61996C0253

Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 9. Oktober 1997. - Helmut Kampelmann u. a. gegen Landschaftsverband Westfalen-Lippe (C-253/96 bis C-256/96), Stadtwerke Witten GmbH gegen Andreas Schade (C-257/96) und Klaus Haseley gegen Stadtwerke Altena GmbH (C-258/96). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Landesarbeitsgericht Hamm - Allemagne. - Unterrichtung des Arbeitnehmers - Richtlinie 91/533/EWG - Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c. - Verbundene Rechtssachen C-253/96, C-254/96, C-255/96, C-256/96, C-257/96 und C-258/96.

Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-06907


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Mit den sechs Vorabentscheidungsersuchen des Landesarbeitsgerichts Hamm, die sechs vor diesem Gericht anhängige Verfahren betreffen und jeweils fünf im wesentlichen gleichlautende Fragen enthalten, erhält der Gerichtshof erstmals Gelegenheit, die Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14. Oktober 1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen(1) (nachstehend: Richtlinie) auszulegen.

Rechtlicher Rahmen

2 Die Richtlinie stellt ein Mittel zur Verwirklichung der Ziele der Sozialpolitik der Gemeinschaft(2) und zur Durchführung der am 9. Dezember 1989 in Straßburg verabschiedeten Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer(3) dar.

Sie sieht, soweit hier von Belang, das Recht des Arbeitnehmers auf vollständige Unterrichtung über die Punkte vor, die für seine vertragliche Stellung maßgeblich und daher Inhalt der späteren Rechte und Verpflichtungen sind, die ihm daraus erwachsen, daß er in einem Arbeitsverhältnis steht. Der Umfang der Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer ordnungsgemäß zu unterrichten, ergibt sich aus der Aufzählung der "wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses" in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie. Für die vom Gerichtshof zu beantwortenden Fragen sind insoweit die im Buchstaben c genannten Punkte von Bedeutung:

"i) die dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zugewiesene Amtsbezeichnung, sein Dienstgrad und Art oder Kategorie seiner Stelle oder

ii) kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Arbeit"(4).

3 Nach Artikel 3 der Richtlinie hat der Arbeitgeber zur Erfuellung seiner Informationspflicht dem Arbeitnehmer innerhalb von zwei Monaten nach Aufnahme der Arbeit eines oder mehrere Schriftstücke, die die Angaben nach Artikel 2 enthalten, auszuhändigen. In der gleichen Weise ist der Arbeitnehmer auch im Falle einer Änderung der fraglichen Punkte zu unterrichten. Für Arbeitsverhältnisse, die bei Inkrafttreten der Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten bereits bestehen, sieht Artikel 9 vor, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf dessen Antrag die Dokumente nach Artikel 3 aushändigt(5).

Die Richtlinie verpflichtet zwar zur schriftlichen Niederlegung des Arbeitsvertrags, berührt aber, wie in Artikel 6 ausdrücklich vorgesehen, weder die einzelstaatlichen Rechtsnormen zur Regelung der Form des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses noch die über den Nachweis des Vorhandenseins und des Inhalts des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses. Ausserdem haben die Mitgliedstaaten nach Artikel 8 der Richtlinie sicherzustellen, daß ein Arbeitnehmer, der sich durch die Nichterfuellung der Verpflichtungen aus dieser Richtlinie für beschwert hält, seine Rechte gerichtlich geltend machen kann, was die Absicht unterstreicht, die Wirksamkeit des Anspruchs auf Unterrichtung sicherzustellen.

4 Die Mitgliedstaaten mussten die Richtlinie spätestens bis zum 30. Juni 1993 umsetzen(6). Deutschland hat dies mit dem Gesetz vom 20. Juli 1995(7) getan. Die einschlägigen Vorschriften des deutschen Gesetzes sind § 2 Absatz 1 Nummer 5, der zur Umsetzung von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie bestimmt, daß in der Niederschrift die Bezeichnung oder allgemeine Beschreibung der Tätigkeit enthalten sein muß, und § 4 Satz 2, der den Arbeitgeber zur Umsetzung von Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie im Fall eines bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Unterrichtung des Arbeitnehmers auch dann befreit, wenn dieser die Unterrichtung beantragt, sofern sich die wesentlichen Punkte aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag oder einem anderen Schriftstück ergeben(8).

Sachverhalt und Vorabentscheidungsfragen

5 In den Rechtssachen C-253/96 bis C-256/96 sind die Kläger der Ausgangsverfahren Arbeitnehmer des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (nachstehend: Landschaftsverband). Jeder von ihnen wurde von seinem Arbeitgeber schriftlich über seine Eingruppierung in eine bestimmte Vergütungs- und Fallgruppe unterrichtet. In den Jahren 1991 und 1992 begehrten alle Kläger ihre Einstufung in die nächsthöhere Vergütungsgruppe, da sie u. a. bereits die für eine Höhergruppierung erforderliche Zeit der Tätigkeit in der niedrigeren Stufe zurückgelegt hätten. Der Landschaftsverband hielt ihnen entgegen, die schriftliche Unterrichtung über ihre Eingruppierung sei unrichtig gewesen, da die von ihnen ausgeuebten Tätigkeiten in Wirklichkeit einer niedrigeren als der angegebenen Stufe entsprächen, so daß die Voraussetzungen für eine Höhergruppierung nicht vorlägen.

Die beim zuständigen Arbeitsgericht erhobenen Klagen wurden mit der Begründung abgewiesen, die Kläger hätten nicht dargetan, daß sie die der einschlägigen Vergütungs- und Fallgruppe entsprechenden Tätigkeiten während der erforderlichen Dauer ausgeuebt hätten, um Anspruch auf Höhergruppierung zu haben. Das nationale erstinstanzliche Gericht sah die Mitteilung des Arbeitgebers über die zunächst anerkannte, später aber für unrichtig erklärte Eingruppierung als beweisrechtlich bedeutungslos an. Gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen wurde beim Landesarbeitsgericht Hamm Berufung eingelegt.

6 In den Rechtssachen C-257/96 und C-258/96 sind die Kläger Arbeitnehmer der Stadtwerke Witten GmbH bzw. der Stadtwerke Altena GmbH. In beiden Fällen waren die Arbeitnehmer von ihren jeweiligen Arbeitgebern seinerzeit unterrichtet worden, daß sie in eine höhere Vergütungsgruppe aufgestiegen seien. In den Jahren 1992 und 1993 teilten die Arbeitgeber den Arbeitnehmern jedoch mit, sie könnten die zuvor mitgeteilten Eingruppierungen nicht berücksichtigen, da sie auf unzutreffenden Bewertungen beruhten. Den Arbeitnehmern wurde daher eine Höhergruppierung verweigert.

Auf die Klagen der Arbeitnehmer verurteilte eines der befassten Gerichte den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer antragsgemäß einzugruppieren. Das andere Gericht wies dagegen die Klage mit der Begründung ab, es sei nicht bewiesen worden, daß tatsächlich eine höherwertige Tätigkeit ausgeuebt worden sei. Auch gegen diese beiden Urteile legten die unterlegenen Parteien beim Landesarbeitsgericht Hamm Berufung ein.

7 Vor dem nationalen Gericht wird in Anbetracht der Richtlinie, insbesondere ihres Artikels 2, darum gestritten, welcher Beweiswert den Mitteilungen zukommt, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über seine vertragsgemässe Eingruppierung und entsprechende Vergütung aushändigt. In den vorliegenden Fällen machen die Arbeitgeber geltend, die den Arbeitnehmern mitgeteilten Angaben entsprächen nicht den von ihnen tatsächlich ausgeuebten Tätigkeiten.

8 Da das Landesarbeitsgericht Hamm der Auffassung ist, daß die Beilegung der bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten von der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie abhängt, hat es dem Gerichtshof fünf Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese Fragen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Ist Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie dahin auszulegen, daß er eine Erleichterung der Beweislast zugunsten des Arbeitnehmers bezweckt, indem er ihm im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung den Beweis für die ihm vom Arbeitgeber schriftlich mitgeteilten Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses erspart?

2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Ist Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer i der Richtlinie(9) gegenüber dem privatrechtlich handelnden Staat seit dem 1. Juli 1993 unmittelbar anwendbar?

3. Falls die Frage 2 bejaht wird: Sind die nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer i der Richtlinie(10) vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitzuteilenden Angaben über die "Art oder Kategorie seiner Stelle" so zu verstehen, daß der Arbeitnehmer aus der mitgeteilten Einstufung in eine bestimmte Vergütungs- und Fallgruppe ersehen können muß, ob er Anspruch auf eine Höhergruppierung hat?

4. Entfaltet die Mitteilung nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie für den Arbeitgeber eine solche Bindungswirkung, daß er sich an der mitgeteilten Einstufung so lange festhalten lassen muß, bis er ihre Fehlerhaftigkeit nachgewiesen oder nachgewiesen hat, daß der Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß eingestuft wurde oder sich die Wertigkeit der ausgeuebten Tätigkeit im Laufe der Zeit vermindert hat?(11)

5. Steht das deutsche Umsetzungsgesetz mit der Richtlinie, insbesondere deren Artikel 9, im Einklang, soweit es vorsieht, daß die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aushändigung eines Schriftstücks an den Arbeitnehmer trotz eines entsprechenden Antrags bei einem bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden Arbeitsverhältnis immer dann entfällt, wenn eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag die erforderlichen Angaben bereits enthält, mit der Folge, daß die frühere Mitteilung weiterhin Gültigkeit hat, so daß als weitere Folge der Arbeitgeber dann, wenn er sich hierzu durch eine neuere Mitteilung in Widerspruch setzt, deren inhaltliche Richtigkeit beweisen muß?

Zur ersten und zur vierten Vorabentscheidungsfrage

9 Die erste und die vierte Frage sind gemeinsam zu behandeln, da sie beide im wesentlichen die beweisrechtliche Bedeutung der dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber auszuhändigenden Mitteilung betreffen. Insbesondere will das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage wissen, ob der Arbeitnehmer, der seine arbeitsrechtliche Stellung, wie sie sich aus der ihm vom Arbeitgeber ausgehändigten Mitteilung ergibt, vor Gericht geltend machen möchte, nur die erhaltenen Schriftstücke vorzulegen braucht, während der Beweis ihrer etwaigen Unrichtigkeit dem Arbeitgeber obliegt. Die vierte Frage geht dahin, ob der Arbeitgeber an die dem Arbeitnehmer ausgehändigte Mitteilung nach Artikel 2 der Richtlinie gebunden ist, sofern er nicht die Unrichtigkeit der darin enthaltenen Punkte nachweist.

In beiden Fällen geht es offensichtlich um die beweisrechtliche Auswirkung der Mitteilung, mit der der Arbeitgeber den Arbeitnehmer schriftlich über die wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses unterrichtet. Zudem erfordert, was das vorlegende Gericht nicht erwähnt, die Beantwortung dieser Fragen eine Auslegung des Artikels 6 der Richtlinie, wonach die Richtlinie "nicht die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder einschlägigen einzelstaatlichen Praktiken für die Form des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses, die Regelung für den Nachweis über das Vorhandensein und den Inhalt des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, einschlägige Verfahrensregeln [berührt]"(12).

10 Eine korrekte Auslegung der einschlägigen Richtlinienbestimmungen darf den Zweck der Richtlinie nicht ausser acht lassen. Die Richtlinie ist zwar, wie bereits erwähnt, auf Artikel 100 EWG-Vertrag gestützt, stellt aber wegen der offensichtlichen Auswirkungen der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes ein Mittel zur Durchführung der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer dar und trägt entsprechend der Zielsetzung der gemeinschaftlichen Sozialpolitik zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte bei (vierte und fünfte Begründungserwägung). Insbesondere wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber die nationalen Vorschriften über die Unterrichtung des Arbeitnehmers angleichen, womit er zugleich das Ziel verfolgte, die Arbeitnehmer "besser vor etwaiger Unkenntnis ihrer Rechte zu schützen"(13).

Genau von dieser Warte aus ist zum einen zu beurteilen, welche Bedeutung die Verpflichtung des Arbeitgebers hat, den Arbeitnehmer über die wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses zu unterrichten, und zum anderen, wie sich die aus Artikel 6 der Richtlinie ergebende Unerheblichkeit dieser Verpflichtung für die Regelungen über die Form- und den Nachweis eines Arbeitsvertrags auswirkt.

Der Gesetzgeber wollte insbesondere mit der Bestimmung, wonach die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Form des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses und über die Beweisregelung durch die mit der Richtlinie aufgestellten Verpflichtungen zur schriftlichen Information nicht berührt werden, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einräumen, das Bestehen und die Ausgestaltung des Arbeitsvertrags in jeder beliebigen Weise, also auch bei fehlender Schriftform, geltend zu machen(14).

11 Dies bedeutet keineswegs, daß die Mitteilung für den Nachweis der ausgeuebten Tätigkeiten wertlos wäre. Ein solches Ergebnis würde dieser Mitteilung ihren Sinn und Zweck nehmen, der nicht nur darin besteht, die Arbeitnehmer über die wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses zu unterrichten, sondern auch und vor allem darin, die Wirksamkeit ihrer Rechte und deren Geltendmachung vor den nationalen Gerichten sicherzustellen.

Obwohl also die Richtlinie die in den nationalen Rechtsordnungen vorgesehenen Regelungen für den Nachweis des Bestehens und des Inhalts des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses nicht berührt, ist deshalb gleichwohl festzustellen, daß die vom Arbeitgeber in der Mitteilung selbst angegebenen Punkte auch für Beweiszwecke nicht ohne jede Bedeutung sein können.

12 Aus dem Fehlen von Beweisbeschränkungen folgt für den Arbeitnehmer, daß er das Bestehen und die Modalitäten des Arbeitsverhältnisses vor Gericht durch jedes Mittel und also auch durch Vorlage der ihm vom Arbeitgeber aufgrund der Vorschriften zur Anpassung an die Richtlinie ausgehändigten Mitteilung nachweisen kann. Natürlich ist die Beurteilung der Erheblichkeit und der Beweiskraft dieses Schriftstücks nach Maßgabe des nationalen Verfahrensrechts Sache des Richters.

Aus der Richtlinie, die gerade nicht in die Beweisregeln eingreifen will, kann sich eine Umkehr der Beweislast, die normalerweise - nach dem bekannten Grundsatz onus probandi incumbit ei qui dicit - den Kläger trifft, nicht ergeben. Einfacher ausgedrückt, die klagenden Arbeitnehmer werden in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten, wenn sie vor Gericht das fragliche Schriftstück vorlegen können, sicher eine Erleichterung ihrer Beweislast erfahren, doch heisst dies noch nicht, daß die blosse Vorlage der Mitteilung in jedem Falle, ungeachtet des von der Gegenpartei eventuell erbrachten Gegenbeweises, ausreicht, um die darin enthaltenen Punkte vor Gericht zu beweisen.

13 Aufgrund dieser Überlegungen kann auch die vierte Frage beantwortet werden, mit der das vorlegende Gericht wissen will, ob der Arbeitgeber an die dem Arbeitnehmer ausgehändigte Mitteilung nach Artikel 2 der Richtlinie gebunden ist, sofern er nicht die Unrichtigkeit der darin enthaltenen Angaben beweist. Insoweit genügt der Hinweis, daß Grundlage der Verpflichtungen des Arbeitgebers ausschließlich der Vertrag und nicht die Mitteilung im Sinne der Richtlinie ist, die nur den Wert einer nachträglichen Niederschrift der Punkte des Vertrages, die allerdings genau wiedergegeben sein müssen, hat. Folglich ist der Arbeitgeber zwar ausschließlich an den Vertrag und nicht an die nachträgliche Mitteilung gebunden, doch befindet sich der Arbeitnehmer, der die Übereinstimmung der Mitteilung mit dem Vertragsinhalt (der sich aus dem schriftlichen Vertrag oder, wenn ein solcher fehlt, aus der tatsächlichen Lage ergibt) beweisen will, in einer vorteilhaften Lage, da er über ein Beweismittel verfügt, das zwar nicht unwiderlegbar ist, aber nach der für ihn maßgeblichen Verfahrensregelung möglicherweise doch für sich allein ausreicht.

Zur zweiten Vorabentscheidungsfrage

14 Mit der zweiten Vorabentscheidungsfrage will das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer i der Richtlinie(15) als unmittelbar wirksam anzusehen ist und daher vom Ablauf der den Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie gesetzten Frist an gegenüber dem Staat geltend gemacht werden kann.

Wie die Kommission ausgeführt hat, scheint das vorlegende Gericht, was das Problem der unmittelbaren Wirkung dieser Bestimmung betrifft, nicht zwischen der Zeit vor der Anpassung des deutschen Rechts, d. h. der Zeit vom 1. Juli 1993 bis 20. Juli 1995, und der Zeit danach zu unterscheiden, in der die unmittelbare Wirkung aufgrund unrichtiger Umsetzung dieser Bestimmung geltend gemacht werden kann.

15 Ergehen keine Anpassungsvorschriften und verstreicht die Frist für die Umsetzung der Richtlinie, hängt die unmittelbare Wirkung bekanntlich von den Merkmalen der Vorschrift und insbesondere von ihrem Regelungsgehalt ab, der so klar und genau sein muß, daß keine weiteren Rechtsakte erforderlich sind(16).

In der vorliegenden Rechtssache "verpflichtet" Artikel 2 der Richtlinie den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer unter anderem über folgende wesentlichen Punkte des Vertrages in Kenntnis zu setzen: "... Amtsbezeichnung, ... Dienstgrad und Art oder Kategorie seiner Stelle oder ... kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Arbeit" (Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c). Angesichts der genauen Aufzählung der Punkte, über die der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unterrichten muß, kann meines Erachtens kein Zweifel bestehen, daß die Vorschrift einen klaren und genauen Regelungsgehalt hat. Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß die Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber die Wahl lässt zwischen der Mitteilung der Amtsbezeichnung, des Dienstgrads und der Art oder der Kategorie der Stelle oder der Mitteilung einer kurzen Charakterisierung oder Beschreibung der Arbeit.

Wie sich nämlich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt, schließt die Tatsache, daß der Staat zwischen mehreren möglichen Mitteln zur Erreichung des durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Zieles wählen kann, nicht aus, daß der einzelne vor den nationalen Gerichten die Rechte geltend machen kann, deren Inhalt sich bereits aufgrund der Richtlinie mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt.(17) Die Richtlinie schreibt die Mitteilung der Punkte des Artikels 2 Absatz 2 Buchstaben c vor, damit sichergestellt ist, daß der Arbeitnehmer die Grundmerkmale der auszuübenden Tätigkeit kennt. Auch wenn man die dem nationalen Gesetzgeber gebotenen Alternative berücksichtigt, lässt sich also der Mindestinhalt der Informationspflicht bestimmen, mit dem der Zweck jedenfalls erreicht werden kann: die Mitteilung der kurzen Charakterisierung oder Beschreibung der Arbeit.

Daher ist davon auszugehen, daß die Mitteilungsplicht unbedingt und hinreichend genau ist.

16 Die unmittelbare Wirkung einer Richtlinienvorschrift kann nach ständiger Rechtsprechung nur gegenüber dem Staat, der die Richtlinie nicht rechtzeitig oder richtig durchgeführt hat, und nicht gegenüber einzelnen geltend gemacht werden(18). Bekanntlich hat jedoch der Gerichtshof die Grenzen der "vertikalen" unmittelbaren Wirkung ziemlich weit gesteckt, indem er die Möglichkeit zur Berufung auf eine Richtlinie auf Fälle erstreckt hat, in denen sie gegenüber Gebietskörperschaften(19) oder gegenüber Stellen mit einem öffentlichen Versorgungsauftrag(20) und allgemeiner gegenüber "Organisationen oder Einrichtungen ..., die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten"(21), erfolgte, unabhängig von der rechtlichen Form der betreffenden Einrichtung.

In den Rechtssachen C-253/96 bis C-256/96 ist Beklagter der Ausgangsverfahren ein Landschaftsverband, der, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, eine Gebietskörperschaft ist, so daß die Richtlinie ihm gegenüber sicherlich geltend gemacht werden kann. In den Rechtssachen C-257/96 und C-258/96 sind die Arbeitgeber Unternehmen der Stadtwerke Witten und Altena oder jedenfalls von diesen Städten kontrollierte Unternehmen, und die Richtlinie kann also wegen der Herrschaft, die die sie kontrollierende Gebietskörperschaft über sie ausübt, auch ihnen gegenüber geltend gemacht werden.

17 Für die Zeit nach der Umsetzung der Richtlinie kommt die unmittelbare Wirkung für den Fall der nicht ordnungsgemässen Umsetzung in Betracht.

Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie durch das Gesetz vom 20. Juli 1995, insbesondere dessen § 2 Absatz 1 Nummer 5, wonach der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die "Bezeichnung oder allgemeine Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit" unterrichten muß, ordnungsgemäß umgesetzt wird.

18 Wie bereits erwähnt lässt die Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung die Wahl, die Angabe der Amtsbezeichnung, des Dienstgrads und der Art oder der Kategorie der Stelle (Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer i) oder einer kurzen Charakterisierung oder Beschreibung der Arbeit (Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer ii) vorzuschreiben. Der deutsche Gesetzgeber hat also rechtmässig von dieser zweiten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Nach dem Wortlaut der entsprechenden nationalen Vorschrift kann sich der Arbeitgeber seiner Verpflichtung jedoch dadurch entledigen, daß er den Arbeitnehmer über die blosse "Bezeichnung" der Tätigkeit unterrichtet, während die Richtlinie zumindest die Mitteilung einer "kurzen Charakterisierung" verlangt(22).

Meines Erachtens reicht die Verpflichtung zur Unterrichtung über die blosse "Bezeichnung" der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht aus, um das insoweit von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen, nämlich sicherzustellen, daß der Arbeitnehmer die Hauptmerkmale seiner Arbeit kennt. Auch wenn man nicht der im Sinne einer solchen Sicherstellung weitestgehenden Auslegung folgen will - danach würde die Vorschrift eine detaillierte Untersuchung der dem Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeiten verlangen(23) -, steht fest, daß dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben werden muß, den Inhalt der von ihm zu erbringenden Leistung, sei es auch nur in knapper Form, zu kennen. Die Bezeichnung der Tätigkeiten mag diesem Erfordernis zwar in einzelnen Fällen genügen, doch könnte dies für Tätigkeiten anderer Art, deren Beschreibung die Feststellung der wesentlichen Merkmale erfordert, nicht der Fall sein. Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer ii der Richtlinie wurde also durch § 2 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes vom 20. Juli 1995 nicht richtig umgesetzt, so daß sich der einzelne auf ihn berufen kann, sei es, um seine Anwendung anstelle der entsprechenden innerstaatlichen Norm zu erreichen, sei es, um deren richtlinienkonforme Auslegung zu verlangen.

Zur dritten Frage

19 Mit der dritten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auslegung der Formulierung "Art oder Kategorie [der] Stelle", mit der in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer i der Richtlinie einer der dem Arbeitnehmer mitzuteilenden Punkte umschrieben ist. Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Arbeitnehmer aus der Einstufung in eine bestimmte Vergütungs- und Beschäftigungskategorie ersehen können muß, ob er bei Vorliegen bestimmter Erfordernisse für eine Höhergruppierung in Frage kommt.

20 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß sich die Frage des vorlegenden Gerichts, legt man die von mir zur ersten Frage vorgeschlagene Antwort zugrunde, nicht stellt. Geht man nämlich davon aus, daß der nationale Gesetzgeber die Richtlinie durchführen konnte, ohne dabei die Mitteilung der "Art oder Kategorie der Stelle", sondern nur die Mitteilung der kurzen Charakterisierung oder Beschreibung der Arbeit vorzuschreiben, und daß der deutsche Gesetzgeber mit § 2 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes vom 20. Juli 1995 gerade diese Möglichkeit gewählt hat, so dürfte die Auslegung der Vorschrift für das Landesarbeitsgericht Hamm keine Bedeutung haben. Für den Fall, daß der Gerichtshof anderer Auffassung ist, sei aber folgendes ausgeführt.

21 Die Richtlinie verlangt nur, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seine vertragsgemässe Eingruppierung bei der Einstellung unterrichtet und ihm etwa während des Arbeitsverhältnisses eintretende Änderungen der in der ersten Mitteilung angegebenen Vertragspunkte mitteilt. Wie mir scheint, lässt sich aus der Richtlinie keine Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten, Angaben zu machen, anhand deren der Arbeitnehmer seinen beruflichen Aufstieg vorhersehen kann: Dieser hängt hauptsächlich von den Tarifabschlüssen ab. Im übrigen ist zu beachten, daß die Richtlinie die Unterrichtung des Arbeitnehmers nicht zu jedem Aspekt des Vertrages und jeder sich daraus ergebenden Folge, sondern nur in bezug auf dessen wesentliche Punkte sicherstellen will (Artikel 2 Absatz 1). Ebenso ist zu beachten, daß die Richtlinie darauf abzielt, dem Arbeitnehmer ein "Minimum"(24) an Informationen zu verschaffen, womit implizit anerkannt wird, daß ausführlichere Angaben über die rechtliche Stellung des Arbeitnehmers ausserhalb der Informationspflicht des Arbeitgebers liegen.

Zur fünften Frage

22 Mit der fünften Frage fragt das vorlegende Gericht nach der Auslegung des Artikels 9 Absatz 2 der Richtlinie, nach dem bei Arbeitsverhältnissen, die bei Inkrafttreten der Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie bestehen, der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf dessen Antrag das Dokument mit den Angaben nach Artikel 2 aushändigen muß, und nach dem der Arbeitgeber also ohne einen solchen Antrag nicht verpflichtet ist, den Arbeitnehmer über die wesentlichen Punkte des Vertrages zu unterrichten. Insbesondere fragt das vorlegende Gericht nach der Vereinbarkeit des § 4 Satz 2 des Gesetzes vom 20. Juli 1995 mit der genannten Richtlinienbestimmung, soweit er den Arbeitgeber, falls eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag die erforderlichen Angaben bereits enthält, von der Verpflichtung zur Aushändigung eines Schriftstücks an den Arbeitnehmer befreit(25). In einem solchen Fall müsste nach Auffassung des deutschen Gerichts, da die frühere Mitteilung weiterhin Gültigkeit habe, der Arbeitgeber dann, wenn er sich zu dieser durch eine neue Mitteilung in Widerspruch setzt, deren inhaltliche Richtigkeit beweisen.

23 Die Richtlinienvorschrift stellt offensichtlich einen Kompromiß dar zwischen dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Unterrichtung - im Hinblick auf diesen Anspruch erscheint eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, je nachdem, ob sie vor oder nach der Umsetzung der Richtlinie eingestellt wurden, unerträglich(26) - und dem Erfordernis, den Arbeitgeber nicht mit übertriebenen bürokratischen Pflichten zu belasten, der andernfalls innerhalb kurzer Zeit möglicherweise sehr vielen Arbeitnehmern solche Mitteilungen aushändigen müsste.

Die unterschiedlichen Interessen gleicht die Richtlinie dadurch aus, daß sie die Unterrichtung des Arbeitnehmers von dessen Antrag abhängig macht. Da es sich um eine Ausnahme von einer durch die Richtlinie aufgestellten grundlegenden Verpflichtung handelt, meine ich, daß der nationale Gesetzgeber ihre Tragweite nicht über den ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmebereich hinaus ausdehnen kann. Nach der fraglichen deutschen Vorschrift kann der Arbeitgeber von einer Unterrichtung des Arbeitnehmers auch nach dessen Antrag absehen, sofern ältere Schriftstücke vorhanden sind, aus denen die in der Richtlinie geforderten Punkte hervorgehen. Dadurch wird der Informationsanspruch des Arbeitnehmers über das nach der Richtlinie zulässige Maß hinaus beeinträchtigt und der Arbeitnehmer gezwungen, seine vertragliche Stellung anhand älterer, möglicherweise sehr zahlreicher Schriftstücke zu rekonstruieren; dies geht zu Lasten des Bedürfnisses an Klarheit, das der Arbeitnehmer durch seinen Antrag auf Unterrichtung gegenüber seinem Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht hat.

24 Zu dem weiteren durch die fünfte Frage aufgeworfenen Problem der Verbindlichkeit der vor der Umsetzung der Richtlinie ergangenen schriftlichen Mitteilungen verweise ich auf die Ausführungen zur ersten und zur vierten Frage. Die Mitteilung ersetzt nicht den Arbeitsvertrag, und nur aus diesem ergeben sich die Pflichten (und Rechte) der Parteien. Eine neue, von der früheren abweichende Mitteilung kann nur durch die Änderung eines Vertragspunktes gerechtfertigt sein. Der Nachweis dieser Änderung ist von demjenigen zu erbringen, der sich vor Gericht auf sie beruft; zu diesem Zweck kann innerhalb der Grenzen und mit den Wirkungen, die das nationale Prozeßrecht dafür vorsieht, auch die neuere Mitteilung vor Gericht vorgelegt werden.

Ergebnis

25 Nach alledem schlage ich vor, die vom Landesarbeitsgericht Hamm in diesen Rechtssachen gestellten Fragen wie folgt zu beantworten:

1. Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 91/533/EWG über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen ist dahin auszulegen, daß er keine Umkehr der Beweislast bezweckt, wenn die Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, die Gegenstand der schriftlichen Mitteilung sind, vor Gericht geltend gemacht werden sollen; diese Mitteilung ist zwar nicht die Quelle der vertraglichen Verpflichtungen, sie stellt aber ein Beweismittel dar, das innerhalb der Grenzen und nach den Verfahrensregeln der nationalen Rechtsordnung zu würdigen ist (erste und vierte Frage).

2. Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 91/533/EWG hat vom 1. Juli 1993 an zumindest insoweit unmittelbare Wirkung, als er die Mindestverpflichtung aufstellt, dem Arbeitnehmer eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Arbeit mitzuteilen; nach der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht kann dieser Artikel, wenn die Umsetzung nicht ordnungsgemäß ist, vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden (zweite Frage).

3. Der Ausdruck "Art oder Kategorie [der] Stelle" in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer i der Richtlinie 91/533/EWG ist dahin auszulegen, daß sich daraus keine Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten lässt, Angaben zu machen, anhand deren der Arbeitnehmer seinen beruflichen Aufstieg vorhersehen kann (dritte Frage).

4. Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 91/533/EWG ist dahin auszulegen, daß er der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift wie § 4 Satz 2 des deutschen Umsetzungsgesetzes entgegensteht, die den Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Aushändigung eines Schriftstücks an den Arbeitnehmer auch dann, wenn dieser einen entsprechenden Antrag gestellt hat, befreit, falls eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag die erforderlichen Angaben bereits enthält (fünfte Frage).

(1) - ABl. L 288, S. 32.

(2) - Sie nennt als Rechtsgrundlage für ihren Erlaß Artikel 100 EWG-Vertrag, doch sind in ihrer fünften Begründungserwägung auch Artikel 117 und die sich daraus für die Mitgliedstaaten ergebende Verpflichtung erwähnt, "auf eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte hinzuwirken und dadurch auf dem Wege des Fortschritts deren Angleichung zu ermöglichen".

(3) - Insbesondere erkennen die Mitgliedstaaten in Artikel 17 der Charta an, daß "Unterrichtung, Anhörung und Mitwirkung der Arbeitnehmer ... in geeigneter Weise unter Berücksichtigung der in den Mitgliedstaaten herrschenden Gepflogenheiten weiterentwickelt werden [müssen]".

(4) - Es handelt sich dabei um Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, für die es nach der Richtlinie, anders als bei den Angaben nach den Buchstaben f, g, h und i (s. Artikel 2 Absatz 3), zur die Erfuellung der Informationspflicht nicht genügt, daß auf die für die entsprechenden Bereiche geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. Satzungs- oder Tarifvertragsbestimmungen verwiesen wird; damit wird deutlich, daß der Arbeitnehmer Anspruch auf eine ausführliche und individuelle Unterrichtung über die fraglichen Punkte hat.

(5) - Nach Artikel 3 der Richtlinie kommen als Informationsmöglichkeiten in Frage: der schriftliche Arbeitsvertrag, das Anstellungsschreiben oder ein anderes Schriftstück oder eine vom Arbeitgeber unterzeichnete schriftliche Erklärung, sofern diese, und sei es in ihrer Gesamtheit gesehen, die Angaben nach Artikel 2 enthalten. Die Unterrichtung über die wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses muß mit anderen Worten schriftlich erfolgen.

(6) - Vgl. Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie.

(7) - Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz - NachwG; BGBl. I S. 946).

(8) - § 4 Satz 2 lautet: "Soweit eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben enthält, entfällt diese Verpflichtung."

(9) - Das vorlegende Gericht nennt tatsächlich Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer ii der Richtlinie. Wie die Kommission und die deutsche Regierung in ihren Erklärungen ausgeführt haben, bezieht sich die Frage jedoch auch auf Ziffer i dieser Bestimmung, was im übrigen durch den Umstand bestätigt wird, daß die nächste Frage die "Art oder Kategorie seiner Stelle" erwähnt: diese Formulierung findet sich in Ziffer i und nicht in Ziffer ii.

(10) - Siehe vorstehende Fußnote.

(11) - In den Rechtssachen C-257/96 und C-258/96 ist die vierte Vorabentscheidungsfrage im Hinblick auf die besondere Fallgestaltung dieser Rechtssachen anders formuliert. Auch in diesen beiden Rechtssachen will das vorlegende Gericht aber klären lassen, welche Beweiskraft die Mitteilung über die Einstufung des Arbeitnehmers hat, um festzustellen, inwieweit der Arbeitnehmer die Beweislast für die tatsächlich ausgeuebten Tätigkeiten trägt. Der unterschiedliche Wortlaut der Frage macht daher keine gesonderte Behandlung erforderlich.

(12) - Die Vorschrift weicht von dem Vorschlag der Kommission, dessen Überschrift bezeichnenderweise "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über einen Nachweis für Arbeitsverhältnisse" (ABl. C 24 vom 31. Januar 1991, S. 3) lautete, zum Teil ab, ohne jedoch dessen Zweck zu widersprechen. Als vierte Begründungserwägung führte der Vorschlag an, daß es "auf Gemeinschaftsebene allgemein zur Pflicht gemacht werden [muß], daß jeder Arbeitnehmer über ein Schriftstück als Nachweis für die wesentlichen Bedingungen des mit seinem Arbeitgeber eingegangenen Arbeitsverhältnisses verfügt". Erklärtes Ziel des Vorschlags war es, dem Arbeitnehmer ein zusätzliches Mittel zum Nachweis seiner Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag zu sichern, was im übrigen aus der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (ABl. C 159 vom 17. Juni 1991, S. 32) klar hervorgeht. Zu den Unterschieden zwischen Vorschlag und erlassener Vorschrift vgl. J. Clark, M. Hall, The Cinderella Directive? Employee Rights to Information about Conditions Applicable to their Contract or Employment Relationship, in ILJ, 1992, S. 108; B. Bercusson, European Labour Law, London, 1996, S. 433 f.

(13) - Vgl. Zweite Begründungserwägung der Richtlinie.

(14) - Im Einklang mit dieser Auslegung steht auch der Zweck des Kommissionsvorschlags, zu dem der Wirtschafts- und Sozialausschuß in seiner Stellungnahme (vgl. Fußnote 12) sogar die Aufnahme folgender Bestimmung in Artikel 2 empfohlen hatte: "[Das] Arbeitsverhältnis und die entsprechenden Bedingungen [können] durch jedes andere zweckentsprechende Mittel nachgewiesen werden." Zur Begründung führte er aus: "Würde der Nachweis eines Arbeitsverhältnisses an die Erfuellung der Verpflichtung geknüpft, ein schriftliches Dokument auszuhändigen, könnten die gerichtlichen Instanzen sich zu der Vermutung veranlasst sehen, daß kein Arbeitsverhältnis besteht, wenn dieses Schriftstück nicht vorliegt. In diesen Fällen würde die Position des Arbeitnehmers geschwächt und der Nachweis eines Arbeitsverhältnisses erschwert."

(15) - Was Ziffer i der fraglichen Vorschrift anbelangt, lässt sich die Frage der unmittelbaren Wirkung im Zusammenhang mit der Vorschrift des Buchstaben c insgesamt behandeln, der, wie bereits erwähnt und wie in der Folge noch zu zeigen sein wird, zwei alternative Fallgestaltungen betrifft.

(16) - Vgl. aus der umfangreichen Rechtsprechung die Urteile vom 19. Januar 1982 in der Rechtssache 8/81 (Becker, Slg. 1982, 53), vom 17. Oktober 1989 in den verbundenen Rechtssachen 231/74 und 129/88 (Carpaneto Piacentino, Slg. 1989, 3233), vom 19. November 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich, Slg. 1991, I-5357) und vom 23. Februar 1994 in der Rechtssache C-236/92 (Regione Lombardia, Slg. 1994, I-483).

(17) - Urteil Francovich, angeführt in der vorstehenden Fußnote, Randnr. 17.

(18) - Vgl. vor allem Urteil vom 14.Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92 (Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325).

(19) - Vgl. Urteil vom 22. Juli 1989 in der Rechtssache 103/88, (Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839).

(20) - Vgl. Urteil vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 152/84 (Marshall, Slg. 1986, 723).

(21) - Vgl. Urteil vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-188/89 (Foster, Slg.1990, I-3313, Randnr. 18).

(22) - Die deutsche Vorschrift verlangt "die Bezeichnung oder allgemeine Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit", während in der Richtlinienbestimmung in der deutschen Fassung eine "kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Arbeit" gefordert wird.

(23) - Diese Auslegung wäre auf der Grundlage des Vorschlags der Kommission vielleicht eher gerechtfertigt gewesen, in dem die Mitteilung der "Wesensmerkmale der Arbeit und der Beschäftigungskategorie" verlangt wurde. Vgl. aber Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, der diese Formulierung für "zu ausführlich" hält.

(24) - Dies ergibt sich daraus, daß nach Artikel 2 Absatz 2 die Unterrichtung "mindestens" die danach genannten Angaben betreffen muß und daß der Arbeitgeber nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe j inhaltlich auf Tarifregelungen verweisen darf.

(25) - Der Wortlaut von § 4 Satz 2 des deutschen Gesetzes ist in Fußnote 8 wiedergegeben.

(26) - Auf das Erfordernis einer Gleichbehandlung weisen J. Clark und M. Hall, The Cinderella Directive? (angeführt in Fußnote 12, S. 111) hin.