61991C0020

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 27. Februar 1992. - P. DE JONG GEGEN STAATSSECRETARIS VAN FINANCIEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HOGE RAAD - NIEDERLANDE. - MEHRWERTSTEUERBERICHTIGUNG - SECHSTE MEHRWERTSTEUERRICHTLINIE - RECHTSSACHE C-20/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-02847


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. Der niederländische Hoge Raad ersucht um eine Auslegung der Sechsten MWSt-Richtlinie (Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. L 145, S. 1), insbesondere der in den Artikeln 5 Absatz 6 und 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe b enthaltenen Vorschriften über die Entnahme von Gegenständen aus einem Unternehmen für den privaten Bedarf. Im Kern geht es im vorliegenden Fall darum, ob ein Bauunternehmer, der ein Grundstück für private Zwecke erwirbt und im Rahmen seines Unternehmens darauf ein Wohnhaus errichtet, wegen dieser privaten Verwendung zur Zahlung einer Steuer verpflichtet ist, die sich nach dem Wert von Grundstück und Gebäude bemisst, obwohl es zum Abzug von Mehrwertsteuer nur bei Gegenständen und Leistungen, die bei der Errichtung des Hauses eine Rolle spielten, nicht aber beim Erwerb des Grundstücks kam.

Der Sachverhalt und die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen

2. Es geht um folgenden Sachverhalt. Am 15. August 1978 erwarb der Bauunternehmer de Jong eine Parzelle mit einem Gebäude. Er entrichtete für das Grundstück keine Mehrwertsteuer. Später erhielt er die Genehmigung für die Errichtung von zwei Wohnhäusern auf dem Grundstück. Am 30. Juli 1979 verkaufte er ungefähr die Hälfte des Grundstücks an einen Dritten, nämlich Herrn Dolfing. Dabei wurde keine Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Herr de Jong riß das vorhandene Gebäude ab und errichtete auf dem gesamten Grundstück zwei Wohnhäuser, eines für Herrn Dolfing und eines für sich selbst. Die Häuser wurden 1980 bzw. 1981 fertiggestellt. Weil Herr de Jong bei den Gegenständen und Leistungen, die beim Bau der Häuser eine Rolle spielten, Mehrwertsteuer in Abzug gebracht hatte, führte er in der von ihm abzugebenden Steuererklärung (über abzuführende Mehrwertsteuer) einen Betrag an, der dem Abzug (entrichtete Steuer) entsprach, den er im Hinblick auf Gegenstände und Leistungen, die beim Bau des für private Zwecke verwendeten Hauses eine Rolle spielten, vornahm. Der Mehrwertsteuerinspektor war jedoch der Ansicht, nach den Vorschriften über die Besteuerung der Verwendung von Gegenständen eines Unternehmens für privaten Bedarf (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g des niederländischen Umsatzsteuergesetzes von 1968) sei davon auszugehen, daß Herr de Jong eine einzige Lieferung von Gegenständen an sich selbst vorgenommen habe, die sich aus Grundstück und Wohnhaus zusammensetze; der Wert des Grundstücks sei daher in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen. Herr de Jong klagte mit der Begründung, das Grundstück habe, weil es für private Zwecke erworben worden sei, niemals zum Vermögen seines Unternehmens gehört und es sei daher seinem Unternehmen nicht für seinem privaten Bedarf im Sinne der niederländischen Bestimmungen entnommen worden.

3. Nach Abweisung der Klage durch den Gerechtshof erhob Herr de Jong Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden. Dieser ist der Meinung, die niederländischen Vorschriften hätten dasselbe Ziel wie die einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie. Er legte daher folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1) Muß Artikel 5 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie so ausgelegt werden, daß ein Steuerpflichtiger - und zwar ein Bauunternehmer -, der ein Grundstück nur zu dem Zweck erwirbt, es für seinen privaten Bedarf zu nutzen, sodann auf dem Grundstück mit seinem Unternehmen ein Gebäude - und zwar ein Wohnhaus - errichtet und schließlich das Gebäude mit der bebauten Fläche sowie gegebenenfalls dem übrigen dazugehörigen Grund und Boden für seinen eigenen Bedarf nutzt, nicht nur das Gebäude, sondern dieses Gebäude zusammen mit der bebauten Fläche und gegebenenfalls dem übrigen dazugehörigen Grund und Boden im Sinne der genannten Richtlinienbestimmung aus seinem Unternehmen entnommen hat?

2) Ist die in Artikel 5 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie für die Gleichstellung einer Entnahme mit einer Lieferung aufgestellte Voraussetzung, daß der Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben, dahin zu verstehen, daß im Falle der Entnahme eines Grundstücks, das aus einem Gebäude mit der bebauten Fläche und gegebenenfalls dem übrigen dazugehörigen Grund und Boden besteht, aus dem Unternehmen - wobei der Grund und Boden nicht zum Abzug berechtigt hat - weder im Hinblick auf das Grundstück als Ganzes noch im Hinblick auf einen Teil desselben, und zwar das Gebäude, eine Lieferung vorliegt?

3) Ist für den Fall, daß die zweite Frage dahin zu beantworten ist, daß im Hinblick auf das Grundstück als Ganzes eine Lieferung im Sinne des Artikels 5 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie erfolgt ist, Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie dahin zu verstehen, daß die dort genannte Besteuerungsgrundlage dem Selbstkostenpreis des Grundstücks als Ganzem, also einschließlich des Selbstkostenpreises für Grund und Boden, entspricht, oder ist Besteuerungsgrundlage nur der Teil des Selbstkostenpreises, der zum Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat?

Die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen

4. Die Vorschriften über Lieferungen von Gegenständen und über Leistungen für privaten Bedarf finden sich in den Artikeln 5 Absatz 6 und 6 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe b und c der Sechsten Richtlinie.

In Artikel 5 Absatz 6 heisst es:

"Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt wird die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf ..., wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben ..."

Nach Artikel 6 Absatz 2 werden Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt:

"a) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, ... wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;

b) die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf ..."

Nach Artikel 11 Buchstabe Teil A Absatz 1 Buchstabe b ist Besteuerungsgrundlage bei den in Artikel 5 Absatz 6 genannten Umsätzen "der Einkaufspreis für die Gegenstände oder für gleichartige Gegenstände oder mangels eines Einkaufspreises der Selbstkostenpreis, und zwar jeweils zu den Preisen, die im Zeitpunkt der Bewirkung dieser Umsätze festgestellt werden".

So ist auch für die in Artikel 6 Absatz 2 genannten Umsätze gemäß Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c Besteuerungsgrundlage "der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung".

5. Nach diesen Vorschriften wird also bei einem Steuerpflichtigen, der Gegenstände seines Unternehmens für private Zwecke verwendet, angenommen, daß er entgeltlich Gegenstände liefert oder Leistungen erbringt, und zwar gegen eine Vergütung, die dem Einkaufspreis oder dem Selbstkostenpreis der Gegenstände oder den Ausgaben für die Erbringung der Dienstleistung entspricht. Damit soll verhindert werden, daß Gegenstände eines Unternehmens, die von Steuerpflichtigen für private Zwecke verwendet werden, der Mehrwertsteuer entzogen werden, denn Steuerpflichtige sind ja nach Artikel 17 der Richtlinie berechtigt, die beim Kauf solcher Gegenstände fällige Mehrwertsteuer abzuziehen (d. h. diese Mehrwertsteuer dadurch wiedereinzuziehen, daß sie von der Mehrwertsteuer abgezogen wird, die sie für ihre Umsätze zu entrichten haben). In Artikel 5 Absatz 6 hat man es mit Vorgängen zu tun, die der Lieferung von Gegenständen gleichgestellt sind, und in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a mit solchen, die Dienstleistungen gleichgestellt sind. Artikel 5 Absatz 6 bezieht sich also auf die endgültige Abgabe von Gegenständen aus dem Unternehmen, während Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a die private Verwendung von Gegenständen betrifft, die im Unternehmen verbleiben. Im übrigen scheinen die beiden Bestimmungen sowohl im Wortlaut als auch in der Wirkung weitgehend übereinzustimmen.

6. In Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie wird die Lieferung eines Gegenstands als Übertragung der Befähigung bezeichnet, wie ein Eigentümer über einen "körperlichen Gegenstand" zu verfügen. Als körperlicher Gegenstand gehört ein Grundstück zu den "Gegenständen" im Sinne des Artikels 5, und es kann somit Gegenstand eines einer Lieferung gleichgestellten Vorgangs im Sinne von Artikel 5 Absatz 6 sein.

Zur ersten Frage

7. Mit seiner ersten Frage möchte der Hoge Raad der Nederlanden im wesentlichen wissen, ob ein Steuerpflichtiger (ein Bauunternehmer), der ein Grundstück allein für private Zwecke erwirbt, darauf aber im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit ein Wohnhaus für sich selbst errichtet, im Sinne von Artikel 5 Absatz 6 ein Grundstück aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf entnimmt.

8. Nach meiner Ansicht ist klar, daß Artikel 5 Absatz 6 bei einer solchen Sachlage nicht eingreift, weil das Grundstück Privateigentum ist und nicht Bestandteil des dem Steuerpflichtigen gehörenden Unternehmens im Sinne dieser Vorschrift. Diese Wertung steht im Einklang mit anderen Vorschriften der Richtlinie und mit dem Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C-97/90 (Lennartz, Slg. 1991, I-3795; vgl. insbesondere die Randnrn. 8 bis 12 des Urteils und die Nrn. 23 und 24 meiner Schlussanträge). Wenn ein Steuerpflichtiger Gegenstände ausschließlich für seinen privaten Bedarf erwirbt, handelt er als Privatperson und nicht als Steuerpflichtiger im Sinne der Sechsten Richtlinie. Deshalb sind die Vorschriften der Richtlinie über den Erwerb von Geschäftsgegenständen nicht anwendbar. Insbesondere greifen beim Erwerb solcher Gegenstände Artikel 17 Absatz 2, wonach der Steuerpflichtige zum Abzug der beim Kauf fälligen Mehrwertsteuer berechtigt ist, sowie die in den Artikeln 18 und 22 der Richtlinie enthaltenen Verwaltungs- und Buchhaltungsvorschriften nicht ein. Da die Gegenstände in einem solchen Fall nicht Bestandteil des dem Steuerpflichtigen gehörenden Unternehmens werden, kann sicher nicht angenommen werden, für den Steuerpflichtigen liege eine Lieferung im Sinne des Artikels 5 Absatz 6 vor.

9. Dieser Ansicht sind auch die Kommission und die deutsche Regierung. Die niederländische Regierung dagegen hat in ihren schriftlichen Erklärungen die Ansicht vertreten, mit dem Bau eines Wohnhauses auf einem dem Unternehmen hierfür zur Verfügung gestellten Grundstück werde für die Mehrwertsteuer eine neue Immobilie geschaffen, die sich aus dem Gebäude und dem dazugehörenden Grundstück zusammensetze. Diese neue Einheit sei das Ergebnis der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Daraus folgert die niederländische Regierung, daß die erste Frage zu bejahen, d. h., daß bei der vom vorlegenden Gericht geschilderten Sachlage anzunehmen sei, der Steuerpflichtige habe sowohl das Grundstück als auch das Gebäude für seinen privaten Bedarf entnommen. In der mündlichen Verhandlung hat die niederländische Regierung ihre Ansicht etwas geändert. Sie hat eingeräumt, daß nach der ersten Frage in deren Formulierung durch das vorlegende Gericht davon auszugehen sei, daß das Grundstück privaten Zwecken diene, sie hat aber hinzugefügt, es sei nicht klar, ob dies im Ausgangsverfahren als Tatsache feststehe (vgl. unten Nr. 16).

10. In der ersten Frage des Hoge Raad ist ausdrücklich davon die Rede, daß das Grundstück nur für private Zwecke erworben worden sei, und es wird insofern keinerlei Aufklärung erbeten. Mir scheint - und in dieser Hinsicht teile ich die Ansicht der Kommission -, daß der Umstand, daß ein Bauunternehmer als steuerpflichtige Person ein Wohnhaus für private Zwecke auf einem ihm persönlich gehörenden Grundstück errichtet, nicht dazu führt, daß das Grundstück zu einem Gegenstand des Unternehmens wird. Ohne Rücksicht darauf, ob Grundstück und Gebäude nach dem einschlägigen innerstaatlichen Sachenrecht trennbar sind, ist es meines Erachtens für die Anwendung von Artikel 5 Absatz 6 notwendig, zwischen der Besteuerung eines Grundstücks, das einem Steuerpflichtigen als Privatperson gehört, und der Besteuerung eines Gebäudes, das der Steuerpflichtige darauf im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit errichtet, zu unterscheiden. Die gegenteilige Wertung würde über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels dieser Vorschrift notwendig ist, nämlich zu verhindern, daß der private Verbrauch eines Steuerpflichtigen der Mehrwertsteuer entgeht. Hätte Herr de Jong einen Dritten damit beauftragt, auf seinem Grundstück ein Gebäude zu errichten, so wäre keine Rede davon, der Dritte habe sowohl das Grundstück als auch das Gebäude geliefert. Mehrwertsteuer wäre nur auf die für das Gebäude gezahlte Vergütung zu entrichten. Würde beim vorliegenden Sachverhalt eine Besteuerung des Grundstücks im Hinblick auf private Verwendung vorgenommen, so wäre die steuerliche Belastung höher als in dem Fall, in dem Herr de Jong als ein gewöhnlicher Verbraucher gehandelt hätte.

11. Daß der von der niederländischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen vertretene Standpunkt unhaltbar ist, kann am Beispiel eines Werkstattbesitzers veranschaulicht werden, der sein privates Fahrzeug in seinem Betrieb reparieren lässt. In einem solchen Fall wird das Fahrzeug nicht Bestandteil der zu seinem Unternehmen gehörenden Gegenstände. Man kann annehmen, daß der Werkstattbesitzer im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie sich selbst einen Dienst leistet oder daß er gemäß Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a dem Unternehmen zugeordnete Gegenstände (nämlich die Werkstatt und ihre Einrichtungen, aber nicht das Fahrzeug) für den privaten Bedarf verwendet und im Sinne von Artikel 5 Absatz 6 eine Lieferung an sich selbst vornimmt, wenn er bei der Reparatur seinem Unternehmen Ersatzteile entnimmt. Es wäre aber absurd, davon auszugehen, daß er das Fahrzeug an sich selbst liefert. Er nimmt im Rahmen seines Unternehmens lediglich Dienstleistungen an seinem privaten Eigentum vor und fügt ihm Gegenstände hinzu.

12. Im vorliegenden Fall kann man sich fragen, ob die Annahme richtig ist, der Steuerpflichtige nehme eine Lieferung von Gegenständen vor, die aus einem fertiggestellten Haus bestehen. Die Errichtung eines Wohnhauses durch einen Bauunternehmer auf dem Grundstück eines Kunden kann auch als eine Dienstleistung angesehen werden (Herstellung eines Gebäudes auf dem Grundstück des Kunden) oder als gemischter Vorgang (Arbeitsleistung, Verwendung von Geräten und Lieferung von Baustoffen). Dementsprechend wäre, wenn ein Steuerpflichtiger für seinen privaten Bedarf ein Gebäude auf einem ihm gehörenden Grundstück errichtet, eine Besteuerung nach Artikel 6 Absatz 2 sowie nach Artikel 5 Absatz 6 angezeigt. So gesehen würde sich die Frage, ob eine einzige und unteilbare Lieferung einer Immobilie vorliegt, die aus dem Grundstück und dem fertiggestellten Gebäude besteht, gar nicht stellen.

13. Dieses Problem braucht aber im vorliegenden Fall nicht gelöst zu werden. Meines Erachtens muß die erste Frage auf jeden Fall verneint, also festgestellt werden, daß bei der vom vorlegenden Gericht beschriebenen Sachlage der Steuerpflichtige nicht ein Grundstück seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf im Sinne des Artikels 5 Absatz 6 entnimmt.

Zur zweiten Frage

14. Mit der zweiten Frage soll im wesentlichen geklärt werden, ob in einem Fall, in dem ein Gegenstand, der aus einem Grundstück mit Gebäude besteht, aus einem Unternehmen für den privaten Bedarf entnommen wird, die in Artikel 5 Absatz 6 genannte Voraussetzung, daß der Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben, so zu verstehen ist, daß eine Lieferung weder in Ansehung der ganzen Immobilie noch in Ansehung des Gebäudes vorliegt, wenn das Grundstück nicht zu einem Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat.

15. Im Tenor der Entscheidung des Hoge Raad ist nicht ausdrücklich davon die Rede, daß die zweite Frage nur für den Fall einer bejahenden Beantwortung der ersten Frage gestellt werden. Es ist aber offensichtlich, daß es sich so verhält. Die zweite Frage ergibt sich logisch aus der ersten, denn sie geht ausdrücklich davon aus, daß das Grundstück dem Unternehmen für private Zwecke entnommen worden ist (genau dazu soll die erste Frage eine Klärung bringen), und sie wirft dann das besondere Problem auf, das die Wirkung der in Artikel 5 Absatz 6 enthaltenen und sich auf die Abzugsberechtigung beziehenden Voraussetzung betrifft. Daß die zweite Frage eine Bejahung der ersten Frage voraussetzt, wird ausserdem durch die Begründung des Vorlageurteils bestätigt (insbesondere durch die Punkte 4.3 bis 4.7), denn hier leitet der Hoge Raad die Darstellung der mit der zweiten und dritten Frage aufgeworfenen Probleme mit den Worten ein: "Sofern diese [die erste] Frage zu bejahen ist" (Punkt 4.3). Da die erste Frage aber nach meiner Ansicht zu verneinen ist, braucht auf die zweite Frage nicht eingegangen zu werden.

16. Ich vertrete diesen Standpunkt, auch wenn die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung offenbar einen anderen Einstieg angeregt hat. Sie hat zwar eingeräumt, daß die erste Frage zu verneinen sei, legt aber dem Gerichtshof unter Hinweis darauf, daß der Sachverhalt des Verfahrens nicht ganz klar sei, nahe, auch die zweite Frage zu beantworten und dabei von der Möglichkeit auszugehen, daß das Grundstück privat erworben, später aber dem Unternehmen zugeordnet worden sei. Meines Erachtens ist dies nicht angezeigt. Das Vorlageurteil zeigt, daß die zweite Frage nicht auf eine Ungewißheit hinsichtlich des Sachverhalts zurückgeht; sie geht vielmehr von der Annahme aus, daß ein Bauunternehmer - rechtlich gesehen - ein privates Grundstück dadurch zu einem Gegenstand des Unternehmens macht, daß er darauf für seinen privaten Bedarf ein Gebäude errichtet, eine Annahme, die ich bereits verworfen habe (vgl. oben Nrn. 10 bis 12). Im übrigen ist festzuhalten, daß mit der zweiten Frage weiterreichende Probleme bezueglich des Zwecks und der Auswirkungen der Vorschriften über die Besteuerung privaten Bedarfs aufgeworfen werden, von denen einige in einer anderen, gegenwärtig anhängigen Rechtssache, nämlich in der Rechtssache C-193/91 (Mohsche), unmittelbar von Bedeutung sind.

Zur dritten Frage

17. Mit der dritten Frage soll geklärt werden, ob bei der Annahme, das Grundstück sei insgesamt geliefert worden, Besteuerungsgrundlage im Sinne von Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Selbstkostenpreis der gesamten Immobilie ist oder nur der Teil davon, der zum Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat. Da ich der Ansicht bin, daß bei dem uns geschilderten Sachverhalt von der Lieferung eines Grundstücks nicht gesprochen werden kann, stellt sich diese Frage nicht.

Ergebnis

18. Nach meiner Auffassung sollte der Gerichtshof daher auf die erste Frage des Hoge Raad wie folgt antworten:

Artikel 5 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG ist dahin auszulegen, daß in einem Fall, in dem ein Steuerpflichtiger (ein Bauunternehmer) ein Grundstück ausschließlich für private Zwecke erwirbt und darauf im Rahmen seines Unternehmens ein Gebäude für seinen privaten Bedarf errichtet, nur das Gebäude und nicht das Grundstück im Sinne dieser Vorschrift als für den privaten Bedarf entnommen anzusehen ist.

(*) Originalsprache: Englisch.