27.8.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 313/1


BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION

Leitfaden zu dem Anwendungsbereich und den Kernverpflichtungen der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen für die Nutzer zur Einhaltung der Vorschriften des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Union

(2016/C 313/01)

Inhalt

1.

EINLEITUNG 2

1.1.

Der rechtliche Rahmen 2

1.2.

In diesem Leitfaden verwendete Definitionen 3

2.

ANWENDUNGSBEREICH DER VERORDNUNG 3

2.1.

Geografischer Anwendungsbereich — I: Die Herkunft genetischer Ressourcen 4

2.2.

Zeitlicher Anwendungsbereich: Der Zugang zu der genetischen Ressource und deren Nutzung muss seit dem 12. Oktober 2014 erfolgt sein 5

2.3.

Materieller Anwendungsbereich 6

2.4.

Personenbezogener Anwendungsbereich: Die Verordnung gilt für alle Nutzer 10

2.5.

Geografischer Anwendungsbereich — II: Die Verordnung gilt für die Nutzung innerhalb der EU 10

3.

VERPFLICHTUNGEN DES NUTZERS 10

3.1.

Sorgfaltspflicht 10

3.2.

Feststellung der Anwendbarkeit der Verordnung 12

3.3.

Nachweis der gebotenen Sorgfalt, wenn die Anwendbarkeit der Verordnung feststeht 12

3.4.

Bezug genetischer Ressourcen von indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften 13

3.5.

Bezug genetischer Ressourcen von registrierten Sammlungen 13

4.

VORGÄNGE, DIE EINE SORGFALTSERKLÄRUNG ERFORDERN 14

4.1.

Sorgfaltserklärung in der Phase der Forschungsfinanzierung 14

4.2.

Sorgfaltserklärung in der letzten Phase der Entwicklung eines Produkts 14

5.

SEKTORSPEZIFISCHE ASPEKTE 15

5.1.

Gesundheit 16

5.2.

Ernährung und Landwirtschaft 16

Anhang I:

Überblick über die Bedingungen für die Anwendbarkeit der EU-ABS-Verordnung

1.   EINLEITUNG

Das vorliegende Dokument ist ein Leitfaden zu den Bestimmungen und zur Umsetzung der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Maßnahmen für die Nutzer zur Einhaltung der Vorschriften des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Union (1) (im Folgenden „EU-ABS-Verordnung“ oder „Verordnung“).

Mit der EU-ABS-Verordnung werden in der EU die internationalen Vorschriften (des Nagoya-Protokolls) umgesetzt, die die Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer regeln, also was die Nutzer genetischer Ressourcen tun müssen, um den Vorschriften über den Zugang und den Vorteilsausgleich (Access and Benefit Sharing, ABS) zu genügen, die von den genetische Ressourcen bereitstellenden Ländern erlassen worden sind. Das Nagoya-Protokoll enthält darüber hinaus Zugangsregelungen, die jedoch von der EU-ABS-Verordnung nicht abgedeckt sind und folglich in diesem Leitfaden nicht behandelt werden.

Die Verordnung sieht zudem vor, dass die Kommission Durchführungsrechtsakte mit weiteren Maßnahmen erlässt. Am 13. Oktober 2015 erließ die Kommission die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1866 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 511/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das Register von Sammlungen, die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer und bewährte Verfahren (2) (im Folgenden „Durchführungsverordnung“).

Nach Konsultationen mit Interessenträgern und Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten verständigte man sich darauf, dass bestimmte Aspekte der EU-ABS-Verordnung weiter geklärt werden sollten. Der vorliegende Leitfaden wurde gemeinsam mit Vertretern der Mitgliedstaaten in der ABS-Sachverständigengruppe (3) erörtert und entwickelt und von Interessenträgern im ABS-Konsultationsforum (4) kommentiert.

Der Leitfaden ist rechtlich nicht bindend. Er enthält lediglich Informationen zu bestimmten Aspekten der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften. Er soll Bürgern, Unternehmen und Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der EU-ABS-Verordnung und der Durchführungsverordnung helfen. In Zukunft vertretene Standpunkte der Kommission zu dieser Thematik bleiben davon unberührt. Zur Auslegung des Unionsrechts ist ausschließlich der Gerichtshof der Europäischen Union befugt. Mit diesem Leitfaden werden die Bestimmungen der EU-ABS-Verordnung und der Durchführungsverordnung weder ersetzt noch ergänzt oder geändert. Zudem ist er nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit den genannten Rechtsvorschriften zu sehen.

1.1.   Der rechtliche Rahmen

Die drei Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (auch: Biodiversitätskonvention, CBD, Convention on Biological Diversity (5), im Folgenden „Übereinkommen“) sind die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile (Artikel 1 des Übereinkommens). Mit dem Nagoya-Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (im Folgenden „Protokoll“) wird Artikel 15 des Übereinkommens, der den Zugang zu genetischen Ressourcen regelt, umgesetzt und genauer ausgeführt. Darüber hinaus enthält das Protokoll Bestimmungen zu traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht (6). Das Nagoya-Protokoll bildet einen internationalen Rahmen für den Zugang zu genetischen Ressourcen und sich darauf beziehendem traditionellem Wissen, zum Vorteilsausgleich und zu Regelungen für die Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer.

Bei der Umsetzung des Protokolls hinsichtlich der Zugangsregelungen können Länder, die genetische Ressourcen oder sich darauf beziehendes traditionelles Wissen bereitstellen (Bereitstellerländer), den Zugang zu diesen Ressourcen und dem traditionellen Wissen von einer auf Kenntnis der Sachlage gegründeten vorherigen Zustimmung (Prior Informed Consent, PIC) abhängig machen. Nach Maßgabe des Protokolls sind die Vertragsparteien nicht verpflichtet, den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen und/oder sich darauf beziehendem traditionellem Wissen zu regeln. Wenn jedoch Zugangsregelungen bestehen, verlangt das Protokoll klare Regeln von den Bereitstellerländern, die Rechtssicherheit, Klarheit und Transparenz gewährleisten sollen. Die Aufteilung der Vorteile, die das Protokoll vorsieht, basiert auf einvernehmlich festgelegten Bedingungen (Mutually Agreed Terms, MAT). Dabei handelt es sich um vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Bereitsteller von genetischen Ressourcen (häufig einer Behörde des Bereitstellerlandes) oder sich darauf beziehendem traditionellem Wissen und einer natürlichen oder juristischen Person, die Zugang zu der genetischen Ressource und/oder dem sich darauf beziehenden traditionellen Wissen zwecks Nutzung erlangt (Nutzer) (7).

Das Protokoll sieht insbesondere vor, dass die Vertragsparteien Regelungen für die Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer von genetischen Ressourcen und sich darauf beziehendem traditionellem Wissen erlassen. Das Protokoll verpflichtet die Vertragsparteien speziell dazu, Regelungen (Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder politische Maßnahmen) zu erlassen, um zu gewährleisten, dass die Nutzer in ihrem Hoheitsgebiet alle in Bereitstellerländern erlassenen Zugangsregelungen einhalten. Der Teil des Protokolls, der die Einhaltung relevanter Vorschriften durch die Nutzer betrifft, wird durch die EU-ABS-Verordnung in EU-Recht umgesetzt. Dagegen können die EU-Mitgliedstaaten nach eigenem Ermessen Zugangsregelungen erlassen, wenn sie dies für erforderlich halten. Entsprechende Regelungen werden nicht auf EU-Ebene beschlossen, doch dürfen sie nicht gegen sonstiges einschlägiges EU-Recht (8) verstoßen.

Ergänzt wird die EU-ABS-Verordnung durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1866, die am 9. November 2015 in Kraft getreten ist.

Sowohl die EU-ABS-Verordnung als auch die Durchführungsverordnung gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat, unabhängig vom Stand der Ratifizierung des Nagoya-Protokolls in den einzelnen Mitgliedstaaten.

1.2.   In diesem Leitfaden verwendete Definitionen

Folgende Schlüsselbegriffe dieses Leitfadens sind im Übereinkommen, im Nagoya-Protokoll und in der EU-ABS-Verordnung definiert:

„Genetische Ressourcen“ bedeutet genetisches Material von tatsächlichem oder potenziellem Wert (Artikel 3 Nummer 2 der Verordnung; Artikel 2 des Übereinkommens);

„Nutzung von genetischen Ressourcen“ bedeutet das Durchführen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, einschließlich durch die Anwendung von Biotechnologie im Sinne des Artikels 2 des Übereinkommens (Artikel 3 Nummer 5 der Verordnung; Artikel 2 Buchstabe c des Protokolls).

Die EU-ABS-Verordnung enthält darüber hinaus folgende Begriffsbestimmungen:

„traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht“ bedeutet traditionelles Wissen einer indigenen oder ortsansässigen Gemeinschaft, das für die Nutzung der genetischen Ressourcen relevant ist und das in den einvernehmlich festgelegten Bedingungen für die Nutzung genetischer Ressourcen als solches beschrieben ist (Artikel 3 Nummer 7 der Verordnung) (9);

„Zugang“ bedeutet den Erwerb von genetischen Ressourcen oder von traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, in einem Land, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist (Artikel 3 Nummer 3 der Verordnung).

Der Begriff „Bereitstellerland“, wie er in diesem Leitfaden verwendet wird, bezeichnet das Ursprungsland der genetischen Ressourcen oder eine (andere) Vertragspartei des Nagoya-Protokolls, die die genetischen Ressourcen im Einklang mit dem Übereinkommen erworben hat (siehe die Artikel 5 und 6 des Protokolls und Artikel 15 des Übereinkommens). Das „Ursprungsland“ genetischer Ressourcen wird im Übereinkommen als das Land definiert, das die genetischen Ressourcen unter In-situ-Bedingungen besitzt.

2.   ANWENDUNGSBEREICH DER VERORDNUNG

Dieser Abschnitt befasst sich mit dem geografischen Anwendungsbereich der Verordnung, also damit, woher die genetischen Ressourcen stammen (2.1) und wo die Nutzer ansässig sind (2.5), mit dem zeitlichen Anwendungsbereich, d. h. wann Zugang zu den Ressourcen erlangt wurde (2.2), sowie mit den in den Anwendungsbereich fallenden Materialien und Tätigkeiten (2.3) und Akteuren (2.4). Hier ist vorab darauf hinzuweisen, dass die nachstehend genannten Bedingungen für die Anwendbarkeit der Verordnung kumulativ sind. Steht im Folgenden, dass „die Verordnung Anwendung findet“, wenn eine bestimmte Bedingung erfüllt ist, so wird stets davon ausgegangen, dass alle anderen Bedingungen für die Anwendbarkeit ebenfalls erfüllt sind. Dies wird auch in Anhang I deutlich, in dem die in diesem Leitfaden beschriebenen Bedingungen zusammengefasst sind.

In den Bereitstellerländern können ABS-Vorschriften oder rechtliche Anforderungen gelten, die in einzelnen Punkten über den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung hinausgehen. Solche nationalen Vorschriften oder Anforderungen gelten auch dann, wenn die EU-ABS-Verordnung keine Anwendung findet.

2.1.   Geografischer Anwendungsbereich — I: Die Herkunft genetischer Ressourcen

In diesem Abschnitt geht es um die Bedingungen, unter denen die Verordnung auf genetische Ressourcen aus einem bestimmten Gebiet Anwendung findet. Zunächst werden die Grundvoraussetzungen beschrieben, bevor auf komplexere Fälle eingegangen wird.

2.1.1.   Genetische Ressourcen fallen nur dann in den Anwendungsbereich der Verordnung, wenn ein Staat souveräne Rechte über sie ausübt

Die Verordnung gilt nur für genetische Ressourcen, über die Staaten souveräne Rechte ausüben (Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung). Damit kommt ein Schlüsselprinzip des Übereinkommens zum Tragen, das in dessen Artikel 15 Absatz 1 verankert ist (bestätigt durch Artikel 6 Absatz 1 des Protokolls), wonach die Befugnis, den Zugang zu genetischen Ressourcen zu bestimmen, bei den Regierungen der einzelnen Staaten liegt und den innerstaatlichen Rechtsvorschriften unterliegt (sofern entsprechende Rechtsvorschriften bestehen). Demzufolge gilt die Verordnung nicht für genetische Ressourcen aus Regionen jenseits nationaler Hoheitsgewalt (z. B. der Hohen See), oder aus Gebieten, die dem Antarktis-Vertragssystem unterliegen (10).

2.1.2.   Genetische Ressourcen fallen nur dann in den Anwendungsbereich der Verordnung, wenn die Bereitstellerländer das Protokoll ratifiziert und den Zugang zu genetischen Ressourcen geregelt haben

Die Verordnung gilt nur für genetische Ressourcen aus Bereitstellerländern, die das Nagoya-Protokoll unterzeichnet und anwendbare Zugangsregelungen erlassen haben (11).

Nach Artikel 2 Absatz 4 gilt die Verordnung für genetische Ressourcen und traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, auf die bzw. auf das Zugangsregelungen (ABS-Vorschriften oder rechtliche Anforderungen) anwendbar sind, und sofern diese Zugangsregelungen von einer Vertragspartei des Nagoya-Protokolls erlassen wurden.

Ein Bereitstellerland hat die Möglichkeit, Zugangsregelungen nur für bestimmte genetische Ressourcen und/oder Ressourcen aus bestimmten geografischen Regionen zu erlassen. In dem Fall würde die Nutzung anderer genetischer Ressourcen aus diesem Land keine Verpflichtungen nach Maßgabe der Verordnung nach sich ziehen. Nur wenn also die Regelungen für die bestimmte genetische Ressource (oder das sich darauf beziehende traditionelle Wissen) gelten, ist die Verordnung auf die Nutzung dieser Ressource anwendbar.

Bestimmte Tätigkeiten, z. B. Forschungstätigkeiten im Rahmen besonderer Kooperationsprogramme, können ebenfalls aus den gesetzlichen Zugangsregelungen eines Landes ausgenommen sein. In dem Fall wären damit keine Verpflichtungen nach Maßgabe der EU-ABS-Verordnung verbunden.

Ein wichtiger ABS-Grundsatz, der in Artikel 15 Absatz 2 des Übereinkommens verankert ist und in Artikel 6 Absatz 3 des Nagoya-Protokolls weiter ausgeführt wird, lautet, dass sich jede Vertragspartei bemüht, den Zugang zu genetischen Ressourcen für eine umweltverträgliche Nutzung durch andere Vertragsparteien zu erleichtern. Voraussetzung für einen wirksamen Zugang und Vorteilsausgleich ist, dass für die Nutzer beim Zugang zu genetischen Ressourcen Rechtssicherheit und Klarheit bestehen. Nach Artikel 14 Absatz 2 des Nagoya-Protokolls sind die Vertragsparteien verpflichtet, ihre Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und politischen Maßnahmen über den Zugang und Vorteilsausgleich über die ABS-Informationsstelle zu veröffentlichen. Das erleichtert es den Nutzern und den zuständigen Behörden der Länder, in denen die genetischen Ressourcen genutzt werden, Informationen über Regelungen des Bereitstellerlandes zu erhalten. Angaben dazu, ob a) ein Land Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und ob b) das Land Zugangsregelungen erlassen hat, finden sich bei der ABS-Informationsstelle (siehe auch Abschnitt 3.2), dem nach Maßgabe des Protokolls wichtigsten Mechanismus für den Informationsaustausch über Zugang und Vorteilsausgleich. Hier können die jeweiligen Informationen in den Länderprofilen unter https://absch.cbd.int/countries gefunden werden.

Im Hinblick auf den geografischen Anwendungsbereich der Verordnung und die Herkunft der genetischen Ressourcen führt Artikel 2 Absatz 1 im Zusammenspiel mit Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung dazu, dass die Verordnung nur auf genetische Ressourcen Anwendung findet, über die Staaten souveräne Rechte ausüben und für die eine Vertragspartei des Protokolls den Zugang und Vorteilsausgleich geregelt hat, sofern diese Regelungen auch für die betreffende genetische Ressource (oder das sich darauf beziehende traditionelle Wissen) gelten. Wenn diese Kriterien nicht erfüllt sind, findet die Verordnung keine Anwendung.

2.1.3.   Indirekter Erwerb von genetischen Ressourcen

Wenn genetische Ressourcen indirekt über eine Mittelsperson, z. B. eine Kultursammlung oder andere spezialisierte Unternehmen oder Organisationen mit vergleichbarer Funktion bezogen werden, sollte der Nutzer sicherstellen, dass die Mittelsperson beim ursprünglichen Zugang zu den Ressourcen die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung und einvernehmlich festgelegte Bedingungen erwirkt hat (12). Die Bedingungen, zu denen die Mittelsperson Zugang zu den genetischen Ressourcen erlangt hat, machen es eventuell erforderlich, dass sich der Nutzer um eine neue PIC und neue MAT oder eine Änderung der vorhandenen bemüht, wenn die vorgesehene Nutzung von der PIC und den MAT der Mittelsperson nicht abgedeckt wird. Da die Bedingungen zunächst zwischen der Mittelsperson und dem Bereitstellerland vereinbart werden, können Mittelspersonen dem Nutzer am ehesten Auskunft über den rechtlichen Status des in ihrem Besitz befindlichen Materials geben.

Das setzt natürlich voraus, dass die betreffende genetische Ressource in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt und dass der Zugang zu dem Material durch die Mittelsperson im Bereitstellerland erst nach Inkrafttreten des Protokolls erfolgt ist (siehe Abschnitt 2.2). Dagegen ist es unerheblich, wo die Mittelsperson ansässig ist (in einem Land, das Vertragspartei des Protokolls ist, oder einem Drittland), solange das Bereitstellerland der betreffenden Ressource Vertragspartei des Protokolls ist.

Ein besonderer Fall ist der indirekte Zugang über Ex-situ-Sammlungen im Ursprungsland der betreffenden genetischen Ressourcen (innerhalb oder außerhalb der EU). Wenn das betreffende Land Regelungen für den Zugang zu solchen genetischen Ressourcen erlassen hat und der Zugang über die Sammlung nach Inkrafttreten des Protokolls erfolgt ist, fällt dies in den Anwendungsbereich der Verordnung, unabhängig davon, wann die Ressourcen gesammelt wurden.

2.1.4.   Nichtvertragsparteien

ABS-Vorschriften oder rechtliche Anforderungen existieren auch in Ländern, die (noch) keine Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls sind (13). Die Nutzung genetischer Ressourcen aus solchen Ländern fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Die Nutzer müssen aber dennoch die nationalen Vorschriften oder rechtlichen Anforderungen des betreffenden Landes beachten und alle einvernehmlich festgelegten Bedingungen einhalten.

2.2.   Zeitlicher Anwendungsbereich: Der Zugang zu der genetischen Ressource und deren Nutzung muss seit dem 12. Oktober 2014 erfolgt sein

Die EU-ABS-Verordnung gilt seit dem 12. Oktober 2014. An dem Tag trat das Nagoya-Protokoll für die Union in Kraft. Genetische Ressourcen, zu denen vor diesem Datum Zugang erlangt wurde, unterliegen der Verordnung auch dann nicht, wenn ihre Nutzung nach dem 12. Oktober 2014 erfolgt ist (Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung). Die Verordnung gilt also nur für genetische Ressourcen, zu denen vom 12. Oktober 2014 an Zugang erlangt wurde.

Ein in der EU ansässiges Forschungsinstitut erhält im Jahr 2015 mikrobielle genetische Ressourcen von einer Sammlung in Deutschland. 1997 hat die Sammlung diese genetischen Ressourcen von einem Bereitstellerland erhalten, das später Vertragspartei des Nagoya-Protokolls geworden ist  (14) . Diese genetischen Ressourcen werden von der Verordnung nicht erfasst. Der Nutzer kann aber vertraglichen Verpflichtungen unterliegen, die ursprünglich von der Sammlung eingegangen und dann weitergegeben wurden. Das ist zu prüfen, wenn Material von der Sammlung bezogen wird.

Denkbar wäre aber auch, dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen sowie Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten daran (d. h. ihre Nutzung, siehe Abschnitt 2.3.3) ausschließlich vor Inkrafttreten des Protokolls erfolgt sind. Wenn der Zugang zu solchen genetischen Ressourcen danach fortbesteht, jedoch keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten mehr an diesen Ressourcen durchgeführt werden, fällt dies nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung.

In der EU wird ein Kosmetikprodukt (z. B. eine Gesichtscreme) vermarktet, das auf der Basis genetischer Ressourcen entwickelt worden ist, die vor Inkrafttreten des Protokolls von einem Land erworben wurden. Die in der Cremeformel enthaltenen genetischen Ressourcen werden regelmäßig aus dem Land bezogen, auch nachdem es Vertragspartei des Nagoya-Protokolls geworden ist und Zugangsregelungen erlassen hat. Da an den genetischen Ressourcen weder Forschungs- noch Entwicklungstätigkeiten durchgeführt werden, unterliegen sie nicht der Verordnung.

Eine weitere, möglicherweise hilfreiche Klarstellung betrifft den Beginn der Anwendbarkeit der EU-ABS-Verordnung. Die Verordnung als Ganze ist seit dem 12. Oktober 2014 anwendbar, für ihre Artikel 4, 7 und 9 war das jedoch erst ein Jahr später der Fall. Die Nutzer unterliegen den Bestimmungen dieser Artikel seit Oktober 2015, doch grundsätzlich betreffen die Verpflichtungen alle genetischen Ressourcen, zu denen seit dem 12. Oktober 2014 Zugang erlangt wurde. Während es also im Hinblick auf die genetischen Ressourcen keinen Unterschied macht, ob der Zugang vor oder nach dem Oktober 2015 erlangt wurde, gelten für den Nutzer unterschiedliche gesetzliche Verpflichtungen: Da Artikel 4 bis Oktober 2015 nicht anwendbar war, bestand für die Nutzer bis zu diesem Zeitpunkt keine Sorgfaltspflicht (siehe Abschnitt 3.1). Die Sorgfaltspflicht gilt erst seit Oktober 2015. Seitdem sind sämtliche Bestimmungen der Verordnung auf alle darunter fallenden genetischen Ressourcen anwendbar.

Eine Vertragspartei des Nagoya-Protokolls kann nationale Regelungen auch für genetische Ressourcen eingeführt haben, zu denen vor Inkrafttreten des Protokolls Zugang erlangt worden ist. Die Nutzung dieser genetischen Ressourcen würde nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen. Die nationalen Vorschriften oder rechtlichen Anforderungen des Bereitstellerlandes sind hingegen durchaus anwendbar, und einvernehmlich festgelegte Bedingungen sind zu beachten, auch wenn sie nicht von der EU-ABS-Verordnung abgedeckt sind.

2.3.   Materieller Anwendungsbereich

Die Verordnung gilt für die Nutzung von genetischen Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens. Alle drei Aspekte werden in diesem Abschnitt ganz allgemein und in bestimmten Konstellationen behandelt.

2.3.1.   Genetische Ressourcen

Nach der Definition des Übereinkommens werden „genetische Ressourcen“ in der EU-ABS-Verordnung als „genetisches Material von tatsächlichem oder potenziellem Wert“ definiert (Artikel 3 der Verordnung). Dabei bedeutet „genetisches Material“„jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten“, also Gene enthält (Artikel 2 des Übereinkommens).

Genetische Ressourcen, für die besondere internationale Regelungen und andere internationale Vereinbarungen gelten

Nach Artikel 4 Absatz 4 des Nagoya-Protokolls finden besondere ABS-Regelungen, die mit den Zielen des Übereinkommens und des Protokolls im Einklang stehen und ihnen nicht zuwiderlaufen, auf die in diesen Regelungen erfassten genetischen Ressourcen und für die darin vorgesehenen Zwecke vorrangig Anwendung. Dementsprechend gilt die EU-ABS-Verordnung nach Artikel 2 Absatz 2 nicht für genetische Ressourcen, bei denen Zugang und Vorteilsausgleich unter besondere internationale Regelungen fallen. Das gilt zurzeit für Material, auf das der Internationale Vertrag für pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGFRA) (15) und das Rahmenwerk der WHO für pandemische Grippeviren (PIP) (16) Anwendung finden.

Dagegen findet die EU-ABS-Verordnung auf die unter den ITPGFRA und das PIP-Rahmenwerk fallenden genetischen Ressourcen Anwendung, wenn der Zugang dazu in einem Land erlangt worden ist, das diese Übereinkünfte nicht unterzeichnet hat, aber Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist (17). Die Verordnung ist auch dann anzuwenden, wenn Ressourcen, die einer besonderen Regelung unterliegen, für andere als die darin erfassten Zwecke genutzt werden (wenn etwa eine Nahrungsmittelpflanze, die durch den ITPGFRA erfasst wird, für pharmazeutische Zwecke genutzt wird). Abschnitt 5.2 dieses Leitfadens befasst sich näher mit verschiedenen Szenarien im Zusammenhang mit dem Bezug und der Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, bei denen danach differenziert wird, ob das Land, in dem Zugang zu diesen Ressourcen erlangt wurde, Vertragspartei des Nagoya-Protokolls und/oder des ITPGFRA ist, und welche Art der Nutzung vorgesehen ist.

Humangenetische Ressourcen

Humangenetische Ressourcen fallen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung, da sie weder von dem Übereinkommen noch vom Nagoya-Protokoll abgedeckt sind. Bestätigt wird dies durch den Beschluss II/11 (Absatz 2) der Vertragsstaatenkonferenz (COP) des Übereinkommens und den COP-Beschluss X/1 (Absatz 5, speziell zu ABS) (18).

Genetische Ressourcen als Handelsware

Der Handel mit und der Austausch von genetischen Ressourcen als Waren (wie etwa Erzeugnisse der Landwirtschaft, Fischerei oder Forstwirtschaft, ob zum direkten Verbrauch oder als Zutaten, z. B. in Lebensmitteln und Getränken) fallen nicht unter die Verordnung. Das Protokoll befasst sich nicht mit Handelsfragen, sondern lediglich mit der Nutzung von genetischen Ressourcen. Solange keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an genetischen Ressourcen durchgeführt werden (und somit keine Nutzung im Sinne des Protokolls stattfindet, siehe Abschnitt 2.3.3), findet die EU-ABS-Verordnung keine Anwendung.

Wenn allerdings an genetischen Ressourcen, die ursprünglich als Waren in die EU gelangt sind, Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt werden, hat sich die Nutzungsabsicht geändert und diese geänderte Nutzung fällt in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung (sofern die anderen Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung erfüllt sind.) Wenn beispielsweise eine in der EU vermarktete Orange zum Verzehr genutzt wird, fällt dies nicht unter die Verordnung. Sobald diese Orange aber Gegenstand von Forschung und Entwicklung wird (wenn beispielsweise daraus ein Stoff isoliert und in ein neues Produkt eingebracht wird), fällt dies unter die Bestimmungen der EU-ABS-Verordnung.

Bei einer solchen Nutzungsänderung der zuvor als Ware angesehenen Ressource wird von dem Nutzer erwartet, sich an das Bereitstellerland zu wenden und zu klären, ob eine auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung und einvernehmlich festgelegte Bedingungen für diese Art der Nutzung der genetischen Ressource erforderlich sind (trifft dies zu, sind die erforderlichen Genehmigungen einholen und für die einvernehmliche Festlegung der Bedingungen sorgen).

Wenn Waren, bei denen es sich um genetische Ressourcen handelt, genutzt werden sollen (im unten, 2.3.3, erläuterten Sinn dieses Begriffs), empfiehlt es sich für die Nutzer, sie direkt vom Bereitstellerland zu beziehen, damit geklärt ist, woher die Ware stammt, und von Anfang an feststeht, ob das Protokoll anzuwenden ist.

Genetische Ressourcen in Privatbesitz

Nach den Zugangsregelungen eines Bereitstellerlandes kann die Verordnung auch für genetische Ressourcen aus diesem Land gelten, die sich in Privatbesitz, z. B. in privaten Sammlungen, befinden. Ob genetische Ressourcen in privater oder öffentlicher Hand sind, ist also für die Frage, ob die Verordnung Anwendung findet, unerheblich.

2.3.2.   Traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht

Traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, kann einen Hinweis auf deren potenzielle Nutzung geben. Für traditionelles Wissen gibt es keine international anerkannte Definition. Einzelne Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls, sofern sie den Zugang zu traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, regeln, haben möglicherweise eigene innerstaatliche Definitionen.

Um die Flexibilität und Rechtssicherheit für Bereitsteller und Nutzer zu gewährleisten, wird in der EU-ABS-Verordnung „traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht“ definiert als „traditionelles Wissen einer indigenen oder ortsansässigen Gemeinschaft, das für die Nutzung der genetischen Ressourcen relevant ist und das in den einvernehmlich festgelegten Bedingungen für die Nutzung genetischer Ressourcen als solches beschrieben ist“ (Artikel 3 Nummer 7 der Verordnung).

Traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, fällt also nur dann unter die EU-ABS-Verordnung, wenn es in die Nutzung der betreffenden Ressourcen einfließt und von den einschlägigen Vertragsvereinbarungen abgedeckt ist.

2.3.3.   Nutzung

Die „Nutzung von genetischen Ressourcen“ bedeutet nach der Definition der Verordnung genau wie im Nagoya-Protokoll „das Durchführen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, einschließlich durch die Anwendung von Biotechnologie im Sinne des Artikels 2 des Übereinkommens“ (Artikel 3 Nummer 5 der Verordnung). Diese breit gefasste Definition deckt verschiedene Tätigkeiten in vielen Sektoren ab, ohne bestimmte Tätigkeiten spezifisch aufzulisten. In den Verhandlungen zum Nagoya-Protokoll wurde die Erstellung solcher Tätigkeitslisten in Erwägung gezogen. Es wurde jedoch letzten Endes darauf verzichtet, um den mit der raschen Entwicklung von Kenntnissen und Technologien in diesem Bereich einhergehenden Veränderungen nicht vorzugreifen.

Da in den Zugangsregelungen eines Bereitstellerlandes unterschiedliche Bedingungen für verschiedene Nutzungsarten festgelegt und bestimmte Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich ausgeklammert sein können (siehe Abschnitt 2.1.2), müssen Nutzer diese Regelungen prüfen und feststellen, ob darunter auch die von ihnen durchgeführten Tätigkeiten fallen. Dabei sollten sie sich bewusst sein, dass sie diejenigen sind, die sich um die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung bemühen und einvernehmlich festgelegte Bedingungen aushandeln. Die Ausführungen im folgenden Abschnitt (Forschung und Entwicklung) und die nachstehend aufgeführten Beispiele für Tätigkeiten (S. 8) sollen Nutzern helfen festzustellen, ob ihre Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Diese Frage steht auch im Mittelpunkt bereichsspezifischer Leitfäden der Kommission. Zudem kann in bewährten Verfahren, die nach Artikel 8 der Verordnung in Bezug auf Zugang und Vorteilsausgleich entwickelt werden können, genauer darauf eingegangen werden.

Forschung und Entwicklung

Die Begriffe „Forschung und Entwicklung“, worunter im Rahmen des Protokolls Forschung und Entwicklung an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen zu verstehen ist, sind weder im Nagoya-Protokoll noch in der EU-ABS-Verordnung definiert. Bei der Auslegung dieser Begriffe sollte von ihrer allgemeinen Bedeutung in dem Zusammenhang, in dem sie verwendet werden, und vom Zweck der Verordnung ausgegangen werden.

Das Oxford Dictionary definiert Forschung als systematische Untersuchung und Erforschung von Materialien und Quellen, um Fakten festzustellen und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.

Dem Frascati Manual  (19) der OECD von 2002 zufolge umfasst die Definition von Forschung und Entwicklung sowohl Grundlagenforschung als auch angewandte Forschung: Forschung und experimentelle Entwicklung umfassen systematisches kreatives Arbeiten mit dem Ziel, das vorhandene Wissen von Menschen, Kultur und Gesellschaft zu mehren, und die Verwendung dieses Wissens zur Entwicklung neuer Anwendungen.

Viele Transaktionen und Tätigkeiten, an denen genetische Ressourcen beteiligt sind, beinhalten überhaupt keine Forschung und Entwicklung. Sie fallen daher auch nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung.

Da ein Landwirt beim bloßen Ausbringen und Ernten von Saatgut und anderem Vermehrungsmaterial weder Forschung noch Entwicklung betreibt, fallen diese Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung.

Möglicherweise muss an anderer Stelle noch genauer geklärt werden, ob eine bestimmte wissenschaftliche Tätigkeit eine Nutzung im Sinne der Verordnung darstellt und somit in deren Anwendungsbereich fällt. Fragen stellen sich insbesondere bei vorgelagerten Tätigkeiten, die sich meist unmittelbar an den erlangten Zugang zu einer genetischen Ressource anschließen. Hier besteht die Herausforderung darin, Tätigkeiten, die regelmäßig auch zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen und als solche zu fördern sind, nicht unangemessen zu belasten (Artikel 8 Buchstabe a des Nagoya-Protokolls) und dennoch die Funktionalität des ABS-Systems insgesamt zu gewährleisten.

Die Ergebnisse von Grundlagenforschung werden üblicherweise veröffentlicht. Damit können sie die Grundlage bilden für angewandte Forschung, die kommerziell relevant ist. Wer an Grundlagenforschung beteiligt ist, ist sich noch nicht unbedingt darüber im Klaren, dass seine Ergebnisse später einmal kommerziell relevant werden könnten. Je nach Art der Tätigkeit können sowohl Grundlagenforschung als auch angewandte Forschung als „Nutzung“ im Sinne des Nagoya-Protokolls und der Verordnung gelten. In gleicher Weise können auch unterschiedliche Arten wissenschaftlicher Institute von der Verordnung betroffen sein.

Manche vorgelagerte Tätigkeiten jedoch stehen zwar im Zusammenhang mit Forschung (oder werden zu ihrer Unterstützung durchgeführt), sind aber nicht als „Nutzung“ im Sinne der Verordnung anzusehen, z. B. die Pflege und Verwaltung einer Sammlung zu Erhaltungszwecken einschließlich der Lagerung von Ressourcen oder Qualitätsprüfungen/Kontrollen auf Pflanzenkrankheiten und Materialeingangskontrollen.

Auch die reine Beschreibung einer genetischen Ressource in phänotypbasierten Forschungsarbeiten, z. B. morphologischen Analysen, stellt normalerweise keine Nutzung dar.

Wenn jedoch die Beschreibung einer genetischen Ressource mit Forschungsarbeiten an dieser Ressource einhergeht, d. h. spezifische genetische und/oder biochemische Eigenschaften entschlüsselt werden, würde dies als Nutzung im Sinne des Protokolls und der Verordnung gelten. Die Nutzer sollten sich einer Art „Lackmustest“ unterziehen und sich selbst fragen, ob ihre Arbeit mit den genetischen Ressourcen neue Erkenntnisse über deren Eigenschaften hervorbringt, die (potenzielle) Vorteile für die weitere Produktentwicklung mit sich bringen. Wenn das der Fall ist, geht die Tätigkeit über die reine Beschreibung hinaus. Sie wäre als Forschungstätigkeit anzusehen und würde folglich als „Nutzung“ gelten.

Beispiele für Tätigkeiten, die (oder die nicht) unter die in der Verordnung verwendete Definition der „Nutzung“ fallen

Aus den oben genannten Gründen kann keine umfassende Liste relevanter Tätigkeiten zur Verfügung gestellt werden. Nachstehend aufgeführt sind jedoch Beispiele für Tätigkeiten, die eindeutig als Nutzung anzusehen sind und damit in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen:

Forschung an einer genetischen Ressource, um eine biochemische Verbindung zu isolieren, die als neuer (aktiver oder inaktiver) Inhaltsstoff für ein Kosmetikprodukt verwendet wird.

Zuchtprogramm zur Entwicklung einer neuen Pflanzensorte auf der Basis von Landsorten oder in der Natur vorkommenden Pflanzen.

Genmodifikation — Schaffung von gentechnisch veränderten Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen durch Einbringen eines Gens einer anderen Art.

Entwicklung oder Verbesserung von Hefen durch menschliche Eingriffe im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zur Anwendung in Produktionsprozessen (siehe allerdings unten das Beispiel zur Anwendung von Biotechnologie).

Demgegenüber stellen die folgenden Tätigkeiten keine Nutzung im Sinne der Verordnung dar und unterliegen folglich auch nicht ihren Bestimmungen:

Lieferung und Verarbeitung von wesentlichen Rohmaterialien zur nachfolgenden Einbringung in ein Produkt, wobei die Eigenschaften der in den genetischen Ressourcen enthaltenen biochemischen Verbindung bereits bekannt sind, so dass keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten mehr durchgeführt werden müssen — beispielsweise die Lieferung und Verarbeitung von Aloe Vera, Kariténüssen oder Sheabutter, ätherischem Rosenöl usw. zur Weiterverarbeitung in Kosmetika.

Genetische Ressourcen als Test-/Referenzinstrumente: In diesem Stadium ist das Material selbst nicht Gegenstand der Forschung, sondern dient nur zur Bestätigung oder Überprüfung der gewünschten Eigenschaften anderer Produkte, die entwickelt worden sind oder sich in der Entwicklung befinden. Dazu zählen beispielsweise Labortiere, an denen die Reaktion auf Medizinprodukte getestet wird, sowie Laborreferenzmaterial (z. B. Kontrollstämme), Reagenzien und Stichproben für Leistungstests oder Krankheitserreger, um die Widerstandsfähigkeit von Pflanzensorten zu testen.

Wurden jedoch in einem früheren Stadium Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an diesen genetischen Ressourcen mit dem Ziel durchgeführt, (bessere) Versuchs- oder Referenzinstrumente zu entwickeln, fällt dies in den Anwendungsbereich der Verordnung.

Umgang mit und Lagerung von biologischem Material und Beschreibung des Phänotyps.

Die Anwendung von Biotechnologie, ohne dass die genetische Ressource zum Gegenstand von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten wird. So ist beispielsweise der Einsatz von Hefen beim Bierbrauen, wenn diese kein Gegenstand von Forschung und Entwicklung, sondern lediglich Bestandteil des Brauverfahrens sind, nicht als Nutzung dieser genetischen Ressource anzusehen.

Derivate

Die Definition von „Nutzung“ im Protokoll und in der Verordnung gilt für „Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, einschließlich durch die Anwendung von Biotechnologie“. Biotechnologie wiederum ist im Übereinkommen definiert als „jede technologische Anwendung, die biologische Systeme, lebende Organismen oder Produkte [Derivate] daraus benutzt, um Erzeugnisse oder Verfahren für eine bestimmte Nutzung herzustellen oder zu verändern“ (Artikel 2, siehe auch Artikel 2 Buchstabe d des Protokolls). Durch dieses Konzept von „Biotechnologie“ ist die Definition von „Nutzung“ mit der Definition von „Derivaten“ in Artikel 2 Buchstabe e des Protokolls verknüpft. Danach ist ein Derivat „eine natürlich vorkommende biochemische Verbindung, die durch Genexpression oder den Stoffwechselprozess biologischer oder genetischer Ressourcen entstanden ist, auch wenn sie keine funktionalen Erbeinheiten enthält“. Beispiele für Derivate sind Proteine, Lipide, Enzyme, RNA und organische Verbindungen wie Flavonoide, ätherische Öle oder pflanzliche Harze. In manchen dieser Derivate sind möglicherweise keine funktionalen Erbeinheiten mehr enthalten. Der Hinweis auf natürlich vorkommende biochemische Verbindungen macht deutlich, dass synthetische Genabschnitte nicht unter diese Definition fallen.

In der Definition von „Nutzung“ wird auf Derivate Bezug genommen, eine entsprechende Bezugnahme fehlt jedoch in den grundlegenden Bestimmungen des Protokolls, auch in den Bestimmungen über die Nutzung, die letztlich seinen Anwendungsbereich bestimmen. Folglich ist der Zugang zu Derivaten dann abgedeckt, wenn er auch genetische Ressourcen für die Nutzung einschließt, wenn also der Zugang zu einem Derivat mit dem Zugang zu einer genetischen Ressource verbunden ist, von der dieses Derivat gewonnen wurde oder wird. Für die an solchen Derivaten durchzuführenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sollten beim Zugang zu den genetischen Ressourcen einvernehmliche Bedingungen festgelegt werden. Generell fallen Forschung und Entwicklung an Derivaten (unabhängig davon, ob sie funktionale Erbeinheiten enthalten) in den Anwendungsbereich der Verordnung, wenn sie von genetischen Ressourcen stammen, zu denen nach Maßgabe des Protokolls Zugang erlangt wird, wenn sie durch die erforderliche auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung in Bezug auf die genetischen Ressourcen, von denen sie stammen, abgedeckt sind, und wenn dafür einvernehmlich festgelegte Bedingungen gelten.

Informationen zu genetischen Ressourcen

Man könnte anführen, dass das Protokoll den Zugang zu und die Nutzung von genetischen Ressourcen als solche behandelt und daher keine Aspekte der digitalen Information regelt, die von genetischen Ressourcen gewonnen wird. Was eine solche Differenzierung bedeutet, muss jedoch in Anbetracht der jüngsten technologischen Entwicklungen von den Vertragsparteien des Protokolls noch geprüft werden. Unbeschadet des Ergebnisses dieser Prüfung kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Nutzung der aus Gensequenzierung gewonnenen digitalen Daten, die meist in öffentlich zugänglichen Datenbanken enthalten sind, nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fällt.

Denkbar ist auf jeden Fall, dass die Nutzung oder Veröffentlichung solcher Daten durch einvernehmlich festgelegte Bedingungen abgedeckt ist, die eingehalten werden müssen. Wer Zugang zu den genetischen Ressourcen erlangt hat und daraus Sequenzdaten erhält, sollte sich insbesondere an die Bedingungen der eingegangenen Vereinbarung halten und nachfolgende Akteure über die Rechte und Pflichten informieren, die mit diesen Daten einhergehen und an jede weitere Nutzung gebunden sind.

2.4.   Personenbezogener Anwendungsbereich: Die Verordnung gilt für alle Nutzer

Die in der EU-ABS-Verordnung vorgeschriebene Sorgfaltspflicht gilt für alle Nutzer von genetischen Ressourcen, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Ein Nutzer ist in der Verordnung definiert als „eine natürliche oder juristische Person, die genetische Ressourcen oder traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, nutzt“ (Artikel 3 Nummer 4 der Verordnung). Dies gilt unabhängig von der Größe des Nutzers und vom Zweck der Nutzung (kommerziell oder nichtkommerziell). Somit gilt die Sorgfaltspflicht für Einzelpersonen (insbesondere Forscher) ebenso wie für Institutionen (z.B. Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen), für kleine und mittlere Unternehmen ebenso wie für multinationale Firmen, die genetische Ressourcen oder sich darauf beziehendes traditionelles Wissen nutzen. Alle Rechtsträger, die Nutzungstätigkeiten durchführen (Forscher oder andere Einrichtungen), müssen, sofern alle anderen Bedingungen erfüllt sind, der Sorgfaltspflicht nach Maßgabe der EU-ABS-Verordnung nachkommen, ganz gleich, wie groß sie sind und ob sie gewinnorientiert arbeiten oder nicht.

Wer nur Material überträgt, ist kein Nutzer im Sinne der Verordnung. Er kann aber an vertragliche Verpflichtungen gebunden sein, die eingegangen worden sind, als Zugang zu dem Material erlangt wurde. Des Weiteren muss er wahrscheinlich Informationen an nachfolgende Nutzer weitergeben, damit auch sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen können (siehe auch Ausführungen zu genetischen Ressourcen als Handelsware auf den Seite 6).

Auch wer Produkte, die auf der Grundlage der Nutzung von genetischen Ressourcen oder sich darauf beziehendem traditionellem Wissen entwickelt worden sind, lediglich vermarktet, ist kein Nutzer im Sinne der Verordnung, unabhängig davon, wo die Entwicklung des Produkts stattgefunden hat. Er kann aber an vertragliche Verpflichtungen gebunden sein, die eingegangen worden sind, als Zugang zu dem Material erlangt oder eine Nutzungsänderung vorgenommen wurde; das betrifft insbesondere den Vorteilsausgleich (20).

2.5.   Geografischer Anwendungsbereich — II: Die Verordnung gilt für die Nutzung innerhalb der EU

Die Verpflichtungen aufgrund der EU-ABS-Verordnung gelten für alle Nutzer, die (in den Anwendungsbereich der Verordnung fallende) genetische Ressourcen oder sich darauf beziehendes traditionelles Wissen im Gebiet der EU nutzen.

Somit fällt die Nutzung genetischer Ressourcen außerhalb der EU nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Wenn ein Unternehmen ein Produkt in der EU vermarktet, das es durch die Nutzung genetischer Ressourcen entwickelt hat, und die Nutzung (und damit der gesamte Forschungs- und Entwicklungsprozess) außerhalb der EU stattgefunden hat, fällt dies nicht unter die EU-ABS-Verordnung.

3.   VERPFLICHTUNGEN DES NUTZERS

3.1.   Sorgfaltspflicht

Der Kern der Nutzerverpflichtung der EU-ABS-Verordnung besteht darin, mit der gebotenen Sorgfalt vorzugehen, „um festzustellen, dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen […], die […] sie nutzen, im Einklang mit den [in den Bereitstellerländern] geltenden Gesetzen oder sonstigen rechtlichen Anforderungen zum Zugang und zur Aufteilung der Vorteile erfolgt ist, und dass die Vorteile ausgewogen und gerecht zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen im Einklang mit den geltenden Gesetzen oder sonstigen rechtlichen Anforderungen aufgeteilt werden“ (Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung).

Das Konzept der „gebotenen Sorgfalt“ stammt aus der Unternehmensverwaltung, wo es regelmäßig im Zusammenhang mit unternehmerischen Entscheidungen über Zusammenschlüsse und Übernahmen angewandt wird, z. B. bei der Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten eines Unternehmens, bevor über dessen Übernahme entschieden wird (21). Der Begriff kann je nach Kontext inhaltlich variieren, doch folgende Elemente sind allgemein gültig und werden in relevanten Studien und in Gerichtsentscheidungen immer wieder angeführt:

Gebotene Sorgfalt bezieht sich auf die Beurteilung und die Entscheidungen, die von einer Person oder Einrichtung in einer bestimmten Situation nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können. Informationen sollen systematisch erhoben und genutzt werden. Dabei geht es nicht darum, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen und Perfektion anzustreben, sondern um Sorgfalt und bestmögliches Bemühen.

Gebotene Sorgfalt ist mehr als nur die Annahme von Regeln und Maßnahmen; dazu gehört auch, auf deren Anwendung und Durchsetzung zu achten. Unerfahrenheit und Zeitmangel befreien nicht von der Sorgfaltspflicht, wie Gerichte in ihren Urteilen festgestellt haben.

Die gebotene Sorgfalt muss an die Umstände angepasst sein, d. h. bei risikoreicheren Tätigkeiten ist größere Sorgfalt geboten, und neue Kenntnisse und Technologien können eine Anpassung früherer Vorgehensweisen erforderlich machen.

In dem besonderen Kontext der EU-ABS-Verordnung soll durch die gebotene Sorgfalt gewährleistet werden, dass die erforderlichen Informationen im Zusammenhang mit den genetischen Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Union verfügbar sind. Das ermöglicht es allen Nutzern, Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit den genetischen Ressourcen und/oder dem sich darauf beziehenden traditionellen Wissen zu kennen und sie einzuhalten.

Ein Nutzer — auf einer beliebigen Stufe der Wertschöpfungskette —, der bei der Suche nach Informationen sowie deren Aufbewahrung, Weitergabe und Analyse alle nach vernünftigem Ermessen zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, erfüllt damit die Sorgfaltspflicht nach Maßgabe der EU-ABS-Verordnung. Auf diese Weise kann er auch Haftungsgründe gegenüber nachfolgenden Nutzern ausschließen, auch wenn dieser Aspekt in der EU-ABS-Verordnung nicht geregelt ist.

Wie vorstehend erwähnt, kann die gebotene Sorgfalt den Umständen entsprechend variieren. Auch im Rahmen der EU-ABS-Verordnung verlangt die gebotene Sorgfalt nicht von allen Nutzern gleichartige Maßnahmen. Zwar müssen alle Nutzer Sorgfalt walten lassen, doch haben sie einigen Spielraum, um die Maßnahmen zu treffen, die in ihrem jeweiligen Kontext und in Anbetracht ihrer Kapazitäten am besten geeignet sind. Vereinigungen von Nutzern (oder andere interessierte Kreise) können auch bewährte Verfahren für ihren eigenen Bereich entwickeln und damit die für sie am besten geeigneten Maßnahmen definieren.

Sollte sich die Nutzungsabsicht in Bezug auf eine genetische Ressource ändern, müssen sich die Nutzer im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht darüber im Klaren sein, dass gegebenenfalls eine neue (oder geänderte) auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung des Bereitstellerlandes und einvernehmlich festgelegte Bedingungen für diese neue Nutzung erforderlich sind. Jede Weitergabe einer genetischen Ressource sollte im Einklang mit den MAT erfolgen. Dazu ist gegebenenfalls ein Vertrag mit dem Empfänger zu schließen.

Wenn ein Nutzer seiner Sorgfaltspflicht in der beschriebenen Weise nachkommt, er also einen vernünftigen Sorgfaltsmaßstab angewandt hat, sich aber später herausstellt, dass eine verwendete genetische Ressource von einem früheren Akteur in der Wertschöpfungskette widerrechtlich in einem Bereitstellerland erworben wurde, stellt dies keinen Verstoß des Nutzers gegen seine Verpflichtung nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung dar. Gleichwohl muss der Nutzer, sollte der Zugang zu der genetischen Ressource nicht im Einklang mit anwendbaren Zugangsregelungen erlangt worden sein, eine Zugangsgenehmigung oder ein gleichwertiges Dokument einholen und einvernehmlich festgelegte Bedingungen vereinbaren oder die Nutzung einstellen, wie es Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung vorsieht. Zusätzlich zur oben beschriebenen Verhaltenspflicht sieht die Verordnung also auch eine Ergebnispflicht vor, sobald sich herausstellt, dass PIC und MAT hätten eingeholt werden müssen (aber nicht wurden).

Ein Mitgliedstaat kann zusätzliche Regelungen für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile vorsehen, die über die Anforderungen der EU-ABS-Verordnung an die gebotene Sorgfalt hinausgehen, und bei Verstößen gegen diese Regelungen Sanktionen verhängen. Die Nutzer sollten diese Regelungen kennen, um nicht gegen nationale Rechtsvorschriften zu verstoßen, selbst wenn sie sich an die Bestimmungen der Verordnung halten.

3.2.   Feststellung der Anwendbarkeit der Verordnung

Um festzustellen, ob Verpflichtungen nach Maßgabe der Verordnung auf eine genetische Ressource Anwendung finden, muss der potenzielle Nutzer prüfen, ob das betreffende Material in den Anwendungsbereich des Protokolls und der EU-ABS-Verordnung fällt. Bei dieser Prüfung ist mit gebotener Sorgfalt vorzugehen und u. a. festzustellen, ob das Bereitstellerland Vertragspartei des Protokolls ist. Die Liste der Vertragsparteien wird auf der Website der Informationsstelle für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile (ABS-Informationsstelle) veröffentlicht. Ist das Bereitstellerland dort aufgeführt, besteht der nächste logische Schritt darin herauszufinden, ob in dem Land Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder politische Maßnahmen über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile getroffen wurden. Auch das lässt sich auf der Website der ABS-Informationsstelle (https://absch.cbd.int) feststellen.

Nach Artikel 14 Absatz 2 des Nagoya-Protokolls sind die Vertragspartner verpflichtet, der ABS-Informationsstelle ihre Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder politischen ABS-Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Das erleichtert es den Nutzern und den zuständigen Behörden der Länder, auf deren Hoheitsgebiet die genetischen Ressourcen genutzt werden, Informationen über die im Bereitstellerland geltenden Regelungen zu erhalten. Vertragsparteien des Protokolls sind auch verpflichtet, der ABS-Informationsstelle gesetzliche Vorschriften anzuzeigen, die sie zur Umsetzung der „Compliance-Säule“ (Einhaltung der Vorschriften Artikel 15 bis 17 des Protokolls) erlassen haben. So kommen die Bereitsteller von genetischen Ressourcen leichter an Informationen über die zur Einhaltung ihrer Regelungen getroffenen Maßnahmen im Nutzerland. Damit bildet die ABS-Informationsstelle das Zentrum der Verbreitung sämtlicher Informationen im Zusammenhang mit dem Nagoya-Protokoll.

Sind in der ABS-Informationsstelle keine Angaben zu geltenden Maßnahmen über den Zugang und die Aufteile der Vorteile erhältlich, gibt es aber Anhaltspunkte dafür, dass der Zugang durch Gesetze oder sonstige rechtliche Anforderungen geregelt ist, oder hält ein potenzieller Nutzer dies aus anderen Gründen für sinnvoll, kann er sich direkt an die gemäß dem Protokoll benannte Nationale Anlaufstelle wenden. Falls sich bestätigt, dass Zugangsregelungen bestehen, sollte die Anlaufstelle in der Lage sein zu klären, welche Voraussetzungen in dem betreffenden Land für den Zugang zu genetischen Ressourcen gelten. Wenn trotz aller zumutbaren Bemühungen keine Antwort der Anlaufstelle zu erhalten ist, entscheidet der (potenzielle) Nutzer selbst, ob er Zugang zu den betreffenden genetischen Ressourcen erlangen bzw. ob er sie nutzen will. In dem Fall wird davon ausgegangen, dass er die erforderlichen Schritte zur Feststellung der Anwendbarkeit der ABS-Verordnung unternommen hat.

Sollte sich später herausstellen, dass die Verordnung auf genetische Ressourcen anzuwenden ist, von denen zuvor angenommen wurde, dass sie nicht in ihren Anwendungsbereich fallen, und wird deutlich, dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen nicht im Einklang mit den geltenden gesetzlichen Zugangsregelungen erlangt worden ist, muss der Nutzer eine Zugangsgenehmigung oder ein gleichwertiges Dokument einholen und einvernehmlich festgelegte Bedingungen vereinbaren oder die Nutzung einstellen. Deshalb sollte alles getan werden, um festzustellen, ob der Zugang gesetzlich geregelt ist. In manchen Fällen kann es der Nutzer für angebracht halten, noch weitere Anstrengungen, als die oben beschriebenen zu unternehmen. Solche (zusätzlichen) Bemühungen tragen dazu bei, dass die genetischen Ressourcen entlang der weiteren Wertschöpfungskette sicher genutzt werden können. Auch wird der Wert der Ressourcen sicherlich steigen, weil nachgeordnete Nutzer solche Ressourcen vorziehen dürften, die hinsichtlich der Anwendbarkeit der ABS-Verordnung bereits sehr sorgfältig geprüft worden sind.

Es besteht keine Notwendigkeit, Bescheinigungen oder schriftliche Bestätigungen von zuständigen Behörden für genetische Ressourcen einzuholen, die (vor allem aus zeitlichen Gründen) nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Eine Bescheinigung, dass die Ressourcen nicht unter die Bestimmungen der Verordnung fallen, ist insbesondere dann nicht erforderlich, wenn die Behörden die Einhaltung der Vorschriften durch den Nutzer kontrollieren. Bei ihren Kontrollen können die zuständigen Behörden aber aufgrund verwaltungsrechtlicher Bestimmungen der Mitgliedstaaten eine Begründung und Erläuterung verlangen, weshalb bestimmte Materialien nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Deshalb empfiehlt es sich, entsprechende Belege und Nachweise dafür aufzubewahren.

3.3.   Nachweis der gebotenen Sorgfalt, wenn die Anwendbarkeit der Verordnung feststeht

Zum Nachweis der Einhaltung ihrer Sorgfaltspflicht müssen Nutzer bestimmte Informationen nach Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung einholen, aufbewahren und an nachfolgende Nutzer weitergeben. Dass mit der gebotenen Sorgfalt im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 vorgegangen wurde, kann auf zwei Arten nachgewiesen werden.

Zum einen kann die Einhaltung der Sorgfaltspflicht durch ein international anerkanntes Konformitätszertifikat (IRCC) nachgewiesen werden, das entweder für den betreffenden Nutzer ausgestellt wird oder auf das sich der Nutzer berufen kann, weil die betreffende Nutzung durch die Bedingungen des IRCC gedeckt ist (Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung) (22). Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls, die den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen geregelt haben, müssen zum Nachweis der Erteilung einer vorherigen informierten Zustimmung und der Vereinbarung einvernehmlich festgelegter Bedingungen eine Zugangsgenehmigung oder ein gleichwertiges Dokument ausstellen. Sobald sie diese Genehmigung der ABS-Informationsstelle melden, wird daraus ein Konformitätszertifikat. Somit wird eine von einer Vertragspartei des Protokolls erteilte nationale Zugangsgenehmigung zu einem international anerkannten Zertifikat, wenn die Vertragspartei sie bei der ABS-Informationsstelle anmeldet (Artikel 17 Absatz 2 des Protokolls). Der Verweis auf eine IRCC muss gegebenenfalls durch Angaben zum Inhalt der einvernehmlich festgelegten Bedingungen ergänzt werden, die für nachfolgende Nutzer relevant sind.

Wenn kein IRCC verfügbar ist, müssen die Nutzer die in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung aufgeführten Informationen und einschlägigen Dokumente einholen. Diese Informationen umfassen

den Zeitpunkt und Ort des Zugangs zu den genetischen Ressourcen (oder dem sich darauf beziehenden traditionellen Wissen);

eine Beschreibung der genetischen Ressourcen (oder des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens);

die Quelle, von der die genetischen Ressourcen (bzw. das sich darauf beziehende traditionelle Wissen) direkt bezogen wurden;

das Vorliegen bzw. Fehlen von Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit dem Zugang und der Aufteilung der Vorteile (einschließlich Rechten und Pflichten in Bezug auf spätere Anwendung und Vermarktung);

gegebenenfalls Zugangsgenehmigungen;

gegebenenfalls einvernehmlich festgelegte Bedingungen.

Nutzer müssen die ihnen vorliegenden Informationen analysieren und zu der Überzeugung gelangen, dass sie den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, die in dem Bereitstellerland gelten. Liegen den Nutzern unzureichende Informationen vor oder bestehen Unsicherheiten in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Zugangs und/oder der Nutzung, so müssen sie entweder die fehlenden Informationen einholen oder die Nutzung einstellen (Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung).

Nutzer sind verpflichtet, alle für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile relevanten Informationen nach dem Ende des Nutzungszeitraums zwanzig Jahre lang aufzubewahren (Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung).

3.4.   Bezug genetischer Ressourcen von indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften

Wenn genetische Ressourcen und insbesondere traditionelles Wissen, das sich darauf bezieht, von indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften bezogen werden, ist es bewährte Praxis, die Auffassungen und Standpunkte der Gemeinschaften, in deren Besitz sich die genetischen Ressourcen oder das traditionelle Wissen befinden, zu berücksichtigen und in einvernehmlich festgelegten Bedingungen zum Ausdruck zu bringen, auch wenn dies auf nationaler Ebene nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.

3.5.   Bezug genetischer Ressourcen von registrierten Sammlungen

Wenn genetische Ressourcen von einer (ganz oder teilweise) registrierten Sammlung im Sinne von Artikel 5 der Verordnung bezogen werden, wird davon ausgegangen, dass der Nutzer beim Einholen von Informationen über Ressourcen aus dieser Sammlung (bzw. ihrem registrierten Teil) mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist. Wird Material aus einer Sammlung bezogen, die nur in Teilen registriert ist, gilt die Sorgfaltspflicht für das Einholen von Informationen nur dann als erfüllt, wenn die genetische Ressource aus dem registrierten Teil stammt.

Wenn bei einem Nutzer davon ausgegangen wird, dass er hinsichtlich des Einholens von Informationen mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist, dann wird von ihm nicht erwartet, dass er nach den in Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung genannten Informationen fragt (sie „einholt“). Die Verpflichtung, die genetischen Ressourcen zusammen mit allen einschlägigen Informationen bereitzustellen, liegt beim Inhaber der registrierten Sammlung. Die Pflicht zur Aufbewahrung und Weitergabe dieser Informationen obliegt allerdings weiterhin dem Nutzer. Außerdem bleibt die Verpflichtung bestehen, eine Erklärung nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung auf Verlangen der Mitgliedstaaten und der Kommission oder nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung abzugeben (siehe Abschnitt 4). Die Erklärung ist zusammen mit den von der Sammlung bereitgestellten Informationen abzugeben.

Sollte sich die vorgesehene Nutzungsabsicht ändern, müssen sich die Nutzer auch in diesem Fall (siehe Abschnitt 3.1) im Klaren sein, dass sie gegebenenfalls eine neue oder aktualisierte auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung vom Bereitstellerland einholen und einvernehmlich festgelegte Bedingungen für die neue Nutzung vereinbaren müssen, sofern diese nicht durch das bereits vorliegende PIC und die MAT abgedeckt ist, auf die sich die registrierte Sammlung stützt.

4.   VORGÄNGE, DIE EINE SORGFALTSERKLÄRUNG ERFORDERN

In der ABS-Verordnung sind zwei „Kontrollstellen“ vorgesehen, an denen die Nutzer genetischer Ressourcen eine Sorgfaltserklärung abgeben müssen. Für beide Kontrollstellen ist der Inhalt der erforderlichen Erklärung in Anhängen zur Durchführungsverordnung (Verordnung (EU) 2015/1866) spezifiziert.

4.1.   Sorgfaltserklärung in der Phase der Forschungsfinanzierung

Die erste Kontrollstelle (nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung) betrifft das Forschungsstadium, wenn für ein Forschungsvorhaben, bei dem genetische Ressourcen und sich darauf beziehendes traditionelles Wissen genutzt werden, externe Finanzierung in Form eines Zuschusses (23) gewährt wird. Die EU-ABS-Verordnung unterscheidet nicht zwischen öffentlicher und privater Finanzierung. Für beide Formen der Forschungsfinanzierung gilt die Sorgfaltspflicht nach Artikel 7 Absatz 1.

Aus der Formulierung von Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung geht hervor, dass diese Erklärung von den Mitgliedstaaten und der Kommission verlangt (d. h. angefordert) werden muss. Da diese Anforderung auch auf private Finanzierungen anwendbar sein muss, die keiner Kontrolle durch die Behörden unterliegen, wollen viele Mitgliedstaaten diese Verpflichtung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf nationaler Ebene umsetzen und nicht unbedingt durch eine individuelle Aufforderung des jeweiligen Finanzierungsempfängers.

Artikel 5 Absatz 2 der Durchführungsverordnung beschreibt den Zeitpunkt für die Übermittlung einer Erklärung. Die Erklärung ist abzugeben, nachdem die erste Finanzierungsrate eingegangen ist und alle im Rahmen der finanzierten Forschungstätigkeiten genutzten genetischen Ressourcen und das sich darauf beziehende traditionelle Wissen bezogen wurden, spätestens jedoch zum Zeitpunkt des Schlussberichts oder, wenn kein solcher Bericht vorgesehen ist, bei Projektabschluss. Die Behörden der Mitgliedstaaten können den Zeitpunkt der Erklärungsabgabe innerhalb dieses in der Durchführungsverordnung definierten Zeitraums genauer spezifizieren. Auch dies kann entweder bei der zielgerichteten individuellen Aufforderung oder durch allgemeine Rechts-/Verwaltungsvorschriften erfolgen.

Wann der Antrag auf den Zuschuss gestellt wird und wann dieser Zuschuss gewährt wird, ist unerheblich für die Frage, ob eine Sorgfaltserklärung verlangt und abgegeben werden muss. Ausschlaggebend für diese Frage ist allein der Zeitpunkt des Zugangs zu den genetischen Ressourcen (oder dem sich darauf beziehenden traditionellen Wissen).

4.2.   Sorgfaltserklärung in der letzten Phase der Entwicklung eines Produkts

Die zweite Kontrollstelle, an der Nutzer eine Sorgfaltserklärung abgeben müssen, ist die letzte Phase der Entwicklung des Produkts, für dessen Entwicklung genetische Ressourcen oder sich darauf beziehendes traditionelles Wissen genutzt werden. Die Durchführungsverordnung (Artikel 6) nennt fünf Vorgänge, wobei darauf hingewiesen wird, dass die Erklärung nur einmal und zwar vor dem ersten (d. h. dem frühesten) dieser Vorgänge abgegeben wird.

In der Verordnung werden folgende Vorgänge genannt:

a)

Für ein Produkt, das durch Nutzung von genetischen Ressourcen oder von traditionellem Wissen, das sich darauf bezieht, entwickelt wurde, wird die Marktzulassung oder Genehmigung beantragt.

b)

Für ein Produkt, das durch Nutzung von genetischen Ressourcen oder von traditionellem Wissen, das sich darauf bezieht, entwickelt wurde, erfolgt eine vor dem erstmaligen Inverkehrbringen in der Union vorgeschriebene Anmeldung.

c)

Ein Produkt, das durch Nutzung von genetischen Ressourcen oder von traditionellem Wissen, das sich darauf bezieht, entwickelt wurde und für das keine Marktzulassung, Genehmigung oder Anmeldung erforderlich ist, wird zum ersten Mal in der Union in Verkehr gebracht.

d)

Das Ergebnis der Nutzung wird an eine natürliche oder juristische Person in der Union verkauft oder anderweitig weitergegeben, damit diese Person eine der Tätigkeiten gemäß den Buchstaben a, b und c durchführt.

e)

Die Nutzung in der Union wurde abgeschlossen und ihr Resultat wird an eine natürliche oder juristische Person außerhalb der Union verkauft oder anderweitig weitergegeben.

In den ersten drei Fällen geht es um Produkte, die von den Nutzern sowohl entwickelt wurden als auch in der EU in Verkehr gebracht werden sollen. In diesem Zusammenhang besteht die Möglichkeit, dass sie eine Marktzulassung oder eine Genehmigung für ein Produkt beantragen, das durch Nutzung genetischer Ressourcen entwickelt worden ist, oder dass sie eine vor der Vermarktung eines solchen Produkts vorgeschriebene Anmeldung vornehmen oder dass sie das Produkt einfach auf den Markt bringen, wenn weder eine Marktzulassung noch eine Genehmigung noch eine Anmeldung dieses Produkts erforderlich ist.

Unter den Buchstaben d und e sind andere relevante Vorgänge genannt, die nicht direkt etwas mit der (beabsichtigten) Vermarktung eines Produkts durch den Nutzer zu tun haben. In Szenario d überträgt oder verkauft ein Nutzer das Ergebnis der Nutzung an eine andere (natürliche oder juristische) Person in der Union, und diese Person beabsichtigt, das Produkt in der EU in Verkehr zu bringen. Da diese Person an der Nutzung (Forschung und Entwicklung) nicht beteiligt war, sondern nur die Herstellung und/oder Vermarktung übernimmt, fallen ihre Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung, wie in Abschnitt 2.4 erläutert wurde. Deshalb ist der letzte Nutzer in der Wertschöpfungskette (nach Definition der Verordnung) verpflichtet, eine Sorgfaltserklärung abzugeben.

Der Definition des Begriffs „Ergebnis der Nutzung“ (Artikel 6 Absatz 3 der Durchführungsverordnung) ist zu entnehmen, dass der Nutzer nur dann zur Abgabe einer Sorgfaltserklärung für das Ergebnis der Nutzung verpflichtet ist, wenn die nächste Person in der Wertschöpfungskette ein Produkt herstellen kann, das auf dem Ergebnis der Nutzung basiert, ohne dass eine weitere Nutzung (Forschung und Entwicklung) stattfindet. Die an der Wertschöpfungskette beteiligten Akteure müssen gegebenenfalls untereinander kommunizieren, um festzustellen, wer der letzte Nutzer in der Wertschöpfungskette ist. Kommuniziert werden muss möglicherweise auch, wenn sich die Nutzungsabsicht ändert, wenn etwa ein nachfolgender Akteur letztlich doch keine Nutzungstätigkeiten durchführen, sondern ein Produkt, das die betreffenden genetischen Ressourcen enthält (z. B. ein Shampoo), auf den Markt bringen will. In dem Fall wäre der vorherige Akteur verpflichtet, eine Sorgfaltserklärung abgeben.

Das Szenario unter Buchstabe e besteht, wenn die Nutzung in der EU abgeschlossen ist. Es unterscheidet sich von Szenario d und ist allgemeiner gehalten. In Szenario e kann das Resultat der Nutzung ohne jede weitere Nutzung der Ressourcen zur Herstellung des Produkts verwendet werden oder Gegenstand weiterer Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sein, die aber außerhalb der EU stattfindet. Das „Resultat der Nutzung“ ist somit umfassender als das „Ergebnis der Nutzung“.

Ergebnis der Nutzung: Ein französisches Unternehmen erhält eine Zugangsgenehmigung für die Nutzung von Pflanzen aus einem asiatischen Land (das Vertragspartei des Protokolls ist und anwendbare Zugangsregelungen erlassen hat). An den erhaltenen Stichproben werden Forschungstätigkeiten durchgeführt. Die Forschung führt zum Erfolg, das Unternehmen findet einen neuen Wirkstoff in der Pflanze. Das Material wird mit allen relevanten Informationen im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung an ein deutsches Unternehmen weitergegeben, das die weitere Entwicklung des Produkts übernimmt. Das deutsche Unternehmen schließt eine Lizenzvereinbarung mit einem belgischen Unternehmen. Dieser Technologietransfer erfordert keine weitere Forschung und Entwicklung. Vor dem erstmaligen Inverkehrbringen in der EU meldet das belgische Unternehmen das Produkt gemäß den Rechtsvorschriften der EU an. Da das belgische Unternehmen weder Forschung noch Entwicklung betrieben hat und somit kein Nutzer im Sinne der ABS-Verordnung ist, ist das deutsche Unternehmen in der „letzten Phase der Entwicklung eines Produkts“ zur Abgabe einer Sorgfaltserklärung verpflichtet. In diesem Fall war die letzte Phase erreicht, als das Ergebnis der Nutzung an eine natürliche oder juristische Person in der EU (das belgische Unternehmen) verkauft oder weitergegeben wurde, um ein Produkt auf dem Markt der Union in Verkehr zu bringen (Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe d der Durchführungsverordnung).

Resultat der Nutzung: Ein spanisches Unternehmen erhält eine Zugangsgenehmigung für die Nutzung von Pflanzen aus einem südamerikanischen Land (das Vertragspartei des Protokolls ist und anwendbare Zugangsregelungen erlassen hat). An den erhaltenen Stichproben werden Forschungstätigkeiten durchgeführt. Die Forschung führt zum Erfolg, das Unternehmen findet einen neuen Wirkstoff in der Pflanze. Das Material wird mit allen relevanten Informationen im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung an ein niederländisches Unternehmen weitergegeben, das die weitere Entwicklung des Produkts übernimmt. Das niederländische Unternehmen beschließt, die Entwicklung des Produkts nicht weiter voranzutreiben, sondern verkauft das Resultat seiner Tätigkeit an ein US-amerikanisches Unternehmen, das möglicherweise weitere Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchführen wird. Das niederländische Unternehmen gibt in der „letzten Phase der Entwicklung eines Produkts“ eine Sorgfaltserklärung ab. In diesem Fall wurde diese Phase erreicht, als die Nutzung in der EU beendet war und das Resultat der Nutzung an eine natürliche oder juristische Person außerhalb der EU (das US-amerikanische Unternehmen) verkauft oder weitergegeben wurde, unabhängig von der künftigen Tätigkeit des Unternehmens außerhalb der EU (Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe e der Durchführungsverordnung).

Die Weitergabe zwischen Einrichtungen des gleichen Unternehmens gilt nicht als Weitergabe im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 Buchstaben d und e der Durchführungsverordnung. Deshalb ist in dem Fall keine Sorgfaltserklärung erforderlich.

Auch die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Arbeiten gilt nicht als Verkauf oder Weitergabe des Ergebnisses oder Resultats der Nutzung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 Buchstaben d und e der Durchführungsverordnung. Deshalb ist eine Sorgfaltserklärung nicht erforderlich. Die allgemeine Sorgfaltspflicht kann dennoch gelten, wenn alle Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Verordnung erfüllt sind. In dem Fall ist der Verfasser der wissenschaftlichen Arbeit weiterhin verpflichtet, relevante Informationen einzuholen, aufzubewahren und an nachfolgende Akteure weiterzugeben.

5.   SEKTORSPEZIFISCHE ASPEKTE

Während für die verschiedenen Sektoren gezielte und umfassende Leitlinien für die Nutzung von genetischen Ressourcen erforderlich sind, treten in manchen Sektoren spezifische Fragen auf, die eng mit dem Anwendungsbereich der Verordnung im Zusammenhang stehen. Einige davon werden in diesem Abschnitt behandelt.

5.1.   Gesundheit

Krankheitserreger, die eine Gefahr für Menschen, Tiere oder Pflanzen darstellen, fallen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Verordnung, da sie unter das Nagoya-Protokoll fallen. Für bestimmte Krankheitserreger kann aber auch eine besondere Regelung über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 des Nagoya-Protokolls Anwendung finden. Material, für das eine besondere internationale Regelung über den Zugang und die Aufteilung der Vorteilte gilt, die mit den Zielen des Übereinkommens und des Nagoya-Protokolls im Einklang stehen und ihnen nicht zuwiderlaufen, wie der Planungsrahmen der WHO für die pandemische Influenza (PIP), fallen nicht in den Anwendungsbereich des Nagoya-Protokolls und der Verordnung (siehe Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung und Seite 5 in diesem Leitfaden).

Im Protokoll wird die Bedeutung genetischer Ressourcen für die öffentliche Gesundheit ausdrücklich anerkannt. Die Vertragsparteien müssen bei der Ausarbeitung und Durchführung ihrer Gesetze und sonstigen Vorschriften für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile gegenwärtige und drohende Notstandssituationen, welche die menschliche, tierische oder pflanzliche Gesundheit gefährden oder schädigen, gebührend beachten (Artikel 8 Buchstabe b) des Protokolls). Folglich sollte in Notsituationen auch in Bezug auf nichtpathogene genetische Ressourcen ein schneller Zugang und eine rasche Aufteilung der Vorteile angestrebt werden.

Mit der Verordnung wird einem Krankheitserreger, bei dem festgestellt wurde, dass er wahrscheinlich die Ursache einer gegenwärtigen oder drohenden gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite oder einer schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahr ist, ein besonderer Status eingeräumt. Für solche genetischen Ressourcen gilt eine verlängerte Frist für die Einhaltung der Sorgfaltspflicht (Artikel 4 Absatz 8 der Verordnung).

5.1.1.   Absichtlichkeit des Zugangs

Krankheitserreger und Schädlinge können sich in unkontrollierter Weise ausbreiten, beispielsweise durch Nahrungsmittel, die in die EU eingeführt oder zwischen Mitgliedstaaten gehandelt werden, wobei lediglich die Absicht bestand, eine Ware, nicht jedoch einen Krankheitserreger weiterzugeben. Auch Reisende können Krankheitserreger — ebenfalls unbeabsichtigt — verbreiten. (In dem Fall lässt sich häufig nicht einmal mehr feststellen, aus welchem Land die Erreger stammen.) Mit Pflanzen oder Holz, die als Waren eingeführt werden, können Blattläuse oder Käfer, mit eingeführtem Fleisch Bakterien wie Campylobacter und von Reisenden oder anderen Personen (z. B. erkranktem medizinischem Personal), die zur Behandlung in einen EU-Mitgliedstaat verbracht werden, Ebola-Viren eingeschleppt werden. In keinem der genannten Fälle werden die Schadorganismen als genetische Ressourcen absichtlich eingeführt oder verbreitet. Deshalb gilt, dass die Verordnung auf Krankheitserreger oder Schädlinge, die zusammen mit einem Menschen, einem Tier, einer Pflanze, einem Mikroorganismus, Nahrungs- oder Futtermitteln oder anderem Material aus einem Drittland oder aus einem Mitgliedstaat mit Zugangsregelungen unbeabsichtigt auf das Territorium der EU gelangen, keine Anwendung findet. Das ist auch der Fall, wenn solche genetischen Ressourcen aus einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen gelangen.

5.2.   Ernährung und Landwirtschaft

Dass genetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft besondere Bedeutung haben und dafür spezielle Lösungen erforderlich sind, ist weitgehend anerkannt. Das Nagoya-Protokoll anerkennt die Bedeutung genetischer Ressourcen für die Ernährungssicherheit und den besonderen Stellenwert der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft. Es sieht vor, dass die Vertragsparteien bei der Ausarbeitung und Durchführung ihrer ABS-Vorschriften die Bedeutung genetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft und ihre besondere Rolle für die Ernährungssicherheit berücksichtigen (Artikel 8 Buchstabe c des Protokolls). Eine andere Besonderheit von Pflanzen- und Tierzucht besteht darin, dass das Endprodukt der Nutzung genetischer Ressourcen auch wieder eine genetische Ressource ist.

Ein Bereitstellerland kann besondere Zugangsregelungen für genetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft haben, die sich von den allgemeinen ABS-Vorschriften unterscheiden. Welche besonderen ABS-Vorschriften anzuwenden sind, lässt sich in der ABS-Informationsstelle feststellen. Auch die für das Nagoya-Protokoll zuständigen Nationalen Anlaufstellen eines Bereitstellerlandes können hier Unterstützung bieten.

5.2.1.   Verschiedene Szenarien im Zusammenhang mit pflanzengenetischen Ressourcen

Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft können unter verschiedenen Voraussetzungen bezogen und genutzt werden, je nachdem, ob das Land, in dem der Zugang zu den genetischen Ressourcen erlangt wird, das Nagoya-Protokoll und/oder den Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGRFA) (24) unterzeichnet hat, und abhängig von der Art der Nutzung. In der folgenden Übersicht werden verschiedene Situationen beschrieben, und dazu wird jeweils die Anwendbarkeit der EU-ABS-Verordnung erläutert.

Nicht im Anwendungsbereich der Verordnung

In der Anlage I des ITPGRFA (25) und damit im multilateralen System des Vertrags enthaltene pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, die von Vertragsparteien des ITPGRFA bezogen werden. Solches Material fällt unter eine besondere internationale Regelung über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile, die mit den Zielen des Übereinkommens und des Nagoya-Protokolls in Einklang steht und ihnen nicht zuwiderläuft (siehe Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung und Ausführungen auf Seite 5 dieses Leitfadens).

Jede pflanzengenetische Ressource für Ernährung und Landwirtschaft, die im Rahmen einer standardisierten Materialübertragungsvereinbarung (SMTA) von internationalen Agrarforschungszentren wie denen der Beratungsgruppe für internationale Agrarforschung (CGIAR) und anderer internationaler Institutionen bezogen wird, die Vereinbarungen nach Artikel 15 des ITPGRFA (26) unterzeichnet haben. Solches Material fällt ebenfalls unter eine besondere internationale Regelung über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile, die mit den Zielen des Übereinkommens und des Nagoya-Protokolls im Einklang steht und ihnen nicht zuwiderläuft (siehe Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung und Ausführungen auf Seite 5 dieses Leitfadens).

Im Anwendungsbereich der ABS-Verordnung — Sorgfaltspflicht gilt als erfüllt

Nicht in der Anlage I enthaltene pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft von Vertragsparteien oder Nichtvertragsparteien des ITPGRFA, die auf der Grundlage einer SMTA bereitgestellt wurden. Wenn eine Vertragspartei des Nagoya-Protokolls bestimmt, dass pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, die ihrer Verwaltung und Kontrolle unterstehen und öffentlich zugänglich sind, jedoch nicht in Anlage I des ITPGRFA enthalten sind, auch den Bedingungen der Standard-Materialvereinbarungen zur Umsetzung des ITPGRFA unterliegen, wird angenommen, dass der Nutzer dieser Ressourcen mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist (Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung). Dementsprechend ist für die Nutzung dieses Materials keine Sorgfaltserklärung erforderlich.

Im Anwendungsbereich der Verordnung — Erfüllung der Sorgfaltspflicht muss nachgewiesen werden

In der Anlage I enthaltene pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft aus Ländern, die das Nagoya-Protokoll, aber nicht den ITPGRFA unterzeichnet haben und deren Zugangsregelungen auf die betreffenden pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft anzuwenden sind.

Nicht in der Anlage I enthaltene pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft von Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls, die Vertragsparteien oder Nichtvertragsparteien des ITPGRFA sind und in denen nationale Zugangsregelungen für solche pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft gelten, die nicht Gegenstand einer SMTA zur Umsetzung des ITPGRFA sind.

Alle pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (inklusive Anlage-I-Material), die für andere als die im ITPGRFA festgelegten Zwecke genutzt werden, von einer Vertragspartei des Nagoya-Protokolls mit anwendbaren nationalen Zugangsregelungen.

5.2.2.   Rechte von Pflanzenzüchtern

Der Internationale Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) (27) und die Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (28) sehen die Möglichkeit vor, Rechte an Pflanzensorten zu erwerben. Hierbei handelt es sich um eine besondere Form geistiger Eigentumsrechte im Zusammenhang mit Pflanzenzüchtungen. Es gibt einige Einschränkungen der Wirkung des Sortenschutzes, so gilt er u. a. nicht für a) Handlungen im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken; b) Handlungen zu Versuchszwecken; c) Handlungen zur Züchtung, Entdeckung und Entwicklung anderer Sorten (Artikel 15 der Verordnung Nr. 2100/94, entspricht Artikel 15 Absatz 1 des UPOV-Übereinkommens). Bei den unter Buchstabe c genannten Handlungen handelt es sich um die sogenannte „Züchterausnahme“.

Das UPOV-Übereinkommen ist keine besondere ABS-Regelung im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 des Nagoya-Protokolls. Wie dem Nagoya-Protokoll zweifelsfrei zu entnehmen ist und von der EU-ABS-Verordnung bestätigt wird (Erwägungsgrund 14), soll das Protokoll so umgesetzt werden, dass sich eine wechselseitige Unterstützung mit anderen internationalen Instrumenten ergibt, die mit den Zielen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und des Nagoya-Protokolls im Einklang stehen und ihnen nicht zuwiderlaufen. Außerdem lässt das Protokoll nach Artikel 4 Absatz 1 die Rechte und Pflichten einer Vertragspartei aus bestehenden völkerrechtlichen Übereinkünften unberührt (solange die biologische Vielfalt dadurch nicht ernsthaft geschädigt oder bedroht wird).

Die EU-ABS-Verordnung berücksichtigt die sich aus dem UPOV ergebenden Verpflichtungen. So steht die Einhaltung der sich aus der Verordnung ergebenden Pflichten nicht im Konflikt mit der im UPOV verankerten Verpflichtung zur Gewährung der Züchterausnahme. Die Sorgfaltspflicht steht somit nicht im Konflikt mit der laufenden Nutzung von genetischem Material, das im Rahmen der Züchterausnahme nach Maßgabe des UPOV geschützt ist und von Vertragsstaaten des UPOV stammt.

Abkürzungsverzeichnis

ABS

Zugang und Aufteilung der Vorteile (Access and benefit-sharing)

CBD

Übereinkommen über die Artenvielfalt, auch: Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity)

COP

Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties)

FAO

Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organisation)

IRCC

International anerkanntes Konformitätszertifikat (Internationally recognized certificate of compliance)

ITPGRFA

Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture)

MAT

Einvernehmlich festgelegte Bedingungen (Mutually agreed terms)

NFP

Nationale Anlaufstelle (National Focal Point)

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development)

PIC

auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung (Prior informed consent)

PIP

Planungsrahmen für die pandemische Influenza (Pandemic Influenza Preparedness)

RNA

Ribonukleinsäure (Ribonucleic acid)

SMTA

standardisierte Materialübertragungsvereinbarung (Standard material transfer agreement)

UPOV

Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (International Union for the Protection of New Varieties of Plants)

WHO

Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation)


(1)  ABl. L 150 vom 20.5.2014, S. 59.

(2)  ABl. L 275 vom 20.10.2015, S. 4.

(3)  http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupDetail&groupID=3123&NewSearch=1&NewSearch=1

(4)  http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupDetail&groupID=3396&NewSearch=1&NewSearch=1&Lang=DE

(5)  https://www.cbd.int/convention/text/

(6)  https://www.cbd.int/abs/text/default.shtml.

Das Protokoll wurde im Oktober 2010 im Rahmen der 10. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens in Nagoya, Japan, verabschiedet. Nachdem die notwendige Anzahl von Ratifizierungen erreicht war, trat es am 12. Oktober 2014 in Kraft.

(7)  PIC und MAT können gemeinsam veröffentlicht oder in einem Dokument zusammengefasst werden.

(8)  Beispielsweise Binnenmarktvorschriften usw.

(9)  Im weiteren Verlauf des Leitfadens schließt die verwendete Formulierung „genetische Ressourcen“ gegebenenfalls auch „traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht“, mit ein.

(10)  http://www.ats.aq.

(11)  „Zugangsregelungen“ sind Regelungen, die ein Land nach der Ratifizierung des Nagoya-Protokolls oder nach seinem Beitritt zu diesem Protokoll erlassen hat oder die bereits vor Ratifizierung/Beitritt in dem Land bestanden haben.

(12)  Siehe Abschnitt 3.4 zu genetischen Ressourcen, die von registrierten Sammlungen bezogen werden.

(13)  Eine aktualisierte Liste der Vertragsparteien finden Sie unter https://www.cbd.int/abs/nagoya-protocol/signatories/default.shtml oder unter https://www.absch.cbd.int.

(14)  Zu genetischen Ressourcen aus dem Ursprungsland, die über eine Sammlung bezogen werden, siehe Abschnitt 2.1.3.

(15)  http://planttreaty.org/

(16)  http://www.who.int/influenza/pip/en/

(17)  Zu Beginn des Abschnitts 2 wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Verordnung kumulativ sind. Die Formulierung „die Verordnung findet Anwendung auf“ impliziert folglich, dass zusätzlich zu der jeweiligen Voraussetzung alle anderen Bedingungen für die Anwendbarkeit ebenfalls erfüllt sein müssen, d. h. dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen in einem Land erlangt worden ist, das Vertragspartei des Protokolls ist und einschlägige Regelungen erlassen hat, dass der Zugang seit dem Oktober 2014 erlangt wurde, dass die genetischen Ressourcen keiner besonderen internationalen ABS-Regelung unterliegen (was unter den oben beschriebenen Umständen der Fall ist, da das Bereitstellerland keine der besonderen Übereinkünfte unterzeichnet hat), und dass es sich darüber hinaus nicht um humangenetische Ressourcen handelt.

(18)  Siehe http://www.cbd.int/decision/cop/default.shtml?id=7084 bzw. http://www.cbd.int/decision/cop/default.shtml?id=12267.

(19)  Frascati Manual: Proposed Standard Practice for Surveys on Research and Experimental Development, S. 30.

(20)  Diese Verpflichtungen sollten am besten genau geklärt werden, z. B. durch einen Vertrag zwischen dem Nutzer und demjenigen, der das Produkt vermarktet.

(21)  In der europäischen Politik wird der Begriff „Sorgfaltspflicht“ beispielsweise auch in Verbindung mit dem internationalen Holzhandel (http://ec.europa.eu/environment/forests/timber_regulation.htm) oder „Konfliktmineralien“ verwendet (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Unionssystems zur Selbstzertifizierung der Erfüllung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette durch verantwortungsvolle Einführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten, COM(2014) 111 final vom 5. März 2014).

(22)  Ob ein IRCC für einen bestimmten Nutzer oder mit allgemeiner Gültigkeit ausgestellt wird, hängt von den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bereitstellerlandes und den vereinbarten Bedingungen ab.

(23)  Nach Artikel 5 Absatz 5 der Durchführungsverordnung bedeutet Forschungsfinanzierung für die Abgabe der Sorgfaltserklärung an der ersten Kontrollstelle „jeglicher zur Durchführung von Forschungstätigkeiten mittels eines Zuschusses geleistete finanzielle Beitrag aus kommerziellen oder nichtkommerziellen Quellen. Interne Haushaltsmittel privater oder öffentlicher Einrichtungen fallen nicht darunter.“

(24)  http://www.planttreaty.org/

(25)  Anlage I enthält eine Liste von Pflanzenarten, für die das multilaterale ABS-System gilt, das in diesem Vertrag geregelt ist.

(26)  http://www.planttreaty.org/content/agreements-concluded-under-article-15.

(27)  http://upov.int/portal/index.html.de.

Seit Oktober 2015 sind die EU und 24 ihrer Mitgliedstaaten Mitglied der UPOV.

(28)  ABl. L 227 vom 1.9.1994, S. 1.


ANHANG I

Überblick über die Bedingungen für die Anwendbarkeit der EU-ABS-Verordnung

 

 

Im Anwendungsbereich (kumulative Bedingungen (*))

Nicht im Anwendungsbereich

Geografischer Anwendungs-bereich (Ursprung der GR (**))

Zugang in …

Gebiet im Hoheitsgebiet eines Landes

Gebiet außerhalb nationaler Hoheitsbefugnisse oder unter dem Antarktis-Vertragssystem

 

Bereitstellerland ist …

Vertragspartei des Nagoya-Protokolls

Keine Vertragspartei des Nagoya-Protokolls

 

Bereitstellerland hat …

anwendbare Zugangsvorschriften

keine anwendbaren Zugangsvorschriften

Zeitlicher Geltungsbereich

Zugang …

Ab dem 12. Oktober 2014

Vor dem 12. Oktober 2014

Materieller Anwendungsbereich

Genetische Ressourcen

Fallen unter keine besondere internationale ABS-Regelung

Fallen unter eine besondere internationale ABS-Regelung

 

 

Nicht-human

Human

 

 

Als Ware bezogen, aber später Gegenstand von FuE

Als Ware verwendet

 

Nutzung

FuE an genetischer und/oder biochemischer Zusammensetzung

Keine derartige FuE

Personenbezogener Anwendungsbereich

 

Natürliche oder juristische Personen, die GR nutzen

Personen, die ausschließlich GR weitergeben oder darauf basierende Produkte vermarkten

Geografischer Anwendungsbereich (Nutzung)

FuE …

Innerhalb der EU

Ausschließlich außerhalb der EU


(*)  Die Verordnung findet nur Anwendung, wenn alle Bedingungen erfüllt sind.

(**)  GR = genetische Ressource; umfasst gegebenenfalls auch „traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht“.