Brüssel, den 27.9.2017

COM(2017) 571 final

2017/0245(COD)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 in Bezug auf die Vorschriften über die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen


BEGRÜNDUNG

1.KONTEXT DES VORSCHLAGS

Gründe und Ziele des Vorschlags

In den letzten beiden Jahren wurde in der Europäischen Union zunehmend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Kontrollen an den Binnengrenzen vorübergehend wieder einzuführen. Ab September 2015 wurden Grenzkontrollen wieder eingeführt und seitdem fast 50-mal verlängert (gegenüber 36 Fällen wiedereingeführter Grenzkontrollen im Zeitraum 2006-2015 1 ). Grund hierfür waren die Sekundärbewegungen von irregulären Migranten und die zunehmende Gefahr durch den grenzübergreifenden Terrorismus, die in einer Reihe von Schengen-Staaten die innere Sicherheit oder die öffentliche Ordnung ernsthaft bedrohten. Diese ernsthafte Bedrohung veranlasste einige Mitgliedstaaten dazu, wiedereingeführte Grenzkontrollen mehrmals zu verlängern, sodass der derzeitige rechtlich zulässige Zeitrahmen bisweilen ausgeschöpft wurde.

Bereits im Mai 2017 stellte die Kommission fest, dass in den vergangenen Jahren, wie wiederholte terroristische Anschläge erkennen lassen, neue sicherheitspolitische Herausforderungen entstanden sind. Deshalb begann die Kommission zu prüfen, ob der derzeitige rechtliche Rahmen, der für die Bewältigung der bisherigen Herausforderungen genügte, zur Bewältigung der sich wandelnden Herausforderungen im Bereich der Sicherheit ausreicht.

Auf der Grundlage der geltenden Schengen-Bestimmungen sind Kontrollen an den Binnengrenzen für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten zulässig, wenn im Zuge einer Schengen-Evaluierung schwerwiegende Mängel beim Außengrenzenmanagement eines Mitgliedstaats festgestellt wurden, die das Funktionieren des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen insgesamt gefährden, oder wenn ein Mitgliedstaat einem Beschluss des Rates nicht nachkommt, in dem Maßnahmen zur Minderung der das Funktionieren des Schengen-Raums gefährdenden Risiken bei der Kontrolle der Außengrenzen festgelegt wurden (Verfahren nach Artikel 29 des Schengener Grenzkodex, geändert durch die Verordnung (EU) 2016/1624 vom 14. September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache) 2 . In solchen Fällen kann der Rat auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission empfehlen, dass ein oder mehrere Mitgliedstaaten beschließen sollten, Grenzkontrollen an allen oder bestimmten Abschnitten ihrer Binnengrenzen für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten, der dreimal verlängert werden kann, wiedereinzuführen. 3  

Hängt die im Zuge einer Schengen-Evaluierung festgestellte ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit nicht mit Mängeln beim Management der Außengrenzen zusammen, gelten für die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen die Bedingungen und Fristen nach den Artikeln 25 bis 28 des Schengener Grenzkodex. Danach können Grenzkontrollen an den Binnengrenzen bis zu sechs Monate lang beibehalten werden – bei vorhersehbaren Ereignissen wie internationalen Sportveranstaltungen oder politischen Ereignissen (Artikel 25) – oder bis zu zwei Monate in Fällen, die ein sofortiges Handeln erfordern (Artikel 28). Der Auslegung der Kommission zufolge lassen sich die Zeiträume der nach den Artikeln 28 und 25 wiedereingeführten Grenzkontrollen kumulieren. Dies bedeutet, dass im Hinblick auf unterschiedlich begründete Entscheidungen zur Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen jede Mitteilung einzeln und für sich geprüft wird, wobei die jeweiligen Fristen gelten.

Im Großen und Ganzen machen die Mitgliedstaaten von dieser Maßnahme auf verantwortungsvolle Weise Gebrauch. 4 Simuliert man die Kosten einer Abkehr von Schengen, so wird klar, dass dies für die Wirtschaft stets eine kostspielige Option ist. 5  

Die letzten beiden Jahre haben jedoch gezeigt, dass die Vorschriften und das Verfahren für die Verlängerung der vorübergehenden Kontrollen an den Binnengrenzen nicht hinreichend flexibel sind, um die zunehmenden Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit zu bewältigen. Die derzeitigen Vorschriften fördern zudem nicht die Anwendung alternativer Maßnahmen zur Abmilderung ernsthafter Bedrohungen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass ein Mitgliedstaat, der die Wiedereinführung oder Verlängerung von Grenzkontrollen beabsichtigt, mit den benachbarten Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Des Weiteren muss im Rechtsrahmen deutlicher die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Ausdruck kommen, bereits weit vor der Entscheidung über die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen zu prüfen, ob und wie mit den verfügbaren alternativen Maßnahmen die festgestellte Bedrohung beseitigt werden kann. Dies entspricht der Empfehlung der Kommission vom 12. Mai 2017 über angemessene polizeiliche Kontrollen und grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Schengen-Raum, in der den Mitgliedstaaten u. a. nahegelegt wird, im Falle einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit angemessenen Polizeikontrollen den Vorzug vor der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu geben.

Angesichts dieser Erwägungen ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass die Vorschriften über die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen aktualisiert werden müssen.

Dementsprechend zielt der Vorschlag auf Folgendes ab:

Der Vorschlag soll gewährleisten, dass die Fristen für vorübergehende Kontrollen an den Binnengrenzen die Mitgliedstaaten in die Lage versetzen, erforderlichenfalls die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit zu begegnen.

Es sollen bessere Verfahrensgarantien eingeführt werden, um sicherzustellen, dass die Entscheidung über die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen oder deren Verlängerung auf einer ordnungsgemäßen Risikobewertung beruht und in Zusammenarbeit mit den anderen betroffenen Mitgliedstaaten getroffen wird.

Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, dass

die Frist für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen für die vorhersehbare Dauer einer ernsthaften Bedrohung auf höchstens ein Jahr (anstelle von sechs Monaten) und die zeitliche Begrenzung der Verlängerungszeiträume von höchstens 30 Tagen auf bis zu 6 Monate erhöht wird.

Die Mitgliedstaaten erstellen und übermitteln eine Risikobewertung, aus der hervorgeht, wie lange die festgestellte Bedrohung voraussichtlich anhalten wird, welche Abschnitte der Binnengrenzen betroffen sind und dass die Verlängerung der Kontrollen an den Binnengrenzen ein letztes Mittel ist. Werden Grenzkontrollen für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten verlängert, hat der Mitgliedstaat außerdem nachträglich zu erläutern, wie die Grenzkontrollen zur Bewältigung der festgestellten Bedrohung beigetragen haben. Damit die Qualität der Risikobewertung garantiert ist, wird die Kommission die zuständigen Agenturen (Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache und Europol) mit einbeziehen.

Es wird eine bessere Weiterverfolgung von Stellungnahmen der Kommission geben, in denen Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit oder Verhältnismäßigkeit von Grenzkontrollen geäußert werden, und es wird ein Verfahren der Konsultation zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und – wie nun vorgeschlagen – den zuständigen Agenturen eingeführt. Der Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit den benachbarten Mitgliedstaaten, die von den geplanten Grenzkontrollen betroffen sind, wird im geänderten Konsultationsverfahren besser Rechnung getragen.

Es wird eine neue Möglichkeit eingeführt, Kontrollen an den Binnengrenzen um einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren zu verlängern, wenn die ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit länger als ein Jahr anhält, sofern dieselben Gründe vorliegen (z. B. Bedrohung durch ein grenzübergreifend tätiges terroristisches Netz) und im betreffenden Hoheitsgebiet angemessene nationale Sondermaßnahmen ergriffen werden, um der Bedrohung zu begegnen (z. B. Verhängung des Ausnahmezustands).

Im Zusammenhang mit diesen Änderungen wird zudem der Wortlaut für die Festlegung der nach Artikel 29 des Schengener Grenzkodex geltenden Frist klarer gefasst.

Der Vorschlag lässt die im Schengener Grenzkodex aufgeführten Gründe für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unberührt.

Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich

Mit dem Vorschlag werden die allgemeine Fristen für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen nach Artikel 25, d. h. im Falle vorhersehbarer Ereignisse/Bedrohungen, geändert, wobei der derzeitige Grundsatz der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen und die dafür geltenden Garantien gewahrt bleiben. Der Kommission kommt dabei die Befugnis (und im Fall einer Überschreitung von sechs Monaten die Pflicht) zu, zur Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der geplanten Kontrollen Stellung zu nehmen. Zudem kommt das „Konsultationsverfahren“ nach Artikel 27 Absatz 5 des Schengener Grenzkodex zum Tragen, das nun durch die Beteiligung der zuständigen Agenturen aufgewertet wird, die über das erforderliche Fachwissen zur Beurteilung der von dem betreffenden Mitgliedstaat in der Mitteilung und der Risikobewertung gemachten Angaben verfügen. Die Kriterien für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen nach Artikel 26 des Schengener Grenzkodex gelten weiter.

Der Vorschlag stärkt den Grundsatz, dass die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen ein letztes Mittel sein muss. Den Mitgliedstaaten steht es weiterhin frei, nach Artikel 23 des Schengener Grenzkodex Polizeikontrollen innerhalb ihres Hoheitsgebiets durchzuführen, u. a in Grenzgebieten, was in einigen Fällen eine wirksame Alternative zu der vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen sein kann. Durch die obligatorische Vorlage einer Risikobewertung, aus der hervorgeht, dass die geplante Wiedereinführung oder Verlängerung von Grenzkontrollen ein letztes Mittel ist, sollen die Mitgliedstaaten dazu angehalten werden, auf alternative Maßnahmen wie verstärkte polizeiliche Maßnahmen zurückzugreifen. In dieser Hinsicht unterstützt der Vorschlag auch die Umsetzung der Empfehlung der Kommission zu verhältnismäßigen Polizeikontrollen und zur polizeilichen Zusammenarbeit im Schengen-Raum 6 , in der die Kommission die Mitgliedstaaten dazu ermutigt hat, Polizeikontrollen gegenüber der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen den Vorzug zu geben.

Die vorgeschlagenen Änderungen stehen im Einklang mit Artikel 72 AEUV, da sie nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit berühren.

Artikel 29 des Schengener Grenzkodex wird weiterhin die einzige Möglichkeit bieten, die Grenzkontrollen an den Binnengrenzen zu verlängern, wenn durch eine Schengen-Evaluierung schwerwiegende Mängel im Bereich des Außengrenzenmanagements durch einen Mitgliedstaat nachgewiesen werden. Diese Möglichkeit wurde vor kurzem durch einschlägige Bestimmungen der Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache bestätigt: Danach kann die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen gerechtfertigt sein, wenn ein Mitgliedstaat keine angemessenen Folgemaßnahmen auf eine negative Gefährdungsbeurteilung hin ergreift oder bei der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache keine ausreichende Unterstützung anfordert, um auf einen besonderen und unverhältnismäßigen Druck an seinen Außengrenzen zu reagieren, der das Funktionieren des Schengen-Raums gefährdet (Artikel 19 Absatz 10 der Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache).

Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen

Nach Artikel 26 des Schengener Grenzkodex, der weiterhin gilt, sollte jede Entscheidung über die vorübergehende Wiedereinführung oder Verlängerung von Kontrollen an den Binnengrenzen insbesondere die voraussichtlichen Auswirkungen dieser Maßnahme auf den freien Personenverkehr innerhalb des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2004/38/EG 7 an Grenzen, an denen im Einklang mit dem Schengener Grenzkodex Kontrollen erfolgen, keinen Anspruch auf Überschreiten der Grenzen ohne Sicherheitskontrollen begründet. Daher hat die Aktualisierung der Höchstdauer von Kontrollen an den Binnengrenzen an sich keine negativen Auswirkungen auf die Freizügigkeit; nur ein Missbrauch dieser Möglichkeit könnte die Freizügigkeit beeinträchtigen.

Um dieses Risiko zu begrenzen, wird vorgeschlagen, dass die Kommission nicht nur wie bisher jederzeit Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit oder Verhältnismäßigkeit der Wiedereinführung oder Verlängerung von Grenzkontrollen äußern kann, sondern nunmehr eine Stellungnahme abgeben muss, wenn Grenzkontrollen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten durchgeführt werden. Das Konsultationsverfahren enthält eine weitere Schutzgarantie, da nun auch die zuständigen Agenturen mit einzubeziehen sind. Dem vorgeschlagenen Wortlaut für das von der Kommission zu leitende Konsultationsverfahren zufolge sollen die Standpunkte der Mitgliedstaaten, die von diesen Kontrollen betroffen sind, gebührend berücksichtigt werden.

Der Vorschlag trägt zur Verbesserung der Sicherheit im Schengen-Raum bei, indem er die Mitgliedstaaten rechtlich in die Lage versetzt, als Reaktion auf eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit erforderlichenfalls Kontrollen an den Binnengrenzen zu verlängern.

Die Aktualisierung des Schengen-Rechtsrahmens im Lichte der Erfahrungen mit neuen Herausforderungen soll dazu beitragen, dass er weiterhin eine geeignete angemessene Grundlage für die Reaktion auf anhaltende ernsthafte Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit bietet, indem erforderlichenfalls zusätzliche Zeit für die Bewältigung dieser Bedrohungen gewährt wird. Dies steht voll und ganz im Einklang mit der von der Kommission ausgearbeiteten Europäischen Migrationsagenda und der Europäischen Sicherheitsagenda.

2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT

Rechtsgrundlage

Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe e AEUV.

Mit dem Vorschlag wird die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) geändert.

Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

Maßnahmen auf dem Gebiet der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts fallen gemäß Artikel 4 Absatz 2 AEUV in die geteilte Zuständigkeit der EU und der Mitgliedstaaten. Daher ist das in Artikel 5 Absatz 3 EUV festgelegte Subsidiaritätsprinzip anwendbar, demzufolge die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.

Durch den Vorschlag werden die bestehenden Bestimmungen des Kapitels III des Schengener Grenzkodex zur vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen in beschränktem Umfang geändert, um auf die jüngsten Erfahrungen der letzten Jahre zu reagieren, in denen eine Reihe von Mitgliedstaaten wieder Kontrollen an den Binnengrenzen eingeführt und mehrmals verlängert hat.

Zudem werden die Pflichten der Mitgliedstaaten gegenüber benachbarten Mitgliedstaaten gestärkt, die von der geplanten Wiedereinführung oder Verlängerung von Grenzkontrollen betroffen sind, da sich die Effizienz der derzeitigen Bestimmungen in dieser Hinsicht als begrenzt erwiesen hat.

Das Ziel, Umfang, Dauer und Verfahren für eine außerordentliche Verlängerung der vorübergehenden Kontrollen an bestimmten Abschnitten der Binnengrenzen festzulegen und dabei die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten in Bezug auf die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit sowie die Notwendigkeit zu berücksichtigen, Kontrollen an den Binnengrenzen auf das unbedingt notwendige Maß zu begrenzen, damit der Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen bewahrt wird, kann nicht in ausreichendem Maße durch die Mitgliedstaaten allein erreicht werden, sondern lässt sich besser auf Ebene der Union verwirklichen. Folglich kann die Union die vorgeschlagenen Maßnahmen im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip erlassen.

Verhältnismäßigkeit

Die vorgeschlagenen Änderungen der Bestimmungen über die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen sind im Hinblick auf das Ziel, die öffentliche Ordnung zu schützen und die innere Sicherheit in einem Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen zu gewährleisten, verhältnismäßig.

Der Vorschlag trägt voll und ganz dem Umstand Rechnung, dass die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen und deren anschließende Verlängerung nach den Schengen-Vorschriften eine Ausnahme bleiben müssen, für die bestimmte gemeinsame Vorschriften für die Länder des Schengen-Raums gelten.

Der Vorschlag ist eine Reaktion auf die festgestellten Mängel in den bestehenden Vorschriften in Bezug auf die anhaltenden Bedrohungen der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit, die in einigen Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren zu verzeichnen waren (z. B. grenzübergreifende terroristische Bedrohung und Sekundärbewegungen irregulärer Migranten, welche die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen rechtfertigten). Auf der Grundlage dieser Erfahrung dürfte sich selbst die von der Kommission gebilligte Praxis, die jeweils geltenden Höchstfristen für Kontrollen an den Binnengrenzen nach Artikel 28 (Ereignisse, die ein sofortiges Handeln erfordern) und Artikel 25 (vorhersehbare Ereignisse) zu kombinieren, als unzureichend erweisen, um bestimmten langfristigen Bedrohungen zu begegnen.

Deshalb sieht der Vorschlag Folgendes vor:

1) Die allgemeinen Frist bei vorhersehbaren Ereignissen soll auf höchstens ein Jahr ausgeweitet werden.

Diese maximale Frist soll gelten, wenn Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit nicht innerhalb weniger Monate beseitigt werden können. Diese Möglichkeit sollte sich nicht auf die durchschnittliche Dauer von Grenzkontrollen auswirken, die zumeist unter Berufung auf Sportveranstaltungen oder hochrangige politische Ereignisse wiedereingeführt werden. Im Rahmen der durch den Schengener Grenzkodex vorgegebenen Fristen liegt die Entscheidung über die tatsächliche Dauer der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen nach Artikel 25 oder 28 des Schengener Grenzkodex bei den Mitgliedstaaten. Da jedoch Umfang und Dauer der vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen nicht über das Maß hinausgehen sollten, das unbedingt erforderlich ist, um gegen die ernsthafte Bedrohung vorzugehen, kann die Kommission die tatsächliche Dauer dieser Kontrollen überwachen und eine Stellungnahme dazu abgeben. Hat sie Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit oder Verhältnismäßigkeit der wiedereingeführten Grenzkontrollen oder werden Kontrollen an den Binnengrenzen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten durchgeführt, muss sie eine Stellungnahme abgeben.

Darüber hinaus wird die Kommission als Hüterin der Verträge im Rahmen ihrer allgemeinen Befugnisse gegen etwaige missbräuchliche Überschreitungen der neuen Fristen vorgehen.

Außerdem wird jegliche Wiedereinführung oder Verlängerung von Grenzkontrollen einer Risikobewertung unterzogen, in deren Rahmen die voraussichtliche Dauer der Bedrohung und die betroffenen Grenzabschnitte sowie die verfügbaren Maßnahmen untersucht werden sollen und zu erläutern ist, warum die gewählte Maßnahme als am geeignetsten zur Bewältigung der festgestellten Bedrohung angesehen wird. Nach sechs Monaten effektiver Grenzkontrollen sollte in der Risikobewertung auch analysiert werden, wie die vorangegangene(n) Verlängerung(en) zur Behebung der festgestellten Bedrohung beigetragen hat bzw. haben.

2) Der Vorschlag sieht auch die Möglichkeit vor, Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen zu verlängern, wenn dieselben Bedrohungen über ein Jahr hinaus anhalten, sofern die ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit, die zur Rechtfertigung der Verlängerung der Grenzkontrollen dient, konkret genug ist und ihr durch angemessene nationale Sondermaßnahmen – insbesondere Verhängung des Ausnahmezustands – begegnet wird. Um den Ausnahmecharakter einer solchen weiteren Verlängerung sicherzustellen, wird eine etwaige Überschreitung der allgemeinen Fristen des Schengener Grenzkodex einer Stellungnahme der Kommission sowie einer anschließenden Empfehlung des Rates bedürfen, in der gegebenenfalls die Bedingungen für die Zusammenarbeit zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten festgelegt werden und ohne die eine Verlängerung nicht zulässig ist. Die Empfehlung kann sich auf einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten erstrecken und nach dem gleichen Verfahren höchstens dreimal um jeweils bis zu sechs Monate verlängert werden.

Wahl des Instruments

Der Vorschlag betrifft die Änderung einer Verordnung. Da der Vorschlag die bestehenden Bestimmungen des Titels III Kapitel II dieser Verordnung über die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen ergänzt, kommt als Änderungsrechtsakt nur eine Verordnung in Frage.

3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG

Folgenabschätzung

Die vorgeschlagene Änderung ermöglicht eine gewisse kontrollierte Flexibilität im Rahmen der bestehenden Vorschriften, ohne an der Logik der außerordentlichen Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen zu rütteln. Dies rechtfertigt eine vereinfachte Analyse der verfügbaren Optionen. Daher besteht keine Notwendigkeit für eine umfassende Folgenabschätzung.

Grundrechte

Die vorgeschlagene Änderung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind, insbesondere mit der Freizügigkeit und der Aufenthaltsfreiheit (Artikel 45). Die Schutzbestimmungen in Artikel 3a, Artikel 4 und Artikel 7 des Schengener Grenzkodex finden weiterhin Anwendung.

4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

Die vorgeschlagene Änderung hat keine Auswirkungen auf den Haushalt der Europäischen Union.

5.WEITERE ANGABEN

Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags

Artikel 25 wird wie folgt geändert:

·Die maximale Frist für die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen bei vorhersehbaren Ereignissen, die eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit nach Absatz 4 Satz 1 dieser Bestimmung darstellen, wird von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. Dementsprechend werden auch die Absätze 1 und 3 geändert und sehen die Ausweitung etwaiger verlängerbarer Zeiträume von 30 Tagen auf sechs Monate vor, sodass die Länge der verlängerbaren Zeiträume nach dieser Bestimmung in einem angemesseneren Verhältnis zu der maximalen Gesamtdauer von Grenzkontrollen steht.

·Mit dieser Änderung soll der anhaltenden ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit (z. B. grenzübergreifenden terroristischen Bedrohungen oder Sekundärbewegungen von irregulären Migranten, die eine vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen rechtfertigen), die aufgrund der Erfahrung der letzten Jahre möglicherweise nur über einen längeren Zeitraum zu bewältigen ist, Rechnung getragen werden.

·Absatz 2 wird geändert, um den Verweis auf den neuen Artikel 27a aufzunehmen.

·In Absatz 4 wird die Möglichkeit aufgenommen, Kontrollen an den Binnengrenzen in Ausnahmefällen über die maximale Frist hinaus zu verlängern. Dementsprechend können die Grenzkontrollen in Fällen, in denen eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit über ein Jahr hinaus anhält, vorbehaltlich der Bedingungen und des Verfahrens im neuen Artikel 27a unter außergewöhnlichen Umständen um verlängerbare Zeiträume von bis zu sechs Monaten und für eine maximale Dauer von zwei Jahren verlängert werden.

·Zweck dieser Änderung ist es, die Vorschriften so zu fassen, dass damit den neuen Herausforderungen besser begegnet werden kann.

Artikel 27 wird wie folgt geändert:

·In Absatz 1, in dem die Elemente der geplanten Wiedereinführung von Grenzkontrollen definiert sind (die auf der Grundlage des Artikel 25 Absatz 3 auch für Verlängerungen gelten), wird ein neuer Buchstabe aa eingefügt, der eine neue Verpflichtung für die Mitgliedstaaten enthält, Risikobewertungen zu erstellen und auszutauschen. In diesen Risikobewertungen ist auf die voraussichtliche Dauer der Bedrohung und die betroffenen Grenzabschnitte einzugehen und nachzuweisen, dass die Grenzkontrollen ein letztes Mittel sind. Zudem sollen die Risikobewertungen ausführlich auf die Abstimmung mit den benachbarten Mitgliedstaaten eingehen, die von den vorübergehenden Kontrollen an den Binnengrenzen betroffen sind. Um die Qualität dieser Daten sicherzustellen, ist die Kommission verpflichtet, je nach Art der Bedrohung, welche die Grundlage für die geplante Wiedereinführung oder Verlängerung von Grenzkontrollen darstellt, die zuständige Agentur (die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache oder Europol) mit einzubeziehen.    

Mit der Aufnahme dieses neuen Elements soll unterstrichen werden, dass Grenzkontrollen ein letztes Mittel zur Bewältigung einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit sind, auf das nur dann zurückgegriffen werden sollte, wenn davon auszugehen ist, dass andere Maßnahmen nicht ausreichen, um das gleiche Ergebnis zu erzielen.
   

Hinzu kommt, dass Mitgliedstaaten, die bei Grenzkontrollen die Frist von sechs Monaten überschreiten, im Nachhinein nachweisen müssen, dass die wiedereingeführten Grenzkontrollen zur Bewältigung der festgestellten Bedrohung beigetragen haben.
   
Die geänderte Bestimmung unterstreicht zudem die Notwendigkeit der Abstimmung mit benachbarten Mitgliedstaaten, die von den geplanten Grenzkontrollen betroffen sind.
   

In diesem Zusammenhang wird unter Buchstabe e klargestellt, dass die Abstimmung mit den betroffenen benachbarten Mitgliedstaaten stattfinden sollte, bevor die Entscheidung über die Wiedereinführung oder Verlängerung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen getroffen wird.
   

Außerdem wird der letzte Satz dieses Absatzes geändert, um hervorzuheben, dass der Zusammenarbeit mit den benachbarten Mitgliedstaaten die besondere Aufmerksamkeit der Kommission zuteil wird, die Näheres dazu erfragen kann.

·In Anbetracht des besonderen Verfahrens für die Verlängerung von Grenzkontrollen über ein Jahr hinaus werden die Umstände, unter denen die Kommission nach Absatz 4 eine Stellungnahme abgeben muss, entsprechend geändert. Im Sinne dieser Änderung besteht für die Kommission oder einen Mitgliedstaat die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben. Hat die Kommission jedoch Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit oder Verhältnismäßigkeit der geplanten Grenzkontrollen oder werden Kontrollen an den Binnengrenzen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten durchgeführt, ist die Kommission zur Abgabe einer Stellungnahme verpflichtet. Diese Pflicht erhält durch eine neue Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erstellung einer Risikobewertung und durch die Einbeziehung der Agenturen in ihre Prüfung stärkeres Gewicht.

·Absatz 5, der die Einzelheiten des Konsultationsverfahrens zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten regelt, wird ebenfalls aktualisiert, um der Beteiligung der Agenturen Rechnung zu tragen. Die Agenturen sollten sich entsprechend in diesen Prozess einbringen. In den übrigen Änderungen spiegeln sich Änderungen in den vorhergehenden Absätzen wider, die die Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der geplanten Grenzkontrollen stärker hervorheben. Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll sichergestellt werden, dass die vorübergehende Wiedereinführung oder Verlängerung von Kontrollen an den Binnengrenzen in der Praxis mit Maßnahmen zur Abstimmung zwischen den von diesen Kontrollen betroffenen Mitgliedstaaten einhergeht.

Wie bereits oben erwähnt, wird ein neuer Artikel 27a eingefügt, in dem die Bedingungen und Verfahren festgelegt werden, die bei einer über ein Jahr hinausgehenden ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit zu beachten sind.

·In Absatz 1 wird dargelegt, dass Grenzkontrollen unter außergewöhnlichen Umständen über ein Jahr hinaus verlängert werden können, wenn es sich um eine hinreichend konkrete ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit handelt, die mehr als ein Jahr anhält. Diese Bestimmung ist in Verbindung mit Erwägungsgrund 8 zu sehen, in dem näher ausgeführt wird, wie nachgewiesen werden kann, dass es sich um eine konkrete Bedrohung handelt. Somit können Grenzkontrollen – auch unter Berücksichtigung der Kriterien für die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen nach Artikel 26 – unter außergewöhnlichen Umständen um ein Jahr verlängert werden, um die Sondermaßnahmen zu unterstützen, die auf nationaler Ebene zur Bewältigung der anhaltenden ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit ergriffen wurden (z. B. Verhängung des Ausnahmezustands).

·Absatz 2 verweist auf die Verfahrensvorschriften des Artikels 27, die weiterhin gelten sollen (Anforderungen an den Inhalt einer Mitteilung, Vorschriften für den Austausch von Informationen mit dem Europäischen Parlament und dem Rat, das Recht, bestimmte Informationen als Verschlusssache einzustufen).

·In den Absätzen 3 und 4 ist das Verfahren geregelt. Danach kann der Rat unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Kommission eine außerordentliche Verlängerung der Grenzkontrollen empfehlen (diese Stellungnahme ist gemäß der oben beschriebenen Änderung des Artikels 27 Absatz 4 und nach Maßgabe von Artikel 27a Absatz 3 obligatorisch).

·Die Verlängerung kann nach demselben Verfahren dreimal für einen Zeitraum von jeweils bis zu sechs Monaten empfohlen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Notwendigkeit einer über ein Jahr hinausgehenden weiteren Verlängerung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen voraussichtlich Gründen geschuldet ist, die nationale Exekutiv- und Vollstreckungsbefugnisse berühren, und durch angemessene nationale Sondermaßnahmen bestätigt werden sollte, wird vorgeschlagen, dass die Empfehlung des Rates nicht von einem Vorschlag der Kommission abhängen sollte, der unter diesen Umständen womöglich nur auf sehr begrenzte Informationen gestützt wäre. Nichtsdestotrotz sollte die Stellungnahme der Kommission vom Rat gebührend berücksichtigt werden.    

In Übereinstimmung mit den früheren Bestimmungen über eine stärkere Einbindung der benachbarten Mitgliedstaaten wird außerdem vorgeschlagen, dass der Rat in seiner Empfehlung gegebenenfalls die Bedingungen für eine Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten festlegt.

Artikel 2 der Verordnung enthält Standardbestimmungen zum Inkrafttreten und zum Anwendungsbereich.

2017/0245 (COD)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 in Bezug auf die Vorschriften über die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe e,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)In einem Raum, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, sollte die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen eine Ausnahme bleiben. Sie sollte nur als letztes Mittel eingesetzt werden, für einen begrenzten Zeitraum und soweit dies erforderlich und verhältnismäßig ist, um einer festgestellten ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit zu begegnen.

(2)Einer festgestellten ernsthaften Bedrohung kann je nach Art und Ausmaß mit verschiedenen Maßnahmen begegnet werden. Die Mitgliedstaaten verfügen auch über polizeiliche Befugnisse nach Artikel 23 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) 8 , die unter bestimmten Bedingungen in den Grenzgebieten ausgeübt werden können. Die Empfehlung der Kommission zu verhältnismäßigen Polizeikontrollen und zur polizeilichen Zusammenarbeit im Schengen-Raum 9 enthält entsprechende Leitlinien für die Mitgliedstaaten.

(3)Im Einklang mit den Bestimmungen von Titel III Kapitel II des Schengener Grenzkodex können im Falle einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit als letztes Mittel Kontrollen an den Binnengrenzen für einen begrenzten Zeitraum von bis zu sechs Monaten bei vorhersehbaren Ereignissen (Artikel 25) und für einen begrenzten Zeitraum von bis zu zwei Monaten in Fällen, die sofortiges Handeln erfordern (Artikel 28), vorübergehend wiedereingeführt werden. Diese Fristen haben sich als hinreichend erwiesen, um ernsthaften Bedrohungen im Zusammenhang mit den häufigsten vorhersehbaren Ereignissen wie internationalen Sportveranstaltungen oder hochrangigen politischen Ereignissen zu begegnen.

(4)Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass bestimmte ernsthafte Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit wie grenzübergreifende terroristische Bedrohungen oder bestimmte Fälle von Sekundärbewegungen irregulärer Migranten innerhalb der Union, welche die Wiedereinführung von Grenzkontrollen rechtfertigten, weit über die genannten Zeiträume hinaus anhalten können. Daher ist es notwendig und gerechtfertigt, die Fristen für die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an die derzeitigen Bedürfnisse anzupassen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass diese Maßnahme nicht missbräuchlich verwendet wird und eine Ausnahme bleibt, die nur als letztes Mittel eingesetzt wird. Zu diesem Zweck sollte die allgemeine Frist nach Artikel 25 des Schengener Grenzkodex auf ein Jahr verlängert werden.

(5)Um zu gewährleisten, dass diese Kontrollen an den Binnengrenzen eine Ausnahme bleiben, sollten die Mitgliedstaaten eine Risikobewertung hinsichtlich der geplanten Wiedereinführung von Grenzkontrollen oder deren Verlängerung vorlegen. Aus der Risikobewertung sollte insbesondere hervorgehen, wie lange die festgestellte Bedrohung voraussichtlich anhält und welche Abschnitte der Binnengrenzen betroffen sind, dass die Verlängerung der Grenzkontrollen ein letztes Mittel ist und wie die Grenzkontrollen zur Bewältigung der festgestellten Bedrohung beitragen würden. Dauern die Kontrollen an den Binnengrenzen mehr als sechs Monate an, ist in der Risikobewertung im Nachhinein nicht nur die Effizienz der wiedereingeführten Grenzkontrollen bei der Bewältigung der festgestellten Bedrohung nachzuweisen, sondern auch ausführlich darzulegen, wie die von der Verlängerung betroffenen benachbarten Mitgliedstaaten konsultiert und in die Entscheidung über die mit dem geringsten Aufwand verbundenen praktischen Vorkehrungen einbezogen wurden.

(6)Die Qualität der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Risikobewertung ist entscheidend für die Beurteilung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der geplanten Wiedereinführung oder Verlängerung von Grenzkontrollen. Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache und Europol sollten an dieser Beurteilung mitwirken.

(7)Die Befugnis der Kommission zur Abgabe einer Stellungnahme nach Artikel 27 Absatz 4 des Schengener Grenzkodex sollte geändert werden, um die neuen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Risikobewertung sowie der Zusammenarbeit mit den betroffenen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Werden Kontrollen an den Binnengrenzen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten durchgeführt, sollte die Kommission verpflichtet sein, eine Stellungnahme abzugeben. Zudem sollte das Konsultationsverfahren nach Artikel 27 Absatz 5 des Schengener Grenzkodex dahingehend geändert werden, dass darin die Rolle der Agenturen (Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache und Europol) zum Ausdruck kommt, wobei der Schwerpunkt auf der praktischen Umsetzung der verschiedenen Aspekte der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten liegen sollte, beispielsweise auf der Abstimmung etwaiger verschiedener Maßnahmen auf beiden Seiten der Grenze.

(8)Um die geänderten Vorschriften besser den Herausforderungen anzupassen, die sich im Zusammenhang mit einer anhaltenden ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit stellen, sollte die Möglichkeit vorgesehen werden, Kontrollen an den Binnengrenzen über ein Jahr hinaus zu verlängern. Diese Verlängerung sollte mit angemessenen nationalen Sondermaßnahmen zur Bewältigung der Bedrohung im betreffenden Hoheitsgebiet einhergehen, etwa mit der Verhängung des Ausnahmezustands. In jedem Fall sollte diese Möglichkeit nicht dazu führen, dass die vorübergehenden Kontrollen an den Binnengrenzen über einen Zeitraum von zwei Jahren hinaus verlängert werden.

(9)Der Verweis auf Artikel 29 in Artikel 25 Absatz 4 sollte geändert werden, um die Beziehung zwischen den Fristen nach Artikel 29 und Artikel 25 des Schengener Grenzkodex klarzustellen.

(10)Die Möglichkeit, als Reaktion auf eine konkrete Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit, die über ein Jahr hinaus anhält, vorübergehende Kontrollen an den Binnengrenzen durchzuführen, sollte Gegenstand eines besonderen Verfahrens sein.

(11)Zu diesem Zweck sollte die Kommission eine Stellungnahme zur Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer entsprechenden Verlängerung und gegebenenfalls zur Zusammenarbeit mit den benachbarten Mitgliedstaaten abgeben.

(12)In Anbetracht der Natur solcher Maßnahmen, die nationale Exekutiv- und Vollstreckungsbefugnisse in Bezug auf ernsthafte Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit berühren, sollten die Durchführungsbefugnisse zur Annahme von Empfehlungen nach diesem besonderen Verfahren ausnahmsweise dem Rat übertragen werden.

(13)Der Rat kann unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Kommission eine außerordentliche weitere Verlängerung empfehlen und gegebenenfalls die Bedingungen für die Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten festlegen, um zu gewährleisten, dass es sich um eine Sondermaßnahme handelt, die nur so lange wie nötig und gerechtfertigt in Kraft ist und mit den Maßnahmen vereinbar ist, die ebenfalls auf nationaler Ebene im betreffenden Hoheitsgebiet zur Beseitigung derselben konkreten Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit ergriffen wurden. Die Empfehlung des Rates sollte Vorbedingung für jede weitere über ein Jahr hinausgehende Verlängerung und von der gleichen Art wie die Empfehlung nach Artikel 29 sein.

(14)Da mit dieser Verordnung das Ziel verfolgt wird, in Ausnahmefällen die Verlängerung von wiedereingeführten Grenzkontrollen an bestimmten Abschnitten der Binnengrenzen über einen Zeitraum zu gestatten, der für einen Mitgliedstaat notwendig ist, um angemessen auf eine anhaltende Bedrohung grenzübergreifender Art zu reagieren, und die derzeit geltenden Vorschriften über die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen zu ergänzen, kann dieses Ziel nicht von den Mitgliedstaaten allein erreicht werden; vielmehr ist eine Änderung der gemeinsamen Vorschriften auf EU-Ebene erforderlich. Die Union kann daher im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(15)Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet. Da diese Verordnung den Schengen-Besitzstand ergänzt, beschließt Dänemark gemäß Artikel 4 des genannten Protokolls innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Rat diese Verordnung angenommen hat, ob es sie in nationales Recht umsetzt.

(16)Diese Verordnung stellt eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich das Vereinigte Königreich gemäß dem Beschluss 2000/365/EG des Rates 10 nicht beteiligt; das Vereinigte Königreich beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(17)Diese Verordnung stellt eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich Irland gemäß dem Beschluss 2002/192/EG des Rates 11 nicht beteiligt; Irland beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(18)Für Island und Norwegen stellt diese Verordnung eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Übereinkommens zwischen dem Rat der Europäischen Union sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung der beiden letztgenannten Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands 12 dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe A des Beschlusses 1999/437/EG des Rates 13 genannten Bereich gehören.

(19)Für die Schweiz stellt diese Verordnung eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands 14 dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe A des Beschlusses 1999/437/EG 15 in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2008/146/EG des Rates 16 genannten Bereich gehören.

(20)Für Liechtenstein stellt diese Verordnung eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands 17 dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe A des Beschlusses 1999/437/EG in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2011/350/EU des Rates 18 genannten Bereich gehören.

(21)Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden.

(22)Die Verordnung (EU) 2016/399 sollte daher entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Verordnung (EU) 2016/399 wird wie folgt geändert:

1.Artikel 25 erhält folgende Fassung:

„(1) Ist im Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit in einem Mitgliedstaat ernsthaft bedroht, so ist diesem Mitgliedstaat unter außergewöhnlichen Umständen die Wiedereinführung von Kontrollen an allen oder bestimmten Abschnitten seiner Binnengrenzen für einen begrenzten Zeitraum von höchstens 30 Tagen oder für die vorhersehbare Dauer der ernsthaften Bedrohung, wenn ihre Dauer den Zeitraum von 30 Tagen überschreitet, gestattet, wobei die Dauer sechs Monate nicht überschreiten darf. Die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen darf in Umfang und Dauer nicht über das Maß hinausgehen, das zur Bewältigung der ernsthaften Bedrohung unbedingt erforderlich ist.    

(2) Kontrollen an den Binnengrenzen werden nur als letztes Mittel und im Einklang mit den Artikeln 27, 27a, 28 und 29 wiedereingeführt. Wird ein Beschluss zur Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen nach Artikel 27, 27a, 28 oder 29 in Betracht gezogen, so sind die in Artikel 26 beziehungsweise 30 genannten Kriterien in jedem einzelnen Fall zugrunde zu legen.    

(3) Hält die ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit in dem betreffenden Mitgliedstaat über den in Absatz 1 genannten Zeitraum hinaus an, so kann dieser Mitgliedstaat die Kontrollen an seinen Binnengrenzen unter Zugrundelegung der in Artikel 26 genannten Kriterien und gemäß Artikel 27 aus den in Absatz 1 genannten Gründen und unter Berücksichtigung neuer Umstände für weitere Zeiträume, die der vorhersehbaren Dauer der ernsthaften Bedrohung entsprechen und sechs Monate nicht überschreiten dürfen, verlängern.    

(4) Der Gesamtzeitraum, innerhalb dessen Kontrollen an den Binnengrenzen wiedereingeführt werden können, einschließlich etwaiger Verlängerungen nach Absatz 3, beträgt höchstens ein Jahr.

Liegen außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 27a vor, so kann dieser Gesamtzeitraum gemäß Artikel 27a auf eine Höchstdauer von zwei Jahren verlängert werden.

Liegen außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 29 vor, so kann der Gesamtzeitraum gemäß Artikel 29 Absatz 1 auf eine Höchstdauer von zwei Jahren verlängert werden.“

2.Artikel 27 wird wie folgt geändert:

i) In Absatz 1 wird ein neuer Buchstabe aa eingefügt:

„aa) eine Risikobewertung, aus der hervorgeht, wie lange die festgestellte Bedrohung voraussichtlich anhält und welche Abschnitte der Binnengrenzen betroffen sind, dass die Verlängerung der Grenzkontrollen ein letztes Mittel ist und wie die Grenzkontrollen zur Bewältigung der festgestellten Bedrohung beitragen würden. Wurden Grenzkontrollen bereits für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten wiedereingeführt, ist in der Risikobewertung zudem darzulegen, wie die vorherige Wiedereinführung von Grenzkontrollen dazu beigetragen hat, der festgestellten Bedrohung zu begegnen.

Die Risikobewertung muss außerdem einen detaillierten Bericht über die Abstimmung zwischen dem betreffenden Mitgliedstaat und dem Mitgliedstaat oder den Mitgliedstaaten enthalten, mit dem bzw. denen der betreffende Mitgliedstaat gemeinsame Binnengrenzen hat, an denen die Grenzkontrollen durchgeführt wurden.

Die Kommission leitet die Risikobewertung an die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache beziehungsweise an Europol weiter.“

ii) In Absatz 1 erhält Buchstabe e folgende Fassung:

„e) gegebenenfalls die von den anderen Mitgliedstaaten zu treffenden Maßnahmen, die vor der vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den betroffenen Binnengrenzen vereinbart wurden.“

 iii) Der letzte Satz in Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„Erforderlichenfalls kann die Kommission bei dem betreffenden Mitgliedstaat beziehungsweise den betreffenden Mitgliedstaaten zusätzliche Informationen anfordern, darunter Informationen zu der Zusammenarbeit mit den von der geplanten Verlängerung der Kontrollen an den Binnengrenzen betroffenen Mitgliedstaaten sowie zusätzliche Informationen, die Aufschluss darüber geben, ob diese Maßnahme ein letztes Mittel ist.“

iv) Absatz 4 erhält folgende Fassung:

„(4) Im Anschluss an die Mitteilung durch den betreffenden Mitgliedstaat nach Absatz 1 und im Hinblick auf die Konsultationen gemäß Absatz 5 kann die Kommission oder jeder andere Mitgliedstaat unbeschadet des Artikels 72 AEUV eine Stellungnahme abgeben.

Hat die Kommission Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit oder Verhältnismäßigkeit der geplanten Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen oder hält sie eine Konsultation zu bestimmten Aspekten der Mitteilung für zweckmäßig, so gibt sie eine dahingehende Stellungnahme ab.

In Fällen, in denen Kontrollen an den Binnengrenzen bereits für einen Zeitraum von sechs Monaten wiedereingeführt wurden, gibt die Kommission eine Stellungnahme ab.“

   v) Absatz 5 erhält folgende Fassung:

„Die in Absatz 1 genannten Angaben sowie jegliche Stellungnahme der Kommission oder eines Mitgliedstaats nach Absatz 4 sind Gegenstand einer Konsultation, die von der Kommission geleitet wird. Die Konsultation umfasst gegebenenfalls gemeinsame Sitzungen zwischen dem Mitgliedstaat, der die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen beabsichtigt, den anderen Mitgliedstaaten, insbesondere jenen, die von solchen Maßnahmen unmittelbar betroffen sind, und den zuständigen Agenturen. Es ist zu prüfen, ob die beabsichtigten Maßnahmen, die festgestellte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit sowie die Modalitäten für die Durchführung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Der Mitgliedstaat, der die Wiedereinführung oder Verlängerung der Kontrollen an den Binnengrenzen beabsichtigt, trägt den Ergebnissen der Konsultation bei der Durchführung der Grenzkontrollen weitestgehend Rechnung.“    

3.Es wird folgender Artikel 27 a hinzugefügt:

Besonderes Verfahren für Fälle, in denen die ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit mehr als ein Jahr andauert

„(1) In Ausnahmefällen, in denen ein Mitgliedstaat derselben ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit über den in Artikel 25 Absatz 4 Satz 1 genannten Zeitraum hinaus ausgesetzt ist und angemessene nationale Sondermaßnahmen im betreffenden Hoheitsgebiet zur Bewältigung dieser Bedrohung ergriffen werden, können Grenzkontrollen, die als Reaktion auf diese Bedrohung vorübergehend wiedereingeführt wurden, nach Maßgabe dieses Artikels weiter verlängert werden.

(2) Spätestens sechs Wochen vor Ablauf des in Artikel 25 Absatz 4 Satz 1 genannten Zeitraums teilt der Mitgliedstaat den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission mit, dass er eine weitere Verlängerung nach dem im vorliegenden Artikel festgelegten besonderen Verfahren beabsichtigt. Die Mitteilung enthält die in Artikel 27 Absatz 1 Buchstaben a bis e geforderten Angaben. Artikel 27 Absätze 2 und 3 findet Anwendung.

(3) Die Kommission gibt eine Stellungnahme ab.

(4) Der Rat kann dem Mitgliedstaat unter gebührender Berücksichtigung der Stellungnahme der Kommission empfehlen, die Kontrollen an den Binnengrenzen um einen weiteren Zeitraum von bis zu sechs Monaten zu verlängern. Dieser Zeitraum kann höchstens dreimal um einen weiteren Zeitraum von jeweils bis zu sechs Monaten verlängert werden. Die Empfehlung des Rates enthält zumindest die Angaben nach Artikel 27 Absatz 1 Buchstaben a bis e. Gegebenenfalls legt der Rat die Bedingungen für die Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten fest.“

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

Geschehen zu Brüssel am

Im Namen des Europäischen Parlaments    Im Namen des Rates

Der Präsident    Der Präsident

(1) Siehe die Liste der wiedereingeführten Grenzkontrollen an den Binnengrenzen unter https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/borders-and-visas/schengen/reintroduction-border-control/docs/ms_notifications_-_reintroduction_of_border_control_en.pdf.
(2) Im Einklang mit diesem Verfahren empfahl der Rat am 12. Mai 2016 auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission fünf Mitgliedstaaten, die am stärksten von der Sekundärmigration betroffen waren, an einigen Abschnitten ihrer Binnengrenzen Grenzkontrollen wiedereinzuführen. Am 12. Mai 2017 gestattete der Rat diesen fünf Mitgliedstaaten zum dritten und letzten Mal eine Verlängerung der Kontrollen bis zum 11. November 2017.
(3) Mit der neuen Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache, die neue Ressourcen und Instrumente (wie z. B. die verpflichtenden Gefährdungsbeurteilungen und deren Empfehlungen zum weiteren Vorgehen sowie die obligatorische Bündelung von Ressourcen) bereitstellt, ist das Management der EU-Grenzen besser für etwaige neue Herausforderungen gewappnet. Damit dürfte es deutlich schwieriger werden, die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen mit Bezug auf die Situation an den Außengrenzen zu begründen.
(4) Zwischen der Verabschiedung des Schengener Grenzkodex im Jahr 2006 und dem Auftreten der Migrationskrise im Jahr 2015 wurden Grenzkontrollen 36-mal wiedereingeführt und kaum jemals verlängert; in der Regel dauerten sie nur wenige Tage oder Wochen.
(5) Laut einer von der Kommission vorgenommenen Analyse der direkten wirtschaftlichen Kosten hätte die Abkehr von Schengen, d. h. die längerfristige Wiedereinführung von Grenzkontrollen, aufgrund der zeitlichen Verzögerungen an den Grenzen beträchtliche Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Verkehr (insbesondere den Straßenverkehr), den Tourismus, die öffentlichen Verwaltungen sowie Grenzgänger und Reisende. Für diese Kategorien belaufen sich die geschätzten direkten Kosten auf rund 5 bis 18 Mrd. EUR jährlich (bzw. 0,06 % bis 0,13 % des BIP), je nach dem, zu welchen Verzögerungen es kommt. Mittelfristig können die indirekten Kosten der Abkehr von Schengen deutlich höher ausfallen als die geschätzten direkten Kosten, da die Folgen für den Handel, die Investitionen und die Mobilität innerhalb der Union unabsehbar wären, wenn die Abkehr von Schengen die wirtschaftliche Integration gefährdet.
(6) C(2017) 3349 final.
(7) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77).
(8) ABl. L 77 vom 23.3.2016, S.°1.
(9) C(2017) 3349 final vom 12.5.2017.
(10) Beschluss 2000/365/EG des Rates vom 29. Mai 2000 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden (ABl. L 131 vom 1.6.2000, S. 43).
(11) Beschluss 2002/192/EG des Rates vom 28. Februar 2002 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland (ABl. L 64 vom 7.3.2002, S. 20).
(12) ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 36.
(13) Beschluss 1999/437/EG des Rates vom 17. Mai 1999 zum Erlass bestimmter Durchführungsvorschriften zu dem Übereinkommen zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 31).
(14) ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 52.
(15) Beschluss 1999/437/EG des Rates vom 17. Mai 1999 zum Erlass bestimmter Durchführungsvorschriften zu dem Übereinkommen zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 31).
(16) Beschluss 2008/146/EG des Rates vom 28. Januar 2008 über den Abschluss – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 1).
(17) ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 21.
(18) Beschluss 2011/350/EU des Rates vom 7. März 2011 über den Abschluss – im Namen der Europäischen Union – des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands in Bezug auf die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen und den freien Personenverkehr (ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 19).