10.3.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 75/81


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen“

(COM(2016) 128 final — 2016/0070 (COD))

(2017/C 075/15)

Berichterstatterinnen:

Vladimíra DRBALOVÁ und Ellen NYGREN

Befassung

Europäisches Parlament, 11.4.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

22.11.2016

Verabschiedung auf der Plenartagung

14.12.2016

Plenartagung Nr.

521

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

180/84/30

1.   Schlussfolgerungen und Vorschläge

1.1.

Der EWSA begrüßt das Engagement der Europäischen Kommission, auf einen vertieften und gerechteren Binnenmarkt als eine der wichtigsten Prioritäten ihres Mandats hinzuarbeiten, und ihre Bemühungen um zusätzliche Impulse für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen ihrer Investitionsoffensive für Europa.

1.2.

Der EWSA unterstützt den Beschluss der Europäischen Kommission, die Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU (1) heranzuziehen, um eine gemeinsame Auslegung und Durchführung der Richtlinie 96/71/EG (2) über die Entsendung von Arbeitnehmern zu verbessern.

1.3.

In der Durchsetzungsrichtlinie und in dem aktuellen Vorschlag für eine gezielte Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern werden unterschiedliche Aspekte der Praxis der Arbeitnehmerentsendung behandelt. Zum einen ergänzen sie sich gegenseitig und zum anderen könnten die Ergebnisse der Durchführung der Durchsetzungsrichtlinie auch ein klareres Bild von der tatsächlichen Situation vermitteln.

1.4.

Der EWSA befürwortet grundsätzlich den Vorschlag der Kommission zur Neufassung der Entsenderichtlinie. Der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort ist der zentrale Baustein für die Säule sozialer Rechte in Europa.

1.5.

Der EWSA ist der Auffassung, dass Tarifverträge Maßstab für die Höhe der Entlohnung sind.

1.6.

Der EWSA stellt fest, dass die besondere Rolle der Sozialpartner nicht beachtet wurde, und möchte wissen, warum sie nicht gemäß Artikel 154 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ordnungsgemäß konsultiert wurden.

1.7.

Der EWSA begrüßt grundsätzlich, dass die Kommission die Höchstdauer der Entsendung konkret festlegt. Die Begrenzung auf 24 Monate ist ein Schritt in die richtige Richtung. Eine Begrenzung auf sechs Monate würde der betrieblichen Wirklichkeit näher kommen.

1.8.

Der EWSA fordert, dass in der Entsenderichtlinie klargestellt wird, dass die Richtlinie kein Maximal-, sondern ein Mindeststandard ist. Dafür muss die Rechtsgrundlage erweitert werden.

2.   Die politischen Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene

2.1.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit sind Grundprinzipien der Europäischen Union.

2.2.

Es sollte ein Unterschied zwischen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gemacht werden. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gibt allen Bürgern das Recht, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um dort zu arbeiten und zu diesem Zweck ansässig zu werden, und schützt sie im Bereich der Beschäftigung, Entlohnung und sonstigen Arbeitsbedingungen vor Diskriminierung gegenüber den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats.

2.3.

Im Gegensatz dazu erhalten die Unternehmen durch die Dienstleistungsfreiheit das Recht, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat zu erbringen. Zu diesem Zweck können sie ihre eigenen Arbeitnehmer vorübergehend in den anderen Mitgliedstaat entsenden, um dort die zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlichen Arbeiten auszuführen.

2.4.

Am 16. Dezember 1996 haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (3) verabschiedet.

2.5.

Mit dieser Richtlinie soll die Ausübung der Freiheit, grenzüberschreitende Dienstleistungen gemäß Artikel 56 AEUV zu erbringen, mit dem angemessenen Schutz der Rechte von Arbeitnehmern vereinbart werden, die zu diesem Zweck vorübergehend ins Ausland entsandt werden.

2.6.

Im Oktober 2010 unterbreitete die Kommission in ihrer Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte — Für eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft — 50 Vorschläge, um gemeinsam besser zu arbeiten, zu unternehmen und Handel zu treiben“ (4) zwei Vorschläge zur Wiederherstellung des Vertrauens und der Unterstützung seitens der Öffentlichkeit; einer betraf das ausgewogene Verhältnis zwischen grundlegenden Sozialrechten und wirtschaftlichen Freiheiten und der andere die Entsendung von Arbeitnehmern.

2.7.

Im März 2010 legten die europäischen Sozialpartner einen Bericht (5) über die Folgen der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor, in dem sie ihre stark divergierenden Ansichten darlegten. Während BusinessEurope eine Änderung der Richtlinie ablehnte (jedoch den Klärungsbedarf bestimmter Aspekte der Durchsetzung akzeptierte), sprach sich der EGB für eine grundlegende Änderung aus.

2.8.

Im Dezember 2012 veröffentlichte die Kommission einen Vorschlag zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG. Mit dieser Durchsetzungsrichtlinie  (6) wird ein gemeinsamer Rahmen angemessener und für eine bessere und einheitlichere praktische Durchführung, Anwendung und Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG notwendiger Bestimmungen, Maßnahmen und Kontrollmechanismen festgelegt, darunter auch Maßnahmen zur Verhinderung und Sanktionierung jeglicher Umgehung und jeglichen Missbrauchs der anzuwendenden Rechtsvorschriften. Zugleich werden der Schutz der Rechte entsandter Arbeitnehmer und die Beseitigung ungerechtfertigter Hindernisse für die freie Dienstleistungserbringung gewährleistet.

2.9.

Die Frist für die Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie lief am 18. Juni 2016 ab, und spätestens zum 18. Juni 2019 soll die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem EWSA einen Bericht über deren Anwendung und Umsetzung vorlegen und gegebenenfalls Änderungen vorschlagen. Die Kommission wird nach Konsultation der Mitgliedstaaten und der europäischen Sozialpartner die Angemessenheit und Zweckmäßigkeit aller eingeführten und angewandten Maßnahmen — unter anderem auch die Eignung der zur Entsendung vorliegenden Daten — prüfen.

3.   Vorschlag für eine gezielte Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern

3.1.

Laut den letzten verfügbaren Daten gab es im Jahr 2014 über 1,9 Mio. Entsendungen in der EU, was 0,7 % (7) der Gesamterwerbsbevölkerung der EU entspricht. Dies stellt eine Erhöhung um 10,3 % gegenüber 2013 und um 44,4 % gegenüber 2010 dar. Diese Statistiken basieren auf der Zahl der von einzelstaatlichen Sozialversicherungsträgern ausgestellten A1-Formulare; keine Angaben gibt es zu der Zahl der tatsächlich entsandten, nicht registrierten Arbeitnehmer.

3.2.

In der Entsenderichtlinie von 1996 wird der EU-rechtliche Rahmen festgelegt, der für ein angemessenes und gerechtes Gleichgewicht zwischen den Zielen der Förderung und Erleichterung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung, des Schutzes entsandter Arbeitnehmer und der Gewährleistung gleicher Ausgangsbedingungen für gebietsfremde und gebietsansässige Wirtschaftsteilnehmer sorgen sollte.

3.3.

Unterdessen hat die Kommission einen Vorschlag zur gezielten Überarbeitung dieser Richtlinie vorgelegt, um sowohl gegen unlautere Praktiken (8) vorzugehen als auch den Grundsatz des gleichen Entlohnung für gleiche Arbeit am gleichen Ort zu fördern.

3.4.

Der Vorschlag wurde vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der 2014 verabschiedeten Durchsetzungsrichtlinie veröffentlicht, noch bevor eine Bewertung seiner Umsetzung durchgeführt werden konnte. Die meisten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern hängen nach wie vor mit einer schlechten Durchsetzung und dem Fehlen von Kontrollen in den Mitgliedstaaten zusammen. Zugleich besteht das Hauptziel der vorgeschlagenen Überarbeitung in einer Verdeutlichung des Grundsatzes des gleichen Entlohnung. Dieses Ziel kann nur durch eine Überarbeitung der Richtlinie 96/71/EG selbst erreicht werden.

3.5.

In diesem Zusammenhang hat der EWSA bereits geltend gemacht, dass durch die wirksame Umsetzung der Entsenderichtlinie „jedoch [nicht] eine teilweise Revision der Entsenderichtlinie (…) ausgeschlossen werden [sollte], damit das ‚Arbeitsortprinzip‘ einheitlich angewandt und so gesetzlich festgelegt werden kann, dass für gleiche Arbeit am gleichen Ort immer die gleichen Arbeitsbedingungen und Löhne gelten müssen“ (9).

3.6.

Der Vorschlag wurde ohne vorherige Anhörung der europäischen Sozialpartner veröffentlicht, die die Kommission in einem gemeinsamen Schreiben zur angemessenen Konsultation im Einklang mit Artikel 154 Absatz 2 AEUV aufgefordert hatten.

3.7.

Anlässlich der Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags haben die Mitgliedstaaten, Sozialpartner und Unternehmen auch untereinander divergente Standpunkte bezogen. Die vorgeschlagene Richtlinie sollte nicht die Wettbewerbsfähigkeit untergraben oder neue Hindernisse für Anbieter grenzübergreifender Dienstleistungen schaffen. Durch die Überarbeitung sollten ein fairer Wettbewerb im Binnenmarkt gewährleistet und zugleich Diskriminierungen zwischen Arbeitnehmern aufgrund ihrer Nationalität verhindert werden.

3.8.

Im Einklang mit dem Protokoll Nr. 2 der Verträge (10) haben 14 Kammern nationaler Parlamente begründete Stellungnahmen an die Kommission gesandt, in denen sie betonen, dass der Kommissionsvorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist, wodurch das sogenannte Verfahren der „gelben Karte“ ausgelöst worden ist. Aus ihrer Subsidiaritätsüberprüfung zog die Kommission am 20. Juli 2016 den Schluss (11), dass der Vorschlag für eine gezielte Überarbeitung der Richtlinie 96/71/EG mit dem in Artikel 5 Absatz 3 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzips vereinbar und eine Rücknahme bzw. Änderung des Vorschlags nicht erforderlich ist. Die Kommission hielt daher an ihrem Vorschlag fest.

3.9.

Die Unternehmen sind teilweise der Ansicht, dass der Vorschlag gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Einige Unternehmen vertreten die Auffassung, dass die vorgeschlagenen Änderungen zu Rechtsunsicherheit und zusätzlichem Verwaltungsaufwand führen werden. Ihres Erachtens kann die Überarbeitung besonders Unternehmen aus Mitgliedstaaten mit geringerem Lohnniveau betreffen, die die Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen im Binnenmarkt anstreben, und damit dem Ziel und den Anstrengungen zur Stärkung der Konvergenz in der EU zuwiderlaufen.

3.10.

Andere, darunter auch die Gewerkschaften, sind der Ansicht, dass die vorgeschlagene Überarbeitung — und insbesondere das Konzept des gleichen Lohns für gleiche Arbeit am gleichen Ort — für gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen und mehr gleiche Rechte für Arbeitnehmer in der EU sorgen würde. Auch wird dadurch innerhalb der EU eine Angleichung nach oben gefördert, indem u. a. die Lohnunterschiede zwischen den Arbeitnehmern aus den alten und den neuen Mitgliedstaaten beseitigt werden.

3.11.

Dem Kommissionsvorschlag war eine Folgenabschätzung (12) beigefügt, in der darauf hingewiesen wird, dass sich die vorgeschlagenen Maßnahmen für die Anwendung der überarbeiteten Richtlinie unterschiedlich auf die einzelnen Mitgliedstaaten, Branchen und Unternehmen auswirken würden und dass immer noch das Problem einer lückenhaften Datenlage zur Entsendung von Arbeitnehmern besteht.

3.12.

Im Jahr 2010 veröffentlichte Eurofound einen Bericht über Arbeitnehmerentsendung in der Europäischen Union (13), in dem das Phänomen in den EU-Mitgliedstaaten und in Norwegen beleuchtet wird. Der Bericht umfasst eine Bestandsaufnahme der verfügbaren Informationsquellen über die Entsendung sowie Zahlen über diejenigen Länder, für die Daten vorliegen. Die Untersuchungen von Eurofound verdeutlichen, dass es an Daten über die Gesamtzahlen und die Merkmale der Entsendungen in der gesamten EU mangelt.

3.13.

Ergänzt wird der Eurofound-Bericht durch zwei jüngere Untersuchungen über eine gerechtere Mobilität auf dem Arbeitsmarkt: „Topical update on Member States’ progress in transposing Enforcement Directive on posting of workers“ und „Exploring the fraudulent contracting of work in the European Union“ (14).

4.   Die wichtigsten Änderungen in der vorgeschlagenen Überarbeitung der Richtlinie 96/71/EG

4.1.    Entlohnung

4.1.1.

Die Kommission schlägt vor, den Begriff „Mindestlohnsätze“ durch „Entlohnung“ zu ersetzen. Laut dem Vorschlag der Europäischen Kommission umfasst „Entlohnung“ alle die Entlohnung ausmachenden Bestandteile, die im Aufnahmemitgliedstaat vorgeschrieben sind.

4.1.2.

Die Kommission legte den Vorschlag als Reaktion auf zahlreiche Forderungen nach Maßnahmen vor, um gegen die Ursachen der Lohnunterschiede anzugehen. Ihr zufolge besteht eine Kluft zwischen den für gebietsansässige Arbeitnehmer geltenden Bedingungen und solchen für entsandte Arbeitnehmer. Nach der dem Vorschlag beigefügten Folgenabschätzung beträgt der Lohnunterschied zwischen entsandten und gebietsansässigen Arbeitskräften schätzungsweise 10 % bis 50 % je nach Land und Branche. Unterschiedliche Lohnvorschriften führen zu einer Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen zwischen den Unternehmen. Das Konzept „Mindestlohnsätze“ deckt sich nicht mit den für gebietsansässige Arbeitnehmer geltenden Entlohnungsvorschriften.

4.1.3.

Nach Auffassung der Kommission kann das Konzept „Entlohnung“ daher besser zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt für Dienstleistungen beitragen. Der Begriff „Entlohnung“ umfasst alle Bestandteile der Vergütung für gebietsansässige Arbeitnehmer, die in Rechtsvorschriften oder Tarifverträgen festgelegt sind, die für alle vergleichbaren Unternehmen im geografischen Gebiet und im betreffenden Beruf oder Gewerbe allgemeinverbindlich sind, bzw., falls es ein solches System nicht gibt, in auf einzelstaatlicher Ebene zwischen den führenden Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geschlossenen Tarifvereinbarungen, die im gesamten nationalen Hoheitsgebiet gelten. „Entlohnung“ könnte auch einige Elemente umfassen, die nicht im „Mindestlohnsatz“ enthalten sind, wie Dienstalterszulagen, Schmutz-, Erschwernis- oder Gefahrenzulagen, Qualitätsboni, 13. Monatsgehalt, Reisekosten, Essensgutscheine — wobei die meisten Länder bereits mehrere dieser Elemente in den „Mindestlohnsatz“ aufgenommen haben.

4.1.4.

Nach Ansicht der Kommission sollte die Einführung des Begriffs „Entlohnung“ zu mehr Klarheit über die die Entlohnung ausmachenden Bestandteile und zum Abbau der bestehenden Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen bei der verbindlichen Anwendung von Tarifverträgen beitragen. Der Begriff der Entlohnung sollte auch jegliche Unsicherheit hinsichtlich der Höhe des Arbeitsentgelts beseitigen, das entsandten Arbeitnehmern zu garantieren ist. Mit der vorgeschlagenen Änderung soll die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-396/13 Sähköalojen ammattiliitto kodifiziert und damit erheblich mehr Rechtssicherheit für Arbeitnehmer wie auch Unternehmen geschaffen werden (15).

4.1.5.

Die Kommission betont, dass der Vorschlag sich nicht auf die Zuständigkeiten und Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Entlohnungsvorschriften auswirken und die große Autonomie der Sozialpartner gewahrt bleiben wird. In diesem Zusammenhang ist es Besorgnis erregend, dass die Kommission die Streichung des Verweises in der derzeitigen Richtlinie vorschlägt, dass „Mindestlohnsätze durch die Rechtsvorschriften und/oder Praktiken des Mitgliedstaats bestimmt [werden], in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird“. Diese Bestimmung ist wichtig für die Übereinstimmung mit den verschiedenen nationalen Systemen der Arbeitsbeziehungen.

4.1.6.

Für die Zwecke dieser Richtlinie wird der Begriff „Entlohnung“ durch die Rechtsvorschriften, Tarifvereinbarungen und/oder Praktiken des Mitgliedstaats bestimmt, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird.

4.1.7.

Diese Richtlinie steht nicht der Anwendung von Arbeitsbedingungen des Aufnahme- oder des Herkunftslands des entsandten Arbeitnehmers entgegen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind, insbesondere durch die Ausübung des Grundrechts der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Tarifvereinbarungen auf geeigneter Ebene auszuhandeln und abzuschließen sowie kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen zu ergreifen, darunter auch Streiks, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer, einschließlich des Rechts auf Gleichbehandlung, zu schützen und zu verbessern.

4.1.8.

Zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, auf einer einzigen Website Informationen über die für in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmer geltenden Beschäftigungsbedingungen zu veröffentlichen. Dieser Prozess sollte nicht durch einen neuen Vorschlag gestört werden.

4.1.9.

Die EWSA-Mitglieder haben sich eingehend mit dem neuen Konzept der „Entlohnung“ und all seinen Auswirkungen befasst.

4.1.10.

Einige Mitglieder halten das neue Konzept für die einzige Möglichkeit, gleiche Arbeitsbedingungen für die entsandten und einheimischen Arbeitnehmer sicherzustellen, Lohnunterschiede auszuräumen und gleiche Ausgangsbedingungen für die Unternehmen zu gewährleisten. Um die umfassende Anwendung des Grundsatzes der gleichen Entlohnung zu gewährleisten, müssen am Arbeitsplatz angewandte Tarifverträge eingehalten werden, ob sie allgemeinverbindlich sind oder nicht.

4.1.11.

Andere Mitglieder wiederum befürchten, dass das neue Konzept zu Rechtsunsicherheit, Unklarheit und höherem Verwaltungs- und Kostenaufwand führen könnte. Bei jeder Debatte über die Entsendung von Arbeitnehmern sollte berücksichtigt werden, dass sich die Ausgangssituationen der ausländischen und der einheimischen Unternehmen unterscheiden. Einem ausländischen Diensteanbieter, der Arbeitnehmer entsenden will, entstehen allein durch die Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat zusätzliche Kosten in Form von weiteren Betriebskosten (16) und durch die grenzüberschreitende Entsendung bedingten indirekten Arbeitskosten (17).

4.2.    Entsendungen für mehr als 24 Monate

4.2.1.

Zu der Dauer der Entsendungen schlägt die Kommission vor, dass in Fällen, in denen die vorgesehene oder tatsächliche Entsendungsdauer 24 Monate überschreitet, der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet ein Arbeitnehmer entsandt ist, als das Land gilt, in dem dieser seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. Dies gilt ab dem ersten Tag, an dem die Entsendung die Dauer von 24 Monaten tatsächlich überschreitet. Darüber hinaus führt die Kommission einen kumulierten Entsendungszeitraum für die Fälle ein, in denen Arbeitnehmer abgelöst werden.

4.2.2.

In der ursprünglichen Richtlinie wird kein befristeter Zeitraum festgelegt, und es heißt darin, dass im Sinne der Richtlinie als „entsandter Arbeitnehmer“ jeder Arbeitnehmer gilt, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Staats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet.

4.2.3.

Der EWSA begrüßt grundsätzlich die Begrenzung der Entsendedauer im Regelungsbereich der Entsenderichtlinie. In der Praxis sind dauerhafte bzw. immer wiederkehrende Entsendungen bis hin zu mehrjährigen Kettenentsendungen an der Tagesordnung. Aus Sicht des EWSA ist die Begrenzung auf 24 Monate jedoch für die Praxis untauglich und sollte deutlich verkürzt werden. So betrug die durchschnittliche Dauer von Entsendungen 2014 sogar weniger als vier Monate (103 Tage). Daher würde auch eine Kumulationsregel, die erst ab einer Entsendedauer von sechs Monaten gilt, ins Leere laufen. Die Höchstdauer der Entsendung sollte auf sechs Monate insgesamt begrenzt werden.

4.2.4.

Der EWSA fordert daher eine Regelung, nach der Entsendezeiträume ab dem ersten Tag zusammengerechnet werden. Damit die Regelung nicht nur zu einem Austausch von entsandten Arbeitnehmern führt, ist wichtig, dass der Bezugspunkt hierfür der konkrete Arbeitsplatz bleibt. Hierbei ist der Arbeitgeber zu verpflichten, Transparenz über die Arbeitsplätze herzustellen und den Beschäftigten und den zuständigen Behörden z. B. Auskunft darüber zu erteilen, wie viele Beschäftigte wie lange vorher auf der Stelle beschäftigt waren.

4.2.5.

Der EWSA begrüßt, dass bei einer Überschreitung der Höchstentsendezeit grundsätzlich das Recht des Aufnahmemitgliedstaates gilt. Aus Sicht des EWSA ist hierbei jedoch problematisch, dass in Erwägungsgrund 8 auf die Rom-I-Verordnung verwiesen wird („Für die Arbeitnehmer gelten insbesondere der Schutz und die Leistungen gemäß der ROM-I-Verordnung“). Nach Artikel 8 der Rom-I-Verordnung unterliegen Individualarbeitsverträge grundsätzlich der Rechtswahl der Parteien.

4.3.    Vergabe von Unteraufträgen

4.3.1.

Mit dem Kommissionsvorschlag wird es den Mitgliedstaaten ermöglicht, für Arbeitnehmer in einer Untervergabekette dieselben Bedingungen wie durch den Hauptauftragnehmer anzuwenden. Diese Bedingungen müssten — im Einklang mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung — genauso für nationale wie für grenzüberschreitende Unterauftragnehmer gelten.

4.3.2.

Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. Tarifverträgen der einzelnen Mitgliedstaaten, mit denen sichergestellt werden soll, dass Unternehmen nicht durch die Untervergabe von Aufträgen Vorschriften über bestimmte die Entlohnung betreffende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen umgehen können. Es ist nicht erkennbar, wie viele Mitgliedstaaten bereits ein solches System anwenden, und die Kommission hat in ihrer Folgenabschätzung keine eingehende Untersuchung der möglichen Folgen derartiger Bestimmungen vorgelegt.

4.3.3.

Mit Blick auf die Praxistauglichkeit dieses Teils des Vorschlags könnte es jedoch nützlich sein, auf eine Vorschrift über die gesamtschuldnerische Haftung über alle Unterauftragsketten hinweg gemäß Artikel 12 der Durchsetzungsrichtlinie (18) zu verweisen.

4.3.4.

Darüber hinaus ist die Formulierung „bestimmte die Entlohnung betreffende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“ vage und wird zu Rechtsunsicherheit, unterschiedlichen Auslegungen und möglichen Widersprüchen zu anderen Teilen der Richtlinie führen. Ferner gäbe es Vergleichsprobleme und viele andere rein praktische Probleme, wie der Zugang zu Informationen (auch in Verbindung mit der Verpflichtung der Regierungen, derartige Informationen nach Artikel 5 der Richtlinie 2014/67/EU zu veröffentlichen, und der Verfügbarkeit von Tarifverträgen).

4.3.5.

Unklar ist auch, wie die Kommission für diese Bestimmungen Prüfungen der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit festlegen und durchführen würde.

4.3.6.

Darüber hinaus werden angemessene Vorschriften eingeführt werden müssen, um den tatsächlichen Status der Selbstständigkeit von Unterauftragnehmern — im Einklang mit den Normen der Mitgliedstaaten — zu prüfen.

4.4.    Leiharbeit

4.4.1.

Die Kommission führt eine neue Verpflichtung für die Mitgliedstaaten mit dem neuen Absatz ein, in dem die für Arbeitnehmer gemäß Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c der Richtlinie geltenden Bedingungen festgelegt werden, d. h. für Arbeitnehmer, die von einem Leiharbeitsunternehmen zur Verfügung gestellt werden, das seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsmitgliedstaat des verwendenden Unternehmens hat. Die in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c genannten Unternehmen müssen entsandten Arbeitnehmern die nach Artikel 5 der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit (19) für Leiharbeitnehmer geltenden Bedingungen garantieren, die im Mitgliedstaat der Leistungserbringung niedergelassene Leiharbeitsunternehmen zur Verfügung stellen.

4.4.2.

Nach Ansicht des EWSA ist diese neue Bestimmung nicht erforderlich, da die ursprüngliche Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern in Artikel 3 Absatz 9 bereits eine solche Möglichkeit enthält. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen Arbeitnehmern im Sinne von Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c diejenigen Bedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird, für Leiharbeitnehmer gelten. Die Möglichkeit der Anwendung der Richtlinie 2008/104/EG wird bereits von einer Mehrheit der Aufnahmeländer genutzt.

4.4.3.

Nach Ansicht des EWSA sollte die Kommission die bestehende Regelung beibehalten. Es muss berücksichtigt werden, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2008/104/EG für die jeweiligen Umstände in den verschiedenen Mitgliedstaaten gelten, während die Richtlinie 96/71/EG für grenzüberschreitende Tätigkeiten gilt. Dies wurde von der Kommission selbst in ihrem Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit (20) anerkannt.

4.4.4.

Der EWSA weist darauf hin, dass Artikel 5 der Richtlinie 2008/104/EG viel weiter gefasst ist als Artikel 3 Absatz 9 der Richtlinie 96/71/EG und dass dies paradoxerweise zu unterschiedlichen Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern nach Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a und b sowie nach Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c der geltenden Rechtsvorschriften führen könnte.

5.   Weitere Maßnahmen

5.1.

Die Kommission sollte die Mitgliedstaaten zur fristgerechten Umsetzung der Richtlinie 2014/67/EU (21) anhalten, sofern diese noch nicht erfolgt ist, und die korrekte Durchführung in allen Mitgliedstaten sicherstellen. Nach zwei Jahren sollte die Kommission eine Folgenabschätzung vornehmen, um festzustellen, ob die getroffenen Maßnahmen zu einer angemessenen und wirksamen Durchführung und Durchsetzung geführt haben, denn diese sind von zentraler Bedeutung für den Schutz der Rechte entsandter Arbeitnehmer und für die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Dienstleister.

5.2.

Die Kommission sollte eine eingehende Analyse der Umstände in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten durchführen, reale quantitative Informationen über entsandte Arbeitnehmer vorlegen und Möglichkeiten der Durchführung und Durchsetzung der geltenden Richtlinie darlegen.

5.3.

Die Verfügbarkeit zuverlässiger Daten über Entsendungen ist eine Voraussetzung für eine wirkungsvolle Debatte über ihre besonderen Merkmale und den spezifischen Schutzbedarf der entsandten Arbeitnehmer.

5.4.

Wenn die Kommission einen fairen Wettbewerb sicherstellen will, sollte der Schwerpunkt ihrer nächsten Schritte auch auf der Bekämpfung betrügerischer Praktiken und der Beseitigung des Phänomens irregulärer oder nicht angemeldeter Arbeit liegen, das vor allem durch den Missbrauch in Form von Briefkastenfirmen gekennzeichnet ist.

5.5.

Die Kommission sollte die wirtschaftliche und soziale Konvergenz nach oben in der EU vorantreiben und zugleich eine gerechte Mobilität von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen gewährleisten.

5.6.

Die Kommission sollte die Sozialpartner konsultieren, ihre Autonomie anerkennen und die einschlägigen Tarifverträge respektieren.

5.7.

Der EWSA spricht sich dafür aus, dass im Rahmen der Revision klargestellt wird, dass die Entsenderichtlinie kein reines Binnenmarktinstrument ist, sondern ein Instrument zum Schutz von Arbeitnehmern. Dies erfordert eine Ausweitung der Rechtsgrundlage unter Einbeziehung der sozialpolitischen Rechtsgrundlagen (Artikel 153 und 155 AEUV). Mit der Überarbeitung der Richtlinie muss zudem die durch die Serie von EuGH-Urteilen (Laval, Rüffert, Kommission gegen Luxemburg) entstandene Fehlinterpretation der Entsenderichtlinie als Maximalstandard korrigiert werden und der Charakter als Mindeststandard wiederhergestellt werden.

Brüssel, 14. Dezember 2016

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“) (ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11).

(2)  Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1).

(3)  Siehe Fußnote 2.

(4)  COM(2010) 608 final/2.

(5)  Der Bericht wurde auf der von der spanischen Ratspräsidentschaft am 23. März 2010 in Oviedo organisierten Konferenz zum „Thema Entsendung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerrechte“ vorgestellt. Die Diskussionen zeigten erneut die unterschiedlichen Auffassungen der Interessenträger.

(6)  Siehe Fußnote 1.

(7)  Siehe Europäische Kommission „Posting of workers — Report on A1 portable documents issued in 2014“, veröffentlicht im Dezember 2015. Es ist zu bedenken, dass sich die Lage von Land zu Land unterscheidet und 0,7 % lediglich ein Durchschnittswert ist. Die realen Werte liegen zwischen 0,5 % und 3,6 %. Die Auswirkungen auf die einzelnen Mitgliedstaaten sind auch unterschiedlich.

(8)  Siehe auch die EWSA-Stellungnahme vom 27. April 2016 zum Thema „Gerechtere Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU“ (ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 11).

(9)  EWSA-Stellungnahme vom 14.7.2010 zum Thema „Die soziale Dimension des Binnenmarktes“, Ziffer 1.7 (ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 90).

(10)  Protokoll Nr. 2 der Verträge über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.

(11)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und die nationalen Parlamente zu dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern — Prüfung des Subsidiaritätsprinzips gemäß dem Protokoll Nr. 2, COM(2016) 505 final vom 20. Juli 2016.

(12)  Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen — Folgenabschätzung — Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, SWD(2016) 52 final vom 8. März 2016 (nur in englischer Sprache).

(13)  Bericht von Eurofound über „Posted workers in the European Union“, Roberto Pedersini und Massimo Pallini, veröffentlicht im Jahr 2010 (in Englisch).

(14)  Die vorläufigen Ergebnisse der beiden Untersuchungen wurden auf der Konferenz der EWSA-Arbeitsmarktbeobachtungsstelle zum Thema „Gerechtere Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU“ am 28. September 2016 vorgestellt. Siehe Eurofound (2016) EurWORK Topical update über „Member States' progress in transposing Enforcement Directive on posting of workers“ und Eurofound (2016) „Exploring the fraudulent contracting of work in the European Union“.

(15)  In der Rechtssache C-396/13 Sähköalojen ammattiliitto hat der Europäische Gerichtshof am 12. Februar 2015 entschieden, dass „Mindestlohnsätze“ nicht im Ermessen eines Arbeitgeber stehen können, der nur deshalb Arbeitnehmer entsendet, um im Vergleich zur Beschäftigung einheimischer Arbeitnehmern Arbeitskosten einzusparen. Ferner hat der Gerichtshof geurteilt, dass Tagegeld als Ausgleich für die Entsendung den entsandten Arbeitnehmern in gleicher Höhe zu zahlen ist wie einheimischen Arbeitnehmern in einer vergleichbaren Lage. Daher lehnt der EuGH die Forderung ab, dass ein Arbeitgeber unabhängig von den Qualifikationen oder der Dauer der Betriebszugehörigkeit der betreffenden Arbeitnehmer die niedrigste Lohngruppe festlegen könnte.

(16)  Indirekter Kostenaufwand durch die Aneignung von Verwaltungsanforderungen und -vorschriften in anderen Mitgliedstaaten wie Mitteilungsverfahren, Übersetzung von Dokumenten, Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden usw.

(17)  Diese durch die grenzüberschreitende Entsendung bedingten indirekten Arbeitskosten könnten um bis zu 32 % ansteigen. Zu diesem vorläufigen Ergebnis u. a. kommt eine Studie über „Labour cost in cross-border services“ unter der Leitung von Dr. Marek Benio der Fakultät Öffentliche Wirtschaft und Verwaltung der Wirtschaftsuniversität Krakau. Die Ergebnisse wurden auf der Konferenz der EWSA-Arbeitsmarktbeobachtungsstelle zum Thema „Gerechtere Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU“ am 28. September 2016 vorgestellt.

(18)  

Artikel 12 der Richtlinie 2014/67/EU über die Haftung bei Unteraufträgen (siehe Fußnote 1).

(19)  Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 9).

(20)  Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Anwendung der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit, COM(2014) 176 final.

(21)  Siehe Fußnote 1.


ANHANG

Die folgende abgelehnte Gegenstellungnahme erhielt mindestens ein Viertel der Stimmen:

Gegenstellungnahme

Gesamte Stellungnahme durch folgenden Text ersetzen (Begründung am Ende des Dokuments):

1.    Schlussfolgerungen und Vorschläge

1.1.

Der EWSA begrüßt das Engagement der Europäischen Kommission, auf einen vertieften und gerechteren Binnenmarkt als eine der wichtigsten Prioritäten ihres Mandats hinzuarbeiten, und ihre Bemühungen um zusätzliche Impulse für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen ihrer Investitionsoffensive für Europa.

1.2.

Der EWSA unterstützt den Beschluss der Europäischen Kommission, die Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU  (1) heranzuziehen, um eine gemeinsame Auslegung und Durchführung der Richtlinie 96/71/EG  (2) über die Entsendung von Arbeitnehmern zu verbessern, die gleichwohl auf ausgewogene Weise sowohl die Rechte zur Erbringung von Dienstleistungen als auch die Rechte entsandter Arbeitnehmer gewährleistet.

1.3.

In der Durchsetzungsrichtlinie und in dem aktuellen Vorschlag für eine gezielte Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern werden unterschiedliche Aspekte der Praxis der Arbeitnehmerentsendung behandelt; zum einen ergänzen sie sich deshalb gegenseitig und zum anderen könnten die Ergebnisse der Durchführung der Durchsetzungsrichtlinie auch ein klareres Bild von der tatsächlichen Situation vermitteln.

1.4.

Bislang haben noch nicht alle Mitgliedstaaten ihre Umsetzung abgeschlossen. Der EWSA geht davon aus, dass der Kommissionsbericht, der spätestens am 18. Juni 2019 vorliegen soll, einen zuverlässigen Überblick über die Anwendung und Durchführung der Richtlinie geben wird. Einige EWSA-Mitglieder empfehlen, den Kommissionsbericht abzuwarten, bevor weitere Änderungen vorgeschlagen werden.

1.5.

Einige EWSA-Mitglieder halten die Vorlage einer überarbeiteten Entsenderichtlinie für verfrüht und nicht mit dem Grundsatz der besseren Rechtsetzung vereinbar. Ein solcher Ansatz kann zu einer verlangsamten Umsetzung der Richtlinie von 2014 und einer Verquickung der Durchsetzungsmaßnahmen mit den neuen Vorschlägen führen.

1.6.

Nach Meinung des EWSA liegen nicht genügend zuverlässige Daten über Entsendungen in ganz Europa vor, was die Gewährleistung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gefährden könnte — zumal sich die Frage stellt, ob die Folgenabschätzung zur geplanten überarbeiteten Entsenderichtlinie ein wirklichkeitsgetreues Bild vermittelt.

1.7.

Die Einführung neuer Änderungen auf der Grundlage einer oberflächlichen Folgenabschätzung, einer unvollständigen Datenlage und ohne Rücksicht auf die unterschiedliche Wirtschaftsleistung wird nur zu neuen Trennlinien zwischen den Mitgliedstaaten führen und die Bemühungen der Kommission zur Förderung von Konvergenz, Integration und Vertrauen in Europa untergraben.

1.8.

Der EWSA stellt fest, dass die besondere Rolle der Sozialpartner nicht beachtet wurde, und möchte wissen, warum sie nicht gemäß Artikel 154 Absatz 2 AEUV ordnungsgemäß konsultiert wurden.

1.9.

Ein wichtiger Aspekt der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen gezielten Überarbeitung der Entsenderichtlinie ist der Begriff der Entlohnung. Nicht nur die Mitglieder des EWSA befassen sich eingehend mit der durch die Rechtsprechung geklärten Mindestlohn-Option und einer neuen Methode für die Berechnung der Entlohnung. Einige Mitglieder sehen diesen neuen Ansatz als eine Möglichkeit, die Bedingungen für entsandte Arbeitnehmer zu verbessern und die gleichen wie für gebietsansässige Arbeitnehmer geltenden Bedingungen sicherzustellen. Andere Mitglieder hingegen erachten diesen Vorschlag als ungeeignet für die unternehmerische Realität, da er zu Unsicherheit sowie einem größeren Verwaltungs- und Kostenaufwand für die Unternehmen führt.

1.10.

Der EWSA ist nicht von der Notwendigkeit überzeugt, die Dauer einer Entsendung durch strenge Vorschriften zu regeln. Die Erfahrung zeigt, dass Entsendungen von außerordentlich langer Dauer im europäischen Unternehmensalltag kein größeres Problem darstellen.

2.    Die politischen Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene

2.1.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit sind Grundprinzipien der Europäischen Union.

2.2.

Es sollte ein Unterschied zwischen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gemacht werden. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gibt allen Bürgern das Recht, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um dort zu arbeiten und zu diesem Zweck ansässig zu werden, und schützt sie im Bereich der Beschäftigung, Entlohnung und sonstigen Arbeitsbedingungen vor Diskriminierung gegenüber den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats.

2.3.

Im Gegensatz dazu erhalten die Unternehmen durch die Dienstleistungsfreiheit das Recht, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat zu erbringen. Zu diesem Zweck können sie ihre eigenen Arbeitnehmer vorübergehend in den anderen Mitgliedstaat entsenden, um dort die zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlichen Arbeiten auszuführen.

2.4.

Am 16. Dezember 1996 haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen  (3) verabschiedet.

2.5.

Mit dieser Richtlinie soll die Ausübung der Freiheit, grenzüberschreitende Dienstleistungen gemäß Artikel 56 AEUV zu erbringen, mit dem angemessenen Schutz der Rechte von Arbeitnehmern vereinbart werden, die zu diesem Zweck vorübergehend ins Ausland entsandt werden.

2.6.

Im Oktober 2010 unterbreitete die Kommission in ihrer Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte — Für eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft — 50 Vorschläge, um gemeinsam besser zu arbeiten, zu unternehmen und Handel zu treiben“  (4) zwei Vorschläge zur Wiederherstellung des Vertrauens und der Unterstützung seitens der Öffentlichkeit; einer betraf das ausgewogene Verhältnis zwischen grundlegenden Sozialrechten und wirtschaftlichen Freiheiten und der andere die Entsendung von Arbeitnehmern.

2.7.

Im März 2010 legten die europäischen Sozialpartner einen Bericht  (5) über die Folgen der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor, in dem sie ihre stark divergierenden Ansichten darlegten. Während BusinessEurope eine Änderung der Richtlinie ablehnte (jedoch den Klärungsbedarf bestimmter Aspekte der Durchsetzung akzeptierte), sprach sich der EGB für eine grundlegende Änderung aus.

2.8.

Im Dezember 2012 veröffentlichte die Kommission einen Vorschlag zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG. Mit dieser Durchsetzungsrichtlinie  (6) wird ein gemeinsamer Rahmen angemessener und für eine bessere und einheitlichere praktische Durchführung, Anwendung und Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG notwendiger Bestimmungen, Maßnahmen und Kontrollmechanismen festgelegt, darunter auch Maßnahmen zur Verhinderung und Sanktionierung jeglicher Umgehung und jeglichen Missbrauchs der anzuwendenden Rechtsvorschriften. Zugleich werden der Schutz der Rechte entsandter Arbeitnehmer und die Beseitigung ungerechtfertigter Hindernisse für die freie Dienstleistungserbringung gewährleistet.

2.9.

Die Frist für die Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie lief am 18. Juni 2016 ab, und spätestens zum 18. Juni 2019 soll die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem EWSA einen Bericht über deren Anwendung und Umsetzung vorlegen und gegebenenfalls Änderungen vorschlagen. Die Kommission wird nach Konsultation der Mitgliedstaaten und der europäischen Sozialpartner die Angemessenheit und Zweckmäßigkeit aller eingeführten und angewandten Maßnahmen — unter anderem auch die Eignung der bezüglich Entsendung vorliegenden Daten — prüfen.

3.    Vorschlag für eine gezielte Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern

3.1.

Laut den letzten verfügbaren Daten gab es im Jahr 2014 über 1,9 Mio. Entsendungen in der EU, was 0,7 %  (7) der Gesamterwerbsbevölkerung der EU entspricht. Dies stellt eine Erhöhung um 10,3 % gegenüber 2013 und um 44,4 % gegenüber 2010 dar. Diese Statistiken basieren auf der Zahl der von einzelstaatlichen Sozialversicherungsträgern ausgestellten A1-Formulare; keine Angaben gibt es zu der Zahl der tatsächlich entsandten, nicht registrierten Arbeitnehmer.

3.2.

In der Entsenderichtlinie von 1996 wird der EU-rechtliche Rahmen festgelegt, der für ein angemessenes und gerechtes Gleichgewicht zwischen den Zielen der Förderung und Erleichterung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung, des Schutzes entsandter Arbeitnehmer und der Gewährleistung gleicher Ausgangsbedingungen für gebietsfremde und gebietsansässige Wirtschaftsteilnehmer sorgen sollte.

3.3.

Unterdessen hat die Kommission einen Vorschlag zur gezielten Überarbeitung dieser Richtlinie vorgelegt, um sowohl gegen unlautere Praktiken  (8) vorzugehen als auch den Grundsatz der gleichen Entlohnung für gleiche Arbeit am gleichen Ort zu fördern.

3.4.

Der Vorschlag wurde vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der 2014 verabschiedeten Durchsetzungsrichtlinie veröffentlicht, noch bevor eine Bewertung seiner Umsetzung durchgeführt werden konnte. Die meisten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern hängen nach wie vor mit einer schlechten Durchsetzung und dem Fehlen von Kontrollen in den Mitgliedstaaten zusammen.

3.5.

Außerdem wurde der Vorschlag ohne vorherige Anhörung der europäischen Sozialpartner veröffentlicht, die die Kommission in einem gemeinsamen Schreiben zur angemessenen Konsultation im Einklang mit Artikel 154 Absatz 2 AEUV aufgefordert hatten: „Wir wenden uns nun schriftlich an die Kommission, um sie aufzufordern, Zeit für eine angemessene Konsultation der Sozialpartner vorzusehen, bevor sie ihren Vorschlag unterbreitet  (9).“

3.6.

Anlässlich der Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags haben die Mitgliedstaaten, Sozialpartner und Unternehmen auch untereinander divergente Standpunkte bezogen. Die vorgeschlagene Richtlinie sollte nicht die Wettbewerbsfähigkeit untergraben oder neue Hindernisse für Anbieter grenzübergreifender Dienstleistungen schaffen.

3.7.

Im Einklang mit dem Protokoll Nr. 2 der Verträge  (10) haben 14 Kammern nationaler Parlamente begründete Stellungnahmen an die Kommission gesandt, in denen sie betonen, dass der Kommissionsvorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist, wodurch das sog. Verfahren der „gelben Karte“ ausgelöst worden ist. Aus ihrer Subsidiaritätsüberprüfung zog die Kommission am 20. Juli 2016 den Schluss  (11) , dass der Vorschlag für eine gezielte Überarbeitung der Richtlinie 96/71/EG mit dem in Artikel 5 Absatz 3 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip vereinbar und eine Rücknahme bzw. Änderung des Vorschlags nicht erforderlich ist. Die Kommission hielt daher an ihrem Vorschlag fest.

3.8.

Die Unternehmen sind teilweise der Ansicht, dass der Vorschlag gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Einige Unternehmen vertreten die Auffassung, dass die vorgeschlagenen Änderungen zu Rechtsunsicherheit und zusätzlichem Verwaltungsaufwand führen werden. Die Überarbeitung kann besonders Unternehmen aus Mitgliedstaaten mit geringerem Lohnniveau betreffen, welche die Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen im Binnenmarkt anstreben; dies läuft dem Ziel und den Anstrengungen zur Stärkung der Konvergenz in der EU zuwider.

3.9.

Andere, darunter auch die Gewerkschaften, sind der Ansicht, dass die vorgeschlagene Überarbeitung — und insbesondere das Konzept des gleichen Lohns für gleiche Arbeit am gleichen Ort — für gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen und mehr gleiche Rechte für Arbeitnehmer in der EU sorgen würde.

3.10.

Dem Kommissionsvorschlag war eine Folgenabschätzung  (12) beigefügt, in der darauf hingewiesen wird, dass sich die vorgeschlagenen Maßnahmen für die Anwendung der überarbeiteten Richtlinie unterschiedlich auf die einzelnen Mitgliedstaaten, Branchen und Unternehmen auswirken würden und dass immer noch das Problem einer lückenhaften Datenlage zur Entsendung von Arbeitnehmern besteht.

3.11.

Vergleichbare Zahlen basieren auf den portablen Dokumenten A1, die von Unternehmen, welche Arbeitnehmer in bestimmte Länder entsenden, detaillierte Angaben erfordern. Die Richtigkeit der Informationen in diesen portablen Dokumenten A1 kann aufgrund fehlender offizieller Kontrollen durch die Behörden in den Herkunftsländern nicht gewährleistet werden. Daher sind die in der Folgenabschätzung aufgeführten Zahlen lediglich eine Schätzung der tatsächlichen Anzahl von Entsendungen und vermitteln kein wirklichkeitsgetreues Bild.

3.12.

Im Jahr 2010 veröffentlichte Eurofound einen Bericht über Arbeitnehmerentsendung in der Europäischen Union  (13) , in dem das Phänomen in den EU-Mitgliedstaaten und in Norwegen beleuchtet wird. Der Bericht umfasst eine Bestandsaufnahme der verfügbaren Informationsquellen über die Entsendung sowie Zahlen über diejenigen Länder, für die Daten vorliegen. Die Untersuchungen von Eurofound verdeutlichen, dass es an Daten über die Gesamtzahlen und die Merkmale der Entsendungen in der gesamten EU mangelt.

3.13.

Ergänzt wird der Eurofound-Bericht durch zwei jüngere Untersuchungen, eine Kurzanalyse über die Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU zur Verbesserung der Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern und ein Projekt über missbräuchliche Praktiken bei Vertragsarbeit und Selbstständigkeit  (14).

4.    Die wichtigsten Änderungen in der vorgeschlagenen Überarbeitung der Richtlinie 96/71/EG

4.1.    Entlohnung

4.1.1.

Die Kommission schlägt vor, den Begriff „Mindestlohnsätze“ durch „Entlohnung“ zu ersetzen. Laut dem Vorschlag der Europäischen Kommission umfasst „Entlohnung“ alle die Entlohnung ausmachenden Bestandteile, die im Aufnahmemitgliedstaat vorgeschrieben sind.

4.1.2.

Die Kommission legte den Vorschlag als Reaktion auf zahlreiche Forderungen nach Maßnahmen vor, um gegen die Ursachen der Lohnunterschiede anzugehen. Ihr zufolge besteht eine Kluft zwischen den für gebietsansässige Arbeitnehmer geltenden Bedingungen und solchen für entsandte Arbeitnehmer. Nach der dem Vorschlag beigefügten Folgenabschätzung beträgt der Lohnunterschied zwischen entsandten und gebietsansässigen Arbeitskräften schätzungsweise 10 % bis 50 % je nach Land und Branche. Unterschiedliche Lohnvorschriften führen zu einer Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen zwischen den Unternehmen. Das Konzept „Mindestlohnsätze“ deckt sich nicht mit den für gebietsansässige Arbeitnehmer geltenden Entlohnungsvorschriften.

4.1.3.

Nach Auffassung der Kommission kann das Konzept „Entlohnung“ daher besser zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt für Dienstleistungen beitragen. Der Begriff „Entlohnung“ umfasst alle Bestandteile der Vergütung für gebietsansässige Arbeitnehmer, die aufgrund von Rechtsvorschriften oder Tarifverträgen allgemeinverbindlich für alle vergleichbaren Unternehmen im geografischen Gebiet und im betreffenden Beruf oder Gewerbe sind oder die auf einzelstaatlicher Ebene zwischen den führenden Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geschlossen wurden und im gesamten nationalen Hoheitsgebiet gelten. „Entlohnung“ könnte auch einige Elemente umfassen, die nicht im „Mindestlohnsatz“ enthalten sind, wie Dienstalterszulagen, Schmutz-, Erschwernis- oder Gefahrenzulagen, Qualitätsboni, 13. Monatsgehalt, Reisekosten, Essensgutscheine — wobei die meisten Länder bereits mehrere dieser Elemente in den „Mindestlohnsatz“ aufgenommen haben.

4.1.4.

Nach Ansicht der Kommission sollte die Einführung des Begriffs „Entlohnung“ zu mehr Klarheit über die die Entlohnung ausmachenden Bestandteile und zum Abbau der bestehenden Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen bei der verbindlichen Anwendung von Tarifverträgen beitragen.

4.1.5.

Gleichwohl kann der Begriff „Entlohnung“ als ungenau gelten und lässt Raum für unterschiedliche Auslegungen, was zu Rechtsunsicherheit führen wird. Das Konzept der „Mindestlohnsätze“ ist trotz verschiedener Zweifel genauer und leichter zu definieren.

4.1.6.

Die Kommission betont, dass der Vorschlag sich nicht auf die Zuständigkeiten und Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Entlohnungsvorschriften auswirken und die große Autonomie der Sozialpartner gewahrt bleiben wird. In diesem Zusammenhang ist es Besorgnis erregend, dass die Kommission die Streichung des Verweises in der derzeitigen Richtlinie vorschlägt, dass „Mindestlohnsätze durch die Rechtsvorschriften und/oder Praktiken des Mitgliedstaats bestimmt [werden], in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird“. Diese Bestimmung ist wichtig für die Übereinstimmung mit den verschiedenen nationalen Systemen der Arbeitsbeziehungen.

4.1.7.

Für die Zwecke dieser Richtlinie wird der Begriff „Entlohnung“ durch die Rechtsvorschriften und/oder Praktiken des Mitgliedstaats bestimmt, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird.

4.1.8.

Diese Richtlinie steht nicht der Anwendung von Arbeitsbedingungen des Aufnahme- oder des Herkunftslands des entsandten Arbeitnehmers entgegen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind, insbesondere durch die Ausübung des Grundrechts der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Tarifvereinbarungen auf geeigneter Ebene auszuhandeln und abzuschließen sowie kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen zu ergreifen, darunter auch Streiks, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer, einschließlich des Rechts auf Gleichbehandlung, zu schützen und zu verbessern.

4.1.9.

Zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, auf einer einzigen Website Informationen über die für in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmer geltenden Beschäftigungsbedingungen zu veröffentlichen. Die Mitgliedstaaten könnten die Einführung der einzigen Website verschieben, da die geltenden Bedingungen sich wahrscheinlich noch ändern. Dieser Prozess sollte nicht durch einen neuen Vorschlag gestört werden.

4.1.10.

Die EWSA-Mitglieder haben sich eingehend mit dem neuen Konzept der „Entlohnung“ und all seinen Auswirkungen befasst.

4.1.11.

Einige Mitglieder halten das neue Konzept für die einzige Möglichkeit, gleiche Arbeitsbedingungen für die entsandten und einheimischen Arbeitnehmer sicherzustellen, Lohnunterschiede auszuräumen und gleiche Ausgangsbedingungen für die Unternehmen zu gewährleisten.

4.1.12.

Andere Mitglieder wiederum befürchten, dass das neue Konzept zu Rechtsunsicherheit, Unklarheit und höherem Verwaltungs- und Kostenaufwand führen könnte. Bei jeder Debatte über die Entsendung von Arbeitnehmern sollte berücksichtigt werden, dass sich die Ausgangssituationen der ausländischen und der einheimischen Unternehmen unterscheiden. Einem ausländischer Diensteanbieter, der Arbeitnehmer entsenden will, entstehen allein durch die Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat zusätzliche Kosten in Form von weiteren Betriebskosten  (15) und durch die grenzüberschreitende Entsendung bedingten indirekten Arbeitskosten  (16).

4.1.13.

In Bezug auf die Ausweitung des Geltungsbereichs allgemeinverbindlicher Tarifverträge auf sämtliche Branchen empfiehlt der EWSA, erneut zu prüfen, ob es auch notwendig ist, die Grundlagen der für entsandte Arbeitnehmer geltenden Arbeitsnormen automatisch auf diejenigen Branchen auszudehnen, in denen keine größeren Probleme mit der Entsendung verzeichnet werden.

4.2.    Entsendungen für mehr als 24 Monate

4.2.1.

Zu der Dauer der Entsendungen schlägt die Kommission vor, dass in Fällen, in denen die vorgesehene oder tatsächliche Entsendungsdauer 24 Monate überschreitet, der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet ein Arbeitnehmer entsandt ist, als das Land gilt, in dem dieser seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. Dies gilt ab dem ersten Tag, an dem die Entsendung die Dauer von 24 Monaten tatsächlich überschreitet. Darüber hinaus führt die Kommission einen kumulierten Entsendungszeitraum für die Fälle ein, in denen Arbeitnehmer abgelöst werden.

4.2.2.

In der ursprünglichen Richtlinie wird kein befristeter Zeitraum festgelegt, und es heißt darin, dass im Sinne der Richtlinie als „entsandter Arbeitnehmer“ jeder Arbeitnehmer gilt, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Staats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet.

4.2.3.

Zur Vermeidung unklarer Situationen, in denen es schwierig ist zu bestimmen, ob eine Entsendung im Sinne der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern erfolgt, enthält Artikel 3 Absatz 1 und 2 der Durchsetzungsrichtlinie eine nicht erschöpfende Aufzählung qualitativer Kriterien, mit denen der vorübergehende Charakter des Konzepts der Entsendung zur Erbringung von Dienstleistungen sowie das Bestehen einer echten Verbindung zwischen dem Arbeitgeber und dem Mitgliedstaat, aus dem die Entsendung erfolgt, beschrieben werden.

4.2.4.

Insbesondere wurde geltend gemacht, dass weder der AEUV noch die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-Verordnung)  (17) eine Grundlage für die Festlegung eines Zeitraums von 24 Monaten als Bezugszeitraum für die Bestimmung des Landes bieten, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird. Darüber hinaus ist es nicht angemessen, mittels einer Richtlinie die Anwendung einer Verordnung zu ändern oder die in der Rom-I-Verordnung verwendeten Begriffe für die Zwecke der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern umzudefinieren. In seinem Gutachten erläutert der Juristische Dienst der Europäischen Kommission: „[Der neue Artikel 2a] (…) berührt nicht das Recht von Unternehmen, die Arbeitnehmer in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats entsenden, sich auch in Fällen, in denen die Entsendung länger als 24 Monate dauert, auf die Dienstleistungsfreiheit zu berufen. Hiermit soll Rechtssicherheit bei der Anwendung der Rom-I-Verordnung auf eine bestimmte Situation geschaffen werden, ohne dass die Verordnung hierzu geändert werden muss“  (18).

4.2.5.

Der EWSA lehnt die Festlegung einer solchen zeitlichen Begrenzung ab. Sie läuft dem Wesen der Entsendung von Arbeitnehmern zuwider und steht im Widerspruch zum Zweck der Richtlinie. Die Durchschnittsdauer der Entsendung in der EU beträgt 103 Tage  (19) (nur 4 % bis 5 % aller Entsendungen dauern länger als 12 Monate)  (20) . Es gibt keine Belege dafür, dass Entsendezeiträume von über zwei Jahren eine verbreitete und problematische Praxis sind, die zum Missbrauch der Bestimmungen über die Entsendung von Arbeitnehmern führt.

4.2.6.

Im Gegenteil könnte die Einführung des Begriffs „vorgesehene Entsendungsdauer“ und die Festlegung von Vorschriften für die Ersetzung von Arbeitnehmern zu Unsicherheit und einer uneinheitlichen Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern führen. Insbesondere im Baugewerbe wird es schwierig sein, die „Dauer der Arbeitsleistung“ im Vorfeld zu bestimmen und durch die Arbeitsaufsichtsbehörden nachzuweisen.

4.2.7.

Die bisherige Definition ist ausreichend, und jegliche Festlegung einer zeitlichen Begrenzung für die Entsendung von Arbeitnehmern läuft dem Grundsatz der Überprüfung einer echten und begründeten Entsendung zuwider. Darüber hinaus hat der EuGH wiederholt bestätigt, dass der Begriff „vorübergehend“ im Einzelfall geprüft werden muss.

4.2.8.

Die Kommission argumentiert, dass diese Änderung die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern in Einklang mit den durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004  (21) verankerten Vorschriften über die soziale Sicherheit bringen wird. Allerdings ermöglicht die Verordnung (EG) 883/2004 es den Mitgliedstaaten, durch bilaterale Vereinbarungen den ursprünglichen Zeitraum von zwei Jahren, während dessen die Sozialbeiträge im Herkunftsland entrichtet werden, zu verlängern. Demgegenüber heißt es in dem Kommissionsvorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern, dass, wenn die vorgesehene oder die tatsächliche Dauer der Entsendung 24 Monate überschreitet, ab dem allerersten Tag der Entsendung alle Arbeitsbedingungen des Aufnahmestaats gelten müssten. Dies ist weder notwendig noch kohärent.

4.3.    Vergabe von Unteraufträgen

4.3.1.

Mit dem Kommissionsvorschlag wird es den Mitgliedstaaten ermöglicht, für Arbeitnehmer in einer Untervergabekette dieselben Bedingungen wie durch den Hauptauftragnehmer anzuwenden. Diese Bedingungen müssten nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung genauso für nationale wie für grenzüberschreitende Unterauftragnehmer gelten.

4.3.2.

Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. Tarifverträgen der einzelnen Mitgliedstaaten, mit denen sichergestellt werden soll, dass Unternehmen nicht durch die Untervergabe von Aufträgen Vorschriften über bestimmte, die Entlohnung betreffende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen umgehen können. Es ist nicht erkennbar, wie viele Mitgliedstaaten bereits ein solches System anwenden, und die Kommission hat in ihrer Folgenabschätzung keine eingehende Untersuchung der möglichen Folgen derartiger Bestimmungen vorgelegt.

4.3.3.

Mit Blick auf die Praxistauglichkeit dieses Teils des Vorschlags könnte es jedoch nützlich sein, auf eine Vorschrift über die gesamtschuldnerische Haftung über alle Unterauftragsketten hinweg gemäß Artikel 12 der Durchsetzungsrichtlinie  (22) zu verweisen.

4.3.4.

Darüber hinaus ist die Formulierung „bestimmte die Entlohnung betreffende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“ vage und wird zu Rechtsunsicherheit, unterschiedlichen Auslegungen und möglichen Widersprüchen zu anderen Teilen der Richtlinie führen. Ferner gäbe es Vergleichsprobleme und viele andere rein praktische Probleme, wie der Zugang zu Informationen (auch in Verbindung mit der Verpflichtung der Regierungen, derartige Informationen nach Artikel 5 der Richtlinie 2014/67/EU zu veröffentlichen, und der Verfügbarkeit von Tarifverträgen).

4.3.5.

Unklar ist auch, wie die Kommission für diese Bestimmungen Prüfungen der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit festlegen und durchführen würde.

4.3.6.

Darüber hinaus werden angemessene Vorschriften eingeführt werden müssen, um den tatsächlichen Status der Selbstständigkeit von Unterauftragnehmern — im Einklang mit den Normen der Mitgliedstaaten — zu prüfen.

4.4.    Leiharbeit

4.4.1.

Die Kommission führt eine neue Verpflichtung für die Mitgliedstaaten mit dem neuen Absatz ein, in dem die für Arbeitnehmer gemäß Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c der Richtlinie geltenden Bedingungen festgelegt werden, d. h. für Arbeitnehmer, die von einem Leiharbeitsunternehmen zur Verfügung gestellt werden, das seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsmitgliedstaat des verwendenden Unternehmens hat. Die in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c genannten Unternehmen müssen entsandten Arbeitnehmern die Bedingungen garantieren, die nach Artikel 5 der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit  (23) für Leiharbeitnehmer gelten, die von Leiharbeitsunternehmen, die im Mitgliedstaat der Leistungserbringung niedergelassen sind, zur Verfügung gestellt werden.

4.4.2.

Nach Ansicht des EWSA ist diese neue Bestimmung nicht erforderlich, da die ursprüngliche Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern in Artikel 3 Absatz 9 bereits eine solche Möglichkeit enthält. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen Arbeitnehmern im Sinne von Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c diejenigen Bedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird, für Leiharbeitnehmer gelten. Die Möglichkeit der Anwendung der Richtlinie 2008/104/EG wird bereits von einer Mehrheit der Aufnahmeländer genutzt.

4.4.3.

Nach Ansicht des EWSA sollte die Kommission die bestehende Regelung beibehalten. Es muss berücksichtigt werden, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2008/104/EG für die jeweiligen Umstände in den verschiedenen Mitgliedstaaten gelten, während die Richtlinie 96/71/EG für grenzüberschreitende Tätigkeiten gilt. Dies wurde von der Kommission selbst in ihrem Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit  (24) anerkannt.

4.4.4.

Der EWSA weist darauf hin, dass Artikel 5 der Richtlinie 2008/104/EG viel weiter gefasst ist als Artikel 3 Absatz 9 der Richtlinie 96/71/EG und dass dies paradoxerweise zu unterschiedlichen Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern nach Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a und b sowie nach Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c der geltenden Rechtsvorschriften führen könnte.

5.    Worauf sollte die Europäische Kommission ihr Hauptaugenmerk legen?

5.1.

Die Kommission sollte die Mitgliedstaaten zur fristgerechten Umsetzung der Richtlinie 2014/67/EU  (25) anhalten, sofern diese noch nicht erfolgt ist, und die korrekte Durchführung in allen Mitgliedstaten sicherstellen. Nach zwei Jahren sollte die Kommission eine Folgenabschätzung vornehmen, um festzustellen, ob die getroffenen Maßnahmen zu einer angemessenen und wirksamen Durchführung und Durchsetzung geführt haben, denn diese sind von zentraler Bedeutung für den Schutz der Rechte entsandter Arbeitnehmer und für die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Dienstleister.

5.2.

Die Kommission sollte eine eingehende Analyse der Umstände in den einzelnen EU Mitgliedstaaten durchführen, reale quantitative Informationen über entsandte Arbeitnehmer vorlegen und Möglichkeiten der Durchführung und Durchsetzung der geltenden Richtlinie darlegen.

5.3.

Die Verfügbarkeit zuverlässiger Daten über entsandte Arbeitnehmer ist eine Voraussetzung für eine wirkungsvolle Debatte über ihre besonderen Merkmale und ihren spezifischen Schutzbedarf

5.4.

Wenn die Kommission einen fairen Wettbewerb sicherstellen will, sollte der Schwerpunkt ihrer nächsten Schritte auf der Bekämpfung betrügerischer Praktiken und der Beseitigung des Phänomens illegaler Arbeit liegen, das vor allem durch den Missbrauch in Form von Briefkastenfirmen gekennzeichnet ist.

5.5.

Die Kommission sollte die wirtschaftliche und soziale Konvergenz in der EU vorantreiben und zugleich eine gerechte Mobilität von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen gewährleisten.

5.6.

Die Einführung eines neuen Konzepts wie „Entlohnung“ könnte sowohl seitens der Mitgliedstaaten im Rat als auch seitens Unternehmen während der öffentlichen Konsultation Fragen aufwerfen. Die Kommission sollte eine eingehende Abschätzung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Verbraucher, die Unternehmen und allgemein für die Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung in der EU vornehmen.

5.7.

Die Kommission sollte die Sozialpartner konsultieren, ihre Autonomie anerkennen und die einschlägigen Tarifverträge respektieren.

Begründung der Antragsteller:

Mit diesem Änderungsantrag soll eine ausgewogene Antwort auf diesen Vorschlag der Kommission, der Meinungsverschiedenheiten sowohl unter den Mitgliedstaaten als auch unter den Sozialpartnern und den Unternehmen hervorgerufen hat, unterbreitet werden. Zweck dieses Änderungsantrags ist es, diese unterschiedlichen Standpunkte auf eine glaubwürdige und ausgewogene Art wiederzugeben, zugleich aber auch Punkte aufzuzeigen, bei denen durchaus ein Konsens besteht. Dieser Änderungsantrag, der dem Text entspricht, der von den beiden Berichterstattern für die Fachgruppe SOC nach der dritten Studiengruppensitzung vorgelegt wurde, bringt diese Ausgewogenheit zwischen den unterschiedlichen Ansichten besser zum Ausdruck als der von der Fachgruppe geänderte und angenommene Wortlaut.

Ergebnis der Abstimmung

Ja-Stimmen

94

Nein-Stimmen

175

Enthaltungen

23


(1)  Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“), (ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11).

(2)  Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1).

(3)  Siehe Fußnote 2.

(4)  COM(2010) 608 final/2.

(5)  Der Bericht wurde auf der von der spanischen Ratspräsidentschaft am 23. März 2010 in Oviedo organisierten Konferenz zum „Thema Entsendung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerrechte“ vorgestellt. Die Diskussionen zeigten erneut die unterschiedlichen Auffassungen der Interessenträger.

(6)  Siehe Fußnote 1.

(7)  Es ist zu bedenken, dass sich die Lage von Land zu Land unterscheidet und 0,7 % lediglich ein Durchschnittswert ist. Die realen Werte liegen zwischen 0,5 % und 3,6 %. Die Auswirkungen auf die einzelnen Mitgliedstaaten sind ebenfalls unterschiedlich.

(8)  EWSA-Stellungnahme vom 27. April 2016 zum Thema „Gerechtere Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU“ (ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 11).

(9)  Gemeinsames Schreiben der europäischen Sozialpartner (ETUC, BusinessEurope, UEAPME, CEEP) an Kommissionspräsident Juncker vom 2. März 2016.

(10)  Protokoll Nr. 2 der Verträge über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.

(11)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und die nationalen Parlamente zu dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern — Prüfung des Subsidiaritätsprinzips gemäß dem Protokoll Nr. 2, COM(2016) 505 final vom 20. Juli 2016.

(12)  Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen — Folgenabschätzung — Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, SWD(2016) 52 final vom 8. März 2016 (nur in englischer Sprache).

(13)  Bericht von Eurofound über „Posted workers in the European Union“, Roberto Pedersini und Massimo Pallini, veröffentlicht im Jahr 2010 (in Englisch).

(14)  Die vorläufigen Ergebnisse der beiden Untersuchungen wurden auf der Konferenz der EWSA-Arbeitsmarktbeobachtungsstelle zum Thema „Gerechtere Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU“ am 28. September 2016 vorgestellt.

(15)  Indirekter Kostenaufwand durch die Aneignung von Verwaltungsanforderungen und -vorschriften in anderen Mitgliedstaaten wie Mitteilungsverfahren, Übersetzung von Dokumenten, Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden usw.

(16)  Diese durch die grenzüberschreitende Entsendung bedingten indirekten Arbeitskosten könnten um bis zu 32 % ansteigen. Zu diesem vorläufigen Ergebnis u. a. kommt eine Pilotstudie über „Labour cost in cross-border services“ der Fakultät Öffentliche Wirtschaft und Verwaltung der Wirtschaftsuniversität Krakau. Die Ergebnisse wurden auf der Konferenz der EWSA-Arbeitsmarktbeobachtungsstelle zum Thema „Gerechtere Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU“ am 28. September 2016 vorgestellt.

(17)  Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6).

(18)  Gutachten des Juristischen Dienstes der Europäischen Kommission — Interinstitutionelles Dossier 2016/0070 (COD) vom 28. Mai 2016.

(19)  Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD(2016) 52 final, S. 39, J. Pacolet und F. De Wispelaere, Posting of Workers. Report on A1 portable document issued in 2014, Dezember 2015.

(20)  Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD(2016) 52 final, S. 39, L&R Sozialforschung, Entwicklungen im Bereich des Lohndumpings, Mai 2014.

(21)  Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1).

(22)  

Artikel 12 der Richtlinie 2014/67/EU über die Haftung bei Unteraufträgen (siehe Fußnote 1).

(23)  Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 9).

(24)  Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Anwendung der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit, COM(2014) 176 final.

(25)  Siehe Fußnote 1.