Rechtssache C-212/09

Europäische Kommission

gegen

Portugiesische Republik

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 43 EG und 56 EG – Freier Kapitalverkehr – Vom portugiesischen Staat gehaltene Sonderaktien (‚golden shares‘) an der GALP Energia SGPS SA – Eingriff in die Verwaltung einer privatisierten Gesellschaft“

Leitsätze des Urteils

Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen – Gesellschaftsrecht – Nationale Regelung, mit der zugunsten des Staates Sonderrechte bei der Verwaltung einer privatisierten Gesellschaft geschaffen werden

(Art. 56 Abs. 1 EG, 58 EG und 86 Abs. 2 EG)

Ein Mitgliedstaat, der zu seinen eigenen Gunsten und zugunsten anderer öffentlicher Einrichtungen Sonderrechte an einer Aktiengesellschaft aufrechterhält, die in Verbindung mit von diesem Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares“) am Gesellschaftskapital dieser Gesellschaft gewährt werden und insbesondere mit der Wahl des Vorsitzenden des Verwaltungsrats zusammenhängen und ihm ein Vetorecht bei der Berufung einer Zahl von Verwaltungsratsmitgliedern, die höchstens einem Drittel der Gesamtzahl entspricht, sowie bei Beschlüssen über die Änderung der Satzung der Gesellschaft, bei Beschlüssen zur Genehmigung des Abschlusses von Gruppenverträgen in gleichberechtigter oder untergeordneter Stellung und bei Beschlüssen, die auf irgendeine Art und Weise die Versorgung des Landes mit Erdöl, Gas oder daraus hergestellten Erzeugnissen gefährden können, verleihen, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Art. 56 EG.

Da nämlich das Vetorecht diesem Staat einen Einfluss auf die Verwaltung und Kontrolle der Gesellschaft verleiht, der nicht durch den Umfang seiner Beteiligung an dieser Gesellschaft gerechtfertigt ist, kann es Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten von Direktinvestitionen in die Gesellschaft abhalten, da sie an ihrer Verwaltung und Kontrolle nicht entsprechend dem Wert ihrer Beteiligungen mitwirken könnten. Das fragliche Vetorecht kann auch von Portfolioinvestitionen in die Gesellschaft abhalten, da eine etwaige Verweigerung der Zustimmung des betroffenen Staates zu einer wichtigen Entscheidung, die von den Organen dieser Gesellschaft als in deren Interesse liegend vorgeschlagen wird, den Wert der Aktien dieser Gesellschaft und damit die Attraktivität einer Anlage in diese Aktien mindern kann.

Was das Recht zur Bestimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden angeht, so stellt es eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, da ein solches in einer nationalen gesetzlichen Maßnahme allein zugunsten öffentlicher Akteure vorgesehenes Sonderrecht eine Abweichung vom allgemeinen Gesellschaftsrecht darstellt. Zwar kann diese Befugnis durch Gesetz als qualifiziertes Minderheitsrecht gewährt werden, sie muss jedoch dann allen Aktionären offenstehen und darf nicht ausschließlich dem Staat vorbehalten werden. Da das Recht zur Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds für andere Aktionäre als den Staat die Möglichkeit beschränkt, sich am Kapital der Gesellschaft zu beteiligen, um zu ihr dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen, die eine effektive Beteiligung an ihrer Verwaltung oder Kontrolle ermöglichen, herzustellen oder aufrechtzuerhalten, kann dieses Recht Direktinvestoren aus anderen Mitgliedstaaten von einer Anlage in das Kapital dieser Gesellschaft abhalten.

Was die in Art. 58 EG zugelassenen Ausnahmen betrifft, kann zwar die Notwendigkeit, die Sicherheit der Energieversorgung des betroffenen Mitgliedstaats im Krisen‑, Kriegs‑ oder Terrorfall sicherzustellen, einen Grund der öffentlichen Sicherheit darstellen und gegebenenfalls eine Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen. Gleichwohl sind die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit, insbesondere als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs, eng auszulegen, so dass ihre Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Union bestimmt werden kann. So ist eine Berufung auf die öffentliche Sicherheit nur möglich, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Begnügt sich ein Staat mit dem Hinweis auf den Rechtfertigungsgrund der Sicherheit der Energieversorgung, legt aber nicht die genauen Gründe dar, weshalb er meint, dass sich mit jedem einzelnen der beanstandeten Sonderrechte oder mit allen zusammen eine solche Beeinträchtigung eines Grundinteresses wie der Energieversorgung verhindern ließe, so kann die Rechtfertigung mit der öffentlichen Sicherheit nicht akzeptiert werden.

Im Übrigen stellt, was die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Beschränkung angeht, die Unsicherheit, die dadurch geschaffen wird, dass die Ausübung der Sonderrechte, die der Besitz von Sonderaktien am Kapital der Gesellschaft dem Staat verleiht, an keine Bedingung und keinen spezifischen objektiven Umstand geknüpft ist, eine schwerwiegende Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs dar, da hierdurch den nationalen Behörden bei der Wahrnehmung derartiger Rechte ein so weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird, dass dieser nicht als den verfolgten Zielen angemessen angesehen werden kann.

Schließlich findet Art. 86 Abs. 2 EG auf die genannten nationalen Bestimmungen keine Anwendung und kann daher nicht zu ihrer Rechtfertigung geltend gemacht werden, soweit sie die im Vertrag verbürgte Freiheit des Kapitalverkehrs beschränken. Anhand dieser Bestimmung in Verbindung mit Abs. 1 desselben Artikels lässt sich nämlich rechtfertigen, dass ein Mitgliedstaat einem Unternehmen, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist, den Bestimmungen des Vertrags zuwiderlaufende besondere oder ausschließliche Rechte überträgt, sofern die Erfüllung der diesem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe nur durch die Einräumung solcher Rechte gesichert werden kann und soweit die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Interesse der Union zuwiderläuft. Dies ist jedoch nicht der Gegenstand einer nationalen Regelung, die einem Mitgliedstaat Sonderrechte an einer Aktiengesellschaft in Verbindung mit von ihm gehaltenen Sonderaktien am Kapital dieser Gesellschaft zuweist.

(vgl. Randnrn. 57-60, 82-83, 85, 88, 90-92, 95, 97 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

10. November 2011(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 43 EG und 56 EG – Freier Kapitalverkehr – Vom portugiesischen Staat gehaltene Sonderaktien (‚golden shares‘) an der GALP Energia SGPS SA – Eingriff in die Verwaltung einer privatisierten Gesellschaft“

In der Rechtssache C‑212/09

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 11. Juni 2009,

Europäische Kommission, vertreten durch G. Braun, M. Teles Romão und P. Guerra e Andrade als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von C. Botelho Moniz, M. Rosado da Fonseca und P. Gouveia e Melo, advogados,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Fünften Kammer J.‑J. Kasel in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2011,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 56 EG verstoßen hat, dass sie Sonderrechte des portugiesischen Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen oder des portugiesischen öffentlichen Sektors innerhalb der GALP Energia SGPS SA (im Folgenden: GALP) aufrechterhält, die in Verbindung mit vom portugiesischen Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares“) gewährt werden.

 Rechtlicher Rahmen

 Nationales Recht

2        Art. 15 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 11/90, Rahmengesetz über Privatisierungen (Lei n.º 11/90, Lei Quadro das Privatizações), vom 5. April 1990 (Diário da República I, Serie A, Nr. 80, vom 5. April 1990; im Folgenden: LQP) sieht vor:

„Ausnahmsweise kann, wenn Gründe des nationalen Interesses es erfordern, der Rechtsakt, mit dem die Satzung des zu reprivatisierenden Unternehmens genehmigt wird, zur Wahrung des öffentlichen Interesses vorsehen, dass Beschlüsse über bestimmte Gegenstände von einem vom Staat ernannten Verwaltungsratsmitglied genehmigt werden müssen.“

3        Art. 15 Abs. 3 LQP sieht die Möglichkeit der Ausgabe von Sonderaktien wie folgt vor:

„Außerdem können in dem Rechtsakt gemäß Art. 4 Abs. 1 [zur Genehmigung der Satzung des Unternehmens, das reprivatisiert oder in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll] ausnahmsweise, wenn Gründe des nationalen Interesses dies erfordern, Sonderaktien vorgesehen werden, die Eigentum des Staates bleiben und diesem unabhängig von ihrer Anzahl bei Satzungsänderungen und anderen Beschlüssen über bestimmte, in der Satzung hinreichend spezifizierte Gegenstände ein Vetorecht einräumen.“

4        In Anwendung von Art. 15 LQP sieht die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 261-A/99 zur Genehmigung der ersten Etappe der Privatisierung des Gesellschaftskapitals der GALP – Petróleos e Gás de Portugal, SGPS, SA (Decreto-Lei n° 261-A/99 aprova a 1.ª fase do processo de privatização do capital social da GALP – Petróleos e Gás de Portugal, SGPS, SA) vom 7. Juli 1999 (Diário da República I, Serie A, Nr. 156, vom 7. Juli 1999, im Folgenden: gesetzesvertretende Verordnung Nr. 261-A/99) in ihrem Art. 4 Abs. 1 die Möglichkeit der „Schaffung von Sonderaktien durch Umwandlung gewöhnlicher Aktien“ vor.

5        Nach Art. 4 Abs. 2 dieser gesetzesvertretenden Verordnung dürfen die Sonderaktien vor Kapitalerhöhung nicht mehr als 10 % des Gesellschaftskapitals von GALP ausmachen und müssen mehrheitlich von öffentlichen Einrichtungen gehalten werden.

6        Nach Art. 4 Abs. 3 derselben gesetzesvertretenden Verordnung verleihen die Sonderaktien ein Vetorecht bei der Berufung einer Zahl von Verwaltungsratsmitgliedern, die höchstens einem Drittel der Gesamtzahl entspricht. Ferner verleihen sie ein Vetorecht bei Beschlüssen über die Änderung der Satzung der Gesellschaft, bei Beschlüssen zur Genehmigung des Abschlusses von Gruppenverträgen in gleichberechtigter oder untergeordneter Stellung und bei Beschlüssen, die auf irgendeine Art und Weise die Versorgung des Landes mit Erdöl, Gas oder daraus hergestellten Erzeugnissen gefährden können.

7        Art. 391 Abs. 2 des portugiesischen Gesetzbuchs über Handelsgesellschaften (im Folgenden: CSC) lautet:

„Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass die Wahl der Verwaltungsratsmitglieder mit einer Stimmzahl bestätigt werden muss, die einem bestimmten Vomhundertsatz des Kapitals entspricht, oder dass die Wahl einiger Verwaltungsratsmitglieder, deren Zahl ein Drittel der Gesamtzahl nicht übersteigen darf, mit der Mehrheit der bestimmten Aktien verliehenen Stimmrechte ebenfalls bestätigt werden muss; das Recht zur Berufung von Verwaltungsratsmitgliedern darf jedoch nicht bestimmten Aktienkategorien zugewiesen werden.“

 Die Satzung von GALP

8        Die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 137-A/99 vom 22. April 1999 (Diário da República I, Serie A, Nr. 94, vom 22. April 1999), mit der GALP gegründet wurde, enthält in ihrem Anhang den Text der Satzung dieser Gesellschaft.

9        Nach Art. 4 Abs. 1 der Satzung von GALP setzt sich deren Gesellschaftskapital aus 40 Millionen Aktien der Kategorie A und etwa 789 Millionen Aktien der Kategorie B zusammen.

10      Art. 4 Abs. 3 der Satzung von GALP sieht vor, dass die Aktien der Kategorie A mit bestimmten Sonderrechten verbunden sind:

„a)      Die Wahl des Vorsitzenden des Verwaltungsrats kann nur mit der Mehrheit der mit den Aktien der Kategorie A verbundenen Stimmrechte bestätigt werden;

b)      alle Beschlüsse, mit denen der Abschluss von Gruppenverträgen in gleichberechtigter oder untergeordneter Stellung genehmigt wird, sowie die Beschlüsse, die auf irgendeine Art und Weise die Versorgung des Landes mit Erdöl, Gas, Elektrizität oder daraus hergestellten Erzeugnissen gefährden können, bedürfen für ihre Annahme der Mehrheit der mit den Aktien der Kategorie A verbundenen Stimmrechte;

…“

11      Außerdem sieht Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Satzung von GALP vor, dass die Beschlüsse ihres Verwaltungsrats in bestimmten Bereichen mit der qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der Verwaltungsratsmitglieder und unbedingt auch vom Vorsitzenden des Verwaltungsrats angenommen werden müssen; zu diesen Bereichen zählen die strategischen Desinvestitionen, die Beteiligungen in nicht zum Hauptgeschäft der Gesellschaft gehörenden Sektoren, die Wahl von strategischen Partnern, die Aufstellung und Änderung der Strategielinien, des Strategieplans und der dazugehörigen Geschäftsbereiche, die Bestimmung der grundlegenden Verwaltungs- und Organisationsstruktur, die Bestimmung des Umfangs der autonomen Verwaltung der von GALP beherrschten Gesellschaften, die Aufspaltung, Verschmelzung oder Auflösung der von GALP beherrschten Gesellschaften und die Ausschüttung von Dividenden durch die von GALP beherrschten Gesellschaften.

 Die Aktionärsvereinbarung von GALP

12      Am 4. Oktober 2006 schlossen verschiedene Aktionäre von GALP, nämlich Amorim Energia, ENI und die staatliche Bank Caixa Geral de Depósitos SA (im Folgenden: CGD), eine Aktionärsvereinbarung. In der Folge wurde diese Vereinbarung mehrfach angepasst.

13      Namentlich aufgrund dieser Vereinbarung bestimmt CGD ein Verwaltungsratsmitglied, das zwingend Vorsitzender des Verwaltungsrats ist.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und vorgerichtliches Verfahren

14      Seit 1999 war der portugiesische Energiesektor, insbesondere der Erdöl- und Erdgassektor, Gegenstand eines umfangreichen Umstrukturierungsprozesses, der durch Erlass der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 137-A/99 vom 22. April 1999 zur Gründung von GALP führte, einer Gesellschaft mit staatlichem Kapital, in der die unmittelbaren Beteiligungen des Staates an bestimmten öffentlichen Unternehmen zusammengeführt sind.

15      Die Privatisierung von GALP begann mit ihrer Gründung und verlief im Rahmen der Regelung des Rahmengesetzes über Privatisierungen in fünf Etappen. Derzeit hält der Staat 8 % des Gesellschaftskapitals von GALP, davon 7 % über Parpública und 1 % über CGD.

16      Nach Aktenlage ist GALP zurzeit die wichtigste integrierte Gruppe für Erdöl- und Erdgaserzeugnisse in Portugal.

17      Am 18. Oktober 2006 richtete die Kommission ein Mahnschreiben an die Portugiesische Republik, in dem sie ihr vorwarf, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 56 EG verstoßen zu haben, indem sie im Rahmen der Privatisierung von GALP vom portugiesischen Staat gehaltene Sonderaktien geschaffen habe, mit denen Sonderrechte, insbesondere das Recht zur Bestimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden dieser Gesellschaft und das Vetorecht bei bestimmten wichtigen Entscheidungen der Gesellschaft, verbunden seien.

18      Da die Kommission die Antwort der Portugiesischen Republik vom 18. Dezember 2006 für unzureichend hielt, erließ sie am 29. Juni 2007 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie den Wortlaut des Mahnschreibens wiederholte und den betroffenen Mitgliedstaat aufforderte, dieser Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

19      Die portugiesischen Behörden antworteten auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 30. Oktober 2007. Da diese Antwort die Kommission nicht zufriedenstellte, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

 Zur Zulässigkeit der Klage

 Vorbringen der Parteien

20      Die Portugiesische Republik stellt in ihren Schriftsätzen die Zulässigkeit der Klage in Abrede. Die Klage sei teilweise unzulässig, da die Kommission mit ihrer Klageschrift neues Vorbringen, das nicht in der mit Gründen versehenen Stellungnahme enthalten gewesen sei, eingeführt und damit den Streitgegenstand, wie er im vorgerichtlichen Verfahren festgelegt worden sei, erweitert habe.

21      Sie bezieht sich in diesem Zusammenhang zum einen auf das Recht des Staates, die Entscheidungen des Verwaltungsrats über die Geschäftsführung von GALP dem vom Staat selbst berufenen Vorsitzenden des Verwaltungsrats zur Genehmigung vorlegen zu lassen, und auf das Vetorecht des Vorsitzenden gegen bestimmte Beschlüsse des Verwaltungsrats gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Satzung von GALP, die mit der qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der Verwaltungsratsmitglieder angenommen werden müssen. Zum anderen nimmt sie auf den Vorwurf der Kommission Bezug, dass sie durch Diskriminierungen in den verschiedenen Etappen der Privatisierung von GALP und bei der Aushandlung der 2006 geschlossenen Aktionärsvereinbarung das in Art. 12 EG verankerte Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit missachtet habe.

22      Da es sich dabei um Vorbringen handele, das gegenüber der mit Gründen versehenen Stellungnahme neu sei, ist die Portugiesische Republik der Auffassung, dass dieses Vorbringen für unzulässig zu erklären sei.

23      Die Kommission weist diese Ausführungen in vollem Umfang zurück. Die vorliegende Klage betreffe das Recht zur Bestimmung des Vorsitzenden des Verwaltungsrats von GALP und das Vetorecht in Bezug auf Änderungen des Gesellschaftsvertrags und sonstige Entscheidungen über bestimmte, in der Satzung festgelegte Gegenstände. Diese Sonderbefugnisse gingen auf das portugiesische Recht zurück, nämlich auf das Rahmengesetz über Privatisierungen, insbesondere seine Art. 3 und 15, und auf die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 261-A/99, insbesondere ihren Art. 4 Abs. 3.

24      Das angeblich neue Vorbringen in der Klageschrift, das von der Portugiesischen Republik für unzulässig gehalten werde, bestehe zum einen in Klarstellungen zur Befugnis des vom Staat bestimmten Verwaltungsratsmitglieds, die erheblich seien, um den Sachverhalt der Bestimmung des Verwaltungsratsmitglieds als staatliche Maßnahme einzustufen, die nicht aus einer normalen Anwendung des Gesellschaftsrechts folge. Zum anderen ergibt sich aus der Klageschrift nach Ansicht der Kommission eindeutig, dass sie sich mit der schlichten Beschreibung einer Vorgehensweise der Portugiesischen Republik nicht auf Art. 12 EG berufen habe, sondern die Schaffung der Sonderrechte des Staates durch unterschiedslos anwendbare allgemeine Vorschriften und die diskriminierende Anwendung Letzterer durch privatrechtliche Instrumente beanstandet habe. Außerdem hat die Kommission in ihrer Erwiderung erklärt, nicht auf diesem Ansatz zu bestehen, der lediglich der Einordnung des Streitgegenstands in seinen Zusammenhang diene.

25      Daher sieht die Kommission in den besagten Ausführungen kein Vorbringen, das gegenüber der mit Gründen versehenen Stellungnahme neu wäre.

 Würdigung durch den Gerichtshof

26      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission festgelegt wird, so dass die Klage auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein muss wie diese Stellungnahme (vgl. Urteile vom 8. Dezember 2005, Kommission/Luxemburg, C‑33/04, Slg. 2005, I‑10629, Randnr. 36, vom 9. November 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑236/05, Slg. 2006, I‑10819, Randnr. 10, und vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, C‑171/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 25).

27      Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen, dass in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen der Darstellung der Rügen im Tenor der mit Gründen versehenen Stellungnahme und den Anträgen in der Klageschrift bestehen muss, sofern nur der Streitgegenstand, wie er in der mit Gründen versehenen Stellungnahme umschrieben ist, nicht erweitert oder geändert worden ist (vgl. Urteile 14. Juli 2005, Kommission/Deutschland, C‑433/03, Slg. 2005, I‑6985, Randnr. 28, Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 11, Kommission/Portugal, Randnr. 26, und vom 18. November 2010, Kommission/Portugal, C‑458/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 44).

28      Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Streitgegenstand, wie er in der mit Gründen versehenen Stellungnahme umschrieben worden ist, weder erweitert noch geändert.

29      Insoweit genügt der Hinweis, dass die Kommission sowohl im Tenor der mit Gründen versehenen Stellungnahme als auch in den Anträgen in der Klageschrift klar angegeben hat, dass sie der Portugiesischen Republik zur Last lege, dass der portugiesische Staat und andere öffentliche Anteilseigner Sonderaktien am Gesellschaftskapital von GALP hielten, die mit Sonderrechten verbunden seien, nämlich dem Recht zur Bestimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden, der die Befugnis habe, Beschlüsse der Gesellschaftsorgane über die Geschäftsführung zu genehmigen, und dem ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen der Gesellschaft zustehe. Indem sie sich zudem auf die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus den Art. 43 EG und 56 EG berufen hat, denen die Portugiesische Republik nicht nachgekommen sei, hat die Kommission den Streitgegenstand somit hinreichend genau bestimmt.

30      Zwar hat die Kommission erstmals in der Klageschrift der Portugiesischen Republik vorgeworfen, in den verschiedenen Etappen der Privatisierung von GALP und bei der Aushandlung der Aktionärsvereinbarung diskriminierend gehandelt zu haben, und sich auf bestimmte nationale Bestimmungen, insbesondere Art. 18 der Satzung von GALP und die darin vorgesehenen Rechte, gestützt. Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass sie entgegen den Behauptungen der Portugiesischen Republik in ihrer Klageschrift nicht angenommen hat, dass der portugiesische Staat über neue Sonderbefugnisse verfüge; vielmehr hat sie als zusätzliche Argumente zur Veranschaulichung der Begründetheit ihrer Rügen nicht nur weitere nationale Bestimmungen zur Konkretisierung des Rahmengesetzes über Diskriminierungen und der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 261-A/99, auf denen die Sonderbefugnisse des Staates beruhen, sondern auch die Entstehungsgeschichte der Aktionärsvereinbarung angeführt.

31      Dass die Kommission ihre Rügen, die sie bereits in der mit Gründen versehenen Stellungnahme in allgemeinerer Form erhoben hatte, näher ausgeführt hat, hat daher den Gegenstand der behaupteten Vertragsverletzung nicht geändert und keine Auswirkung auf den Umfang des Rechtsstreits gehabt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. November 2003, Kommission/Finnland, C‑185/00, Slg. 2003, I‑14189, Randnrn. 84 bis 87, vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 29, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, C‑543/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 23).

32      Demnach ist die von der Portugiesischen Republik erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

 Zum Vorliegen von Beschränkungen

 Vorbringen der Parteien

33      Die Kommission macht insbesondere geltend, es sei ein Hemmnis sowohl für Direktinvestitionen als auch für Portfolioinvestitionen in das Gesellschaftskapital von GALP und somit eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit, dass der portugiesische Staat Sonderrechte innerhalb dieser Gesellschaft, nämlich das Recht zur Bestimmung des mit der Befugnis zur Genehmigung von Beschlüssen der Gesellschaftsorgane über die Geschäftsführung ausgestatteten Verwaltungsratsvorsitzenden, das in den Klauseln der vom portugiesischen Staat über CGD als Mittler ausgehandelten Aktionärsvereinbarung Bestätigung finde, sowie das Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen von GALP, besitze.

34      Nach Ansicht der Kommission beschränken nämlich solche Sonderrechte zum einen die Möglichkeit für die Anteilseigner, sich entsprechend dem Wert ihrer Anteile wirksam an der Verwaltung und Kontrolle der betroffenen Gesellschaft zu beteiligen, und halten zum anderen Investoren aus anderen Mitgliedstaaten davon ab, Aktien dieser Gesellschaft zu erwerben.

35      Die Kommission führt dazu näher aus, dass sich die Schaffung von mit Sonderaktien verbundenen Sonderrechten nicht aus einer normalen Anwendung des Gesellschaftsrechts ergebe, sondern eine staatliche Maßnahme darstelle, die in den Anwendungsbereich der Art. 43 EG und 56 Abs. 1 EG falle. Die Satzung von GALP, die die betreffenden Sonderrechte vorsehe, sei nämlich zu einer Zeit, als der portugiesische Staat Eigner des gesamten Kapitals dieser Gesellschaft gewesen sei, durch Gesetz errichtet worden und könne nicht ohne Zustimmung des Staates geändert werden.

36      Die Portugiesische Republik macht zunächst unter Berufung auf das Urteil vom 26. März 2009, Kommission/Italien (C‑326/07, Slg. 2009, I‑2291, Randnr. 39), geltend, die von der Kommission beanstandeten nationalen Bestimmungen seien ausschließlich unter dem Blickwinkel des Art. 43 EG zu untersuchen, da sich wie in der Rechtssache, in der jenes Urteil ergangen sei, sowohl das Vetorecht als auch das Recht zur Bestimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden von GALP auf Entscheidungen im Rahmen der Verwaltung der Gesellschaft bezögen und daher nur Aktionäre beträfen, die einen sicheren Einfluss auf die Gesellschaft ausüben könnten.

37      Ferner fielen jedenfalls die nationalen Bestimmungen über die Sonderrechte des Staates nicht in den Anwendungsbereich der Art. 43 EG und 56 EG, da in ihnen keine Beschränkung der betreffenden Grundfreiheiten liege. Der Einfluss der fraglichen nationalen Maßnahmen auf den Marktzugang sei nämlich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit rein hypothetisch und jedenfalls völlig ungewiss und mittelbar (Urteil vom 20. Juni 1996, Semeraro Casa Uno u. a., C‑418/93 bis C‑421/93, C‑460/93 bis C‑462/93, C‑464/93, C‑9/94 bis C‑11/94, C‑14/94, C‑15/94, C‑23/94, C‑24/94 und C‑332/94, Slg. 1996, I‑2975, Randnr. 32). Diese nationalen Maßnahmen könnten nur dann beschränkende Maßnahmen im Hinblick auf die Art. 43 EG und 56 EG darstellen, wenn sie den Marktzugang der Anleger unmittelbar und substanziell beeinflussten. Die Portugiesische Republik fordert den Gerichtshof insoweit auf, den Begriff der „Beschränkung“ des freien Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit insbesondere im Licht des Urteils vom 24. November 1993, Keck und Mithouard (C‑267/91 und C‑268/91, Slg. 1993, I‑6097), auszulegen, das Verkaufsmodalitäten im Zusammenhang mit der Freiheit des Warenverkehrs betraf.

38      Außerdem sei in Anbetracht der Aktionärsstruktur von GALP und ihrer Entwicklung seit dem Jahr 1999 offenkundig, dass das Bestehen von Sonderrechten des Staates an dieser Gesellschaft keinerlei nachteilige Wirkung auf Direktinvestitionen oder Portfolioinvestitionen in das Gesellschaftskapital von GALP gehabt habe.

39      Zu der Behauptung, dass das in der Satzung von GALP und in der Aktionärsvereinbarung festgeschriebene Recht zur Berufung des Verwaltungsratsvorsitzenden dieser Gesellschaft den Charakter einer staatlichen Maßnahme habe, führt die Portugiesische Republik schließlich aus, dass dieses Recht keine staatliche Maßnahme sei, sondern ein privatrechtlicher Rechtsakt, der nicht in den Anwendungsbereich der Art. 43 EG und 56 EG falle.

40      In Erwiderung auf dieses Vorbringen entgegnet die Kommission zur Bezugnahme der Portugiesischen Republik auf das Urteil Kommission/Italien, dass sowohl das Vetorecht als auch das Recht zur Bestimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden dem Staat Sonderbefugnisse in Bezug auf bestimmte Entscheidungen der Hauptversammlung einräumten, die alle Anteilseigner und potenziellen Investoren berührten und nicht nur diejenigen, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betroffenen Gesellschaft ausübten. Die Portugiesische Republik könne daher die Anwendbarkeit von Art. 56 EG nicht in Abrede stellen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

–       Zur Anwendbarkeit der Art. 43 EG und 56 EG

41      Für die Beantwortung der Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere dieser Verkehrsfreiheiten fällt, ist nach gefestigter Rechtsprechung auf den Gegenstand der fraglichen Regelung abzustellen (vgl. u. a. Urteile vom 24. Mai 2007, Holböck, C‑157/05, Slg. 2007, I‑4051, Randnr. 22, Kommission/Italien, Randnr. 33, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 40).

42      In den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 43 EG über die Niederlassungsfreiheit fallen nationale Vorschriften, die anzuwenden sind, wenn ein Angehöriger eines Mitgliedstaats am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. u. a. Urteile vom 13. April 2000, Baars, C‑251/98, Slg. 2000, I‑2787, Randnr. 22, Kommission/Italien, Randnr. 34, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 41).

43      Von Art. 56 EG, der den freien Kapitalverkehr betrifft, werden insbesondere Direktinvestitionen erfasst, d. h. Investitionen jeder Art durch natürliche oder juristische Personen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die diese Mittel bereitstellen, und dem Unternehmen, für das die Mittel zum Zweck der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind. Dieses Ziel setzt voraus, dass die Aktien ihrem Inhaber die Möglichkeit geben, sich effektiv an der Verwaltung dieser Gesellschaft oder an deren Kontrolle zu beteiligen (vgl. u. a. Urteile vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, C‑112/05, Slg. 2007, I‑8995, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung, Kommission/Italien, Randnr. 35, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 42).

44      Eine nationale Regelung, die nicht nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, sondern unabhängig vom Umfang der Beteiligung eines Aktionärs an einer Gesellschaft gilt, kann sowohl unter Art. 43 EG als auch unter Art. 56 EG fallen (Urteile Kommission/Italien, Randnr. 36, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 43).

45      Im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren ist nicht ausgeschlossen, dass die in Rede stehenden nationalen Bestimmungen alle Aktionäre und potenziellen Investoren berühren und nicht nur die Aktionäre, die einen sicheren Einfluss auf die Verwaltung und Kontrolle von GALP ausüben können. Die streitigen Bestimmungen sind daher unter dem Blickwinkel der Art. 43 EG und 56 EG zu prüfen.

–       Zum Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 56 EG

46      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Art. 56 Abs. 1 EG ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verbietet (vgl. u. a. Urteile vom 28. September 2006, Kommission/Niederlande, C‑282/04 und C‑283/04, Slg. 2006, I‑9141, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, Randnr. 17, vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 48, sowie vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 45).

47      Da im EG-Vertrag der Begriff des Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG nicht definiert ist, hat der Gerichtshof der Nomenklatur für den Kapitalverkehr in Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrags (ABl. L 178, S. 5) (dieser Artikel ist durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben worden) Hinweischarakter zuerkannt. So hat er entschieden, dass Kapitalbewegungen im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG insbesondere sogenannte Direktinvestitionen sind, also Investitionen in Form der Beteiligung an einem Unternehmen über Aktien, die die Möglichkeit verschafft, sich tatsächlich an der Verwaltung und der Kontrolle dieses Unternehmens zu beteiligen, sowie sogenannte Portfolioinvestitionen, d. h. Investitionen in Form des Erwerbs von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen (vgl. Urteile Kommission/Niederlande, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, Randnr. 18, vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 49, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 46).

48      In Bezug auf diese beiden Investitionsformen hat der Gerichtshof festgestellt, dass nationale Regelungen als „Beschränkungen“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG anzusehen sind, wenn sie geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betroffenen Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken oder aber Investoren aus anderen Mitgliedstaaten davon abzuhalten, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren (vgl. Urteil vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Die Portugiesische Republik bestreitet, dass Art. 4 Abs. 3 der Satzung von GALP und die einschlägigen Klauseln der Aktionärsvereinbarung ihrem Charakter nach nationale Maßnahmen sind. Sie macht insbesondere geltend, dass nach der genannten Vereinbarung das Recht des Staates zur Bestimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden von GALP durch CGD und nicht durch den portugiesischen Staat ausgeübt werde, so dass die fragliche Bestimmung keine staatliche Maßnahme sei und daher nicht in den Anwendungsbereich der Art. 43 EG und 56 EG falle.

50      Insoweit ist zum einen festzustellen, dass ausweislich der Akten die Satzung von GALP vor Abschluss der ersten Etappe der Privatisierung dieser Gesellschaft errichtet wurde, d. h. zu einer Zeit, als der portugiesische Staat die Mehrheit am Gesellschaftskapital von GALP hielt. Parallel dazu wurde gleichfalls von Gesetzes wegen ein spezifisches Vetorecht zugunsten dieses Staates vorgesehen, das insbesondere bei Beschlüssen über die Änderung der Satzung dieser Gesellschaft ausgeübt werden kann. Damit kann die Klausel über das Recht zur Bestimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden von GALP nunmehr von den Gesellschaftern nicht mehr ohne Zustimmung des Staates aufgehoben werden.

51      Zum anderen genügt zu dem Argument, das die Portugiesische Republik in diesem Zusammenhang zur Berufung des Verwaltungsratsvorsitzenden durch CGD vorgebracht hat, die Feststellung, dass der Staat dadurch, dass CGD eine Bank in seinem Alleinbesitz ist, seine Rechte über diese als Mittlerin ausübt. Was den privaten Charakter der Aktionärsvereinbarung angeht, stimmt sich der portugiesische Staat somit über die CGD mit den Referenzanteilseignern ab, die er ausgewählt hat, um seinen Einfluss auf die Zusammensetzung und die Verwaltung von GALP aufrechtzuerhalten.

52      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass es die Portugiesische Republik selbst ist, die zum einen über den nationalen Gesetzgeber die Schaffung von Sonderaktien am Gesellschaftskapital von GALP gestattet hat und die zum anderen in ihrer Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt beschlossen hat, nach Art. 15 Abs. 3 LQP Sonderaktien an diesem Kapital einzuführen, sie dem Staat zuzuweisen und die mit ihnen verbundenen Sonderrechte festzulegen.

53      Außerdem ist auch festzustellen, dass die Schaffung des Rechts des Staates zur Bestimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden von GALP nicht auf eine normale Anwendung des Gesellschaftsrechts zurückgeht. Während das portugiesische Gesetzbuch über Handelsgesellschaften ausdrücklich untersagt, das Recht zur Berufung mancher Verwaltungsratsmitglieder bestimmten Aktienkategorien zuzuweisen, sehen die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 261-A/99 und die Satzung von GALP im Gegensatz dazu vor, dass die Bestätigung der Wahl des Verwaltungsratsvorsitzenden ein den Sonderaktien des Staates innewohnendes Recht ist. Es handelt sich also um ein vom allgemeinen Gesellschaftsrecht abweichendes Sonderrecht, das in einer nationalen gesetzlichen Maßnahme allein zugunsten öffentlicher Akteure vorgesehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, Randnrn. 59 bis 61).

54      Das Recht des Staates zur Bestimmung des Vorsitzenden des Verwaltungsrats von GALP ist daher der Portugiesischen Republik zurechenbar und fällt demgemäß in den Anwendungsbereich von Art. 56 Abs. 1 EG.

55      Zur restriktiven Natur des in den nationalen Rechtsvorschriften – teils in Verbindung mit der Satzung von GALP – dem portugiesischen Staat eingeräumten Besitzes von mit Sonderrechten verbundenen Sonderaktien am Gesellschaftskapital von GALP ist festzustellen, dass solche Aktien Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten davon abhalten können, in das Kapital dieser Gesellschaft zu investieren.

56      Zum Vetorecht ergibt sich nämlich aus Art. 4 Abs. 3 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 261-A/99, dass die Genehmigung einer erheblichen Anzahl wichtiger Beschlüsse über GALP vom Einverständnis des portugiesischen Staates abhängt. Insbesondere ist dessen Zustimmung für jeden Beschluss zur Änderung der Satzung von GALP erforderlich, so dass der Einfluss des portugiesischen Staates auf diese Gesellschaft nur abnehmen kann, wenn er selbst dem zustimmt.

57      Da dieses Vetorecht dem portugiesischen Staat einen Einfluss auf die Verwaltung und Kontrolle von GALP verleiht, die nicht durch den Umfang seiner Beteiligung an dieser Gesellschaft gerechtfertigt ist, kann es somit Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten von Direktinvestitionen in das Gesellschaftskapital von GALP abhalten, da sie an der Verwaltung und der Kontrolle der Gesellschaft nicht entsprechend dem Wert ihrer Beteiligungen mitwirken könnten (vgl. u. a. Urteile vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, Randnrn. 50 bis 52, vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 60, sowie vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 56).

58      Das fragliche Vetorecht kann auch von Portfolioinvestitionen in das Gesellschaftskapital von GALP abhalten, da eine etwaige Verweigerung der Zustimmung des portugiesischen Staates zu einer wichtigen Entscheidung, die von den Organen dieser Gesellschaft als in deren Interesse liegend vorgeschlagen wird, den Wert der Aktien von GALP und damit die Attraktivität einer Anlage in diese Aktien mindern kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Niederlande, Randnr. 27, vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 61, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 57).

59      Was das Recht zur Bestimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden angeht, so stellt es eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, da ein solches in einer nationalen gesetzlichen Maßnahme allein zugunsten öffentlicher Akteure vorgesehenes Sonderrecht eine Abweichung vom allgemeinen Gesellschaftsrecht darstellt (vgl. Urteile vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, Randnr. 61, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 62). Zwar kann diese Befugnis durch Gesetz als qualifiziertes Minderheitsrecht gewährt werden, sie muss jedoch dann allen Aktionären offenstehen und darf nicht ausschließlich dem Staat vorbehalten werden.

60      Da das in Art. 15 Abs. 1 LQP und Art. 4 Abs. 3 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 261-A/99 vorgesehene Recht zur Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds für andere Aktionäre als den portugiesischen Staat die Möglichkeit beschränkt, sich am Gesellschaftskapital von GALP zu beteiligen, um zu ihr dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen, die eine effektive Beteiligung an ihrer Verwaltung oder Kontrolle ermöglichen, herzustellen oder aufrechtzuerhalten, kann dieses Recht Direktinvestoren aus anderen Mitgliedstaaten von einer Anlage in das Kapital dieser Gesellschaft abhalten.

61      Daraus folgt, dass das Vetorecht bei bestimmten Beschlüssen der Hauptversammlung von GALP und das Recht zur Bestimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG darstellen.

62      Diese Feststellung wird auch nicht durch das Vorbringen der Portugiesischen Republik in Frage gestellt, das diese auf die Anwendbarkeit des dem Urteil Keck und Mithouard vermeintlich zugrunde liegenden Gedankengangs stützt.

63      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in Rede stehenden nationalen Maßnahmen nicht den Regelungen über Verkaufsmodalitäten entsprechen, die der Gerichtshof im Urteil Keck und Mithouard als dem Anwendungsbereich von Art. 28 EG entzogen ansah.

64      Nach jenem Urteil ist nämlich die Anwendung nationaler Bestimmungen, die im Gebiet des Einfuhrmitgliedstaats bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern, sofern diese Bestimmungen erstens für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und zweitens den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Anwendung einer solchen Regelung nicht geeignet ist, den Marktzugang für die letztgenannten Erzeugnisse im Einfuhrmitgliedstaat zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut (Urteil vom 10. Mai 1995, Alpine Investments, C‑384/93, Slg. 1995, I‑1141, Randnr. 37).

65      Im vorliegenden Fall sind die fraglichen nationalen Bestimmungen zwar unterschiedslos sowohl auf Gebietsansässige als auch auf Gebietsfremde anwendbar, doch berühren sie die Situation des Erwerbers einer Beteiligung als solche und sind daher geeignet, Anleger aus anderen Mitgliedstaaten von solchen Investitionen abzuhalten und damit den Marktzugang zu beeinflussen (vgl. Urteile vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien, C‑463/00, Slg. 2003, I‑4581, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 67, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 68).

66      Im Übrigen kann die Feststellung, dass diese nationalen Bestimmungen Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs darstellen, nicht durch das Vorbringen der Portugiesischen Republik in Frage gestellt werden, dass die beanstandeten Sonderrechte weder auf Direktinvestitionen noch auf Portfolioinvestitionen in das Gesellschaftskapital von GALP Auswirkungen hätten, weil sich ein großer Teil der Aktien dieser Gesellschaft im Besitz von Anlegern aus anderen Mitgliedstaaten befinde.

67      Wie oben in den Randnrn. 58 und 61 erwähnt worden ist, verringern die streitigen nationalen Bestimmungen das Interesse am Erwerb einer Beteiligung am Gesellschaftskapital von GALP, da sie Instrumente schaffen, die geeignet sind, die Möglichkeit für Anleger zu beschränken, sich an diesem Kapital zu beteiligen, um dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen mit GALP herzustellen oder aufrechtzuerhalten, die eine effektive Beteiligung an der Verwaltung oder Kontrolle dieser Gesellschaft ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, Randnr. 54, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 70).

68      Diese Feststellung wird nicht dadurch berührt, dass es unter den Aktionären von GALP Direktinvestoren gibt. Im Rahmen dieser Klage kann dieser Umstand nämlich nichts daran ändern, dass tatsächliche oder potenzielle Direktinvestoren aus anderen Mitgliedstaaten, obwohl sie den Grundsatz des freien Kapitalverkehrs und den damit zu ihren Gunsten eingerichteten Schutz für sich beanspruchen konnten, aufgrund der streitigen nationalen Bestimmungen möglicherweise davon abgehalten wurden, eine Beteiligung am Kapital dieser Gesellschaft zu erwerben, um sich mit dem Ziel an ihr zu beteiligen, dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen zu ihr herzustellen oder aufrechtzuerhalten, die eine effektive Beteiligung an ihrer Verwaltung oder Kontrolle ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, Randnr. 55, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 71).

69      Nach alledem ist festzustellen, dass der Besitz von Sonderaktien durch den portugiesischen Staat in Verbindung mit den Sonderrechten, die diese Aktien ihrem Inhaber verleihen, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG darstellt.

 Zur Rechtfertigung der Beschränkungen

 Vorbringen der Parteien

70      Die Kommission macht geltend, dass die Beschränkungen, die sich aus den Sonderrechten des portugiesischen Staates innerhalb von GALP ergäben, durch keines der Ziele, auf die sich die Portugiesische Republik berufe, gerechtfertigt werden könnten und jedenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen.

71      Die Sonderrechte des Staates innerhalb von GALP könnten nicht mit Gründen der öffentlichen Sicherheit, hier der Sicherheit der Energieversorgung Portugals, gerechtfertigt werden. Wie sich aus der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 31/2006 zur Errichtung der allgemeinen Grundlagen der Organisation und Funktionsweise des nationalen Erdölsystems (Diário da República I, Serie A, Nr. 33, vom 15. Februar 2006) und der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 30/2006 zur Errichtung der allgemeinen Grundlagen der Organisation und Funktionsweise des nationalen Erdgassystems (Diário da República I, Serie A, Nr. 33, vom 15. Februar 2006) ergebe, sei es nämlich Sache des Staates und nicht von GALP, die Sicherheit der Versorgung mit Erdöl und Erdgas zu gewährleisten.

72      Zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bringt die Kommission vor, die Sonderrechte, die der Staat innerhalb von GALP habe, seien nicht angemessen, um das reibungslose Funktionieren des Gasversorgungsnetzes und den Einzelhandelsverkauf der Erdölerzeugnisse von GALP sicherzustellen. In Wirklichkeit seien diese Rechte Instrumente zur Verfolgung des Privatinteresses der Gesellschaft und nicht des nationalen Interesses. Außerdem sei ihre Anwendung in der Praxis völlig dem freien Ermessen überlassen, da entgegen den Anforderungen der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. insbesondere Urteil vom 4. Juni 2002, Kommission/Frankreich, C‑483/99, Slg. 2002, I‑4781, Randnrn. 50 bis 53) kein objektives und genaues Kriterium zur Absteckung des Rahmens für ihre Ausübung festgelegt worden sei.

73      Darüber hinaus rechtfertige auch das sekundäre Unionsrecht das Bestehen von Sonderrechten des Staates innerhalb von GALP nicht.

74      Nach der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. L 176, S. 57) könne nämlich die Verantwortung der öffentlichen Hand, die Sicherheit der Versorgung mit Erdgas zu gewährleisten, einen Eingriff des Staates von außen in seiner Eigenschaft als Regulator erfordern, nicht aber einen Eingriff des Staates von innen in seiner Eigenschaft als mit Sonderrechten ausgestatteter Anteilseigner der auf dem Markt tätigen Unternehmen.

75      Zum Erdölsektor stellt die Kommission klar, dass nach der Richtlinie 2006/67/EG des Rates vom 24. Juli 2006 zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten (ABl. L 217, S. 8) die öffentliche Verantwortung für die Gewährleistung der Sicherheit der Versorgung mit Erdölerzeugnissen ebenfalls den Staat und nicht private Unternehmen treffe.

76      Schließlich widerspricht die Kommission dem Vorbringen der Portugiesischen Republik, dass Art. 86 EG auf die streitigen Maßnahmen Anwendung finde, denn zum einen sei diese Bestimmung an eine bestimmte Kategorie von Unternehmen und nicht an die Mitgliedstaaten gerichtet und zum anderen seien Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht Sonderrechte, die der Staat etwa GALP gewährt hätte, sondern vielmehr Sonderrechte des Staates innerhalb dieser Gesellschaft.

77      Die Portugiesische Republik hält die in Rede stehenden nationalen Maßnahmen, selbst wenn man in ihnen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs sehen wollte, in Anbetracht der Art. 46 EG und 58 EG gleichwohl für gerechtfertigt, weil sie erforderlich seien, um die Sicherheit der Versorgung des Landes mit Erdgas und Erdöl zu gewährleisten, und erlaubten, dies in angemessener Weise sicherzustellen, wenn man vor allem berücksichtige, dass es auf Unionsebene insoweit keine geeigneten Instrumente gebe.

78      Sie weist auch darauf hin, dass die Ausübung der fraglichen Sonderrechte einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliege. So begehe der Staat, wenn er diese Rechte ausübe, ohne sich dabei auf eine wirkliche und ernsthafte Gefährdung der Versorgungssicherheit zu stützen, eine Zuwiderhandlung, gegen die jeder Anteilseigner von GALP sowohl vor den nationalen Verwaltungsgerichten als auch vor den nationalen Zivilgerichten vorgehen könne.

79      Außerdem behauptet die Portugiesische Republik, dass die streitigen Bestimmungen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachteten, und macht im Übrigen geltend, dass die Kommission jedenfalls nicht den Nachweis erbracht habe, dass es weniger einschneidende Maßnahmen gebe, die den Staat in die Lage versetzten, im Fall einer tatsächlichen und schwerwiegenden Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit rasch und wirksam zu reagieren.

80      Schließlich seien die beanstandeten nationalen Maßnahmen gemäß Art. 86 Abs. 2 EG doch mit dem Unionsrecht vereinbar, da sie notwendig seien, damit GALP die Aufgaben im Zusammenhang mit den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, mit denen sie vom Staat betraut worden sei, in angemessener Weise erfülle.

Würdigung durch den Gerichtshof

81      Nach gefestigter Rechtsprechung können nationale Regelungen, die den freien Kapitalverkehr beschränken, aus den in Art. 58 EG genannten Gründen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern sie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (vgl. Urteile vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, Randnrn. 72 und 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 69, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 83).

82      Was die in Art. 58 EG zugelassenen Ausnahmen betrifft, lässt sich nicht leugnen, dass das von der Portugiesischen Republik angeführte Ziel, die Sicherheit der Energieversorgung dieses Mitgliedstaats im Krisen‑, Kriegs‑ oder Terrorfall sicherzustellen, einen Grund der öffentlichen Sicherheit darstellen (vgl. Urteile vom 14. Februar 2008, Kommission/Spanien, C‑274/06, Randnr. 38, vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 72, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 84) und gegebenenfalls eine Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen kann. Die Bedeutung, die die Mitgliedstaaten und die Europäische Union dem Schutz der Sicherheit der Energieversorgung beimessen, kommt insbesondere, was Erdöl betrifft, in der Richtlinie 2006/67 und, was den Erdgassektor angeht, in der Richtlinie 2003/55 zum Ausdruck.

83      Unstreitig sind jedoch die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit, insbesondere als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs, eng auszulegen, so dass ihre Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Union bestimmt werden kann. So ist eine Berufung auf die öffentliche Sicherheit nur möglich, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. u. a. Urteile vom 14. März 2000, Église de scientologie, C‑54/99, Slg. 2000, I‑1335, Randnr. 17, vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 73, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 85).

84      Insoweit macht die Portugiesische Republik namentlich geltend, dass es gegenwärtig Befürchtungen in Bezug auf bestimmte, insbesondere von Staatsfonds oder eventuell Terrororganisationen nahestehenden Fonds getätigte Investitionen in Unternehmen der strategischen Sektoren gebe, die eine solche Bedrohung für die Energieversorgung darstellten. Angesichts der Pflicht eines Mitgliedstaats, die Sicherheit einer ordnungsgemäßen und kontinuierlichen Versorgung mit Erdöl und Erdgas zu gewährleisten, sei es legitim, dass dieser Staat sich die Mittel an die Hand gebe, die erforderlich seien, um das Grundinteresse der Versorgungssicherheit im Krisenfall zu garantieren. Er habe dafür zu sorgen, dass angemessene Instrumente geschaffen würden, mit denen rasch und wirksam reagiert werden könne, um die dauerhafte Sicherheit dieser Versorgung zu gewährleisten.

85      Da die Portugiesische Republik sich mit dem Hinweis auf den Rechtfertigungsgrund der Sicherheit der Energieversorgung begnügt hat, aber nicht die genauen Gründe dargelegt hat, weshalb sie meint, dass sich mit jedem einzelnen der beanstandeten Sonderrechte oder mit allen zusammen eine solche Beeinträchtigung eines Grundinteresses wie der Energieversorgung verhindern ließe, kann die Rechtfertigung mit der öffentlichen Sicherheit im vorliegenden Fall nicht akzeptiert werden.

86      Im Übrigen kann dem Vorbringen der Portugiesischen Republik, dass das Unionsrecht beim gegenwärtigen Stand die Sicherheit der Energieversorgung der Mitgliedstaaten nicht hinreichend gewährleiste, was sie dazu zwinge, angemessene nationale Maßnahmen zu erlassen, um den Schutz dieses Grundinteresses der Gesellschaft zu garantieren, nicht gefolgt werden.

87      Selbst wenn, wie die Portugiesische Republik behauptet, nach den Vorschriften des Sekundärrechts der Union eine Verpflichtung eines Mitgliedstaats bestehen sollte, die Energieversorgung in seinem Staatsgebiet zu garantieren, kann die Einhaltung einer solchen Verpflichtung nicht angeführt werden, um irgendeine Maßnahme zu rechtfertigen, die grundsätzlich einer Grundfreiheit zuwiderläuft (vgl. Urteil vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 89).

88      Der Vollständigkeit halber ist zur Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission zu Recht geltend macht, die Ausübung der Sonderrechte, die der Besitz von Sonderaktien am Gesellschaftskapital von GALP dem portugiesischen Staat verleiht, entgegen dem Vorbringen des beklagten Mitgliedstaats an keine Bedingung und keinen spezifischen objektiven Umstand geknüpft ist.

89      Zwar bestimmt Art. 15 Abs. 3 LQP, dass die Schaffung von Sonderaktien am Gesellschaftskapital von GALP, die dem portugiesischen Staat Sonderrechte verleihen, der – im Übrigen ziemlich allgemein und ungenau formulierten – Bedingung unterliegt, dass Gründe des nationalen Interesses dies erfordern, doch legt weder dieses Gesetz noch die Satzung von GALP Kriterien dafür fest, unter welchen spezifischen Unständen diese Sonderrechte ausgeübt werden können (vgl. Urteile Kommission/Italien, Randnr. 51, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 91). Das Gleiche gilt für Art. 15 Abs. 1, der die Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds durch den portugiesischen Staat von der – ebenfalls ziemlich allgemein und ungenau formulierten – Bedingung der Wahrung des öffentlichen Interesses abhängig macht.

90      Eine solche Unsicherheit stellt daher eine schwerwiegende Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs dar, da hierdurch den nationalen Behörden bei der Wahrnehmung derartiger Rechte ein so weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird, dass dieser nicht als den verfolgten Zielen angemessen angesehen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Italien, Randnr. 52, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 92).

91      Schließlich ist zu der auf Art. 86 Abs. 2 EG gestützten Rechtfertigung festzustellen, dass sich anhand dieser Bestimmung in Verbindung mit Abs. 1 desselben Artikels rechtfertigen lässt, dass ein Mitgliedstaat einem Unternehmen, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist, den Bestimmungen des Vertrags zuwiderlaufende besondere oder ausschließliche Rechte überträgt, sofern die Erfüllung der diesem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe nur durch die Einräumung solcher Rechte gesichert werden kann und soweit die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Interesse der Union zuwiderläuft (Urteile vom 17. Mai 2001, TNT Traco, C‑340/99, Slg. 2001, I‑4109, Randnr. 52, vom 18. Dezember 2007, Asociación Profesional de Empresas de Reparto y Manipulado de Correspondencia, C‑220/06, Slg. 2007, I‑12175, Randnr. 78, und vom 1. Oktober 2009, Woningstichting Sint Servatius, C‑567/07, Slg. 2009, I‑9021, Randnr. 44).

92      Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass dies nicht der Gegenstand der Bestimmungen der nationalen Regelung ist, um die es im Rahmen der Vertragsverletzungsklage gegen die Portugiesische Republik geht.

93      Wie die Kommission nämlich zutreffend ausführt, betreffen diese Bestimmungen nicht die Übertragung besonderer oder ausschließlicher Rechte auf GALP und auch nicht die Qualifizierung der Tätigkeiten von GALP als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, sondern die Rechtmäßigkeit der Zuweisung von Sonderrechten an den portugiesischen Staat in seiner Eigenschaft als Aktionär dieser Gesellschaft, die mit den von am Gesellschaftskapital von GALP gehaltenen Sonderaktien verbunden sind.

94      Jedenfalls hat die Portugiesische Republik, obwohl ein Mitgliedstaat eingehend darlegen muss, aus welchen Gründen in seinen Augen im Falle einer Aufhebung der beanstandeten Maßnahmen die Erfüllung der im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegenden Aufgaben, mit denen er ein Unternehmen betraut hat, zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen gefährdet wäre (Urteil vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien, Randnr. 82), in keiner Weise erläutert, weshalb das hier der Fall wäre.

95      Daraus folgt, dass Art. 86 Abs. 2 EG auf eine Situation wie im vorliegenden Fall keine Anwendung findet und daher von der Portugiesischen Republik nicht zur Rechtfertigung der fraglichen nationalen Bestimmungen geltend gemacht werden kann, soweit diese die im Vertrag verbürgte Freiheit des Kapitalverkehrs beschränken.

96      Das auf Art. 86 Abs. 2 EG gestützte Vorbringen ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

97      Demzufolge ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG verstoßen hat, dass sie Sonderrechte innerhalb von GALP aufrechterhält wie diejenigen, die im vorliegenden Fall durch das Rahmengesetz über Privatisierungen, die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 261-A/99 und die Satzung von GALP zugunsten des portugiesischen Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen vorgesehen sind und in Verbindung mit vom Staat gehaltenen Sonderaktien am Gesellschaftskapital dieses Unternehmens gewährt werden.

 Zum Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 43 EG

98      Zum Antrag der Kommission auf Feststellung, dass die Portugiesische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen hat, genügt die Feststellung, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, soweit die fraglichen nationalen Maßnahmen zu Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit führen, solche Beschränkungen die unmittelbare Folge der vorstehend geprüften Hindernisse für den freien Kapitalverkehr sind, mit denen sie untrennbar verbunden sind. Da ein Verstoß gegen Art. 56 Abs. 1 EG festgestellt worden ist, brauchen die genannten Maßnahmen somit nicht gesondert im Licht der Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit geprüft zu werden (vgl. u. a. Urteile vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien, Randnr. 86, Kommission/Niederlande, Randnr. 43, vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 80, und vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 99).

 Kosten

99      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Portugiesische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG verstoßen, dass sie Sonderrechte innerhalb der GALP Energia SGPS SA aufrechterhält wie diejenigen, die im vorliegenden Fall durch das Gesetz Nr. 11/90, Rahmengesetz über Privatisierungen (Lei n.º 11/90, Lei Quadro das Privatizações), vom 5. April 1990, die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 261-A/99 zur Genehmigung der ersten Etappe der Privatisierung des Gesellschaftskapitals der GALP – Petróleos e Gás de Portugal, SGPS, SA (Decreto-Lei n° 261-A/99 aprova a 1.ª fase do processo de privatização do capital social da GALP – Petróleos e Gás de Portugal, SGPS SA) vom 7. Juli 1999 und die Satzung dieser Gesellschaft zugunsten des portugiesischen Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen vorgesehen sind und in Verbindung mit vom Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares“) am Gesellschaftskapital dieses Unternehmens gewährt werden.

2.      Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Portugiesisch.