61998J0443

Urteil des Gerichtshofes vom 26. September 2000. - Unilever Italia SpA gegen Central Food SpA. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Pretore di Milano - Italien. - Normen und technische Vorschriften - Mitteilungs- und Aussetzungspflicht - Anwendbarkeit in Zivilrechtsstreitigkeiten. - Rechtssache C-443/98.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-07535


Leitsätze
Parteien
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


1 Rechtsangleichung - Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften - Technische Vorschriften und Spezifikationen - Nationale Regelung über die Etikettierung - Einbeziehung

(Richtlinie 83/189 des Rates, Artikel 1 Nr. 2)

2 Rechtsangleichung - Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften - Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Wahrung der Aussetzungsfrist für eine technische Vorschrift - Möglichkeit für den Einzelnen, sich auf die entsprechenden Bestimmungen zu berufen - Verstoß gegen die Verpflichtung - Folge - Unanwendbarkeit der betreffenden unter Verstoß gegen diese Verpflichtung erlassenen technischen Vorschrift

(Richtlinie 83/189 des Rates, Artikel 8 und 9)

Leitsätze


1 Nationale Vorschriften, die eine Spezifikation enthalten, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale für Erzeugnisse vorschreibt, einschließlich der Vorschriften über die Beschriftung des Erzeugnisses, stellen unabhängig von den Gründen, die für ihren Erlass maßgebend waren, technische Spezifikationen im Sinne des Artikels 1 Nummer 2 der Richtlinie 83/189 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften dar.

(Randnr. 25)

2 Die Unanwendbarkeit einer technischen Vorschrift als Rechtsfolge der Nichtbeachtung der Mitteilungspflicht gemäß Artikel 8 der Richtlinie 83/189 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften kann in einem Rechtsstreit zwischen Einzelnen geltend gemacht werden. Das Gleiche gilt für die Nichteinhaltung der Aussetzungsfrist für eine technische Vorschrift gemäß Artikel 9 dieser Richtlinie. Zwar kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen Einzelner begründen und daher nicht als solche ihnen gegenüber herangezogen werden; diese Rechtsprechung gilt jedoch nicht in Rechtsstreitigkeiten zwischen Einzelnen, in denen die Nichtbeachtung der Artikel 8 oder 9 der Richtlinie 83/189, die einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, die Unanwendbarkeit der unter Verstoß gegen einen dieser Artikel erlassenen technischen Vorschrift nach sich zieht.

In einem solchen Rechtsstreit legt die Richtlinie 83/189, die weder Rechte noch Pflichten für Einzelne begründet, nämlich keineswegs den materiellen Inhalt der Rechtsnorm fest, auf deren Grundlage das nationale Gericht den bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden hat. Dementsprechend muss das nationale Gericht in einem Zivilrechtsstreit zwischen Einzelnen über vertragliche Rechte und Pflichten die Anwendung einer nationalen technischen Vorschrift ablehnen, die während einer Aussetzungsfrist nach Artikel 9 der Richtlinie 83/189 erlassen worden ist.$

(Randnrn. 49-52 und Tenor)

Parteien


In der Rechtssache C-443/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Pretore von Mailand (Italien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Unilever Italia SpA

gegen

Central Food SpA

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 109, S. 8) in der Fassung der Richtlinie 94/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1994 zur zweiten wesentlichen Änderung der Richtlinie 83/189 (ABl. L 100, S. 30)

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten L. Sevón und R. Schintgen sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, C. Gulmann (Berichterstatter), J.-P. Puissochet, H. Ragnemalm, M. Wathelet und V. Skouris,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Unilever Italia SpA, vertreten durch die Rechtsanwälte F. Capelli und G. Votta, Mailand,

- der italienischen Regierung, vertreten durch Professor U. Leanza, Leiter des Servizio del contenzioso diplomatico des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten im Beistand von Avvocato dello Stato I. M. Braguglia,

- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Snoecx, beigeordnete Beraterin in der Generaldirektion des Juristischen Dienstes des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, als Bevollmächtigte,

- der dänischen Regierung, vertreten durch Abteilungsleiter J. Molde, Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, Leiter der Abteilung Europarecht im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Stancanelli, Juristischer Dienst, und M. Shotter, dem Juristischen Dienst zur Verfügung gestellter nationaler Beamter, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Unilever Italia SpA, der italienischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 16. November 1999,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Januar 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe


1 Der Pretore von Mailand hat mit Beschluss vom 6. November 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Dezember 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 109, S. 8) in der Fassung der Richtlinie 94/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1994 zur zweiten wesentlichen Änderung der Richtlinie 83/189 (ABl. L 100, S. 30; im Folgenden: Richtlinie 83/189) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Unilever Italia SpA (im Folgenden: Unilever) und der Central Food SpA (im Folgenden: Central Food) über die Bezahlung einer von Unilever vorgenommenen Lieferung von Olivenöl durch Central Food.

Das Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 1 Nummern 1, 2 und 9 der Richtlinie 83/189 bestimmt:

"Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. Erzeugnis: alle Erzeugnisse, die gewerblich hergestellt werden sowie alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse.

2. Technische Spezifikation: Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale für ein Erzeugnis vorschreibt, wie Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen, einschließlich der Vorschriften über Verkaufsbezeichnung, Terminologie, Symbole, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung des Erzeugnisses sowie über Konformitätsbewertungsverfahren.

Unter den Begriff ,technische Spezifikation' fallen ferner die Herstellungsmethoden und -verfahren für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse gemäß Artikel 38 Absatz 1 des Vertrages, für die Erzeugnisse, die zur menschlichen und tierischen Ernährung bestimmt sind, und für die Arzneimittel gemäß Artikel 1 der Richtlinie 65/65/EWG sowie die Herstellungsmethoden und -verfahren für die anderen Erzeugnisse, sofern diese die Merkmale dieser Erzeugnisse beeinflussen.

...

9. Technische Vorschrift: technische Spezifikationen sowie sonstige Vorschriften einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung de jure oder de facto für das Inverkehrbringen oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie - vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 10 - der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses verboten wird.

..."

4 Artikel 8 Absätze 1 bis 3 der Richtlinie 83/189 sieht vor:

"(1) Vorbehaltlich des Artikels 10 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.

...

Die Kommission unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten unverzüglich über den Entwurf einer technischen Vorschrift und alle ihr zugegangenen Dokumente. Sie kann den Entwurf auch dem nach Artikel 5 eingesetzten Ausschuss und gegebenenfalls dem jeweils zuständigen Ausschuss zur Stellungnahme vorlegen.

...

(2) Die Kommission und die Mitgliedstaaten können bei dem Mitgliedstaat, der einen Entwurf einer technischen Vorschrift unterbreitet hat, Bemerkungen vorbringen, die dieser Mitgliedstaat bei der weiteren Ausarbeitung der technischen Vorschrift so weit wie möglich berücksichtigt.

(3) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission unverzüglich den endgültigen Wortlaut einer technischen Vorschrift mit."

5 Artikel 9 der Richtlinie 83/189 lautet:

"(1) Die Mitgliedstaaten nehmen den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Artikel 8 Absatz 1 bei der Kommission an.

(2) Die Mitgliedstaaten nehmen

- den Entwurf einer technischen Vorschrift in Form einer freiwilligen Vereinbarung im Sinne des Artikels 1 Nummer 9 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich nicht vor Ablauf von vier Monaten und

- unbeschadet der Absätze 3, 4 und 5 jeden anderen Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von sechs Monaten

nach Eingang der Mitteilung gemäß Artikel 8 Absatz 1 bei der Kommission an, wenn die Kommission oder ein anderer Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten nach der Übermittlung eine ausführliche Stellungnahme abgibt, der zufolge die geplante Maßnahme Elemente enthält, die den freien Warenverkehr im Rahmen des Binnenmarktes beeinträchtigen könnten.

Der betroffene Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die Maßnahmen, die er aufgrund der ausführlichen Stellungnahme plant. Die Kommission äußert sich zu diesen Maßnahmen.

(3) Die Mitgliedstaaten nehmen den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Artikel 8 Absatz 1 bei der Kommission an, wenn die Kommission innerhalb von drei Monaten nach diesem Zeitpunkt ihre Absicht bekannt gibt, für den gleichen Gegenstand eine Richtlinie, eine Verordnung oder eine Entscheidung im Sinne des Artikels 189 des Vertrages vorzuschlagen oder anzunehmen.

(4) Die Mitgliedstaaten nehmen den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Artikel 8 Absatz 1 bei der Kommission an, wenn die Kommission innerhalb von drei Monaten nach diesem Zeitpunkt die Feststellung bekannt gibt, dass der Entwurf der technischen Vorschrift einen Gegenstand betrifft, für welchen dem Rat ein Vorschlag für eine Richtlinie, eine Verordnung oder eine Entscheidung im Sinne des Artikels 189 des Vertrages vorgelegt worden ist.

(5) Legt der Rat innerhalb der Stillhaltefrist gemäß den Absätzen 3 und 4 einen gemeinsamen Standpunkt fest, so wird diese Frist vorbehaltlich des Absatzes 6 auf 18 Monate ausgedehnt.

(6) Die in den Absätzen 3, 4 und 5 genannten Pflichten gelten nicht mehr,

- wenn die Kommission den Mitgliedstaaten mitteilt, dass sie auf ihre Absicht verzichtet, einen verbindlichen Gemeinschaftsrechtsakt vorzuschlagen oder zu erlassen, oder

- wenn die Kommission die Mitgliedstaaten von der Rücknahme ihres Entwurfs oder Vorschlags unterrichtet, oder

- sobald ein verbindlicher Gemeinschaftsrechtsakt von der Kommission oder vom Rat erlassen worden ist.

(7) Die Absätze 1 bis 5 gelten nicht, wenn ein Mitgliedstaat aus dringenden Gründen, die durch eine ernste und unvorhersehbare Situation entstanden sind und sich auf den Gesundheitsschutz von Mensch und Tier, auf den Erhalt von Pflanzen oder auf die Sicherheit beziehen, gezwungen ist, ohne die Möglichkeit einer vorherigen Konsultation in kürzester Frist technische Vorschriften auszuarbeiten, um sie unverzüglich zu erlassen und in Kraft zu setzen. Der Mitgliedstaat begründet in der in Artikel 8 genannten Mitteilung die Dringlichkeit der betreffenden Maßnahmen. Die Kommission äußert sich binnen kürzester Frist zu dieser Mitteilung. Bei missbräuchlicher Anwendung dieses Verfahrens trifft sie die erforderlichen Maßnahmen. Das Europäische Parlament wird von der Kommission regelmäßig unterrichtet."

6 Artikel 10 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 83/189 lautet:

"Die Artikel 8 und 9 gelten nicht für Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten bzw. für freiwillige Vereinbarungen, durch die die Mitgliedstaaten

- den verbindlichen Gemeinschaftsrechtsakten, mit denen technische Spezifikationen in Kraft gesetzt werden, nachkommen ..."

7 In den Randnummern 54 und 55 des Urteils vom 30. April 1996 in der Rechtssache C-194/94 (CIA Security International, Slg. 1996, I-2201; im Folgenden: Urteil CIA Security International) hat der Gerichtshof entschieden, dass die Richtlinie 83/189 dahin auszulegen ist, dass ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht zur Unanwendbarkeit der betreffenden technischen Vorschriften führt, so dass sie Einzelnen nicht entgegengehalten werden können, und dass somit die Artikel 8 und 9 der Richtlinie 83/189 von Einzelnen vor dem nationalen Gericht herangezogen werden können, das die Anwendung einer nationalen technischen Vorschrift, die nicht gemäß dieser Richtlinie mitgeteilt wurde, ablehnen muss.

8 Wie der Gerichtshof in Randnummer 35 des Urteils vom 16. Juni 1998 in der Rechtssache C-226/97 (Lemmens, Slg. 1998, I-3711) ausgeführt hat, stellt es, wenn technische Vorschriften nicht mitgeteilt werden, einen Verfahrensfehler bei ihrem Erlass dar, so dass sie nicht anwendbar sind, soweit sie die Verwendung oder den Vertrieb eines diesen Vorschriften nicht entsprechenden Erzeugnisses behindern.

Die italienischen Rechtsvorschriften und das Mitteilungsverfahren

9 Nach den Akten wurde dem italienischen Parlament am 27. Januar 1998 ein Gesetzentwurf zur Regelung der Angabe des geographischen Ursprungs verschiedener Olivenölsorten auf dem Etikett vorgelegt. Seine Lesung fand im Senat im Februar und März 1998 und in der Abgeordnetenkammer im April und Juni statt.

10 In der Zwischenzeit hatte die Kommission, die über das Vorliegen des Entwurfes unterrichtet worden war, die italienischen Stellen aufgefordert, ihr den Entwurf gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 83/189 zu übermitteln, was diese am 4. Mai 1998 taten. Die Kommission brachte den Entwurf daraufhin den Mitgliedstaaten zur Kenntnis und veröffentlichte am 10. Juni 1998 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften eine Mitteilung, in der sie angab, dass die in Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 83/189 vorgesehene Aussetzungsfrist von drei Monaten bis zum 5. August 1998 laufe, und in der sie darauf hinwies, dass nach dem Urteil CIA Security International das nationale Gericht die Anwendung einer nationalen technischen Vorschrift, die nicht gemäß der Richtlinie 83/189 mitgeteilt worden sei, ablehnen müsse und dass die betreffenden technischen Vorschriften gegenüber Einzelnen nicht mehr durchsetzbar seien (ABl. 1998, C 177, S. 2).

11 Am 23. Juli 1998 teilte die Kommission den italienischen Stellen ihre Absicht mit, in dem von dem Gesetzentwurf erfassten Bereich Rechtsvorschriften zu erlassen, und forderte sie auf, diesen Entwurf gemäß Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie 83/189 nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach der Mitteilung anzunehmen.

12 Nach der Verabschiedung durch die beiden Kammern des italienischen Parlaments wurde das Gesetz Nr. 313 mit Vorschriften über die Angabe des Ursprungs von nativem Olivenöl extra, nativem Olivenöl und Olivenöl auf dem Etikett (im Folgenden: streitiges Gesetz) am 3. August 1998 vom Präsidenten der Republik, vom Ministerpräsidenten und vom Landwirtschaftsminister unterzeichnet.

13 Am Tag darauf teilte die Kommission dem Ständigen Vertreter Italiens bei der Europäischen Union mit, dass sie ein Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages (jetzt Artikel 226 EG) einleiten werde, falls das Gesetz in der Gazzetta ufficiale della Repubblica italiana veröffentlicht werde, und erklärte, dass dieses Gesetz gegenüber Einzelnen nicht durchsetzbar sein werde, falls es vor dem 4. Mai 1999 veröffentlicht werde.

14 Am 4. August 1998 erhielt die Kommission von der spanischen und der portugiesischen Regierung ausführliche Stellungnahmen im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 83/189, wonach der Gesetzentwurf geändert werden sollte, und am 5. August 1998 erhielt sie von der niederländischen Regierung Bemerkungen im Sinne von Artikel 8 Absatz 2.

15 Am 29. August 1998 wurde das streitige Gesetz in der Gazzetta ufficiale della Repubblica italiana Nr. 201 veröffentlicht und trat am folgenden Tag in Kraft.

16 Artikel 1 dieses Gesetzes sieht im Wesentlichen vor, dass die genannten Öle nur dann mit einem Hinweis darauf, dass sie in Italien "erzeugt" oder "hergestellt" worden sind, in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn der gesamte Ernte-, Erzeugungs-, Verarbeitungs- und Verpackungszyklus in Italien stattgefunden hat. Die Etikettierung von Öl, das vollständig oder teilweise in Italien aus Ölen mit Ursprung in anderen Ländern gewonnen wurde, muss diese Tatsache durch Angabe der betreffenden Prozentsätze sowie des oder der Herkunftsländer erwähnen; jedes derartige Öl, das diese Angaben nicht aufweist, muss binnen vier Monaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes abgesetzt oder nach diesem Zeitpunkt vom Markt genommen werden.

17 Am 22. Dezember 1998 erließ die Kommission die Regelung, die sie den italienischen Stellen angekündigt hatte, in Form der Verordnung (EG) Nr. 2815/98 über Handelsbestimmungen für Olivenöl (ABl. L 349, S. 56), die u. a. Vorschriften über die Angabe des Ursprungs des Erzeugnisses auf den Etiketten oder Verpackungen für native Olivenöle und native Olivenöle extra festlegt.

Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorabentscheidungsfrage

18 Am 29. September 1998 lieferte Unilever Central Food auf deren Bestellung 648 Liter natives Olivenöl extra zum Preis von 5 330 708 ITL.

19 Mit Schreiben vom 30. September 1998 teilte Central Food Unilever mit, dass das gelieferte Olivenöl nicht gemäß dem streitigen Gesetz etikettiert sei. Daher verweigerte sie die Zahlung des geschuldeten Betrages und forderte Unilever auf, die in ihrem Zwischenlager gelagerte Ware zurückzunehmen.

20 Am 2. Oktober 1998 trat Unilever dem Standpunkt von Central Food entgegen. Sie machte geltend, dass die Kommission im Rahmen des durch die Richtlinie 83/189 eingeführten Verfahrens der Übermittlung und Prüfung von Entwürfen technischer Vorschriften die Italienische Republik aufgefordert habe, im Bereich der Etikettierung von Öl bis zum 5. Mai 1999 keine Rechtsvorschriften zu erlassen, und vertrat unter Berufung auf das Urteil CIA Security International die Ansicht, dass das streitige Gesetz nicht angewandt werden dürfe. Sie meinte, dass das gelieferte Olivenöl daher den geltenden italienischen Rechtsvorschriften vollständig entspreche, und forderte Central Food auf, die Lieferung anzunehmen und zu bezahlen.

21 Da Central Food erneut die Zahlung verweigerte, stellte Unilever am 21. Oktober 1998 beim Pretore von Mailand einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids über die Zahlung eines dem Preis der Lieferung entsprechenden Betrages.

22 Unter diesen Umständen hat der Pretore von Mailand das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Kann ein nationales Gericht, bei dem der Antrag gestellt wird, einen Mahnbescheid wegen der Bezahlung einer Lieferung von nativem Olivenöl extra, dessen Etikettierung gegen das - im Mitgliedstaat verkündete und in Kraft getretene - nationale Gesetz (Gesetz Nr. 313 vom 3. August 1998) verstößt, zu erlassen, dieses Gesetz unangewandt lassen, da die Europäische Kommission im Anschluss an die Übermittlung und Prüfung des Entwurfes eines nationalen Gesetzes über die Ursprungsangabe für natives Olivenöl extra, natives Olivenöl und Olivenöl aufgrund von Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie 83/189 (über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften) beschlossen hat, den mitteilenden Staat unter Fristsetzung (bis zum 14. September 1999) förmlich aufzufordern, bis zu einer gemeinschaftlichen Regelung auf dem Gebiet der Vermarktung von Olivenöl keine Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet zu erlassen?

Zur Vorabentscheidungsfrage

Der Charakter der in dem streitigen Gesetz enthaltenen Vorschriften über die Etikettierung als technische Vorschriften

23 Zunächst ist zu prüfen, ob die Vorabentscheidungsfrage, wie die italienische Regierung geltend gemacht hat, gegenstandslos ist, weil das streitige Gesetz nicht unter die Richtlinie 83/189 fällt.

24 Die Regierung bemerkt erstens, dass das streitige Gesetz keine Vorschriften enthalte, die als technische Vorschriften im Sinne der Richtlinie 83/189 qualifiziert werden könnten. Sie verweist auf die Zielsetzung dieses Gesetzes, die darin bestehe, den Verbraucher dank einer zutreffenden Information über den Ursprung oder die Herkunft des Olivenöls zu schützen, auf die Tatsache, dass es sich um landwirtschaftliche Erzeugnisse handele, sowie auf den Umstand, dass die mit dem streitigen Gesetz erlassenen Vorschriften nicht die Merkmale dieser Erzeugnisse beträfen und sich nicht auf diese auswirkten.

25 Hierzu genügt die Feststellung, dass nach Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 83/189 sowohl gewerbliche als auch landwirtschaftliche Erzeugnisse als "Erzeugnis" gelten und nach Artikel 1 Nummer 2 dieser Richtlinie als "technische Spezifikation" eine Spezifikation gilt, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale für Erzeugnisse vorschreibt, einschließlich der Vorschriften über die Beschriftung des Erzeugnisses. Nationale Vorschriften, die solche Spezifikationen enthalten, stellen unabhängig von den Gründen, die für ihren Erlass maßgebend waren, technische Spezifikationen im Sinne der Richtlinie 83/189 dar (vgl. Urteil vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-13/96, Bic Benelux, Slg. 1997, I-1753, Randnr. 19).

26 Somit enthält das streitige Gesetz, das die Etikettierung in Bezug auf den Ursprung von Olivenöl regelt, Vorschriften, die als "technische Spezifikationen" im Sinne der Richtlinie 83/189 zu qualifizieren sind.

27 Da die Beachtung dieser Vorschriften für das Inverkehrbringen von Olivenöl in Italien de iure verbindlich ist, handelt es sich auch um technische Vorschriften im Sinne von Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189.

28 Zweitens macht die italienische Regierung geltend, das streitige Gesetz habe nicht nach Artikel 10 der Richtlinie 83/189 mitgeteilt werden müssen, da es im Einklang mit der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. 1979, L 33, S. 1) erlassen worden sei, nach deren Artikel 3 Absatz 1 Nummer 7 der Ursprungs- oder Herkunftsort auf dem Etikett anzugeben sei, falls ohne diese Angabe ein Irrtum des Verbrauchers über den tatsächlichen Ursprung oder die wahre Herkunft des Lebensmittels möglich wäre.

29 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Wie die Kommission bemerkt hat, läßt diese allgemein abgefasste Bestimmung der Richtlinie 79/112 den Mitgliedstaaten einen hinreichend großen Handlungsspielraum, um auszuschließen, dass nationale Vorschriften über die Etikettierung in Bezug auf den Ursprung, wie sie mit dem streitigen Gesetz erlassen worden sind, als nationale Bestimmungen qualifiziert werden können, die mit einem verbindlichen Gemeinschaftsrechtsakt im Sinne von Artikel 10 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 83/189 in Einklang stehen.

30 Demnach sind Vorschriften wie diejenigen, die in dem streitigen Gesetz über die Etikettierung enthalten sind, technische Vorschriften, die unter die Richtlinie 83/189 fallen.

Die Auswirkungen des Verstoßes gegen Artikel 9 der Richtlinie 83/189

31 Mit seiner Vorabentscheidungsfrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das nationale Gericht in einem Zivilrechtsstreit zwischen Einzelnen über vertragliche Rechte und Pflichten die Anwendung einer nationalen technischen Vorschrift ablehnen muss, die während einer Aussetzungsfrist nach Artikel 9 der Richtlinie 83/189 erlassen worden ist.

32 Unilever führt hierzu aus, der Gerichtshof habe in seinem Urteil CIA Security International bestätigt, dass eine unter Verstoß gegen die Verpflichtungen aus den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 83/189 erlassene nationale technische Vorschrift in keinem Fall Einzelnen entgegengehalten werden könne.

33 Die Kommission trägt vor, im Urteil CIA Security International sei für einen Rechtsstreit zwischen Einzelnen festgestellt worden, dass unter Verstoß gegen die Richtlinie 83/189 erlassene technische Vorschriften unanwendbar seien, und aus diesem Urteil gehe hervor, dass diese Unanwendbarkeit in einem Rechtsstreit zwischen Einzelnen geltend gemacht werden könne. Ferner gebe es keine Gründe, weshalb diese Folge der Nichtbeachtung der Richtlinie 83/189 nicht auch in einem Mahnbescheidverfahren, wie es das Ausgangsverfahren sei, eintrete.

34 Außerdem sei sowohl bei einem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht nach Artikel 8 der Richtlinie 83/189 als auch bei Nichteinhaltung der Aussetzungsfristen nach Artikel 9 dieser Richtlinie die Unanwendbarkeit zwingend. Werde nämlich eine nationale technische Vorschrift nach Übermittlung des Entwurfes, jedoch während der Aussetzungsfrist erlassen, ohne den Bemerkungen oder anderen Reaktionen der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, so bestuende praktisch genau die gleiche Gefahr einer Schaffung neuer Hindernisse für den innergemeinschaftlichen Handel, wie sie sich aus einer unter Verstoß gegen die Mitteilungspflicht erlassenen nationalen technischen Vorschrift ergäbe.

35 Die italienische Regierung, unterstützt durch die dänische Regierung, weist darauf hin, dass der Gerichtshof zwar einigen Richtlinienbestimmungen unmittelbare Wirkung in dem Sinne zuerkannt habe, dass sich Einzelne, wenn eine korrekte Umsetzung fehle, gegenüber dem säumigen Mitgliedstaat auf diese Bestimmungen berufen könnten, er habe aber auch entschieden, dass die Ausdehnung dieser Rechtsprechung auf die Beziehungen zwischen Einzelnen darauf hinausliefe, der Gemeinschaft die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung Verpflichtungen zu Lasten Einzelner zu begründen, obwohl sie über diese Zuständigkeit nur dort verfüge, wo ihr die Befugnis zum Erlass von Verordnungen verliehen sei. So könne eine Richtlinie nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht selbst Verpflichtungen Einzelner begründen und daher als solche nicht ihnen gegenüber herangezogen werden. Auf der Grundlage des Urteils CIA Security International könne man zu keinem anderen Ergebnis gelangen. Der Tenor dieses Urteils scheine nicht dazu bestimmt, den Grundsatz zu verkehren, dass eine Richtlinie in den Beziehungen zwischen Einzelnen keine unmittelbare Wirkung entfalten könne.

36 Die italienische, die dänische und die niederländische Regierung machen außerdem geltend, der Gerichtshof habe im Urteil CIA Security International nur entschieden, dass die Nichtbeachtung der Mitteilungspflicht nach Artikel 8 der Richtlinie 83/189 die Unanwendbarkeit der betreffenden technischen Vorschrift nach sich ziehe. Artikel 9 der Richtlinie 83/189 unterscheide sich aber wesentlich von Artikel 8. Die Wirksamkeit der vorbeugenden Kontrolle nach Artikel 8 der Richtlinie 83/189 sei für diese Auslegung entscheidend gewesen. Dagegen diene die Unanwendbarkeit bei einem Verstoß gegen die Aussetzungspflichten nach Artikel 9 nicht dem Ziel einer wirksamen Kontrolle durch die Kommission. In einem solchen Fall könne sich der Umstand, dass ein Mitgliedstaat eine Verfahrensvorschrift wie die des Artikels 9 Absatz 3 der Richtlinie 83/189 nicht beachtet habe, nicht anders auswirken, als es der Kommission zu ermöglichen, gegen den säumigen Staat ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.

37 In Anbetracht dieser Erklärungen ist erstens zu prüfen, ob die Rechtsfolge der Nichtbeachtung der Verpflichtungen aus der Richtlinie 83/189 die gleiche ist in Bezug auf die Verpflichtung zur Wahrung der Aussetzungsfristen nach Artikel 9 der Richtlinie 83/189 wie in Bezug auf die Mitteilungspflicht nach Artikel 8 der Richtlinie 83/189.

38 Imsoweit ist daran zu erinnern, dass es im Urteil CIA Security International um eine nicht nach Artikel 8 der Richtlinie 83/189 mitgeteilte technische Vorschrift ging, was erklärt, weshalb sich dieses Urteil in seinem Tenor auf die Feststellung der Unanwendbarkeit der nicht nach diesem Artikel mitgeteilten technischen Vorschriften beschränkt.

39 In den Gründen, die zu dieser Feststellung geführt haben, hat der Gerichtshof aber auch die sich aus Artikel 9 der Richtlinie 83/189 ergebenden Verpflichtungen geprüft. Diese Gründe lassen indessen erkennen, dass die genannten Verpflichtungen unter Berücksichtigung des Zieles der Richtlinie 83/189 und des Wortlauts ihres Artikels 9 ebenso zu behandeln sind wie die aus Artikel 8 der Richtlinie resultierenden Verpflichtungen.

40 So wird in Randnummer 40 des Urteils CIA Security International ausgeführt, dass die Richtlinie 83/189 durch eine vorbeugende Kontrolle den freien Warenverkehr schützen soll, der zu den Grundlagen der Gemeinschaft gehört, und dass diese Kontrolle insofern wirksam ist, als alle Entwürfe technischer Vorschriften, die unter die Richtlinie fallen, mitgeteilt werden müssen und als der Erlass und das Inkraftsetzen dieser Vorschriften - außer bei Maßnahmen, deren Dringlichkeit eine Ausnahme rechtfertigt - während der in Artikel 9 festgelegten Zeiträume ausgesetzt werden müssen.

41 Der Gerichtshof hat in Randnummer 41 dieses Urteils weiter ausgeführt, dass die Mitteilung und der Aussetzungszeitraum der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten zum einen Gelegenheit geben, zu prüfen, ob mit dem fraglichen Entwurf gegen den EG-Vertrag verstoßende Handelsschranken oder solche Schranken errichtet werden, die durch den Erlass gemeinsamer oder harmonisierter Maßnahmen verhindert werden müssen, und zum anderen, Änderungen der geplanten nationalen Maßnahmen vorzuschlagen. Dieses Verfahren erlaubt es der Kommission im Übrigen, gemeinschaftliche Normen zur Regelung des Bereichs, der Gegenstand der geplanten Maßnahme ist, vorzuschlagen oder zu erlassen.

42 In Randnummer 50 des Urteils CIA Security International hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Richtlinie nicht allein den Zweck hat, die Kommission zu informieren, sondern auch die weitergehenden Ziele verfolgt, die Handelsschranken zu beseitigen oder zu verringern, die anderen Staaten über die von einem Staat geplanten technischen Regelungen zu informieren, der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten die nötige Zeit zu verschaffen, damit sie reagieren und eine Änderung vorschlagen können, die es erlaubt, die Einschränkungen des freien Warenverkehrs zu verringern, die sich aus der geplanten Maßnahme ergeben, und der Kommission die nötige Zeit zu lassen, um eine Harmonisierungsrichtlinie vorzuschlagen.

43 Der Gerichtshof hat weiter festgestellt, dass der Wortlaut der Artikel 8 und 9 der Richtlinie 83/189 klar ist, denn er sieht ein Verfahren für die gemeinschaftliche Kontrolle der Entwürfe nationaler Regelungen vor und macht den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vom Einverständnis oder vom fehlenden Widerspruch der Kommission abhängig.

44 Hat der Gerichtshof in Randnummer 48 des Urteils CIA Security International, nachdem er daran erinnert hat, dass die Richtlinie den Schutz des freien Warenverkehrs durch eine vorbeugende Kontrolle bezweckt und die Mitteilungspflicht ein wichtiges Mittel zur Verwirklichung dieser gemeinschaftlichen Kontrolle ist, festgestellt, dass die Wirksamkeit dieser Kontrolle umso größer ist, wenn die Richtlinie dahin ausgelegt wird, dass der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, der zur Unanwendbarkeit der fraglichen technischen Vorschriften auf den Einzelnen führen kann, so ergibt sich aus den in den Randnummern 40 bis 43 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Erwägungen, dass der Verstoß gegen die in Artikel 9 der Richtlinie 83/189 vorgesehenen Aussetzungspflichten gleichfalls einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, der zur Unanwendbarkeit der technischen Vorschriften führen kann.

45 Daher ist zweitens zu prüfen, ob in einem Zivilrechtsstreit zwischen Einzelnen über vertragliche Rechte und Pflichten die Unanwendbarkeit unter Verstoß gegen Artikel 9 der Richtlinie 83/189 erlassener technischer Vorschriften geltend gemacht werden kann.

46 Zunächst ist festzustellen, dass im Rahmen eines derartigen Zivilrechtsstreits die Anwendung unter Verstoß gegen Artikel 9 der Richtlinie 83/189 erlassener technischer Vorschriften dazu führen kann, dass die Verwendung oder die Vermarktung eines nicht diesen Vorschriften entsprechenden Erzeugnisses beeinträchtigt wird.

47 Dies trifft im Ausgangsverfahren zu, da die Anwendung der italienischen Rechtsvorschriften geeignet ist, die Vermarktung des von Unilever vertriebenen nativen Olivenöls extra durch diese Firma zu beeinträchtigen.

48 Ferner ist daran zu erinnern, dass die Unanwendbarkeit als Rechtsfolge der Nichtbeachtung der Mitteilungspflicht im Urteil CIA Security International auf Vorabentscheidungsfragen festgestellt worden ist, die in einem Rechtsstreit zwischen konkurrierenden Unternehmen vorgelegt worden waren, der auf nationalen Bestimmungen über das Verbot unlauterer Wettbewerbspraktiken beruhte.

49 Somit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass die Unanwendbarkeit einer technischen Vorschrift, die nicht gemäß Artikel 8 der Richtlinie 83/189 übermittelt wurde, aus den in den Randnummern 40 bis 43 des vorliegenden Urteils genannten Gründen in einem Rechtsstreit zwischen Einzelnen geltend gemacht werden kann. Das Gleiche gilt für die Nichteinhaltung der in Artikel 9 dieser Richtlinie niedergelegten Verpflichtungen, und es besteht insoweit kein Anlass, Rechtsstreitigkeiten zwischen Einzelnen auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs, wie es in der Rechtssache CIA Security International der Fall war, anders zu behandeln als Rechtsstreitigkeiten, in denen sich, wie im Ausgangsverfahren, Einzelne wegen vertraglicher Rechte und Pflichten gegenüberstehen.

50 Zwar kann, wie die italienische und die dänische Regierung ausgeführt haben, eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen Einzelner begründen und daher nicht als solche ihnen gegenüber herangezogen werden (vgl. Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 20); diese Rechtsprechung gilt jedoch nicht für den Fall, dass die Nichtbeachtung der Artikel 8 oder 9 der Richtlinie 83/189, die einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, die Unanwendbarkeit der unter Verstoß gegen einen dieser Artikel erlassenen technischen Vorschrift nach sich zieht.

51 In einem solchen Fall legt die Richtlinie 83/189 - anders als bei der Nichtumsetzung von Richtlinien, um die es in der von den beiden Regierungen zitierten Rechtsprechung ging - keineswegs den materiellen Inhalt der Rechtsnorm fest, auf deren Grundlage das nationale Gericht den bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden hat. Sie begründet weder Rechte noch Pflichten für Einzelne.

52 Aufgrund all dieser Erwägungen ist auf die Frage zu antworten, dass das nationale Gericht in einem Zivilrechtsstreit zwischen Einzelnen über vertragliche Rechte und Pflichten die Anwendung einer nationalen technischen Vorschrift ablehnen muss, die während einer Aussetzungsfrist nach Artikel 9 der Richtlinie 83/189 erlassen worden ist.

Kostenentscheidung


Kosten

53 Die Auslagen der italienischen, der belgischen, der dänischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Pretore von Mailand mit Beschluss vom 6. November 1998 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Das nationale Gericht muss in einem Zivilrechtsstreit zwischen Einzelnen über vertragliche Rechte und Pflichten die Anwendung einer nationalen technischen Vorschrift ablehnen, die während einer Aussetzungsfrist nach Artikel 9 der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der Fassung der Richtlinie 94/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1994 zur zweiten wesentlichen Änderung der Richtlinie 83/189 erlassen worden ist.