Straßenverkehrssicherheit: Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit (2003-2010)

Von allen Verkehrsträgern ist der Straßenverkehr der gefährlichste und kostet die meisten Menschenleben. Deshalb sieht das Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit 2003-2010 eine Reihe von Maßnahmen vor, zu denen u. a. verstärkte Straßenverkehrskontrollen, die Einführung neuer Technologien für die Straßenverkehrssicherheit, die Verbesserung der Straßenverkehrsinfrastruktur sowie Maßnahmen zur Verbesserung des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer gehören. Allgemeines Ziel ist es, die Zahl der Verkehrstoten bis 2010 um mindestens 50 % zu senken.

RECHTSAKT

Mitteilung der Kommission - Europäisches Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit. Halbierung der Zahl der Unfallopfer im Straßenverkehr in der Europäischen Union bis 2010: eine gemeinsame Aufgabe.

ZUSAMMENFASSUNG

Alljährlich werden bei 1,3 Mio. Unfällen mehr als 40 000 Menschen getötet und 1,7 Mio. verletzt. Die mittelbaren und unmittelbaren Kosten der Verkehrsunfälle werden mit 160 Mrd. , also rund 2 % des BSP der Europäischen Union, veranschlagt. Bestimmte Bevölkerungsgruppen bzw. Verkehrsteilnehmer sind besonders unfallgefährdet, z. B. Jugendliche und junge Erwachsene von 15 bis 24 Jahren (10 000 Verkehrstote jährlich), Fußgänger (7 000 Verkehrstote) und Radfahrer (1 800 Verkehrstote).

Die Kommission hat diesbezüglich im Weißbuch über die europäische Verkehrspolitik vorgeschlagen, dass sich die Europäische Union das Ziel setzt, die Zahl der Verkehrstoten bis 2010 um die Hälfte zu verringern. Alle Mitgliedstaaten sehen sich denselben Problemen der Straßenverkehrssicherheit gegenüber, nämlich überhöhte Fahrgeschwindigkeit, Alkoholkonsum, Nichtanlegen des Sicherheitsgurts, unzureichender Aufprallschutz, Unfallschwerpunkte, Nichteinhaltung der Lenk- und Ruhezeiten im Kraftverkehrsgewerbe und schlechte Sichtverhältnisse. Der bevorstehende Beitritt von Ländern mit einer geringeren Straßenverkehrssicherheit bedeutet eine zusätzliche Herausforderung.

Die Mitteilung befasst sich mit folgenden vorrangigen Maßnahmenbereichen:

Die Verkehrsteilnehmer zu einem besseren Verhalten veranlassen

Ziel: Die Verkehrsteilnehmer sollen durch eine strengere Befolgung der geltenden Rechtsvorschriften zu einem besseren Verhalten angehalten werden, indem die Sanktionen auf europäischer Ebene harmonisiert, private Fahrzeugführer und Berufskraftfahrer weitergebildet, die Polizeikontrollen verbessert sowie Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen durchgeführt werden.

Der Verstoß gegen grundlegende Rechtsvorschriften für die Straßenverkehrssicherheit durch die Verkehrsteilnehmer ist die Hauptursache für schwere Unfälle. Die Kommission gibt Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen den Vorzug, mit denen das Tragen von Sturzhelmen und das Anlegen des Sicherheitsgurts gefördert sowie überhöhte Fahrgeschwindigkeit und Alkoholkonsum vermieden werden sollen.

Gleichzeitig wird die Kommission eine Änderung der Führerscheinrichtlinie vornehmen, um die Mindestanforderungen an die Fahrtauglichkeit entsprechend anzupassen.

Wesentliche Maßnahmen: Förderung des generellen Tragens von Sturzhelmen durch Radfahrer und alle Nutzer motorisierter Zweiräder, Fortsetzung der Arbeiten speziell zu jungen Fahrern, Harmonisierung der Sanktionen im internationalen gewerblichen Kraftverkehr, Festlegung einer Klassifizierung und entsprechenden Kennzeichnung von Arzneimitteln, die Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit haben, Ausarbeitung von Leitlinien zu vorbildlichen Praktiken bei Polizeikontrollen etc.

Nutzung des technischen Fortschritts

Ziel: Die Fahrzeuge sollen sicherer gemacht werden, indem Maßnahmen zur passiven Sicherheit (z. B. obligatorische Ausstattung mit Sicherheitsgurten) harmonisiert werden und der technische Fortschritt unterstützt wird.

Da 57 % aller Verkehrstoten Fahrzeuginsassen sind, müssen auf dem Gebiet der Fahrzeugsicherheit weitere Fortschritte erzielt werden. Die Kommission wird in diesem Zusammenhang ihre Unterstützung von EuroNCAP (europäisches Programm zur Bewertung neuer Fahrzeugmodelle) fortsetzen, damit Neufahrzeuge anhand harmonisierter Prüfverfahren erprobt und die Verbraucher sensibilisiert und informiert werden.

Die 2002 von der Kommission und der Automobilindustrie gestartete Initiative eSafety (EN) umfasst Empfehlungen sowie eine gewisse Zahl von Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene. Gleichzeitig sind die Forschungsaktivitäten im Bereich der Straßenverkehrssicherheit zu verstärken, insbesondere im Zusammenhang mit dem 6. Forschungsrahmenprogramm.

Wesentliche Maßnahmen: Allgemeine Einführung universeller Befestigungssysteme für Kinderrückhaltesysteme, Verbesserung der Fahrzeuge zur Verringerung der Unfallschwere bei Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern, Ausschaltung des toten Winkels nach hinten bei Lkw, verbesserte Möglichkeiten für Personen mit eingeschränkter Mobilität, Fahrzeuge zu führen, Verbesserung der Sicherheit von Motorrädern etc.

Förderung einer Verbesserung der Straßenverkehrsinfrastruktur

Ziel: Verbesserung der Straßeninfrastruktur durch die Ermittlung und Entschärfung von Unfallschwerpunkten.

Eine bessere Straßenverkehrsinfrastruktur kann zu einer Verringerung der Unfallhäufigkeit und -schwere entscheidend beitragen. Die frühzeitige Erkennung anormaler Verkehrsverhältnisse und die Übermittlung entsprechender Informationen an die Fahrer tragen zu einer erheblichen Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit bei. Im Zuge der Entwicklung solcher „intelligenter Straßen" wird es mit der Inbetriebnahme des europäischen Satellitennavigationssystems GALILEO ab 2008 möglich sein, Navigations- und Leitsysteme zu entwickeln, Verkehrsinformationen zu übermitteln oder Gefahrgut befördernde Fahrzeuge zu verfolgen.

Die Kommission wird eine Rahmenrichtlinie über die Sicherheit von Straßenverkehrsinfrastrukturen vorschlagen, um ein harmonisiertes System für die Handhabung von Unfallschwerpunkten und den Verkehrssicherheitsaudit für Straßen im transeuropäischen Netz (TEN) einzuführen.

Wesentliche Maßnahmen: Vorschlag einer Richtlinie über die Sicherheit von Straßenverkehrsinfrastrukturen, Entwicklung technischer Leitlinien für Auditmethoden, das Sicherheitsmanagement in städtischen Gebieten und Techniken zur Geschwindigkeitsminderung, Ausarbeitung eines Leitfadens zu vorbildlichen Praktiken bei der Sicherung niveaugleicher Bahnübergänge, Durchführung von Forschungs- und Demonstrationsvorhaben zum Thema „intelligente Straßen", Durchführung von Studien über die Auswirkungen neuer Straßenverkehrsprojekte auf die Sicherheit, Verbesserung der Tunnelsicherheit etc.

Sicherheit des gewerblichen Güter- und Personenverkehrs

Ziel: Verringerung der Zahl der Unfälle, an denen Lkw beteiligt sind, Regelung der Weiterbildung von Berufskraftfahrern und Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten.

Die Sicherheit des transeuropäischen Straßennetzes muss angesichts der Zunahme des Lkw-Verkehrs weiter verbessert werden. Berufskraftfahrer ist einer der gefährlichsten Berufe. Dabei haben auch die Berufskraftfahrer Anrecht auf ein sicheres Arbeitsumfeld, das den neuesten Arbeitsschutznormen entspricht.

Wesentliche Maßnahmen: Stärkung der Rechtsvorschriften über die Arbeitsbedingungen von Berufskraftfahrern, Einführung des digitalen Fahrtenschreibers für Nutzfahrzeuge, Anpassung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für die Beförderung gefährlicher Güter an den Stand der Technik, Einführung der Gurtanlegepflicht in Reisebussen und Lkw, besserer Schutz von Fahrzeugen zur regelmäßigen Beförderung von Kindern etc.

Rettung und Versorgung von Verkehrsunfallopfern

Ziel: Untersuchung der vorbildlichen Praktiken im Bereich der medizinischen Unfallversorgung.

Mehrere tausend Verkehrstote könnten in der Europäischen Union vermieden werden, wenn schneller Hilfe geleistet würde und die Versorgung von Unfallverletzten auf einer besseren Diagnose beruhte. Die Notrufnummer 112 ermöglicht es den Telefonnetzbetreibern, den Rettungsdiensten Informationen zu übermitteln, anhand deren die Unfallnotrufe örtlich zugeordnet werden können. Ferner bedarf es detaillierter Angaben zur Schwere der Verletzungen, um die Möglichkeiten besser einschätzen zu können, Schäden bei der medizinischen Versorgung zu mindern, und um die Effizienz der medizinischen Notfallversorgung messen zu können.

Wesentliche Maßnahmen: Durchführung von Demonstrationsprojekten unter Einbeziehung der gesamten Rettungskette sowie Untersuchung der vorbildlichen Praktiken im Bereich der medizinischen Unfallversorgung.

Sammlung, Auswertung und Weitergabe von Unfalldaten

Ziel: Verbesserung der Sammlung und Auswertung von Unfalldaten zur Ermittlung der vorrangigen Maßnahmenbereiche.

Unfälle sind zwar unvorhersehbare Ereignisse, doch müssen ihre Ursachen, Umstände und Auswirkungen ermittelt werden, um sie zu beherrschen und zu verhindern oder zumindest ihr Ausmaß abzumildern. Die Untersuchungen müssen auf nationaler Ebene aufgrund einer europaweit einheitlichen Methodik durchgeführt werden. Die Ergebnisse müssten einem unabhängigen Sachverständigenausschuss übermittelt werden, der die Aufgabe hätte, die geltenden Rechtsvorschriften zu verbessern und die Methodik an den technischen Fortschritt anzupassen.

Ein Beispiel ist die aus polizeilichen Protokollen bestehende Datenbank CARE, die mit dem Bemühen um Transparenz weiterentwickelt werden muss. Ferner wird die Einrichtung einer europäischen Beobachtungsstelle für die Straßenverkehrssicherheit als interne Struktur der Kommission angestrebt.

Wesentliche Maßnahmen: Weiterentwicklung und Vervollständigung der Datenbank CARE, Bewertung und Verbesserung der Systeme für die Verknüpfung von Krankenhausdaten mit den nationalen Verkehrsunfallstatistiken, Einrichtung einer europäischen Beobachtungsstelle für die Straßenverkehrssicherheit, Festlegung einer europaweiten Methodik für unabhängige Verkehrsunfalluntersuchungen, Einrichtung eines Ausschusses unabhängiger Sachverständiger etc.

Europäische Charta für die Straßenverkehrssicherheit

Die Kommission beabsichtigt, alle Beteiligten, also Verkehrsunternehmen, Fahrzeugbauer und -ausrüster, Versicherungsunternehmen und Infrastrukturbetreiber, lokale und regionale Gebietskörperschaften, zu mobilisieren und aufzufordern, eine europäische Charta für die Straßenverkehrssicherheit zu unterzeichnen. Jeder Unterzeichner geht dabei besondere Verpflichtungen ein, die veröffentlicht werden und deren Einhaltung beobachtet wird.

VERWANDTE RECHTSAKTE

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Informations- und Kommunikationstechnologien für sichere und intelligente Fahrzeuge [KOM (2003) 542 endg. - nicht im Amtsblatt veröffentlicht]

Nähere Angaben zu den Anwendungsmaßnahmen und weiteren Arbeiten, einschließlich der geltenden und künftigen Rechtsvorschriften (Richtlinien und Verordnungen bzw. Vorschläge), finden sich auf der Website der Generaldirektion Verkehr (EN).

Europäische Charta für die Straßenverkehrssicherheit

Die Charta soll die Zivilgesellschaft in die Aufgabe einbeziehen, das Ziel der EU einer Halbierung der Zahl der Verkehrstoten bis 2010 zu verwirklichen. Dabei soll nicht nur der Verkehrssektor konkrete Maßnahmen ergreifen; sondern müssen auch Schulen, Gemeinden, Versicherungsunternehmen, Automobilhersteller, Verkehrsunternehmen, Diskotheken oder Dienstleister entsprechende Verpflichtungen eingehen.

Empfehlung der Kommission vom 6. April 2004 zu Durchsetzungsmaßnahmen im Bereich der Straßenverkehrssicherheit [Amtsblatt L 111 vom 17. April 2004].

Entscheidung der Kommission vom 17. Januar 2005 zur Harmonisierung der befristeten Nutzung des Frequenzbands im Bereich um 24 GHz durch Kfz-Kurzstreckenradargeräte in der Gemeinschaft [Amtsblatt L 21 vom 25.1.2005].

Aufgrund dieser Entscheidung müssen ab dem zweiten Halbjahr 2005 Kfz-Kurzstreckenradargeräte einsatzbereit sein, die Kollisionsrisiken erkennen und automatisch eine Bremsung auslösen können. Für die Kurzstreckenradargeräte wird dann EU-weit ein spezielles Frequenzband bereitgestellt.

Derzeit befinden sich weitere nützliche Anwendungen in der Entwicklung, wie etwa drahtlose Übertragungssysteme hoher Kapazität oder die Lokalisierung von Notfallopfern.

Letzte Änderung: 27.01.2005