URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

5. April 2017 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Öffentliche Aufträge — Nachprüfungsverfahren — Richtlinie 89/665/EWG — Art. 1 Abs. 1 — Art. 2 Abs. 1 — Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, mit der ein Wirtschaftsteilnehmer zur Abgabe eines Angebots zugelassen wird — Nach anwendbarem nationalem Recht nicht überprüfbare Entscheidung“

In der Rechtssache C‑391/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Andalucía (Oberstes Gericht von Andalusien, Spanien) mit Entscheidung vom 9. Juli 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2015, in dem Verfahren

Marina del Mediterráneo SL u. a.

gegen

Agencia Pública de Puertos de Andalucía,

Beteiligte:

Consejería de Obras Públicas y Vivienda de la Junta de Andalucía,

Nassir Bin Abdullah and Sons SL,

Puerto Deportivo de Marbella SA,

Ayuntamiento de Marbella,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: V. Giacobbo‑Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Marina del Mediterráneo SL u. a., vertreten durch J. L. Torres Beltrán, Procurador, und A. Jiménez‑Blanco, abogado,

der Agencia Pública de Puertos de Andalucía, vertreten durch J. M. Rodríguez Gutiérrez, abogado,

der Consejería de Obras Públicas y Vivienda de la Junta de Andalucía, vertreten durch I. Nieto Salas, abogada,

der spanischen Regierung, vertreten durch M. A. Sampol Pucurull und M. J. García‑Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Pucciariello und F. Di Matteo, Avvocati dello Stato,

der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Sanfrutos Cano und A. Tokár als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. September 2016

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. 2007, L 335, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Arbeitsgemeinschaft „Marina Internacional de Marbella“ und der Agencia Pública de Puertos de Andalucía (andalusische Hafenbehörde, Spanien, im Folgenden: Hafenbehörde). Gegenstand des Rechtsstreits ist die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Hafenbehörde, im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe einer öffentlichen Baukonzession eine andere Arbeitsgemeinschaft zur Abgabe eines Angebots zuzulassen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Der zweite Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665 lautet:

„Die auf einzelstaatlicher Ebene und auf Gemeinschaftsebene derzeit vorhandenen Mechanismen zur [wirksamen] Durchsetzung [der Richtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens] sind nicht immer ausreichend, um die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können.“

4

Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) Abs. 1 und 3 der Richtlinie bestimmt:

„(1)   Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge [(ABl. 2004, L 134, S. 114)], sofern diese Aufträge nicht gemäß den Artikeln 10 bis 18 der genannten Richtlinie ausgeschlossen sind.

Aufträge im Sinne der vorliegenden Richtlinie umfassen öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen, öffentliche Baukonzessionen und dynamische Beschaffungssysteme.

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG fallenden Aufträge die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Artikel 2 bis 2f der vorliegenden Richtlinie auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.“

5

Art. 2 („Anforderungen an die Nachprüfungsverfahren“) Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden, damit

a)

so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Verstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören auch Maßnahmen, um das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder die Durchführung jeder sonstigen Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen;

b)

die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann;

c)

denjenigen, die durch den Verstoß geschädigt worden sind, Schadensersatz zuerkannt werden kann.“

6

Die Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1) wurde durch die Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2014, L 94, S. 243) aufgehoben. Die in ihren Anwendungsbereich fallenden Tätigkeiten waren in ihren Art. 3 bis 7 unter Titel I Kapitel II Abschnitt 2 aufgeführt.

7

Die Richtlinie 2004/18 wurde durch die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 65) aufgehoben. Sie bestimmte in ihrem Art. 57 („Ausschluss vom Anwendungsbereich“) unter Titel III („Vorschriften im Bereich öffentlicher Baukonzessionen“):

„Dieser Titel findet keine Anwendung auf öffentliche Baukonzessionen,

a)

die für öffentliche Bauaufträge gemäß den Artikeln 13, 14 oder 15 vergeben werden;

b)

die von öffentlichen Auftraggebern, die eine oder mehrere Tätigkeiten gemäß den Artikeln 3 bis 7 der Richtlinie 2004/17/EG zum Zwecke der Durchführung dieser Tätigkeiten vergeben werden.

Diese Richtlinie findet jedoch weiterhin auf öffentliche Baukonzessionen Anwendung, die von öffentlichen Auftraggebern, die eine oder mehrere der in Artikel 6 der Richtlinie 2004/17/EG genannten Tätigkeiten ausüben, für diese Tätigkeiten ausgeschrieben werden, solange der betreffende Mitgliedstaat die in Artikel 71 Absatz 1 Unterabsatz 2 der genannten Richtlinie vorgesehene Möglichkeit, deren Anwendung zu verschieben, in Anspruch nimmt.“

Spanisches Recht

8

Art. 25 Abs. 1 der Ley 29/1998 reguladora de la Jurisdicción Contencioso‑Administrativa (Gesetz 29/1998 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit) vom 13. Juli 1998 (BOE Nr. 167 vom 14. Juli 1998, S. 23516) definiert den Gegenstand von Klagen im Verwaltungsgerichtsverfahren und speziell das anfechtbare Verwaltungshandeln wie folgt:

„Verwaltungsgerichtliche Klagen sind zulässig gegen Anordnungen allgemeiner Art und ausdrückliche oder stillschweigende Rechtsakte der öffentlichen Verwaltung, die den Verwaltungsweg beenden, unabhängig davon, ob es sich dabei um endgültige oder vorbereitende Rechtsakte handelt, sofern dadurch unmittelbar oder mittelbar in der Sache entschieden wird, sie dazu führen, dass die Fortsetzung des Verfahrens oder eine Verteidigung unmöglich wird, oder sie einen nicht wieder gutzumachenden Schaden für Rechte oder legitime Interessen verursachen.“

9

Art. 107 Abs. 1 der Ley 30/1992 de Régimen Jurídico de las Administraciones Públicas y del Procedimiento Administrativo Común (Gesetz 30/1992 über die rechtliche Regelung der öffentlichen Verwaltungen und das allgemeine Verwaltungsverfahren) vom 26. November 1992 (BOE Nr. 285 vom 27. November 1992, S. 40300) in der Fassung der Ley 4/1999 (Gesetz 4/1999) vom 13. Januar 1999 (BOE Nr. 12 vom 14. Januar 1999, S. 1739) (im Folgenden: Gesetz 30/1992) bestimmt:

„Gegen Entscheidungen und vorbereitende Handlungen, durch die unmittelbar oder mittelbar in der Sache entschieden wird, die dazu führen, dass die Fortsetzung des Verfahrens oder eine Verteidigung unmöglich wird, oder die einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für Rechte oder legitime Interessen verursachen, können die Beteiligten Widerspruch und fakultativ Gegenvorstellung einlegen, die unter Rückgriff auf einen der Gründe für die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit gemäß Art. 62 und 63 des [Gesetzes 30/1992] zu begründen sind.

Einwendungen gegen sonstige vorbereitende Handlungen können von den Beteiligten zur Berücksichtigung im Rahmen der Entscheidung geltend gemacht werden, die das Verfahren beendet.“

10

Die Ley 30/2007 de Contratos del Sector Público (Gesetz 30/2007 über das öffentliche Auftragswesen) vom 30. Oktober 2007 (BOE Nr. 261 vom 31. Oktober 2007, S. 44336) (im Folgenden: Gesetz 30/2007) wurde durch die Ley 34/2010 (Gesetz 34/2010) vom 5. August 2010 (BOE Nr. 192 vom 9. August 2010, S. 69400) dahin geändert, dass in ihren Art. 310 bis 320 Bestimmungen über besondere Beschwerden in öffentlichen Vergabesachen eingefügt wurden.

11

Art. 310 Abs. 2 des Gesetzes 30/2007, der eine besondere Regelung für den Bereich des öffentlichen Auftragswesens zur Durchführung der allgemeinen Regelung in Art. 107 Abs. 1 des Gesetzes 30/1992 darstellt, bestimmt:

„Die Beschwerde kann gegen folgende Handlungen eingelegt werden:

a)

die Bekanntmachung der Ausschreibung, die Spezifikationen und die Vertragsunterlagen, die die Bedingungen für die Vergabe festlegen;

b)

vorbereitende Handlungen im Vergabeverfahren, sofern sie unmittelbar oder mittelbar eine Entscheidung über den Zuschlag beinhalten, dazu führen, dass die Fortsetzung des Verfahrens oder eine Verteidigung unmöglich wird, oder einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für Rechte oder legitime Interessen verursachen. Als vorbereitende Handlungen, die dazu führen, dass die Fortsetzung des Verfahrens unmöglich wird, gelten die Handlungen der Vergabekommission, durch die Bieter ausgeschlossen werden;

c)

die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber über den Zuschlag.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12

Am 12. April 2011 legten die Marina del Mediterráneo SL u. a. bei der zuständigen Verwaltungsbehörde eine besondere Beschwerde in öffentlichen Vergabesachen gegen die Entscheidung der Vergabekommission ein, die Arbeitsgemeinschaft bestehend aus der Nassir bin Abdullah and Sons SL, der Puerto Deportivo de Marbella SA und dem Ayuntamiento de Marbella (Stadtverwaltung von Marbella, Spanien) (im Folgenden: Zweite Arbeitsgemeinschaft) zur Teilnahme am Verfahren zur Vergabe einer öffentlichen Baukonzession unter der Bezeichnung „Erweiterung des Hafens ‚La Bajadilla‘ in Marbella“ zuzulassen.

13

Dieses Verfahren wurde von der Hafenbehörde eingeleitet, einer eigens errichteten öffentlichen Körperschaft, die mit funktioneller Autonomie und eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist und zur Consejería de Obras Públicas y Vivienda de la Junta de Andalucía (Ministerium für öffentliches Bau- und Wohnungswesen von Andalusien, Spanien) gehört. Das Vergabeverfahren wurde am 27. November 2010 eingeleitet. Nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof beläuft sich der Wert des Auftrags auf 77000000 Euro.

14

Die beiden im Ausgangsverfahren fraglichen Arbeitsgemeinschaften waren die einzigen Bieter, die an diesem Vergabeverfahren teilnahmen.

15

Marina del Mediterráneo u. a. machten in ihrer Beschwerde im Wesentlichen geltend, dass durch die Beteiligung der Zweiten Arbeitsgemeinschaft am eingeleiteten Vergabeverfahren sowohl gegen nationales Recht als auch gegen Unionsrecht verstoßen worden sei, da zum einen die Stadtverwaltung von Marbella eine Behörde sei, die nicht als Unternehmer im Sinne des nationalen Rechts und als Wirtschaftsteilnehmer angesehen werden könne, ohne dass die Regeln des freien Wettbewerbs und der Gleichbehandlung der Bieter verfälscht würden, und da zum anderen die Zweite Arbeitsgemeinschaft die geforderten Voraussetzungen der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit nicht erfülle, weil die von ihr eigegangenen finanziellen Risiken durch den Haushalt der Stadtverwaltung abgedeckt würden.

16

Mit Entscheidung vom 3. Mai 2011 wies der Geschäftsführer der Hafenbehörde die Beschwerde zurück. In dieser Entscheidung bezieht er sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere auf das Urteil vom 23. Dezember 2009, CoNISMa (C‑305/08, EU:C:2009:807), durch das jeder öffentlichen Einrichtung und Gruppen solcher Einrichtungen, die ihre Leistungen auf dem Markt auch nur vorübergehend anbieten, die Bietereigenschaft anerkannt werde. Des Weiteren sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Zweiten Arbeitsgemeinschaft angesichts der Einnahmen des Haushalts der Stadtverwaltung von Marbella nachgewiesen.

17

Wie aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hervorgeht, wurde der im Ausgangsverfahren fragliche öffentliche Auftrag mit Entscheidung vom 6. Juni 2011 an die Zweite Arbeitsgemeinschaft vergeben. Die hiergegen gerichtete verwaltungsrechtliche Beschwerde von Marina del Mediterráneo u. a. wurde mit Entscheidung vom 11. Juli 2011 zurückgewiesen.

18

Mit Schreiben vom 5. Juli 2011 erhoben Marina del Mediterráneo u. a. eine verwaltungsrechtliche Klage beim Tribunal Superior de Justicia de Andalucía (Oberstes Gericht von Andalusien, Spanien) gegen die Entscheidung des Geschäftsführers der Hafenbehörde vom 3. Mai 2011. Mit dieser Klage beantragten sie unter Wiederholung ihres Vorbringens vor der Hafenbehörde im Rahmen des besonderen Beschwerdeverfahrens in Vergabesachen die Aufhebung der Entscheidung und damit der ihr nachfolgenden Handlungen, insbesondere der Entscheidung vom 6. Juni 2011, mit der der fragliche Auftrag an die Zweite Arbeitsgemeinschaft vergeben wurde.

19

Das angerufene nationale Gericht teilte den Parteien des Ausgangsverfahrens mit Entscheidung vom 19. Februar 2015 mit, dass nach den nationalen Regelungen, die die Handlungen festlegten, die Gegenstand eines besonderen Beschwerdeverfahrens in Vergabesachen sein könnten, möglicherweise Gründe für die Unzulässigkeit der von ihnen erhobenen verwaltungsrechtlichen Klage bestünden. Nach diesen Rechtsvorschriften kann gegen vorbereitende Handlungen eine Beschwerde eingelegt werden, die unmittelbar oder mittelbar eine Entscheidung über den Zuschlag beinhalten, die dazu führen, dass die Fortsetzung des Verfahrens oder eine Verteidigung unmöglich wird, oder die einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für Rechte oder legitime Interessen verursachen.

20

Folglich stelle die Entscheidung einer Vergabekommission, einen Bieter nicht auszuschließen, sondern vielmehr sein Angebot zuzulassen und seine Teilnahme am begonnenen Vergabeverfahren zu gestatten, keine Entscheidung dar, gegen die die Beschwerde zulässig wäre. Dies hindere die betreffende Person jedoch nicht daran, auf etwaige festgestellte Unregelmäßigkeiten hinzuweisen, um sie im Nachhinein durch die Anfechtung des Rechtsakts, mit dem der fragliche Auftrag vergeben worden sei und der Entscheidungscharakter habe, geltend zu machen.

21

Das vorlegende Gericht hat Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit den unionsrechtlichen Bestimmungen in Vergabesachen, wie sie durch den Gerichtshof insbesondere im Urteil vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau (C‑26/03, EU:C:2005:5), ausgelegt werden.

22

Aufgrund dieser Erwägungen hat das Tribunal Superior de Justicia de Andalucía (Oberstes Gericht von Andalusien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Zu den Vorlagefragen

Vorbemerkungen

23

Einleitend ist hinsichtlich der Bedenken, die die spanische Regierung an der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens geäußert hat, darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 89/665 gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 in Verbindung mit dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/66 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nur auf Aufträge anwendbar ist, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18 fallen, jedoch mit Ausnahme von Fällen, in denen diese Aufträge gemäß der Art. 10 bis 18 der Richtlinie 2004/18 ausgeschlossen sind. Die folgenden Erwägungen gehen daher von der Annahme aus, dass die Richtlinie 2004/18 auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrag anwendbar ist und folglich auch die Richtlinie 89/665 im Ausgangsverfahren anzuwenden ist, was allerdings das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

Zur ersten Frage

24

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen die Entscheidung, einen Bieter zum Vergabeverfahren zuzulassen, von der behauptet wird, sie verstoße gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen das nationale Recht, mit dem diese Vorschriften umgesetzt werden, nicht zu den vorbereitenden Handlungen eines öffentlichen Auftraggebers gehört, die mit einem selbständigen Rechtsbehelf bei einem Gericht angefochten werden können.

25

Während nach Art. 310 Abs. 2 Buchst. b des Gesetzes 30/2007 ein selbständiger Rechtsbehelf gegen vorbereitende Handlungen eingelegt werden kann, die unmittelbar oder mittelbar eine Entscheidung über den Zuschlag beinhalten, die dazu führen, dass die Fortsetzung des Verfahrens oder eine Verteidigung unmöglich wird, oder die einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für Rechte oder legitime Interessen verursachen, können andere vorbereitende Handlungen wie die Entscheidung, einen Bieter zu einem Verfahren zuzulassen – wie aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte hervorgeht – nur im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung, mit der ein öffentlicher Auftrag vergeben wird, angefochten werden.

26

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie mit der Wendung „hinsichtlich … der Aufträge“ voraussetzt, dass jede Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, die unter die unionsrechtlichen Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen fällt und gegen sie verstoßen kann, der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie vorgesehenen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Diese Bestimmung bezieht sich also allgemein auf die Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers, ohne sie nach ihrem Inhalt oder dem Zeitpunkt ihres Erlasses zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau, C‑26/03, EU:C:2005:5, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27

Diese weite Bedeutung des Begriffs der „Entscheidung“ eines öffentlichen Auftraggebers wird dadurch bestätigt, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 keine Beschränkung in Bezug auf Art und Inhalt der darin genannten Entscheidungen vorsieht. Im Übrigen wäre eine enge Auslegung dieses Begriffs unvereinbar mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten für jede Entscheidung der öffentlichen Auftraggeber Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorsehen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau, C‑26/03, EU:C:2005:5, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Daraus folgt, dass die Entscheidung, mit der ein Bieter zu einem Vergabeverfahren wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen zugelassen wird, eine Entscheidung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 darstellt.

29

Dieser Auslegung des Begriffs der mit einem Rechtsbehelf nachprüfbaren „Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber“ steht nicht entgegen, dass der Gerichtshof in Rn. 35 des Urteils vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau (C‑26/03, EU:C:2005:5), entschieden hat, dass Handlungen, die sich im Rahmen der internen Überlegungen des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags abspielen, nicht nachprüfbar sind. Eine Entscheidung wie die im Ausgangsverfahren fragliche Zulassung des Angebots eines Bieters liegt nämlich naturgemäß außerhalb des Rahmens der internen Überlegungen des öffentlichen Auftraggebers. Zudem wurde die Entscheidung Marina del Mediterráneo u. a. mitgeteilt.

30

Was den Zeitpunkt angeht, ab dem ein Rechtsbehelf eröffnet sein muss, ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 89/665, wie aus ihrem zweiten Erwägungsgrund hervorgeht, die auf einzelstaatlicher Ebene und auf Unionsebene vorhandenen Mechanismen zur Gewährleistung der tatsächlichen Anwendung der Unionsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens vor allem dann verstärken soll, wenn Verstöße noch beseitigt werden können. Zu diesem Zweck werden die Mitgliedstaaten in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 89/665 verpflichtet, „sicherzustellen, dass … die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch … nachgeprüft werden können“ (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2002, Universale‑Bau u. a., C‑470/99, EU:C:2002:746, Rn. 74).

31

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist zwar in der Richtlinie 89/665 der Zeitpunkt, ab dem die Möglichkeit einer Nachprüfung gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 besteht, nicht ausdrücklich festgelegt, das in der vorigen Randnummer genannte Ziel der Richtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten jedoch nicht, die Ausübung des Rechts auf Nachprüfung davon abhängig zu machen, dass das Vergabeverfahren formal ein bestimmtes Stadium erreicht hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau, C‑26/03, EU:C:2005:5, Rn. 38).

32

Mangels einer Unionsregelung, die den Zeitpunkt festlegt, ab dem die Möglichkeit der Überprüfung eröffnet sein muss, obliegt es nach ständiger Rechtsprechung dem nationalen Recht, die Modalitäten für das Gerichtsverfahren zu regeln, das den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten soll. Diese Verfahrensmodalitäten dürfen jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Rechtsbehelfe (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (Urteile vom 30. September 2010, Strabag u. a., C‑314/09, EU:C:2010:567, Rn. 34, vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute, C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 46, sowie vom 26. November 2015, MedEval, C‑166/14, EU:C:2015:779, Rn. 32, 35 und 37).

33

So dürfen u. a. die Modalitäten gerichtlicher Verfahren zum Schutz der Rechte, die das Unionsrecht den durch Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber geschädigten Bewerbern und Bietern einräumt, die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665 nicht beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. März 2005, Fabricom, C‑21/03 und C‑34/03, EU:C:2005:127, Rn. 42, vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute, C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 47, sowie vom 15. September 2016, Star Storage u. a., C‑439/14 und C‑488/14, EU:C:2016:688, Rn. 43).

34

Was insbesondere die Entscheidung angeht, mit der ein Bieter zu einem Vergabeverfahren wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen zugelassen wird, verstößt es gegen die Bestimmungen der Richtlinie 89/665, dass die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung in jedem Fall verlangt, dass ein Bieter die Entscheidung über die Vergabe des betreffenden Auftrags abwarten muss, bevor er gegen die Zulassung eines anderen Bieters ein Nachprüfungsverfahren anstrengen kann.

35

Diese Auslegung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die vollständige Verwirklichung der mit der Richtlinie 89/665 verfolgten Ziele gefährdet wäre, wenn Bewerber und Bieter in jedem Stadium des Vergabeverfahrens Verstöße gegen die Regeln über die Auftragsvergabe rügen und dadurch den öffentlichen Auftraggeber zwingen könnten, das gesamte Verfahren erneut durchzuführen, um die Verstöße zu beheben (Urteil vom 12. März 2015, eVigilo, C‑538/13, EU:C:2015:166, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies betrifft nämlich die Rechtfertigung angemessener Ausschlussfristen für Rechtsbehelfe gegen überprüfbare Entscheidungen und nicht den Ausschluss eines selbständigen Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung, mit der ein Bieter zum Vergabeverfahren zugelassen wird, wie er sich aus der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung ergibt.

36

Zudem obliegt es dem vorlegenden Gericht, festzustellen, ob die weiteren Bedingungen für den Zugang zu nach der Richtlinie 89/665 vorgesehenen Nachprüfungsverfahren erfüllt sind. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 und Abs. 3 dieser Richtlinie Verfahren zur Nachprüfung der Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers, um als wirksam angesehen werden zu können, zumindest jeder Person zur Verfügung stehen müssen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die Regeln, mit denen diese Vorschriften umgesetzt werden, ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2016, PFE, C‑689/13, EU:C:2016:199, Rn. 23). Insbesondere obliegt es somit im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits dem nationalen Gericht, festzustellen, ob Marina del Mediterráneo u. a. ein Interesse an dem fraglichen Auftrag hatten und ob sie durch die Entscheidung der Hafenbehörde, mit der das Angebot der Zweiten Arbeitsgemeinschaft zugelassen wurde, in ihren Rechten verletzt wurden oder verletzt zu werden drohten.

37

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen sind, dass sie in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen die Entscheidung, einen Bieter zum Vergabeverfahren zuzulassen, von der behauptet wird, sie verstoße gegen die Vorschriften das Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen das nationale Recht, mit dem diese Vorschriften umgesetzt werden, nicht zu den vorbereitenden Handlungen eines öffentlichen Auftraggebers gehört, die mit einem selbständigen Rechtsbehelf bei einem Gericht angefochten werden können.

Zur zweiten Frage

38

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/665 unmittelbare Wirkung entfalten.

39

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die Bestimmungen von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie unbedingt und hinreichend genau sind, um ein Recht für einen Einzelnen zu begründen, auf das sich dieser gegebenenfalls gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber berufen kann (vgl. Urteil vom 2. Juni 2005, Koppensteiner, C‑15/04, EU:C:2005:345, Rn. 38).

40

Wie der Generalwalt in Nr. 70 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gilt diese Beurteilung angesichts des eindeutigen und genauen Wortlauts von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/665 sowie der ähnlichen Zielsetzungen dieser Bestimmung und von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie auch für Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie.

41

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/665 unmittelbare Wirkung entfalten.

Kosten

42

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen die Entscheidung, einen Bieter zum Vergabeverfahren zuzulassen, von der behauptet wird, sie verstoße gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen das nationale Recht, mit dem diese Vorschriften umgesetzt werden, nicht zu den vorbereitenden Handlungen eines öffentlichen Auftraggebers gehört, die mit einem selbständigen Rechtsbehelf bei einem Gericht angefochten werden können.

 

2.

Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 2007/66 geänderten Fassung entfalten unmittelbare Wirkung.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.