Eine neue Dimension der justiziellen Aus- und Fortbildung auf europäischer Ebene

Die Europäische Kommission möchte, dass bis 2020 die Hälfte der Angehörigen der Rechtsberufe an einer Aus- oder Fortbildung zum Recht der Europäischen Union (EU) teilgenommen hat. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt sie auf die Beteiligung der Mitgliedstaaten, der Partner auf nationaler als auch auf europäischer Ebene und der Kommission selbst.

RECHTSAKT

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 13. September 2011: Förderung des Vertrauens in eine EU-weite Rechtspflege – Eine neue Dimension der justiziellen Aus- und Fortbildung auf europäischer Ebene [KOM(2011) 551 endg. – Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

ZUSAMMENFASSUNG

Innerhalb der Europäischen Union (EU) bestehen die nationalen Rechtssysteme und das EU-Recht nebeneinander. Um Rechtssicherheit und die einheitliche Anwendung des europäischen Rechts zu gewährleisten, ist es daher erforderlich, dass die Angehörigen der Rechtsberufe ausreichende Kenntnisse über die nationalen Rechtssysteme und das EU-Recht haben. Davon hängen auch die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen sowie die Zusammenarbeit der Justizbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten ab.

Die Kommission hat daher als Ziel festgelegt, dass bis 2020 die Hälfte der Rechtspraktiker an europabezogenen justiziellen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen haben soll. Der Schwerpunkt liegt zwar zunächst auf den Richtern und Staatsanwälten, Ziel ist aber, alle Angehörigen der Rechtsberufe zu erreichen.

Fort- und Ausbildungsinhalte

Die Ausbildung sollte vor allem praxisbezogen sein und sowohl beim Eintritt ins Berufsleben (Erstausbildung) als auch während des Berufslebens (Fort- und Weiterbildung) absolviert werden. Der Schwerpunkt sollte auf den Bereichen liegen, für die die Angehörigen der Rechtsberufe den dringendsten Bedarf ermittelt haben, sowie auf den sehr technischen Bereichen und denen, bei denen eine geringe Einhaltungsquote festzustellen ist. Fremdsprachenunterricht muss ebenso Teil der Ausbildung sein, um den Austausch zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern.

Um dem Zeitmangel der Angehörigen der Rechtsberufe Rechnung zu tragen, sollte auch das Lernen mit elektronischen Hilfsmitteln weiterentwickelt werden. Das europäische Justizportal e-Justice wird ausgebaut werden, so dass es mehr Informationen über die justizielle Aus- und Fortbildung zur Verfügung stellen kann.

Die Kommission beabsichtigt zudem, ab 2014 ein Programm für kurze Austauschaufenthalte aufzulegen, das sich an neu ernannte Richter und Staatsanwälte wendet, damit sie ihr Wissen über die Rechtssysteme der anderen EU-Länder verbessern können.

Umsetzung

Das Ziel, Aus- und Fortbildungen für die Hälfte der Angehörigen der Rechtsberufe anzubieten, kann am wirksamsten durch die Nutzung und die Einbeziehung von Einrichtungen, Akteuren und Netzen erreicht werden, die auf nationaler und europäischer Ebene bereits vorhanden sind.

Auf nationaler Ebene werden laut den Mitgliedstaaten die Aus- und Fortbildungen von den juristischen Aus- und Fortbildungseinrichtungen, dem Justizministerium, den Räten für das Justizwesen, den Gerichtsdiensten und den Berufsverbänden angeboten. Die Kommission möchte die Zusammenarbeit mit und unter diesen verschiedenen Akteuren stärken.

Auf europäischer Ebene könnte das Angebot an juristischen Aus- und Fortbildungen durch die europäischen Berufsverbände der Juristen sowie die bestehenden juristischen Aus- und Fortbildungseinrichtungen wie die Europäische Rechtsakademie (ERA), das European Centre for Judges and Lawyers (Europäisches Zentrum für Richter und Anwälte) des Europäischen Instituts für öffentliche Verwaltung (EIPA), das Europäische Hochschulinstitut Florenz (EHI) und das Europakolleg ausgeweitet werden.

Das Europäische Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten (EJTN) (EN) (FR), in dem die ERA und die nationalen Ausbildungs- und Fortbildungseinrichtungen vertreten sind, muss gestärkt werden, damit mehr Richter und Staatsanwälte seine Angebote wahrnehmen können. Damit das Netz eine aktivere Rolle übernehmen kann, sollten die Mitgliedstaaten ihren finanziellen Beitrag erhöhen. Ziel ist, dass das EJTN 1200 Austauschaufenthalte pro Jahr an ausländischen Gerichten organisiert.

Maßnahmen der Europäischen Kommission

Die Kommission wird eine Reihe von Maßnahmen unterstützen wie öffentlich-private Partnerschaften, die innovative Lösungen für die Aus- und Fortbildung entwickeln können oder die Organisation von Jahrestagungen für Vertreter aller Rechtsberufe, um so den Austausch über bewährte Praktiken zu erleichtern.

Bei der Finanzierung möchte die Kommission der justiziellen Aus- und Fortbildung auf europäischer Ebene Priorität innerhalb des neuen Finanzrahmens einräumen und die finanzielle Unterstützung der EU für diesen Bereich steigern. Dabei wird sie qualitativ hochwertige Projekte, die von bedeutender europäischer Dimension sind und ein großes Zielpublikum erreichen, insbesondere durch Finanzhilfen fördern.

VERBUNDENE RECHTSAKTE

Das Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger [Amtsblatt C 155 vom 4.5.2010].

Schlussfolgerungen des Rates vom 27. Oktober 2011 zur justiziellen Aus- und Fortbildung auf europäischer Ebene [ABl. C 361 vom 10.12.2011].

Letzte Änderung: 30.11.2011