Zustellung von Schriftstücken in Zivil- oder Handelssachen

Ziel dieser Verordnung ist eine verbesserte und beschleunigte Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten.

RECHTSAKT

Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten.

ZUSAMMENFASSUNG

1. Diese Verordnung gilt für Zivil- oder Handelssachen, in denen ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union in einen anderen zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist. Diese Verordnung gilt nicht, wenn die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks unbekannt ist.

Verfahren und Bestimmungen für die Zustellung von Schriftstücken

2. Um die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke zu beschleunigen, werden engere Beziehungen zwischen den für die Zustellung der Schriftstücke zuständigen Personen oder Behörden und den zustellenden bzw. die Zustellung veranlassenden Personen oder Behörden geschaffen. Zu diesem Zweck müssen die Mitgliedstaaten „Übermittlungs"- und „Empfangsstellen" benennen, die die betreffenden Schriftstücke übermitteln bzw. in Empfang nehmen. Außerdem bestimmt jeder Mitgliedstaat eine Zentralstelle, die u. a. Informationsaufgaben wahrnimmt und nach Lösungswegen suchen soll, wenn bei der Zustellung Schwierigkeiten auftreten.

Bundesstaaten, Staaten mit mehreren Rechtssystemen oder Staaten mit autonomen Gebietskörperschaften können mehrere Zentralstellen benennen.

3. Für die Übermittlung ist jedes geeignete Mittel zulässig, sofern der Inhalt des Schriftstücks leserlich ist. Zur Erleichterung des Schriftverkehrs ist dem Schriftstück ein Formular beizufügen, das dem Vordruck im Anhang der Verordnung entspricht. Die Verordnung sieht auch eine Übermittlung auf konsularischem oder diplomatischem Weg vor.

4. Das Formular muss im Empfangsmitgliedstaat in der von diesem Land vorher festgelegten Sprache eingehen. Die Kosten für eine etwaige Übersetzung hat der Antragsteller zu tragen. Der Empfänger kann die Annahme des Schriftstücks verweigern, wenn es in einer Sprache abgefasst ist, die keine Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates ist, oder in einer Sprache des Übermittlungsstaats, die er nicht versteht.

5. Die Empfangsstelle übersendet der Übermittlungsstelle innerhalb von sieben Tagen eine Empfangsbestätigung und setzt sich gegebenenfalls mit dieser in Verbindung, wenn die Unterlagen unvollständig sind. Bei nicht ordnungsgemäßer Zustellung (d. h. wenn die Zustellung nicht unter die Verordnung fällt oder die Formvorschriften nicht erfüllt sind) werden die Unterlagen sofort nach Erhalt zurückgeschickt.

6. Die Zustellung des Schriftstücks erfolgt nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaates oder in einer von der Übermittlungsstelle gewünschten Form, sofern dies möglich ist. Konnte die Empfangsstelle die Zustellung nicht binnen eines Monats vornehmen, so teilt sie dies der Übermittlungsstelle unter Verwendung eines Formblatts mit. Die Übermittlungsstelle erhält außerdem nach erfolgter Zustellung eine Bescheinigung.

7. War ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück zuzustellen und hat sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen, so darf das Gericht erst dann entscheiden, wenn festgestellt ist,

Unter allen Umständen ist das Schriftstück so rechtzeitig zuzustellen, auszuhändigen oder abzugeben, dass der Beklagte sich verteidigen kann.

8. Für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke aus einem anderen Mitgliedstaat darf keine Zahlung oder Erstattung von Gebühren und Auslagen für die Tätigkeit des Empfangsmitgliedstaats verlangt werden.

Anwendung der Verordnung

9. Die Kommission erstellt und aktualisiert in regelmäßigen Abständen ein Handbuch mit den Adressen der Empfangsstellen und den Sprachen, in denen die zu übermittelnden Unterlagen abzufassen sind, sowie ein Glossar in den Amtssprachen der Europäischen Union.

10. Die Kommission wird dabei von einem beratenden Ausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt.

11. Die Verordnung hat Vorrang vor den Bestimmungen der von den Mitgliedstaaten getroffenen internationalen Vereinbarungen, insbesondere vor dem Haager Übereinkommen von 1965.

12. Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten und danach alle fünf Jahre einen Bericht über die Anwendung der Verordnung vor.

13. Die Bestimmungen gemäß Titel IV des EG-Vertrags (Visa, Asyl, Einwanderung und sonstige Politikbereiche betreffend den freien Personenverkehr) gelten nicht für Irland, das Vereinigte Königreich und Dänemark. Irland und das Vereinigte Königreich haben jedoch beschlossen, sich an dieser Verordnung zu beteiligen. Des Weiteren hat die Kommission ein Abkommen (PDF) zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark geschlossen, durch das die Bestimmungen dieser Verordnung auch auf Dänemark Anwendung finden. Das genannte Abkommen wurde am 19. Oktober 2005 unterzeichnet und tritt am 1. Juli 2007 in Kraft [Amtsblatt L 94 vom 4.4.2007].

Hintergrund

14. Am 26. Mai 1997 hat der Rat auf der Grundlage des Vertrags über die Europäische Union (EU) das Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten angenommen und es den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften empfohlen. Das Übereinkommen ist jedoch nicht in Kraft getreten.

15. Die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen, die inzwischen in den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft aufgenommen wurde (Artikel 65) und für die verschiedene Rechtsinstrumente und Verfahren vorgesehen sind, wurde durch den am 2. Oktober 1997 geschlossenen Vertrag von Amsterdam auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt. Die Kommission hat daher vorgeschlagen, das Übereinkommen in einen Rechtstext der Gemeinschaft zu überführen, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen rasch zur Anwendung kommen und die praktischen Probleme der Bürger im Alltag gelöst werden können.

16. Die Bestimmungen des Übereinkommens wurden in die vorliegende Verordnung übernommen. Vorbild für die Verordnung wie auch für das Übereinkommen von 1997 war das Haager Übereinkommen von 1965, dessen Regelungen jedoch in einigen Punkten verbessert wurden.

Bezug

Rechtsakt

Datum des Inkrafttretens

Termin für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten

Amtsblatt

Verordnung (EG) Nr. 1348/2000

31.05.2001

-

ABl. L 160 vom 30.6.2000

VERBUNDENE RECHTSAKTE

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten [KOM(2005) 305 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

Dieser Vorschlag soll eine bessere und bessere Übermittlung und Zustellung von Schriftstücken, eine einfachere Anwendung gewisser Bestimmungen der Verordnung sowie eine größere Rechtssicherheit für den Antragsteller und den Empfänger gewährleisten.

Die vorgeschlagenen Änderungen beinhalten insbesondere die Einführung

Mitentscheidungsverfahren (COD/2005/0126).

Abgeändert durch:

Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1. Dezember 2006 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken") [KOM(2006) 751 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]. Dieser abgeänderte Vorschlag sieht die Anpassung des ursprünglichen Vorschlags der Kommission an den vom Rat angenommen Wortlaut und die Stellungnahme des Europäischen Parlaments in einer kodifizierten Fassung vor.

Auf seiner Tagung vom 1. Juli 2006 erzielte der Rat eine grundsätzliche Einigung über den Verordnungstext und regte die Vorlage einer kodifizierten Fassung an. Auf der Plenartagung vom 4. Juli 2006 stimmte das Europäische Parlament dem Kommissionsvorschlag mit einer Reihe von Änderungen zu, die dem Text, über den sich der Rat zuvor verständigt hatte, entsprechen.

Entscheidung 2001/781/EG der Kommission vom 25. September 2001 zur Erstellung eines Handbuchs über die Empfangsstellen und eines Glossars über die Schriftstücke, die nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten zugestellt werden können[Amtsblatt L 298 vom 15.11.2001] Diese Entscheidung wurde in Teilen durch die Entscheidung 2002/350/EG der Kommission vom 3. April 2002 geändert [Amtsblatt L 125 vom 13.05.2002].

Die Entscheidung der Kommission vom 25. September 2001 enthält zwei Anhänge:

Berichte

Erster Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten [KOM(2004) 603 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]

In diesem Bericht untersucht die Kommission, wie die Verordnung angewendet wird. Dabei stützte sie sich auf ihr vorliegende Informationen und Ergebnisse einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie, in die 14 Mitgliedstaaten einbezogen waren.

Mitteilungen

Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten [Amtsblatt C 151 vom 22.5.2001].

Erste Aktualisierung der Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten [Amtsblatt C 202 vom 18.7.2001].

Das Handbuch und das Glossar können Sie auf der Internetseite „ Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen " der Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit der Europäischen Kommission abrufen. Das Handbuch wird von der Kommission regelmäßig aktualisiert, d. h. die von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Änderungen fließen hier direkt mit ein.

See also

Siehe auch: Website „Freiheit, Sicherheit und Recht" der Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit der Europäischen Kommission:

Letzte Änderung: 05.04.2007