Eine proaktive Wettbewerbspolitik für ein wettbewerbsfähiges Europa

Ein wirksamer Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes kommt der Produktivität und der Innovation und damit der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zugute. Durch eine proaktive Wettbewerbspolitik will die Europäische Kommission aktiv einen Beitrag zur Lissabon-Strategie leisten. Vor diesem Hintergrund fordert die Kommission dazu auf, die Modernisierung der Wettbewerbsregeln fortzusetzen und dafür zu sorgen, dass ihre Anwendung wirksam überwacht wird.

RECHTSAKT

Mitteilung der Kommission vom 20. April 2004 „Eine proaktive Wettbewerbspolitik für ein wettbewerbsfähiges Europa" [KOM(2004) 293 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

ZUSAMMENFASSUNG

Es ist unbestritten, dass ein intensiver Wettbewerb der Wettbewerbsfähigkeit und dem Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union, und damit zwei zentralen Zielen der Lissabon-Strategie, zugute kommt.

Wenn die Wettbewerbspolitik andere im Interesse der Lissabon-Strategie eingesetzte Gemeinschaftspolitiken ergänzt und unterstützt, wird sie zu einem der wichtigsten Instrumente dieser Strategie. Daher will die Kommission die Wettbewerbspolitik zu einer „proaktiven" Politik machen, die sich durch einen gestärkten Rechtsrahmen und konkrete Maßnahmen auszeichnet, mit deren Hilfe die Hindernisse für einen freien und fairen Wettbewerb beseitigt werden können.

Wettbewerb: ein Instrument zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit

Das Wirtschaftswachstum in der EU hat sich verlangsamt. Verantwortlich hierfür ist in erster Linie die geringe Produktivität Europas. Eine Stärkung des Wettbewerbs kann diese Tendenz umkehren.

Die Wettbewerbsfähigkeit macht eine Aussage über die Produktivität einer Volkswirtschaft in einer globalisierten Welt und damit darüber, inwieweit diese Volkswirtschaft in der Lage ist, den Lebensstandard ihrer Bevölkerung anzuheben und Arbeitsplätze zu schaffen. Ein funktionierender Wettbewerb ist ein zentrales Instrument zur Förderung der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit. Wenn Regeln für Kartelle, den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, Fusionen, die Liberalisierung von Wirtschaftszweigen oder auch für staatliche Beihilfen vorgegeben werden, ermöglicht der Wettbewerb die Belohnung der Unternehmen, die in Bezug auf Preise, Qualität, Auswahl und Innovation am leistungsfähigsten sind. Er zwingt die Unternehmen und die Arbeitnehmer somit zu einer kontinuierlichen strukturellen Anpassung.

Ein neuer Rechtsrahmen

Der neue Rechtsrahmen gewährleistet einen wirksamen Wettbewerbsprozess im Binnenmarkt und ermöglicht die Modernisierung der Wettbewerbsregeln; dies findet seinen Ausdruck in:

Der neue Rechtsrahmen ermöglicht eine stärkere Berücksichtigung der Verbraucherinteressen und verringert gleichzeitig den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen, insbesondere den Mittelstand.

Im Bereich der Kartellpolitik hat die am 1. Mai 2004 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zu einer neuen Economic Governance in der EU geführt.

So wurde das ursprüngliche Genehmigungssystem durch ein direkt anwendbares Legalausnahmesystem ersetzt. Die Verordnung sieht ferner vor, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichte, die jetzt für die Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln zuständig sind, diese Regeln uneingeschränkt und stärker dezentralisiert anwenden. Dank des Europäischen Wettbewerbsnetzes (EWN) ermöglicht die Verordnung ferner eine intensivere Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden. Das EWN leistet einen Beitrag zu einer kohärenten Anwendung der Wettbewerbsregeln im Binnenmarkt. Zudem hat man bestimmte materiellrechtliche Regeln, die das Verhalten der Unternehmen lenken, geändert, um ihnen eine stärker wirtschaftsorientierte Grundlage zu geben.

Die Fusionskontrolle ist ein zentrales Instrument für die Umstrukturierung der europäischen Industrie. Die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 hält zwar uneingeschränkt am System der Einmalkontrolle für Fusionen von gemeinschaftsweiter Bedeutung (Fusionen, bei denen bestimmte gemeinschafts- und weltweite Umsatzschwellen überschritten werden) und an den Zeitvorgaben für die Bewertung der Fusionsvorhaben durch die Kommission fest, beinhaltet jedoch gleichzeitig eine Reihe verfahrens- und materiellrechtlicher Verbesserungen.

So enthält die neue Verordnung wirkungsgestützte Kriterien für die Sachprüfung der angemeldeten Zusammenschlüsse, auf deren Grundlage die Kommission besser gegen jede Art von wettbewerbsbeschränkenden Fusionen (Monopole und Oligopole) vorgehen kann. Die Verordnung sieht ebenfalls eine Vereinfachung der Verweisung von Fusionsfällen vor, denn Fusionsvorhaben sollen jetzt von der Wettbewerbsbehörde bearbeitet werden, die am besten für die Prüfung geeignet ist; gleichzeitig soll die Zahl der Fälle, die einer Mehrfachgenehmigung bedürfen, möglichst gering gehalten werden.

Auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen ist das Ziel der Reformen eine stärker nach ökonomischen Grundsätzen ausgerichtete Beihilfepolitik, damit wettbewerbsbehindernde staatliche Beihilfen schrittweise beseitigt werden; gleichzeitig erhalten die Mitgliedstaaten mehr Flexibilität für sektorübergreifende Maßnahmen, insbesondere bei der Verfolgung der Lissabon-Ziele. Zu den Hauptzielen der Beihilfepolitik gehört die Senkung des Gesamtvolumens der staatlichen Beihilfen. Dementsprechend plant die Kommission die Modernisierung zahlreicher Regeln für staatliche Beihilfen (etwa für Forschungs- und Entwicklungs- sowie für Regionalbeihilfen).

Der reformierte Rechtsrahmen wird es den europäischen Unternehmen ferner erleichtern, auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben, wo der Druck zur Einführung gemeinsamer Normen für die Anwendung der Wettbewerbsregeln zunimmt.

Eine proaktive Rechtsanwendung

Eine ebenfalls im Interesse einer größeren Wirksamkeit erfolgende proaktive Rechtsanwendung wird den modernisierten Rechtsrahmen unterstützen. Die Grundlagen dieser proaktiven Rechtsanwendung sind:

Der neue Rechtsrahmen wird auch eine intensivere Verfolgung von Kartellen ermöglichen. Um Kartelle aufzubrechen plant die Kommission eine Abschreckungsstrategie, die sich auf drei Pfeiler stützt: eine Kronzeugenregelung, unangekündigte Nachprüfungen vor Ort und die Verhängung drastischer Strafen.

Auch in den liberalisierten Dienstleistungsbranchen (Postdienste, Energie, Telekommunikation und Verkehr) wird die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln weiter verstärkt.

Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Wettbewerb auf Gebieten wie Finanzdienstleistungen und freien Berufen, die ebenfalls dem Binnenmarktrecht unterliegen.

Zusätzlich zu ihrer Aufgabe der Rechtsanwendung wird die Kommission ihre Initiative zur Ermittlung von Marktversagen und der Wirksamkeit von Beihilfemaßnahmen fortführen und gleichzeitig eine stringentere ökonomische Analyse der Wettbewerbsauswirkungen der Beihilfen vornehmen.

Hintergrund

Mit dieser Mitteilung kommt die Kommission dem Wunsch des Rates nach, der sie in den Schlussfolgerungen seiner Tagung vom 11. März 2004 aufgefordert hatte, einen Bericht über ihren neuen Ansatz auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik vorzulegen; dies gschah mit Blick auf das Datum des 1. Mai 2004, an dem der neue Rechtsrahmen in Kraft treten, an dem vor allem aber auch die EU um 10 neue Mitgliedstaaten erweitert werde sollte.

VERBUNDENE RECHTSAKTE

Aktionsplan staatliche Beihilfen - Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen - Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005-2009 [nicht im Amtsblatt veröffentlichtes Konsultationspapier].

Mitteilung der Kommission vom 20. April 2004: „ Den Strukturwandel begleiten: Eine Industriepolitik für die erweiterte Union " [KOM(2004) 274 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. November 2003: „ Einige Kernpunkte der europäischen Wettbewerbsfähigkeit - Hin zu einem integrierten Konzept " [KOM(2003) 704 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

Letzte Änderung: 03.04.2006