61990C0347

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 19. März 1992. - ALDO BOZZI GEGEN CASSA NAZIONALE DI PREVIDENZA ED ASSISTENZA A FAVORE DEGLI AVVOCATI E DEI PROCURATORI LEGALI. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: PRETURA DI MILANO, SEZIONE LAVORO - ITALIEN. - AUSLEGUNG VON ARTIKEL 33 DER SECHSTEN MEHRWERTSTEUERRICHTLINIE. - RECHTSSACHE C-347/90.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-02947


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. In der vorliegenden Rechtssache möchte die Pretura Mailand eine Vorabentscheidung gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zu der Frage, ob Beiträge, die Rechtsanwälte bei ihren Mandanten erheben und die dazu dienen, bestimmte, den Angehörigen dieses Standes zugute kommende soziale Leistungen zu finanzieren, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Im Ausgangsverfahren wurde geltend gemacht, diese Beiträge seien mit der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie, der Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1), nicht vereinbar.

2. Die vorgelegte Frage hat folgenden Wortlaut:

Ist Artikel 33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 (77/388/EWG) dahin auszulegen, daß er die Unanwendbarkeit der Regelung eines Mitgliedstaats zur Folge hat, durch die ein von den Rechtsanwälten (Avvocati e Procuratori legali) an die Cassa Nazionale di Previdenza ed Assistenza a favore degli Avvocati e Procuratori legali zu zahlender zusätzlicher Beitrag eingeführt wird, dessen Bemessungsgrundlage die vom Mandanten für die erbrachten beruflichen Leistungen geschuldete Vergütung darstellt, die bereits der Mehrwertsteuer unterworfen ist, der ausserdem bei der Ausstellung einer jeden Rechnung gemeinsam mit und zusätzlich zu der zu Lasten des Mandanten anzusetzenden Mehrwertsteuer aufzuführen ist und dem schließlich eine Vorsorgefunktion nur über einen gemeinsamen Solidaritätsfonds und zugunsten der Allgemeinheit der beitragleistenden Rechtsanwälte, nicht aber unmittelbar gegenüber dem einzelnen Beitragleistenden zukommt da er bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt wird und, falls kein Rentenanspruch erworben wird, nicht zurückverlangt werden kann?

3. Diese Frage stellt sich in einem Verfahren, das Rechtsanwalt Aldo Bozzi aus Mailand gegen die Cassa Nazionale di Previdenza ed Assistenza a favore degli Avvocati e dei Procuratori legali (die "Cassa") anhängig machte und in dem es um die Rückzahlung von 2 280 390 LIT geht, die Herr Bozzi als "contributo integrativo" oder "zusätzlichen Beitrag" gemäß Artikel 11 des Gesetzes Nr. 576 vom 20. September 1980 an die Cassa gezahlt hat. Nach Ansicht von Herrn Bozzi ist die erwähnte Vorschrift nicht mit Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar, wo es heisst:

"Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchssteuern, Grunderwerbssteuern, sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen."

Es stellt sich also die Frage, ob der zusätzliche Beitrag als Umsatzsteuer im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.

4. Artikel 33 ist vor kurzem geändert worden; vgl. Richtlinie 91/680/EWG, ABl. L 376, S. 1. Die Änderung ist jedoch für die im vorliegenden Fall gestellte Frage ohne Bedeutung.

Die Cassa

5. Die Cassa ist durch das Gesetz Nr. 6 vom 8. Januar 1952 zu dem Zweck geschaffen worden, Rechtsanwälte in den Genuß bestimmter Sozialleistungen kommen zu lassen. Ihr haben sich alle Rechtsanwälte anzuschließen, die sich in Italien betätigen und deren berufliches Einkommen eine bestimmte Höhe erreicht. Das Gesetz Nr. 576 vom 20. September 1980 hat die von der Cassa zu erbringenden Leistungen, zu denen Altersruhegehälter und Invaliditätsrenten gehören, zum Gegenstand, sowie die Beiträge, die von den Mitgliedern zu entrichten sind. Die Cassa wird durch zweierlei Beiträge finanziert. Zum einen durch den "individuellen Beitrag", der sich nach dem für die Einkommensteuer maßgeblichen beruflichen Einkommen richtet. Insofern gilt bis zu einer bestimmten Höhe ein Ausgangssatz von 10 %. Auf das darüber hinausgehende berufliche Einkommen sind 3 % zu zahlen. Ein Mindestbeitrag ist von allen der Cassa angeschlossenen Rechtsanwälten zu entrichten. Zum anderen gibt es den "zusätzlichen Beitrag", der sich auf 2 % der von den Mandanten zu zahlenden Honorare beläuft. Seine Rechtmässigkeit wird von Herrn Bozzi im Ausgangsverfahren bestritten.

6. Der zusätzliche Beitrag ist in Artikel 11 des Gesetzes Nr. 576/1980 geregelt. Danach haben alle zugelassenen Rechtsanwälte, auch die der Cassa nicht angeschlossenen, sowie die ihr angeschlossenen Praktikanten einen bestimmten Prozentsatz, zur Zeit 2 %, von allen Einnahmen zu zahlen, die für die Zwecke der Mehrwertsteuer zum Jahresumsatz gehören. Dieser Betrag kann - was normalerweise auch geschieht - auf den Mandanten abgewälzt werden; zu der Zahlung bleibt aber der Cassa gegenüber der Rechtsanwalt verpflichtet, auch wenn der Mandant nichts gezahlt hat. Der zusätzliche Beitrag unterliegt nicht der Einkommensteuer oder der Mehrwertsteuer, und er wird bei der Berechnung des beruflichen Einkommens des Rechtsanwalts nicht berücksichtigt.

7. Gemäß Artikel 17 des Gesetzes Nr. 576/1980 sind alle zugelassenen Rechtsanwälte und die der Cassa angeschlossenen Praktikanten verpflichtet, der Cassa jedes Jahr den für die Mehrwertsteuer maßgeblichen Umsatz mitzuteilen. Die Cassa kann Informationen über Einkommen und Umsatz der Rechtsanwälte auch bei den für direkte Steuern und die Mehrwertsteuer zuständigen Behörden einholen. Rechtsanwälte, die aus der Cassa ausscheiden, ehe sie einen Ruhegehaltsanspruch erworben haben, können sich gemäß Artikel 21 des Gesetzes ihre individuellen Beiträge, nicht aber die zusätzlichen Beiträge erstatten lassen. Die zusätzlichen Beiträge sind anscheinend keinem bestimmten Zweck vorbehalten, sondern einfach ein Teil der der Cassa zustehenden Einkünfte.

Das Wesen der Umsatzsteuern

8. Was in Artikel 33 der Sechsten Richtlinie unter "Umsatzsteuern" zu verstehen ist, war vom Gerichtshof mehrmals zu untersuchen. Im Hinblick auf den mit der Richtlinie verfolgten Zweck wäre es möglich gewesen, diesem Begriff eine weite Auslegung zu geben und danach anzunehmen, daß alle Formen der Umsatzsteuer ausgeschlossen sind, die nicht von dem durch das Gemeinschaftsrecht harmonisierten Mehrwertsteuersystem erfasst werden. In der Rechtsprechung des Gerichtshofes, die vor kurzem von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache C-200/90 (Dansk Denkavit u. a.) im einzelnen untersucht worden ist, wurde dieser Begriff aber stets enger ausgelegt. Da im Bereich des Steuerrechts Rechtssicherheit besonders notwendig ist, wäre es nach meiner Ansicht nicht gut, wenn der Gerichtshof jetzt die in früheren Entscheidungen vorgezeichnete allgemeine Linie verließe.

9. In der Rechtssache 252/86 (Bergandi, Slg. 1988, 1343, Randnr. 13) wurde klargestellt, daß der Begriff Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 Gemeinschaftscharakter hat. In den verbundenen Rechtssachen 93/88 und 94/88 (Wisselink u. a., Slg. 1989, 2671, Randnrn. 17 und 18) hat der Gerichtshof, unter Wiederholung früherer Rechtsprechung, ausgeführt, was unter diesem Begriff im einzelnen zu verstehen ist. Dort heisst es:

"... Artikel 33 der Sechsten Richtlinie [belässt] den Mitgliedstaaten die Befugnis zur Beibehaltung oder Einführung bestimmter indirekter Abgaben ..., sofern es sich dabei nicht um Abgaben handelt, 'die ... den Charakter von Umsatzsteuern haben' . Er soll verhindern, daß das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr belasten und kommerzielle Umsätze in der die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Art und Weise erfassen.

... beruht das Gemeinsame Mehrwertsteuersystem gemäß Artikel 2 der Ersten Richtlinie auf dem Grundsatz, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen bis zur Einzelhandelsstufe einschließlich, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist. Jedoch wird bei allen Umsätzen die Mehrwertsteuer nur abzueglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat. Der Mechanismus des Vorsteuerabzugs ist durch Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie so ausgestaltet, daß die Steuerpflichtigen befugt sind, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, mit der die Gegenstände bereits vorher belastet worden sind."

10. Demnach sind nur Steuern, die in ganz ähnlicher Weise erhoben werden wie die Mehrwertsteuer, als Umsatzsteuern im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen. Dieses Kriterium wurde in der Rechtssache C-109/90 (Giant, Slg. 1991, I-1385) angewandt, in der festgestellt wurde, daß eine Steuer, die keine allgemeine Steuer ist, die nur auf einer Produktions- und Vertriebsstufe erhoben wird und die sich nicht auf den bei jedem Umsatz erzielten Mehrwert bezieht, sondern auf den Bruttobetrag der Jahreseinnahmen des Steuerpflichtigen, nicht als Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie anzusehen ist.

11. Nach der Rechtsprechung kommt es aber nicht darauf an, welchem Zweck die fragliche Abgabe dient. So hat der Umstand, daß der zusätzliche Beitrag, wie die Cassa meint, einem Sozialversicherungsbeitrag näher stehen mag als einer Steuer, nicht notwendigerweise zur Folge, daß er von Artikel 33 nicht erfasst wird. Wie Generalanwalt Mancini in der Rechtssache 295/84 (Rousseau Wilmot, Slg. 1985, 3759, 3761) zu einem ähnlichen Sachverhalt ausgeführt hat, "liegt [es] auf der Hand, daß der sozial- oder haushaltsrechtliche Zweck der streitigen Abgaben so gesehen kein sicheres und ausreichendes Kriterium dafür darstellt, ob sie unter die Vorschrift fallen oder nicht". Dieser Ansicht ist der Gerichtshof gefolgt, der unter Randnummer 16 seines Urteils feststellte, daß Artikel 33 der Sechsten Richtlinie "den Mitgliedstaaten die Beibehaltung oder Einführung von Abgaben [nicht untersagt], bei denen es sich nicht um Steuern handelt, sondern die eigens zur Finanzierung von Sozialfonds geschaffen wurden, mit denen die Tätigkeit der Unternehmen oder bestimmter Gruppen von Unternehmen belegt wird, und die auf der Grundlage des Gesamtjahresumsatzes berechnet werden, ohne die Preise der Gegenstände und Dienstleistungen unmittelbar zu berühren". Danach ist klar, daß von einer solchen Abgabe nur deshalb angenommen wurde, sie werde vom Verbot des Artikels 33 nicht erfasst, weil sie die beiden erwähnten Merkmale aufwies. Folglich kann der Zweck, dem der zusätzliche Beitrag dient, für sich allein nicht ausschlaggebend sein.

Das Wesen des zusätzlichen Beitrags

12. Nach dem Urteil in der Rechtssache Wisselink ist klar, daß es für die Frage, ob eine Abgabe wie der zusätzliche Beitrag eine Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie darstellt, darauf ankommt, ob sie auf Dienstleistungen in vergleichbarer Weise wie die Mehrwertsteuer erhoben wird und ob sie deshalb das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdet.

13. Zweifellos weisen der zusätzliche Beitrag und die Mehrwertsteuer, wie Herr Bozzi und die Kommission dartun, einige gemeinsame Zuege auf. So gilt für den Beitrag im allgemeinen dieselbe Bemessungsgrundlage wie für die Mehrwertsteuer, er richtet sich genau nach dem Preis des vom Rechtsanwalt geleisteten Dienstes, er wirkt sich unmittelbar auf den Preis der Dienstleistung aus, und er wird in der Praxis fast immer auf den Mandanten abgewälzt. Wo dies geschieht, wird er auf der Rechnung des Rechtsanwalts gesondert aufgeführt, wie es auch bei der Mehrwertsteuer der Fall ist.

14. Der zusätzliche Beitrag hat aber meines Erachtens eine Reihe von Merkmalen, die deutlich machen, daß er geschäftliche Vorgänge nicht in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise trifft. So scheint der zusätzliche Beitrag zunächst einmal, entgegen der Ansicht der Kommission, keine allgemeine Bedeutung zu haben. Gewiß, nach der Rechtsprechung ist nicht völlig klar, was "allgemein" in diesem Zusammenhang bedeutet. Es könnte damit - wie bei der Mehrwertsteuer selbst -, abgesehen von bestimmten spezifischen Ausnahmen, eine allgemeine Anwendung auf alle Waren und Dienstleistungen gemeint sein. Denkbar ist auch eine engere Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Anwendung auf alle Waren und Dienstleistungen, die zu einer besonderen Gruppe gehören. Aber auch bei dieser engeren Sicht kann von dem zusätzlichen Beitrag meines Erachtens nicht gesagt werden, er habe allgemeine Bedeutung, gilt doch das Gesetz Nr. 576/1980 ausschließlich für Rechtsanwälte. Auch wenn offenbar eine Reihe anderer freier Berufe ähnlichen Bestimmungen unterliegen, trifft dies doch nicht für alle diese Berufe zu, und es wurde nicht geltend gemacht, daß andere Personen, die gewerblich Dienstleistungen erbringen, zur Zahlung derartiger Beiträge verpflichtet sind. Zum anderen handelt es sich bei dem zusätzlichen Beitrag, anders als bei der Mehrwertsteuer, um eine Belastung, die nur auf einer Stufe erhoben wird: Sie wird nur fällig, wenn der Rechtsanwalt seinem Mandanten eine Rechnung ausstellt. Ausserdem kann der Rechtsanwalt davon keine Steuern abziehen, die er auf Lieferungen an ihn zu zahlen hatte, und sein Mandant kann sie nicht von der Steuer abziehen, die er später auf von ihm gemachte Lieferungen zu entrichten hat.

15. Meines Erachtens ist nach der Rechtsprechung klar, daß der zusätzliche Beitrag wegen dieser Merkmale nicht von dem in Artikel 33 verankerten Verbot erfasst wird.

16. Daß die Rechtsprechung zu diesem Ergebnis führt, kann durch einen Vergleich des zusätzlichen Beitrags mit der besonderen Verbrauchsteuer auf Personenkraftwagen gezeigt werden, die unter der Bezeichnung BVB bekannt ist und Gegenstand der Rechtssache Wisselink war. Im Urteil in dieser Rechtssache heisst es unter Randnummer 20:

"Wenn die BVB auch eine Verbrauchsteuer ist, deren Bemessungsgrundlage proportional zum Preis der Personenkraftwagen ist, so ist sie doch keine allgemeine Steuer, denn mit ihr werden nur zwei ganz bestimmte Gruppen von Erzeugnissen belastet, nämlich Personenkraftwagen und Kleinkrafträder. Ferner belastet sie den Verkehr mit Gegenständen und Dienstleistungen nicht und betrifft Handelsgeschäfte nicht in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise, denn sie wird nur einmal, im Zeitpunkt der Lieferung durch den Hersteller oder der Einfuhr, angewandt und sodann vollständig auf die nächste Umsatzstufe abgewälzt, ohne daß eine erneute Besteuerung erfolgte. Weiter ist die entrichtete BVB zwar nicht auf der vorangegangenen Stufe abzugsfähig, sie ist jedoch Bestandteil des Wiederverkaufspreises des Fahrzeugs; ... Ferner beeinträchtigt die BVB nicht das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, denn sie wird parallel zur Mehrwertsteuer erhoben, ohne ganz oder teilweise an deren Stelle zu treten. Schließlich ist die Besteuerungsgrundlage der BVB der Katalogpreis des Fahrzeugs ohne Mehrwertsteuer, und wenn Mehrwertsteuer geschuldet wird, wird sie nach der vom Lieferanten tatsächlich erhaltenen Gegenleistung einschließlich der BVB berechnet."

Daraus folgerte der Gerichtshof, daß eine Steuer wie die BVB nicht als Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie anzusehen ist.

17. Der zusätzliche Beitrag unterscheidet sich in zwei Punkten von der BVB, wie sie der Gerichtshof in dem zitierten Urteilsabschnitt gekennzeichnet hat. Zum einen wird er auf den Gesamtumsatz des Rechtsanwalts erhoben, während die BVB nur bestimmte Erzeugnisse belastete. Man kann den zusätzlichen Beitrag deshalb als "Umsatzsteuer" im weiten Sinne ansehen. Der Gerichtshof hat diesen in Artikel 33 der Sechsten Richtlinie verwendeten Begriff aber, wie Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Wisselink, a. a. O., Slg. 1989, 2696, ausgeführt hat, eindeutig enger definiert.

18. Zum anderen ist der zusätzliche Beitrag nicht Teil der an den Rechtsanwalt entrichteten Gegenleistung, die der Mehrwertsteuer unterliegt. Dazu hat die Kommission ausgeführt, die Nichtberücksichtigung des zusätzlichen Beitrags bei der Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage sei nicht mit Artikel 11 Buchstabe A Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie vereinbar, wonach "die Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst" in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen sind. Nach Ansicht der Kommission beeinträchtigt der zusätzliche Beitrag somit das Funktionieren des Mehrwertsteuersystems, und er sei deshalb als Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 anzusehen.

19. Die Ansicht der Kommission, die Nichtberücksichtigung des zusätzlichen Beitrags bei der Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage sei mit Artikel 11 der Sechsten Richtlinie nicht vereinbar, mag durchaus zutreffend sein. Mir scheint jedoch, daß die Beantwortung der Frage, ob eine Steuer vom Verbot des Artikels 33 erfasst wird, von den Merkmalen der Steuer selbst abhängt. Die Frage, ob der zusätzliche Beitrag bei der Besteuerungsgrundlage zu berücksichtigen ist, hat damit meines Erachtens nichts zu tun. Zwar hat der Gerichtshof in der Rechtssache Wisselink erwähnt, daß die BVB in die Besteuerungsgrundlage einbezogen war; ich glaube aber nicht, daß damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß dieses Element an sich bewirken könne, daß eine Steuer, Abgabe oder Gebühr zu einer Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 werde.

20. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist also kein maßgeblicher Unterschied zwischen dem zusätzlichen Beitrag und der BVB festzustellen, deren Rechtmässigkeit der Gerichtshof in der Rechtssache Wisselink anerkannt hat.

Schlußfolgerung

21. Auf die von der Pretura Mailand vorgelegte Frage sollte daher nach meiner Ansicht wie folgt geantwortet werden:

Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie schließt nicht aus, daß ein Mitgliedstaat Rechtsanwälte dazu verpflichtet, an eine Vorsorgekasse einen zusätzlichen Beitrag wie den "contributo integrativo" zu zahlen.

(*) Originalsprache: Englisch.