muss ergänzt werden durch die Beachtung grundlegender sozialer Rechte, die durch die Charta der Grundrechte Bestandteil der EU-Verträge geworden sind. Die grundlegenden sozialen Rechte müssen im Binnenmarkt in der Praxis durchgesetzt werden. Gleichzeitig müssen unnötige, im Binnenmarkt immer noch vorhandene Hindernisse beseitigt werden, um langfristigen Wohlstand und eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft zu gewährleisten.

2.2.

Der EWSA hat wiederholt darauf hingewiesen — unlängst in seiner Stellungnahme „Ausbau des Binnenmarkts“ (1) —, dass der Binnenmarkt ein Kernstück des europäischen Integrationsprozesses ist. Er kann unmittelbar spürbaren Nutzen schaffen und den europäischen Volkswirtschaften nachhaltiges Wachstum bringen.

2.3.

Der Binnenmarkt ist eine große Errungenschaft und sollte den Eckpfeiler des Wohlstandes in Europa bilden. Die Einführung des Euros im Euro-Raum und das Schengener Abkommen waren entscheidende Weichenstellungen zur Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarkts. Beide sind aber heftig unter Druck geraten, was zeigt, wie unterschiedlich die Interessen der EU-Mitgliedstaaten sind. In gewissem Umfang finden Beschlussfassung und Aufsicht nach wie vor auf einzelstaatlicher Ebene statt.

2.4.

Der EWSA stellt fest, dass erhebliche Markthindernisse fortbestehen in Form: unzureichender Anerkennung von Qualifikationen und Diplomen, uneinheitlichen Lehrplänen, technischer Beschränkungen vor Ort, regulatorischer Hindernisse hauptsächlich im Zuge der Fragmentierung des Binnenmarkts aufgrund verschiedener nationaler Rechtsvorschriften, von Verwaltungslasten wie die Einhaltung der nationalen Steuer- und Zollvorschriften oder fehlender elektronischer Behördendienste und einer ungenügenden Koordinierung der E-Government-Lösungen auf EU-Ebene.

2.5.

Die Kommission strebt eine vollständige Harmonisierung in einigen Bereichen an, was zu einer Absenkung des bestehenden Schutzniveaus in einigen Mitgliedstaaten führen könnte. Der EWSA betont, dass er sich in mehreren Stellungnahmen gegen diese Maßnahmen ausgesprochen hat. Eine vollständige Harmonisierung, wo sie von der Kommission angestrebt wird, muss unter Wahrung des bereits bestehenden Schutzniveaus erreicht werden.

2.6.

Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedstaaten haben immer mehr das Gefühl, dass Europa wenig für den Schutz von Sozialstandards und Einkommen bzw. zur Gewährleistung von Steuergerechtigkeit und fairer Sozialabgaben unternimmt. Der Binnenmarkt hat eine feste soziale Dimension, die auf dem AEUV und dem Sekundärrecht der EU fußt, aber es sollte ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen marktwirtschaftlichen Freiheiten und grundlegenden sozialen Rechten angestrebt werden.

2.7.

Die im Rahmen der europäischen Säule sozialer Rechte vorgeschlagenen Maßnahmen sollten die Gründungsprinzipien der Union widerspiegeln und auf der Überzeugung aufbauen, dass die wirtschaftliche Entwicklung zu mehr sozialem Fortschritt und Zusammenhalt führen muss, und dass die Sozialpolitik zum einen dem Aufbau geeigneter Sicherheitsnetze im Einklang mit europäischen Werten dient, gleichzeitig aber auch als produktiver Faktor betrachtet werden muss.

2.8.

Trotz vieler Erfolge der Kohäsionspolitik der EU sind wir von einer echten wirtschaftlichen und sozialen Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten noch weit entfernt, und es bestehen große Unterschiede bei Arbeitsentgelten und Sozialstandards. Das derzeit in einigen Mitgliedstaaten bestehende niedrigere Lohnniveau ist auf die historische Entwicklung und die natürliche Vielfalt des umfangreichen innereuropäischen Markts zurückzuführen und ist Ausdruck des örtlichen Produktivitätsniveaus sowie zahlreicher anderer Faktoren einschließlich der Interessen von Investoren. Dessen ungeachtet sollte dem Sozialdumping mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, das definiert werden sollte als eine unlautere, rechtswidrige Praktik, sich auf dem Gebiet des Arbeitsentgelts oder der Zahlung der Sozial- und Krankenversicherung nicht an die Vorschriften zu halten und sich somit einen unfairen Vorteil gegenüber Wettbewerbern zu verschaffen (2).

2.9.

Seit dem Beginn der Finanzkrise, d. h. in der Zeit von 2008 bis 2015, betrug das Wachstum des EU-Binnenmarkts 0,4 %, was fast einem realen Nullwachstum entspricht. Im Euro-Raum ist der Binnenmarkt sogar um 1,6 % geschrumpft. Die meisten anderen Wirtschaftsräume haben die Europäische Union weit hinter sich gelassen, was die Binnennachfrage betrifft (z. B. USA +8,8 %, Australien +17,9 %, Japan +3,8 %) (3). Maßnahmen zur Belebung der Nachfrage im Binnenmarkt wie die Investitionsoffensive für Europa mit dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen haben bisher noch nicht die nötige Wirkung gehabt.

2.10.

Der EWSA befürchtet, dass die beschäftigungs- und sozialpolitischen Ziele der Strategie Europa 2020 für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum verfehlt werden (4). Der Konjunkturrückgang, die langsame Durchführung sinnvoller Strukturreformen und die Nachfrageschwäche im Binnenmarkt haben bislang zu gegenteiligen Effekten geführt: So ist die Beschäftigungsquote von 70,3 % im Jahr 2008 auf 69,2 % im Jahr 2014 gesunken. Im Jahr 2020 sollte sie eigentlich bei 75 % liegen. Anstatt die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung Betroffenen bis 2020 um 20 Millionen zu verringern, ist sie 2014 um 4,9 Millionen gestiegen. Ende 2015 waren in der Europäischen Union zudem über sechs Millionen mehr Menschen arbeitslos als vor der Krise.

2.11.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Strategie Europa 2020 ist die Bildung. Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass der Anteil derjenigen, die ihre Schul- oder Berufsausbildung vorzeitig abbrechen, von 14,2 % im Jahr 2008 auf 11 % zurückgegangen ist. Auch der Anteil tertiärer Bildungsabschlüsse hat sich zwischen 2008 und 2015 von 31,3 % auf 38,7 % verbessert. Der EWSA begrüßt die Kompetenzstrategie der Europäischen Kommission und weist darauf hin, dass ein hohes Qualifikationsniveau unerlässlich ist, um Unternehmen anzuziehen und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

2.12.

Die Entscheidung des Vereinigten Königreichs, die Europäische Union zu verlassen, ist eine große Herausforderung für den EU-Binnenmarkt. Der EWSA empfiehlt, die künftigen Verhandlungen auf der Grundlage der Wahrung sämtlicher Grundprinzipien und -werte des Binnenmarkts zu führen.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1.    Selbstständigkeit und Mobilität der Arbeitskräfte im Binnenmarkt

3.1.1.

Die Mobilität von Arbeitskräften ist wichtig sowohl für die Unternehmen, die dadurch qualifizierte Arbeitskräfte finden können, als auch für die Arbeitnehmer, die dadurch die Chance auf einen guten Arbeitsplatz und den Zugang zu neuen Kompetenzen und guten Arbeitsbedingungen haben. Es bestehen aber nach wie vor Hindernisse.

3.1.2.

In der Studie über Hindernisse und Kosten (5) wird darauf hingewiesen, dass neben Kosteneinsparungen für Verwaltungsdienste, Bürger und Unternehmen eine besondere große Wirkung von interoperablen E-Government-Diensten auf die Arbeitskräftemobilität zu erwarten ist. Eine bessere Anerkennung von Berufsabschlüssen ist von entscheidender Bedeutung für Arbeitnehmer, die jenseits der Grenze tätig sein wollen.

3.1.3.

Der EWSA hat bereits in seiner Stellungnahme zum Thema „Missbrauch des Statuts der Selbstständigkeit“ (6) darauf hingewiesen, dass Scheinselbstständigkeit zu Hinterziehung von Sozialabgaben über Steuerhinterziehung und arbeitsrechtlichen Missbrauch bis hin zu illegaler Beschäftigung führen kann und daher beseitigt werden muss. In dieser Hinsicht begrüßt der EWSA die bereits errichtete Europäische Plattform gegen nicht angemeldete Erwerbstätigkeit als einen Schritt in die richtige Richtung (7).

3.1.4.

Ziel dieser Plattform ist die Prävention und Abschreckung von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit durch eine bessere Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen Durchsetzungsbehörden (z. B. Arbeitsaufsichts-, Steuer- oder Sozialversicherungsbehörden). Diese Zusammenarbeit umfasst den Austausch bewährter Verfahrensweisen bei Präventions- und Abschreckungsmaßnahmen, mit gemeinsamen Grundsätzen für die Inspektion von Arbeitgebern, die Förderung von Mitarbeiteraustausch und gemeinsamen Schulungen sowie die Erleichterung gemeinsamer Kontrollmaßnahmen.

3.1.5.

Zahlreiche Arbeitskräfte werden heute als „selbstständige Dienstleistungserbringer“ statt wie früher als Arbeitnehmer beschäftigt. Diese Personen verfügen über keinen Arbeitsvertrag, weil sie im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit auf eigene Rechnung tätig werden. Das nationale Arbeitsrecht muss in einem solchen Arbeitsverhältnis meist nicht eingehalten werden. Die Bewertung, ob eine selbstständige Tätigkeit oder ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, muss anhand verbindlicher und klarer Kriterien erfolgen. Aus diesem Grund hat der EWSA auch den Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter als „nicht ausgereift“ kritisiert (8). Gerade Mikrounternehmen, KMU und echte Selbstständige geraten dadurch unter Druck.

3.2.    Binnenmarkt und die Entsendung von Arbeitnehmern

3.2.1.

In der Richtlinie von 1996 wird der EU-rechtliche Rahmen festgelegt, der für ein angemessenes und gerechtes Gleichgewicht zwischen den Zielen der Förderung und Erleichterung der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen, des Schutzes entsandter Arbeitnehmer und der Gewährleistung gleicher Ausgangsbedingungen für gebietsfremde und gebietsansässige Wirtschaftsteilnehmer sorgen sollte.

3.2.2.

Mit der Durchsetzungsrichtlinie von 2014 (9) werden, in Ergänzung der Richtlinie 96/71/EG neue und verbesserte Instrumente zur Bekämpfung und Ahndung von Umgehung, Betrug und Missbrauch bereitgestellt, was zu einem wirksameren, komplexen Rahmen für die Entsendung von Arbeitnehmern beiträgt.

3.2.3.

Der EWSA hat unlängst eine gesonderte Stellungnahme zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine gezielte Überprüfung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern verabschiedet, in der er sich zu den wichtigsten Änderungen und Vorschlägen (10) auf der Grundlage der von Kommissionspräsident Juncker in seinen politischen Leitlinien für die nächste Kommission gestellten Forderung äußert: „In unserer Union muss dieselbe Arbeit, die am selben Ort geleistet wird, gleich entlohnt werden (11)“.

3.2.4.

Der EWSA hat die Kommission in seiner Stellungnahme zum Thema „Gerechtere Arbeitskräftemobilität in der EU“ (12) nachdrücklich aufgefordert, gegen unlautere Praktiken, die zu Sozialdumping führen, vorzugehen. Dieses Problem wird immer dringlicher, da Beispiele aus der Praxis in den Mitgliedstaaten zeigen, dass das Risiko von Lohn- und Sozialdumping bei einem grenzüberschreitenden Bezug extrem ansteigt. Im Jahr 2015 haben Kontrollen der BUAK in Österreich (13) ergeben, dass bei 7 238 kontrollierten inländischen Unternehmen in 38 Fällen ein Verdacht auf Unterentlohnung von Arbeitnehmern gemäß dem Gesetz gegen die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping (LSDB) festgestellt wurde. Dies entspricht einem Prozentsatz an Verdachtsfällen von 0,53 %. Im gleichen Zeitraum wurden 1 481 in Österreich aktive Unternehmen, die ihren Sitz aber in anderen EU-Ländern haben, geprüft, wobei sich in 398 Fällen ein Verdacht auf Unterentlohnung der Arbeitnehmer, also Lohndumping, ergeben hat. Dies entspricht einem Prozentsatz von 26,87 %.

3.2.5.

Bei grenzüberschreitend tätigen ausländischen Firmen mit entsandten Arbeitnehmern ist die Wahrscheinlichkeit von Lohndumping 50 Mal höher als bei lokalen Anbietern. Dies ist ein Alarmsignal für das (Nicht-)Funktionieren des Binnenmarkts. Das hohe Missbrauchsrisiko unterminiert das Vertrauen der europäischen Arbeitnehmer in den Binnenmarkt enorm.

3.2.6.

Ein weiteres Problem ist die Scheinentsendung von Arbeitnehmern. Wie problematisch behördlich beziehungsweise von öffentlichen Stellen ausgestellte Bestätigungen, Bescheinigungen oder Ähnliches sind, zeigen die Erfahrungen mit den Scheinentsendungen, also den Missbrauch durch falsche A1-Entsendebescheinigungen. Für Mikrounternehmen, KMU und Facharbeitskräfte wird es dadurch zunehmend schwieriger, gegenüber unlauter agierenden Mitbewerbern zu bestehen. Die Scheinentsendung von Arbeitnehmern muss daher beseitigt werden.

3.2.7.

Die Kommission hat unlängst eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vorgeschlagen. Der EWSA wird dazu eine gesonderte Stellungnahme verabschieden im Einklang mit dem Ersuchen der Europäischen Kommission, die die Entwicklung eines modernisierten Systems der Koordinierung der sozialen Sicherheit erwartet, das der sozioökonomischen Realität in den Mitgliedstaaten gerecht wird und die Grundsätze des EU-Rechts insbesondere in Bezug auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung wahrt.

3.2.8.

Der EWSA nimmt den Vorschlag bezüglich des Dienstleistungspasses (oder Dienstleistungspersonalausweises) zur Kenntnis, der dafür sorgen soll, dass im Herkunftsmitgliedstaat bereits vorlegte Informationen und Unterlagen dank der Einrichtung eines gemeinsames elektronisches Dokumentenverzeichnisses nicht mehr erneut angefordert werden müssen. Der EWSA spricht sich gegen jedwede Aufweichung des Bestimmungslandprinzips aus. Er wird dazu eine gesonderte Stellungnahme abgeben.

3.3.    REFIT und Bessere Rechtsetzung

3.3.1.

Es ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn EU-Recht auf seine Effizienz überprüft wird. Eine interinstitutionelle Vereinbarung zwischen Kommission, Rat und EU-Parlament kann dabei ein nützliches Übereinkommen darstellen, um das Ziel eines einfacheren und effizienteren EU-Rechts leichter zu erreichen. Bei der Zusammenarbeit ist jedoch darauf zu achten, dass EU-Rechtsnormen mit gesellschafts- oder wirtschaftspolitischem Nutzen gesichert und nicht infrage gestellt werden.

3.3.2.

KMU sind davon ebenso betroffen wie Verbraucher und Arbeitnehmer. Gemäß dem Grundsatz „Vorfahrt für KMU“ ist es besonders wichtig, unnötige Belastungen für KMU zu vermeiden. Das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts setzt eine Verbraucherschutzpolitik auf der Grundlage eines hohen Schutzniveaus gemäß Artikel 169 AEUV voraus.

3.3.3.

REFIT könnte auch eine wichtige Rolle bei der Reduzierung von Verwaltungslasten spielen, die aufgrund unterschiedlicher regionaler Vorschriften für denselben Anwendungsbereich zur Anwendung kommen. Harmonisierte Rechtsvorschriften könnten zu bedeutenden Kosteneinsparungen führen und das Wachstum in den EU-Regionen durch die Beseitigung dieser Barrieren fördern. Sie sollten daher auf ihre Machbarkeit überprüft werden.

3.3.4.

Bei zahlreichen Legislativakten, die im Rahmen des REFIT-Programms zum Bürokratieabbau überprüft werden sollen, handelt es sich um Rechtsnormen, die Arbeitnehmer- sowie Verbraucherstandards absichern und dadurch einen hohen gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Nutzen haben. Der EWSA bekräftigt seinen Standpunkt, dass hohe Verbraucherschutzstandards keine unnötige Belastung sind.

3.3.5.

Der EWSA verweist auf seine Stellungnahme vom 14. Dezember 2014 (14) und wiederholt seine Auffassung, dass eine intelligente Regulierung nicht davon entbindet, die Vorschriften in Bezug auf den Schutz von Bürgern, Verbrauchern und Arbeitnehmern wie auch die Standards für die Gleichstellung von Männern und Frauen oder die Umweltschutzvorschriften einzuhalten. Das Prinzip „Vorfahrt für KMU“ darf zudem nicht darauf hinauslaufen, dass Kleinstunternehmen und KMU von der Anwendung der Rechtsvorschriften ausgenommen werden, ihren Interessen und Bedürfnissen muss vielmehr Rechnung getragen werden.

3.3.6.

Absolut unverständlich ist die Weigerung der Kommission, die geplante Gesetzesinitiative zu den Friseuren nicht weiterzuverfolgen, obwohl es dazu eine Vereinbarung der europäischen Sozialpartner gibt. Das Vorgehen der Kommission widerspricht den Prinzipien und Werten des sozialen Dialogs sowie dem Grundsatz der Repräsentativität und ist äußerst kurzsichtig, denn eine mangelnde Regulierung im Bereich der Gesundheit am Arbeitsplatz kann zu Erkrankungen von Arbeitnehmern und damit auch zu erheblichen Kosten sowohl für Unternehmen als auch den öffentlichen Sektor führen.

3.3.7.

Der EWSA verweist auf die gemeinsame Erklärung der europäischen Sozialpartner über einen Neubeginn für den sozialen Dialog auf der Grundlage der Ergebnisse der thematischen Gruppen, in der die Interaktion zwischen dem sozialen Dialog der EU und dem Ansatz der besseren Rechtsetzung angesprochen wird.

3.3.8.

Der EWSA begrüßt die Aufnahme der Beratungen in der neu geschaffenen REFIT-Plattform. Neben dem Ziel, unternehmerische Aktivitäten zu erleichtern und die Standards für Arbeitnehmer zu gewährleisten, müssen sowohl die Kommission, als auch die Experten der Plattform sicherstellen, dass das Verbraucherrechteniveau bei den Arbeiten an einer Vereinfachung des EU-Rechts gewahrt bleibt.

3.4.    Digitale Wirtschaft, neue Formen des Wirtschaftens und neue Geschäftsmodelle

3.4.1.

Der digitale Binnenmarkt sollte angesichts der bei einer Vollendung des Binnenmarkts in diesem Bereich zu erwartenden Vorteile zu den Prioritäten gehören. Das potenzielle BIP-Wachstum aufgrund der Vollendung des digitalen Binnenmarkts wird auf 415 Mrd. EUR jährlich veranschlagt (15).

3.4.2.

Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass bestehende Rechtsunsicherheiten in den Bereichen Beschäftigung, Wirtschaft und Verbraucher untersucht und ausgeräumt werden müssen. Dabei ist auf die Sicherung der bestehenden Arbeits-, Sozial- und Verbraucherschutzstandards sowie eines zuverlässigen Rechtsrahmens für die Wirtschaft zu achten. Im digitalen Binnenmarkt sollte es keine unterschiedlichen Regeln für die „digitale Welt“ und für die „nicht-digitale Welt“ geben. Die Kommission sollte Rechtsvorschriften vorsehen, die sowohl für den digitalen als auch für den nicht-digitalen Binnenmarkt eingesetzt werden können.

3.4.3.

In seiner Stellungnahme zu „Ungerechtfertigtem Geoblocking“ (16) begrüßte der EWSA den Vorschlag für eine Verordnung über Maßnahmen gegen Geoblocking als einen für Unternehmen und Verbraucher unverzichtbaren Bestandteil der Strategie für den digitalen Binnenmarkt. Indes wird damit nur ein kleiner Schritt, nicht aber eine Kehrtwende vollzogen. Der Praxis des Geoblocking, also der Diskriminierung von Konsumenten beim Zugang zu Online-Dienstleistungen aufgrund des Wohnsitzes beziehungsweise ihrer geografischen Internetadresse oder der Staatsangehörigkeit, muss ein Ende gesetzt werden. Auch das Weiterleiten von Verbrauchern auf eine lokale Internetseite mit höheren Preisen stellt eine Diskriminierung im Binnenmarkt dar. Der EWSA wird sich mit den Schlussfolgerungen befassen, auf die sich der Rat (Wettbewerbsfähigkeit) im November 2016 bezüglich einer allgemeinen Ausrichtung zu dem vorgeschlagenen Text geeinigt hat, und betont, dass zwischen Preisdiskriminierung und Preisdifferenzierung unterschieden werden muss.

3.4.4.

In Bereichen wie Geoblocking, grenzüberschreitende Paketzustellung, grenzüberschreitende Versicherungen, Urheberrechtslizenzen und Finanzmärkte ist zu berücksichtigen, dass hauptsächlich die Europäische Union und die Mitgliedstaaten für die Beseitigung von Hindernissen des grenzüberschreitenden Handels und für die Gewährleistung eines besseren Funktionierens des Marktes verantwortlich sind.

3.4.5.

Der freie Datenverkehr bedingt eine Stärkung des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre. Dies wird in Zukunft von grundlegender Bedeutung sein, da es einer kohärenten Politik bezüglich der Massendaten (Big Data), der Dienste wie Cloud-Computing und des Internets der Dinge bedarf.

3.4.6.

Die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft schafft neue Geschäftsmodelle und eröffnet neue Chancen, bedeutet aber auch neue Herausforderungen. Im EWSA wurden über dieses neue Phänomen tiefgreifende Diskussionen geführt, die in eine Reihe von Stellungnahmen mündeten (17).

3.4.7.

Die Kommission sollte auch ihren Vorschlag zur Schaffung eines zentralen digitalen Zugangstors weiterentwickeln und dies ein wirklich wirksames Instrument werden lassen.

3.4.8.

Soziales Unternehmertum und partizipative Wirtschaft sind für den sozialen Zusammenhalt von entscheidender Bedeutung, um den Unionsbürgern ein wirksameres und nachhaltigeres Wirtschaftswachstum gewährleisten zu können. Der EWSA fordert die Europäische Kommission erneut auf, eine ganze Reihe von unerlässlichen politischen Maßnahmen zu ergreifen, um die verschiedenen Formen und Modalitäten der Sharing Economy auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten zu unterstützen und einzuführen sowie dazu beizutragen, dass diese Vertrauen und Glaubwürdigkeit erlangen (18).

3.5.    Die Schaffung eines Kapitalbinnenmarkts

3.5.1.

Die Kommission legte 2015 einen Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion vor. Für den EWSA (19) muss die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität in der EU zu den Prioritäten der Kapitalmarktunion gehören. Sie muss eine bessere und effizientere Kapitalzuweisung bewirken, die sich sowohl auf Investitionen und Wachstum als auch auf Beschäftigung und für die Verbraucher positiv auswirkt. Der EWSA brachte gleichzeitig seine Besorgnis darüber zum Ausdruck (20), dass es viel Zeit brauchen wird, um das angestrebte Endergebnis zu erzielen. Diese Besorgnis ist angesichts einer Reihe aktueller Ereignisse wie dem Ausgang des Brexit-Referendums und weiterer in Ziffer 2 genannten Entwicklungen noch größer geworden.

3.5.2.

Der Aktionsplan umfasst mindestens 33 Maßnahmen in verschiedenen Bereichen, die kurz- und mittelfristig umgesetzt werden sollen. Mit einigen dieser Maßnahmen können zusätzliche Finanzierungsmittel, insbesondere für KMU und Haushalte, mobilisiert werden. Nach Ansicht des EWSA (21) kommt es darauf an, diese Vorschläge kurzfristig umzusetzen, wobei den Grundsätzen der Sicherheit, Transparenz und Durchsetzung („enforcement“) Rechnung zu tragen ist. Aus den gleichen Gründen, d. h. der Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität, hat der Ausschuss wiederholt betont (22), dass das Schattenbanksystem angegangen und reguliert werden muss.

3.5.3.

Die Regulierung der Finanzmärkte in der EU und ihre Durchsetzung hat nicht ausgereicht, um spekulative Transaktionen, Überschuldung und eine unverantwortliche Risikobereitschaft zu verhindern, die zu der Finanzkrise mit gravierenden Folgen für die gesamte Gesellschaft führten. Der EWSA erinnert die Kommission an die Vorlage eines Vorschlags zur Überschuldung privater Haushalte.

3.6.    Steuerpolitik

3.6.1.

Wie der EWSA bereits 2012 in seinem Bericht zu den „Obstacles to the European Single Market“ festgestellt hat, führen Regelungslücken in der Steuerpolitik zu unfairem Wettbewerb. Die von der Europäischen Kommission angekündigten Arbeiten an einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage sind zu begrüßen. Der EWSA hat für dieses Thema eine Studiengruppe eingesetzt. Um den „Wettlauf nach unten“ im Bereich der Körperschaftsteuer zu beenden und um eine fairere Steuerpolitik zu verwirklichen, könnte auch die Einführung eines Mindestkörperschaftsteuersatzes erwogen werden.

3.6.2.

Der Austausch von Steuerinformationen zwischen den Mitgliedstaaten und rechtliche Maßnahmen, um den am häufigsten verwendeten Methoden der Steuervermeidung einen Riegel vorzuschieben, sind zu begrüßen. Eine wesentliche Forderung dabei ist, eine länderweise Berichtspflicht für grenzüberschreitend tätige Unternehmen einzuführen, ohne dadurch unnötigen Verwaltungsaufwand zu schaffen.

3.6.3.

Es ist auch notwendig, gegen Steueroasen vorzugehen. In einer Anhörung im Europäischen Parlament sprach sich der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz für weltweite Maßnahmen zur Bekämpfung solcher Steuerhinterziehungssysteme aus (23). Der französische Wissenschaftler Gabriel Zucman geht davon aus, dass sich weltweit ein Finanzvermögen von rund 5 800 Mrd. EUR in Steueroasen befindet, 80 % davon unversteuert (24). Die Kommission empfiehlt nun, bezüglich Steueroasen Maßnahmen auf internationaler Ebene zu ergreifen.

3.6.4.

In einem ersten Schritt muss sichergestellt werden, dass Amtshilfeabkommen und der automatische Informationsaustausch der einzelnen Länder umgesetzt werden. Bei multinationalen Konzernen ist eine internationale Vernetzung der Steuerprüfungen zu erwägen. Im Falle von Vermögens- und Kapitaltransfers in Länder, die als Steueroasen eingestuft sind, ist eine Meldepflicht durch die Finanzinstitute, die den Transfer vornehmen, ein möglicher Ansatzpunkt (25).

3.7.    Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, Dienstleistungsrichtlinie

3.7.1.

Der EWSA hat bereits in seiner Stellungnahme zu den Hindernissen am Binnenmarkt aus dem Jahr 2012 auf bestehende Barrieren im Dienstleistungsbereich hingewiesen. Die Kommission hat festgestellt, dass viele Mitgliedstaaten der Verpflichtung nicht nachkommen, der EU-Behörde regulatorische Maßnahmen mitzuteilen. Vor diesem Hintergrund ist es für die Kommission schwierig zu beurteilen, ob eine neue Regelung gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.

3.7.2.

Die Kommission plant daher eine Reform des Mitteilungsverfahrens, das nun auch zusätzlich für Dienstleistungen gelten soll, die derzeit nicht unter den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie fallen. Die Kommission muss dafür Sorge tragen, dass durch die Gestaltung der Vorschläge nicht die Souveränität oder das demokratische Prinzip der Mitgliedstaaten infrage gestellt werden.

3.7.3.

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse spielen im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft eine tragende Rolle. Die Verfügbarkeit von Wohnraum-, Wasser- und Energieversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung, öffentlicher Nahverkehr, Gesundheit, Soziales, Jugend und Familie, Kultur und Kommunikation sind für die Bevölkerung von essenzieller Bedeutung. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sind Teil der gemeinsamen EU-Werte und tragen zur Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts bei. Bei den „Grundsätzen und Bedingungen“ ist ebendiesem Stellenwert des sozialen und territorialen Zusammenhalts Rechnung zu tragen.

3.7.4.

Der EWSA erinnert im Zusammenhang mit den geplanten Reformen bei der Dienstleistungsrichtlinie an das Protokoll Nr. 26 des EU-Vertrags zu den Diensten von allgemeinem Interesse, d. h. an die rechtsverbindliche Auslegung von Art. 14 AEUV: Je nach den kulturellen, sozialen und geografischen Unterschieden verfügen die nationalen, regionalen und lokalen Behörden der Mitgliedstaaten über einen Ermessensspielraum bei den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Hinsichtlich dieser Dienste, die entsprechend den Bedürfnissen der Nutzer zur Verfügung gestellt werden müssen, ist ein hohes Maß an Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit und Gleichbehandlung ebenso zu gewährleisten wie die Förderung des universellen Zugangs und der Nutzerrechte bei gleichzeitiger Sicherstellung der entsprechenden Effizienz und einer ordnungsgemäßen Verwaltung.

3.8.    Öffentliche Auftragsvergabe

3.8.1.

Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen fehlt es an einer statistischen Erfassung, aus der die tatsächlichen Kosten im Vergleich zu den vom Bestbieter im Angebot gelegten Kosten hervorgehen. Häufig kommt es zu erheblichen Kostenüberschreitungen (26).

3.8.2.

Immer wieder gewinnen unlauter agierende Bieter, die ihre Angebote unter einen fairen Preis drücken und Subunternehmer einsetzen. Häufig kommt es später zu Folgekosten, die den Preis des zweit- oder drittbesten Mitbieters übersteigen.

3.8.3.

Um diese Praxis einzudämmen, bedarf es mehrerer Maßnahmen: die Einführung eines elektronischen Vergabeverfahrens sollte eine statistische Erhebung ermöglichen, mithilfe derer sich Niedrigangebote ausmachen lassen und die Verantwortlichen zu korrektem Verhalten angehalten werden. Im Rahmen des statistischen Überblicks müssen der Bestbieterpreis und die später anfallenden tatsächlichen Kosten zentral erfasst werden, um bezüglich möglicher Kostenüberschreitungen für Transparenz zu sorgen. Angebote zu Preisen, die unter dem Mindestlohn und den sozialen Mindestnormen gemäß den jeweiligen nationalen Vorschriften und Gepflogenheiten liegen, müssen von der Ausschreibung ausgeschlossen werden, um einen möglichen Wettlauf um die Senkung von Kosten und Qualitätsstandards zu vermeiden.

Brüssel, den 25. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 177 vom 18.5.2016, S. 1.

(2)  Social dumping: political catchphrase or threat to labour standards? — Magdalena Bernaciak, Arbeitspapier 2012, Europäisches Gewerkschaftsinstitut.

(3)  Europäische Kommission, GD ECFIN, Datenbank AMECO (annual macroeconomic database).

(4)  Mitteilung der Europäischen Kommission: Europa 2020 — Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, vom 3. März 2010, COM(2010) 2020 final.

(5)  „Reducing costs and barriers for businesses in the Single Market“, Studie für den IMCO-Ausschuss des EP, GD Interne Politikbereiche.

(6)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 14.

(7)  Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung einer Europäischen Plattform zur Stärkung der Zusammenarbeit bei der Prävention und Abschreckung von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit, COM(2014) 221 final.

(8)  ABl. C 458 vom 19.12.2014, S. 19.

(9)  Richtlinie 2014/67/EU Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“) (ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11).

(10)  ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 81.

(11)  Eröffnungsrede auf der Plenartagung des Europäischen Parlaments vom 15. Juli 2014 in Straßburg.

(12)  ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 11.

(13)  Österreichische Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse, Jahresstatistik 2015.

(14)  ABl. C 230 vom 14.7.2015, S. 66.

(15)  Studie „Reducing Costs and Barriers for Businesses in the Single Market“.

(16)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 93.

(17)  ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 57, ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 28, ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 36, ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 86, ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 50.

(18)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 36.

(19)  ABl. C 133 vom 14.4.2016, S. 17 (Ziffern 1.2, 1.3 und 1.7).

(20)  ABl. C 133 vom 14.4.2016, S. 17 (Ziffer 1.12).

(21)  ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 1 (Ziffern 1.2, 1.6 und 1.7).

(22)  ABl. C 133 vom 14.4.2016, S. 17 (Ziffer 1.9 und 3.8); ABl. C 251 vom 31.7.2015, S. 33 (Ziffer 4.2).

(23)  Siehe European Parliament newsroom, Referenz 20161114STO51063 vom 17.11.2016.

(24)  Vgl. Steueroasen: wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird, Gabriel Zucman, 2014, Suhrkamp-Verlag.

(25)  ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 93.

(26)  Berliner Flughafen, Skylink Flughafen Wien oder Stuttgarter Bahnhof.


21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/10


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Einleitung einer Konsultation über eine europäische Säule sozialer Rechte“

(COM(2016) 127 final)

(2017/C 125/02)

Berichterstatter:

Jacek KRAWCZYK

Gabriele BISCHOFF

Luca JAHIER

Befassung

Europäische Kommission, 8.3.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

10.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung am

25.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

247/1/2

Vorwort

Artikel 3 EUV: „[Die Europäische Union] wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin.“

Diese Stellungnahme bildet den ersten Beitrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) zur Gestaltung dessen, was schließlich eine europäische Säule sozialer Rechte werden könnte. Sie basiert auf den ergebnisreichen und vielfältigen Diskussionen im Rahmen der 28 nationalen Debatten, die der EWSA veranstaltet hat und die seiner Ansicht nach den besonderen Wert dieser Stellungnahme ausmachen. Der EWSA betont, dass die Zivilgesellschaft, einschließlich der Sozialpartner, in die Entwicklung der Säule auf allen Ebenen eng einbezogen werden muss. Er unterstreicht auch, dass der eigentliche Zweck und der Geltungsbereich der Säule klarer formuliert werden müssen.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Säule ein positives Projekt für alle bieten sowie für alle EU-Mitgliedstaaten gelten sollte, stellt aber auch fest, dass für den Euro-Raum gegebenenfalls besondere Instrumente/Mechanismen erforderlich sein können. Der EWSA ist der festen Ansicht, dass die Zukunft der Arbeit — mit allen damit verbundenen Chancen und Herausforderungen — eine Kernfrage in den Debatten über die Säule sein sollte.

1.   Einleitung

1.1

Der EWSA wurde vom Präsidenten der Europäischen Kommission um einen Beitrag zu der Konsultation betreffend die europäische Säule sozialer Rechte (ESSR) (1) ersucht und hat daraufhin eine umfassende Befragung (2) zivilgesellschaftlicher Organisationen in den 28 Mitgliedstaaten eingeleitet. Insgesamt beteiligten sich 116 Mitglieder des EWSA und knapp 1 800 weitere Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen an diesen nationalen Debatten.

1.2

In der Stellungnahme des EWSA zu der europäischen Säule sozialer Rechte kommen die wichtigsten Schlussfolgerungen und Empfehlungen dieser nationalen Debatten zum Ausdruck und finden sich darin wieder. Der Ausschuss nimmt die Absicht der Kommission zur Kenntnis, „… eine Reihe wesentlicher Grundsätze zur Förderung gut funktionierender und gerechter Arbeitsmärkte und Sozialsysteme“ zu formulieren (3), und sieht in der europäischen Säule sozialer Rechte eine sehr wichtige Initiative für die Nachhaltigkeit der EU. In diesem Zusammenhang bildet die Stellungnahme des EWSA einen ersten Schritt auf dem Weg zur Schaffung einer ESSR. Der Ausschuss bekundet seine Absicht, auch weiterhin Beiträge zu Diskussionen über dieses Thema zu leisten, insbesondere nach der Annahme des Weißbuchs der Kommission im Jahr 2017.

2.   Herausforderungen und Prioritäten

2.1

2017 wird die Europäische Union den 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge begehen. Dieser historische Jahrestag bietet die Gelegenheit, die Errungenschaften der EU zu feiern, muss aber gleichzeitig auch genutzt werden, um Europas große politische, wirtschaftliche und soziale Herausforderungen anzugehen. In vielen Mitgliedstaaten hat das Vertrauen der Bürger in die Europäische Union spürbar abgenommen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Union wird wahrscheinlich ein Mitgliedstaat austreten.

2.2

Seit dem Schock der Finanzkrise von 2008 hat die Europäische Union eine Reihe aufeinanderfolgender Krisen durchlebt. Auch wenn die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten verschieden ist und die politischen Reaktionen unterschiedlich ausfallen, steht die EU heute vor zahlreichen Herausforderungen wie z. B. anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, untragbar hohe Jugendarbeitslosigkeit, wirtschaftliche Instabilität und Verschlechterung der sozialen Lage einschließlich gestiegener Armut und Ungleichheit. Hinzu kommen Globalisierung, demografische Entwicklungen und Digitalisierung. Die Unfähigkeit der EU, den Zustrom von Asylsuchenden und Migranten angemessen zu bewältigen, trägt zu der generellen Einschätzung bei, dass die EU keine politischen und praktischen Lösungen im Interesse aller mehr zu bieten habe. Euroskeptiker, populistische und nationalistische Parteien versuchen, sich diese Ängste zunutze zu machen, indem sie simplifizierende Lösungen für komplexe Probleme anbieten, mit dem Finger auf bestimmte Gruppen unserer Gesellschaften zeigen und gefährliche Spaltungen in der Gesellschaft hervorrufen.

2.3

Einige Schwierigkeiten und Divergenzen zwischen und in den Mitgliedstaaten wurden durch die Krise verstärkt. Sie resultieren u. a. aus mangelndem Wachstum und strukturellen Schwächen unserer Arbeitsmärkte und Sozialschutzsysteme — Phänomene, die weitgehend aus der Zeit vor der Krise datieren — oder werden dadurch noch verschärft. Ausschlaggebend wird die kollektive Fähigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten sein, die für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung erforderlichen Bedingungen zu schaffen.

2.4

Der EWSA begrüßt die Initiative der Kommission zur Einleitung einer öffentlichen Konsultation über eine europäische Säule sozialer Rechte als Teil der Bemühungen um die Sicherung „eines fairen und wahrhaft europäischen Arbeitsmarktes“, um „in Europa in sozialen Fragen ein AAA-Rating zu erreichen“ und als ein Kompass für eine erneuerte Konvergenz innerhalb des Euro-Raums. Es besteht jedoch erhebliche Unsicherheit in Bezug darauf, wozu die „Säule“ letztlich dienen soll. Der EWSA weist vor allem darauf hin, dass die europäische Säule sozialer Rechte ein positives Projekt für alle sein muss. Auf diese Weise kann sie dazu beitragen, das Vertrauen in die Fähigkeit der EU zurückzugewinnen, die Lebensperspektiven für gegenwärtige und künftige Generationen zu verbessern.

2.5

Zu diesem Zweck müssen im Rahmen der Säule auch die besonderen Herausforderungen des Arbeitsmarkts und der Sozialschutzsysteme behandelt werden, um eine faire Balance zwischen der wirtschaftlichen und der sozialen Dimension zu erreichen sowie den Kampf gegen Armut, soziale Ausgrenzung und Ungleichheiten zu unterstützen.

2.6

Der EWSA stellt fest, dass das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell auf einem gemeinsamen Verständnis der Wichtigkeit einer Steigerung der Beschäftigung, des sozialen Fortschritts und der Produktivität als grundlegenden Schlüsselfaktoren für nachhaltiges Wirtschaftswachstum fußt, das allen auf gerechte Weise zugutekommt. Die Vorbereitung der Säule bietet die Gelegenheit, unser gemeinsames Eintreten für das europäische Sozialmodell zu bekräftigen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die nationalen Sozialsysteme und Arbeitsmärkte anpassungsfähig und fit für die Zukunft sind (4). Der EWSA betont die Notwendigkeit von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in der gesamten EU. Der EWSA unterstreicht in diesem Zusammenhang die notwendige Verzahnung zwischen Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik (5).

2.7

Der EWSA ist davon überzeugt, dass die europäischen und nationalen Strategien und Maßnahmen, mit denen wirtschaftlicher Erfolg und sozialer Fortschritt erzielt werden sollen, in der politischen Debatte der EU eine prominentere Stellung erhalten müssen. Darüber hinaus sollte eine auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten kohärente und sich gegenseitig verstärkende Politikgestaltung erreicht werden. Zu diesen Anstrengungen muss eine neue Einstellung gegenüber dem Wandel gehören.

2.8

Während das Verfahren des Europäischen Semesters läuft, ist die Strategie Europa 2020 für „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ vernachlässigt worden, und die Hoffnung auf das Erreichen ihrer sozialen Ziele, insbesondere des Ziels einer Beschäftigungsquote von 75 % und des Ziels, 20 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien, schwindet zusehends. Auch die Empfehlung zur aktiven Eingliederung (6) aus dem Jahr 2008 hat nur begrenzt Wirkung gezeigt.

2.9

Als Ausgangspunkt sollte die Säule den bestehenden sozialen Besitzstand der EU und seine vollständige und ordnungsgemäße Durchsetzung fördern. Wenn über neue verbindliche Legislativinitiativen und -instrumente nachgedacht wird, müssen die bestehenden Rechtsgrundlagen und Verfahren beachtet werden. Der rechtliche Status der Säule muss noch festgelegt werden, wie auch ihr Verhältnis zu den wichtigsten internationalen Menschenrechtsinstrumenten (7). Der EWSA betont jedoch, dass die sozialen Rechte für alle in der EU lebenden Menschen und in allen EU-Mitgliedstaaten gelten müssen, räumt aber ein, dass besondere Instrumente/Mechanismen für den Euro-Raum erforderlich sein könnten.

2.10

Investitionen in die Zukunft sind von entscheidender Bedeutung, Europa leidet jedoch weiterhin unter einem Mangel an öffentlichen und produktiven privaten Investitionen. Der EWSA erkennt die Bemühungen im Rahmen der Investitionsoffensive von Kommissionspräsident Juncker (8) an und begrüßt deren Ausweitung. In der zweiten Phase müssen mehr Investitionen in den Ländern und Regionen vorgesehen werden, die sie am meisten benötigen, um ihre Wirtschaft anzukurbeln und ihr Wachstum zu fördern und um noch größere Ungleichheit zwischen den und innerhalb der Mitgliedstaaten zu vermeiden. Projekte für Investitionen in die soziale Infrastruktur sollten auch im Rahmen des Juncker-Plans hinreichend unterstützt werden.

2.11

Die Beratungen über die Säule laufen parallel zu anderen wichtigen Debatten auf EU-Ebene und auf globaler Ebene, insbesondere über die Zukunft Europas und die Zukunft der Arbeit. In den Beratungen über die Zukunft Europas auf dem Gipfeltreffen in Rom 2017 sollten die Diskussionen über die europäische Säule sozialer Rechte Berücksichtigung finden. Der EWSA unterstreicht das Erfordernis von Synergie und Kohärenz bei diesen Beratungen, in denen unsere gemeinsame Zukunft gestaltet wird. Bei der Errichtung der Säule sollten die Strategie Europa 2020 berücksichtigt und die Lehren aus ihrer problematischen Umsetzung gezogen werden. Auch müsste sie verknüpft werden mit einer übergreifenden Strategie der EU (9) zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen 2015 mit ihren Nachhaltigkeitszielen angenommen wurde. Sie stellen eine Agenda für den globalen Wandel auf, um die Armut zu beenden, die Erde zu schützen, den Schutz der Menschenrechte, einschließlich der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen, wie sie im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNCRPD) verankert sind, zu dessen Umsetzung die EU und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet sind, und Wohlstand für alle zu gewährleisten (10). Auf EU-Ebene müssen ferner Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass alle EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung und für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen umgesetzten werden (11).

2.12

Parallel zu der Konsultation der Kommission hat der EWSA eine Reihe von Debatten auf nationaler Ebene in den 28 Mitgliedstaaten eingeleitet, um über Brüssel hinaus den Bekanntheitsgrad der Initiative zu steigern, die Debatte anzuregen und offen darüber zu diskutieren, wie die Säule errichtet werden soll. Viele Ergebnisse dieser Debatten werden in dieser Stellungnahme wiedergegeben.

2.13

Der Geltungsbereich der Säule muss unbedingt besser definiert werden. Der EWSA ist der Ansicht, dass diese Initiative alle Bürgerinnen und Bürger in allen Lebensphasen einschließen sollte. Der EWSA bemängelt das Fehlen einer Bezugnahme auf Asylsuchende und Migranten in der Mitteilung der Kommission über die Säule.

2.14

Die Rolle der Zivilgesellschaft muss stärker anerkannt und gestärkt werden. Der zivile Dialog muss gestärkt werden, damit die Menschen — auch junge (12), schutzbedürftige oder diskriminierte — das Gefühl haben, dass sie sich in die Planung, Umsetzung und Überprüfung der Politikgestaltung einbringen können. Die Sozialpartner spielen eine besondere Rolle bei der Ausarbeitung und der Durchführung der Maßnahmen, die unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Beschäftigung und die Arbeitsmärkte haben. Der soziale Dialog muss gefördert und unterstützt werden, wobei die Autonomie von Sozialpartnern und Tarifverhandlungen zu achten ist; die Beteiligungsmöglichkeiten der Sozialpartner am sozialen Dialog müssen gesteigert werden. In zahlreichen nationalen Debatten wurde eine angemessene Beteiligung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft an den Beratungen über die Säule gefordert (13). In drei Debatten wurde betont, dass es wichtig ist, für einen konsensorientierten Ansatz und Teilhabe zu sorgen (14).

3.   Die Zukunft der Arbeit

3.1

Der EWSA ist überzeugt, dass die Zukunft der Arbeit eine Hauptpriorität in den Debatten über die Säule sein sollte, um den aktuellen umfassenden Wandel in der Arbeitswelt anzugehen. Der EWSA hält jetzt einen schlüssigen, integrierten Ansatz für erforderlich, weswegen er eine kohärente europäische Beschäftigungsstrategie fordert, die u. a. der Zukunft der Arbeit sowie folgenden Aspekten Rechnung trägt:

Investitionen und Innovation;

Beschäftigung und Schaffung guter Arbeitsplätze;

faire Arbeitsbedingungen für alle;

faire und reibungslose Übergänge, gefördert durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik;

Einbeziehung aller Interessenträger, insbesondere der Sozialpartner (15).

3.2

Die Aufgabe der Gestaltung und der Bewältigung des Wandels in der Arbeitswelt wird von mehreren institutionellen Akteuren gemeinsam getragen. Alle einschlägigen Akteure müssen zusammenarbeiten, um die Zukunft der Arbeit gerecht und inklusiv zu machen, mit Beschäftigungsmöglichkeiten für alle und sozialem Fortschritt. Der EWSA ist überzeugt, dass gut ausgebildete, qualifizierte und motivierte Arbeitskräfte mit einem angemessenen Einkommen und Zugang zu hochwertigen Arbeitsplätzen in unser aller Interesse sind. Ob künftig positive Ergebnisse erzielt werden können, wird von den erforderlichen Investitionen, um die Menschen mit den Instrumenten auszustatten, die sie zur Anpassung an diesen Wandel benötigen, von der Bereitstellung angemessener Sicherheitsnetze sowie von der Förderung von Innovationen, nicht zuletzt sozialer Innovationen, abhängen.

3.3

Dieser Wandel in der Arbeitswelt sollte dazu genutzt werden, „dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle zu fördern“ (16). Dieses Ziel sollte von der EU, den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern in ihren unterschiedlichen Funktionen angestrebt werden. Organisationen der Zivilgesellschaft, die arbeitsmarktferne Menschen vertreten, sollten ebenfalls einbezogen werden. Die Voraussetzungen für die Schaffung von mehr und qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen sind zwischen und in den Mitgliedstaaten ungleichmäßig verteilt. Der EWSA fordert die institutionellen Akteure der Mitgliedstaaten auf, rasch zu einer „High Road“-Strategie in Verbindung mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik überzugehen. Unterstützt werden sollte sie durch eine modernisierte und inklusive europäische Beschäftigungsstrategie und eine kohärente und ehrgeizige europäische Industriestrategie.

3.4

Der EWSA hat es bereits begrüßt, dass die EU-Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten (17) auf dem Konzept der „Flexicurity“ beruht, und im Interesse eines reibungsloseren Funktionierens der Arbeitsmärkte bei gleichzeitigem Schutz der Arbeitnehmer die Notwendigkeit eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen interner und externer Flexicurity bekräftigt. Er unterstrich ferner, wie wichtig die aktive Beteiligung der Sozialpartner an der Überwachung und Bewertung der Umsetzung der Flexicurity-Maßnahmen ist (18). Darüber hinaus hat der EWSA betont, dass eine solide makroökonomische Politik, die das Beschäftigungswachstum und ein günstiges Unternehmensumfeld fördert und damit zur vollkommenen Ausschöpfung des Wachstumspotenzials beiträgt, eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren der Flexicurity ist. Der EWSA hat auch die Mitgliedstaaten und die EU dazu ermutigt, einen einfachen, transparenten und zuverlässigen Rechtsrahmen, der die Anpassungsfähigkeit begünstigt, zu schaffen und aufrechtzuerhalten, die Arbeitnehmerrechte zu stärken und ihre Einhaltung und Einklagbarkeit zu verbessern sowie überall in der Union einen stabilen Rechtsrahmen für Tarifverhandlungen und den sozialen Dialog bei der Umsetzung der Flexicurity zu fördern. Daneben unterstrich er, dass es für die Sozialpartner wichtig ist, an der Debatte und der Beschlussfassung über die Flexicurity aktiv mitzuwirken (19). Ausgewogenheit zwischen Flexibilität und Sicherheit (20) sowie die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarkts an neue Herausforderungen wurden in den nationalen Debatten in verschiedenen Mitgliedstaaten angesprochen und hervorgehoben (21).

3.5

Die Rahmenbedingungen auf den Arbeitsmärkten müssen neue und vielfältigere berufliche Laufbahnen begünstigen. Im Arbeitsleben werden unterschiedliche Formen der Rekrutierung von Arbeitskräften und unterschiedliche Formen von Arbeit benötigt. Dies erfordert geeignete rechtliche Beschäftigungsschutzbestimmungen, um einen Rahmen für faire Arbeitsbedingungen zu bieten und um Einstellungen im Rahmen aller Arten von Arbeitsverträgen zu fördern.

3.6

Die Veränderungen in der Arbeitswelt sind zahlreich und vielschichtig. Wir müssen Wege finden, um sichere Übergänge von einem Arbeitsplatz und Erwerbsstatus zum anderen, von der Arbeitslosigkeit zur Beschäftigung sowie von der Bildung ins Berufsleben für alle Arbeitskräfte zu gewährleisten. Die Fähigkeit der Menschen, die notwendigen Übergänge in verschiedenen Phasen ihres Lebens zu bewältigen, sowie die Verfügbarkeit von Rahmenbedingungen und Fördermechanismen, die sie dazu in die Lage versetzen, werden für unsere Gesellschaft und unseren wirtschaftlichen Wohlstand maßgeblich sein. Der EWSA schlägt vor, die Rahmenbedingungen und Fördermechanismen zugunsten dieser Übergänge ganzheitlich anzugehen.

3.7

Der rasche technische Fortschritt beeinflusst auch unsere Art zu leben und zu arbeiten. Eine vorausschauende Politikgestaltung auf europäischer und nationaler Ebene kann und muss sicherstellen, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung erschlossen, dabei aber ihre Fallen vermieden oder abgemildert werden (22). In den nationalen Debatten wurde die Digitalisierung neben zahlreichen Verweisen auf die Notwendigkeit von Investitionen in Bildung und Infrastruktur (23) häufig als eine der wichtigsten Herausforderungen genannt, die in der Säule (24) berücksichtigt werden sollten. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Arbeitsmärkte und -normen, die Wirtschaft, Steuern und Sozialsysteme sowie auf das existenzsichernde Arbeitseinkommen müssen sorgfältig abgeschätzt werden (25).

3.8

Die Digitale Agenda und die Initiative für den digitalen Binnenmarkt sollten mit einem neuen übergreifenden Konzept zur Zukunft der Arbeit verknüpft werden. Hier müssen die wirtschaftlichen, beschäftigungspolitischen und sozialen Herausforderungen angegangen werden, einschließlich des Ziels der Bereitstellung der erforderlichen Kompetenzen und gleicher Wettbewerbsbedingungen. Nach Auffassung des EWSA lässt sich dies am besten gemäß den Verträgen durch einen auf Rechten beruhenden Ansatz erreichen, der den Zugang u. a. zu Bildung und Sozialschutz fördert, sowie durch eine bessere Koordinierung der EU in Bereichen, in denen sie keine Rechtsetzungsbefugnis hat.

3.9

Wie der EWSA bereits hervorgehoben hat, ist „Zusammenarbeit entscheidend“ (26), wenn es darum geht, die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Diesbezüglich wendet sich der EWSA insbesondere an die Europäische Kommission und die Ebene der europäischen Regierungsführung insgesamt, die Regierungen der Mitgliedstaaten, die Sozialpartner und die breitere Zivilgesellschaft als Ganzes. Der EWSA hat bereits empfohlen, dass die Europäische Kommission, die OECD und die ILO gemeinsam mit den Sozialpartnern auf allen geeigneten Ebenen und mit der breiteren Zivilgesellschaft zusammenarbeiten sollten, um geeignete Bestimmungen zu guten Arbeitsbedingungen und für den nötigen Schutz im Fall neuer Beschäftigungsformen (z. B. Online-Arbeit, Gig- und Sharing-Economy) zu entwickeln (27).

3.10

Besondere Aufmerksamkeit sollte der Förderung der Jugendbeschäftigung gewidmet werden. Wie der EWSA bereits in früheren Stellungnahmen betont hat, sollten im Rahmen der nationalen Reformprogramme spezielle Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ergriffen werden (28). Gut funktionierende Systeme der Lehrlingsausbildung und andere hochwertige Formen des Lernens am Arbeitsplatz können dazu beitragen, jungen Menschen den Übergang von der Schule ins Erwerbsleben zu erleichtern (29). Der EWSA unterstützt den Vorschlag zur Einführung von Jugendgarantie-Systemen in den Mitgliedstaaten, die aus einem spezifischen Fonds für die Jugendbeschäftigungsinitiative innerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens finanziert werden, und begrüßt dessen Einrichtung (30).

3.11

In vielen nationalen Debatten wurde die Rolle des sozialen Dialogs hervorgehoben (31). Der EWSA ist beunruhigt angesichts der Zahl von Ländern ohne einen angemessenen sozialen Dialog (32) sowie an Ländern/Wirtschaftszweigen, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht im sozialen Dialog vertreten sind und nicht an Tarifverhandlungen teilnehmen. Dies sollte in die Überlegungen einfließen (33), ebenso wie die Notwendigkeit der Förderung eines lösungsorientierten sozialen Dialogs, der zum Schutz der Arbeitnehmer und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beiträgt. Tarifverhandlungen sollten auf allen geeigneten Ebenen gefördert werden; für die Beobachtung empfiehlt der EWSA die EU-weite Erhebung von Daten über die tarifvertragliche Erfassung über Indikatoren im Rahmen des Europäischen Semesters unter uneingeschränkter Achtung der nationalen Gepflogenheiten und Systeme der Arbeitsbeziehungen.

3.12

Der technische Fortschritt schafft nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern wird auch Arbeitsplätze vernichten. In welchem Ausmaß dies geschieht, ist umstritten; die Ergebnisse der jüngsten Prospektivstudien sind unterschiedlich (34).

3.13

Soziale Investitionen in Menschen müssen in jedem Falle das Kernstück jeder Strategie zur Zukunft der Arbeit bilden. Das Niveau der Qualifikationen und Kompetenzen, insbesondere der digitalen Kompetenzen, wird entscheidend dazu beitragen, die Bürger und Arbeitnehmer für die Zukunft zu rüsten. Die Einführung einer Kompetenzgarantie (35), unterstützt durch die erforderlichen Investitionen, könnte den Rahmen bilden, um die Menschen zum Erwerb der notwendigen Kompetenzen während ihres gesamten Lebens zu befähigen. Die Grundlage hierfür bildet der Zugang zu hochwertiger Bildung, die allen EU-Bürgern offensteht, einschließlich der beruflichen Bildung, des lebenslangen Lernens sowie Qualifizierungs- und Umschulungsmöglichkeiten.

3.14

Der technische Wandel kann die Entwicklung von Kompetenzen fördern, aber potenziell auch den Prozess der Veralterung von Kompetenzen der Arbeitnehmer in zahlreichen Berufen beschleunigen. Neben Bildungsakteuren, Unternehmen, der Zusammenarbeit mit Gewerkschaften müssen das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) und die Regierungen auch ihren Teil dazu beitragen, dass die Qualifikationen und Kompetenzen entwickelt werden, die dem Bedarf einer sich verändernden Arbeitswelt entsprechen (36), auch indem die Reaktionsfähigkeit der nationalen Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung auf einen sich ändernden Qualifikationsbedarf gesteigert wird. Dies muss auf kohärente Weise erfolgen. Die Entwicklung von Kompetenzen erfordert Zeit und ausreichende Ressourcen, außerdem sind mehr und effizientere Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung dringend erforderlich. Auch die unterschiedlichen Auswirkungen/Ergebnisse der Bildungs- und Sozialsysteme in den europäischen Ländern und Regionen müssen berücksichtigt werden.

3.15

Neue Beschäftigungsformen entwickeln sich so rasch, dass die Vertragsverhältnisse nicht Schritt halten können, weswegen ihr Rechtsstatus beleuchtet werden sollte. Der EWSA fordert dringend eine Klärung des Status von Arbeitsvermittlern und von Online-Plattformen sowie eine Untersuchung der vertraglichen Stellung von Crowd-Arbeitnehmern und über andere neue Formen von Arbeit und Beschäftigungsverhältnissen Beschäftigten. Ferner ist eine Orientierungshilfe erforderlich, um etwaige Grauzonen im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsstatus in Bezug auf Steuern und die Sozialversicherung zu klären (37). Das übergeordnete Ziel muss es sein, faire Arbeitsbedingungen für alle zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass alle Arbeitnehmer von grundlegenden Arbeitsnormen abgedeckt sind und über einen angemessenen Sozialschutz verfügen.

3.16

Es sind vor allem die Sozialpartner, die sich um eine Förderung der vereinbarten Flexibilität und Stabilität der Arbeit auf allen geeigneten Ebenen bemühen, doch ist darüber hinaus ein Engagement seitens der Regierungen und der europäischen Ebene für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen, den Regierungen und den Sozialpartnern erforderlich. Der EWSA hat bereits darauf hingewiesen, dass die EU und die Mitgliedstaaten im Dialog mit den Sozialpartnern Strategien prüfen sollten, wie der Geltungsbereich sozialer und arbeitsrechtlicher Normen derart angepasst werden kann, damit sie die Bedingungen einer digitalisierten Arbeitswelt widerspiegeln (38).

3.17

Die „Wirtschaft des Teilens“ (sharing economy) und andere neue Beschäftigungsmodelle dürfen nicht dazu genutzt werden, angemessene Löhne und Gehälter zu vermeiden oder Steuern und Sozialabgaben zu umgehen (39). Der EWSA hat der EU bereits vorgeschlagen, Möglichkeiten zu prüfen, wie die Entwicklung europäischer Plattformen gefördert werden könnte, sodass der durch sie geschaffene Wert in der örtlichen Wirtschaft verbleibt (40).

3.18

Die Konvergenz der Löhne und die Festlegung von Mindestlöhnen in den Mitgliedstaaten wurden von den Teilnehmern der Debatten in einigen Mitgliedstaaten zur Sprache gebracht (41). Der EWSA hält weitere Bemühungen in diese Richtung für erforderlich. Die ILO-Studie „Building a social pillar for European convergence“ (42) ist ein hilfreicher Bezugspunkt. Darin wird betont, dass eine Reihe von Indikatoren für den Vergleich der Mindestlohnniveaus unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten verwendet werden kann, dass aber der verbreitetste Indikator das Verhältnis von Mindest- zu Median- (oder Durchschnitts-)Löhnen ist. Darüber hinaus wird darin festgestellt, dass die Festlegung eines gemeinsamen Ansatzes für die Mindestlohnpolitik auf EU-Ebene dazu beitragen könnte, das Ausmaß der Armut in der erweiterten Union einzudämmen und den Anteil der Niedrigentlohnten im nationalen Kontext zu begrenzen. Ein guter Ausgangspunkt könne eine auf nationaler Ebene dreigliedrig durchgeführte Analyse des Kreises der Mindestlohnempfänger, der Mindestlohnhöhe und der Einhaltung der Mindestlohnregelung sein, wie sie in den ILO-Instrumenten angedacht sei. In der Studie der ILO wird auch festgehalten, dass in einer Reihe von Untersuchungen die Wichtigkeit eines ausgewogenen Ansatzes — wie im Übereinkommen Nr. 131 betont — bezüglich der Elemente hervorgehoben werde, die bei der Festlegung der Höhe eines Mindestlohns zu erwägen sind und die, soweit in Anbetracht nationaler Gepflogenheiten und Bedingungen möglich und angemessen, folgendes umfassen sollten: a) die Bedürfnisse der Arbeitnehmer und ihrer Familien, wobei das allgemeine Lohnniveau in dem Land, die Lebenshaltungskosten, Sozialleistungen und der relative Lebensstandard anderer gesellschaftlicher Gruppen zu berücksichtigen sind, und b) wirtschaftliche Faktoren, einschließlich der Erfordernisse der wirtschaftlichen Entwicklung, des Produktivitätsniveaus und der Erwünschtheit der Erreichung und Beibehaltung eines hohen Beschäftigungsstandes. Weitere Beratungen über diese Fragen sind notwendig und sollten im Zuge der Ausgestaltung der sozialen Säule geführt werden. Der EWSA unterstreicht, dass die Kernkompetenz und die Autonomie der einzelstaatlichen Sozialpartner in der Lohnfindung gemäß den nationalen Gepflogenheiten uneingeschränkt geachtet werden müssen. Erwähnt wurde in einigen nationalen Debatten auch die Notwendigkeit der Achtung der Kompetenzverteilung und des Subsidiaritätsprinzips sowie der Rolle der Sozialpartner bei der Festlegung des Mindestlohnniveaus (43). Allgemein hat der EWSA bereits darauf hingewiesen, dass es nicht zur Konvergenz zwischen den Staaten des Euro-Raums — trotz der Erwartungen eines endogenen optimalen Währungsraums (44) — gekommen ist.

3.19

In einigen nationalen Debatten wurde darauf hingewiesen, dass die demografischen Veränderungen (45) und die sich wandelnden gesellschaftlichen Muster weitere Faktoren sind, die tief greifende Folgen für die Arbeitswelt haben. Aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen müssen wirksam und zielgerichtet sein, um zu guten Beschäftigungsbedingungen zu führen. In einem Land wurde darüber diskutiert, einen Schwerpunkt auf die Möglichkeit der Einbindung privater Agenturen zur Verbesserung der aktiven Unterstützung von Arbeitssuchenden zu legen (46). In der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik Europas muss die Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Durchsetzung des Grundsatzes des Diskriminierungsverbots am Arbeitsplatz und zur Gewährleistung der Gleichstellung aller Gruppen von Arbeitnehmern vorangetrieben werden (47).

3.20

Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein zentraler Faktor für die Gewährleistung gerechter Arbeitsbedingungen für alle. Neben einem höheren Anteil von Frauen auf dem Arbeitsmarkt dürften die Bevölkerungsalterung und die längere Lebensarbeitszeit zu mehr Betreuungsaufgaben während des Lebenszyklus führen. Flexibilität im Arbeitsleben und in der Arbeitszeit sowie eine nachhaltige Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben werden für alle Arbeitnehmer immer wichtiger werden. Der EWSA hat bereits darauf hingewiesen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Koordinierung in einer Reihe von Bereichen wie Betreuung, Elternurlaub und familienfreundliche Arbeitsplätze erfordert (48). Der EWSA fordert einen integrierten Ansatz, der legislative und sonstige Maßnahmen, die auf einer geeigneten Ebene ergriffen werden, in sich vereint, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Mitgliedstaaten zu verbessern. Es ist wichtig, dass genügend Investitionen gezielt in zugängliche und bezahlbare Betreuungseinrichtungen fließen. Dies wird dazu beitragen, die Erwerbsbeteiligung generell zu erhöhen, insbesondere aber von Frauen und auch auf Vollzeitbasis.

3.21

Besondere Aufmerksamkeit sollte der Integration benachteiligter Bevölkerungsgruppen und Minderheiten in den Arbeitsmarkt geschenkt werden. Die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Lage der Roma bessert sich in den meisten Mitgliedstaaten nicht, und, wie in einem Bericht des EWSA gefordert wird, die Strategie für die Roma sollte im Europäischen Semester konsequent berücksichtigt werden (49).

3.22

Angesichts der alternden Gesellschaft in Europa sind tragfähige Rentensysteme von entscheidender Bedeutung. Die Kommission hat darauf hingewiesen, dass ein höheres Renteneintrittsalter aufgrund der höheren Lebenserwartung in Kombination mit Maßnahmen zur Förderung des aktiven Alterns nicht nur eine erhebliche Kürzung der Rentenausgaben, sondern auch den Erwerb höherer Rentenansprüche ermöglicht. Der EWSA hat jedoch unlängst den Vorschlag der Kommission zur Anpassung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung kritisiert und stattdessen Maßnahmen vorgeschlagen, um das tatsächliche Renteneintrittsalter stärker der gesetzlichen Altersgrenze anzunähern (50). Der Ausschuss für Sozialschutz hat darauf hingewiesen, dass es für die Tragfähigkeit und Angemessenheit der Altersversorgungsleistungen von morgen entscheidend ist, dass schon heute die Arbeitslosigkeit verringert und eine längere Lebensarbeitszeit gefördert wird, auch durch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen (51). Beispielsweise wäre ein europäischer vergleichbarer Index für die Nachhaltigkeit und Angemessenheit der Altersversorgungsleistungen nützlich, um die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Reformierung der Rentensysteme und zur Armutsbekämpfung zu unterstützen.

3.23

Das Ziel, Menschen länger arbeiten zu lassen, muss mit einem lebenszyklusorientierten Ansatz einhergehen, der gute Arbeitsbedingungen einschließlich Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie angemessene Arbeitszeitregelungen und Anreize zur Wahrnehmung von Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen umfasst. Wichtig sind auch eine längere Berufstätigkeit bis hin zum Rentenalter und ein angemessenes Einkommen in der Zeit der Berufstätigkeit, das zu einer angemessenen Rente führt, sowie Maßnahmen für einen reibungslosen Übergang älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand: in diesem Zusammenhang ist die weitere Entwicklung der Art, wie wir arbeiten, ein entscheidender Faktor.

3.24

Die Standards der sozialen Sicherheit in der EU sind wegen der verschiedenen Systeme und Traditionen ganz unterschiedlich. Der EWSA hat sich für klarere strategische Schwerpunkte der EU in der Sozialpolitik sowie für die Berücksichtigung allgemeiner sozialpolitischer Grundsätze im Rahmen eines soliden Arbeitsprogramms ausgesprochen. Der EWSA hat auch erklärt, dass ein verbindliches Sozialschutzminimum angestrebt werden sollte (52), und schlägt vor, auf der entsprechenden Ebene unter angemessener Berücksichtigung von Aspekten der Nachhaltigkeit und Angemessenheit hohe Standards festzulegen. Ein besserer Austausch bewährter Methoden ist notwendig für ein inklusiveres soziales Sicherungsnetz für alle legal in der EU lebenden Menschen. Vor dem Hintergrund der Herausforderungen von „Arbeit 4.0“ und dem Aufkommen neuer Formen von Beschäftigung und Teilbeschäftigung ist es von großer Bedeutung, darüber nachzudenken (und entsprechende Beschlüsse zu fassen), wie die Mitgliedstaaten ihre Systeme der sozialen Sicherheit reformieren können, um die Arbeitslosenversicherung zu einer inklusiven Beschäftigungsversicherung umzugestalten, die künftig als Sicherungsnetz fungieren und gleichfalls Beschäftigung und menschenwürdige Arbeit begünstigen kann. Es ist unbedingt dafür zu sorgen, dass Arbeit attraktiver ist als der Empfang von Sozialleistungen; dazu ist es nötig, die richtigen Anreize zu schaffen, damit die Menschen lieber arbeiten gehen, und zugleich eine Einkommenssicherheit für Menschen zu gewährleisten, die keine Arbeit finden. Ein einschlägiger Leistungsvergleich könnte für die Mitgliedstaaten auch nützlich sein, um ggf. die Anspruchsvoraussetzungen und die Leistungsdauer und -höhe zu verbessern.

3.25

Bereits 2009 hat der EWSA darauf hingewiesen, dass Europa seine Führungsposition in Forschung und Innovation wiedererlangen muss. Er hob hervor, dass durch Leistungen in Wissenschaft und Technik und durch ihre Anwendung in einer wettbewerbsorientierten globalisierten Wirtschaft sichergestellt werden würde, dass Europa in der industrialisierten Welt eine Zukunft hat. Darüber hinaus betonte er, dass ein für Fortschritte aufgeschlossenes gesellschaftliches Klima eine Grundvoraussetzung für Innovation ist (53). Kreatives Unternehmertum, das Beschäftigungschancen eröffnet, spielt auch bei der Gestaltung eines innovationsfreundlichen Umfelds eine große Rolle. Dabei kommt der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle zu.

3.26

Der EWSA sieht eine Verbindung zwischen der Fähigkeit zur Innovation am Arbeitsplatz und der Beteiligung der Arbeitnehmer. „Gute“ und „nachhaltige“ Unternehmensführung muss außerdem auf den im Binnenmarkt bewährten rechtlichen Strukturen und Praktiken der Mitwirkung der Arbeitnehmer durch Unterrichtung, Anhörung und ggf. auch der Mitbestimmung fußen (54). Die Bestimmungen zur obligatorischen Mitwirkung der Arbeitnehmer sollten in der EU-Gesetzgebung auf Grundlage der bereits erreichten Standards zusammengefasst und generalisiert werden (55).

3.27

Der Klimawandel ist eine große Herausforderung für Umwelt und Gesellschaft in Europa und der ganzen Welt. Die Zukunft der Arbeit wird auch dadurch geprägt sein, dass unsere Wirtschaft, die Industrie und unsere Arbeitsplätze zum Schutz unseres Planeten dringend umgestaltet werden müssen. Der EWSA begrüßt die Ratifizierung des Übereinkommens von Paris durch die EU und hat sich für ein Bündnis der Zivilgesellschaft und der subnationalen Gebietskörperschaften zur Erfüllung der auf der COP 21 eingegangenen Verpflichtungen ausgesprochen (56). Die Erfüllung dieser Verpflichtungen muss im Einklang mit dem Willen der EU stehen, die Armut zu verringern. Zur Förderung eines gerechten Übergangs, menschenwürdiger Arbeit und der Beschäftigungsfähigkeit wird es nötig sein, Investitionen zur Unterstützung der Gemeinschaften und Arbeitnehmer in Branchen, die von diesem Übergang bereits betroffen sind, zu tätigen und die künftige Umstrukturierung und den Übergang zu einer umweltfreundlicheren und nachhaltigeren Wirtschaft vorwegzunehmen und zu erleichtern. Durch die Investitionsoffensive für Europa sollten Projekte gefördert werden, die im Einklang mit den auf der COP 21 eingegangenen Verpflichtungen stehen.

4.   Der Bedarf an Sozialinvestitionen

4.1

Soziale und wirtschaftliche Ungleichgewichte sind eine Bedrohung für die EU. Sie untergraben den sozialen Zusammenhalt und die politische Glaubwürdigkeit und stehen dem wirtschaftlichen Fortschritt im Weg. Der EWSA hat bereits früher darauf hingewiesen, dass das Problem der Armut dringend angegangen werden und die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung eine der wichtigsten Komponenten der Säule werden muss (57).

4.2

Obgleich der EWSA sich dessen bewusst ist, dass die Verringerung der Armut in erster Linie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, fordert er den Rat der Europäischen Union auf, sein Bekenntnis zu dem in der Strategie Europa 2020 festgeschriebenen Ziel der Armutsreduzierung zu bekräftigen und zu diesem Zweck einen stärker integrierten Ansatz zu verfolgen. Dies bedeutet, dass die Armutsbekämpfung systematisch mithilfe des Europäischen Semesters angegangen und die Strategie Europa 2020 mit der Agenda 2030 verknüpft werden sollte (58). Angesichts der Bedeutung von Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit ist eine makroökonomische Politik zur Schaffung guter Arbeitsplätze sehr wichtig, um Ungleichheit und Armut zu bekämpfen.

4.3

Der EWSA hat bereits zuvor darauf hingewiesen, dass, je länger die Sparpolitik (die vorrangig auf Ausgabenkürzungen hinausläuft) anhält, ohne dass angemessene Maßnahmen zur Schaffung von Wachstum, sozialem Zusammenhalt und Solidarität ergriffen werden, es umso deutlicher wird, dass die wirtschaftliche Integration und Prosperität Europas einer Bedrohung durch wachsende soziale Ungleichheiten ausgesetzt ist (59). Der EWSA fordert neuerliche Anstrengungen zur Förderung des Konzepts der Sozialinvestitionen in allen einschlägigen Politikbereichen (60). Der EWSA ist der Meinung, dass eingehender untersucht werden sollte, wie der „Juncker-Plan 2“ mit den Zielen des Sozialinvestitionspakets verknüpft werden kann. Darüber hinaus hat er einen europäischen Pakt für Sozialinvestitionen (61) zur Förderung sozialer Reformen und sozialer Investitionen und zur Erreichung einer erneuerten wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Konvergenz angeregt.

4.4

Der EWSA begrüßt das Sozialinvestitionspaket der Kommission, das einen Paradigmenwechsel in Richtung auf eine stärkere Konzentration auf soziale Investitionen markiert, die nicht als Kostenfaktor, sondern als eine Investition in das Potenzial Europas für Wachstum und Beschäftigung angesehen werden (62). Der EWSA bedauert, dass nicht mehr unternommen wurde, um diese Ziele wirksamer umzusetzen. Soziale Investitionen machen sich mit der Zeit wirtschaftlich und gesellschaftlich bezahlt, was in höheren Arbeits- oder Erwerbseinkommen, besseren Gesundheitsbedingungen, geringerer Arbeitslosigkeit, besserer Bildung, weniger Armut und sozialer Ausgrenzung usw. zum Ausdruck kommt. Sie verbessern auch den Wohlstand und das Wohlergehen des Einzelnen und kurbeln gleichzeitig die Wirtschaft an, indem sie für höher qualifizierte Arbeitskräfte sowie für mehr Produktivität und Beschäftigung sorgen. Derartige Investitionen, insbesondere wenn sie wachstumsfördernd sind, würden auch dazu beitragen, die Fertigkeiten und Qualifikationen der Menschen zu stärken, ihre Chancen in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen sowie die Wirtschaft anzukurbeln und würden mithelfen, dass die EU stärker und wettbewerbsfähiger aus der Krise hervorgeht. Zudem würden sie der gesteigerten Effizienz und Wirksamkeit der öffentlichen Ausgaben dienen, was mittel- und langfristig zu Einsparungen bei den öffentlichen Haushalten führen würde.

4.5

Der EWSA hat bereits begrüßt, dass die wichtige Rolle der Sozialwirtschaft, der sozialen Unternehmen, der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner für die Umsetzung des Sozialinvestitionspakets ausdrücklich von der Kommission anerkannt wird (63).

4.6

Der EWSA hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass die Einführung eines europäischen Mindesteinkommens durch eine Rahmenrichtlinie dazu beitragen würde, soziale Ausgrenzung zu bekämpfen, den wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalt zu sichern, die Grundrechte des Einzelnen zu wahren, die Ausgewogenheit zwischen wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen zu garantieren und für eine gerechte Verteilung von Einkommen und Wohlstand zu sorgen. Er wiederholt seine Aufforderung an die Kommission, Finanzierungsmöglichkeiten für ein europäisches Mindesteinkommen und die Einrichtung eines entsprechenden Fonds zu prüfen (64).

4.7

Der EWSA bekräftigt seine Ansicht, dass tragfähige, wirksame und effiziente Sozialsysteme für alle Gesellschaften in der EU von größter Bedeutung sind. Sie sind entscheidende Mittel, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt, die Solidarität und die Stabilität in der Gesellschaft zu wahren sowie das Wirtschaftswachstum zu fördern. Wohlfahrtsysteme haben, wie sich in der Krise gezeigt hat, darüber hinaus eine wichtige Funktion als automatische Stabilisatoren. Entscheidungen über Struktur und Inhalt der Sozialpolitik fallen zwar in erster Linie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch sollten nationale und europäische Initiativen darauf abzielen, die Sozialschutzsysteme für soziale Sicherheit, Sozialhilfe und soziale Dienste, Gesundheit und Wohnraumversorgung stärker und effizienter zu machen (65). Wie sowohl der Rat als auch der Ausschuss für Sozialschutz festgestellt haben, sollten die Mitgliedstaaten ihre Bemühungen um die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Sozialschutzsysteme beibehalten und für bessere soziale Ergebnisse sorgen sowie die positiven Auswirkungen von Beschäftigung und Wachstum maximieren (66).

4.8

Die nationalen Sozialversicherungsträger und Behörden haben für universelle, gute, bezahlbare und zugängliche Sozialdienste Sorge zu tragen. Der Staat muss die Bereitstellung dieser Dienste, die von öffentlichen Stellen, gemeinnützigen oder gewinnorientierten Akteuren erbracht werden können, akkreditieren, in sie investieren und den Zugang zu ihnen überwachen, wie es bereits in mehreren EU-Mitgliedstaaten der Fall ist. Repräsentative Organisationen der Zivilgesellschaft, insbesondere die Sozialpartner, soziale Unternehmen und Gesellschaften auf Gegenseitigkeit spielen eine wichtige Rolle. Diese Rolle umfasst auch die Erarbeitung, Umsetzung, Bereitstellung und Überwachung von Sozialschutz-, Gesundheitsversicherungs- und Sozialhilfesystemen. Darüber hinaus kann eine engere Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren zu einer wirksameren und besseren Verwendung öffentlicher Mittel bei der Umsetzung sozialpolitischer Maßnahmen beitragen. Dies beinhaltet auch die Möglichkeit der Nutzung von Partnerschaften zwischen öffentlichen Behörden und privaten Akteuren unter Berücksichtigung der Merkmale der nationalen Systeme.

4.9

Der EWSA ist der Auffassung, dass es eines stärkeren und transparenteren Dialogs zwischen den einschlägigen Akteuren bedarf, um die Sozialschutzsysteme in Bezug auf die Prioritätensetzung bei den Mitteln für wirksame, effiziente und relevante öffentliche Investitionen nachhaltiger zu gestalten und umzugestalten, wobei die sozialen Rechte und insbesondere die Grundprinzipien der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten uneingeschränkt zu achten und zu fördern sind.

4.10

Der Übergang zu Arbeit 4.0 muss mit einem Übergang zu Wohlfahrt 4.0 einhergehen. Die Krise, langsames Wachstum und hohe Arbeitslosigkeit sowie die Kombination aus einer zunehmenden Bevölkerungsalterung und einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung stellen die Tragfähigkeit und Angemessenheit der Sozialschutzsysteme auf die Probe. Gleichzeitig gibt es insbesondere infolge der Bevölkerungsalterung eine verstärkte Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen, doch die Mittel zur Deckung dieser Nachfrage sind beschränkt. Daher müssen dringend Reformen durchgeführt werden, um die Wirksamkeit und wirtschaftliche Effizienz der Sozialschutzsysteme, der Sozialmaßnahmen und der sozialen Dienstleistungen zu erhöhen. Die europäische Säule sozialer Rechte muss nicht nur eine Antwort auf die aktuellen Umwälzungen in der Arbeitswelt liefern, sondern die Mitgliedstaaten auch darin unterstützen, geeignete Lösungen als Reaktion auf die großen Veränderungen in den Wohlfahrtsystemen, den Sozialmaßnahmen und den sozialen Dienstleistungen zu finden. Das wichtigste Ziel muss es sein, deren Qualität, Tragfähigkeit, Zugänglichkeit, Bezahlbarkeit und Angemessenheit für all jene, die auf sie angewiesen sind, durch geeignete Rechtsrahmen und Maßnahmen zu sichern.

4.11

Der EWSA stellt fest, dass der ständige Druck auf die öffentlichen Haushalte, der demografische und gesellschaftliche Wandel sowie das Aufkommen neuer sozialer Herausforderungen in vielen Mitgliedstaaten neue und innovative Organisationsformen für die Finanzierung und Erbringung von Sozialleistungen und Sozialdiensten hervorgebracht haben. Dieses Phänomen, die sogenannte soziale Innovation, wird getrieben von der Notwendigkeit, Lösungen für unerfüllte gesellschaftliche Bedürfnisse zu finden. Sie ergänzt die traditionellen staatlichen Sozialleistungen des Staates, indem in Zusammenarbeit mit lokalen Gebietskörperschaften verschiedene soziale und wirtschaftliche Akteure und Finanzmittel mobilisiert werden. Sie darf jedoch kein Ersatz für die Verantwortung und die Rolle des Staates und seiner verschiedenen öffentlichen Einrichtungen bei der Gewährleistung eines universellen Zugangs zu hochwertigen, bezahlbaren, nachhaltigen und leicht zugänglichen Diensten für die Einwohner der EU sein. Soziale Innovation schafft Sozialkapital und stärkt die Rolle lokaler Gemeinschaften. Es wird empfohlen, dass die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass wichtige Instrumente wie öffentliche Auftragsvergabe und die europäischen Struktur- und Investitionsfonds wirksam zur Förderung der sozialen Innovation und sozialwirtschaftlicher Unternehmen eingesetzt werden.

4.12

Der EWSA hat vielfach auf die besondere, große Bedeutung der Sozialwirtschaft einschließlich der Sozialunternehmen für die Erbringung wirtschaftlicher und sozialer Lösungen hingewiesen (67). Dieser Sektor bildet daher ein wesentliches Element des europäischen Sozialmodells und leistet einen unmittelbaren Beitrag zum sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt und Wandel, zu einer gerechteren Verteilung von Einkommen und Wohlstand und zu einer aktiven Bürgerschaft. Unlängst hat sich der EWSA für einen EU-Aktionsplan für die Sozialwirtschaft ausgesprochen (68).

4.13

Generell und im Rahmen der Zuständigkeiten der EU sollte die europäische Säule sozialer Rechte einen gemeinsamen Bezugsrahmen für den Leistungsvergleich und die Überwachung des nötigen nationalen rechtlichen und politischen Rahmens bieten, um das Recht auf hochwertige Dienstleistungen sicherzustellen, vor allem auf Sozialschutzleistungen (69) einschließlich der Verfügbarkeit, Bezahlbarkeit und Zugänglichkeit von Sozialdiensten sowie ihrer Tragfähigkeit und Wirksamkeit. Das sollte für alle Teilbereiche der sozialen Sicherheit (70) sowie alle anderen Sozial(schutz)dienste gelten,

4.14

In ähnlicher Weise sollten mit der europäischen Säule sozialer Rechte die notwendigen Anreize für die Mitgliedstaaten geschaffen werden, um die Übertragbarkeit von Ansprüchen zu sichern, die gemäß den einschlägigen einzelstaatlichen Kriterien erworben wurden, um dadurch die Freizügigkeit zu gewährleisten. Eine solche Anerkennung würde es ermöglichen, dass der Einzelne bei der Organisation seines Berufs- und Privatlebens eine besser angepasste Unterstützung erhält. Sie würde respektvollere, flexiblere Mittel für die Anpassung an den Lebenszyklus jedes EU-Bürgers bieten, insbesondere indem reibungslose Übergänge beim Einstieg in den, beim Verbleib auf dem und beim Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt erleichtert werden.

4.15

Darüber hinaus sollte die Säule dazu dienen, Benchmarks für die Bereitstellung grundlegender Dienste aufzustellen. Strategien für die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten sollten konzipiert werden, die der jeweiligen sozioökonomischen und haushaltspolitischen Lage jedes Landes entsprechen. Benchmarks dürften nicht nur auf die Verfügbarkeit der Dienstleistungen begrenzt sein und sollten die Umsetzung der grundlegenden, in Protokoll Nr. 26 verankerten Prinzipien (universelle Zugänglichkeit, Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung und Förderung der Rechte der Nutzer) vorantreiben. Der Freiwillige europäische Qualitätsrahmen für Sozialleistungen und der Europäische Qualitätsrahmen für frühkindliche Bildung und Betreuung sollten bei der Festlegung dieser Benchmarks als Bezugsgrößen dienen.

4.16

Der Grundsatz der Chancengleichheit für alle ist in den europäischen Verträgen verankert und muss vollkommen und angemessen in einer inklusiven sozialen Säule berücksichtigt werden. Im EU-Besitzstand sind bereits europaweite gemeinsame Mindeststandards für Arbeitnehmer vorgesehen, die jedoch verstärkt werden müssen. Gleichstellung und Diskriminierungsverbot müssen für Männer und Frauen und für alle Gruppen in unserer Gesellschaft, einschließlich Menschen mit Behinderungen, LGBTI-Personen, Angehörige ethnischer Minderheiten sowie anderer Opfer von Diskriminierung, gewährleistet bzw. beachtet werden.

4.17

Eine höhere Erwerbsbeteiligung der verschiedenen Gruppen in Europa ist eine wesentliche Voraussetzung für die Bewältigung der demografischen Alterung und des Rückgangs der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Fortschritte sind auch nötig bei der Förderung der Geschlechtergleichstellung und der Einhaltung des Diskriminierungsverbots in anderen Lebensbereichen außerhalb der Arbeitswelt, etwa beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, zur Bildung, zu Wohnraum und zur Gesundheitsversorgung. In diesem Zusammenhang ist zu hoffen, dass die Beratungen über die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie betreffend den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen rasch wiederaufgenommen werden.

5.   Ergebnisse aus den Debatten mit der organisierten Zivilgesellschaft

5.1

Der EWSA veranstaltete zwischen dem 2. September und dem 2. November 2016 Debatten mit der organisierten Zivilgesellschaft in allen Mitgliedstaaten. Die Debatten wurden von drei EWSA-Mitgliedern aus dem jeweiligen Land (dem sog. Trio) häufig in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission (15 Debatten) oder dem jeweiligen nationalen Wirtschafts- und Sozialrat (7 Debatten) koordiniert. Die Teilnehmer kamen aus einem breiten Spektrum von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft sowie in geringerem Maße von Hochschulen. Insgesamt beteiligten sich fast 1 800 Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen an den 28 Debatten.

5.2

Ein Satz vorgegebener Fragen bildete in den meisten Debatten die Grundlage für die Gespräche. Die Debatten erstreckten sich auf eine große Themenvielfalt als Abbild der unterschiedlichen nationalen Systeme, Prioritäten und Gegebenheiten. Im Anschluss an die Debatten erstellte das jeweilige Koordinatorentrio einen Bericht für das betreffende Land, der in dem meisten Fällen auch Schlussfolgerungen und/oder Empfehlungen enthielt. Die vorgegebenen Fragen waren:

1)

Was sind Ihrer Ansicht nach die vordringlichsten wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen in Europa und in Ihrem Land? Was wird benötigt, um diese Herausforderungen zu bewältigen?

2)

Halten Sie eine Säule der sozialen Rechte für erforderlich? Wenn ja: Wie sollte sie gestaltet sein, damit die größten sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen in Europa und in Ihrem Land bewältigt werden können?

3)

Wie könnte eine neue EU-Arbeitsmarktstrategie dem Flexibilitäts- und Sicherheitsbedarf von Unternehmen, Arbeitnehmern und Arbeitssuchenden gerecht werden? Wie könnte diese Strategie so wichtige Fragen wie die neuen Realitäten immer stärker digitalisierter Wirtschaften und Arbeitsmärkte, die Herausforderung einer alternden Bevölkerung und die Notwendigkeit, Arbeitsmarktübergänge zu erleichtern, berücksichtigen?

4)

Wie kann die Tragfähigkeit der Sozialsysteme gewährleistet und dafür gesorgt werden, dass die verfügbaren Mittel vorrangig in wirksame, relevante und notwendige soziale Investitionen und Dienstleistungen fließen? Welche Rolle sollten die verschiedenen Akteure spielen?

5)

Wie könnte die europäische Säule sozialer Rechte die wirtschaftliche und soziale Konvergenz in Europa fördern?

6)

Was müssen wir tun, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Europa zu fördern und zu unterstützen?

5.3

Die Schlussfolgerungen/Empfehlungen aus den Länderberichten der Mitgliedertrios ergaben eine Reihe gemeinsamer Themen/Aspekte, die in den verschiedenen Debatten aufgeworfen wurden. Sie werden in diesem Teil der Stellungnahme zusammengefasst.

5.3.1

Zum Umfang und Format der europäischen Säule sozialer Rechte:

In 18 Mitgliedstaaten zeigen die Schlussfolgerungen/Empfehlungen, dass die organisierte Zivilgesellschaft oder Teile davon die Initiative für eine europäische Säule sozialer Rechte unterstützt (CY, DE, EE, EL, ES, FI, FR, IE, IT, LT, LV, MT, PL, PT, RO, SE, SI, SK). In zwölf Mitgliedstaaten (DE, EE, ES, FI, HR, HU, IE, IT, LU, MT, PT, SK) wurde festgestellt, dass die Ziele, der Anwendungsbereich und/oder der Inhalt der Säule näher präzisiert werden sollte.

In 13 Mitgliedstaaten wurde in den Schlussfolgerungen die Interdependenz zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik hervorgehoben (BG, CY, CZ, DE, ES, FI, HR, IE, IT, RO, SE, SI, UK). In neun Mitgliedstaaten (DE, DK, EE, EL, ES, FI, MT, RO, SE) wurde die Bedeutung von Wachstum und in sechs Fällen (EE, ES, FI, DK, MT, SE) die von Wettbewerbsfähigkeit betont.

In zwölf Mitgliedstaaten besagen die Schlussfolgerungen, dass die ESSR für die ganze EU gelten sollte (BG, DE, CZ, EE, ES, FI, HR, HU, IT, PL, SK, SE).

In neun Mitgliedstaaten wurde in den Schlussfolgerungen entweder auf die Umsetzung/Durchsetzung der ESSR oder auf die Anwendung/Durchsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften und Maßnahmen verwiesen (BG, DK, EE, HR, IE, LV, LT, PL, SE). In fünf davon (BG, HR, IE, LV, LT) wurde ausdrücklich festgestellt, dass die Säule in das Europäische Semester einzubeziehen sei.

In den Schlussfolgerungen von acht Ländern (DE, EL, ES, FI, HU, PT, SK, RO) wurde die Notwendigkeit betont, den sozialen Zusammenhalt zu fördern und etwas gegen die Zunahme von Armut, Ungleichheiten und Ausgrenzung zu unternehmen.

In sieben Mitgliedstaaten (BE, CZ, DE, DK, FI, HR, SE) wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das Subsidiaritätsprinzip beachtet werden müsse. In diesem Zusammenhang verwiesen drei nordische Mitgliedstaaten (FI, SE, DK) auf die nationale Zuständigkeit für Tarifverhandlungen und drei Mitgliedstaaten auf die Kompetenzverteilung (FI, SE, BE).

Die Frage der Konvergenz (einschl. Aufwärtskonvergenz, Konvergenz der Sozialpolitiken und/oder Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten im Allgemeinen) wurde in acht Mitgliedstaaten (BG, DE, FR, HR, HU, IT, PT, SK) angesprochen.

In den Schlussfolgerungen/Empfehlungen von sechs Mitgliedstaaten wurde auf den Bedarf an Investitionen im öffentlichen, privaten und/oder sozialen Bereich hingewiesen (CZ, EL, ES, HR, IE, SI).

5.3.2

Die in den Schlussfolgerungen/Empfehlungen angesprochenen Hauptthemen in Verbindung mit dem ersten Entwurf der Europäischen Kommission für die ESSR sind:

Die entscheidende Bedeutung des sozialen Dialogs wurde in den Schlussfolgerungen/Empfehlungen von elf Mitgliedstaaten erwähnt (CY, EE, ES, FI, HU, HR, IE, LV, RO, SI, SK).

In sieben Mitgliedstaaten (CY, EE, FI, IE, LV, RO, SI) wurde die Bedeutung des zivilen Dialogs unterstrichen (obwohl diese Frage im ersten Entwurf der Kommission für die ESSR nicht vorkam).

In sechs Mitgliedstaaten (CY, DK, HR, HU, PL, SI) wurde in den Schlussfolgerungen die Notwendigkeit der Anpassung an Veränderungen, insbesondere aufgrund der Digitalisierung, hervorgehoben.

Die Notwendigkeit, den sich aus demografischen Entwicklungen ergebenden Herausforderungen und Veränderungen Rechnung zu tragen, wurde in den Schlussfolgerungen von drei Ländern (BG, CY, SI) genannt.

Fragen wie integrierte soziale Leistungen und Dienste, Gesundheitsversorgung und Leistungen bei Krankheit, Renten, Arbeitslosenleistungen, Mindesteinkommen und Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen (die zu den 20 Grundsätzen gehören, die die Kommission in ihrem Vorentwurf der ESSR nannte), wie auch Fragen der sozialen Sicherheit, soziale Standards und die Tragfähigkeit des Sozialschutzes waren die in den Schlussfolgerungen/Empfehlungen am häufigsten angesprochenen Fragen. Eine oder mehrere dieser Fragen wurden in den Schlussfolgerungen von 22 Mitgliedstaaten (BE, BG, CY, CZ, DE, DK, EL, FI, FR, HR, HU, IT, LT, LU, LV, MT, PT, RO, SE, SI, SK, UK) genannt.

Um Beschäftigung, Schaffung von Arbeitsplätzen und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (einschließlich der Jugendarbeitslosigkeit) ging es in den Schlussfolgerungen/Empfehlungen von sieben Ländern (BE, CZ, EL, ES, FI, HR, RO).

In elf Mitgliedstaaten (BE, BG, CY, CZ, DE, DK, FI, FR, HR, HU, SI) lag ein Schwerpunkt der Schlussfolgerungen auf Bildung und Qualifikationen (auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung des Arbeitsmarktes).

In zehn Mitgliedstaaten (BE, CY, CZ, DK, FI, HR, HU, MT, RO, UK) wurde in den Schlussfolgerungen hervorgehoben, dass zu gewährleisten sei, dass auch unterrepräsentierte oder benachteiligte Gruppen am Arbeitsmarkt teilnehmen können, und in sieben davon (BE, DE, DK, FI, HU, MT, UK) wurde in diesem Zusammenhang die Gleichstellung der Geschlechter erwähnt.

In acht Mitgliedstaaten (CZ, CY, DK, FI, FR, HR, RO, SE) wurden eine oder mehrere der folgenden Fragen genannt: Notwendigkeit der Beschäftigungsstabilität, Übergänge, menschenwürdige Arbeit und/oder soziale Sicherheit, manchmal auch in Verbindung mit der Digitalisierung des Arbeitsmarkts.

In drei Mitgliedstaaten (DK, FI, SI) wurde in den Schlussfolgerungen jeweils darauf verwiesen, dass das Konzept der „Flexicurity“ der Zukunftsfähigkeit des europäischen Sozialmodells zugutekomme, dass eine Balance zwischen Flexibilität und Sicherheit nötig sei und dass den wirtschaftlichen Erfordernissen für flexible Arbeit Rechnung getragen werden müsse.

5.4

Aus den Schlussfolgerungen/Empfehlungen ging auch hervor, dass die größte Divergenz in der Frage besteht, ob die ESSR gesetzgeberische Maßnahmen umfassen solle. Die Teilnehmer sowohl innerhalb eines Landes als auch über Ländergrenzen hinweg waren in dieser Frage geteilter Meinung, wobei die Vertreter der Arbeitgeber (im Allgemeinen) gegen eine verstärkte Gesetzgebung waren, während die Gewerkschaftsvertreter (in der Regel) den gegenteiligen Standpunkt einnahmen.

6.   Steuerung

6.1.1

Für die europäische Säule sozialer Rechte bedarf es viel mehr Klarheit in Bezug auf Inhalte, Verfahren, konkrete Schritte zu ihrer Umsetzung, Finanzierung und Kontrolle wie auch einer Klärung der Rolle der verschiedenen Akteure. Die Frage der Steuerung ist von größter Bedeutung, wobei das zu beachten ist, was in den Verträgen verankert ist, einschließlich des Subsidiaritätsprinzips. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht zu erfahren, wer für jede Entscheidung verantwortlich und rechenschaftspflichtig ist.

6.1.2

In Bezug auf die relevanten Akteure und ihre Rolle unterstreicht der EWSA, dass in Arbeitsmarktfragen eine Partnerschaft zwischen Behörden und Sozialpartnern auf EU- und nationaler Ebene das zentrale Instrument zur Verbesserung der politischen Fortschritte bei der Verwirklichung weitgehend unterstützter Ziele ist. Im Bereich des Sozialschutzes spielen Regierungen, staatliche/regionale/lokale Behörden und verschiedene nationale Institutionen, die für die Organisation der sozialen Sicherheit zuständig sind, sowie Anbieter sozialer Dienstleistungen eine zentrale Rolle. Darüber hinaus haben häufig auch die Sozialpartner Aufgaben und Zuständigkeiten bei der Entwicklung und Umsetzung von Sozialschutzsystemen und bei sozialen Dienstleistungen. Andere Interessenträger, z. B. Einrichtungen der Sozialarbeit, können über ausgewiesene Fachkenntnisse (insbesondere in der Sozialhilfe) verfügen und hinsichtlich der Gewährleistung der Sicherheitsnetze für einen Teil der Bevölkerung, der von Armut bedroht ist, eine Rolle spielen.

6.1.3

Der EWSA betont, dass die europäische Säule sozialer Rechte ein positives Projekt für Europa und für alle seine Einwohner werden kann, jedoch nur, wenn ihre Ergebnisse sichtbar sind. In diesen Krisenzeiten kann die Säule eine gute Gelegenheit sein, um zu zeigen, dass die EU immer noch in der Lage ist, nötigenfalls angemessene Antworten auf die Probleme der Bürger zu geben und gleichzeitig die Kompetenzverteilung und das Subsidiaritätsprinzip umfassend zu achten. Insbesondere sollte die Säule dazu dienen, das Wohlergehen der Menschen zu fördern und gemäß der Verpflichtung aus dem Vertrag u. a. auf „eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität“ (Artikel 3 EUV) hinzuwirken. Außerdem sollte die Säule zum besseren Funktionieren der Arbeitsmärkte und der Sozialschutzsysteme beitragen. Allerdings bemängelt der EWSA die mangelnde Klarheit in Bezug auf den Anwendungsbereich der Säule. Der EWSA befürchtet, dass dies zu noch mehr Unsicherheit und Frustration führen kann, indem Erwartungen geweckt werden, die nicht erfüllt werden bzw. gar nicht erfüllt werden können (71).

6.2    Soziale Rechte für alle

6.2.1

Die Kommission schlägt vor, dass die Säule zunächst für den Euro-Raum gelten sollte, wo bereits ein Prozess zur weiteren Integration und Konsolidierung für eine größere Konvergenz im Gange ist. Die Sozialbestimmungen der EU-Verträge (72) erstrecken sich jedoch auf alle EU-Mitgliedstaaten. In Anbetracht der in zahlreichen nationalen Debatten gemachten Aussagen ist der EWSA der Ansicht, dass die Säule für alle 28 Mitgliedstaaten gelten sollte.

6.2.2

In einer früheren Stellungnahme hat der EWSA darauf hingewiesen, dass eine sozial nachhaltige makroökonomische Politik die Voraussetzung für eine stärkere Wirtschaftserholung und für den sozialen Zusammenhalt ist. Auch eine bessere Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realitäten ist eine wesentliche Voraussetzung für produktive Beschäftigung und eine gut gestaltete Sozialpolitik auf europäischer und nationaler Ebene, wobei die Generationengerechtigkeit zu gewährleisten ist. Der EWSA begrüßt den Schwerpunkt auf einer flexiblen Anwendung der Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstumspakts, mit der die Kommission bestimmte öffentliche Investitionen bei der Berechnung des Haushaltsdefizits berücksichtigen wird, hält dies aber für eine eingeschränkte und partielle Maßnahme (73).

6.3    Das Europäische Semester

6.3.1

Das Europäische Semester und die nationalen Reformprogramme, die genauso für nicht der Eurozone angehörende Länder gelten, sollten die wichtigsten Instrumente für die Umsetzung und Überwachung der Säule werden. Angesichts der zusätzlichen makroökonomischen Kontrollmechanismen, die im Europäischen Semester für die Länder des Euro-Raums bestehen, ist es jedoch möglich, dass diese Länder zusätzliche einschlägige Referenzwerte zur Unterstützung nationaler Reformen entwickeln. Die Verbindung zwischen der Säule und dem Europäischen Semester wurde in mehreren nationalen Debatten angesprochen (74).

6.3.2

Der EWSA verweist darauf, dass einige der wirtschaftspolitischen Ziele der wirtschaftspolitischen Steuerung der letzten Jahre besser mit den sozialpolitischen Zielen der EU nach Artikel 4 Absatz 2 AEUV in Einklang gebracht werden müssen (75). Alle Maßnahmen im Europäischen Semester sind — gemäß der horizontalen Sozialklausel (76) — einer Abschätzung ihrer sozialen Folgen zu unterziehen. Diese Ergebnisse sollten veröffentlicht und auf nationaler wie europäischer Ebene (77) diskutiert werden.

6.3.3

Der EWSA hat bereits darauf hingewiesen, dass im Europäischen Semester beschäftigungs- und sozialpolitische Ziele auf einer Stufe mit gesamtwirtschaftlichen Erwägungen im Rahmen des Europäischen Semesters stehen sollten (78). Er hat außerdem empfohlen, dass es vergleichbare und gemeinsame Indikatoren geben sollte, z. B. bezüglich Armut und Ungleichheit, wie auch verbindliche Abschätzungen der sozialen Folgen aller Reformvorhaben in den nationalen Reformprogrammen (NRP) und den länderspezifischen Empfehlungen (LSE) (79).

6.3.4

Der EWSA dringt auf eine Anpassung des Europäischen Semesters, damit der bestehende Anzeiger mit beschäftigungs- und sozialpolitischen Indikatoren bei der Formulierung der länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt wird.

6.3.5

Das Ziel einer größere Konvergenz bei der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen sollte durch spezifische Vorgaben erleichtert werden, die im Zusammenhang mit der Strategie Europa 2020 und den Zielen der nachhaltigen Entwicklung stehen und für die Koordinierung der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik maßgeblich sind.

6.4    Wirtschafts- und sozialpolitische Steuerung

6.4.1

Der EWSA sorgt sich sehr um die Stabilität der EU, weil die notwendigen Reformen — mit oder ohne Vertragsänderungen — immer nur in letzter Minute und unter größtem Druck erfolgen. Es gilt, den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhalt in der EU wieder zu stärken und eine kohärente wirtschafts- und währungspolitische Integration als Grundlage einer funktionierenden WWU fortzuführen. An einer ernsthaften Debatte über eine solide Architektur der WWU, die ein Einvernehmen über die wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele sowie eine vereinbarte Steuerungsstruktur erfordert, führt kein Weg vorbei (80).

6.4.2

Der soziale, politische und wirtschaftliche Zusammenhalt muss verbessert werden, um die Schockresistenz der Wirtschafts- und Währungsunion zu stärken. Der EWSA unterstreicht, dass Divergenzen in den WWU-Volkswirtschaften stärker beachtet werden und ausgewogene Strukturreformen in diesen Ländern nach den Erfordernissen einer Währungsunion und im Gleichklang mit nationalen Erfordernissen erfolgen müssen, um die notwendige Konvergenz sicherzustellen.

6.4.3

Der EWSA hat bereits früher angeregt, wie die WWU besser ausgestaltet werden könnte, und Vorschläge dafür gemacht, wie sie so rasch wie möglich im Rahmen der Gemeinschaftsmethode demokratisch und sozial gestaltet werden könnte. Dies würde die demokratische Resilienz stärken und es ermöglichen, den sich aus den Verträgen ergebenden sozialen Verpflichtungen nachzukommen (81).

6.4.4

Eine wirtschaftlich solide WWU ist von zentraler Bedeutung. Wie der EWSA bereits früher festgestellt hat, tragen die Regierungen der Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang eine große Verantwortung für die Weiterentwicklung einer demokratischen und sozialen WWU. Dasselbe gilt auch für die Sozialpartner sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene, für die die WWU den übergreifenden Rahmen für ihre jeweiligen Systeme der Lohnfindung und der Ausgestaltung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik bildet. Als wirtschaftliche und gesellschaftliche Akteure entscheiden sie maßgeblich über die Einhaltung des gemeinsamen Stabilitätsziels der WWU (82). Eine engere Beteiligung der Sozialpartner kann zu einer verbesserten Steuerung der WWU beitragen. Ihre Standpunkte zu der Frage, wie die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik geregelt werden sollte, müssten in der Debatte über die Zukunft der WWU ebenfalls Berücksichtigung finden (83). Ein verstärkter und strukturierter Dialog mit der Zivilgesellschaft würde auch mithelfen, die demokratische Resilienz und Governance zu verbessern.

6.4.5

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Bewältigung anhaltender Ungleichgewichte sowie die Schaffung von Vertrauen und Zuversicht in Europa eine wirksamere und demokratischere wirtschaftspolitische Steuerung erfordern, insbesondere im Euro-Raum (84).

6.5    Durchsetzung und Bekräftigung des Sozialrechts der EU

6.5.1

Ziel der europäischen Säule sozialer Rechte sollte es sein, zur effektiven Durchsetzung der geltenden sozialrechtlichen Bestimmungen im Primär- und Sekundärrecht der EU im Bereich des Sozialschutzes beizutragen, insbesondere des sozialen Schutzes und der effektiven Überwachung u. a. mittels der Arbeitsaufsicht und des Anspruchs auf einen wirksamen Rechtsbehelf und des Zugangs zur Justiz. International rechtsverbindliche Quellen von Rechten für EU-Bürger, die von den Mitgliedstaaten ratifiziert wurden, sollten voll und ganz geachtet werden.

6.5.2

Der EWSA sieht in der Säule die Gelegenheit zur Bekräftigung des bestehenden Sozialrechts der EU. Darüber hinaus ermöglicht die Entwicklung der Säule auch eine Beurteilung dessen, was funktioniert und was nicht, was fehlt und was beim Ansatz der EU und der Mitgliedstaaten verbessert werden sollte, um die erneuerte soziale und wirtschaftliche Konvergenz, das nachhaltige Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der EU zu fördern.

6.6    Mittel für eine soziale Stabilisierung Europas

6.6.1

Der Europäische Fonds für strategische Investitionen und die europäischen Struktur- und Investitionsfonds sind so angelegt, dass sie eine entscheidende Rolle bei der Schaffung von Wachstum und Beschäftigung und bei der Förderung des territorialen und sozialen Zusammenhalts spielen können. Der EWSA ist der Auffassung, dass ein wirksamerer und effizienterer Einsatz dieser Fonds erforderlich ist und dass langfristige Investitionen der EU in hochwertige soziale Infrastrukturen und Dienstleistungen (auch durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen und die Europäische Investitionsbank) Vorrang haben und an die Umsetzung der Säule gekoppelt werden sollten.

6.6.2

Der EWSA hat innerhalb der Grenzen des Stabilitäts- und Wachstumspakts verschiedene Optionen und Vorschläge unterbreitet. Einer davon ist eine „Goldene“ oder besser gesagt „Silberne“ Regel (85) für öffentliche Investitionen der Mitgliedstaaten auch im Sozialbereich, die zu den öffentlichen Investitionen der EU über ein System gemeinsam vereinbarter Parameter hinzukämen, was in Verbindung mit geeigneten Strukturreformen private Investitionen ankurbeln würde (86).

6.6.3

Im Zusammenhang mit der Haushaltsüberprüfung und der Überprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens hält es der EWSA für notwendig — wie bereits von der Kommission angegeben —, 25 % der Mittel aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds, namentlich aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, für die Förderung sozialer Investitionen in Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Wohnungsdienstleistungen und -maßnahmen einzusetzen. Darüber hinaus sollten einige Mittel aus dem ESF auf EU-Ebene als verfügbare Finanzierung zur Stärkung der Kapazitäten der Sozialpartner eingeplant werden. Die Europäische Kommission sollte für die Mitgliedstaaten Leitlinien zu der Frage aufstellen, wie soziale Investitionen in der Praxis gefördert und die Qualität und Wirksamkeit der Projekte überwacht werden können.

6.6.4

2014 verwies der EWSA auf einen Umverteilungsmechanismus für den Fall asymmetrischer Schocks (87) und betonte, dass die EU und insbesondere der Euro-Raum die sozialen Folgen der gegenwärtigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen nicht dadurch ignorieren könnten, dass sie diese gänzlich den einzelnen Ländern überließen. Er unterstrich, dass Mittel für allgemeine und berufliche Bildung als Zukunftsinvestitionen zu betrachten sind (88). Teilnehmer an einigen nationalen Debatten erörterten die Frage, ob eine EU-Arbeitslosenversicherung oder ein Anpassungsfonds erforderlich und machbar seien (89). Diese Debatten haben gezeigt, dass die Ansichten zu dieser Frage erheblich auseinanderklaffen und dass diese Diskussionen fortgeführt werden müssen (90).

6.7    Verknüpfung zwischen globalen und EU-Strategien

6.7.1

In den Beratungen über die Säule sollte gegebenenfalls auch die globale Dimension berücksichtigt werden. Die jüngsten Debatten im Rahmen der ILO, des Europarates, der OECD und des IWF spielen eine maßgebliche Rolle, vor allem angesichts von Beweisen, denen zufolge die Ungleichheit die Nachhaltigkeit des Wachstums beeinträchtigt, während die Umverteilung das Wachstum nicht beeinträchtigt. In den Überlegungen sollte auch berücksichtigt werden, dass die Nachhaltigkeit des europäischen Sozialmodells mit der Verbesserung der globalen Wettbewerbsfähigkeit Europas verknüpft ist.

6.7.2

Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wurde 2015 von allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen vereinbart. Dementsprechend ist die Verwirklichung dieser Ziele eine Pflicht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Der EWSA ist der Ansicht, dass mit der Säule ein erheblicher Beitrag zur Agenda für nachhaltige Entwicklung 2030 geleistet werden kann, insbesondere in Bezug auf die Ziele 1 (Beseitigung von Armut), 3 (Gesundheit und Wohlergehen), 5 (Gleichstellung der Geschlechter) und 8 (Gute Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum).

6.8    Eine klare Gesamtstrategie für eine bessere Zukunft in Europa

6.8.1

Der EWSA fordert die Kommission auf, eine klare und kohärente Strategie für die Säule vorzuschlagen. Der EWSA teilt die Auffassung des Beschäftigungsausschusses und des Ausschusses für Sozialschutz, die der Ansicht sind, „dass die europäische Säule sozialer Rechte auf den bestehenden Instrumenten — unter anderem auf der Europäischen Beschäftigungsstrategie (EBS) und der offenen Methode der Koordinierung im Bereich Sozialschutz und soziale Inklusion (sozialpolitische OMK) — aufbauen und diese verbessern und auf dieser Grundlage als Richtschnur für die Förderung einer nachhaltigen Aufwärtskonvergenz bei den beschäftigungs- und sozialpolitischen Ergebnissen dienen sollte, wobei die einzelstaatlichen Zuständigkeiten zu beachten sind“ (91). Zu diesem Verfahren gehört die Konzipierung angemessener Referenzwerte für eine bestimmte Zahl wichtiger arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Herausforderungen, um die Fortschritte zu bewerten. Die Festlegung eines solchen Kooperationsrahmens würde die Mitgliedstaaten darin unterstützen, durch Reformen (92) positive Ergebnisse zu erzielen, und zu einem stärkeren sozialen Zusammenhalt beitragen.

6.8.2

Trotz der offenkundigen Risiken ist der EWSA nach wie vor der Ansicht, dass die EU in der Lage ist, ein besseres, demokratischeres und sozialeres Europa zu schaffen. Der EWSA wird alles in seiner Macht Stehende tun, um die Debatte in den Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene zu fördern und so die Bürgerinnen und Bürger „für eine bessere Zukunft in Europa“ zu gewinnen. Eine faire Globalisierung, die ein gutes Leben, ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten und faire Arbeitsbedingungen für alle schafft, kann nur dann erreicht werden, wenn die EU ihre Einheit bewahrt und handlungsfähig bleibt. Um sein Gesellschaftsmodell zu wahren, muss Europa in der Lage sein, sich neuen Gegebenheiten anzupassen und bestmögliche Chancen für alle zu schaffen. Dies ist unsere Alternative zu Protektionismus, Nationalismus und Populismus.

Brüssel, den 25. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Schreiben von Jean-Claude JUNCKER, Präsident der Europäischen Kommission, an Georges DASSIS, Präsident des EWSA, vom 8. März 2016.

(2)  Gemäß der Terminologie des EWSA bezeichnet der Begriff „Zivilgesellschaft“ die „organisierte und repräsentative Zivilgesellschaft“. Siehe die Stellungnahmen ABl. C 329 vom 17.11.1999, S. 30 und ABl. C 193 vom 10.7.2001, S. 117.

(3)  Siehe Fußnote 1.

(4)  Nationale Debatten in Irland, Lettland, Portugal und Spanien.

(5)  Artikel 3 EUV: „[Die Europäische Union] wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin.“

(6)  ABl. L 307 vom 18.11.2008, S. 11.

(7)  http://www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/CoreInstruments.aspx.

(8)  http://ec.europa.eu/priorities/jobs-growth-and-investment/investment-plan_de.

(9)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 58.

(10)  http://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development-goals/.

(11)  Richtlinie 2000/43/EG über die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22).

Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16).

Richtlinie 2004/113/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37).

Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23).

(12)  Die Bedeutung der Einbeziehung junger Menschen in den Dialog wurde in mehreren nationalen Debatten hervorgehoben, z. B. in Slowenien.

(13)  Nationale Debatten in Irland, den Niederlanden, Portugal, Finnland, Belgien, Griechenland, Slowenien, Slowakei und Kroatien.

(14)  Nationale Debatten z. B. in Zypern, Belgien und den Niederlanden.

(15)  Nationale Debatten z. B. in Finnland und Ungarn.

(16)  Nachhaltigkeitsziel 8.

(17)  Eine Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten, COM(2010) 682 final.

(18)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 142.

(19)  ABl. C 211 vom 19.8.2008, S. 48.

(20)  Nationale Debatten in Dänemark, Finnland und Ungarn.

(21)  Nationale Debatten z. B. in Bulgarien, Lettland, Polen, Rumänien, der Slowakei und Slowenien.

(22)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 161.

(23)  Nationale Debatten in Österreich, Bulgarien, Tschechien, Kroatien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Ungarn, Luxemburg, Polen, Slowakei und Spanien.

(24)  Nationale Debatten z. B. in Bulgarien.

(25)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 54.

(26)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 50.

(27)  Siehe Fußnote 25.

(28)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 67.

(29)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 57.

(30)  Siehe Fußnote 28.

(31)  Nationale Debatten in Zypern, Estland, Finnland, Ungarn, Irland, Lettland, Rumänien, Slowenien und der Slowakei.

(32)  Nationale Debatten z. B. in Ungarn.

(33)  Siehe Fußnote 25.

(34)  Siehe z. B. Frey und Osborne 2013: The Future of employment: How susceptible are jobs to computerisation?, sowie Breugel 2014: „The computerisation of work“.

(35)  Am 21./22. November 2016 erzielte der Rat eine politische Einigung über eine Empfehlung für „Weiterbildungspfade: Neue Chancen für Erwachsene“ (vormals „Kompetenzgarantie“).

(36)  Siehe Fußnote 25.

(37)  Siehe Fußnote 25.

(38)  Siehe Fußnote 22.

(39)  Siehe Fußnote 22.

(40)  Siehe Fußnote 22.

(41)  Angesprochen in mittel- und osteuropäischen Ländern, z. B. Bulgarien, Tschechien, Slowakei, aber auch in Frankreich.

(42)  „Studies on Growth with Equity. Building a Social Pillar for European Convergence“, Internationale Arbeitsorganisation, 2016.

(43)  Nationale Debatten z. B. in Finnland und Dänemark.

(44)  Verschiebungen in der Weltwirtschaft und ihre Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der EU (Informationsbericht)

(45)  Nationale Debatten z. B. in Finnland, Slowenien, Malta, Irland, Polen und Estland.

(46)  Nationale Debatte in Tschechien.

(47)  Siehe Fußnote 18.

(48)  ABl. C 341 vom 21.11.2013, S. 6.

(49)  Bericht des EWSA „Bessere Inklusion der Roma durch zivilgesellschaftliche Initiativen“ (2014).

(50)  ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 115, ABl. C 332 vom 8.10.2015, S. 68.

(51)  Ausschuss für Sozialschutz, Anzeiger für die Leistungsfähigkeit des Sozialschutzes — Bericht über die zentralen sozialen Herausforderungen und die Kernbotschaften des Ausschusses für Sozialschutz, 12606/16.

(52)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 40.

(53)  Positionspapier des EWSA: „Forschung und Innovation in der EU“ (EESC-13-19-EN).

(54)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 35.

(55)  Siehe Fußnote 54.

(56)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 20.

(57)  ABl. C 133 vom 14.4.2016, S. 9.

(58)  Siehe Fußnote 57.

(59)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 33.

(60)  Beitrag des EWSA zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2017, 14. Juli 2016.

(61)  ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 1.

(62)  ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 91.

(63)  Siehe Fußnote 62.

(64)  ABl. C 170 vom 5.6.2014, S. 23 (diese Stellungnahme fand nicht die Unterstützung der Gruppe Arbeitgeber; siehe www.eesc.europa.eu/resources/docs/statement-minimum-income.pdf).

(65)  Nationale Debatten z. B. in Bulgarien, Irland, Rumänien und Spanien.

(66)  Schlussfolgerungen des Rates von 2015 zur sozialpolitischen Steuerung für ein integratives Europa (Dokument des Rates Nr. 14129/15) und des Ausschusses für Sozialschutz, Anzeiger für die Leistungsfähigkeit des Sozialschutzes (SPPM) — Bericht über die wesentlichen sozialen Herausforderungen und die wichtigsten Botschaften des Ausschusses für Sozialschutz (Dokument des Rates Nr. 12606/16).

(67)  Siehe z. B.: ABl. C 117 vom 26.4.2000, S. 52; ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 22; ABl. C 229 vom 31.7.2012, S. 44; ABl. C 458 vom 19.12.2014, S. 14; Projekt zum Sozialunternehmertum. Die große Bedeutung der Sozialwirtschaft wurde auch in mehreren nationalen Debatten angesprochen, z. B. in Bulgarien, Estland, Italien, Litauen, Portugal und Spanien.

(68)  Beitrag des EWSA zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2017, 15. Juni 2016.

(69)  Einschließlich im Falle von Behinderungen, Langzeitpflege, Kinderbetreuung,

(70)  Gesundheitsversorgung, Leistungen für Arbeitslose sowie für ältere Menschen, bei Arbeitsunfällen, für Familien, bei Mutterschaft, bei Invalidität, für Hinterbliebene.

(71)  Die mangelnde Klarheit wurde in vielen Mitgliedstaaten angesprochen, wobei bestimmte Akteure der Zivilgesellschaft ihre Besorgnis zum Ausdruck brachten, dass dies wie ein Bumerang wirken könnte. Wenn Erwartungen geweckt, letztlich aber nicht erfüllt werden, könnten dadurch das Misstrauen und die Frustration sogar noch verstärkt werden.

(72)  Artikel 3 EUV, Artikel 9 AEUV, Titel X des AEUV und Charta der Grundrechte.

(73)  ABl. C 268 vom 14.8.2015, S. 33.

(74)  Nationale Debatten in Österreich, Bulgarien, Italien, den Niederlanden und Rumänien.

(75)  Siehe Fußnote 59.

(76)  Artikel 9 AEUV.

(77)  Siehe Fußnote 57.

(78)  Siehe Fußnote 61.

(79)  Siehe Fußnote 57.

(80)  Siehe Fußnote 59.

(81)  ABl. C 332 vom 8.10.2015, S. 8 und ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 33.

(82)  Siehe Fußnote 59.

(83)  Siehe z. B. die umfassende Beschäftigungsanalyse.

(84)  ABl. C 332 vom 8.10.2015, S. 8.

(85)  Siehe Fußnote 73.

(86)  ABl. C 451 vom 16.12.2014, S. 10, bezüglich größerer Flexibilität des SWP bei bestimmten „öffentlichen Investitionen“.

(87)  Siehe Fußnote 86.

(88)  ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 58, ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 1.

(89)  Nationale Debatten z. B. in Finnland und Frankreich.

(90)  Siehe Fußnote 59.

(91)  Die europäische Säule sozialer Rechte, gemeinsame Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses und des Ausschusses für Sozialschutz, 12605/16, am 13. Oktober 2016 vom Rat (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz) gebilligt.

(92)  Nationale Debatten z. B. in Rumänien.


III Vorbereitende Rechtsakte

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

522. Plenartagung des EWSA vom 25./26. Januar 2017

21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/27


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“

(COM(2016) 593 final — 2016/0280 (COD))

und zu dem

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften für die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen“

(COM(2016) 594 final — 2016/0284 (COD))

und zu dem

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte zulässige Formen der Nutzung urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen und zur Änderung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“

(COM(2016) 596 final — 2016/0278 (COD))

(2017/C 125/03)

Berichterstatter:

Juan MENDOZA CASTRO

Befassung

Europäisches Parlament, 6.10.2016

 

Rat, 26.10.2016 und 24.10.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

13.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

25.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

144/0/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt das Paket von Maßnahmen zur Anpassung der Urheberrechtsvorschriften an die Erfordernisse der digitalen Wirtschaft.

1.2.

Es gibt in der EU kein integriertes System für das Urheberrecht. Im Hinblick auf die Schaffung eines solchen Systems besteht das zentrale Ziel darin, die vorhandene Fragmentierung zu beseitigen und gleichzeitig den Schutz der Urheber, auch gegenüber großen Technologiekonzernen, die den Markt beherrschen, zu verbessern.

1.3.

Das Urheberrecht ist sehr komplex, weil es zahlreiche Interessenträger mit unterschiedlichen Interessenlagen gibt, die jedoch aufeinander angewiesen sind. Mit den Vorschriften sollen ein Gleichgewicht zwischen den Rechten all dieser Interessenträger gewährleistet und zugleich bürokratischer Aufwand und unnötige Anforderungen vermieden werden.

1.4.

Im Gegensatz zu dem „stufenweisen“ Vorgehen, das die Kommission verfolgt, empfiehlt der EWSA, die bestehenden Rechtsvorschriften zu überarbeiten und zu konsolidieren und dabei auch Änderungen in andere Richtlinien aufzunehmen, die Zweckmäßigkeit von Maßnahmen zu Internet-Suchmaschinen und zur unentgeltlichen Übertragung von Inhalten über WLAN zu prüfen sowie bestimmte Aspekte durch eine Verordnung zu regeln.

1.5.

Der Ausschuss verweist auf die Bedeutung und Notwendigkeit einer raschen Ratifizierung des Vertrags von Marrakesch über das Urheberrecht für Blinde durch die EU.

1.6.

Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern und digitale Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen: Nach Auffassung des EWSA ist der Vorschlag der Kommission angemessen und dient der Förderung des Vertriebs europäischer Filmproduktionen. Das Ursprungslandprinzip steht nicht im Widerspruch zum Territorialitätsprinzip und zur Vertragsfreiheit.

1.7.

Anpassung von Ausnahmen an ein digitales und grenzüberschreitendes Umfeld: Auch wenn in den Vorschlägen der Kommission die Probleme richtig erkannt werden, schlägt der EWSA eine Reihe von Änderungen daran vor, um das Urheberrecht besser an die derzeitigen Erfordernisse anzupassen. Dazu gehören:

Aufnahme des Grundsatzes der automatischen Nichtigkeit vertraglicher Bestimmungen, die im Widerspruch zu den Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht stehen (1);

Text- und Data-Mining:

zur Förderung innovativer Unternehmen sollte der Anwendungsbereich (Artikel 2 des Vorschlags) auch Forschungskräfte und Unternehmen einschließen, die einen Erwerbszweck verfolgen;

der (in Erwägungsgrund 8 genannte) Grundsatz, dass reine Fakten und Daten nicht unter das Urheberrecht fallen dürfen, sollte auch in den verfügenden Teil aufgenommen werden;

Vervielfältigung von Werken zum Erhalt des Kulturerbes  (2): Präzisierung und Ausweitung der Ausnahmebestimmung, um im Handel vergriffene oder von den Rechteinhabern nicht aktiv gelieferte Werke ohne Gewinnabsicht online zugänglich zu machen;

Änderung der Vorschrift, wonach eigens hierfür eingerichtete Terminals in den Räumlichkeiten der genannten Einrichtungen  (3) zu nutzen sind, um den Zugang zu den Werken und sonstigen Schutzgegenständen technisch neutral zu gestalten;

Aufnahme einer neuen Ausnahmebestimmung in Bezug auf die nichtkommerzielle grenzüberschreitende Lieferung von Dokumenten durch europäische Bibliotheken und Archive;

Änderung der Ausnahmebestimmung für nichtkommerzielle wissenschaftliche Forschung in der InfoSoc-Richtlinie, da sie in bestimmten Fällen als sehr schwer anwendbar angesehen wird (4).

1.8.

Mit dem Urteil, in dem der Gerichtshof der Europäischen Union feststellt, dass der Verleih digitaler Werke unter bestimmten Bedingungen mit dem Verleih gedruckter Werke vergleichbar ist (5), wird einer wiederholten Forderung seitens der Bibliotheksnutzer und Bildungseinrichtungen Rechnung getragen.

1.9.

Der Vorschlag betreffend die Digitalisierung und die grenzüberschreitende Verbreitung und Nutzung vergriffener Werke (Titel III, Kapitel 1) ist positiv zu bewerten.

1.10.

Die Ausnahmebestimmung der „Panoramafreiheit“ sollte durch EU-Vorschriften harmonisiert werden.

1.11.

Der EWSA befürwortet das ausschließliche Recht der Verlage, zwanzig Jahre lang die digitale Nutzung ihrer Presseveröffentlichungen zu gestatten oder zu untersagen.

1.12.

Der EWSA befürwortet, dass die Diensteanbieter der Informationsgesellschaft, die große Mengen der von ihren Nutzern hochgeladenen, urheberrechtlich geschützten Werke oder sonstigen Schutzgegenstände speichern oder der Öffentlichkeit zugänglich machen, geeignete und angemessene Maßnahmen ergreifen müssen, um zu gewährleisten, dass die Vereinbarungen mit den Rechteinhabern funktionieren bzw. die Zugänglichkeit solcher Werke oder Schutzgegenstände verhindert wird ( Wertschöpfungslücke ).

1.13.

Der EWSA sieht in dem Vorschlag der Kommission einen Fortschritt für den Schutz der Rechte von Autoren und Urhebern, die ein Anrecht auf eine angemessene Vergütung für ihre kreative Tätigkeit, ihre Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg der Werke und ein hohes Maß an Schutz und Finanzierungssicherheit für die Werke haben sollten.

1.14.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Organisationen der Zivilgesellschaft dazu beitragen, die Nutzer stärker für die Einhaltung der Urheberrechtsvorschriften zu sensibilisieren. Der EWSA unterstützt die Bemühungen der Kommission zur Bekämpfung von Piraterie und anderen Formen der unrechtmäßigen Nutzung gesetzlich geschützter Inhalte.

2.   Die Vorschläge der Kommission

2.1.

Die Entwicklung der Digitaltechniken hat zu Veränderungen bei der Schaffung, Herstellung, Verbreitung und Verwertung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen geführt. Es gibt neue Formen der Nutzung sowie neue Akteure und Geschäftsmodelle. Im digitalen Umfeld hat auch die grenzübergreifende Nutzung zugenommen, und für Verbraucher sind neue Möglichkeiten des Zugangs zu urheberrechtlich geschützten Inhalten entstanden.

2.2.

Zwar behalten die im EU-Urheberrecht bereits festgelegten Ziele und Grundsätze ihre Gültigkeit, doch sind gewisse Anpassungen an diese neuen Realitäten erforderlich. Maßnahmen auf EU-Ebene sind außerdem notwendig, um eine Fragmentierung des Binnenmarkts zu verhindern.

2.3.

Vor diesem Hintergrund wurde in der im Mai 2015 angenommenen Strategie für einen digitalen Binnenmarkt (6) auf die Notwendigkeit hingewiesen, „die Unterschiede zwischen den nationalen Urheberrechtssystemen zu verringern und den Nutzern EU-weit einen umfassenderen Online-Zugang zu geschützten Werken zu ermöglichen.“ Weiterhin wird darin die Bedeutung eines besseren grenzüberschreitenden Zugangs zu Diensten, die urheberrechtlich geschützte Inhalte anbieten, betont und die Rolle von Online-Diensten bei der Verbreitung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen klargestellt.

2.4.

Im Dezember 2015 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung (7), in der spezifische Maßnahmen und ein langfristiges Konzept umrissen werden und der Notwendigkeit Rechnung getragen wird, den Binnenmarkt auf diesem Gebiet voranzubringen, die Vorschriften im Einklang mit dem aktuellen digitalen Umfeld zu aktualisieren, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft auch weiterhin zu gewährleisten und das richtige Gleichgewicht zwischen den Urheberrechten und anderen Zielen der öffentlichen Politik zu wahren.

2.5.

In Anknüpfung an den jüngsten Vorschlag zur grenzüberschreitenden Portabilität (8) schlägt die Kommission nun eine Reihe legislativer Maßnahmen mit folgenden drei Zielen vor:

i)

Gewährleistung eines breiteren EU-weiten Zugangs zu Inhalten und Erreichung neuer Zielgruppen,

ii)

Anpassung bestimmter Ausnahmen an ein digitales und grenzüberschreitendes Umfeld und

iii)

Förderung eines fairen und gut funktionierenden Marktes für Urheberrechte.

2.6.

Zum einen liegt ein Vorschlag für eine Verordnung (9) vor, deren Ziel es ist, günstige Bedingungen für neue Formen der Verbreitung von Online- und Digital-Fernseh- und -Hörfunkprogrammen zu schaffen, die mit den Bedingungen für eine herkömmliche Satelliten- bzw. Kabelübertragung vergleichbar sind. Durch die neuen Vorschriften, die sich an den geltenden Bestimmungen der Satelliten- und Kabelrichtlinie (10) orientieren, wird der Erwerb von Rechten, die für bestimmte von Rundfunkveranstaltern erbrachte Online-Dienste sowie für bestimmte Weiterverbreitungsdienste erforderlich sind, erleichtert und beschleunigt. Diese Vorschriften zielen darauf ab, die Entwicklung des Marktes und eine umfassendere Verbreitung europäischer Radio- und Fernsehproduktionen zu begünstigen. Dies wird wiederum zu einem breiteren Angebot für die Verbraucher und zu einer größeren kulturellen Vielfalt führen.

2.7.

Flankierend wird mit dem Vorschlag für eine Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (11) ein neuer Verhandlungsmechanismus geschaffen, der den Abschluss von Lizenzvereinbarungen für die Verbreitung audiovisueller Werke über Plattformen für Videoabruf (VOD) erleichtern soll. Dies ist Teil umfassenderer politischer Anstrengungen zur Ausräumung der verschiedenen Ursachen für die geringe Verfügbarkeit europäischer audiovisueller Werke, insbesondere Filme, in der EU.

2.7.1.

Die Probleme im Zusammenhang mit der Lizenzgewährung und die damit einhergehenden rechtlichen und vertraglichen Schwierigkeiten bei der Verwertung europäischer audiovisueller Werke auf VOD-Plattformen sind ebenfalls Gegenstand eines strukturierten Dialogs mit den Interessenträgern, dessen Ziel darin besteht, die Verfahren zur Lizenzgewährung zu straffen und sektorspezifische Vereinbarungen zu erleichtern, die zu einer kontinuierlicheren Verwertung und zu einer besseren Verfügbarkeit europäischer Werke führen. Die Kommission wird Ende 2018 über die Ergebnisse dieses Dialogs berichten.

2.7.2.

Schließlich enthält die vorgeschlagene Richtlinie auch Lösungen zur Erleichterung der Lizenzierung von Rechten durch Einrichtungen des Kulturerbes, die für die Digitalisierung und Verbreitung vergriffener, aber kulturell sehr wertvoller Werke erforderlich sind. Der Zugang zu Werken im nichtgewerblichen Umfeld, wie z. B. in Bildungseinrichtungen, öffentlichen Bibliotheken und anderen als Theatereinrichtungen ist ebenfalls von großer Bedeutung für eine reiche kulturelle Vielfalt, für Bildungszwecke und für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Darüber hinaus prüft die Kommission gemeinsam mit den Direktoren der europäischen Filmförderinstitutionen (European Film Agency Directors — EFAD) und dem audiovisuellen Sektor die Möglichkeit, 2017 einen Katalog europäischer Filme für Bildungszwecke einzurichten und zu finanzieren.

2.8.

Parallel dazu wurden zwei Legislativvorschläge (12) zur Anwendung der EU-Rechtsvorschriften betreffend den Vertrag von Marrakesch angenommen, der die Vertragsparteien verpflichtet, Ausnahmebestimmungen zur Unterstützung lesebehinderter Personen zu schaffen, damit sie Zugang zu Büchern und anderem gedruckten Material in barrierefrei zugänglichen Formaten erhalten. Mit der vorgeschlagenen Richtlinie wird eine verpflichtende Ausnahme festgelegt und ihre Durchsetzung sichergestellt, damit die entsprechenden Vervielfältigungsstücke in zugänglichen Formaten auf dem Binnenmarkt hergestellt und gehandelt werden. Die vorgeschlagene Verordnung ermöglicht einen grenzüberschreitenden Austausch dieser Vervielfältigungsstücke zwischen der EU und Drittländern, die Vertragsparteien sind.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA begrüßt das Paket von Maßnahmen zur Anpassung der Urheberrechtsvorschriften an die Erfordernisse der digitalen Wirtschaft.

3.2.

Die europäische Kunst nimmt weltweit eine führende Rolle ein, doch die Filmproduktion, das Verlagswesen und die Musik- und Kunstschaffenden sind mit der Fragmentierung des Marktes, dem großen Reichtum kultureller und sprachlicher Vielfalt, der digitalen Umstellung und finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert.

3.3.

Die Vereinfachung des Zulassungssystems dürfte dazu beitragen, die Fragmentierung zu verringern, den grenzüberschreitenden Zugang zu Online-Inhalten zu erleichtern und ein besseres Gleichgewicht beim Schutz der Urheber herzustellen, insbesondere gegenüber den großen Konzernen, die die digitalen Märkte kontrollieren.

3.4.

Das Urheberrecht ist sehr komplex, weil es zahlreiche Interessenträger mit unterschiedlichen Interessenlagen gibt, die jedoch aufeinander angewiesen sind. Mit den Vorschriften soll ein Gleichgewicht zwischen den Rechten all dieser Interessenträger gewährleistet werden.

3.5.

Die Kommission verfolgt ein „stufenweises“ Konzept (13) und schlägt keine vollständige Überarbeitung, sondern wichtige Ergänzungen zu den bestehenden Vorschriften vor. Der EWSA empfiehlt, folgende Überlegungen zu berücksichtigen:

die Überarbeitung und Konsolidierung der geltenden Rechtsvorschriften, einschließlich Änderungen an weiteren Richtlinien wie der Richtlinie über die Schutzdauer des Urheberrechts (14) und über zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke (15);

die Verordnung als geeignetes Instrument für den Aufbau des digitalen Binnenmarkts (16);

die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der Berücksichtigung von Internet-Suchmaschinen und der unentgeltlichen Übertragung von Inhalten über WLAN (17).

4.   Maßnahmen zur Gewährleistung eines breiteren EU-weiten Zugangs zu Inhalten

4.1.    Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern und Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen  (18)

4.1.1.

In der EU steht die Branche für die Gestaltung und Übertragung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen für nahezu 12 000 Unternehmen, 255 000 Arbeitsplätze und einen Umsatz von 66,5 Milliarden Euro (19). Die Reform ist gerechtfertigt, weil die bestehenden Mechanismen zur Erleichterung der Genehmigung der Verbreitung von Inhalten, die mit Urheberrechten und verwandten Schutzrechten geschützt sind, weder die Online-Übertragung noch die digitale Weiterverbreitung einschließen.

4.1.2.

Der EWSA begrüßt die Einführung des Ursprungslandprinzips, das im Satellitenbereich bereits verankert ist (20) und nicht im Widerspruch zu dem Territorialitätsprinzip und der Vertragsfreiheit steht.

4.1.3.

Der EWSA ist der Ansicht, dass im Zuge einer technologieneutralen Änderung der Rechtsvorschriften über die digitale Weiterverbreitung das Verfahren, mit dem neue Anbieter Rechte erwerben können, vereinfacht werden sollte, womit sich auch für die Verbraucher der Zugang zu bedeutenden Inhalten verbessert.

4.1.4.

In der Reform ist vorgesehen, und der Ausschuss hält dies für richtig, dass in den Fällen, in denen sich die Erteilung von Lizenzen als problematisch erweist, die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass eine „unabhängige Instanz“ den Abschluss einer Vereinbarung über den Zugang und die Verfügbarkeit audiovisueller Werke über Plattformen für den Videoabruf erleichtert.

5.   Anpassung von Ausnahmen an ein digitales und grenzüberschreitendes Umfeld  (21)

5.1.

Bibliotheken, Museen und Archive in Europa bieten den europäischen Bürgerinnen und Bürgern einen kulturellen Raum und sind von wesentlicher Bedeutung für die Weitergabe von Wissen, für die Bildung und die Forschung. Gleichzeitig leisten sie einen wichtigen wirtschaftlichen Beitrag in Bezug auf die Urheberrechte (22).

5.2.

Infolge fehlender Harmonisierung, komplexer Rechtsvorschriften und geografischer und sprachlicher Barrieren sind Forscher in Europa gegenüber den führenden Ländern wie etwa den USA im Nachteil. Deshalb sollte die Reform auf drei Ziele abstellen: Ausweitung der Regelungen und Anpassung an die neuen technischen Gegebenheiten, harmonisierte und zwingende Rechtsvorschriften und Rechtssicherheit bei Ausnahmeregelungen und Beschränkungen (23).

5.3.

In der Erklärung von Den Haag (2014) wird das enorme Potenzial von Text- und Data-Mining für Innovation und Forschung unterstrichen. Für Forscher, KMU und große Technologieunternehmen ist Mining ein wesentliches Instrument, das in der EU aufgrund rechtlicher, technischer und vertraglicher Beschränkungen allerdings zu wenig genutzt wird.

5.4.

Die Kommission schlägt daher zwingende Ausnahmeregelungen für verschiedene Fälle vor:

Text- und Data-Mining für wissenschaftliche Zwecke für Vervielfältigungen und Entnahmen, die durch nicht gewinnorientierte Forschungsorganisationen vorgenommen werden,

digitale Nutzung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen für den alleinigen Zweck der Veranschaulichung im Unterricht in dem Maße, wie dies durch diesen nichtgewerblichen Zweck gerechtfertigt ist, und

Vervielfältigung von Werken zum Erhalt des Kulturerbes.

5.5.

Der EWSA ist zwar der Auffassung, dass in den Vorschlägen der Kommission die Probleme richtig erkannt werden, schlägt jedoch Änderungen zur besseren Anpassung der Vorschriften an die derzeitigen Erfordernisse vor (siehe Abschnitt „Schlussfolgerungen“). Unter anderem ist es wichtig, dass die Ausnahmen vom Urheberrecht nicht durch vertragliche Vereinbarungen oder technischen Hilfsmittel aufgehoben werden. Darüber hinaus ist es angebracht, die Ausnahme in Bezug auf das Urheberrecht für nichtkommerzielle wissenschaftliche Zwecke (Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe a) zu überprüfen, da sie schwierig umzusetzen scheint (24).

5.6.

Der EWSA fordert auch die Harmonisierung der Ausnahmeregelung für das Abbilden und Hochladen von Abbildungen von im öffentlichen Raum befindlichen Werken wie Gebäuden oder Skulpturen („Panoramafreiheit“). Die Kommission hat zwar die Bedeutung dieser Ausnahmeregelung bestätigt, jedoch gleichzeitig beschlossen, ihre Umsetzung dem Ermessen der Mitgliedstaaten zu überlassen.

5.7.    Nutzung urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen

5.7.1.

Der Ausschuss bekräftigt die Bedeutung und Notwendigkeit einer baldigen Ratifizierung des Vertrags von Marrakesch durch die EU. Dieser Vertrag dient der Erleichterung des Zugangs für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Personen zu veröffentlichten Werken und ist am 30. September 2016 in Kraft getreten. Durch den Vertrag werden viele EU-Bürger, die blind oder sehbehindert sind, Zugang zu einer größeren Zahl von Werken erhalten, womit ihnen der Zugang zu Kultur, Bildung, Beschäftigung und damit ihre Integration in die Gesellschaft erleichtert wird.

5.7.2.

Die Vorschläge für eine Verordnung (25) und eine Richtlinie (26) versetzen die Union in die Lage, ihren internationalen Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag von Marrakesch ergeben, nachzukommen. Sie stehen auch im Einklang mit den Verpflichtungen der Union aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

5.8.

Lizenzvergabe und umfassenderer Zugang zu Inhalten: Ermöglicht wird u. a. die Digitalisierung und Verbreitung vergriffener Werke, die zuerst in der EU veröffentlicht wurden (Artikel 7), und die Erteilung einer Lizenz in einem Mitgliedstaat gilt in der gesamten EU (Artikel 8), was angemessen ist.

5.9.    Neues verwandtes Schutzrecht für Presseverleger

5.9.1.

Gemäß Artikel 11 Absätze 1 und 4 des Vorschlags für eine Richtlinie (27) gewähren die Mitgliedstaaten den Presseverlagen für zwanzig Jahre das ausschließliche Recht, die digitale Nutzung ihrer Presseveröffentlichungen zu gestatten oder zu untersagen.

5.9.2.

Der EWSA befürwortet diese Maßnahme, die eine faire und gerechte Wertverteilung gewährleistet zwischen den Presseverlagen, die die Veröffentlichungen erstellen, und den Online-Plattformen, die sie nutzen.

5.9.3.

Der EWSA weist darauf hin, dass viele Zeitungsverlage, die von wesentlicher Bedeutung für die Demokratie sind, finanzielle Schwierigkeiten haben, was an der Einstellung von Publikationen und massiven Arbeitsplatzverlusten deutlich wird, während diejenigen, die die von ihnen gelieferten Informationen nutzen, immer größere Einnahmen verzeichnen (28).

5.10.    Online-Nutzungen geschützter Inhalte

5.10.1.

Diensteanbieter der Informationsgesellschaft, die große Mengen der von ihren Nutzern hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Werke und sonstigen Schutzgegenstände speichern oder öffentlich zugänglich machen, ergreifen in Absprache mit den Rechteinhabern Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die mit den Rechteinhabern geschlossenen Vereinbarungen, die die Nutzung der von den Rechteinhabern zusammen mit den Diensteanbietern benannten Werke oder sonstigen Schutzgegenstände regeln, eingehalten werden. Dazu gehören z. B. „wirksame Inhaltserkennungstechniken“; die Diensteanbieter müssen zudem gegenüber den Rechteinhabern „in angemessener Weise darlegen“, wie die Maßnahmen funktionieren, und ihnen Beschwerdemechanismen und Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Die Mitgliedstaaten erleichtern die Zusammenarbeit zwischen den Parteien (29).

5.10.2.

Diese Maßnahme, die der EWSA für angemessen hält, zielt darauf ab, die sogenannte Wertschöpfungslücke zu schließen, die derzeit zwischen den Rechteinhabern und den Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft besteht ( value gap ), indem die Rechteinhaber in die Lage versetzt werden, bessere Entscheidungen über die Nutzung ihrer Werke zu treffen. Es gibt Beispiele für werbebasierte Dienste, die die Urheber nicht ausreichend für ihre Urheberrechte vergüten, im Unterschied zu den per Abonnement bezahlten Online-Diensten, die das tun (30).

6.   Besseres Funktionieren des Marktes für Urheberrechte

6.1.

Der EWSA teilt die Einschätzung der Kommission, dass gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzungen, bei denen die Rechteverletzer die Werke und Investitionen anderer unentgeltlich ausnutzen, mittlerweile eine ernsthafte Bedrohung für europäische Urheber darstellen. Ohne ein wirksames und ausgewogenes System der Rechtedurchsetzung sind Urheberrechte und sonstige Rechte des geistigen Eigentums nur schlecht geschützt und Investitionen in Kreativität und Innovation werden gedrosselt (31).

6.2.

Autoren und Urheber sollten ein Anrecht auf eine angemessene Vergütung für ihre kreative Tätigkeit, auf Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Werke und ein hohes Maß an Schutz und Finanzierungssicherheit für die Werke haben (32).

6.3.

In dem Vorschlag, den der EWSA für angemessen hält, werden Maßnahmen festgelegt, mit denen die Fähigkeiten der Urheber bei der vertraglichen Gestaltung gestärkt werden sollen. Während die Mitgliedstaaten für Transparenz sorgen und Mechanismen zur Anpassung von Verträgen und zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten bereitstellen sollen, stärkt die Reform die Verhandlungsposition der Urhebern und Künstler (33).

6.4.

Öffentliche und private Organisationen der Zivilgesellschaft in entsprechenden Bereichen sollten zur Sensibilisierung der Nutzer beitragen, damit diese einsehen, dass die Urheber für ihre Werke in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen entlohnt werden müssen.

Brüssel, den 25. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Gemäß Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (ABl. L 111 vom 5.5.2009, S. 16, Artikel 5) und Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 (ABl. L 77 vom 27.3.1996, S. 20, Artikel 15).

(2)  Artikel 5 im Vorschlag der Kommission COM(2016) 593 final.

(3)  Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe n der InfoSoc-Richtlinie (ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10).

(4)  http://libereurope.eu/blog/2016/10/14/basic-guide-eu-copyright-limitations-exceptions-libraries-educational-research-establishments/.

(5)  Rechtssache C-174/15, Vereniging Openbare Bibliotheken/Stichting Leenrecht (ABl. C 14 vom 16.1.2017, S. 6).

(6)  COM(2015) 192 final.

(7)  COM(2015) 626 final.

(8)  COM(2015) 627 final.

(9)  COM(2016) 594 final.

(10)  Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 (ABl. L 248 vom 6.10.1993, S. 15).

(11)  COM(2016) 593 final.

(12)  COM(2016) 596 final, COM(2016) 595 final.

(13)  Mitteilung COM(2016) 592 final.

(14)  Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 (kodifizierte Fassung) (ABl. L 372 vom 27.12.2006, S. 12).

(15)  Richtlinie 2012/28/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 (ABl. L 299 vom 27.10.2012, S. 5).

(16)  Stellungnahme des EWSA (ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 51).

(17)  Siehe Urteil des EuGH in der Rechtssache C-484/14 Tobias Mc Fadden/Sony Music Entertainment Germany GmbH (ABl. C 419 vom 14.11.2016, S. 4).

(18)  Siehe Fußnote 9.

(19)  Eurostat: Programming and broadcasting statistics (2015).

(20)  Siehe Fußnote 10.

(21)  Siehe Fußnote 11.

(22)  Diese Einrichtungen erwerben jährlich Werke für insgesamt 4,8 Milliarden Euro (Quelle: „Outsell report — Library Market Size, Share, Performance and Trends“).

(23)  Siehe: „Schritte zu einem modernen, europäischeren Urheberrecht“. EBLIDA (European Bureau of Library, Information and Documentation Associations); Europeana; Association of European Research Libraries (LIBER); Public Libraries 2020; International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA).

(24)  Siehe Fußnote 4.

(25)  COM(2016) 595 final.

(26)  COM(2016) 596 final.

(27)  Siehe Fußnote 11.

(28)  Die Internetplattformen verbuchten 2015 Einnahmen in Höhe von 153,65 Mrd. USD, für 2020 werden diese Einnahmen auf 260,36 Mrd. USD veranschlagt. Quelle: https://www.statista.com/statistics/237800/global-internet-advertising-revenue/.

(29)  Artikel 13.

(30)  Nach Angaben von Jan Hückmann und Dora Grunwald hat die Plattform YouTube, die 1 Milliarde Nutzer zählt, 2015 für Urheberrechte insgesamt 630 Millionen USD gezahlt, während Spotify mit etwas mehr als 10 Millionen Nutzern 2 Milliarden USD zahlte. Siehe die Argumentation von Google gegen diese Maßnahme https://europe.googleblog.com/2016/09/european-copyright-theres-better-way.html.

(31)  Siehe Fußnote 13.

(32)  Stellungnahme ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 51.

(33)  Derzeit geregelt in der Richtlinie 2014/26/EU (ABl. L 84 vom 20.3.2014, S. 72).


21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/34


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Zertifizierungssystems der Union für Ausrüstungen für Luftsicherheitskontrollen“

(COM(2016) 491 final — 2016/0236 (COD))

(2017/C 125/04)

Berichterstatter:

Stefan BACK

Befassung

Europäisches Parlament, 15.9.2016

Rat, 24.10.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

13.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

25.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

138/1/3

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA bekräftigt erneut seine Unterstützung für den Maßnahmenkatalog aus dem Jahr 2012 für eine innovative und wettbewerbsfähige Sicherheitsbranche (der Maßnahmenkatalog) (1).

1.2

Der EWSA verweist auch auf die Europäische Sicherheitsagenda (die Sicherheitsagenda) (2) und bringt erneut seine Unterstützung für den Aktionsplan gegen den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen und Explosivstoffen und deren unerlaubte Verwendung sowie für den Vorschlag für eine Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung zum Ausdruck (3)  (4).

1.3

Vorbehaltlich der nachstehenden Bemerkungen begrüßt der EWSA nun ebenfalls das mit dem Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über die Einrichtung eines Zertifizierungssystems der Union für Ausrüstungen für Luftsicherheitskontrollen (5) (der Vorschlag) verfolgte Ziel als ersten Schritt zur Umsetzung des Maßnahmenkatalogs. Der EWSA heißt das Ziel des Vorschlags gut, ein Typgenehmigungsverfahren für Ausrüstungen für Luftsicherheitskontrollen mit einer Zertifizierung gemäß dem Prinzip einer einheitlichen Anlaufstelle einzurichten, um die Markteinführung von Produkten zu vereinfachen, Kosten zu senken, das Marktvolumen zu vergrößern und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie für Sicherheitsprodukte zu stärken.

1.4

Der EWSA bedauert jedoch, dass keine zentrale EU-Genehmigungsbehörde mit eigenem technischem Dienst vorgeschlagen wird, die zu Effizienzoptimierung und Kostenreduzierung geführt hätte. Der EWSA äußert ernsthafte Zweifel an der Ressourceneffizienz der vorgeschlagenen Lösung, die technischen Dienste und die Genehmigungsbehörden voneinander zu trennen.

1.5

Der EWSA bedauert ferner, dass im Vorschlag der durch Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (6) geschaffenen Möglichkeit, auf nationaler Ebene strengere Anforderungen als die in der Verordnung vorgesehenen Grundstandards einzuführen, was der EWSA in seiner Stellungnahme (7) ausdrücklich willkommen geheißen hat, nicht Rechnung getragen wird.

1.6

Der EWSA bedauert, dass den Interessen des Binnenmarktes anscheinend so weit Vorrang gegenüber Sicherheitsfragen eingeräumt wurde, dass nicht einmal mehr die Möglichkeit besteht, auf nationaler Ebene zusätzliche Sicherheitsanforderungen zu stellen, um zentrale nationale Interessen gemäß Artikel 114 Absatz 10 AEUV zu schützen.

1.7

In diesem Zusammenhang bedauert der EWSA auch, dass im AEUV nicht die Möglichkeit eingeräumt wird, spezifische nationale Maßnahmen zum Schutz wesentlicher nationaler Interessen vor Terroranschlägen durchzuführen, vergleichbar mit den in Artikel 346 AEUV festgelegten Bestimmungen zu Waffen oder Artikel 15 der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe (8).

1.8

In Anbetracht der hochtechnischen und komplexen Fragestellungen, mit denen sich die sektorale Gruppe der technischen Dienste befassen muss, fragt sich der EWSA, ob es sinnvoll ist, dass die Kommission den Vorsitz dieser Gruppe führt, wie es in Artikel 24 Absatz 3 des Vorschlags vorgesehen ist.

1.9

In diesem Zusammenhang bringt der EWSA auch sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass die Möglichkeit, ein System für Informationsaustausch und Koordinierung der verschiedenen nationalen Genehmigungsbehörden in den Vorschlag zu integrieren, offenbar nicht in Erwägung gezogen wurde.

1.10

Der EWSA stellt sich die Frage, ob der Umfang der in dem Vorschlag vorgesehenen Befugnis zur Erlassung delegierter Rechtsakte zur Änderung von technischen Vorschriften das gemäß Artikel 290 Absatz 1 AEUV zulässige Ausmaß übersteigt. Dies betrifft insbesondere Artikel 27 Buchstabe a des Vorschlags, in dem Umfang und Art der neuen Leistungsanforderungen, die durch delegierte Rechtsakte in Anhang I des Vorschlags aufgenommen werden können, keinerlei Grenzen gesetzt werden.

1.11

In jedem Fall weist der EWSA darauf hin, dass die Kommission, wenn sie in diesem Gebiet gesetzgeberisch tätig werden will, über die notwendigen technischen Kompetenzen verfügen muss, um die Qualität der Rechtsakte zu gewährleisten.

1.12

Der EWSA begrüßt grundsätzlich den Vorschlag, dass die EU ein vollständiges Mitglied der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz (ECAC) werden soll. In Anbetracht der Tatsache, dass die derzeitige Satzung der ECAC jedoch ausschließlich Staaten als Mitglieder vorsieht, der ECAC nicht nur EU-Mitgliedstaaten angehören und der Erfolg einer solchen Beitrittsverhandlung nicht garantiert ist, wäre es realistischer, vorzuschlagen, dass die EU die geeigneten Schritte unternehmen sollte, um der ECAC beizutreten.

1.13

Der EWSA hat die Bestimmung des Vorschlags, die durchschnittliche Zeit zwischen dem Antrag auf Prüfung durch die technischen Dienste und der Übermittlung der Prüfergebnisse an die zuständige Genehmigungsbehörde auf maximal sechs Monate zu begrenzen, zur Kenntnis genommen. Der EWSA ist jedoch der Auffassung, dass es besser wäre, wenn der technische Dienst zunächst in einer Vorabbewertung eines Antrags den für die Prüfung notwendigen Zeitrahmen feststellen und den Antragsteller innerhalb einer bestimmten Frist darüber informieren würde. Wenn die Zeitvorgaben für die Prüfung anschließend nicht eingehalten werden können, sollte der Antragsteller darüber sowie über die Gründe für die Verzögerung informiert werden.

1.14

Der EWSA stellt fest, dass das System der ECAC zur Produktbewertung mittlerweile gut funktioniert und der Mehrwert eines EU-Typenzulassungssystems aus operationeller Sicht deshalb ggf. fraglich ist. Die in dem Vorschlag dargelegten Binnenmarktziele bleiben von dieser Bemerkung unberührt.

1.15

Der EWSA hat aus den genannten Gründen Zweifel an dem Mehrwert des Vorschlags in seiner derzeitigen Fassung und ersucht die Kommission deshalb, den Inhalt des Vorschlags noch einmal zu überdenken und dabei die in dieser Stellungnahme vorgetragenen Bemerkungen mit einzubeziehen.

2.   Einleitung

2.1

Der Vorschlag stellt einen Schritt zur Umsetzung des Maßnahmenkatalogs (9) dar. Die Ziele des Maßnahmenkatalogs sind:

Überwindung der Marktzersplitterung durch Schaffung von EU-weiten/internationalen Normen, Vereinheitlichung der Zertifizierungs-/Konformitätsbewertungsverfahren in der EU und Nutzung der Synergien zwischen den Sicherheits- und den Verteidigungstechnologien;

Schließen der Lücke zwischen Forschung und Markt;

bessere Einbeziehung der gesellschaftlichen Dimension durch eine frühzeitige Prüfung der sozialen Folgen, einschließlich möglicher Auswirkungen auf die Grundrechte.

2.2

Eines der Hauptanliegen des Maßnahmenkatalogs ist es, die Zersplitterung des Sicherheitsmarktes zu überwinden, indem ein EU-weites Zertifizierungssystems für Sicherheitstechnologien — zunächst bei Durchleuchtungsgeräten auf Flughäfen und Alarmanlagen — eingeführt wird. Ausgehend vom Prinzip einer einheitlichen Anlaufstelle soll eine Zertifizierung erteilt werden, die den Marktzugang der zertifizierten Produkte in der gesamten EU gewährleistet. Dies würde zu einer Vereinfachung, geringeren Zertifizierungskosten, einem größeren Anteil am Binnenmarkt und somit zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit gegenüber US-amerikanischen und chinesischen Produzenten führen, die einen Vorteil durch ein größeres Marktvolumen in großen heimischen Märkten genießen.

2.3

Die Sicherheitsagenda (10) bejaht den Maßnahmenkatalog durch unterstützende Maßnahmen wie Schulungen, Finanzierung, Forschung und Innovation.

2.4

Die Sicherheitsagenda umfasst ein breites Spektrum von Maßnahmen, wie die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung und des unerlaubten Handels mit Feuerwaffen und Explosivstoffen und deren unerlaubte Verwendung, sowie weitere Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der kritischen Infrastrukturen, u. a. einen Aktionsplan gegen den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen und Explosivstoffen sowie einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung (11).

2.5

Der Vorschlag sieht die Einführung eines Zertifizierungssystems vor, das auf gemeinsamen Leistungsanforderungen, gemeinsamen Prüfmethoden sowie der Zulassung von Prüfstellen (technischen Diensten) beruht.

2.6

Die Leistungsanforderungen entsprechen den in der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt festgelegten Anforderungen (12) und deren Durchführungsvorschriften (Artikel 4 und Anhang I des Vorschlags).

2.7

Die Bewertungsmethoden entsprechen den von der ECAC genehmigten gemeinsamen Bewertungsprozessen.

2.8

Jeder Mitgliedstaat soll über eine Genehmigungsbehörde verfügen, die für sämtliche Aspekte der Genehmigung von Ausrüstungen zuständig ist (Artikel 6 des Vorschlags). Die Mitgliedstaaten dürfen keine zusätzlichen Anforderungen für zertifizierte Ausrüstungen vorschreiben (Artikel 4 des Vorschlags).

2.9

Der Vorschlag sieht Verfahren für die Behandlung von Ausrüstungen, von denen eine Gefahr ausgeht, auf nationaler Ebene, oder für nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmende Ausrüstungen (Artikel 17-19 des Vorschlags) vor.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Maßnahmenkatalog (13), die Europäische Agenda für Sicherheit, der Aktionsplan gegen den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen und Explosivstoffen sowie der Vorschlag für eine Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung (14) wurden vom EWSA bereits begrüßt.

3.2

Der EWSA begrüßt nunmehr auch den Zweck des Vorschlags, den Maßnahmenkatalog umzusetzen, indem die europäische Sicherheitsindustrie durch die Steigerung ihres Anteils am Binnenmarkt und ihrer Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird.

3.3

Der EWSA begrüßt das Ziel des Vorschlags, die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Sicherheitsindustrie zu stärken und die administrativen Verfahren zu vereinfachen, indem eine Zertifizierung gemäß dem Prinzip einer einheitlichen Anlaufstelle eingeführt wird, um Kosten zu reduzieren und einen größeren Binnenmarkt zu schaffen. Der EWSA stellt fest, dass der Schwerpunkt auf den Themen Binnenmarkt und Wettbewerbsfähigkeit liegt und Sicherheitsfragen hauptsächlich unter dem Aspekt betrachtet werden, dass die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Branche ihre Möglichkeiten für Innovation und Produktentwicklung stärken könnte.

3.4

Der EWSA befürwortet den Ansatz des Vorschlags, im Bereich der Leistungsanforderungen gesetzgeberisch tätig zu werden und die von der ECAC entwickelten gemeinsamen Prüfmethoden zu nutzen, und teilt die Ansicht, dass der Verschlusscharakter des Großteils der Normen einen solchen Ansatz notwendig macht. Dennoch vertritt der EWSA auch die Auffassung, dass der Vorschlag in einigen wichtigen Punkten noch verbesserungswürdig ist.

3.5

So bedauert der EWSA, dass in dem Vorschlag der in Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 vorgesehenen Möglichkeit für Mitgliedstaaten, Maßnahmen anzuwenden, die über die im Vorschlag genannten gemeinsamen Grundstandards hinausgehen, keine Rechnung getragen wird. Weder die Verfahren zur Behandlung von Ausrüstung, von denen eine Gefahr ausgeht, auf nationaler Ebene, noch das Schutzklauselverfahren der Union sind geeignet, um dieses Problem zu lösen.

3.6

Der EWSA erinnert daran, dass er in seiner Stellungnahme zum Vorschlag für diese Verordnung gerade diese Möglichkeit, dass Mitgliedstaaten gemäß Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 strengere Maßnahmen einführen können, begrüßt hatte (15).

3.7

Der EWSA ist sich der Schwierigkeiten bewusst, die mit der Genehmigung zusätzlicher nationaler Anforderungen für Produkte, für die harmonisierte Kriterien gelten, einhergehen. Dennoch verweist er auf die durch Artikel 114 Absatz 10 AEUV eingeräumte Möglichkeit, vorläufige nationale Anforderungen zu genehmigen, um zum Beispiel nationale Sicherheitsinteressen zu wahren.

3.8

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Parlamente von mindestens zwei Mitgliedstaaten in Vorschlägen für mit Gründen versehenen Stellungnahmen zur Frage der Subsidiarität (von denen bislang eine eingereicht wurde), auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht haben, dass Sicherheitsanforderungen an die verschiedenen Bedrohungslagen in den jeweiligen Mitgliedstaaten anpassbar sein müssen (16). Das bedeutet, dass es notwendig sein kann, Sicherheitsanforderungen zu erhöhen, indem im Vergleich zu den EU-weiten Standardanforderungen zusätzliche Eigenschaften und eine verbesserte Leistungsfähigkeit von Ausrüstungen, einschließlich der Luftsicherheitskontrollen an Flughäfen, eingeführt werden.

3.9

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass dieses Ziel bei der Umsetzung politischer Konzepte zur Verbesserung des Schutzes vor Terroranschlägen allen vorgeschlagenen Maßnahmen zugrunde gelegt werden muss. Strategien für die Industriepolitik, die mit diesem Ziel verbunden sind, müssen dem Ziel der Terrorismusbekämpfung nachgeordnet sein.

3.10

Aus diesem Grund muss den Mitgliedstaaten ein klarer Ermessensspielraum für eigene Maßnahmen im Umgang mit terroristischen Bedrohungen eingeräumt werden. Dies umfasst auch zusätzliche Anforderungen für Durchleuchtungsgeräte an Flughäfen, die über die standardmäßigen Zertifizierungsanforderungen hinausgehen. In Artikel 17 und 18 des Vorschlags wird auf diese Problematik nicht eingegangen und den Mitgliedstaaten kein ausreichender Ermessensspielraum gewährt, damit sie sich gegen terroristische Bedrohungen schützen können. Der EWSA ist sich der Tatsache bewusst, dass der AEUV in seiner derzeitigen Form keine spezifische Bestimmung enthält, derzufolge Sicherheitsausrüstungen aus Gründen des Schutzes grundlegender nationaler Interessen von den Binnenmarktvorschriften ausgenommen werden können, da diese Möglichkeit in Artikel 346 AEUV nur in Bezug auf Waffen und in den Bestimmungen der Richtlinie 2014/24/EU (Artikel 15) nur in Bezug auf die öffentliche Auftragsvergabe eingeräumt wird (17).

3.11

Der EWSA stellt fest, dass die Kommission in dem Vorschlag ermächtigt wird, delegierte Rechtsakte zur Änderung von Anhang I zu erlassen, um der Einführung neuer Leistungsanforderungen für Ausrüstungen für Luftsicherheitskontrollen Rechnung zu tragen (Artikel 27 Buchstabe a) und Anhänge der Verordnung zu ändern, um sie an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen (Artikel 27 Buchstabe b). Durch Artikel 290 Absatz 1 AEUV wird die Möglichkeit, delegierte Rechtsakte zu erlassen, auf nicht wesentliche Bestandteile des Rechtsaktes, einschließlich Änderungen aufgrund technischer Entwicklungen, begrenzt. Die im Vorschlag unter Artikel 27 Buchstabe a vorgesehene Möglichkeit für delegierte Rechtsakte scheint über diese Grenzen hinauszugehen. Der EWSA stellt aus diesem Grund die Vereinbarkeit der in Artikel 27 Buchstabe a des Vorschlags vorgesehenen delegierten Rechtsakte mit dem AEUV infrage.

3.12

In jedem Fall muss die Kommission, wenn sie auf diesem Gebiet gesetzgeberisch tätig werden will, über die notwendigen technischen Kompetenzen verfügen, um die Qualität der Rechtsakte zu gewährleisten.

3.13

Der Vorschlag sieht vor, dass es eine Genehmigungsbehörde für jeden Mitgliedstaat geben soll. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass derzeit nur fünf Mitgliedstaaten über Kapazitäten verfügen, Ausstattungen zu prüfen und Typgenehmigungen für diese auszustellen, stellt der EWSA sowohl die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, eine solche Behörde bis zum Inkrafttreten des Vorschlags einzurichten, als auch die Ressourceneffizienz einer solchen Anforderung und deren Mehrwert infrage. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass eine einzige EU-Genehmigungsbehörde, im Einklang mit dem Ansatz einer einheitlichen Anlaufstelle, eine effizientere Lösung dargestellt hätte.

3.14

In diesem Zusammenhang stellt der EWSA auch infrage, wie sinnvoll es ist, dass die Prüf- und Zertifizierungsfunktionen voneinander getrennt werden und in den Aufgabenbereich der technischen Dienste einerseits und der Genehmigungsbehörden andererseits fallen sollen. Das bedeutet, dass die eigentliche Prüfung der Leistungsfähigkeit eines Produktes von einem technischen Dienst durchgeführt wird, der gemäß seiner Kompetenzen zertifiziert worden ist, die Entscheidung, eine Zertifizierung (Typgenehmigung) auszustellen, jedoch der Genehmigungsbehörde obliegt, die natürlich keinerlei spezifische Kriterien hinsichtlich ihrer fachlichen Kompetenzen erfüllen muss, sondern ausschließlich auf Grundlage der Bewertung des technischen Dienstes arbeitet. Sollte der Grund für ein solches duales System darin bestehen, dass nicht alle Mitgliedstaaten über die notwendigen technischen Kompetenzen verfügen, empfiehlt der EWSA, die zwei Funktionen in einer reduzierten Anzahl von Genehmigungsbehörden zu vereinen oder, noch besser, wie bereits erwähnt, eine gemeinsame Genehmigungsbehörde für die gesamte EU einzurichten.

3.15

Der EWSA stellt darüber hinaus fest, dass die gemeinsame Methode zur Zertifizierungsprüfung der ECAC nunmehr gut funktioniert. Dies stellt den Mehrwert des Systems, wie es der Vorschlag vorsieht, infrage, da mit dem von der ECAC geschaffenen Rahmen der freie Verkehr der betroffenen Produkte in allen ECAC-Mitgliedstaaten gewährleistet wird. Die in dem Vorschlag dargelegten Binnenmarktziele bleiben von dieser Bemerkung unberührt.

3.16

Der EWSA stellt fest, dass Artikel 10 des Vorschlags vorsieht, dass die EU vollständiges Mitglied der für die Ausarbeitung gemeinsamer Prüfmethoden zuständigen Stelle, d. h. der ECAC, werden soll. Der EWSA weist darauf hin, dass der Mitgliedschaft der EU in der ECAC eine Satzungsänderung der ECAC vorausgehen müsste, da derzeit nur Staaten als vollständige Mitglieder anerkannt werden können. Da eine Mitgliedschaft nur infolge von Verhandlungen möglich ist, empfiehlt der EWSA, die vorgeschlagene Bestimmung dahin gehend umzuformulieren, dass die EU beauftragt werden sollte, Verhandlungen aufzunehmen, um vollständiges Mitglied der ECAC zu werden.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der Vorschlag sieht vor, dass die Kommission eine sektorale Gruppe von technischen Diensten einsetzt und in dieser den Vorsitz führt, um die Zusammenarbeit und Koordination der technischen Dienste zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund, dass sich diese Gruppe voraussichtlich mit höchst komplexen technischen Fragen beschäftigen wird, stellt der EWSA die Angemessenheit dieser Lösung infrage.

4.2

Der EWSA bringt seine Überraschung darüber zum Ausdruck, dass es für nicht notwendig erachtet wurde, Informationsaustausch und Koordinierung unter den verschiedenen nationalen Genehmigungsbehörden sowie zwischen den Genehmigungsbehörden und der Kommission vorzuschlagen, gerade unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein solches System für die technischen Dienste und in anderen Bereichen, in denen nationale Behörden für die Umsetzung des EU-Rechts relevante Entscheidungskompetenzen ausüben, zum Beispiel beim Wettbewerb, als nutzbringend erachtet wurde.

4.3

Während der Vorschlag eine Genehmigungsbehörde für jeden Mitgliedstaat vorsieht, gibt es für die technischen Dienste, die, wie bereits angesprochen, in dem geplanten Zertifizierungssystem eine Schlüsselrolle spielen, eine solche Anforderung nicht. Dies unterstützt noch einmal die Auffassung, dass die Anforderung von einer Genehmigungsbehörde in jedem Mitgliedstaat in Anbetracht der Tatsache, dass die Typgenehmigung und Übereinstimmungsbescheinigungen auf Grundlage dieser Zulassung in der gesamten EU Gültigkeit haben, rein symbolischer Natur ist. Das Verfahren zur Behandlung von Ausrüstungen, von denen eine Gefahr ausgeht, auf nationaler Ebene (Artikel 17 des Vorschlags) könnte von den für Sicherheitsfragen zuständigen nationalen Behörden übernommen werden.

4.4

Der Vorschlag sieht vor, dass die technischen Dienste sicherstellen sollen, dass die durchschnittliche Zeit zwischen dem Antrag auf Prüfung einer Ausrüstung und der Übermittlung der Prüfergebnisse an die Genehmigungsbehörde, außer in Ausnahmefällen oder auf förmlichen Antrag des Herstellers, höchstens sechs Monate beträgt. Der EWSA vertritt die Ansicht, dass eine auf diese Art festgelegte Frist weder wünschenswert noch realistisch ist. Eine bessere Möglichkeit wäre es, eine Verpflichtung für die technischen Dienste einzuführen, eine direkte Einschätzung zum Zeitrahmen abzugeben, der für die Prüfung notwendig ist, und den Antragsteller innerhalb einer festgelegten Zeitspanne, zum Beispiel binnen 15 Werktagen, zu informieren. Sollte die festgelegte Frist nicht eingehalten werden, muss der technische Dienst eine begründete Erklärung dazu abgeben.

Brüssel, den 25. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  COM(2012) 417 final, ABl. C 76 vom 14.3.2013, S. 37.

(2)  COM(2015) 185 final.

(3)  COM(2015) 624 final: Umsetzung der Europäischen Sicherheitsagenda: EU-Aktionsplan gegen den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen und Explosivstoffen und deren unerlaubte Verwendung und COM(2015) 625 final: Vorschlag für eine Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung.

(4)  ABl. C 177 vom 18.5.2016, S. 51.

(5)  COM(2016) 491 final.

(6)  ABl. L 97 vom 9.4.2008, S. 72.

(7)  ABl. C 185 vom 8.8.2006, S. 17.

(8)  Siehe auch die Mitteilung zu Auslegungsfragen bezüglich der Anwendung des Artikels 296 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) (derzeit Artikel 346 AEUV) auf die Beschaffung von Verteidigungsgütern (KOM(2006) 779 endgültig) (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65).

(9)  COM(2012) 417 final.

(10)  COM(2015) 185 final.

(11)  COM(2015) 624 final: Umsetzung der Europäischen Sicherheitsagenda: EU-Aktionsplan gegen den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen und Explosivstoffen und deren unerlaubte Verwendung und COM(2015) 625 final: Vorschlag für eine Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung.

(12)  Siehe Fußnote 6.

(13)  Siehe Fußnote 1.

(14)  Siehe Fußnote 4.

(15)  Siehe Fußnote 6.

(16)  Mit Gründen versehene Stellungnahme des Unterhauses des Parlaments des Vereinigten Königreichs, 1. November 2016, Ratsdokument 14180/16, und der Nationalversammlung Frankreichs Nr. 4060 rect. Proposition de résolution européenne.

(17)  Mitteilung zu Auslegungsfragen bezüglich der Anwendung des Artikels 296 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Artikel 346 AEUV) auf die Beschaffung von Verteidigungsgütern, Seite 6, Fußnote 10. Die Richtlinie 2004/18/EG ist seitdem durch die Richtlinie 2014/24/EU ersetzt worden (KOM(2006) 779 endgültig).


21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/40


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Neuansiedlungsrahmen der Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 516/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates“

(COM(2016) 468 final - 2016/0225 COD)

(2017/C 125/05)

Berichterstatter:

Christian MOOS

Befassung

Rat der Europäischen Union, 7.9.2016

Europäisches Parlament, 12.9.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

10.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

25.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

177/8/9

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Der EWSA

1.1

spricht sich für eine echte gemeinsame Asylpolitik unter Beachtung der europäischen Werte aus. Er begrüßt die Schaffung eines Neuansiedlungsrahmens der Union;

1.2

ruft die Union zu mehr Verantwortungsübernahme gegenüber international Schutzbedürftigen, zu größeren Aufnahmeanstrengungen als bisher und zu mehr Solidarität mit Drittstaaten, aber auch mit EU-Mitgliedstaaten wie Griechenland in der Flüchtlingsfrage auf;

1.3

unterstreicht seine Forderung, robuste Integrationssysteme in den Mitgliedstaaten aufzubauen;

1.4

fordert, dass sich die gemeinsamen Kriterien für die Neuansiedlung hauptsächlich nach der Schutzbedürftigkeit der Betroffenen und nicht nur nach der wirksamen Zusammenarbeit des Drittstaates in Asylfragen richten sowie dass sie diskriminierungsfrei sind;

1.5

hält die Anwendung von Konzepten des „ersten Asylstaates“ und des „sicheren Drittstaates“ aufgrund der aktuell unsicheren und instabilen Lage in betroffenen Drittstaaten und Regionen für fragwürdig. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Erklärung EU-Türkei in der derzeitigen Situation von größter Bedeutung ist. Es liegt im Interesse sowohl der EU als auch der Türkei, dass die Umsetzung der Menschenrechte überwacht wird;

1.6

fordert, das Neuansiedlungsprogramm von Partnerschaftsabkommen zu entkoppeln, die darauf abzielen, Drittländer zur Fluchtverhinderung zu gewinnen, da dies die Gefahr birgt, dass internationales Recht missachtet und Grundrechte verletzt werden; betont, dass weder Maßnahmen im Rahmen von Partnerschaften mit Drittstaaten oder noch Entwicklungshilfe generell durch Rückführungs- oder andere ähnliche Kooperationsabkommen mit Drittstaaten bedingt sein dürfen;

1.7

fordert eine Schlüsselrolle für den UNHCR bei der Identifizierung von neu anzusiedelnden Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen und stellt Sonderrechte bei der Auswahl für Drittstaaten infrage;

1.8

begrüßt die Hervorhebung der Schutzbedürftigkeit von Frauen sowie Kindern und Jugendlichen, erachtet jedoch die Kategorie „sozioökonomisch benachteiligte Personen“ als kritisch. Durch die Vermischung von verschiedenen legalen Einreisewegen im Vorschlag der Kommission besteht generell die Gefahr, dass die Qualität und Quantität von Neuansiedlungen darunter leidet;

1.9

stellt angesichts der Genfer Konvention von 1951 (GFK) den pauschalen Ausschluss von Personen infrage, die sich in den fünf Jahren vor der Neuansiedlung irregulär im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufgehalten haben oder eingereist sind bzw. einen Einreiseversuch unternommen haben, sowie von Personen, die die Mitgliedstaaten fünf Jahre vor der Neuansiedlung abgelehnt haben, obwohl sonst die Zulassungskriterien auf die Personen zutreffen;

1.10

betont, dass das Recht auf Asyl nicht durch Neuansiedlungen angetastet werden darf. Generell muss sichergestellt sein, dass die Einhaltung der Grundrechte nach der GFK, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistet ist;

1.11

spricht sich bei der Festlegung der jährlichen Zahl der neu anzusiedelnden Personen für ambitionierte Ziele aus und empfiehlt, die vom Hochrangigen Ausschuss festzulegende Anzahl als Mindestzahl zu definieren;

1.12

erwartet seine Beteiligung am einzusetzenden Hochrangigen Ausschuss für Neuansiedlung;

1.13

empfiehlt auch eine ständige Beteiligung des UNHCR am Hochrangigen Ausschuss für Neuansiedlung. Generell besteht im Vorschlag der Kommission Unklarheit darüber, wie und mit welchen Verfahren internationale Schutzbedürftige identifiziert werden — durch den UNHCR oder die Mitgliedstaaten — sowie welche Rolle die EU-Agentur für Asyl in diesen Verfahren einnehmen wird;

1.14

spricht sich für die Prüfung komplementärer alternativer Aufnahme- und Finanzierungsprogramme nach dem Vorbild des kanadischen „Private Sponsorship Program“ (1) aus. Ein EU-Neuansiedlungsrahmen kann generell von der Institutionalisierung eines Drei-Parteien-Ansatzes, der Mitgliedstaaten, den UNHCR sowie private/zivilgesellschaftliche Akteure inkludiert, profitieren. Dies darf aber die Qualität und Quantität der Neuansiedlung nicht beeinträchtigen; fordert die Mitgliedstaaten auf sicherzustellen, dass die Zivilgesellschaft über Neuansiedlungspläne angemessen informiert wird und bei ihrer Beteiligung am Prozess Unterstützung erhält;

1.15

empfiehlt eine stärkere institutionelle Präsenz der EU und ihrer Mitgliedstaaten in besonders belasteten Herkunfts- und Transitländern und diese durch Aufbau von Kapazitäten für Aufnahme und Schutz vor Ort zu entlasten.

2.   Bewertung einzelner Bestimmungen des Vorschlags

2.1    Neuansiedlungsrahmen der Union

2.1.1

Der EWSA begrüßt die Neuansiedlung von international Schutzbedürftigen in der Union. Der EWSA unterstreicht wie in seiner Stellungnahme zur Europäischen Migrationsagenda (2) die Forderung, flankierend zur Neuansiedlung robuste Integrationssysteme in den Mitgliedstaaten aufzubauen, den Arbeitsmarktzugang, die Anerkennung von Qualifikationen und die Berufs- und Sprachausbildung zu ermöglichen.

2.1.2

Der EWSA unterstützt die Maßnahmen zur frühzeitigen, wirksamen und erfolgreichen Integration von neu angesiedelten Personen im Rahmen des am 7. Juni 2016 vorgelegten Aktionsplans für die Integration von Drittstaatsangehörigen  (3). Diese Maßnahmen stehen aber im Widerspruch zum subsidiären Schutzstatus, da die Mitgliedstaaten den Schutzstatus einer Person erneut überprüfen müssen und dabei die Flüchtlingseigenschaft dieser Person gegebenenfalls nicht anerkennen. Damit droht einer international schutzbedürftigen Person die Abschiebung bzw. Rückführung in den Drittstaat oder Herkunftsland.

2.2    Regionen oder Drittstaaten, aus denen eine Neuansiedlung vorgenommen werden soll

2.2.1

Der EWSA unterstützt die in den Artikeln 7 und 8 festgelegte Flexibilität bei der Bestimmung gemeinsamer Kriterien für die Auswahl von Regionen oder Drittstaaten, aus denen die Neuansiedlung erfolgen soll. Diese sollten aber nicht zu exklusiv sein und nicht von der Wirksamkeit der Zusammenarbeit des Drittstaats oder der Region im Bereich Migration und Asyl abhängen, sondern vielmehr von der Schutzbedürftigkeit der Personen. Der EWSA lehnt jegliche Diskriminierung aufgrund der Fluchtroute oder des Herkunftslandes wie auch aufgrund von Ethnie oder Religion (Artikel 3 der GFK) ab.

2.2.2

Bezüglich der Schaffung der Voraussetzungen für die Anwendung der Konzepte des „ersten Asylstaates“ und des „sicheren Drittstaates“ bei der Rückführung von Asylbewerbern führte der EWSA bereits in seiner Stellungnahme zur Erstellung einer gemeinsamen EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten (4) an, dass es für eine inklusive Liste noch zu früh ist und man sich auf eine Liste sicherer Herkunftsländer schließlich auf Basis gemeinsamer Kriterien wie in der Richtlinie 2013/32/EU einigen muss und für die Bewertung eines Landes spezifische, praxisbezogene und präzise Indikatoren insbesondere aus Quellen des UNHCR, des EASO, des Europarates, des EGMR und anderer Menschenrechtsorganisationen heranzuziehen sind. Der EWSA mahnt an, dass diese Konzepte keinesfalls für Länder gelten dürfen, in denen gegen Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen wird. Darüber hinaus kann ein Drittstaat nur dann als „sicher“ gelten, wenn sichergestellt ist, dass das Land dem Grundsatz der Nichtzurückweisung Folge leistet und generell die GFK, das New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 zur Rechtsstellung der Flüchtlinge und andere relevante Verträge vollständig anerkannt hat und umsetzt.

2.2.3

Aus Sicht des EWSA versucht die Union aber durch diese Partnerschaften die Flüchtlingsproblematik und ihre Verantwortung für Schutz suchende Personen auf Drittstaaten zu verlagern und diese durch materielle Anreize dazu zu bringen, Schutzsuchende an ihren Außengrenzen aufzuhalten. In diesem Sinne ist auch die durch neue Abkommen verstärkte Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die sich irregulär im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhalten, zu hinterfragen. Anstrengungen zur Senkung der Flüchtlingszahlen bergen die Gefahr, dass Drittländer unter Missachtung der Zurückweisungsverbote der Charta, der GFK und der EMRK an ihren Grenzen neu ankommende Schutzsuchende aufhalten, abweisen oder abschieben. Der EWSA fordert daher eine strikte Anwendung der Grundsätze des Völkerrechts und die Schaffung wirksamer Kontrollmechanismen.

2.3    Kriterien zur Bestimmung von Regionen oder Drittstaaten, aus denen die Neuansiedlung erfolgen soll (Artikel 4)

2.3.1

Der EWSA fordert eine Entkopplung des Neuansiedlungsprogramms von Partnerschaftsabkommen, daher ist der Teilsatz in Artikel 4 Buchstabe a („und jede Weiterreise dieser Personen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten“) zu streichen. Aus Sicht des EWSA stellen die Kriterien in Artikel 4 Buchstabe c und d (mit Ausnahme von iii) das Recht auf Asyl und den Schutz vor Zurückweisung nach den Artikeln 18 und 19 der Charta infrage und müssen daher ebenfalls gestrichen werden.

2.3.2

Der EWSA fordert im Einklang mit dem UNHCR, dass für Rückübernahmevorkehrungen sichergestellt sein muss, dass der Drittstaat oder die Region die GFK vollständig anerkannt hat und umsetzt, sodass der Zugang zu einem Verfahren, in dem ein Antrag auf Schutz nach der GFK geprüft wird, gewährleistet ist.

2.3.3

Der EWSA stellt mit Besorgnis fest, dass der Rückführungsmechanismus im Rahmen der Erklärung EU-Türkei die errichteten „Hot Spots“ zu Inhaftierungsanstalten umwandeln könnte. Dies wäre ein Verstoß gegen das Recht auf Freiheit und den Schutz vor willkürlicher Inhaftierung (Artikel 5 EMRK, Artikel 6 der Charta). Der EWSA ist daher bestürzt über die Festsetzungen und Rückführungen im Rahmen der Erklärung EU-Türkei und vertritt die Auffassung, dass der jetzige Rückführungsmechanismus dringend überarbeitet werden muss, um im Rahmen dieser Erklärung sowie im Rahmen neuer Partnerschaftsabkommen einen angemessenen Schutz zu gewährleisten.

2.3.4

Der EWSA befürwortet grundsätzlich eine Intensivierung diplomatischer Beziehungen sowie finanzielle und technische Maßnahmen im Rahmen von Partnerschaften mit Drittstaaten wie den Aufbau von Kapazitäten vor Ort für die Aufnahme und den Schutz von international schutzbedürftigen Personen, die der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik in den Drittstaaten und Regionen dienen. Diese müssen mit der GFK, EMRK und Charta vereinbar sein. Maßnahmen im Rahmen von Neuansiedlungen oder generell Entwicklungshilfe dürfen nicht durch Rückführungs- oder andere ähnliche Kooperationsabkommen mit Drittstaaten bedingt sein, da sie dem humanitären Zweck dieser Maßnahmen zuwiderlaufen.

2.4    Zulassungskriterien (Artikel 5)

2.4.1

Der EWSA begrüßt die besondere Hervorhebung der Schutzbedürftigkeit von Frauen und Mädchen sowie Kindern und Jugendlichen, einschließlich unbegleiteter Minderjähriger, und die Einbindung von Personen mit familiären Bindungen als Erweiterung der klassischen Neuansiedlungskategorien. Insbesondere die Sorge um die Familieneinheit der Personen befürwortet der EWSA, in der auch dem Fall von Geschwistern als „Familienangehörige“ Rechnung getragen wird. Diese dürfen aber nur dann greifen, wenn dies durch bestehende Maßnahmen der Familienzusammenführung wie der Richtlinie über die Familienzusammenführung von 2003 nicht möglich ist. Der EWSA unterstreicht die Wahrung der Grundsätze der Gleichheit und Nichtdiskriminierung, die auch unbeschadet der Buchstaben a, b, c und d gelten sollten.

2.4.2

Der EWSA erachtet jedoch die Erweiterung der Kategorien um „sozioökonomisch benachteiligte Personen“ als kritisch, wenn es sich dabei um Personen handelt, die entweder ein niedriges Einkommen, niedrigen beruflichen Status oder niedrige Schulbildung etc. haben. Diese Kategorie erfordert keinen Schutz im Sinne der GFK und könnte zur Diskriminierung von international Schutzbedürftigen führen. Hierfür müssen aber unbedingt andere legale Einreisewege und Maßnahmen geschaffen werden, die nach der Schutzbedürftigkeit sozioökonomisch benachteiligter Personen ausgerichtet sind.

2.4.3

Generell legt der EWSA nahe, die seit Langem bestehenden Zuerkennungskriterien des UNHCR zu übernehmen und dadurch seine zentrale Rolle bei der Identifizierung von international Schutzbedürftigen zu stärken.

2.5    Ausschlussgründe (Artikel 6)

2.5.1

Der EWSA lehnt den pauschalen Ausschluss von Personen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben d und f ab, da er im Widerspruch zum Grundrecht auf Asyl steht. Beide Buchstaben müssen gestrichen werden, um damit die Integrität und Glaubwürdigkeit der Institution Asyl zu wahren.

2.5.2

Es muss außerdem sichergestellt werden, dass Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben c nur gemäß dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit angewandt wird. Zudem ist bei den Zulassungs- wie auch Ausschlussgründen von vagen Begrifflichkeiten und Phrasen wie in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a.ii, „eine schwere Straftat begangen haben“, aufgrund unterschiedlicher Rechtsrahmen und -auslegung von Staaten abzusehen oder diese zu konkretisieren.

2.5.3

Beim fakultativen Ausschlussgrund (Artikel 6 Absatz 2), nach dem Mitgliedstaaten die Neuansiedlung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen verweigern können, wenn „auf ersten Anschein“ einer der Ausschlussgründe nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a oder b vorliegt, müssen eindeutige und nachvollziehbare Indizien vorliegen, andernfalls ist dieser zu streichen. Bei einem bloßen Verdacht verstößt der Mitgliedstaat gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung.

2.6    Neuansiedlungsplan und gezielte Neuansiedlungsregelungen (Artikel 7 und 8)

2.6.1

Der EWSA begrüßt es, wenn flexibel auf Fluktuationen bei den Migrationsströmen und Veränderungen internationaler Gegebenheiten reagiert werden kann. Er fordert aber im Einklang mit dem UNHCR und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen (5), dass die Anzahl der neu anzusiedelnden Personen anders als in Artikel 7 unbedingt als eine Mindestzahl definiert sowie als Grundlage des voraussichtlichen Neuansiedlungsbedarfs der jährliche Bericht des UNHCR (6) herangezogen wird. Der EWSA erachtet einen Umfang von mindestens 25 % des vom UNHCR ermittelten globalen Neuansiedlungsbedarfs für Europa als angemessen.

2.6.2

Der EWSA hat Bedenken hinsichtlich der Beteiligung der Mitgliedstaaten an der Umsetzung des jährlichen Neuansiedlungsplans. Zweifel begründen die bisherige Umsetzung der Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Juli 2015, aber auch die von der Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (7) und die Berichte der Kommission über die Fortschritte bei der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei (8).

2.6.3

In Artikel 8 ist deutlicher zwischen dem Neuansiedlungsrahmen des UNHCR und Neuansiedlungsmaßnahmen und anderer legaler Einreisewege der Union, ihrer Mitgliedstaaten oder anderer Akteure zu differenzieren. Der EWSA begrüßt generell einen im EU-Neuansiedlungsrahmen institutionalisierten Drei-Parteien-Ansatz, nach dem Neuansiedlungen durch den UNHCR, die Union und ihrer Mitgliedstaaten sowie durch private/zivilgesellschaftliche Akteure erfolgen.

2.7    Einwilligung (Artikel 9)

2.7.1

Während das Neuansiedlungsverfahren gemäß den Artikeln 10 und 11 auf der Einwilligung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen basieren muss, dürfen Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die die Neuansiedlung in einem bestimmten Mitgliedstaat z. B. aus familiären, sozialen oder kulturellen Gründen abgelehnt haben, nicht von der Neuansiedlung in einem anderen Mitgliedstaat ausgeschlossen werden.

2.8    Regel- und Eilverfahren (Artikel 10, 11)

2.8.1

Der EWSA weist dem UNHCR bei der Identifizierung von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen eine Schlüsselrolle zu. Eine Agentur der Union für Asyl, deren Zweck und Aufgabendossier zuvor noch konkret von der Kommission darzulegen sind, oder einschlägige internationale Gremien können den UNHCR unterstützen. Der EWSA stellt Sonderrechte wie im Falle der Erklärung EU-Türkei infrage, durch die der Drittstaat anstelle des UNHCR eine Auswahl der Ausreisenden trifft; die Einhaltung der Grundrechte nach der GFK, der Charta und der EMRK ist sonst nicht gewährleistet.

2.8.2

Laut dem Vorschlag sollte die Neuansiedlung der bevorzugte Weg für die Erlangung internationalen Schutzes im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sein und nicht zu einem zusätzlichen Asylverfahren führen. Solche Einschränkungen können das Recht auf Asyl eines Schutzbedürftigen antasten. Es muss die Möglichkeit gewährleistet sein, auch auf anderem Wege Asyl im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu beantragen; andernfalls könnte dies ein Verstoß gegen das Recht und die Pflicht der Schutz suchenden Person sein, Asyl im Erstaufnahmeland in der Union zu beantragen.

2.8.3

Der EWSA mahnt an, dass bei der Integration der neu angesiedelten Personen in einem Mitgliedstaat ein Konflikt mit dem subsidiären Schutzstatus im Rahmen des Eilverfahrens (Artikel 11) entsteht. Im Mitgliedstaat der Neuansiedlung muss nämlich die Flüchtlingseigenschaft einer Person erneut geprüft und kann daher unter Umständen abgelehnt werden. Von der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ist daher abzusehen, da das Eilverfahren aufgrund der Dringlichkeit beispielsweise medizinischer Versorgung erfolgt. In beiden Verfahren sind die Voraussetzungen für die vollständige Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu prüfen (9).

2.9    Hochrangiger Ausschuss (Artikel 13)

2.9.1

Der EWSA empfiehlt eine über die Konsultation hinausgehende Festlegung des jährlichen Neuansiedlungsplans der Kommission mit dem Hochrangigen Ausschuss und seine verbindliche Umsetzung. Den Vorsitz sollten sich Kommission und Parlament in enger Kooperation mit der Zivilgesellschaft teilen. Auch der EWSA als Stimme der Zivilgesellschaft sollte als Mitglied des Hochrangigen Ausschusses oder zumindest in Form einer ständigen Teilnahme mit Beobachter- oder Beraterstatus vertreten sein.

2.9.2

Der EWSA fordert, dass eine Asylagentur der Union, der UNHCR und der IOM ständige Mitglieder des Hochrangigen Ausschusses sind.

2.10    Ausübung übertragener Befugnisse

Der EWSA befürwortet mit Blick auf einen delegierten Rechtsakt der Kommission, der gemäß Artikel 10 Absatz 9 erlassen wurde, die Einrichtung eines Vetorechts und Widerrufs durch das Parlament und den Rat.

2.11    Assoziierung von Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz

Der EWSA unterstützt ausdrücklich die Teilhabe assoziierter Staaten an der Umsetzung der Neuansiedlungspläne und am Hochrangigen Ausschuss. Der EWSA empfiehlt, das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark zur Teilnahme einzuladen.

3.   Spezifische Empfehlungen

3.1    Beteiligung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der jährlichen Neuansiedlungspläne

3.1.1

Der EWSA ruft die Mitgliedstaaten der Union und die internationale Staatengemeinschaft an dieser Stelle erneut zu mehr Verantwortungsübernahme gegenüber internationalen Schutzbedürftigen, zu mehr Solidarität mit Drittstaaten und Regionen, in die oder innerhalb derer vertrieben wurde, sowie zu verstärkten Anstrengungen zur Neuansiedlung und der freiwilligen Aufnahme aus humanitären Gründen auf.

3.1.2

Der Ausschuss fordert von der Union und den Mitgliedstaaten, dass sie ihren bisherigen Verpflichtungen zur Um- und Neuansiedlung im Rahmen der Ratsbeschlüsse von Juli und September 2015 nachkommen, dabei die begrenzte Aufnahmekapazität eines Mitgliedstaates wie Griechenland stärker berücksichtigen und mehr Anstrengungen für die Schaffung eines solidarischen Neuansiedlungsrahmens der Union und eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zeigen. Der EWSA empfiehlt, angesichts der laut UNHCR-Angaben weltweit 65,3 Millionen international Schutzsuchenden mehr Engagement zu zeigen und jährlich bei Weitem mehr als 20 000 schutzbedürftige Personen neu anzusiedeln.

3.1.3

Der EWSA empfiehlt den Mitgliedstaaten, umgehend ihre institutionelle Präsenz in Herkunfts- und Transitländern auszuweiten, Botschaften und Konsulate oder zu errichtende Migrationszentren in die Lage zu versetzen, zügig die jeweilige Schutzbedürftigkeit auf Basis der Dossiers des UNHCR zuzuerkennen und die Neuansiedlung in die Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Damit wäre ein zusätzlicher Beitrag für den Aufbau der für die Neuansiedlungspläne der Union benötigten Infrastruktur geleistet.

3.2    Zusammenarbeit

3.2.1

Der EWSA empfiehlt, eine enge Partnerschaft mit dem UNHCR aufgrund seiner international anerkannten Expertise zu institutionalisieren. Flankierend können ähnliche Partnerschaften mit der IOM und anderen zertifizierten zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME) oder dem Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) eingegangen werden. Der EWSA ermutigt die Mitgliedstaaten, die Bürger und die zivilgesellschaftlichen Organisationen frühzeitig auf lokaler Ebene einzubeziehen, um die Unterstützung durch die Gemeinschaft vor Ort zu gewährleisten und damit die Chancen für eine erfolgreiche Integration der neu angesiedelten Flüchtlinge zu erhöhen.

3.2.2

Auch alternative Aufnahme- und Finanzierungsprogramme beispielsweise von Einzelpersonen, Nichtregierungsorganisationen, zivilgesellschaftlichen Organisationen (inklusive Sozialverbänden) oder anderen interessierten Gruppen sind in Betracht zu ziehen, um legale Einreisewege in die Union zu schaffen. Dies kann den europäischen Neunansiedlungsplan sinnvoll ergänzen, darf ihn jedoch keinesfalls ersetzen. Der EWSA hebt in diesem Zusammenhang lobend das kanadische „Private Sponsorship Program“ hervor. Zivilgesellschaft, Sozialpartner und lokale Gebietskörperschaften erfüllen wichtige und integrative Funktionen nach der Neuansiedlung einer Person, daher sollten sie so früh wie möglich in den Planungs- und Entscheidungsprozessen im Neuansiedlungsrahmen involviert sein.

3.2.3

Private Aufnahmeprogramme sollten von den Mitgliedstaaten regelmäßig evaluiert werden, um sicherzustellen, dass die Grundrechte der Charta, EMRK und GFK gewahrt und nicht anderweitige Interessen damit verfolgt werden. Die im Rahmen privater Aufnahmeprogramme neu anzusiedelnden Personen müssen die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Im Aufnahmeland erhalten sie den gleichen rechtlichen Status wie durch staatliche Programme eingereiste Flüchtlinge.

Brüssel, den 25. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  http://www.cic.gc.ca/english/resources/publications/ref-sponsor/.

(2)  ABl. C 71 vom 24.2.2016, S. 46.

(3)  COM(2016) 377 final.

(4)  ABl. C 71 vom 24.2.2016, S. 82.

(5)  „Joint Comments Paper“ von Caritas Europe, CCME, ECRE, ICMC Europe, IRC, EU-Büro des Roten Kreuzes, 14. November 2016.

(6)  Schätzung des weltweiten Neuansiedlungsbedarfs für 2016 durch den UNHCR.

(7)  IP/15/6228.

(8)  COM(2016) 349 final.

(9)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 144; SOC/547 zum Reformpaket II „Gemeinsames europäisches Asylsystem“, Brüssel, 14. Dezember 2016 und der Genfer Konvention von 1951 (siehe Seite … dieses Amtsblatts).


21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/46


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Neufassung)“

(COM(2016) 411 final — 2016/0190 (CNS))

(2017/C 125/06)

Berichterstatter:

Christian BÄUMLER

Befassung

Rat der Europäischen Union, 20.7.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

10.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

26.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

116/0/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die politischen Leitlinien der Juncker-Kommission betonen nach Auffassung des EWSA zu Recht, dass die justizielle Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten schrittweise verbessert werden und mit der Realität einer unionsweit zunehmenden Anzahl von mobilen Bürgerinnen und Bürgern Schritt halten muss, die heiraten und Kinder haben.

1.2

Der EWSA begrüßt, dass das Ziel des Kommissionsvorschlags die stärkere Berücksichtigung des Kindeswohls bei Entscheidungen über Rückführungen ist. Der EWSA unterstützt die Kinderrechte und betont, dass die Respektierung der Kinderrechte in allen politischen Feldern, die Kinder betreffen, von größter Bedeutung ist. Das Kindeswohl muss an erster Stelle stehen.

1.3

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission mehrere wesentliche Änderungen mit dem Ziel vorschlägt, das Verfahren der Rückgabe eines entführten Kindes effizienter zu gestalten. Dazu könnte nach Auffassung des EWSA auch die Annahme gemeinsamer Mindestnormen einschließlich eines einheitlichen Vollstreckungsverfahrens gehören.

1.4

Nach Auffassung des EWSA ist die in Artikel 55 genannte Zusammenarbeit zwischen zentralen Behörden in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen, von entscheidender Bedeutung, und er befürwortet die Neufassung dieser Bestimmungen.

1.5

Der EWSA begrüßt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die Zuständigkeit im Einklang mit der Struktur ihres jeweiligen Rechtssystems bei einer begrenzten Anzahl von Gerichten zu bündeln.

1.6

Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag die Fristen für den Erlass einer vollstreckbaren Rückgabeanordnung konkretisiert und das Rückgabeverfahren auf insgesamt 18 Wochen verkürzt wird.

1.7

Der EWSA hält die Beschränkung auf einen Rechtsbehelf im Rückgabeverfahren für vertretbar.

1.8

Der EWSA begrüßt, dass das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats eine Entscheidung für vorläufig vollstreckbar erklären kann, auch wenn diese Möglichkeit nach nationalem Recht nicht besteht.

1.9

Der EWSA ist der Auffassung, dass Mindeststandards für die Anhörung eines Kindes dazu beitragen könnten, die Akzeptanz der Entscheidung zu erhöhen.

1.10

Der EWSA befürwortet zudem die Abschaffung des Exequaturverfahrens. Nach Auffassung des EWSA sollten jedoch Schutzmechanismen aufrechterhalten werden.

1.11

Der EWSA befürwortet, dass es dem Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaates zudem möglich sein soll, dringende notwendige Schutzmaßnahmen anzuordnen, wenn das Kind möglicherweise dem schwerwiegenden Risiko einer Schädigung ausgesetzt wird.

1.12

Der EWSA begrüßt, dass der Entwurf die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder in einem Heim in einem anderen Mitgliedstaat in jedem Fall von der Zustimmung des Aufnahmestaats abhängig macht.

1.13

Der EWSA sieht Klarstellungsbedarf hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Brüssel-IIa-Verordnung. Selbst wenn von einem „nationalen“ Verständnis der Ehe ausgegangen wird, haben die Mitgliedstaaten Artikel 21 der EU-Grundrechtscharta zu beachten. Der EWSA schlägt vor, dass die Beachtung von Artikel 21 in einem der Erwägungsgründe der Verordnung zum Ausdruck kommt.

1.14

Der EWSA sieht Regelungsbedarf hinsichtlich der Fälle, bei denen ein Elternteil nicht aus der Europäischen Union stammt, und befürwortet den Abschluss von bilateralen Abkommen, vor allem mit Ländern, die dem Haager Kindesentführungsübereinkommen nicht beigetreten sind.

2.   Allgemeine Erwägungen

2.1

Am 30. Juni 2016 hat die Europäische Kommission Vorschläge für eine Reform der Brüssel-IIa-Verordnung vorgelegt, die der Eckpfeiler der justiziellen Zusammenarbeit in Familiensachen in der Europäischen Union ist. Sie enthält einheitliche Regeln für die gerichtliche Zuständigkeit im Falle der Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe sowie bei Streitigkeiten über die elterliche Verantwortung in grenzüberschreitenden Situationen. Sie erleichtert den freien Verkehr von Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen in der Union, indem sie Bestimmungen über deren Anerkennung und Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten festlegt. Die Verordnung gilt seit dem 1. März 2005 in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks.

2.2

Der kindschaftsrechtliche Teil der Verordnung legt innerhalb der Europäischen Union die internationale Zuständigkeit in Kindschaftssachen fest und regelt die Anerkennung und Vollstreckung von Kindschaftsentscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten. Auch enthält die Verordnung Regelungen zur Rückführung von Kindern, die widerrechtlich in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wurden oder dort zurückgehalten werden. Insoweit stärkt die Verordnung den Rückführungsmechanismus nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen.

2.3

Die Verordnung, die bereits Gegenstand von 24 Entscheidungen des EuGH war, soll nun in mehreren Punkten reformiert werden. Der aktuelle Kommissionsvorschlag möchte die Verordnung noch effektiver machen: Er beschränkt sich auf den kindschaftsrechtlichen Teil der Verordnung und lässt die scheidungsverfahrensrechtlichen Vorschriften unberührt.

2.4

Die politischen Leitlinien der Juncker-Kommission betonen nach Auffassung des EWSA zu Recht, dass die justizielle Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten schrittweise verbessert werden und mit der Realität einer unionsweit zunehmenden Anzahl von mobilen Bürgerinnen und Bürgern Schritt halten muss, die heiraten und Kinder haben.

2.5

Der EWSA hat schon in früheren Stellungnahmen (1) betont, dass in den Verträgen und in der Grundrechtecharta der EU Zugang zu den Gerichten und Achtung der Grundrechte garantiert werden, insbesondere: Eigentumsrecht, Gleichheit vor dem Gesetz, Diskriminierungsverbot, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen und das Recht auf ein unparteiisches Gericht.

2.6

Die Kommission hat die Verordnung auf ihre Praxistauglichkeit überprüft und in ihrem im April 2014 angenommenen Anwendungsbericht (COM(2014) 225) (2) Änderungen an der Verordnung für nötig befunden. Diese Überprüfung fand im Rahmen des Programms zur Eignungsprüfung bestehender EU-Vorschriften (REFIT) statt.

2.7

Mit der Neufassung sollen der europäische Raum des Rechts und der Grundrechte auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens weiterentwickelt, die noch verbleibenden Hindernisse für den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beseitigt und das Kindeswohl besser geschützt werden, indem die Verfahren vereinfacht und effizienter gemacht werden.

2.8

Der EWSA begrüßt, dass das Ziel des Kommissionsvorschlags die stärkere Berücksichtigung des Kindeswohls bei Entscheidungen über Rückführungen ist. Mit der zunehmenden Migration sind vermehrt Wege und Strukturen der Zusammenarbeit nötig, um den Schutz von Kindern über Landesgrenzen hinaus zu ermöglichen.

2.9

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission mehrere wesentliche Änderungen mit dem Ziel vorschlägt, das Verfahren der Rückgabe eines entführten Kindes effizienter zu gestalten. In Fällen elterlicher Kindesentführung ist rechtzeitiges Handeln von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des in der Verordnung geregelten Verfahrens der Rückgabe des Kindes.

2.10

Nach Auffassung des EWSA ist die in Artikel 55 genannte Zusammenarbeit zwischen zentralen Behörden in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen, von entscheidender Bedeutung, um Eltern und Kinder, die an Kinder betreffenden grenzüberschreitenden Verfahren beteiligt sind, wirksam zu unterstützen.

2.11

Nach Auffassung des EWSA ist ein entscheidendes Problem die ungenaue Formulierung des Artikels über die von zentralen Behörden zu leistende Unterstützung in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen. Der Artikel ist für die nationalen Behörden einiger Mitgliedstaaten keine hinreichende Rechtsgrundlage zum Handeln.

2.12

Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag präzisiert, wer von wem unter welchen Bedingungen welche Unterstützung oder Information anfordern kann. Zudem wird klargestellt, dass auch Gerichte und Kinderschutzbehörden die zentralen Behörden um Unterstützung ersuchen können. Die Neufassung schafft eine Rechtsgrundlage für Kinderschutzbehörden, um über die zentralen Behörden die erforderlichen Informationen aus anderen Mitgliedstaaten zu erhalten.

2.13

Der EWSA begrüßt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die Zuständigkeit im Einklang mit der Struktur ihres jeweiligen Rechtssystems bei einer begrenzten Anzahl von Gerichten zu bündeln. Verzögerungen bei der Bearbeitung von Fällen treten auf, weil in verschiedenen Mitgliedstaaten die Gerichte, die mit Rückgabeanträgen befasst waren, hierauf nicht spezialisiert sind. Infolgedessen sind die Richter weniger mit den einschlägigen Verfahren und Bestimmungen vertraut und haben seltener Gelegenheit, regelmäßig mit anderen Gerichten in der EU auf eine Weise zusammenzuarbeiten, die dem Aufbau gegenseitigen Vertrauens zuträglich wäre.

2.14

Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag die Fristen für den Erlass einer vollstreckbaren Rückgabeanordnung konkretisiert und das Rückgabeverfahren auf insgesamt 18 Wochen verkürzt wird.

2.15

Die zentralen Behörden sind im Rahmen des Vorschlags verpflichtet, innerhalb einer sechswöchigen Frist den Antrag entgegenzunehmen und zu bearbeiten, den Antragsgegner und das Kind ausfindig zu machen, eine Mediation zu fördern und dabei sicherzustellen, dass das Verfahren hierdurch nicht verzögert wird. Derzeit bestehen keine Fristen für die zentralen Behörden.

2.16

Eine gesonderte sechswöchige Frist ist für Verfahren vor dem Gericht erster Instanz sowie dem Berufungsgericht vorgesehen. Dies führt nach Auffassung des EWSA zu einer realistischeren Frist für die Gerichte im Hinblick auf den Schutz des Rechts des Antragsgegners auf ein faires Verfahren. Der EWSA weist darauf hin, dass die Beachtung dieser Fristen im jeweiligen Justizsystem gewährleistet werden muss.

2.17

Der EWSA hält die Beschränkung auf einen Rechtsbehelf im Rückgabeverfahren für vertretbar. Die meisten Verfassungen der Mitgliedsländer garantieren nur einen Rechtsbehelf gegen hoheitliche Entscheidungen.

2.18

Der EWSA begrüßt, dass das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats eine Entscheidung für vorläufig vollstreckbar erklären kann, auch wenn diese Möglichkeit nach nationalem Recht nicht besteht. Dies ist zweckdienlich in Systemen, in denen die Entscheidung nicht vollstreckbar ist, solange sie noch Gegenstand eines Rechtsbehelfs ist. Somit könnte ein Elternteil auf der Grundlage einer für vorläufig vollstreckbar erklärten Entscheidung sein Umgangsrecht wahrnehmen, während auf Antrag des anderen Elternteils das Rechtsbehelfsverfahren in Bezug auf diese Entscheidung läuft.

2.19

Der EWSA befürwortet, dass Richter ausdrücklich aufgefordert werden, zu prüfen, ob eine Rückgabeanordnung vorläufig vollstreckbar sein sollte. Verzögerungen nach einer Rückgabeentscheidung wirken sich negativ auf Eltern-Kind-Beziehungen und das Wohl des Kindes aus. Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag eine Reihe von Präzisierungen für eine bessere Anwendung der geltenden Vorschriften enthält. So ist der Mitgliedstaat, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, verpflichtet, das Kindeswohl sorgfältig zu prüfen, bevor eine endgültige Sorgerechtsentscheidung ergeht, die möglicherweise die Rückgabe des Kindes impliziert. In diesem Zusammenhang hat jedes Kind, das fähig ist, sich seine eigene Meinung zu bilden, im Zuge dieser Prüfung das Recht, gehört zu werden, selbst wenn es physisch nicht anwesend ist, wobei angemessene alternative Mittel wie Videokonferenzen einzusetzen sind.

2.20

Mindeststandards für die Anhörung eines Kindes könnten nach Auffassung des EWSA zudem dazu beitragen, die Verweigerung der Anerkennung und der Vollstreckung oder der Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung aus einem anderen EU-Staat zu vermeiden und somit die Akzeptanz (der Entscheidung) durch die EU-Bürger erhöhen. Beispielhaft zu nennen sind das Mindestalter des Kindes für eine Anhörung, nicht aber darüber hinausgehende Verfahrensfragen — etwa wer das Kind befragt. Dies sollte (und müsste) weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Der EWSA empfiehlt für Richter, die Kinder anhören, eine sozialpädagogische Zusatzausbildung.

2.21

Der EWSA befürwortet zudem die Abschaffung des Exequaturverfahrens für alle in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen (ebenso für die öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen) über die elterliche Verantwortung. Im Hinblick auf die Vollstreckung, die an sich Sache der Mitgliedstaaten ist, gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass die Anwendung von nationalen Vollstreckungsvorschriften die praktische Wirksamkeit der Verordnung nicht beeinträchtigen darf.

2.22

Darüber hinaus führte das Erfordernis des Exequaturverfahrens zu durchschnittlichen Verzögerungen von mehreren Monaten je Fall und Kosten von bis zu 4 000 EUR für die Bürgerinnen und Bürger (3).

2.23

Nach Auffassung des EWSA sollten jedoch bestimmte Schutzmechanismen aufrechterhalten werden. Dazu zählen jedenfalls die ordnungsgemäße Zustellung von Schriftstücken, das Recht der Parteien und des Kindes auf Anhörung, insbesondere mit Blick auf sich widersprechende Entscheidungen, sowie die Einhaltung bestimmter verfahrensrechtlicher Bestimmungen zur Unterbringung des Kindes in einem anderen EU-Staat, angelehnt an den geltenden Artikel 56 der Brüssel-IIa-Verordnung.

2.24

Der EWSA befürwortet, dass es dem Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats zudem möglich sein soll, dringende notwendige Schutzmaßnahmen anzuordnen, wenn das Kind möglicherweise dem schwerwiegenden Risiko einer Schädigung ausgesetzt oder anderweitig in eine unzumutbare Situation versetzt wird. So kann beispielsweise das Gericht, vor dem ein Rückgabeverfahren anhängig ist, einem Elternteil das Umgangsrecht zusprechen, und diese Entscheidung ist dann auch in dem Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vollstreckbar, bis das Gericht dieses Landes eine abschließende Entscheidung über den Umgang trifft.

2.25

Der EWSA begrüßt, dass der Kommissionsvorschlag die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder in einem Heim in einem anderen Mitgliedstaat in jedem Fall von der Zustimmung des Aufnahmelandes abhängig macht. Das Zustimmungserfordernis gewährleistet, dass das Kind im Aufnahmeland zielgerichtet betreut wird. Der EWSA empfiehlt darüber hinaus, dass die Unterbringung innerhalb der Familie des Kindes Vorrang haben soll. Ist dies nicht möglich oder nicht zum Wohle des Kindes, sollte das Kind in einer Pflegefamilie oder einer bürgernahen Einrichtung untergebracht werden.

2.26

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass es nach dem Anwendungsbericht bisweilen mehrere Monate dauert, bis feststeht, ob in einem bestimmten Fall eine Zustimmung erforderlich ist. Ist eine Zustimmung erforderlich, muss das Konsultationsverfahren folgen, das ebenso langwierig ist, da es für ersuchte Behörden keine Antwortfrist gibt. In der Folge ordnen viele ersuchende Behörden die Unterbringung an und schicken das Kind in das Aufnahmeland, während das Konsultationsverfahren noch andauert oder noch bevor es eingeleitet wird, weil sie die Unterbringung als dringend erachten und sich der Länge der Verfahren bewusst sind. Dies führt für das Kind zu einer unsicheren Rechtslage.

2.27

Der EWSA befürwortet, dass der Entwurf die Einführung einer Frist von acht Wochen vorsieht, innerhalb derer der ersuchte Mitgliedstaat über den Antrag zu entscheiden hat. Die Beschleunigung des Verfahrens dient dem Wohl des Kindes.

2.28

Der EWSA akzeptiert, dass nach der Haager Konvention das Gericht des Landes entscheidet, in dem sich das Kind befindet. Der EWSA gibt zu bedenken, dass der Gerichtsort bei einer Kindesentführung in den meisten Fällen der des Entführers sein wird. Der EWSA weist darauf hin, dass die Brüssel-IIa-Verordnung schon jetzt gebührenfreie Beratungseinrichtungen für Eltern vorsieht, die aus einem anderen Land kommen als das des gegenwärtigen Aufenthaltsorts des Kindes.

2.29

Der EWSA befürwortet insgesamt zur Beschleunigung des Rückgabeverfahrens die Annahme gemeinsamer Mindestnormen einschließlich eines einheitlichen Vollstreckungsverfahrens.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

Der EWSA sieht Regelungsbedarf hinsichtlich der Fälle, bei denen ein Elternteil nicht aus der Europäischen Union stammt; Migration und globaler Austausch von Waren und Dienstleistungen führen zu einem Ansteigen dieser Fälle. Der EWSA hält den Abschluss von bilateralen Abkommen insbesondere mit den Ländern für notwendig, die dem Haager Kindesentführungsabkommen nicht beigetreten sind.

3.2

Der EWSA sieht Klarstellungsbedarf hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Brüssel-IIa-Verordnung. Dem Entwurf der Kommission ist nichts zu der Frage zu entnehmen, ob neue Formen der Ehe oder der Scheidung von der Verordnung erfasst sind. Was unter Ehe zu verstehen ist, wird nicht definiert, sondern vorausgesetzt. Selbst wenn von einem „nationalen“ Verständnis der Ehe ausgegangen wird, haben die Mitgliedstaaten Artikel 21 der EU-Grundrechtecharta zu beachten, der Diskriminierungen wegen der sexuellen Ausrichtung verbietet. Der EWSA schlägt vor, dass die Beachtung von Artikel 21 in einem der Erwägungsgründe der Verordnung zum Ausdruck kommt.

Brüssel, den 26. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 87.

(2)  COM(2014) 225 final.

(3)  COM(2016) 411/2, S. 8.


21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/51


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Konnektivität für einen wettbewerbsfähigen digitalen Binnenmarkt — Hin zu einer europäischen Gigabit-Gesellschaft“

(COM(2016) 587 final)

(2017/C 125/07)

Alleinberichterstatter:

Ulrich SAMM

Befassung

Europäische Kommission, 24.11.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

11.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

26.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

163/2/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA hebt hervor, dass die digitale Technologie in unserer Wirtschaft und Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle spielt. Voraussetzung für die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit, die Gründung neuer Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind umfangreiche Investitionen in die digitale Infrastruktur, insbesondere angesichts der Investitionstätigkeit der USA und Asiens als Hauptkonkurrenten Europas.

1.2

Der EWSA begrüßt die Mitteilung und die in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen Initiativen zum Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation, zum Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK), zum Aktionsplan für die 5G-Anbindung und zur Unterstützung von Behörden, die kostenlose WLAN-Internetzugänge (WiFi4EU) anbieten wollen.

1.3

Die Fragmentierung der europäischen Provider-Landschaft macht EU-Leitlinien erforderlich, um eine europaweit einheitliche Modernisierung im Hinblick auf die Schaffung des digitalen Binnenmarkts sicherzustellen.

1.4

Der EWSA hält die strategischen Zielsetzungen bis 2025 für ehrgeizig und dennoch realistisch, wobei EU-Mittel in den Anschub und die Koordinierung der Projekte fließen, während für die Umsetzung weitgehend auf nationale (private und öffentliche) Mittel gesetzt wird. Diesbezüglich befürwortet der EWSA die Einrichtung des EU-Netzes der Breitband-Kompetenzbüros („Broadband Competence Offices“, BCO) auf regionaler bzw. nationaler Ebene, die den Behörden vor Ort bei der Bewerbung um Strukturfonds-Fördermittel und der Ausschöpfung dieser Mittel helfen.

1.5

Der EWSA begrüßt die Einführung eines Gutscheinsystems, um die Verwaltungskosten und den Verwaltungsaufwand für vor allem kleine Kommunen und KMU zu senken.

1.6

Der EWSA heißt gut, dass über die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) umfangreiche Mittel für Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetze bereitgestellt werden. Auch der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) spielt eine wichtige Rolle. Der EWSA schlägt vor, diese Rolle auszubauen, indem europäische Großprojekte für Hochgeschwindigkeitsbreitbandausbau, bspw. entlang der Strecken des TEN-V-Kernnetzes, unterstützt und ein geeigneter finanzieller und rechtlicher Rahmen festgelegt werden.

1.7

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile der Gigabit-Anbindung können nur dann umfassend zum Tragen kommen, wenn Europa in den städtischen und ländlichen Gebieten und gesellschaftsweit Netze mit hoher Kapazität bereitstellen kann. Dazu sind öffentliche Investitionen erforderlich, da der Markt allein nicht für die Anbindung aller abgelegenen Gebiete sorgen und ein Mindestmaß an digitalem Zugang für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft sicherstellen wird.

1.8

Der EWSA nimmt die dynamische Entwicklung in den Mitgliedsstaaten im Zusammenhang mit den 2010 in der Digitalen Agenda für Europa festgelegten Breitbandzielen zur Kenntnis, die als Referenz für politische Maßnahmen sowie nationale oder regionale Breitbandpläne dienen.

1.9

Der EWSA begrüßt die Initiative WiFi4EU, die zum Ziel hat, allen Europäern an öffentlichen Orten, in öffentlichen Verwaltungsgebäuden, Bibliotheken und Krankenhäusern sowie in Freianlagen freies WLAN zu bieten. Über diese Initiative sollte allen Nutzern die Möglichkeit eingeräumt werden, sich mit einer europaweit einheitlichen WLAN-Kennung frei in das Internet einzuwählen. Der EWSA empfiehlt insbesondere die Umsetzung der eIDAS-Verordnung (1) zur elektronischen Identifizierung, die Gewähr für den Schutz der Daten und der öffentlichen Sicherheit vor einer missbräuchlichen Nutzung der Dienste (bspw. Terrorismus) bietet.

2.   Einleitung

2.1

Eine Internetanbindung mit sehr hoher Kapazität ist eine wesentliche Infrastrukturvoraussetzung für den Datentransport und in etwa der Bedeutung von Straßen, Schienen, Häfen und Flughäfen für die Beförderung von Waren und Menschen vergleichbar. Da der Datentransport in unserer Wirtschaft und Gesellschaft immer wichtiger wird, sind Investitionen in diese Infrastruktur wesentlich, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und die Schaffung neuer Unternehmen und neuer Arbeitsplätze zu ermöglichen.

2.2

Die Internetanbindung ist für den digitalen Binnenmarkt wichtig. Durch die Strategie der Europäischen Kommission für den Digitalen Binnenmarkt vom Mai 2015 wurden die richtigen Rahmenbedingungen für den Ausbau moderner, digitaler Netze geschaffen. Der EWSA hat sich mit der Bedeutung dieser Thematik in verschiedenen Stellungnahmen befasst (2), (3).

2.3

Der Anspruch, dass die Dienstgüte von Internet-Konnektivität bis 2025 erhöht wird, ist umfassend dokumentiert (u. a. in der von der Europäischen Kommission durchgeführten Konsultation der Öffentlichkeit).

2.4

Die mittlerweile für nahezu alle Europäer verfügbaren grundlegenden Breitbanddienste reichen nicht mehr aus. In den nächsten zehn Jahren werden Breitbandnetze mit sehr hoher (Gigabit-)Kapazität für eine Vielzahl von Anwendungen benötigt, darunter das (zumeist drahtlose) Internet der Dinge, Cloud Computing, Hochleistungsrechnen und Massendatenverarbeitung, TV der nächsten Generation oder virtuelle und erweiterte Realität.

2.5

Für die Qualität der Datenübertragung sind neben Geschwindigkeit auch Latenz und Zuverlässigkeit maßgeblich. Erheblich geringere Latenzzeiten, als sie derzeit noch möglich sind, und eine hohe Zuverlässigkeit werden neue Anwendungen ermöglichen, die eine rasche Rückkopplungssteuerung erfordern, wie vernetztes und automatisiertes Fahren, Telechirurgie, taktiles Internet und Präzisions-Navigation.

2.6

In der Mitteilung COM(2016) 587 und der begleitenden Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD(2016) 300 wird eine Vision einer europäischen Gigabit-Gesellschaft mit drei strategischen Zielen bis 2025 entworfen:

Gigabit-Anbindung als Treiber der sozioökonomischen Entwicklung,

eine flächendeckende (drahtlose) 5G-Netzanbindung für alle Stadtgebiete und alle wichtigen Landverkehrsstrecken,

eine Internetanbindung mit mindestens 100 Mbit/s für alle europäischen Privathaushalte.

Diese drei Ziele sind entscheidend für Wachstum und Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und Zusammenhalt in Europa.

3.   Die Notwendigkeit einer Koordination auf EU-Ebene

3.1

Europa muss mit der laufenden Modernisierung der digitalen Infrastruktur seiner wichtigsten Konkurrenten in den USA und in Asien mithalten. Europa hat den Vorteil niedrigerer Verbraucherpreise für Internetdienste aufgrund eines größeren Wettbewerbs im Binnenmarkt, gleichzeitig aber den Nachteil einer erheblich stärker fragmentierten Provider-Landschaft. Deshalb besteht ein klarer Bedarf für EU-Leitlinien, um eine europaweit einheitliche Modernisierung im Hinblick auf die Schaffung des digitalen Binnenmarkts sicherzustellen.

3.2

In diesem Zusammenhang begrüßt der EWS die Mitteilung und die damit zusammenhängenden EU-Initiativen, zu denen er sich in separaten Stellungnahmen geäußert hat (4), (5), (6), (7):

das neue Regelwerk für Anbieter von Internetzugangsdiensten und Kommunikationsdienstleistungen — der Europäische Kodex für elektronische Kommunikation,

die Verordnung über das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK),

den 5G-Aktionsplan.

Es ist ein Plan zur Unterstützung von Behörden vorgesehen, die kostenlose WLAN-Internetzugänge anbieten wollen.

3.3

Der EWSA ist sich darüber im Klaren, dass die 2010 in der Digitalen Agenda für Europa festgelegten Breitbandziele von den Mitgliedsstaaten übernommen worden sind und als Maßstab für die einzelstaatlichen Maßnahmen angelegt werden. Viele Mitgliedsstaaten haben ihre nationalen oder regionalen Breitbandpläne an diese Ziele angeglichen.

3.4

Der EWSA begrüßt ferner, dass diese Ziele zur Referenz für die Regeln und Leitlinien der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds und für die Fazilität „Connecting Europe“ CEF, Breitband sowie für staatliche Beihilfen zum Ausbau der Breitbandnetze geworden sind.

3.5

Mit den strategischen Zielsetzungen bis 2025 wird in der Mitteilung ein Zeitplan für die Entwicklung der europäischen Hochleistungsbreitbandinfrastruktur aufgestellt. Sie gründen auf der Annahme verstärkter Investitionen in ehrgeizige, aber durchaus realistische Ambitionen:

Gigabit-Anbindung für alle wichtigen sozioökonomischen Akteure,

durchgängige 5G-Konnektivität für alle Stadtgebiete und alle wichtigen Landverkehrsverbindungen,

5G-Anbindung bis 2020 als vollwertige gewerbliche Dienstleistung in mindestens einer Großstadt in jedem Mitgliedstaat,

für alle europäischen Privathaushalte unabhängig davon, ob sie sich auf dem Land oder in der Stadt befinden, Zugang zu einer Internetanbindung mit mindestens 100 Mbit/s Downlink-Kapazität, die auf Gigabit-Geschwindigkeit aufgerüstet werden kann,

die Mitgliedstaaten sollten ihre in Form von Zuschüssen und Finanzinstrumenten zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel so effizient kombinieren, dass die langfristigen Ziele erreicht werden,

bis Ende 2016 Auflage eines Breitband-Fonds, gestützt auf CEF und EFSI,

Abschätzung, welche Höhe von Haushaltsmitteln angemessen ist, um den Ausbau der Breitbandnetze in unterversorgten Gebieten im Rahmen der CEF-Finanzplanung nach 2020 effizient zu finanzieren,

spezielle Bereitstellung von Strukturfonds, wobei möglicherweise ein Teil für den digitalen Wandel vorgesehen wird,

Einrichtung eines Gutscheinsystems für den öffentlichen Wi-Fi-Zugang einrichten, damit Behörden in den Stadtzentren freie Wi-Fi-Internetzugänge anbieten können,

Aufforderung der Mitgliedstaaten, bis Ende 2017 ihre nationalen Pläne für den Ausbau der Breitbandnetze zu überprüfen und zu überarbeiten,

Errichtung einer partizipativen Breitbandplattform bis Ende 2016, mit der gewährleistet werden soll, dass einschlägige öffentliche und private Einrichtungen zusammenarbeiten und sich in hohem Maß für Investitionen in den Ausbau der Breitbandnetze sowie für Fortschritte bei der Umsetzung der nationalen Breitbandpläne engagieren,

Errichtung und Unterstützung des EU-Netzes von Breitband-Kompetenzbüros auf regionaler bzw. nationaler Ebene.

Bis zum 1. Juli 2018 sollen die Auswirkungen auf die Kosten EU-geförderter Breitbandprojekte bewertet und ein Leitfaden zur Bekanntmachung bewährter Verfahren erstellt werden.

3.6

Der wirtschaftliche und soziale Nutzen dieses digitalen Wandels lässt sich nur dann voll ausschöpfen, wenn Europa es schafft, dass sowohl im ländlichen Raum als auch in Stadtgebieten flächendeckend Netze mit sehr hoher Kapazität aufgebaut und von allen Teilen der Gesellschaft auch genutzt werden. Der Markt wird jedoch nicht alle Probleme lösen, insbesondere nicht

die Versorgung abgelegener Gebiete und/oder

die Überbrückung der Kluft zwischen der Umsetzung fortschrittlicher Technologien und den ersten Anwendungen für neue Dienste und ihrer Akzeptanz bei den Kunden,

Sicherstellung eines Mindestmaßes an digitalem Zugang für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft.

Deshalb müssen öffentliche Förderprogramme durchgeführt werden, um die Ziele EU-weit für alle Europäer zu erreichen.

4.   Neue Initiativen für Europa

4.1

Der EWSA begrüßt die Errichtung und Unterstützung des EU-Netzes von Breitband-Kompetenzbüros auf regionaler bzw. nationaler Ebene. Dies wird für ländliche Gebiete und kleine Gemeinden besonders wichtig sein. Über die Bereitstellung von bewährten Verfahrensweisen und Beratungsangeboten wird den Behörden vor Ort bei der Bewerbung um Strukturfonds-Fördermittel und der Ausschöpfung dieser Mittel geholfen. Auch für die Entwicklung der ländlichen Gebiete wird dies ein großer Fortschritt sein.

4.2

Die EU-Strategien und -Instrumente sind technologieneutral angelegt. Indes ist hinlänglich bekannt, dass letztlich nur Glasfaser optimale Leistungswerte bieten kann. Die alten Monopole (wie Deutsche Telekom) sollten nicht den Glasfaserausbau behindern, während sie weiter in Kupferkabel-Infrastruktur investieren.

4.3

Nur wenige Länder, darunter Malta, Litauen, Belgien und die Niederlande, verfügen nahezu flächendeckend über NGA-Netze (NGA: Next Generation Access). Anderswo ist die NGA-Versorgung weniger weit fortgeschritten. Einige Mitgliedsstaaten mit weniger gut ausgebauter Infrastruktur konnten sogar technologische Entwicklungsschritte überspringen, da ihnen der Glasfaserausbau Vorteile verschafft.

4.4

„eduroam“, ein in der EU für Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen entwickeltes Roaming-System, ist der größte und erfolgreichste Verbund für eine weltweit kostenlose WLAN-Nutzung. Millionen Studenten und Wissenschaftler können kostenlos WLAN-Infrastrukturen nutzen. Nach Meinung des EWSA könnte diese Erfolgsgeschichte Vorbild für die Initiative WiFi4EU sein, die zum Ziel hat, allen Europäern an öffentlichen Orten, in öffentlichen Verwaltungsgebäuden, Bibliotheken und Krankenhäusern sowie in öffentlich zugänglichen Freianlagen freies WLAN zu bieten. Über diese Initiative sollte allen Nutzern die Möglichkeit eingeräumt werden, sich mit einer europaweit einheitlichen WLAN-Kennung frei in das Internet einzuwählen. Der EWSA empfiehlt insbesondere die Umsetzung der eIDAS-Verordnung zur elektronischen Identifizierung, die Gewähr für den Schutz der Daten und der öffentlichen Sicherheit vor einer missbräuchlichen Nutzung der Dienste (bspw. Terrorismus) bietet.

4.5

Die Gutscheine dienen zur Unterstützung von KMU und werden von lokalen Behörden zur Bezahlung von Ausrüstungen (Kabel, Antennen usw.) genutzt. Die Unternehmen, die die Anlagen errichten, reichen die Gutscheine bei der EU ein, um ihre Bezahlung zu erhalten. Dadurch werden nicht nur Verwaltungskosten und -aufwand verringert, sondern auch eine einfache Überwachung ermöglicht und Qualitätsziele gefördert.

4.6

Der EWSA begrüßt das Ziel symmetrischer Upload- und Download-Geschwindigkeiten für alle sozioökonomischen Akteure als wesentliche Voraussetzung für viele künftige Anwendungen.

4.7

Der EWSA plädiert für ein Konzept, mit dem sichergestellt wird, dass die schutzbedürftigen Endnutzer Zugang zu einer angemessenen und ausreichenden Internetanbindung haben und am wirtschaftlichen und sozialen Leben der modernen Gesellschaft teilhaben können. WiFi4EU könnte ein Baustein davon sein.

4.8

Rechtliche Anreize für Netzbetreiber im Hinblick auf die Unterstützung der in der Kommissionsmitteilung (COM(2016) 587) genannten Ziele sollten nicht andere wichtige Ziele wie bspw. die Netzneutralität untergraben.

4.9

Langfristig sollten auch die Einwohner ländlicher Gebiete in die Lage versetzt werden, in einem gesunden Wettbewerbsklima ihren Internet-Zugangsanbieter frei wählen zu können. Regulatorische Maßnahmen sollten daher auch einen entsprechenden Wettbewerb fördern.

4.10

Die 5G-Technologie wird nicht nur neue mobile Anwendungen ermöglichen, sondern auch als Brückentechnologie die Anbindung der ländlichen Gebiete an das Hochgeschwindigkeitsinternet beschleunigen. Die für viele neue Anwendungen erforderliche Stabilität und zuverlässige Bandbreite kann letztlich jedoch nur durch eine Glasfaserinfrastruktur gewährleistet werden.

5.   Finanzierung

5.1

Der EWSA stellt zufrieden fest, dass die im Rahmen der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) für den Ausbau der Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetze bereitgestellten Fördermittel erheblich von 2,7 Mrd. EUR im Zeitraum 2007-2013 auf ca. 6 Mrd. EUR im Zeitraum 2014-2020 aufgestockt wurden. Diese Investitionen dürften größtenteils in Form von Zuschüssen erfolgen. Aufgrund der Hebelwirkungen in Form nationaler und/oder regionaler sowie privater Kofinanzierungen steht zu erwarten, dass im Programmplanungszeitraum 2014-2020 9 bis 10 Mrd. EUR in den Breitbandausbau investiert werden. Dies wird von grundlegender Bedeutung für gewerbliche Investitionen in Hochgeschwindigkeits-Internetverbindungen für die Einwohner der ländlichen Gebiete sein.

5.2

Auch der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) spielt eine wichtige Rolle. Diese Rolle könnte ausgebaut werden, indem europäische Großprojekte für Hochgeschwindigkeitsbreitbandausbau, bspw. entlang der Strecken des TEN-V-Kernnetzes sowie für das Giganetz und Industrie 4.0, unterstützt werden und GD CONNECT im EFSI-Lenkungsausschuss vertreten ist. Die Europäische Kommission sollte ferner proaktiv einen geeigneten rechtlichen und finanziellen Rahmen festlegen.

5.3

Die Fazilität „Connecting Europe“ (CEF) verfügt im Telekommunikationsbereich über eine Mittelausstattung von 150 Mio. EUR für den Ausbau modernster Breitband-Infrastruktur, die auf der Bereitstellung von Finanzierungsinstrumenten der Europäischen Investitionsbank (EIB) basiert. Der Breitbandnetzen gewidmete Teil der CEF soll über einen spezifischen Breitbandinfrastrukturfonds mindestens 1 Mrd. EUR zusätzliche Investitionen mobilisieren, die noch durch den EFSI ergänzt werden könnten.

Brüssel, den 26. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73).

(2)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 92.

(3)  TEN/601 — Online-Plattformen (siehe Seite … dieses Amtsblatts).

(4)  TEN/612 — Europäischer Kodex für elektronische Kommunikation (Neufassung) (siehe Seite … dieses Amtsblatts).

(5)  TEN/613 — Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) (siehe Seite … dieses Amtsblatts).

(6)  TEN/614 — Internetverbindungen in ländlichen Gebieten (siehe Seite … dieses Amtsblatts).

(7)  TEN/615 — 5G für Europa (siehe Seite … dieses Amtsblatts).


21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/56


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation

(Neufassung)“

(COM(2016) 590 final — 2016/0288 (COD))

(2017/C 125/08)

Alleinberichterstatter:

Jorge PEGADO LIZ

Befassung

Europäisches Parlament, 24.10.2016

Rat, 9.11.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 114 und 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

11.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

26.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

162/3/23

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den allgemeinen Tenor des Kommissionsvorschlags für den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation, den Zeitpunkt der Veröffentlichung sowie die Art und Weise, wie die Europäische Kommission das Thema behandelt und die Kodifizierung und horizontale Neufassung der vier bestehenden Richtlinien (Rahmen-, Genehmigungs-, Zugangs- und Universaldienstrichtlinie) vornimmt. Diese werden in einer einzigen Richtlinie gebündelt, wodurch die aktuelle Struktur vereinfacht wird, um im Einklang mit dem Ziel der regulatorischen Eignung (REFIT) ihre Kohärenz und Zugänglichkeit zu verbessern.

1.2.

Der EWSA hebt insbesondere die Schwierigkeit des Unterfangens der Neufassung dieser Richtlinien und die ausgezeichnete Qualität dieser erstmals durchgeführten juristischen Arbeit hervor, betont jedoch, dass eine sorgfältige Überarbeitung der einzelnen Sprachfassungen notwendig ist, um einige kleine Formulierungsprobleme zu beheben.

1.3.

Der EWSA teilt die grundlegenden Ziele des Vorschlags im Hinblick auf die Gewährleistung eines besseren Internetzugangs für alle Bürger und Unternehmen in diesem Maßnahmenpaket, mit dem es für alle Unternehmen attraktiver gemacht werden soll, in neue qualitativ hochwertige Infrastrukturen in der gesamten EU, sowohl auf lokaler Ebene als auch grenzübergreifend, zu investieren.

1.4.

Der EWSA bedauert jedoch die Entscheidung, die Datenschutzrichtlinie nicht zu berücksichtigen, die aus Sicht der Bürger ein leuchtendes Beispiel für die positiven Maßnahmen der EU zu ihren Gunsten sein sollte; somit fehlt in dem Vorschlag einer der wichtigsten Pfeiler für die Gewährleistung des Schutzes der wesentlichen Interessen der Netznutzer — ein Schwachpunkt.

1.5.

Der EWSA bedauert außerdem, dass die Europäische Kommission sich für eine Richtlinie mit verschiedenen Harmonisierungsformen entschieden hat, wodurch die Entscheidung über viele wichtige Aspekte den Mitgliedstaaten überlassen und die Fragmentierung der Märkte nicht verhindert wird, anstatt eine Verordnung vorzuschlagen, die unmittelbar gilt und mit der Vorschriften für ein höheres Verbraucherschutzniveau und somit eine bessere Integration des Binnenmarkts festgelegt werden können.

1.6.

Der EWSA unterstützt insbesondere folgende Aspekte des Vorschlags:

a)

den Fokus auf den Zugang von Nutzern mit Behinderungen zu den Diensten und die Notwendigkeit, „die notwendigen Endnutzerrechte [besser] festzulegen“ mit besonderem Augenmerk auf die Anwendung der EU-Verbraucherschutznormen, vor allem der Richtlinien 93/13/EWG, 97/7/EG und 2011/83/EU;

b)

die Relevanz der Festlegung neuer Konzepte und Begriffsbestimmungen zur Präzisierung und Auslegung des Rechtsrahmens;

c)

die Änderung der Marktanalyseverfahren und die Kodifizierung gegenwärtiger bewährter Verfahren, um zu gewährleisten, dass die Zugangsverpflichtungen nur auferlegt werden, wenn und wo sie nötig sind, um einem Marktversagen auf den Endkundenmärkten zu begegnen oder bestimmte Ergebnisse für die Endnutzer zu erreichen und gleichzeitig wettbewerbsfähige Ergebnisse zu sichern;

d)

die Erleichterung der gemeinsamen Frequenznutzung in 5G-Netzen und die Förderung des Zugangs der Endnutzer zu Wi-Fi-Netzen, da eine gemeinsame Frequenznutzung auf der Grundlage einer Allgemeingenehmigung oder individueller Nutzungsrechte die intensive und effizientere Nutzung dieses „knappen Guts“ ermöglichen kann;

e)

die Stärkung der Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden und anderen zuständigen Behörden, die aus den besonderen Garantien heraussticht, die für die Auswahl, die Beschränkung der Amtszeiten, die eigenständige Verwaltung und die Entlassung der Mitglieder der jeweiligen Behörden festgelegt werden.

1.7.

Dagegen hegt der EWSA große Vorbehalte und begründete Zweifel in Bezug auf folgende Aspekte:

a)

einige Innovationen in Bezug auf den Universaldienst, mit denen unter dem Vorwand einer angeblichen Modernisierung des einschlägigen Rechtsrahmens in Wirklichkeit Dienste ersetzt und sogar eine Reihe von Verpflichtungen, beispielsweise öffentliche Münz- und Kartentelefone, vollständige Teilnehmerverzeichnisse und Verzeichnisauskunftsdienste gestrichen werden, wodurch das vorgebliche Ziel redundant gemacht wird;

b)

die Definition des Begriffs „funktionale breitbandige Internetzugangsdienste“, da dies letztlich nichts weiter als eine beliebige Liste zugänglicher Internetdienste sein könnte — im Gegensatz zu neutralen Mindestqualitätsanforderungen für die Verbindungen —, was in Zukunft zu diskriminierenden Praktiken zum Nachteil der Endnutzer führen könnte;

c)

der Verweis auf Sozialleistungen, d. h. auf die Staatshaushalte mittels Steuern: Unterstützung für „einkommensschwache Endnutzer oder Endnutzer mit besonderen sozialen Bedürfnissen […], um die Erschwinglichkeit funktionaler Internetzugangs- und Sprachkommunikationsdienste zumindest an einem festen Standort sicherzustellen“, wodurch den Diensteerbringern diese Verpflichtungen abgenommen werden und ihnen die Möglichkeit an die Hand gegeben wird, nur mehr gewinnbringende Bereiche abzudecken; dadurch werden ihre Interessen gewahrt, gleichzeitig allerdings der Umfang des Universaldienstes eingeschränkt und die Verbraucherrechte beschnitten; in gleicher Weise werden auch die Kosten für die Universaldienstverpflichtungen auf den Staatshaushalt abgewälzt, da die bislang vorgesehene Möglichkeit zur Umlage der Kosten abgeschafft wird;

d)

die ausdrückliche Entscheidung für die Methode der Maximalharmonisierung mit einem geringen Schutzniveau in Bezug auf die Endnutzerrechte, was durch das Bestreben um Vereinfachung zur Aushöhlung der Rechte der Nutzer führt und im Widerspruch zu dem Standpunkt steht, den der EWSA systematisch vertreten hat;

e)

die Abschaffung bestimmter regulatorischer Verpflichtungen oder die Einschränkung früherer Rechte und Garantien unter dem (nicht überprüfbaren) Vorwand, dass sie nicht mehr notwendig sind oder durch die allgemeinen Verbraucherschutzvorschriften abgedeckt werden. Dies betrifft beispielsweise die Aufhebung der Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden, Endkundentarife von Betreibern mit beträchtlicher Marktmacht direkt zu regulieren, oder die Streichung bestimmter Bestimmungen betreffend Verträge, die Transparenz, die Gleichwertigkeit des Zugangs behinderter Nutzer, Verzeichnisdienste und die Interoperabilität der Digitalfernsehgeräte;

f)

mangelhafte Regulierung in Bezug auf bestimmte Situationen, die als missbräuchliche Praktiken in den Verträgen mit den Nutzern gemeldet wurden, wie beispielsweise die Maximallaufzeiten von Verträgen oder die Vertragskündigungsfristen, die Vertragsverlängerung im Falle von Angebotspaketen, das Fehlen von Sanktionen zur Gewährleistung eines effizienten Anbieterwechsels für den Endnutzer und die Beibehaltung der Entschädigungsverpflichtung für den Endnutzer in Bezug auf den „zeitanteiligen Wert verbilligter Geräte, die bei Vertragsschluss an den Vertrag geknüpft waren, und eine zeitanteilige Rückzahlung etwaiger anderer Angebotsvorteile, die bei Vertragsschluss als solche ausgewiesen waren“;

g)

abschließend die Tatsache, dass dieser Vorschlag dem ausdrücklichen Wunsch des Rates für einen „Europäischen Kodex der Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsdiensten“ nicht Rechnung trägt, dessen Ziel es ist, „auf EU-Ebene über ein einfaches, benutzerfreundliches Instrument zu verfügen, in dem sämtliche Rechte der Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste in den Bereichen IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) und Verbraucherschutz niedergelegt sind“.

2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

2.1.    Vorschlag für eine Richtlinie

2.1.1.

Im Rahmen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt (1) sowie aufgrund der raschen und tiefgreifenden Veränderungen der Strukturen des elektronischen Kommunikationsmarkts in den letzten Jahren, des Entstehens bislang unbekannter Arten von Marktteilnehmern, die zu den herkömmlichen Telekommunikationsbetreibern in Konkurrenz getreten sind, in Verbindung mit der steigenden Zahl und immer größeren Beliebtheit von Online-Inhaltediensten ist eine Überarbeitung und Aktualisierung des Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation aus dem Jahr 2009 erforderlich, um insbesondere zu gewährleisten, dass Privatpersonen und Unternehmen unter fairen Wettbewerbsbedingungen nahtlos Online-Aktivitäten nachgehen und Internetanwendungen nutzen können. Die Europäische Kommission verfolgt mit ihrem am 14. September 2016 veröffentlichten Vorschlag (2) das grundlegende Ziel, einen besseren Internetzugang für alle Bürger und Unternehmen sicherzustellen.

2.1.2.

Dieser Vorschlag ist Teil eines Pakets mit dem Ziel, Investitionen in neue qualitativ hochwertige Infrastrukturen in der gesamten EU, sowohl auf lokaler Ebene als auch grenzübergreifend, für Unternehmen attraktiver zu machen. Das Paket umfasst außerdem einen Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und eine Mitteilung der Kommission über „Konnektivität für einen wettbewerbsfähigen digitalen Binnenmarkt — Hin zu einer europäischen Gigabit-Gesellschaft“. Außerdem wurden ein Aktionsplan für die Einführung von 5G in ganz Europa ab 2018 und ein Vorschlag für eine Verordnung im Hinblick auf die Förderung der Internetanbindung in Kommunen und öffentlichen Räumen (WIFI4EU) vorgelegt.

2.1.3.

Diese Instrumente dienen den drei strategischen Konnektivitätszielen bis 2025:

a)

alle Bereiche mit besonderer sozioökonomischer Bedeutung müssen über eine äußerst leistungsstarke Internetanbindung von 2 GB verfügen;

b)

alle europäischen Privathaushalte sollten, unabhängig davon, ob sie sich auf dem Land oder in der Stadt befinden, einen Internetanschluss mit einer Empfangsgeschwindigkeit von mindestens 100 Mbit/s haben, die auf Gbit/s-Geschwindigkeit aufgerüstet werden kann;

c)

alle Stadtgebiete sowie alle wichtigen Straßen- und Bahnverbindungen sollten durchgängig mit einer 5G-Anbindung versorgt werden. Als Zwischenziel sollte bis 2020 mindestens eine Großstadt in jedem Mitgliedstaat auf gewerblicher Grundlage mit 5G-Technik ausgerüstet werden.

2.1.4.

Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union als Rechtsgrundlage, da er auf die Verwirklichung des Binnenmarkts für elektronische Kommunikation und dessen Funktionsfähigkeit ausgerichtet ist. Der Vorschlag besteht in einer Neufassung vier bestehender sektorspezifischer Richtlinien (Rahmen-, Genehmigungs-, Zugangs- und Universaldienstrichtlinie) und deren Bündelung in einer einzigen Richtlinie, wodurch die aktuelle Struktur vereinfacht wird, um im Einklang mit dem Ziel der regulatorischen Eignung (REFIT) ihre Kohärenz und die Zugänglichkeit zu stärken. Somit nimmt sie die Form eines echten Kodex für die elektronische Kommunikation an.

2.1.5.

Je nach Themenbereich werden in dem Vorschlag verschiedene Arten der Harmonisierung der Rechtsvorschriften vorgeschlagen, die von einer gezielten oder selektiven Vollharmonisierung, beispielsweise für die Vorschriften für den Schutz der Endnutzer, bis zu einer Mindestharmonisierung der Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden (NRB) mit einem hohen Schutzniveau bzw. einer Maximalharmonisierung in Bezug auf die Funkfrequenzen reichen.

2.1.6.

Der Vorschlag beruht auf einer breit angelegten öffentlichen Konsultation der Interessenträger über einen Zeitraum von zwölf Wochen, auf dem externen fachlichen Rat des Europäischen Parlaments und des Rates, einer Reihe von Studien, die in der Folgenabschätzung im Detail aufgeführt und erläutert werden, sowie einer hochrangigen Sachverständigengruppe, die im Rahmen der Studie SMART 2015/0005 eingesetzt wurde.

2.1.7.

Mit diesem Vorschlag will die Europäische Kommission folgende Ziele erreichen:

a)

mehr Wettbewerb und bessere Planbarkeit für Investitionen;

b)

bessere Nutzung von Funkfrequenzen;

c)

Stärkung des Verbraucherschutzes in den Bereichen, in denen die allgemeinen Verbraucherschutzbestimmungen den sektorspezifischen Anforderungen nicht genügen;

d)

ein sichereres Online-Umfeld für alle Nutzer und gerechtere Regeln für alle Marktteilnehmer.

2.1.8.

Mit mehreren der vorgeschlagenen Änderungen, insbesondere jenen in Verbindung mit den Frequenzen, dem Universaldienst, dem Zugangsdienst, den Endnutzern sowie der Nummerierung und den Verwaltungsstrukturen, sollen die Vorschriften präzisiert und dafür gesorgt werden, dass den Parteien ihre Rechte und Pflichten leicht ersichtlich sind und Überregulierung und Verwaltungsaufwand vermieden werden.

2.1.9.

Die vorgeschlagenen Änderungen sehen im Einzelnen vor: gestraffte und geografisch gezielte Zugangsregulierung; Nutzung (wenn möglich) von Allgemeingenehmigungen statt Einzelgenehmigungen für Frequenzen; Förderung von Sekundärmärkten für Frequenzen; Aufhebung bestimmter Universaldienstverpflichtungen wie beispielsweise Auflagen zur Bereitstellung von öffentlichen Münz- und Kartentelefonen und physischen Teilnehmerverzeichnissen; Einengung des Umfangs der Universaldienstverpflichtungen; Klärung des Umfangs des Rechtsrahmens und Aufhebung redundanter Verbraucherschutzbestimmungen, sofern diese bereits durch horizontale Vorschriften geregelt oder durch den Markt bereits erfüllt werden; Harmonisierung und Klärung der Vorschriften und Nummernverwaltung im M2M-Kontext.

2.1.10.

Die Europäische Kommission schlägt außerdem die Stärkung der Rolle der nationalen Regulierungsbehörden und des GEREK vor, um eine kohärente und transparente Anwendung der Vorschriften im gesamten Binnenmarkt zu gewährleisten und so die derzeitige Fragmentierung und die aktuellen Inkohärenzen im Hinblick auf eine effiziente Governance neuer Gremien zu begrenzen (3).

2.2.    Die Methode der „Neufassung

2.2.1.

Die Europäische Kommission beschränkt sich nicht auf eine reine „Kodifizierung“, sondern fasst den Inhalt mehrerer früherer Richtlinien in einer harmonisierten und kohärenten neuen Richtlinie zusammen, allerdings ohne ihn zu ändern, wie sie es in den meisten Fällen tut. Sie nimmt vielmehr die Möglichkeit in Anspruch, die ihr mit der am 28. November 2001 unterzeichneten interinstitutionellen Vereinbarung (IIV) (4) eröffnet wird, um parallel zu der horizontalen Integration der verschiedenen früheren Rechtsvorschriften in einem einzigen Rechtsakt tiefgreifende und wesentliche Änderungen am Rechtsrahmen vorzunehmen (die sogenannten „wesentlichen Änderungen“).

2.2.2.

Bei dieser Art der Vereinfachung der Rechtvorschriften, Kodifizierung und wesentlichen Änderung des Rechtsrahmens für einen Rechtsakt wird das „übliche Rechtsetzungsverfahren der Gemeinschaft […] uneingeschränkt eingehalten“ (Ziffer 5 der IIV), d. h. der EWSA wird befasst, und der Vorschlag für eine Neufassung unterliegt einer Reihe von Anforderungen und Regeln, die in Ziffer 6 und 7 der interinstitutionellen Vereinbarung ausdrücklich aufgelistet werden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.    Aspekte, die in dieser Stellungnahme nicht untersucht werden

3.1.1.

Aufgrund der vorgegebenen Beschränkungen für den Umfang seiner Stellungnahmen sowie aufgrund der Art des Vorschlags will der EWSA nicht erneut zu Aspekten, die unverändert aus den ursprünglichen Rechtsvorschriften in diesen Vorschlag übernommen wurden, Stellung nehmen, sofern dies für das Verständnis bestimmter Aspekte nicht absolut erforderlich ist.

3.1.2.

Der EWSA hatte bereits Gelegenheit, sich in früheren Stellungnahmen eingehend zu dieser Thematik in allen Aspekten zu äußern; er beschränkt sich daher darauf, seine einschlägigen Aussagen zu bekräftigen.

3.1.3.

Er wird sich in dieser Stellungnahme auch nicht eingehend mit den Aspekten in Verbindung mit der Struktur und der Arbeitsweise des GEREK auseinandersetzen, die im Detail in der parallel zu dieser Stellungnahme erarbeiteten Stellungnahme erörtert werden.

3.2.    Bewertung der allgemeinen Ausrichtung des Kommissionsvorschlags

3.2.1.

Der EWSA beglückwünscht zunächst die Europäische Kommission für die zeitgerechte Vorlage dieser Initiative, die aufgrund des Marktes, des technologischen Wandels und der Entwicklungen im Bereich Rechtsschutz für die Nutzer elektronischer Kommunikation völlig gerechtfertigt ist. Eine Überarbeitung des Rechtsrahmens ist erforderlich geworden, um zu gewährleisten, dass Privatpersonen und Unternehmen unter fairen Wettbewerbsbedingungen nahtlos auf Online-Aktivitäten zugreifen und Internetanwendungen nutzen können. Der EWSA begrüßt ebenfalls die Anwendung des Verfahrens der „Neufassung“, das ein äußert angemessenes Instrument im allgemeinen REFIT-Rahmen ist, und bedauert lediglich, dass die Europäische Kommission so selten auf dieses Verfahren zurückgreift.

3.2.2.

Diesbezüglich beglückwünscht der EWSA die Europäische Kommission, dass sie das schwierige Unterfangen der „Neufassung“ korrekt und unter genauer Beachtung der diesbezüglichen Bestimmungen durchgeführt hat; er bedauert indes, dass sie seiner wiederholten Empfehlung, gleichzeitig eine bereinigte und somit verständlichere Fassung vorzulegen, nicht Rechnung getragen hat.

3.2.3.

Der EWSA stimmt außerdem den meisten in dem Vorschlag enthaltenen neuen Vorschriften sowie der Art und Weise zu, wie diese mit anderen EU-Vorschriften in Einklang gebracht werden, und zwar zum einen den geltenden sektorspezifischen Vorschriften und zum anderen insbesondere den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts und den horizontalen Rechtsvorschriften zum Verbraucherschutz.

3.2.4.

Der EWSA ist jedoch der Ansicht, dass es der Klarheit und Rechtssicherheit gedient hätte, wenn sie anstatt der — übrigens nicht ausreichend begründeten — Entscheidung für eine derart umfassende und weitreichende Richtlinie, in der viele Aspekte einer Regelung durch die Mitgliedstaaten überlassen werden, eine Rahmenverordnung angenommen hätte, die direkt, unmittelbar und einheitlich in allen Mitgliedstaaten Anwendung findet. Dies hatte übrigens die Kommission selbst vorgeschlagen und hätte durch spezifische Richtlinien über einige der darin behandelten Aspekte ausgestaltet werden können, für die ein unterschiedliches Maß an Harmonisierung je nach Marktbedingungen und Art der Aspekte erforderlich ist. Aufgrund der erforderlichen Dauer für die Behandlung der Vorschläge (mindestens 18 Monate), die Umsetzung (mindestens zwei Jahre) und die Anwendung wird der neue Rahmen nicht vor 2021 oder 2022 in Kraft treten.

3.2.5.

Außerdem blieb die Datenschutzrichtlinie, für die am 10. Januar 2017 ein Verordnungsvorschlag veröffentlicht wurde (COM(2017) 10 final), ausgeklammert — wenn dies auch aufgrund des Gesetzgebungszeitplans nachvollziehbar ist, es handelt sich jedoch um eines der zentralen und wichtigsten Themen des Pakets, ein Schwachpunkt des Vorschlags. Somit fehlt in dem Vorschlag einer der wichtigsten Pfeiler für die Gewährleistung des Schutzes der wesentlichen Interessen der Netznutzer. Damit wird die Harmonisierung der geltenden Rechtsvorschriften mit dem künftigen Rechtsinstrument für den Schutz der Privatsphäre auf eine ferne Zukunft verschoben, was wiederum erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung und Anwendung der Maßnahmen insgesamt verursachen wird.

3.2.6.

Die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (5) und bestimmte Aspekte der Mitteilung der Kommission zur Förderung der gemeinsamen Nutzung von Funkfrequenzen im Binnenmarkt (6), die in den Kodex hätten aufgenommen werden sollen, bleiben ebenfalls ausgeklammert.

3.2.7.

Schließlich wird auch deutlich, dass der Vorschlag weder dem ausdrücklichen Wunsch des Rates nach einem „Europäischen Kodex der Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsdiensten“ Rechnung trägt, dessen Ziel es ist, „auf EU-Ebene über ein einfaches, benutzerfreundliches Instrument zu verfügen, in dem sämtliche Rechte der Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste in den Bereichen IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) und Verbraucherschutz niedergelegt sind“ (7), noch der in der Digitalen Agenda explizit geäußerten Absicht, „bis 2011 einen Kodex der EU-Online-Rechte herauszugeben, der die geltenden digitalen Nutzerrechte in der EU in klarer und verständlicher Weise zusammenfasst“ (8).

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.    Gegenstand und Ziel

Der EWSA begrüßt die Schwerpunktsetzung der Europäischen Kommission, die in Artikel 1 die Frage des Zugangs von Nutzern mit Behinderungen zu den Diensten und die Notwendigkeit, die Endnutzerrechte besser festzulegen, unterstreicht. In diesem Kontext ist der ausdrückliche Vorbehalt in Artikel 1 Absatz 4 besonders wichtig, wonach „die Endnutzerrechte betreffenden Bestimmungen dieser Richtlinie […] unbeschadet der Verbraucherschutzvorschriften der Union, insbesondere der Richtlinien 93/13/EWG, 97/7/EG und 2011/83/EU und der mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Vorschriften [gelten]“, zu denen der EWSA vor Kurzem Bewertungen vorgelegt hat (Informationsberichte INT/795 und INT/796, verabschiedet im Dezember 2016).

4.2.    Begriffsbestimmungen

In Bezug auf die Begriffsbestimmungen betont der EWSA die Zweckdienlichkeit der Ausarbeitung neuer Konzepte wie „Netz mit sehr hoher Kapazität“, „interpersoneller Kommunikationsdienst“, „nummerngebundener interpersoneller Kommunikationsdienst“, „nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienst“, „Sicherheit“ von Netzen und Diensten, „lokales Funknetz“ (Funk-LAN), „gemeinsame Nutzung von Funkfrequenzen“, „harmonisierte Funkfrequenzen“, „Notrufabfragestelle“, „am besten geeignete Notrufabfragestelle“, „Notruf“, „Notdienst“. Diese Begriffe sind für den Rechtsrahmen von Bedeutung.

4.3.    Ziele

4.3.1.

In Bezug auf die Ziele möchte der EWSA den Aspekt der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regulierungsbehörden und anderen zuständigen Behörden sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dem GEREK im Hinblick auf das Erreichen dieser Ziele herausstellen, obwohl die vom Ausschuss favorisierte Lösung in eine andere Richtung geht, wie er in seiner Stellungnahme zum neuen Status des GEREK darlegt.

4.3.2.

In diesem Zusammenhang ist die Neudefinition der Verpflichtungen der nationalen Regulierungsbehörden und anderen zuständigen Behörden sowie des GEREK in Artikel 3 Absatz 2 besonders interessant.

4.3.3.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Mitgliedstaaten in der durch den Beschluss 2002/622/EG eingerichteten Gruppe für Funkfrequenzpolitik miteinander und mit der Kommission sowie mit dem Europäischen Parlament und dem Rat auf deren Ersuchen im Hinblick auf die strategische Planung und Abstimmung der Konzepte im Bereich der Funkfrequenzpolitik in der Union zusammenarbeiten.

4.4.    Bereiche von besonderem Interesse

4.4.1.

Da der EWSA in dieser Stellungnahme nicht alle Bestimmungen des Richtlinienvorschlags behandeln kann, beschränkt er sich auf diejenigen, die aus gesellschaftlicher Sicht besonders relevant sind.

4.4.2.   Zugangsbestimmungen

4.4.2.1.

Der EWSA begrüßt, dass die Vorschriften für den Zugang nicht wesentlich geändert wurden, und stimmt der Europäischen Kommission betreffend die Straffung der Verfahren und die Förderung einer allgegenwärtigen Netzanbindung mit sehr hoher Kapazität zu, die neben der Förderung des Wettbewerbs, der Verwirklichung des Binnenmarkts und dem Verbraucherschutz die grundlegenden Ziele des Rechtsrahmens für den Sektor sind.

4.4.2.2.

Der EWSA unterstützt die spezifischen Änderungen der Marktregulierung, durch die die Regulierungsbehörden zur Erhebung von Investitionsabsichten verpflichtet werden und öffentlichen Behörden die Möglichkeit eingeräumt wird, eine offene Aufforderung an alle Investoren in den Gebieten mit Netzausbaudefizit zu richten. Damit dürfte die Transparenz in Bezug auf die Pläne für den Netzaufbau erhöht, die Vorhersehbarkeit für die Investoren verbessert und den Regulierungsbehörden die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, in ihren Marktanalysen die geografischen Besonderheiten besser zu berücksichtigen.

4.4.2.3.

Der EWSA unterstützt die Europäische Kommission in Bezug auf die Änderung der Marktanalyseverfahren und die Kodifizierung gegenwärtiger bewährter Verfahren, um zu gewährleisten, dass die Zugangsverpflichtungen nur auferlegt werden, wenn und wo sie nötig sind, um einem Marktversagen auf den Endkundenmärkten zu begegnen oder bestimmte Ergebnisse für die Endnutzer zu erreichen und gleichzeitig wettbewerbsfähige Ergebnisse zu sichern. Nach Meinung des EWSA ist die Verlängerung der geltenden Frist für die Durchführung der Marktprüfung von drei Jahren auf fünf Jahre nicht gerechtfertigt.

4.4.2.4.

Schließlich unterstützt der EWSA auch die Idee, dass der Infrastrukturwettbewerb eine der wirksamsten Möglichkeiten ist, um in Gebieten, in denen aufgrund der Bevölkerungsdichte mehr als ein Netz möglich ist, neue Netzanbindungen aufzubauen bzw. die bestehende zu verbessern.

4.4.3.   Frequenzzuteilung

4.4.3.1.

Obwohl die EU als erste Region drahtlose 4G-Technologien entwickelt hat, hinkt sie nun bei ihrer Umsetzung im Vergleich zu anderen Regionen hinterher. Die Frequenzzuteilung und -verwaltung obliegt grundsätzlich der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Dies wird allgemein als Ursache für die Fragmentierung der Märkte angeführt, die sich unmittelbar auf die Flächendeckung und Dichte von Drahtlosnetzen in ganz Europa auswirkt. Sollte diese Fragmentierung andauern, gefährdet sie die erfolgreiche Einführung von 5G-Diensten in Europa und die Entwicklung neuer innovativer Dienste.

4.4.3.2.

Daher soll mit dem Vorschlag ein Bündel an gemeinsamen Bestimmungen festgelegt werden, u. a. in Bezug auf Mindestlaufzeiten für Lizenzen, um die Rendite des investierten Kapitals zu sichern, einen größeren Spielraum für den Frequenzhandel sowie die Kohärenz und Objektivität der regulatorischen Maßnahmen (Reservierung, Modalitäten für die Veranstaltung der Versteigerung, Höchstpreise und Funkfrequenzblöcke, außerordentliche Reservierung von Funkfrequenzen); außerdem wird ein Begutachtungsmechanismus (Peer-Review) zwischen den nationalen Regulierungsbehörden eingeführt, um die Kohärenz der Zuweisungspraktiken im Rahmen des GEREK zu gewährleisten. Ferner sind die Netzbetreiber dazu verpflichtet, die ihnen zugeteilte Frequenz effizient zu nutzen.

4.4.3.3.

Der EWSA stimmt diesem neuen Ansatz dahingehend zu, dass die Investoren in die nächste Generation drahtloser Breitbandanbindungen zusätzlich zur Beschleunigung der Verfahren für die Zuweisung von Funkfrequenzen für elektronische Kommunikation (mit klaren Terminen, wann eine Frequenz auf dem Markt verfügbar gemacht werden muss) von einer besseren Vorhersehbarkeit und Kohärenz in Bezug auf künftige Lizenzmodelle und die grundlegenden Bedingungen für die Zuweisung oder Erneuerung nationaler Funkfrequenzbestimmungen profitieren sollen.

4.4.3.4.

Der EWSA befürwortet die Erleichterung der gemeinsamen Frequenznutzung in 5G-Netzen und die Förderung des Zugangs der Endnutzer zu Wi-Fi-Netzen, da eine gemeinsame Frequenznutzung auf der Grundlage einer Allgemeingenehmigung oder individueller Nutzungsrechte die intensive und effizientere Nutzung dieses „knappen Guts“ ermöglichen kann. Die Nutzer von Funkfrequenzen im Rahmen einer Allgemeingenehmigung erhalten über einen besseren regulatorischen Schutz vor funktechnischen Störungen, wodurch die Hindernisse für den Aufbau von Wi-Fi-Zugangspunkten beseitigt und der Zugang für die Endnutzer zu gemeinsamen drahtlosen Internetverbindungen erleichtert wird.

4.4.4.   Überarbeitung der Regelungen für den Universaldienst

4.4.4.1.

Die „Modernisierung“ der Universaldienstregelungen sowie die Änderungen in Bezug auf die Dienste und Vorschriften für den Schutz der Endnutzer sind die Aspekte, zu denen der EWSA die größten Vorbehalte hegt. Der Universaldienst war im Übrigen einer der Aspekte, der bereits in früheren EWSA-Stellungnahmen im Mittelpunkt der Kritik stand.

4.4.4.2.

Die Ausweitung des Universaldienstes auf andere Dienste wie Mobilfunkdienste und Breitbandinternetzugang ist seit Langem eine Priorität. Unter dem Vorwand einer Modernisierung der Universaldienstregelungen werden in dem Vorschlag jedoch in Wirklichkeit Dienste ersetzt und sogar eine Reihe von Verpflichtungen, beispielsweise öffentliche Münz- und Kartentelefone, vollständige Teilnehmerverzeichnisse und Verzeichnisauskunftsdienste aus dem verbindlichen Umfang des Universaldienstes gestrichen, wodurch das vorgebliche Ziel redundant gemacht wird. Für den EWSA ist noch nicht absehbar, ob die Marktreife des Sektors ausreichen wird, um die Erbringung dieser Dienste auch ohne Universaldienstverpflichtung zu gewährleisten. Die Bestimmung in Artikel 82, dass die Mitgliedstaaten „die Verfügbarkeit oder Erschwinglichkeit anderer Dienste […] weiterhin sicherstellen“ können, hängt nicht nur davon ab, ob „die Notwendigkeit solcher Dienste angesichts der nationalen Gegebenheiten hinreichend nachgewiesen ist“, sondern öffnet auch Tür und Tor für die Abschaffung solcher Dienste aufgrund der damit verbundenen Kosten.

4.4.4.3.

Der EWSA stellt die Definition des Begriffs funktionale breitbandige Internetzugangsdienste infrage, da dies letztlich nichts weiter als eine beliebige Liste zugänglicher Internetdienste sein könnte — im Gegensatz zu neutralen Mindestqualitätsanforderungen der Verbindungen —, was in Zukunft zu diskriminierenden Praktiken zum Nachteil der Endnutzer führen könnte.

4.4.4.4.

Gemäß Artikel 79 müssen die Mitgliedstaaten zwar sicherstellen, „dass alle Endnutzer in ihrem Gebiet zu einem erschwinglichen Preis zumindest an einem festen Standort Zugang zu verfügbaren funktionalen Internetzugangs- und Sprachkommunikationsdiensten mit der in ihrem Gebiet angegebenen Qualität haben, einschließlich des zugrunde liegenden Anschlusses“, können aber „Unternehmen, die solche Dienste anbieten, verpflichten, diesen Endnutzern Tarifoptionen oder -bündel anzubieten, die von unter normalen wirtschaftlichen Gegebenheiten gemachten Angeboten abweichen“, und von solchen Unternehmen verlangen, „dass sie einheitliche Tarife einschließlich geografischer Mittelwerte im gesamten Hoheitsgebiet anwenden“.

In Artikel 80 Absatz 4 und 5 des Vorschlags wird in Verbindung mit der Unterstützung für „einkommensschwache Endnutzer oder Endnutzer mit besonderen sozialen Bedürfnissen […], um die Erschwinglichkeit funktionaler Internetzugangs- und Sprachkommunikationsdienste zumindest an einem festen Standort sicherzustellen“ allerdings auf Sozialleistungen, d. h. auf die Staatshaushalte mittels Steuern, verwiesen, wodurch den Diensteerbringern diese Verpflichtungen abgenommen werden.

4.4.4.5.

Wenn die nationalen Regulierungsbehörden feststellen, dass ein Unternehmen unzumutbar belastet wird, ist das gesamte System der Finanzierung der Universaldienstverpflichtungen außerdem auf die Einführung eines Verfahrens beschränkt, „mit dem das Unternehmen für die ermittelten Nettokosten unter transparenten Bedingungen aus öffentlichen Mitteln entschädigt wird“, d. h., dass die Kosten für die Universaldienstverpflichtungen insbesondere aufgrund des Fehlens von Anbietern in Gebieten, in denen die Erbringung der Dienstleistung für die Öffentlichkeit nicht gewinnbringend ist, erneut auf den Staatshaushalt in Form der Besteuerung abgewälzt werden, da die bislang in Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b der geänderten Richtlinie vorgesehene Möglichkeit zur Umlage der Kosten abgeschafft wird. (Darin hieß es: „b) die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen unter den Betreibern von elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten aufzuteilen.“)

4.4.5.   Endnutzerrechte

4.4.5.1.

Die größten Schwierigkeiten liegen nach Ansicht des EWSA jedoch in dem neuen Titel zu den Endnutzerrechten, da die gewählten Lösungen nicht der Grundausrichtung des Ausschusses zu dieser Thematik Rechnung tragen, die in den einschlägigen Stellungnahmen zum Ausdruck kommt, beginnend bei der in Artikel 94 vorgeschlagene Maximalharmonisierung. Der EWSA hat in Bezug auf die Rechte der Verbraucher stets den Standpunkt vertreten, dass entweder Richtlinien für eine Mindestharmonisierung oder aber Verordnungen zur Gewährleistung des höchstmöglichen Verbraucherschutzniveaus erlassen werden sollten.

4.4.5.2.

Die Abschaffung bestimmter regulatorischer Verpflichtungen und die Einschränkung bestehender Rechte und Garantien unter dem Vorwand, dass sie nicht mehr notwendig sind oder von den allgemeinen Verbraucherschutzvorschriften abgedeckt werden, sind nach Ansicht des EWSA unannehmbar. Dies betrifft beispielsweise die Aufhebung der Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden, die Regulierung der Endkundentarife für Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht oder bestimmte Bestimmungen betreffend Verträge, Transparenz, Verzeichnisdienste und die Interoperabilität der Digitalfernsehgeräte (Artikel 95, 98, 103 und 105) direkt festzulegen.

4.4.5.3.

Ebenso hätten bestimmte Situationen, die als missbräuchliche Praktiken in den Verträgen mit den Nutzern gemeldet wurden, nach Ansicht des Ausschusses in dem Kommissionsvorschlag besser reguliert werden können, wie beispielsweise die Maximallaufzeiten von Verträgen oder die Vertragskündigungsfristen, die Vertragsverlängerung im Falle von Angebotspaketen, das Fehlen von Sanktionen zur Gewährleistung eines effizienten Anbieterwechsels für den Endverbraucher und die Beibehaltung der Entschädigungsverpflichtung für den Endnutzer in Bezug auf den „zeitanteiligen Wert verbilligter Geräte, die bei Vertragsschluss an den Vertrag geknüpft waren, und eine zeitanteilige Rückzahlung etwaiger anderer Angebotsvorteile, die bei Vertragsschluss als solche ausgewiesen waren“.

4.4.5.4.

Der EWSA begrüßt allerdings bestimmte neue Vorschriften wie die Verbesserung der Lesbarkeit der Verträge mittels eines Vertrags, in dem die wesentlichen Informationen auf vereinfachte Weise zusammengefasst werden, die Bereitstellung von Instrumenten für die Verbrauchskontrolle und von Werkzeugen für den Vergleich von Entgelten und Dienstqualität sowie das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes.

4.5.    Regulierungsbehörden und andere zuständige Behörden

4.5.1.

In Bezug auf die Befugnisse der Regulierungsbehörden und anderen zuständigen Behörden ist die Neufassung des jetzigen Artikels 5 Absatz 1 von besonderer Bedeutung.

4.5.2.

Insbesondere betreffend die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden und anderen zuständigen Behörden stechen die Bestimmungen von Artikel 7 bis 9 und die darin enthaltenen Garantien für die Auswahl, der Beschränkung der Amtszeiten, die eigenständige Verwaltung und die Entlassung der Mitglieder der jeweiligen Behörden heraus.

4.6.    Gütliche Streitbeilegung

4.6.1.

Der EWSA erachtet es als besonders wichtig, dass mit dem Vorschlag transparente, nichtdiskriminierende, schnelle, faire, einfache und kostengünstige Mechanismen für die außergerichtliche Beilegung von Streitfällen zwischen Verbrauchern und Anbietern von Netzen und/oder elektronischen Kommunikationsdiensten sowie anderen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdiensten als nummernunabhängigen interpersonellen Kommunikationsdiensten in Bezug auf die Bedingungen und/oder die Ausführung der Verträge über die Bereitstellung solcher Netze und/oder Dienste gewährleistet werden sollen.

4.6.2.

Noch wichtiger ist allerdings, dass die Mitgliedstaaten auch anderen Endnutzern, insbesondere Klein- und Kleinstunternehmen, Zugang zu diesen Verfahren gewähren können.

4.6.3.

In Bezug auf grenzüberschreitende Streitigkeiten wird in dem Vorschlag jedoch eine Lösung unterbreitet, die an dem Fehlen von Mechanismen auf EU-Ebene für derartige Streitigkeiten krankt: So verstrickt sich der Vorschlag in einem komplexen Verfahren mit zweifelhaften Ergebnissen sowohl in Bezug auf seine Effizienz als auch die echte Garantie einer fristgerechten fairen Berücksichtigung der Interessen, wobei am Ende wieder nur eine Klage vor Gericht bleibt.

Brüssel, den 26. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  COM(2015) 192 final.

(2)  COM(2016) 590 final.

(3)  COM(2016) 591 final.

(4)  ABl. C 77 vom 28.3.2002, S. 1.

(5)  COM(2011) 402 final.

(6)  COM(2012) 478 final.

(7)  3017. Tagung des Rates (Verkehr, Telekommunikation und Energie), 31. Mai 2010.

(8)  KOM(2010) 245 endg.


21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/65


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK)“

(COM(2016) 591 final — 2016/0286 (COD))

(2017/C 125/09)

Alleinberichterstatter:

Jorge PEGADO LIZ

Befassung

Europäisches Parlament, 24.10.2016

Rat der Europäischen Union, 25.10.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

11.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

25.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

118/0/4

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat sich in verschiedenen Stellungnahmen stets für eine Stärkung der Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) ausgesprochen, um dieses mit den Kapazitäten auszustatten, die für eine wirksame Regulierung des Sektors auf europäischer Ebene erforderlich sind.

1.2

Mit der Zielsetzung, die hinter dem Kommissionsvorschlag steht, ist er daher generell einverstanden.

1.3

Der EWSA bedauert jedoch, dass die Kommission nicht in Richtung der als Option 4 bezeichneten Lösung geht, die sie zu Unrecht verwirft, sondern das Gremium vielmehr weiterhin auf die bloße — wenn auch verstärkte — Zusammenarbeit oder Koordinierung beschränken will.

1.4

Der EWSA ist, wie er bereits zum Ausdruck gebracht hat, davon überzeugt, dass nur eine Möglichkeit — die Umwandlung des GEREK in eine echte Regulierungsbehörde — geeignet sein wird, mit einer zukunftsweisenden Vision eine angemessene Regulierung neuer EU-weiter bzw. globaler Dienste sicherzustellen, die derzeit weitgehend unreguliert sind oder unklaren Rechtsrahmen unterliegen (M2M, OTT und andere Bereiche von großer Bedeutung für die Union, wie das Roaming oder die länderübergreifenden Märkte) oder verbindliche EU-weite Verfahren für die Zuteilung bestimmter Frequenzbänder.

1.5

Ein Punkt, der einer besonders sorgfältigen Überprüfung und Abwägung bedarf, betrifft die Zusammensetzung, Organisation und Arbeitsweise der Beschwerdekammer, damit in allen Fällen die volle Unabhängigkeit und Unparteilichkeit und eine angemessene Rechtsmittelregelung gewährleistet ist, insbesondere bei Entscheidungen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Streitigkeiten.

2.   Kurze Zusammenfassung des Vorschlags

2.1

In ihrer Mitteilung „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“ (1) vom Mai 2015 hat die Kommission hervorgehoben, dass aufgrund des sich wandelnden technologischen Umfelds und der sich verändernden Marktgegebenheiten der institutionelle Rahmen durch die Aufwertung der Rolle des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (im Folgenden das „GEREK“) gestärkt werden muss. In seiner Entschließung „Auf dem Weg zu einer Akte zum digitalen Binnenmarkt“ (2) forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, zwecks Fortsetzung der Integration des digitalen Binnenmarkts dafür Sorge zu tragen, dass ein effizienterer institutioneller Rahmen geschaffen wird. Dies könne geschehen, indem die Aufgaben, die Kapazität und die Entscheidungsbefugnisse des GEREK ausgeweitet werden, damit es den Rechtsrahmen für die elektronische Kommunikation einheitlich umsetzen, die Aufsicht über die Weiterentwicklung des Binnenmarkts effizient ausüben und zur Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten beitragen kann.

2.2

Der hier behandelte Vorschlag ist in Verbindung mit dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Festlegung eines Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (3) zu sehen; darin wird das GEREK mit zusätzlichen Aufgaben betraut, um sicherstellen zu können, dass der Rechtsrahmen einheitlich umgesetzt wird, was sich positiv auf die Entwicklung des Marktes der elektronischen Kommunikation in der gesamten Union auswirken wird. Darüber hinaus wird das GEREK einen Beitrag leisten, um den Zugang zu und die Nutzung von Datenverbindungen mit sehr hoher Kapazität, den Wettbewerb bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste sowie die Interessen der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union zu fördern.

2.3

Der Vorschlag zielt daher vor allem darauf ab, die institutionelle Rolle des GEREK zu stärken und seine Verwaltungsstruktur zu verbessern, indem das GEREK und das GEREK-Büro gleichzeitig in einer eigenständigen Agentur mit einem erweiterten Mandat zusammengeführt werden, damit es für die Wahrnehmung seiner Aufgaben künftig bestens gewappnet ist. Diese Agentur soll die Arbeit des GEREK fortsetzen und auch weiterhin das Fachwissen der NRB bündeln, wobei Struktur und Verwaltung, Betrieb, Planung und Berichterstattung des GEREK an die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 19. Juli 2012 zu den dezentralen Agenturen (das „Gemeinsame Konzept“) angeglichen werden sollen (4). Durch den Vorschlag werden ferner die dem GEREK in der kürzlich angenommenen Verordnung (EU) 2015/2120 übertragenen Aufgaben in die GEREK-Verordnung aufgenommen. In dieser Verordnung werden Vorschriften zur Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet und zur Abschaffung der Endkunden-Roamingaufschläge festgelegt (5). Ausgeklammert bleibt jedoch die Überarbeitung der Richtlinie über den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (6); die Kommission will dazu bis Ende 2016 einen Vorschlag vorlegen.

2.4

Für die Verfolgung dieses Ziels hat die Kommission vier Optionen in Erwägung gezogen: 1. keine Änderung; 2. lediglich eine stärkere beratende Rolle und erweiterte Zuständigkeiten; 3. (bevorzugte Option) Beibehaltung der beratenden Rolle mit bestimmten pränormativen Befugnissen und bessere Marktprüfung und Erteilung von Nutzungsrechten für Funkfrequenzen, was detailliert erläutert wird; 4. (diese Option wird von vornherein verworfen) Schaffung einer Europäischen Regulierungsbehörde als einer gestärkten Agentur, die über die erforderlichen Ressourcen verfügt, um die ihr übertragenen Durchführungsbefugnisse, einschließlich Aufsichts- und Durchsetzungsbefugnisse, ausüben zu können, und die Befugnis zur Fassung bindender Beschlüsse in Bereichen hätte, in denen eine einheitliche Umsetzung der EU-Vorschriften sichergestellt werden muss.

2.5

In den Artikeln der Verordnung wird die gewählte Option dann rechtlich ausgestaltet, was im Folgenden analysiert wird.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA hat sich in verschiedenen Stellungnahmen (7) für eine Stärkung der Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse des GEREK ausgesprochen, um dieses mit den Kapazitäten auszustatten, die für eine wirksame Regulierung des Sektors auf europäischer Ebene erforderlich sind. Mit der Zielsetzung, die hinter dem Kommissionsvorschlag steht, ist er daher generell einverstanden.

3.2

Der EWSA tendiert jedoch zu einer Lösung, die der Option 4 der Kommission nahekommt, da seiner Auffassung nach rein kosmetische Änderungen am Status des Gremiums nicht ausreichen, um dieses Gremium in eine echte Regulierungsbehörde umzuwandeln.

3.3

So hat er beispielsweise in seiner Stellungnahme TEN/534 explizit Folgendes festgehalten: „Die vorgeschlagenen Änderungen am Status des GEREK — z. B. Leitung des Regulierungsrats durch einen hauptberuflichen Vorsitzenden — könnten sich angesichts der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit und der Notwendigkeit der Schaffung von Investitionsanreizen, insbesondere in den Bereichen Breitbandkommunikation und NGN-/NGA-Netze, als unzureichend erweisen“ (Ziffer 4.7.1).

3.4

Im Hinblick auf bestimmte Aufgaben bestehen bereits große Regulierungslücken — wie beispielsweise bei den neuen EU-weiten bzw. globalen Diensten, die derzeit weitgehend unreguliert sind oder unklaren Rechtsrahmen unterliegen (M2M, OTT und andere Bereiche von großer Bedeutung für die Union, wie das Roaming oder die länderübergreifenden Märkte) oder verbindlichen EU-weiten Verfahren für die Zuteilung bestimmter Frequenzbänder. Zudem gibt es neue Befugnisse, die dem GEREK nicht nur mit diesem Vorschlag, sondern mehr noch mit dem Vorschlag für einen Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation übertragen werden. Angesichts dieser Lücken und neuen Befugnisse erscheint es nicht akzeptabel, die Intervention des GEREK weiterhin auf eine reine — wenn auch verstärkte — Zusammenarbeit oder Koordinierung zu beschränken.

3.5

Dieser Vorschlag ist sicherlich alles andere als eine zukunftsweisende Vision für eine stärkere Integration des digitalen Binnenmarktes, da er weiterhin eine regulatorische Fragmentierung über die NRB der einzelnen Mitgliedstaaten zulässt.

3.6

Möglicherweise erklärt dies die im Vorschlag wiedergegebenen wenig ermutigenden Ergebnisse der Bewertung des GEREK in Bezug auf Relevanz, Wirksamkeit, Effizienz und Mehrwert dieses Modells, an dem trotz alledem festgehalten werden soll.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Bezüglich der Festlegung der Zuständigkeiten, der Organisation und der Arbeitsweise folgen die Bestimmungen generell dem gemeinsamen Konzept für Agenturen des gleichen Typs gemäß der Definition in der Gemeinsamen Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zu den dezentralen Agenturen; dazu ist nichts weiter anzumerken.

4.2

Eine Bemerkung jedoch zu der Beschwerdekammer, bei der auf die Gewährleistung der „Unparteilichkeit und die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder […] auf der Grundlage transparenter und objektiv nachprüfbarer Kriterien, die von den Agenturen festzulegen sind“, hingewiesen wird, wobei insbesondere „die Auswahl der Mitglieder der Beschwerdekammer aus dem Personal der Agentur und/oder dem Verwaltungsrat der Agentur mit großer Sorgfalt erfolgen und die vorgenannten Grundsätze der Unparteilichkeit und der Unabhängigkeit nicht infrage stellen [sollte]“ (Nummer 21 der genannten Erklärung).

4.3

Im Vergleich zu anderen gleichartigen Gremien wie dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) (8), dem Gemeinschaftlichen Sortenamt (9), der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (10) und der Europäischen Chemikalienagentur (11), um nur einige zu nennen, ist nach Ansicht des EWSA die Kürze der Bestimmungen erstaunlich, mit denen in den Artikeln 11 bis 14 des Vorschlags der rechtliche Rahmen des Beschwerdeausschusses definiert wird.

4.4

Der EWSA stellt fest, dass sämtliche Verordnungen bezüglich der Vorschriften über die Organisation und die Verfahren der Beschwerdekammern der oben genannten Agenturen detailliert das in diesen Kammern anzuwendende Verfahren vorsehen; ihre Entscheidungen können in einer Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union angefochten werden, gegen dessen Entscheidungen beim Europäischen Gerichtshof Rechtsmittel in Rechtsfragen eingelegt werden können.

4.5

Zwar hat das Gremium zumeist rein beratende Aufgaben, aber es gibt Fälle, in denen durch die Verzahnung von Bestimmungen des Richtlinienvorschlags mit denen des vorliegenden Vorschlags dem GEREK letztlich eine Entscheidungsbefugnis mit Rechtswirkungen für Dritte zukommt; dies gilt für bestimmte Beschlüsse gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b bis d, d. h. die Folgendes betreffen:

die Festlegung länderübergreifender Märkte;

die Muster für Vertragszusammenfassungen;

das Wirtschaftsmodell zur Unterstützung der Kommission bei der Festlegung der maximal zulässigen Zustellungsentgelte in der Union;

die Stellungnahmen zur Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten;

die Entwürfe nationaler Maßnahmen betreffend die Verfahren für die Marktregulierung;

die Entwürfe nationaler Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Peer-Review zu Funkfrequenzen;

die Entwürfe von Beschlüssen und Empfehlungen zur Harmonisierung.

4.6

Ein Musterbeispiel ist der Fall grenzüberschreitender Streitigkeiten, bei denen „jede Partei […] die Streitigkeit der bzw. den betreffenden nationalen Regulierungsbehörde(n) vorlegen [kann]. Die zuständige(n) nationale(n) Regulierungsbehörde(n) meldet bzw. melden die Streitigkeit dem GEREK, um die Streitigkeit im Einklang mit den in Artikel 3 genannten Zielen dauerhaft beizulegen.“ In diesem Fall gibt „das GEREK […] eine Stellungnahme ab, in der es angibt, welche konkreten Maßnahmen die betreffende(n) nationalen(n) Regulierungsbehörde(n) ergreifen oder unterlassen sollen, damit die Streitigkeit so rasch wie möglich, in jedem Fall jedoch — von außergewöhnlichen Umständen abgesehen — innerhalb von vier Monaten beigelegt wird“.

4.7

In einem solchen Fall kann wohl kaum davon ausgegangen werden, dass beim Einlegen von Rechtsmitteln gegen diese Entscheidung bei einer Beschwerdeinstanz der Art, wie sie im Vorschlag vorgesehen ist, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleistet ist.

4.8

Auch wenn in jedem Fall ein Gericht angerufen werden kann, scheint das Verwaltungsverfahren dennoch nicht die Möglichkeit einer Beschwerde bei einer wirklich unabhängigen Stelle zu bieten.

4.9

Der EWSA hofft, dass diese Frage bei der endgültigen Fassung des Vorschlags gebührend überdacht wird.

Brüssel, den 25. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 176.

(2)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Januar 2016 zu dem Thema „Auf dem Weg zu einer Akte zum digitalen Binnenmarkt“ (TA(2016)0009).

(3)  COM(2016) 590 final, diesbezügliche EWSA-Stellungnahme TEN/612 Europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation (siehe Seite … dieses Amtsblatts).

(4)  Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 19. Juli 2012 zu den dezentralen Agenturen.

(5)  Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 (ABl. L 310 vom 26.11.2015, S. 1) und diesbezügliche EWSA-Stellungnahme TEN/534 (ABl. C 177 vom 11.6.2014, S. 64).

(6)  Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37); Sachlage bereits in der Stellungnahme TEN/612 Europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation analysiert (siehe Seite … dieses Amtsblatts).

(7)  Zum Beispiel:

EWSA-Stellungnahme zu dem Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2012 (COM(2016) 399 final) (ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 162, Ziffer 4.7);

EWSA-Stellungnahme zu den Vorschlägen der Kommission über neue Maßnahmen für den Telekommunikationsbinnenmarkt (COM(2013) 627 final und COM(2013) 634 final) (ABl. C 177 vom 11.6.2014, S. 64, Ziffer 4.7.1);

EWSA-Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission über die gemeinsame Nutzung von Funkfrequenzen im Binnenmarkt (COM(2012) 478 final) (ABl. C 133 vom 9.5.2013, S. 22, Ziffer 4.10);

EWSA-Stellungnahme zum Thema „Ein inklusiver digitaler Binnenmarkt“ (ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 8, Ziffer 3.1.1.1);

EWSA-Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission betreffend offenes Internet und Netzneutralität in Europa (COM(2011) 222 final) (ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 139, Ziffer 2.4.1);

EWSA-Stellungnahme zu dem Vorschlag für einen Beschluss über das erste Programm für die Funkfrequenzpolitik (COM(2010) 471 final) und zu der Mitteilung der Kommission — Europäische Breitbandnetze: Investition in ein internetgestütztes Wachstum (COM(2010) 472 final) (ABl. C 107 vom 6.4.2011, S. 53, Ziffer 2.13 und 2.14).

(8)  Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission vom 5. Februar 1996 (ABl. L 28 vom 6.2.1996, S. 11), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2082/2004 der Kommission vom 6. Dezember 2004 (ABl. L 360 vom 7.12.2004, S. 8).

(9)  Artikel 67 ff. der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 (ABl. L 227 vom 1.9.1994, S. 1).

(10)  Verordnung (EG) Nr. 1592/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2002 (ABl. L 240 vom 7.9.2002, S. 1).

(11)  Verordnung (EG) Nr. 771/2008 der Kommission vom 1. August 2008 (ABl. L 206 vom 2.8.2008, S. 5).


21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/69


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1316/2013 und (EU) Nr. 283/2014 im Hinblick auf die Förderung der Internetanbindung in Kommunen“

(COM(2016) 589 final — 2016/0287 (COD))

(2017/C 125/10)

Alleinberichterstatter:

Emilio FATOVIC

Befassung

Europäisches Parlament, 6.10.2016

Rat der Europäischen Union, 25.10.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 172 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

11.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

26.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

195/1/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die WiFi4EU-Initiative der Kommission zur Verbreitung eines kostenlosen Internetzugangs in öffentlichen Räumen, die Vorteile sowohl in puncto Zugänglichkeit, vor allem für die am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen, als auch im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum der Regionen insbesondere in den Bereichen öffentliche Dienstleistungen, Gesundheit, Handel und Tourismus mit sich bringt.

1.2

Der EWSA ist erfreut, dass einer seiner Vorschläge, den er mehrmals in früheren Stellungnahmen unterbreitet hat, schließlich in die Digitalisierungsprozesse in der Europäischen Union eingeflossen ist (1). Dieser Vorschlag beruht auf der Überzeugung, dass der Zugang zum Internet ein Grundrecht eines jeden Bürgers und ein unerlässliches Instrument der sozialen Integration und des Wirtschaftswachstums ist.

1.3

Der EWSA weist darauf hin, dass aufgrund des raschen Fortschritts im digitalen Bereich sämtliche installierten Technologien binnen kurzer Zeit zu veralten drohen. Daher ersucht er die Kommission, neben technologischen auch soziale Entwicklungsziele festzulegen, um die WiFi4EU-Initiative dynamischer, dauerhafter und widerstandsfähiger zu machen.

1.4

Der EWSA hält es für eine gute Idee, bei WiFi4EU auf das Eduroam-Projekt aufzubauen, und schlägt vor, die beiden Initiativen miteinander zu verbinden, um allen Bürgern europaweit eine einheitliche digitale Identität zu garantieren, wie dies bereits in der eIDAS-Verordnung festgelegt wurde. Dies hätte auch erhebliche Auswirkungen im Hinblick auf die Stärkung des Gefühls einer europäischen Bürgerschaft und die Überwindung der „ digitalen Armut “.

1.5

Der EWSA hält WiFi4EU für ein strategisch bedeutsames Projekt und die bereitgestellten 120 Mio. Euro für bei Weitem zu wenig, um den Bedarf des gesamten EU-Gebiets zu decken. Daher plädiert der EWSA für eine beträchtliche Aufstockung der Mittel, um in allen öffentlichen Räumen in Europa bis 2025 einen kostenlosen Zugang zu Hochgeschwindigkeits-WLAN-Verbindungen anstreben zu können und somit die Initiative gemäß dem Grundsatz „Quality WiFi4all“ durchzuführen. In diesem Zusammenhang wäre es wichtig, eine stärkere Integration zwischen allen bereits aktiven öffentlichen WLAN-Diensten vorzusehen, um die verfügbaren Ressourcen in vollem Umfang zu nutzen und Verschwendung zu vermeiden.

1.6

Der EWSA hält die Kriterien für die Zuteilung der Mittel („Windhundverfahren“ und geografisches Kriterium) für wenig klar und widersprüchlich. Er empfiehlt, der Bevölkerungszahl und der geografischen Ausdehnung der einzelnen Staaten Rechnung zu tragen und für jedes Land von vornherein den ihm zustehenden Mittelhöchstbetrag festzulegen, sodass alle Regionen in ausgewogener Weise Zugang dazu haben.

1.7

Der EWSA schlägt vor, einen Anteil von 20 % wirtschaftlich und digital weniger entwickelten Gebieten vorzubehalten, wobei Inseln, Berg-, Grenz- oder Randgebieten bzw. Regionen, die Naturkatastrophen ausgesetzt waren, besonderes Augenmerk gelten sollte, um die Mittel dort zu investieren, wo der größte Bedarf besteht. Der Ausschuss empfiehlt, dass die Kriterien für die Eintragung in das Anbieterverzeichnis keine Unterscheidung hinsichtlich der Unternehmensgröße vorsehen sollten.

1.8

Der EWSA befürwortet den Grundsatz, die Mittel für die Schaffung eines kostenlosen Internetzugangs dort zu verwenden, wo es bislang keinen gibt. Er fordert die Kommission jedoch auf, im Rahmen der strategischen Vision die öffentliche Initiative mit Initiativen zu koppeln, die eine öffentlich-private Partnerschaft vorsehen.

1.9

Der EWSA fordert, im Zeitraum 2017-2020 einen qualitativ hochwertigen kostenlosen WLAN-Dienst mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von mindestens 100 Mbit/s einzurichten, der jedoch bereits für eine mittelfristige Anpassung an höhere Geschwindigkeiten ausgelegt ist. Hierfür gibt es drei Gründe:

a)

die WiFi4EU-Initiative soll mit der Mitteilung zur Gigabit-Gesellschaft in Einklang gebracht werden;

b)

mit einem einfachen ADSL-Anschluss lässt sich aufgrund seiner technischen Grenzen nicht Dutzenden von Menschen gleichzeitig ein Zugang mit zufriedenstellender Qualität garantieren;

c)

ein kostenloser öffentlicher Dienst muss nicht unbedingt von schlechter Qualität sein.

1.10

Der EWSA befürwortet die Einführung unbürokratischer und gestraffter Verfahren für den Zugang zu Finanzmitteln. Allerdings fordert er die Kommission auf, einen Mindestversorgungszeitraum von drei Jahren festzulegen, dessen Nichteinhaltung mit der Rückzahlung der erhaltenen Finanzmittel geahndet wird.

2.   Einleitung und Methodik

2.1

Der Vorschlag COM(2016) 589 zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1316/2013 und (EU) Nr. 283/2014 im Hinblick auf die Förderung der Internetanbindung in Kommunen ist Teil eines Maßnahmenpakets im Bereich der Telekommunikation, das die Europäische Kommission am 13. September 2016 angenommen hat und auch Folgendes umfasst:

die Mitteilung „Konnektivität für einen wettbewerbsfähigen digitalen Binnenmarkt — Hin zu einer europäischen Gigabit-Gesellschaft“ — COM(2016) 587;

den Aktionsplan „5G für Europa“ — COM(2016) 588;

den Vorschlag für eine Richtlinie über einen neuen europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation — COM(2016) 590;

den Vorschlag für eine Verordnung zur Stärkung des bestehenden Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) durch seine Umwandlung in eine Agentur unter Beibehaltung der aktuellen Bezeichnung — COM(2016) 591.

2.2

Der EWSA hat eine Stellungnahme zu jedem dieser Vorschläge erarbeitet, jedoch unter gemeinsamer Regie, um dafür zu sorgen, dass die jeweiligen Dokumente sowohl im Hinblick auf die Vision als auch inhaltlich einheitlich und kohärent sind (die vorliegende Stellungnahme steht in engem Zusammenhang mit folgenden Stellungnahmen: TEN/611 „Europäische Gigabit-Gesellschaft“, TEN/612 „Europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation“, TEN/613 „Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation“ und TEN/615 „5G für Europa: ein Aktionsplan“) und an frühere EWSA-Stellungnahmen zu diesem Thema anknüpfen.

3.   Zusammenfassung des Kommissionsvorschlags

3.1

Die vorgeschlagene Verordnung, mit der die sogenannte „WiFi4EU“-Initiative eingeleitet wird, ist Teil eines Maßnahmenpakets im Rahmen der Mitteilung über die europäische Gigabit-Gesellschaft. Diese Initiative zielt auf die Einrichtung kostenloser Hotspots für die Internetanbindung in öffentlichen Räumen (Bibliotheken, Plätze, Parks, Krankenhäuser, öffentliche Gebäude im Allgemeinen) ab, und zwar aufbauend auf die erfolgreiche Initiative Eduroam, über die dieser Dienst bereits in Universitäten und Hochschulen angeboten wird.

3.2

Die Kommission hat 120 Mio. EUR bereitgestellt und geht davon aus, dass im Zeitraum 2017-2020 zwischen 6 000 und 8 000 Gemeinden teilnehmen werden. Nach vollständiger Umsetzung werden zwischen 40 und 50 Millionen Verbindungen pro Tag erreicht werden. Durch die geringe finanzielle Ausstattung wird die Initiative zu einem Pilotprojekt.

3.3

Die Begünstigten der Initiative sind diejenigen Kommunen, die bislang noch keinen solchen Dienst anbieten. Der Höchstbetrag pro Projekt beträgt 60 000 EUR und es werden bis zu 100 % der Kosten für die Anschaffung und Installation von Hotspots übernommen, während die Kosten für Internetabonnements sowie die Instandhaltung der Ausrüstung von den Kommunen getragen werden.

3.4

Die Kommunen werden dazu angehalten, ihre kostenlosen digitalen Dienste vor allem in den Bereichen E-Tourismus, elektronische Gesundheitsdienste und elektronische Behördendienste auszubauen und zu fördern.

3.5

Der auf öffentliche Plätze beschränkte Vorschlag soll nicht zu einer Beeinträchtigung oder Verzerrung des freien Markts des digitalen Datenverkehrs führen, sondern ihn durch die Verbreitung der Digitaltechnik in weniger entwickelten Gebieten stärken.

3.6

In dem Kommissionsvorschlag werden drei wichtige Kriterien für die Mittelzuweisung vorgegeben:

a)

Zugang zu Mitteln haben nur Kommunen, die bislang noch keinen solchen Dienst anbieten;

b)

unmittelbare Bereitstellung von Mitteln in chronologischer Reihenfolge des Eingangs der Anträge („Windhundverfahren“);

c)

Anwendung eines geografischen Kriteriums für eine ausgewogene Zuteilung der bereitgestellten Mittel.

3.7

In dem Vorschlag ist ein gestrafftes Verfahren für den Zugang zu den Mitteln und für die Ausweisung der ausgeübten Tätigkeiten mithilfe einer Reihe von Gutscheinen für die Bezahlung der mit der Installation der Ausrüstung betrauten Unternehmen vorgesehen. Die Kommission kann in Echtzeit überprüfen, ob die Hotspots reibungslos funktionieren, um gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen und Kontrollen einzuleiten.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der EWSA begrüßt die WiFi4EU-Initiative der Kommission zur Verbreitung des Internets in öffentlichen Räumen, die Vorteile sowohl in puncto Zugänglichkeit (2), vor allem für die am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen durch die Bekämpfung des Problems der digitalen Armut  (3), als auch im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum der Regionen insbesondere in den Bereichen Gesundheit, öffentliche Dienstleistungen, Handel und Tourismus mit sich bringt (4).

4.2

Der EWSA ist erfreut, dass einer seiner Vorschläge, den er mehrmals in früheren Stellungnahmen unterbreitet hat, schließlich in die Digitalisierungsprozesse in der Europäischen Union eingeflossen ist (5). Dieser Vorschlag beruht auf der Überzeugung, dass der Zugang zum Internet ein Grundrecht eines jeden Bürgers und ein Instrument der sozialen Integration und des Wirtschaftswachstums ist.

4.3

Der EWSA fordert die Kommission auf, eine dauerhafte Wirkung der Initiative WiFi4EU in den begünstigten Gebieten anzustreben. Aufgrund des raschen Fortschritts im digitalen Bereich drohen sämtliche installierten Technologien binnen kurzer Zeit zu veralten. Daher empfiehlt der Ausschuss, das Pilotprojekt in eine umfassendere und tragfähigere strategische Vision einzubetten, bei der die sozialen über die rein technologischen Ziele gestellt werden.

4.4

Nach Auffassung des EWSA wird in dem Vorschlag nicht hinreichend klargestellt, wie sich diese Initiative in den Digitalisierungsprozess in der EU einordnet, der derzeit sehr uneinheitlich verläuft. Das Spektrum reicht von Gebieten ohne ADSL-Anbindung bis zu solchen, die bereits über ein Ultrabreitbandnetz verfügen und mit Erfolg Geschwindigkeiten von 1 Gbit/s erproben. Der EWSA hofft, dass im Rahmen der Initiative ehrgeizige Ziele in Bezug auf die Qualität der angebotenen Dienste festgelegt werden.

4.5

Der EWSA weist darauf hin, dass der Vorschlag nicht durch eine angemessene und umfassende Durchführbarkeitsstudie gestützt wird. Dies ist daran abzulesen, dass die von der Kommission gelieferten Daten über die potenzielle Wirkung zu allgemein gehalten sind, nicht ausreichend durch eine sozioökonomische Bewertung belegt werden und angesichts der geringen Mittelausstattung im Vergleich zum tatsächlichen Potenzial wahrscheinlich zu hoch eingeschätzt werden.

4.6

Der EWSA bedauert, dass die vorgesehenen Mittel auf 120 Mio. EUR begrenzt sind, wodurch eine so wichtige Initiative zu einem bloßen Pilotprojekt degradiert wird. Der Ausschuss plädiert daher dafür, die Mittelausstattung deutlich zu erhöhen, um WiFi4EU zu einer fest in das Modell der Gigabit-Gesellschaft eingebetteten strukturellen und strategischen Maßnahme mit messbaren Zielen aufzuwerten, die der Verwirklichung der für 2025 vorgesehenen Ziele im Bereich digitale Entwicklung dient. Der EWSA unterstreicht, dass das Programm Gigabit-Gesellschaft mit dem Ziel, bis 2025 für einen 100 %igen kostenlosen WLAN-Zugang in allen öffentlichen Räumen zu sorgen, gekoppelt werden muss.

4.6.1

Der EWSA weist darauf hin, dass sich die ursprüngliche Vorausschätzung der Fazilität „Connecting Europe“ für den Ausbau der digitalen Netze und Dienstleistungen auf mehr als 9 Mrd. EUR belief, die später auf knapp über 1 Mrd. gekürzt wurden. Der EWSA bekräftigt nochmals sein Bedauern über diese Kürzung der verfügbaren Mittel für eine Maßnahme, die im Hinblick auf eine wettbewerbsfähige EU eine wichtige Priorität darstellt, und hofft, dass unter den Haushaltslinien wieder entsprechende Mittel verfügbar gemacht werden können.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Der Ausschuss stellt fest, dass die Kriterien für die Mittelzuweisung in dem Vorschlag nicht ausführlich genug beschrieben werden, und befürchtet, dass sie möglicherweise miteinander in Konflikt geraten könnten. Insbesondere droht das „Windhundverfahren“ dazu zu führen, dass bereits digitalisierte Gebiete bevorzugt werden, wodurch den Staaten und Kommunen mit dem größten Bedarf Mittel entgehen.

5.2

Der EWSA empfiehlt, bei der Mittelzuteilung der Bevölkerungszahl und der geografischen Ausdehnung der einzelnen Staaten Rechnung zu tragen und für jedes Land von vornherein den ihm zustehenden Mittelhöchstbetrag festzulegen, sodass alle Regionen in ausgewogener Weise Zugang dazu haben.

5.2.1

Der EWSA hofft, dass bei dem Anbieterverzeichnis für die Schaffung der Infrastrukturen, in das sich die interessierten Unternehmen eintragen lassen müssen, um von den Kommunen ausgewählt werden zu können, nicht nach Unternehmensgröße unterschieden wird.

5.3

Der Ausschuss plädiert dafür, 20 % der verfügbaren Mittel wirtschaftlich und digital weniger entwickelten Gebieten vorzubehalten, wobei Inseln, Berg-, Grenz- oder Randgebieten bzw. Regionen, die Naturkatastrophen ausgesetzt waren, besonderes Augenmerk gelten sollte, um die Mittel dort zu investieren, wo der größte Bedarf besteht (6).

5.4

Der EWSA befürwortet den Grundsatz, die Mittel für die Schaffung eines kostenlosen Internetzugangs dort zu verwenden, wo es bislang keinen gibt. Er ist sich jedoch sowohl der Dringlichkeit als auch der Komplexität der technologischen und wirtschaftlichen Anstrengungen bewusst, die erforderlich sind, um einen solchen Dienst in ganz Europa zu verbreiten. Er fordert die Kommission jedoch auf, im Rahmen der strategischen Vision die öffentliche Initiative mit Initiativen zu koppeln, die eine öffentlich-private Partnerschaft vorsehen.

5.5

Der EWSA fordert, im Zeitraum 2017-2020 einen qualitativ hochwertigen kostenlosen WLAN-Dienst mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von mindestens 100 Mbit/s (Ultrabreitband) einzurichten, der jedoch bereits für eine mittelfristige Anpassung an höhere Geschwindigkeiten ausgelegt ist. Hierfür gibt es drei Gründe:

a)

die WiFi4EU-Initiative soll mit der Mitteilung zur Gigabit-Gesellschaft in Einklang gebracht werden, mit der darauf abgezielt wird, europaweit alle Räume, in denen öffentliche Dienstleistungen erbracht werden (öffentliche Verwaltung, Krankenhäuser, Bibliotheken), bis 2025 an das ultraschnelle Glasfasernetz (1 Gbit/s) anzubinden;

b)

mit einem einfachen ADSL-Anschluss ließe sich aufgrund seiner technischen Grenzen (Latenzzeit, Stabilität der Verbindung und maximale Bandbreite) nicht Dutzenden von Menschen gleichzeitig ein Zugang mit zufriedenstellender Qualität garantieren;

c)

das Konzept eines kostenlosen öffentlichen Dienstes darf nicht gleichbedeutend mit schlechter Qualität sein.

5.6

Der Ausschuss hält es für eine gute Idee, bei WiFi4EU auf das Eduroam-Projekt aufzubauen, ist aber der Ansicht, dass diese Initiativen von Anfang an einander ergänzen sollten und allen Bürgern europaweit der Zugang mit einer einheitlichen digitalen Identität garantiert werden muss. In diesem Zusammenhang schlägt der Ausschuss vor, inhaltlich auf die bereits in der eIDAS-Verordnung (7) festgehaltenen Bestimmungen über die digitale Identität zurückzugreifen, die nachweislich sowohl Datenschutz als auch Schutz gegen einen Missbrauch des Dienstes (Terrorismus) garantieren. Dies hätte auch erhebliche Auswirkungen im Hinblick auf die Stärkung des Gefühls einer europäischen Bürgerschaft.

5.7

Der EWSA befürwortet die Einführung unbürokratischer und gestraffter Verfahren für den Zugang zu Finanzmitteln. Er merkt jedoch an, dass in dem Kommissionsvorschlag keine Mindestzeitraum vorgesehen ist, für den die begünstigten lokalen Behörden obligatorisch einen kostenlosen WLAN-Zugang anbieten müssen (die Nichteinhaltung wird mit der Rückzahlung der erhaltenen Finanzmittel geahndet). Der EWSA empfiehlt, für die Bereitstellung des Dienstes eine Mindestdauer von drei Jahren festzulegen.

5.8

Die Kommission sollte außerdem die Mitgliedstaaten ermutigen, die Verbreitung eines kostenlosen WLAN-Internetzugangs in allen öffentlichen Räumen zu fördern. Mit Blick auf eine harmonischere Entwicklung der EU, die mehr Möglichkeiten und mehr Lebensqualität für alle bietet, wäre dies besonders in Kleinstädten wichtig sowie in Gebieten mit geringen kommerziellen Aktivitäten, in denen die großen Wirtschaftsteilnehmer kaum in digitale Infrastrukturen investieren werden.

5.9

Der EWSA bekräftigt seine Aufforderung an die Kommission, dem demografischen Aspekt Rechnung zu tragen. Viele ältere Menschen sind tatsächlich noch digitale Analphabeten. Der Ausschuss empfiehlt daher, dass WiFi4EU die Schaffung eines einzigen, mehrsprachigen und benutzerfreundlichen Zugangsportals beinhaltet. Der Ausschuss empfiehlt des Weiteren, dass Gemeinden, die finanzielle Mittel empfangen, Schulungen für vor allem ältere Menschen anbieten, um die Verbreitung des Internets zu fördern, den Erfolg der Initiative sicherzustellen, soziale Ausgrenzung zu bekämpfen und lokale Gemeinschaften zu festigen.

Brüssel, den 26. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 8.

(2)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 28.

(3)  ABl. C 451 vom 16.12.2014, S. 25.

(4)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 9.

(5)  Siehe Fußnote 1.

(6)  Siehe Fußnote 1.

(7)  ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73.


21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/74


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — 5G für Europa: ein Aktionsplan“

(COM(2016) 588 final)

(2017/C 125/11)

Alleinberichterstatter:

Mihai MANOLIU

Befassung

Kommission, 24.11.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

11.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

26.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

199/1/4

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hält es für angemessen, die Ziele der Europäischen Kommission bezüglich der Einführung der ersten 5G-Netze (bis 2018) und der Lancierung kommerzieller Dienste in Europa (bis Ende 2020) zu unterstützen.

1.2.

Nach Auffassung des EWSA werden die entscheidenden Faktoren die erfolgreiche Umsetzung der Projekte im Rahmen der öffentlich-privaten Partnerschaft für eine 5G-Infrastruktur (5G-PPP) während der Forschungsphase und die Integration der Fronthaul- und Backhaul-Datenübertragungsnetze über leistungsfähige Schaltungen, heterogene Netze und Prozessoreinheiten in der Cloud unter Nutzung mehrerer Internetdienstanbieter sein.

1.3.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission zur Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und den internationalen Organisationen auf, um technische Probleme im Zusammenhang mit den Frequenzen und der Bandbreite zu beheben sowie Normen auszuarbeiten (ohne spezifische Normen gibt es keine massentaugliche Entwicklung und somit auch keine Vermarktung der entsprechenden Ausrüstung zu angemessenen Preisen).

1.4.

Der EWSA ist sich der möglichen Risiken (mehrere Faktoren könnten sich als hinderlich für das Erreichen der Ziele erweisen) für alle Ballungsräume und die Hauptverkehrswege bewusst, in denen künftig ein 5G-Netz verfügbar sein wird. Die Maßnahmen zur Ankurbelung der Nachfrage haben sich in Bezug auf die Bereitstellung von Dienstleistungen in diesen Gebieten als nicht wirksam erwiesen.

1.5.

Der EWSA unterstützt den Plan, unzureichende Investitionen von Privatunternehmen in abgelegenen oder dünn besiedelten Regionen in einigen Mitgliedstaaten durch öffentliche Investitionen oder sonstige Finanzierungslösungen auszugleichen. Gleichzeitig hält es der EWSA für notwendig, bei der Bewertung, ob Entscheidungen über die öffentliche Finanzierung stichhaltig sind, auch die entsprechenden Übertragungseffekte auf die lokale Wirtschaft, Telearbeit, das Angebot von Gesundheitsdiensten und neue Möglichkeiten für das Bildungswesen zu berücksichtigen.

1.6.

Der EWSA empfiehlt die Vereinheitlichung der Verfahren und die Festlegung von Spezifikationen für jede Phase der 5G-Projekte, um für gerechte Arbeitsbeziehungen zu sorgen. So werden die Sozialpartner die Möglichkeit haben, sowohl die Mängel als auch den jeweiligen Fortschritt bezüglich der Ziele objektiv zu beurteilen.

1.7.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die 5G-Netze aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften — Interoperabilität, Transparenz und Datensicherheit — erheblich zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen der Mitgliedstaaten und zur Verringerung des Verwaltungsaufwands beitragen können.

1.8.

Der EWSA unterstreicht die potenzielle Rolle der KMU im digitalen Bereich. KMU sind nämlich in der Lage, neue Innovationsmodelle auf den Markt zu bringen; die staatliche Finanzierung bestimmter virtueller Cluster für KMU kann eine Lösung für die Förderung von Jungunternehmen und eine nicht zu vernachlässigende Möglichkeit neben anderen innovativen und personalisierten Finanzierungsmodellen sein.

1.9.

Nach Auffassung des EWSA muss die Entwicklung der digitalen Fähigkeiten der Bürger im Allgemeinen und der Arbeitnehmer im Besonderen für die Europäische Union eine Priorität sein. Durch die EU-Maßnahmen zur Strategie für IKT-Kompetenzen und die große Koalition für digitale Arbeitsplätze werden Beziehungen zwischen den Sozialpartnern, Bildungsanbietern und weiteren, für diesen Bereich zuständigen sozialen Akteuren geknüpft. Der EWSA plädiert dafür, Menschen mit Behinderungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen, indem die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, um ihnen einen einfachen Zugang zu den neuen 5G-Technologien zu gewähren.

1.10.

Der EWSA spricht sich dafür aus, dass durch auf Strukturfonds-Fördermittel zugreifende Investitionen gleiche Bedingungen für alle Mitgliedstaaten und ein fairer und diskriminierungsfreier Zugang für alle Wirtschaftsteilnehmer geschaffen werden.

1.11.

Der Land- und Forstwirtschaft und vielen Unternehmen in ländlichen und abgelegenen Gebieten Europas wurden immer wieder schnellere Breitbanddienste und 3/4G-Mobilfunknetze versprochen, doch wurden diese Versprechungen nie eingehalten. Wenn die ländlichen, abgelegenen, Berg- und Inselgebiete in Europa eine Zukunftsperspektive haben sollen, müssen sie auch Anspruch auf eine Bandbreite von mindestens 5 Mbit/s und 3/4G-Mobilfunknetze haben.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1.

In all seinen Stellungnahmen hat der EWSA die Initiativen der Europäischen Kommission im Bereich der IKT als eine Voraussetzung für die Vollendung des digitalen Binnenmarkts als Impulsgeber für die sozioökonomische Entwicklung der EU unterstützt. Der EWSA würdigt das Eintreten der Kommission für den Aufbau der Netze der 5. Generation (Technologie der integrierten Schaltungen für Mobilfunknetze) und unterstützt die Schritte, die sie bereits während der Forschungsphase unternommen hat. Wie bei jedem neuen Produkt oder Dienst beinhalten ihre Entwicklung und Vermarktung eine Reihe von Risiken und Chancen, die objektiv beurteilt werden sollten, um die im Sinne der gewünschten Ergebnisse am besten geeigneten Maßnahmen umsetzen zu können.

2.2.

Obwohl sie auf der derzeitigen Technologie beruht, sollte die Generation 5G nicht mit der 4G-Technologie verwechselt werden, die mehrere fortgeschrittene globale Technologien umfasst, etwa LTE und LTE Advanced (TD-LTE, AXGP, LTE-A, TD-LTE-A, LTE mit VoLTE), WiMax, WiMAx2, Network functions virtualization/Software-defined Networking (NFV/SDN), HetNets und LPLT (Low Power Low Throughput network).

2.3.

Im Vergleich zur 4G- beruht die wichtigste Eigenschaft der 5G-Technologie in ihrer wesentlich höheren Geschwindigkeit (Samsung kündigte eine Geschwindigkeit von 7,5 Gbit/s, Nokia von 10 Gbit/s an, während die britische Universität Surrey im vergangenen Jahr angab, die erstaunliche Geschwindigkeit von 1 Tbit/s erreicht zu haben, was mit den Möglichkeiten des Glasfaserkabels vergleichbar ist; allerdings wurden all diese Ergebnisse unter Laborbedingungen erzielt). Neben der Geschwindigkeit gehören auch geringe Latenzzeiten (garantierte Latenz unter 1 ms in den großen Netzen) und die hohe Kapazität zu den weiteren großen Fortschritten. Sollte eine Latenzzeit unter 1 ms in der Praxis nicht erreicht werden, könnte ein Teil der Dienste im Zusammenhang mit der 5G-Technologie (erweiterte Realität, virtuelle Realität, fahrerlose Kfz, taktiles Internet) nicht mit den erforderlichen Eigenschaften gewährleistet werden.

2.4.

Desgleichen hängen die Reaktionen aller Beteiligten auf dem Markt von diesen erwarteten technischen Eigenschaften ab. Es sei daran erinnert, dass die Erwartungen in Bezug auf den Internetzugang der Mobiltelefonnutzer bei der Umstellung der 2G- auf die 3G-Netze nicht erfüllt wurden. Sie wurden erst erfüllt, als die Mobilfunktechnik 3,5G über die Kombination von Smartphones und mobilen Breitbandnetzen den Zugang zum Internet für diese Geräte möglich machte.

2.5.

Die 5G- und die Glasfaserkabelnetze ergänzen sich gegenseitig. Über kurze Entfernungen und in von einer Vielzahl von Verbindungen überlasteten Gebieten ist die 5G eine bessere Lösung. Für die Übertragung von Informationen über eine große Entfernung hinweg weisen Glasfasernetze (Backhaul und Backbone) unschlagbare Vorteile auf, nämlich eine Übertragungsgeschwindigkeit bis 1 Tbit/s, keine Gefahr von Interferenzen aufgrund der elektromagnetischen Überfrachtung, die zur Störung drahtloser Technologien führt, und praktisch keine Abschwächung des Signals während der Übertragung.

2.6.

Die Normung der sowohl für die Ausrüstungen und Geräte als auch für die Netzwerke notwendigen technischen Spezifikationen ist ein zentraler Aspekt der Anliegen der betroffenen Unternehmen und der in diesem Bereich tätigen internationalen Organisationen. In den Spezifikationen werden Anweisungen gegeben, die eine Prüfung und Validierung der für die 5G wichtigen technischen Komponenten ermöglicht. Die Ausarbeitung von Spezifikationen bietet den industriellen Partnern, den Komponenten- und Netzanbietern sowie den Betreibern die Möglichkeit, interoperable Lösungen zu entwickeln, und trägt zum Vornormungsverfahren bei. Als die ITU, das 3GPP und andere Normungsgremien beschlossen, das Jahr 2020 als Frist für die Festlegung der 5G-Normen zu wählen, haben die Mobiltelefonieanbieter ihre Anstrengungen im Hinblick auf das wettbewerbsfähigste Angebot von 5G-Diensten intensiviert.

2.7.

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Aktionspläne für die Entwicklung und breite Einführung der 5G durch unterstützende Initiativen (zur Ankurbelung der Nachfrage nach einer erschwinglichen Breitbandversorgung) und operationelle Maßnahmen gefördert werden müssen, so dass diese optimistischen Fristen eingehalten werden können.

2.8.

Der EWSA befürchtet, dass die Entwicklung der 5G-Netze dazu führen könnte, dass der gegenwärtige 3G- und 4G-Ausbau in ländlichen, abgelegenen und Berggebieten eingestellt werden könnte, nur weil in Aussicht gestellt wird, dass irgendwann in den nächsten 20 Jahren etwas Besseres kommt.

2.9.

In vielen Gegenden Europas gibt es keinen Mobilfunkempfang und kein 2G-, 3G- oder 4G-Netz, denn jedes Mal, wenn eine neue Technologie verfügbar ist, wird der Ausbau der Vorversionen eingestellt, was dazu geführt hat, dass die Kommunikationsdienste in vielen ländlichen, abgelegenen und Berggebieten in Europa bereits seit 20 Jahren überholt sind.

2.10.

Ultraschnelle Breitbanddienste werden integraler Bestandteil des 5G-Netzes sein — doch was ist, wenn Unternehmen keinen superschnellen Glasfaseranschluss, sondern nur Zugang zu einem drahtgebundenen Netzwerk mit einer Datenrate von weniger als 1 Mb/s haben? Der Land- und Forstwirtschaft und vielen Unternehmen in ländlichen und abgelegenen Gebieten Europas wurden immer wieder schnellere Breitbanddienste und 3/4G-Mobilfunknetze versprochen, doch wurden diese Versprechungen nie eingehalten.

2.11.

Die spärliche Besiedlung weitläufiger Gebiete ist ein europaweit verbreitetes Problem, das von Anbietern als Grund angeführt wird, warum für diese Gebiete keine Dienste bereitgestellt werden können. Wenn die ländlichen, abgelegenen, Berg- und Inselgebiete in Europa eine Zukunftsperspektive haben sollen, müssen sie auch Anspruch auf eine Bandbreite von mindestens 5 Mbit/s und 3/4G-Mobilfunknetze haben.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1.

Aufgrund der immensen Kosten einer Einführung neuer Technologien betont der EWSA, dass der Investitionsbedarf in der EU den Wert der im Rahmen der von der Europäischen Kommission eingegangenen öffentlich-privaten Partnerschaft geplanten Investitionen (4,2 Mrd. EUR) deutlich übersteigt. Der EWSA ist der Ansicht, dass die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen dazu beitragen können, die finanziellen, personellen und technischen Anstrengungen zu unterstützen, sofern das Augenmerk nicht nachlässt, ein Förderrahmen für private Investitionen geschaffen wird und die Bemühungen der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten optimal aufeinander abgestimmt werden.

Aktion 1: Die Kommission arbeitet mit den Mitgliedstaaten und den Interessenträgern aus der Wirtschaft zusammen, um auf freiwilliger Basis ein Arbeitsprogramm zur möglichst raschen Einrichtung der 5G-Netze zu erstellen.

3.2.

Die Ziele der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit der Lancierung der ersten 5G-Netze bis Ende 2018, gefolgt von der Aufnahme der gewerblichen 5G-Dienste in Europa bis Ende 2020, hängen hauptsächlich von den Ergebnissen der Projekte ab, die im Rahmen des 5G-PPP während der Forschungsphase durchgeführt wurden. Von diesen Projekten ist 5GXCrosshaul von besonderer Bedeutung, dessen Ziel darin besteht, die Fronthaul-Netze (drahtlose 5G-Netze) mit den Backhaul-Netzen (Netze, die zum größten Teil aus Glasfaserkabeln bestehen) für die Datenübertragung zusammenzuführen. Dazu sind Schaltungen mit größerer Kapazität, heterogene Netze, Prozessoren in der Cloud (Mini-Datenzentren) und Einwahlknoten mit Grundnetzen eines oder mehrerer Anbieter von Internetdiensten erforderlich.

Aktionen 2 und 3: Die Kommission arbeitet mit den Mitgliedstaaten zusammen, um eine vorläufige Liste von „Vorreiter“-Frequenzbändern für den Start der ersten 5G-Dienste festzulegen (bis Ende 2016) und eine Einigung über das komplette Set an Frequenzbändern, die für den Ausbau der ersten privatwirtschaftlichen 5G-Netze in Europa zu harmonisieren sind, zu erzielen (bis Ende 2017).

3.3.

Da die von den 3G- und 4G-Technologien genutzten Frequenzen überlastet sind, ist die Lösung von Problemen technischer Art in Bezug auf die Zahl der Frequenzen und der Bandbreite für die 5G auf globaler Ebene unabdingbar. Neben der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten sollte die Europäische Kommission auch die Maßnahmen berücksichtigen, die auf internationaler Ebene durch die zuständigen Stellen bereits ergriffen wurden. Für die 5G haben die ITU und das 3GPP, die Normungsgremien für Telekommunikation wie ARIB, ATIS, ETSI, TSDSI, TTA, TTC und CCSA vereinen, einen aus zwei Schritten bestehenden Plan vereinbart: zuerst die Forschung, danach die groß angelegte Entwicklung.

Aktion 4: Im Rahmen der Entwicklung der nationalen 5G-Fahrpläne wird die Kommission mit der Industrie, den Mitgliedstaaten und anderen Akteuren zusammenarbeiten (lückenlose 5G-Versorgung bis 2025).

3.4.

Das Ziel der EU, nämlich die Gewährleistung der 5G-Versorgung für alle städtischen Gebiete und die wichtigsten Verkehrsachsen in jedem Mitgliedstaat bis zum Jahr 2025, wird nur schwer zu erreichen sein. Der EWSA verweist darauf, dass es sehr gewagt ist, die Verwirklichung von ehrgeizigen Zielen innerhalb knapper Fristen anzukündigen. Die Analyse der Einrichtung der Zugangsnetze der nächsten Generation (Next Generation Network) und der Strategien zur Verringerung der digitalen Kluft hat gezeigt, dass die weißen und grauen Gebiete, wie sie in den Leitlinien für den Ausbau der Breitbandnetze definiert werden, noch größer sind. Weder die Vorabregulierung noch die Maßnahmen zur Ankurbelung der Nachfrage führten zur Gewährleistung der Bereitstellung von Breitbanddiensten in diesen Gebieten.

3.5.

Der EWSA betont, dass die Förderung und Finanzierung von Projekten für den Aufbau der 5G-Netze durch eine Kürzung der Finanzmittel für den Ausbau der Glasfasernetze (Netze der neuen Generation NGA und NGN) zu einer Verbreiterung der digitalen Kluft zwischen den Regionen bestimmter Mitgliedstaaten führen können. Der Mangel an privaten Investitionen für 5G-Netze und Glasfasernetze in abgelegenen Gebieten und in dünnbesiedelten Gebieten, der mit der begrenzten Rendite des investierten Kapitals zu erklären ist, muss durch öffentliche Investitionen oder die Schaffung anderer Finanzierungslösungen auf nationaler Ebene ausgeglichen werden. Bei der Förderung von Maßnahmen zur öffentlichen Finanzierung müssen die Übertragungseffekte auf die lokale Wirtschaft, Telearbeit, Gesundheitsdienste und Möglichkeiten für das Bildungswesen berücksichtigt werden.

Aktion 5: Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten und die Unternehmen auf, Ziele für die Standardisierung festzulegen (erste Standards bis Ende 2019).

3.6.

Durch die 5G-Pläne allein können weder das Netz noch die Nutzer geschützt werden. Im Hinblick auf die Gewährleistung eines angemessenen Schutzniveaus bedarf es unbedingt der Standardisierung der 5G-Netze und der Verfahren. Eine Überwachung der 5G-Netzwerkifrastrukturen, eine Trennung der Verwaltungsnetze vom Netz für Dienstleistungen, die Festlegung präziser Verfahren bei Zwischenfällen sowie weitere Verfahren können ein optimales Sicherheitsniveau gewährleisten, und zwar sowohl für die Nutzer als auch für die Netzinfrastruktur. Sicherheitsprüfungen sind von wesentlicher Bedeutung. Alle Interaktionsprotokolle müssen ordnungsgemäß funktionieren, auch im Falle von Hacking (Hacker versuchen ständig, die Schwachstellen der Produkte zu entdecken und auszunutzen).

3.7.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Standardisierung der Verfahren in den industriellen Prozessen und das Vorhandensein technischer Spezifikationen für die Ausrüstungen wesentliche Voraussetzungen für die Schaffung fairer Arbeitsbeziehungen in den Unternehmen der Branche sind, wobei die Sozialpartner die Ursachen eventueller Mängel objektiv bewerten und einen Beitrag zu den notwendigen Berichtigungen ebenso wie zur Erreichung der angestrebten Ziele leisten können. In mehreren früheren Stellungnahmen hat der EWSA bereits festgestellt, dass eine ausufernde Standardisierung die Fortschritte in diesem Bereich behindern kann.

Aktion 6: Zur Förderung des Entstehens auf 5G-Netzanbindung gestützter digitaler Ökosysteme sollten zentrale technologische Experimente und Erprobungen von Anwendungen im Rahmen der 5G-PPP vorgesehen (2017) sowie detaillierte Fahrpläne für die für die Umsetzung fortgeschrittener vorkommerzieller Tests (März 2017) ausgearbeitet werden (2018: Europa — globaler Spitzenreiter bei der Einführung der 5G).

3.8.

Die im frühestmöglichen Stadium erfolgende Erprobung der Endgeräte und Anwendungen auf europäischer Ebene kann gegenüber den großen Akteuren auf globaler Ebene ein Vorteil sein. Bezüglich der kommerziellen Nutzung müssen für den großflächigen Einsatz der 5G-Technologie eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt werden. So ist der EWSA der Ansicht, dass es keine großflächige Entwicklung geben wird, solange die spezifischen Standards nicht angenommen werden, dass es ohne Entwicklung keinerlei Vermarktung von Ausrüstung zu erschwinglichen Preisen geben wird, und dass ein Mangel an Ausrüstung einem Mangel an Schlüsselkomponenten für die 5G gleichkommt.

3.9.

Der EWSA äußert sich zu einer der größten Herausforderungen im Zusammenhang mit der 5G-Technologie, nämlich das Anziehen von Investitionen für eine groß angelegte Entwicklung und Einrichtung, da die 4G-Technologie, die von den meisten Nutzern mit dem LTE-Standard verwechselt wird, auch künftig noch ein großes Potenzial birgt und da die Investitionen der Betreiber in die LTE-Netze sehr wahrscheinlich Einnahmen generieren werden.

3.10.

In Europa bleibt die Umstellung von 3G auf 4G im Vergleich zu Südkorea, den Vereinigten Staaten und Japan begrenzt. Es ist möglich, dass die Anbieter, ja sogar die Nutzer den 4G-Netzen den Vorzug geben, und dies umso mehr, als die derzeitige Entwicklung der 4G-Netze unabhängig von der 5G fortgesetzt wird, damit jede der Technologien, die zur 4G gehören, den Anbietern in den nächsten Jahren quantifizierbare Gewinne einbringen kann, und zwar zu wesentlich niedrigeren Kosten als denen, die mit der Entwicklung einer neuen Technologie einhergehen.

Aktion 7: Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, die Nutzung der 5G-Infrastruktur zur Verbesserung der Leistungen der Kommunikationsdienste in Erwägung zu ziehen, um die öffentliche Sicherheit, Katastrophenschutz und das Eingreifen im Katastrophenfall zu gewährleisten (nationale Fahrpläne für die 5G).

3.11.

Der EWSA ist davon überzeugt, dass die 5G-Netze einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen, der Nutzung der Daten und der Interoperabilität leisten können. Dadurch, dass die Mitgliedstaaten dazu angehalten werden, die Nutzung der künftigen 5G-Infrastruktur durch öffentliche Einrichtungen zu unterstützen, können die neuen Netze gefördert werden. Der EWSA empfiehlt der Kommission, außerdem die Möglichkeit zu prüfen, regelmäßig in die Ersetzung der Geräte zu investieren, die täglich von den Beschäftigten in den europäischen Institutionen genutzt werden, und somit zu zeigen, dass sie im Rahmen der Förderung der 5G auch selbst als Verbraucher agieren will. Darüber hinaus sollte den Mitgliedstaaten die gleiche Empfehlung in Bezug auf öffentliche Investitionen gegeben werden.

3.12.

Aufgrund seiner Auffassung, dass es für die EU von entscheidender Bedeutung ist, private Investitionen anzuziehen, empfiehlt der EWSA die Erarbeitung politischer Maßnahmen, mit denen nicht nur die Forschung, sondern auch die Innovation gefördert wird. Der Europäische Innovationsrat ist eine Möglichkeit unter vielen, um erheblich zur Förderung der Innovation beizutragen.

3.13.

Die Europäische Kommission muss vorrangig die Forschung, Innovation und die Entwicklung in der EU fördern und den europäischen Unternehmen Anreize zur Erhöhung ihrer Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) im Rahmen der Europäischen Union verschaffen sowie weitere Investoren außerhalb der EU anziehen. Im Zeitraum 2007-2015 überwiesen die europäischen Unternehmen zunehmend mehr FuE-Mittel in Länder außerhalb der EU. Dieser Anstieg (China ist inzwischen der Hauptempfänger der FuE-Ausgaben der Unternehmen) hat zusammen mit einem Rückgang der von außerhalb der EU stammenden FuE-Mittel zu einem Rückgang der FuE-Investitionen in Europa beigetragen.

Aktion 8: Die Kommission wird mit dem betreffenden Wirtschaftszweig sowie der EIB/EIF-Gruppe (KMU-Finanzierung) zusammenarbeiten, um die Ziele, die Ausgestaltung und die Modalitäten einer Risikokapital-Finanzierungsfazilität festzulegen (die Durchführbarkeit ist bis März 2017 zu bewerten, private Finanzierung und öffentliche Finanzierung aus verschiedenen Quellen).

3.14.

Der EWSA begrüßt die Initiativen der Europäischen Kommission zur Förderung der Unternehmer im digitalen Bereich. Das 2014 gegründete Europäische Forum für digitales Unternehmertum hat die Ergebnisse seiner einschlägigen Arbeiten veröffentlicht. Der EWSA ist überzeugt, dass den KMU eine wichtige Rolle bei der Förderung neuer Innovationsmodelle zukommen kann. Die Schaffung und Umsetzung von Finanzierungslösungen, mit denen virtuelle, auf KMU zugeschnittene Innovationscluster geschaffen und entwickelt werden sollen, ist ein Ansatz, um innovative europäische Start-up-Unternehmen durch den Zugang zu öffentlichen Mitteln für die Entwicklung von Diensten und Anwendungen zu unterstützen und so eine wichtige Chance zu nutzen.

3.15.

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Entwicklung der digitalen Kompetenzen der Bürger im Allgemeinen und der Arbeitnehmer im Besonderen auch weiterhin eine Priorität für die Europäische Union im Rahmen der Einführung der 5G-Netze sein muss. Die Maßnahmen der EU zur Förderung der digitalen Kompetenz und des europäischen Referenzrahmens für Computerkenntnisse sind nach wie vor aktuell.

3.16.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Große Koalition für digitale Arbeitsplätze, der die Sozialpartner, Bildungseinrichtungen und weitere öffentliche und private Akteure angehören, dazu beitragen kann, mehr junge Menschen für die IKT-Branche zu gewinnen.

Der aufgrund ihrer geringen Kaufkraft eingeschränkte Zugang benachteiligter Gruppen zu den 5G-Netzen und den spezifischen Anwendungen wird künftig eine strategische Herausforderung für die EU sein. Besonderes Augenmerk muss auf Menschen mit Behinderungen liegen, die über einen einfachen Zugang zu den neuen Geräten und Technologien verfügen müssen, die von den Herstellern entwickelt werden.

3.17.

Nach Meinung des EWSA müssen in den Investitionsplänen, die sich auf die Strukturfonds stützen, gleiche Bedingungen für alle Mitgliedstaaten vorgesehen werden. Die Kriterien, die in den Verdingungsunterlagen für die Genehmigung von Projekten festgelegt werden, müssen einen ausgeglichenen und diskriminierungsfreien Zugang der Mitgliedstaaten und der Wirtschaftsakteure aller Mitgliedstaaten gewährleisten. Zur Vermeidung einer Verschärfung der digitalen Ungleichheiten zwischen Mitgliedstaaten, die dem Ziel der Schaffung eines digitalen Binnenmarkts in der EU abträglich wäre, empfiehlt der EWSA eine Analyse der Art und Weise der Umsetzung des Juncker-Plans. Man muss entsprechende Lehren aus der Behebung der festgestellten Mängel ziehen, so dass die politische Beschlussfassung bezüglich der Finanzierung von 5G-Netzen einer der wichtigsten Faktoren zur Stärkung des Zusammenhalts innerhalb der EU wird.

3.18.

Neben den Risiken, die sich aus der technischen Leistungsfähigkeit der neuen Netze, den Maßnahmen und Entscheidungen über die Zuweisung öffentlicher Mittel sowie den Risiken kommerzieller Art ergeben, die eingegangen werden, wenn in neue Technologien investiert wird bzw. Investitionen zur Verbesserung bestehender Technologien aufrecht erhalten werden (das 4G-Netz wird voraussichtlich ab 2030 überlastet sein), gibt es weitere Risiken, die von den Investoren sorgfältig geprüft werden, bevor sie entscheiden, ob sie investieren oder nicht.

3.19.

Die kontinuierliche Überwachung der Fortschritte bei der Einführung der 5G-Netze wird die Korrektur der Fehlentwicklungen ermöglichen, die in der Zeit zwischen den Ex-ante- und den Ex-post-Bewertungen unweigerlich auftreten werden, so dass die beiden in der Mitteilung angekündigten Ziele erreicht werden können — das eine betrifft die standardessenziellen Patente (SEP) für die Normen (hiervon müssen 20 % im Besitz europäischer Organisationen sein), das andere den Marktanteil von mindestens 35 %, der von europäischen 5G-Netzinfrastrukturanbietern gehalten werden muss.

Brüssel, den 26. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/80


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beteiligung der Union an der von mehreren Mitgliedstaaten gemeinsam durchgeführten Partnerschaft für Forschung und Innovation im Mittelmeerraum (PRIMA)“

(COM(2016) 662 final — 2016/0325 (COD))

(2017/C 125/12)

Hauptberichterstatter:

Emilio FATOVIC

Befassung

Kommission: 18.10.2016, Rat: 9.11.2016, Parlament: 27.10.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 188 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

REX

Verabschiedung auf der Plenartagung am

26.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

164/3/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt im Einklang mit seinen zahlreichen früheren Stellungnahmen die Beteiligung an dem Programm PRIMA im Hinblick auf die Entwicklung gemeinsamer innovativer Lösungen, um die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln im Mittelmeerraum in puncto Umwelt und Kosten sicherer, wirksamer, effizienter und nachhaltiger zu gestalten.

1.2.

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Beteiligung an PRIMA einen Mehrwert für die gesamte EU darstellen würde, da sie mit einem integrierten Ansatz einige der grundlegenden Ursachen angehen könnte, die der Instabilität im Mittelmeerraum zu Grunde liegen und der Massenmigration Vorschub leisten. Andererseits könnte PRIMA durch die vertragliche Partnerschaft und die Überwindung der bilateralen zugunsten einer multilateralen, gemeinsamen Logik in den nächsten Jahren ein wichtiges Modell werden.

1.3.

Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass ein echter ganzheitlicher, sektorübergreifender Mehrebenenansatz zusammen mit konkreten und messbaren Zielen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit, Lebensqualität und Qualität der Beschäftigung, Menschenrechte und Demokratie unverzichtbare Voraussetzungen für den Erfolg von PRIMA sind.

1.4.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag, die Beteiligung an dem Programm PRIMA auf Artikel 185 AEUV zu stützen, um erstmals auf derselben Ebene die größtmögliche Integration in puncto Wissenschaft, Verwaltung und Finanzierung unter Einbeziehung der Mitgliedstaaten und Drittländer zu gewährleisten. All dies soll zu einer umfassenderen Makroregionalen Strategie für den Mittelmeerraum gebündelt werden, im Rahmen derer sämtliche bereits für diese Region konzipierten anderen politischen Maßnahmen (ENP), Initiativen und Partnerschaften (Mittelmeerunion) berücksichtigt werden, und wird dazu beitragen, die gemeinsamen Probleme mit Drittländern im Sinne einer gemeinsamen Entwicklung und Mitentscheidung besser zu bewältigen.

1.5.

Der EWSA unterstützt den Grundsatz, dass die Finanzmittel der EU für das Programm PRIMA zumindest den nationalen Finanzmitteln entsprechen sollten, und dass die Kommission im Falle der Nichtzahlung oder eines verzögerten Beitrags durch die Förderländer den Finanzbeitrag der EU anteilig kürzen kann.

1.6.

Der Ausschuss unterstützt die Einrichtung von PRIMA-IS, der für die Verwaltung und Kontrolle des Programms zuständigen Durchführungsstelle. Der EWSA plädiert dafür, dass diese Einrichtung durch eine offene Steuerung gekennzeichnet sein und inklusive Aufnahmemechanismen — insbesondere für den Beitritt neuer Drittstaaten bzw. von Mitgliedstaaten — umfassen soll. Außerdem hofft der Ausschuss, dass alle etwaigen betroffenen Interessensträger (Regionen, lokale Gebietskörperschaften, Hochschulen und organisierte Zivilgesellschaft) an PRISMA-IS beteiligt werden, um deren Governance zu stärken und um dazu beizutragen, gemeinsam die wirtschaftlichen, beschäftigungspolitischen und sozialen Auswirkungen des Programms zu ermitteln und zu überwachen.

1.7.

Der EWSA empfiehlt, PRIMA entsprechend dem Querschnittscharakter in die anderen Politikbereiche der EU, das Paket zur Kreislaufwirtschaft und in alle damit verbundenen Initiativen (z. B. Landnutzung und Düngemittel) einzubetten.

1.8.

Der Ausschuss bekräftigt die Dringlichkeit einer Boden-Rahmenrichtlinie, die den Unterschieden zwischen den verschiedenen EU-Ländern Rechnung trägt, um die Forschungs- und Innovationstätigkeiten im Rahmen des Programms PRIMA zielgerichteter zu gestalten.

1.9.

Der EWSA betont, dass in dem Programm das Thema Wasser mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung global behandelt und dabei die ökologische, wirtschaftliche und sozialen Dimension berücksichtigt werden muss — ebenso wie der gesamte Wasserkreislauf, der auch künstliche Etappen umfasst. Denn es gilt, einen ausgewogeneren Ansatz für Wasserentnahmen zu finden, der den Anforderungen und den konkurrierenden Verwendungszwecken zwischen dem Wirtschafts- und dem Energiesektor wie auch dem notwendigen Schutz der Süßwasser-Ökosysteme und der erforderlichen Wahrung eines Grundrechts der Bürger Rechnung trägt.

1.10.

Der EWSA hält das Programm Horizont 2020 für das am besten geeignete Instrument zur Verteilung der Mittel und begrüßt außerdem, dass die meisten in dem Programm PRIMA vorgesehenen Tätigkeiten unter den sogenannten „Herausforderungen der Gesellschaft“ verbucht werden. Der Ausschuss empfiehlt insbesondere Forschungs- und Innovationsverfahren in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelerzeugung zu fördern, die erschwinglich und leicht übertragbar sind und große gesellschaftliche Auswirkungen haben, die aber auch die Aufwertung von überliefertem Wissen vorsehen, um das Phänomen der Abwanderung von Fachkräften zu bekämpfen sowie Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsfähigkeit entsprechend den Zielen der nachhaltigen Entwicklung zu fördern.

1.11.

Sollte ein Projekt oder mehrere Projekte nicht mit nationalen Mitteln finanziert werden können, da die nationale Mittelausstattung ausgeschöpft ist, so spricht sich der EWSA dafür aus, diese mit Unterstützung von PRIMA-IS zu finanzieren. Diese Finanzierung, die 20 % des EU Gesamtbeitrags zum Programm PRIMA nicht übersteigen darf, gewährleistet die Verwirklichung anspruchsvoller Projekte.

1.12.

Der EWSA begrüßt die Teilnahme von Akteuren aus nicht an PRIMA beteiligten EU-Staaten, wenn ihre Kompetenzen nicht in den bereits an PRIMA beteiligten Staaten zur Verfügung stehen. In diesem Fall kann ihr Finanzierungssatz in den „Forschungs- und Innovationsmaßnahmen“ 50 % nicht übersteigen und liegt bei „Innovationsmaßnahmen“ zwischen 35 % und 50 %. Dies ermöglicht die Realisierung anspruchsvoller Projekte im Sinne der EU und die Unterstützung der Staaten, die sich an dem Programm PRIMA beteiligen und darin investieren wollen.

1.13.

Angesichts den großen Schwierigkeiten vieler bereits an Horizont 2020 beteiligten Drittstaaten, den formalen Anforderungen des Programms rasch und effizient gerecht zu werden, fordert der Ausschuss deren möglichst weitgehende Vereinfachung und eine aktive Unterstützung des Kapazitätsaufbaus.

2.   Einleitung

2.1.

Nach Angaben der Vereinten Nationen leiden im Mittelmeerraum 180 Millionen Menschen „unter Wasserarmut“, was 50 % der „unter Wasserarmut leidenden“ Weltbevölkerung (1) entspricht. All dies wirkt sich gravierend auf Ernährung, Gesundheit, Lebensgrundlagen, Lebensstandards und Wohlbefinden der Menschen aus.

2.2.

Der FAO-Bericht „Mediterra 2016“ zeigt, dass dieses Phänomen in den letzten Jahren durch die politische Instabilität, den Klimawandel und das rasche Bevölkerungswachstum noch verschärft wurde. Neben diesen Faktoren gibt es die „dreifache Verschwendung“ — Missbrauch natürlicher Ressourcen, Lebensmittelverschwendung und langsames Verschwinden traditionellen Wissens (2).

2.3.

Die Probleme der Wasserknappheit sowie einer erschwinglichen und nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion gehören zu den wesentlichen Ursachen des Migrantenzustroms nach Europa. Werden diese nicht an der Wurzel gelöst, dann können deren Folgen weder kurz- noch langfristig bewältigt werden.

2.4.

Die von den Mitgliedstaaten im Mittelmeerraum für die Wasserversorgung und nachhaltige Nahrungsmittelerzeugung getätigten Investitionen in Forschung und Innovation (R&I) entsprachen niemals dem Ausmaß des Problems und waren oftmals auf Formen einer durch bilaterale Abkommen geregelten und damit fragmentierten Zusammenarbeit beschränkt.

2.5.

Die Idee einer Partnerschaft für Forschung und Innovation im Mittelmeerraum (PRIMA) entstand auf der Europa-Mittelmeer-Konferenz über Wissenschaft, Technologie und Innovation, die 2012 in Barcelona stattfand. Ziel ist es, die Zusammenarbeit im Europa-Mittelmeerraum bei Forschung und Entwicklung (FuE) im Rahmen der übergeordneten außenpolitischen Ziele der Union hinsichtlich der südlichen Nachbarschaft (3) zu stärken.

2.6.

Die Europäische Kommission hat eine gründliche Folgenabschätzung durchgeführt (4) und einen — in dieser Stellungnahme analysierten — Vorschlag für die Beteiligung an dem Programm unterbreitet (5) — im Anschluss an die Schlussfolgerungen des Rates (Wettbewerbsfähigkeit) vom 5. Dezember 2014 und einen förmlichen Vorschlag, der im Dezember desselben Jahres von den Mitgliedstaaten und den Drittländern des Mittelmeerraums vorgelegt worden war (6).

3.   Zusammenfassung des Kommissionsvorschlags

3.1.

Rechtsgrundlage für die Beteiligung an dem Programm PRISMA ist Artikel 185 AEUV. Mit diesem Instrument kann sich die Union im Einvernehmen mit den betreffenden Mitgliedstaaten bei der Durchführung des mehrjährigen Rahmenprogramms an Forschungs- und Entwicklungsprogrammen mehrerer Mitgliedstaaten und auch an den für die Durchführung dieser Programme geschaffenen Strukturen beteiligen.

3.2.

Das Programm mit einer Laufzeit von zehn Jahren wird gemeinsam von 14 Ländern durchgeführt werden:

9 Mitgliedstaaten: Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Malta, Portugal, Spanien, die Tschechische Republik und Zypern;

2 mit Horizont 2020 assoziierte Drittländer: Israel und Tunesien;

3 nicht mit Horizont 2020 assoziierte Drittstaaten: Ägypten, Libanon und Marokko.

3.2.1.

Die Beteiligung der nicht mit Horizont 2020 assoziierten Drittstaaten wird von einem internationalen Abkommen mit der EU zur Ausdehnung des Rechtsrahmens von PRIMA abhängen.

3.3.

PRIMA zielt darauf ab, im Mittelmeerraum dringend erforderliche gemeinsame innovative Lösungen für die Wasserversorgung und für Lebensmittelsysteme zu entwickeln. Durch diese Lösungen werden die Systeme für den Zugang zu Wasser und Lebensmitteln in puncto Umwelt und Kosten sicherer, wirksamer, effizienter und nachhaltiger werden.

3.4.

Das Programm PRIMA wird in einen größeren Rahmen anspruchsvoller Maßnahmen eingebettet sein und verschiedene andere europäische R&I-Initiativen ergänzen, u. a.:

Wissenschaftsdiplomatie

Überprüfung der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP)

Ziele für nachhaltige Entwicklung

Migration

Europäische Klimadiplomatie im Nachgang zur COP 21.

3.5.

Das Programm PRIMA zielt im Einklang mit der Mitteilung der Kommission über die Schaffung einer neuen Partnerschaft mit Drittländern im Rahmen der Europäischen Migrationsagenda  (7) darauf ab, im Rahmen von vertraglichen Partnerschaften die eigentlichen Ursachen der Migration unter Einsatz sämtlicher politischer Maßnahmen der EU (8) anzugehen.

3.6.

Hinsichtlich der Subsidiarität ist PRIMA als gemeinsames Programm aufgebaut, das aus nationalen Programmen und Maßnahmen der teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Länder — unter Beteiligung und finanzieller Unterstützung der EU — besteht. Dank dem multilateralen und multisektoralen Konzept sowie den umfangreichen Investitionen in Ressourcen dürften die mittel- und langfristigen technischen wie politischen Ziele erreicht werden, die die einzelnen Mitgliedstaaten bislang nicht allein erreichen konnten.

3.7.

Bezüglich der Verhältnismäßigkeit beteiligt sich die EU im Rahmen ihrer im AEUV vorgesehenen Zuständigkeiten an PRIMA, d. h. sie unterstützt lediglich — auch finanziell — die teilnehmenden Länder bei der Umsetzung der PRIMA-Ziele. Die teilnehmenden Länder werden zusammenarbeiten müssen, um die einschlägigen nationalen Programme oder Tätigkeiten zu koordinieren, aneinander anzupassen und besser zu integrieren und letztlich eine gemeinsame, langfristige strategische Forschungsagenda auszuarbeiten.

3.8.

Die Union bietet finanzielle Unterstützung, indem sie die nationalen Investitionen jeweils um denselben Beitrag aufstockt. Der maximale Beitrag der EU, einschließlich des EFTA-Beitrags, beläuft sich auf 200 Mio. EUR. Diese Mittel werden über das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizont 2020 bereitgestellt. Diese Zusage betrifft sieben jährliche Arbeitspläne im Zeitraum 2018-2024.

3.9.

Der Beitrag der EU darf die von den Förderländern bereitgestellte Summe nicht übersteigen. Im Falle fehlender oder niedrigerer Beiträge der an PRIMA teilnehmenden Staaten kann die Kommission den finanziellen Beitrag der EU entsprechend verringern.

3.10.

Die Kommission sieht vor, dass für die Umsetzung des Programms mit einer Laufzeit von zehn Jahren die Vorlage einer umfassenden strategischen Forschungsagenda und ihre vollständige Umsetzung durch mehrere transnationale Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen, die von mehreren teilnehmenden Mitgliedstaaten vorgenommen und über eine spezielle Durchführungsstelle umgesetzt werden, erforderlich ist. Der Beitrag der EU wird in erster Linie von der primären Durchführungsstelle von PRIMA („PRIMA-IS“) verwaltet werden.

3.11.

Laut Kommission wird mit den jährlichen Arbeitsplänen die Kohärenz und Koordinierung aller PRIMA-Tätigkeiten gewährleistet und ihre Ausrichtung auf die Erreichung der allgemeinen und spezifischen Ziele des Programms sichergestellt. Die — von der Kommission zu billigenden — jährlichen Arbeitspläne umfassen:

transnationale Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen, die von der PRIMA-IS mit EU-Mitteln im Einklang mit den Regeln für Horizont 2020 finanziert werden;

Tätigkeiten, die ausschließlich von den teilnehmenden Ländern finanziert werden und mit dem entsprechenden EU-Beitrag aufgestockt werden.

Diese Tätigkeiten werden vor ihrer Aufnahme in den jährlichen Arbeitsplan von einem Ausschuss externer Sachverständiger bewertet.

3.12.

Die jährliche Berichterstattung von PRIMA-IS deckt beide Arten von Maßnahmen ab und dient als Grundlage für Änderungen, ggf. auch in Bezug auf die finanziellen Verpflichtungen nach der Entscheidung der Kommission. Darüber hinaus wird das Programm PRIMA 2022 einer Halbzeitbewertung und 2028 einer endgültigen Bewertung unterzogen.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.

In Erwägung folgender Gründe:

Der EWSA hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Wasserversorgung (9) und die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und Nahrungsmittelerzeugung (10) zentrale Themen der europäischen Politik für Gegenwart und Zukunft sein müssen.

Der EWSA hat auch davor gewarnt, dass die Wasser- und Nahrungsmittelkrise in den Ländern des Mittelmeerraums (11) zusammen mit den Kriegen und der Nichtbeachtung der grundlegenden Menschenrechte eine der wichtigsten Ursachen des Migrantenzustroms nach Europa ist.

Der EWSA hat mehrfach betont, dass die Zusammenarbeit mit Drittländern, insbesondere mit den Ländern im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) und der Mittelmeerunion, verstärkt werden muss, um im Sinne der gemeinsamen Entwicklung (12) den gemeinsamen Herausforderungen  (13) besser gerecht zu werden.

Der Ausschuss hat wiederholt entschlossene und entschiedene Maßnahmen empfohlen, um die der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Krise im Mittelmeerraum zugrundeliegenden Probleme anzugehen und zu lösen (14).

Der EWSA begrüßt das Programm PRIMA, sofern es nach einem echten ganzheitlichen (15), sektorübergreifenden (16) Mehrebenenansatz (17) entwickelt wird — unverzichtbare Voraussetzungen für dessen Erfolg; hierzu gehören auch die Erreichung konkreter und messbarer Normen in puncto Nachhaltigkeit (18), Widerstandsfähigkeit, Lebensqualität und Qualität der Beschäftigung, Menschenrechte und Demokratie.

4.2.

Der Ausschuss befürwortet den Kommissionsvorschlag, der von den nationalen Regierungen, den Regionen, lokalen Gebietskörperschaften, Hochschulen, der organisierten Zivilgesellschaft und allen beteiligten Interessenträgern (19) unterstützt wird, das Programm PRIMA auf Artikel 185 AEUV zu stützen, um die größtmögliche Integration hinsichtlich der Wissenschaft, Verwaltung und Finanzierung unter Einbeziehung der Mitgliedstaaten und Drittländer zu gewährleisten.

4.3.

Nach Ansicht des Ausschusses kann das Programm PRIMA eine wichtige Initiative sowie ein ausgezeichnetes Modell für die Überwindung der Logik der bilateralen Partnerschaftsabkommen darstellen, aufgrund derer sowie aufgrund der begrenzten verfügbaren Mittel es bislang nicht möglich war, einige der zentralen Probleme für den Mittelmeerraum in der umfassenderen Perspektive der Makroregionalen Strategie für den Mittelmeerraum  (20) kohärent zu bewältigen.

4.4.

Der EWSA stimmt dem Grundsatz zu, dass die Finanzmittel der EU für das Programm PRIMA den nationalen Finanzierungen entsprechen müssen, und dass die Kommission im Falle der Nichtzahlung oder eines verzögerten Beitrags durch die Förderländer den Finanzbeitrag der EU anteilig kürzen kann.

4.5.

Nach Auffassung des Ausschusses ist eine Durchführungsstelle PRIMA-IS wesentlich und unabdingbar für die Verwaltung und Kontrolle des Programms PRIMA sowie der dafür bestimmten EU-Finanzmittel und plädiert daher dafür, dass sie durch eine offene Steuerung gekennzeichnet sein sollte.

4.6.

Der EWSA hält das Programm Horizont 2020 für das am besten geeignete Instrument zur Verteilung der Mittel und begrüßt außerdem, dass die meisten in dem Programm vorgesehenen Tätigkeiten aufgrund ihrer Globalität und Transnationalität unter die sogenannten „Herausforderungen der Gesellschaft“ eingeordnet wurden (21).

4.6.1.

Der Ausschuss stellt fest, dass viele bereits an Horizont 2020 beteiligte Drittländer über große Schwierigkeiten mit der raschen und wirksamen Erfüllung der formalen Anforderungen des Programms klagen. Der EWSA fordert daher eine möglichst weitgehende Vereinfachung dieser Anforderungen, um die Teilnahme zu vereinfachen und optimale Ergebnisse zu erzielen.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1.

Der Ausschuss stellt fest, dass nicht alle Staaten im Mittelmeerraum in den Prozess einbezogen wurden. Grundsätzlich sollte jeder andere Mitgliedstaat oder Drittstaat sich an der Initiative PRIMA unter der Voraussetzung beteiligen können, dass er zu dessen Finanzierung beiträgt. Der EWSA stellt jedoch fest, dass die Generalversammlung von PRIMA-IS, in der die Vertreter der nationalen Regierungen zusammenkommen, der Aufnahme neuer Drittländer einstimmig zustimmen muss (22). Im Einklang mit den politischen und sozialen Voraussetzungen des sich bewerbenden Drittlandes empfiehlt der Ausschuss der EU, einen stärker integrativen Ansatz anzuwenden und das Prinzip der Einstimmigkeit zu vermeiden und dieses vielmehr durch das Verfahren der qualifizierten Mehrheit zu ersetzen. Denn Einstimmigkeit könnte zu einem Vetorecht einiger Mitgliedstaaten gegenüber anderen werden. Ferner empfiehlt der EWSA bei den Maßnahmen zur Durchführung des Programms ein breites Spektrum technologischer Ebenen, um sämtliche Phasen der wissenschaftlichen Produktion abzudecken.

5.2.

Der Ausschuss empfiehlt, dass das Programm tatsächlich übergreifend ist für alle bereits laufenden oder noch durchzuführenden politischen Maßnahmen und Initiativen der EU, um seine Wirkungskraft zu verstärken. Der Ausschuss sieht insbesondere die Notwendigkeit, in Übereinstimmung mit dem Paket zur Kreislaufwirtschaft (23) vorzugehen. Dieser Faktor wird eine entscheidende Rolle spielen für eine nachhaltige Wassernutzung und für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion und Landwirtschaft (z. B. Boden- und Düngemittel (24)).

5.2.1.

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass mit der Initiative PRIMA die Dringlichkeit einer Rahmenrichtlinie für den Bodenschutz (25) betont wird, die den Unterschieden zwischen den verschiedenen EU-Ländern Rechnung trägt;

5.3.

Der Ausschuss empfiehlt einen Mehrebenenansatz, der die aktive Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft vorsieht. Dies könnte eine wichtige Rolle spielen, und zwar nicht nur für die Realisierung und die Verbreitung der konkreten, sondern auch der allgemeineren Ziele der Demokratisierung und der Stärkung des Schutzes der Menschenrechte in zahlreichen Drittstaaten (26). Aus diesem Grund plädiert der Ausschuss für eine direkte Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft in Form eines beratenden Ausschusses, auch innerhalb von PRIMA-IS, um deren Governance zu stärken und dazu beizutragen, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Programms (27) gemeinsam zu ermitteln und zu überwachen.

5.4.

Falls eines oder mehrere Projekte nicht mit nationalen Mitteln über die nationalen Finanzierungsagenturen finanziert werden können, da die nationale Mittelausstattung ausgeschöpft ist, schlägt der Ausschuss vor, diese Projekte mit Unterstützung von PRIMA-IS zu finanzieren. Diese EU-Finanzierung darf nicht 20 % des EU-Gesamtbeitrags übersteigen. Sollten die zusätzlichen Mittel nicht ausreichen, wird das nächste Projekt auf der Rangliste ausgewählt. Diese Maßnahme ist grundlegend, um eine hohe Qualität der verwirklichten Projekte zu gewährleisten.

5.5.

Der EWSA begrüßt, dass Akteure aus nicht an PRIMA beteiligten EU-Staaten förderfähig sein können, wenn ihre Kompetenzen nicht in den Staaten zur Verfügung stehen, die sich bereits an dem Programm PRIMA beteiligen. In diesem Fall müsste ihr Finanzierungssatz in den „Forschungs- und Innovationsmaßnahmen“ auf 50 % der beihilfefähigen Kosten begrenzt sein und für die „Innovationsmaßnahmen“ zwischen 35 % und 50 % der beihilfefähigen Kosten umfassen. Dies ermöglicht es, anspruchsvolle Projekte im Sinne der EU beizubehalten und zugleich die Staaten zu unterstützen, die sich an dem Programm PRIMA beteiligen und dieses finanzieren wollen.

5.6.

Der EWSA bekräftigt die Notwendigkeit, das Thema Wasser umfassender unter Berücksichtigung der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen anzugehen und dabei den gesamten Wasserkreislauf im Auge zu haben, einschließlich der künstlichen Etappen, die mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung durch die neuen Technologien ermöglicht werden. Es gilt, einen ausgewogeneren Ansatz für Wasserentnahmen zu finden, der den Anforderungen und den konkurrierenden Verwendungszwecken zwischen verschiedenen Wirtschafts- und Energiesektoren wie auch der Notwendigkeit des Schutzes der Süßwasser-Ökosysteme und der Wahrung eines Grundrechts der Bürger Rechnung trägt (28).

5.7.

Der EWSA weist darauf hin, dass eines der größten Probleme im Mittelmeerraum — vor allem auf der afrikanischen Seite — der Verlust traditioneller nachhaltiger landwirtschaftlicher Verfahren in Zusammenhang mit der Abwanderung von Fachkräften (vor allem junger Menschen) ist. Der Ausschuss empfiehlt, in den im Rahmen des Programms Horizont 2020 durchgeführten Studien und Forschungsarbeiten mit hohem Mehrwert erschwingliche und leicht übertragbare Verfahren mit großen gesellschaftlichen Auswirkungen zu konzipieren, um diese Kenntnisse zu nutzen und Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsfähigkeit zu fördern.

Brüssel, den 26. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  UNEP/MAP-Plan Bleu, State of the Environment and Development in the Mediterranean, Athen, 2009. Der Mittelmeerraum verfügt über lediglich 3 % des Wassers des gesamten Planeten. Den Vereinten Nationen zufolge benötigt jede Person mindestens 1 700 m3 Wasser pro Jahr für ein menschenwürdiges Leben. Im Mittelmeerraum, in dem 460 Millionen Menschen leben, gelten rund 180 Mio. als unter Wasserarmut leidend, weil sie über weniger als 1 000 m3 Wasser pro Kopf und Jahr und rund 80 Mio. von ihnen über weniger als 500 m3 verfügen und damit unter extremer Wasserarmut leiden.

(2)  CIHEAM/FAO. Mediterra 2016. Zero Waste in the Mediterranean. Natural Resources, Food and Knowledge, Paris, Presses de Sciences Po, 2016.

(3)  COM(2016) 385. Mitteilung der Kommission über einen neuen Partnerschaftsrahmen für die Zusammenarbeit mit Drittländern im Kontext der Europäischen Migrationsagenda.

(4)  SWD(2016) 332 final.

(5)  COM(2016) 662 final.

(6)  Dieser Vorschlag wurde von 19 Ländern vorgelegt.

(7)  Siehe Fußnote 3.

(8)  Bildung, Forschung, Klimawandel, Energie, Umwelt und Landwirtschaft.

(9)  Stellungnahmen des EWSA (ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 147, ABl. C 12 vom 15.1.2015, S. 33).

(10)  Stellungnahme des EWSA (ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 64).

(11)  Stellungnahme des EWSA (ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 41).

(12)  Entschließung des EWSA, „Beitrag des EWSA zum Arbeitsprogramm 2017 der Europäischen Kommission“, 2016. Ziffer 9.4 „Die Bewertung der ENP sollte Priorität haben. Der Schwerpunkt in den Beziehungen zu Ländern östlich und südlich des Mittelmeers sollte nicht auf einer durch Sicherheitsaspekte oder die Flüchtlingskrise bedingten Abwehrhaltung liegen, sondern zu einer auf wirkliche Entwicklungszusammenarbeit ausgerichteten Politik zwischen gleichberechtigten Partnern werden“.

(13)  Stellungnahme des EWSA (ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 91).

(14)  Stellungnahme des EWSA zu dem EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten: „Der EWSA begrüßt den jüngsten Vorschlag der Kommission, die externe Dimension der Flüchtlingskrise anzugehen (…). Dieser jüngste Vorschlag scheint der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Maßnahmen hinsichtlich der wesentlichen Migrationsursachen über Inneres und Sicherheit hinausreichen und auch andere Politikbereiche berühren, wie etwa Handel, Entwicklung, Außenpolitik und Integration. Dies steht in Einklang mit dem Grundsatz der politischen Kohärenz der internationalen Entwicklungszusammenarbeit der EU“ (ABl. C 71 vom 24.2.2016, S. 75, Ziffer 1.7).

(15)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Makroregionale Strategie im Mittelmeerraum“ (ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 1, Ziffer 1.4).

(16)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Förderung erneuerbarer Energieträger und europäische Nachbarschaftspolitik: Der Fall Europa-Mittelmeer“ (ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 1, Ziffern 1.3, 1.10 und 1.11). Stellungnahme des EWSA zum Thema „Externe Dimension der Energiepolitik der EU“ (ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 28, Ziffern 1.1, 1.2.3 und 1.3. Stellungnahme des EWSA zum Thema „Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Mittelmeer“ (ABl. C 43 vom 15.2.2012, S. 56).

(17)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Makroregionale Strategie im Mittelmeerraum“: „Der EWSA ist der Ansicht, dass trotz der besonders prekären (…) Lage im Mittelmeerraum die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Mehrebenendialogs zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten, den an der Zusammenarbeit zwischen Europa und dem Mittelmeerraum beteiligten Staaten, den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und der Zivilgesellschaft gegeben sind, mit dem Ziel, zu einer (in zwei Teile untergliederten) makroregionalen Strategie für den Mittelmeerraum zu gelangen, die den Erfordernissen der Region gerecht wird und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit stärkt.“ (ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 1, Ziffer 1.1).

(18)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die Post-2015-Ziele im Europa-Mittelmeer-Raum“ (ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 44).

(19)  PRIMA Impact Assessment — Stakeholder Event. Brüssel, den 17. April 2016.

(20)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Makroregionale Strategie für Zusammenhalt im Mittelmeerraum“ (ABl. C 170 vom 5.6.2014, S. 1).

(21)  Stellungnahme des EWSA zu der Rolle und den Auswirkungen gemeinsamer Technologieinitiativen und öffentlich-privater Partnerschaften bei der Umsetzung von Horizont 2020 für einen nachhaltigen industriellen Wandel (ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 24).

(22)  COM (2016) 662 final. Artikel 12.2.

(23)  Stellungnahme des EWSA zu dem „Paket zur Kreislaufwirtschaft“ (ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 98).

(24)  Stellungnahme des EWSA zu dem „Kreislaufwirtschaft — Düngemittel“(ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 80).

(25)  Stellungnahme des EWSA zu der „Thematischen Strategie für den Bodenschutz“ (ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 29). Stellungnahme des EWSA zu dem „Kreislaufwirtschaft — Düngemittel“ (ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 80. Ziffern 1.4 und 3.6).

(26)  EWSA-Stellungnahme zum Thema „Förderung repräsentativer Zivilgesellschaften in den Euromed-Partnerländern“ (ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 32).

(27)  Stellungnahme des EWSA zur „Governance makroregionaler Strategien“ (ABl. C 12 vom 15.1.2015, S. 64).

(28)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Integration der Wasserpolitik in andere relevante Politikfelder der EU“ (ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 43, Ziffer 1.13).