Brüssel, den 9.9.2015

COM(2015) 453 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION

EU-Aktionsplan für die Rückkehr


I.Einleitung

Die Rückkehr irregulärer Migranten, die nicht zum Aufenthalt in der EU berechtigt sind, in ihre Herkunftsländer, unter uneingeschränkter Wahrung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung, ist ein wesentlicher Bestandteil der umfassenden Anstrengungen der EU zur Bewältigung der Migration und insbesondere zur Verringerung der irregulären Migration. Wie in der am 13. Mai 2015 von der Europäischen Kommission angenommenen Europäischen Migrationsagenda 1 hervorgehoben wird, liegt einer der Anreize für die irreguläre Migration darin begründet, dass das EU-System zur Rückführung irregulärer Migranten Schwachstellen aufweist.

Im Jahr 2014 haben weniger als 40 % der ausgewiesenen irregulären Migranten die EU tatsächlich verlassen. Eine der wirksamsten Methoden zur Bekämpfung der irregulären Migration ist die systematische – freiwillige oder erzwungene – Rückkehr von Personen, die nicht oder nicht mehr berechtigt sind, in Europa zu bleiben. Möglicherweise würden weniger Menschen, die keinen internationalen Schutz benötigen, Geld und Leben riskieren, um in die EU zu kommen, wenn sie wüssten, dass sie rasch wieder in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.

Die Wirksamkeit des EU-Systems zur Förderung der Rückkehr irregulärer Migranten muss verbessert werden. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Aufrechterhaltung des Vertrauens der Öffentlichkeit in das Asylsystem der EU und die Unterstützung von Personen, die internationalen Schutz benötigen. Die Erhöhung der Rückkehrerquote irregulärer Migranten muss Hand in Hand gehen mit den erneuten Anstrengungen der EU, Menschen in Not zu schützen, auch durch Umsiedlung und Neuansiedlung.

Der Europäische Rat hat die Kommission aufgefordert, „ein gezieltes europäisches Rückkehrprogramm auszuarbeiten“. Mit dem vorliegenden EU-Aktionsplan für die Rückkehr wird dieser Aufforderung nachgekommen, indem die kurz- und mittelfristigen Maßnahmen festgelegt werden, durch die die Wirksamkeit des EU-Rückkehrsystems verbessert werden soll. Er dient dazu, die Wirkung der Maßnahmen, die bereits durchgeführt werden, zu maximieren sowie neue Initiativen vorzuschlagen, um die Rechtsvorschriften der EU in vollem Umfang zu nutzen und, sofern erforderlich, zu stärken. Ziel ist ein kohärenter Rahmen für Maßnahmen, der durch eine intensive operative Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, EU-Agenturen und den Herkunftsländern der Migranten unterstützt wird. Im Aktionsplan werden die Schlüsselrolle und die Verantwortung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der EU-Rückkehrpolitik bekräftigt und ein Konzept entwickelt für eine stärkere diesbezügliche Interaktion zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Agenturen, die wesentliche Unterstützung leisten.

Die Durchführung aller in dieser Mitteilung aufgeführten Maßnahmen muss mit den internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar sein, vor allem mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der UN-Flüchtlingskonvention von 1951 und deren Protokoll von 1967 sowie dem Grundsatz der Nichtzurückweisung, so wie er im EU-Recht geregelt ist. Die EU-Rückführungsrichtlinie 2 enthält spezielle rechtliche Garantien für den wirksamen Schutz der Rechte von Rückkehrern während des gesamten Rückkehrverfahrens. Wenn personenbezogene Daten betroffen sind, sollte besonders darauf geachtet werden, dass die geltenden Vorschriften vollumfänglich angewandt werden.

Ausreichende Mittel müssen bereitgestellt werden, um die Wirksamkeit der EU-Rückkehrpolitik entsprechend der Forderung des Europäischen Rates vom 25./26. Juni 2015 zu erhöhen. Aufbauend auf dem Europäischen Rückkehrfonds (2008-2013) wird der Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) die Rückkehrmaßnahmen der Mitgliedstaaten wesentlich unterstützen, die wiederum beabsichtigen, im Rahmen ihrer nationalen Programme im Zeitraum 2014-2020 mehr als 800 Mio. EUR bereitzustellen. Die Kommission wird sorgfältig prüfen, ob die für Rückkehrmaßnahmen auf EU-Ebene zugewiesenen Mittel erhöht werden müssen, insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung einschlägiger Frontex-Maßnahmen, und wird in den kommenden Jahren gegebenenfalls entsprechende Vorschläge unterbreiten.

II.Steigerung der Wirksamkeit des EU-Systems zur Förderung der Rückkehr irregulärer Migranten

1.Förderung der freiwilligen Rückkehr

Die freiwillige Rückkehr irregulärer Migranten in ihre Heimatländer, bleibt, wann immer möglich, weiterhin die bevorzugte Option. Die freiwillige Rückkehr und flankierende Wiedereingliederungsmaßnahmen tragen dazu bei, die Position von Rückkehrern in ihren Herkunftsländern zu stärken und andere so von irregulärer Migration abzuhalten. Sie gelten allgemein als kostenwirksamer als die zwangsweise Rückführung. Die freiwillige Rückkehr kann dazu beitragen, die Vorbehalte bestimmter Drittländer in Bezug auf die Zusammenarbeit bei der Rückkehr ihrer Staatsangehörigen zu überwinden. Der Anteil Freiwilliger an der Gesamtzahl der Rückkehrer hat in den letzten Jahren in der EU allmählich zugenommen. 2013 entschieden sich schätzungsweise rund 40 % für eine freiwillige Rückkehr, während es im Jahr 2009 lediglich 14 % waren 3 .

Zwar sind in erster Linie die Mitgliedstaaten für die Gestaltung und Durchführung von Programmen zur freiwilligen Rückkehr verantwortlich, die EU leistet jedoch finanzielle Unterstützung für solche Programme und bietet ein Forum für den Austausch bewährter Verfahren sowie die Stärkung der operativen Zusammenarbeit im Hinblick auf die freiwillige Rückkehr. Im Rahmen der nationalen Programme des AMIF für den Zeitraum 2014-2020 planen die Mitgliedstaaten, mehr als doppelt so viele irreguläre Migranten zur freiwilligen Rückkehr zu bewegen, als rückgeführt werden. Die Kommission ermutigt die Mitgliedstaaten, einen wirksamen Rahmen zu entwickeln, der irregulären Migranten leichten Zugang zu Programmen für die freiwillige Rückkehr ermöglicht. Programme zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr 4 sollten so gestaltet sein, dass ein „Sogfaktor“ vermieden wird, d. h. es sollten keine Anreize für weitere irreguläre Migranten geschaffen werden, nach Europa zu kommen, um von diesen Programmen zu profitieren 5 .

Die Kommission wird mithilfe des Europäischen Migrationsnetzes 6 (EMN) überwachen und bewerten, ob Unterschiede zwischen den Programmen der Mitgliedstaaten für die freiwillige Rückkehr und die Wiedereingliederung bestehen, die dazu führen könnten, dass Migranten sich gezielt in diejenigen Mitgliedstaaten begeben, die die lukrativsten „Pakete“ anbieten 7 . Sie legt den Mitgliedstaaten nahe, gemeinsame Wiedereingliederungsprojekte zu entwickeln, durch die sowohl die Qualität der Unterstützung von Migranten als auch ihre Kosteneffizienz verbessert werden könnte (durch Größenvorteile bei den Verwaltungskosten).

Um den Anteil freiwilliger Rückkehrer weiter zu erhöhen, finanziert die Kommission im Rahmen des AMIF Programme zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr in Zusammenarbeit mit staatlichen und nichtstaatlichen Partnern, beispielsweise der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Sie unterstützt ferner das europäische Netz zur Wiedereingliederung (European Reintegration Instrument Network, ERIN), das Rückkehrer bei der Wiedereingliederung sowie im sozialen Bereich und bei der Arbeitsplatzsuche unterstützt. Über die finanziellen Möglichkeiten des AMIF hinaus wird die Bereitstellung von Mitteln für eine nachhaltige Rückkehr- und Wiedereingliederungspolitik eine klare Priorität im Rahmen der EU-Finanzierungsprogramme in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und Nachbarschaftspolitik darstellen. Vor allem aus dem Treuhandfonds, der beim Migrationsgipfel EU-Afrika (11. und 12. November 2015) in Valletta auf den Weg gebracht werden wird, dürften erhebliche Mittel für die Rückkehr und die Wiedereingliederung von Migranten in ihren Herkunftsländern bereitgestellt werden.

Der Erfolg von Maßnahmen für die freiwillige Rückkehr hängt jedoch auch davon ab, wie glaubhaft die Möglichkeit einer zwangsweisen Rückführung ist. Migranten, die häufig ihre gesamten Ersparnisse an Schleuser gezahlt haben, die sie nach Europa bringen sollen, werden möglicherweise nur dann zur Teilnahme an Programmen zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr bereit sein, wenn klar ist, dass sie auf jeden Fall zurückkehren müssen. Wenn Migranten nicht freiwillig zurückkehren, muss eine zwangsweise Rückführung erfolgen.

 

Sofortmaßnahmen

Überwachung der Auswirkungen von Unterschieden zwischen den nationalen Regelungen für die freiwillige Rückkehr

Förderung von Programmen zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr durch den AMIF

Mittelfristige Maßnahmen

Förderung bewährter Verfahren für Programme zur freiwilligen Rückkehr und Wiedereingliederung über das EMN

Unterstützung gemeinsamer Wiedereingliederungsprogramme

2.Stärkere Durchsetzung der EU-Vorschriften

Die gründliche und systematische Anwendung der EU-Rückkehrvorschriften ist von grundlegender Bedeutung für die Steigerung der Wirksamkeit des Systems. Nach der Rückführungsrichtlinie der EU sind die Mitgliedstaaten verpflichtet 8 , gegenüber jedem Staatsangehörigen eines Drittstaats, der sich irregulär in ihrem Hoheitsgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und erforderlichenfalls Maßnahmen zu deren Durchsetzung zu ergreifen 9 . Die Richtlinie enthält ferner Garantien, um die Rechte von Rückkehrern zu schützen und ihnen eine Rückkehr auf menschenwürdige und angemessene Weise zu ermöglichen.

Als letztes legitimes Mittel zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Durchsetzung der Rückkehr sollten die Mitgliedstaaten von der Inhaftnahme Gebrauch machen, sofern dies erforderlich ist, um zu verhindern, dass sich irreguläre Migranten durch Flucht entziehen und in andere Mitgliedstaaten begeben (Sekundärmigration) 10 . Solange eine reelle Chance auf Abschiebung besteht, sollte diese mögliche Abschiebung nicht durch eine vorzeitige Beendigung der Inhaftierung gefährdet werden. Die maximale Haftdauer nach nationalem Recht sollte es den Behörden der Mitgliedstaaten ermöglichen, die zur Identifizierung eines irregulären Migranten und zur Ausstellung der Reisedokumente durch das Herkunftsland notwendigen Maßnahmen zu treffen. Die Mitgliedstaaten sollten, wo dies angezeigt ist, neue Alternativen zur Inhaftnahme und den Einsatz von weniger intensiven Zwangsmaßnahmen prüfen. In diesem Zusammenhang könnten irreguläre Migranten unter anderem elektronisch überwacht oder in halbgeschlossenen Einrichtungen untergebracht werden.

Die Rückführungsrichtlinie bietet den Mitgliedstaaten ebenfalls mehr Flexibilität bei der Handhabung von Fällen besonderen Migrationsdrucks. Die Notlagenklausel 11 gewährt den Mitgliedstaaten im Fall eines unvorsehbaren Massenzustroms von Migranten eine gewisse Flexibilität im Hinblick auf die Haftbedingungen von Migranten in geschlossenen Einrichtungen. Die Mitgliedstaaten können ferner vereinfachte und zügige Rückkehrverfahren bei Migranten anwenden, die in Verbindung mit dem nach nationalem Recht illegalen Grenzübertritt aufgegriffen bzw. abgefangen werden, unter Beachtung bestimmter grundlegender Garantien 12 .

Die Kommission prüft derzeit den Stand der Anwendung der Richtlinie und wird alle Möglichkeiten nutzen, um ihre ordnungsgemäße Umsetzung sowohl im Hinblick auf den Schutz der Rechte von irregulären Migranten als auch auf die vollständige und wirksame Durchführung des Rückkehrverfahrens durchzusetzen. Sie wird die Mitgliedstaaten unterstützen, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen können. Außerdem wird sie Vertragsverletzungsverfahren einleiten gegen Mitgliedstaaten, die nicht alle Bestimmungen der Richtlinie vollständig einhalten, einschließlich der Verpflichtung, Rückkehrentscheidungen zu erlassen und zu vollstrecken. Darüber hinaus wird die Kommission spätestens 2017 einen zweiten Bericht an das Europäische Parlament und den Rat vorlegen, in dem auch geprüft wird, ob die Rückführungsrichtlinie überarbeitet werden muss.

Auch die Rechts- und Verwaltungsrahmen der Mitgliedstaaten spielen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für eine wirksame Rückkehrpolitik. Sie sollten ein zügiges Vorgehen sicherstellen, beginnend mit der Identifizierung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen über Erlass und Vollstreckung von Rückkehrentscheidungen bis hin zu zügigen Rechtsverfahren 13 . Zu diesem Zweck müssen die Mitgliedstaaten ausreichende Entschlossenheit beweisen und angemessene Ressourcen in Form von Finanzmitteln, Personal und Inhaftierungskapazitäten bereitstellen, damit gewährleistet ist, dass irreguläre Migranten, deren Rückkehr ansteht, physisch anwesend sind, erforderlichenfalls auch durch Inhaftierung.

Unterschiedliche Praktiken der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie beeinträchtigen die Wirksamkeit des EU-Rückkehrsystems, da irreguläre Migranten die Rückkehr dadurch umgehen können, dass sie sich in einen anderen Staat im Schengen-Raum begeben. Statistische Daten deuten darauf hin, dass bestimmte Mitgliedstaaten gegenüber in ihrem Hoheitsgebiet aufgegriffenen irregulären Migranten oder gegenüber Personen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, nicht systematisch Rückkehrentscheidungen erlassen.

Die Kommission wird in regelmäßigen Abständen einschlägige bewährte Verfahren in den nationalen Rechtsvorschriften und Verwaltungspraktiken ermitteln und austauschen. Das zusammen mit diesem EU-Aktionsplan für die Rückkehr angenommene „Handbuch zum Thema Rückkehr/Rückführung“ enthält Leitlinien, bewährte Verfahren und Empfehlungen für eine wirksame und humane Rückkehrpraxis unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und Verfahrensgarantien, wie sie durch die einschlägigen Rechtsvorschriften der EU gewährleistet sind. Parallel dazu wird die systematische Bewertung der Umsetzung der EU-Vorschriften zur Rückkehr durch die einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen des Schengener Evaluierungsmechanismus es erleichtern, Mängel festzustellen und zu beheben. Diese Berichte dienen der Verbreitung bewährter Verfahren zur Überwindung von Hindernissen in Zusammenhang mit der Rückkehr. Darüber hinaus wird das EMN weiterhin bewährte Verfahren und in den nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestehende Hindernisse für die Rückkehr ermitteln, um den Mitgliedstaaten dabei zu helfen, die Wirksamkeit ihrer Rückkehrsysteme zu erhöhen.

Eine wirksame Rückkehrpolitik erfordert ein funktionierendes Asylsystem, damit gewährleistet ist, dass unbegründete Asylanträge rasch zur Ausweisung der betreffenden Personen aus dem Gebiet der Europäischen Union führen. Die Asylverfahrensrichtlinie sieht bereits die rasche Bearbeitung bestimmter Anträge vor. Im Rahmen des sogenannten Grenzverfahrens kann ein Asylbewerber an der Grenze festgehalten werden und es gelten sehr kurze Fristen für die Prüfung des Asylantrags. Asylbewerber müssen frühzeitig und in allen Phasen des Asylverfahrens über die Möglichkeit einer unterstützten freiwilligen Rückkehr informiert werden, um abgelehnten Asylbewerbern und Personen, die ihren Antrag zurückziehen möchten, eine gute Alternative in Form einer Heimkehr in Würde zu bieten. Ist die freiwillige Rückkehr nicht möglich, müssen geeignete Maßnahmen getroffen werden, um zu verhindern, dass abgelehnte Asylbewerber untertauchen.

Sofortmaßnahmen

Bewertung des Stands der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie

Schengen-Evaluierungen im Bereich der Rückkehr (im Gange)

Mittelfristige Maßnahmen

Mögliche Überarbeitung der Rückführungsrichtlinie auf der Grundlage des zweiten Berichts über die Umsetzung (spätestens 2017)

Bestandsaufnahme bewährter Verfahren und bestehender Rückkehrhindernisse in den Rechtsvorschriften und der Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten durch das EMN

Information über die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr im Rahmen des Asylverfahrens

3.Verstärkter Austausch von Informationen zur Durchsetzung der Rückkehr

Die bestehenden europäischen Informationssysteme – insbesondere das Schengener Informationssystem (SIS), das Visa-Informationssystem (VIS) und Eurodac – sollten besser genutzt werden, um die Wirksamkeit des EU-Rückkehrsystems zu erhöhen.

Derzeit tauschen die Mitgliedstaaten Informationen über Rückkehrentscheidungen oder Einreiseverbote für Migranten nicht systematisch aus. Es ist somit möglich, dass irreguläre Migranten, die rechtlich zur Ausreise verpflichtet sind, die Rückkehr dadurch vermeiden, dass sie sich einfach in einen anderen Mitgliedstaat im Schengen-Raum begeben 14 . Werden sie aufgegriffen, muss ein neues Verfahren eingeleitet werden, so dass sich ihre Rückkehr weiter verzögert. Somit ist es in der Praxis nicht möglich, die gegenseitige Anerkennung von Rückkehrentscheidungen eines Mitgliedstaats und ihre EU-weite Durchsetzung zu gewährleisten.

Die Kommission wird Änderungen des SIS im Hinblick auf seine verstärkte Nutzung bei der Rückkehr irregulärer Migranten vorschlagen. Die Kommission wird zunächst vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, alle Einreiseverbote in das SIS einzugeben 15 , um zu verhindern, dass Migranten, denen ein Mitgliedstaat ein Einreiseverbot erteilt hatte, über einen anderen Mitgliedstaat wieder in den Schengen-Raum einreisen. Darüber hinaus wird sie vorschlagen, dass die Mitgliedstaaten in das SIS alle von ihnen erlassenen Rückkehrentscheidungen eingeben 16 . Dadurch sollte es möglich werden, Personen zu verfolgen, die versuchen, eine Rückführungsmaßnahme durch die Weiterreise in einen anderen Mitgliedstaat zu umgehen. Außerdem wird die Kommission vorschlagen, für das SIS ein zentrales automatisiertes Identifikationssystem für Fingerabdrücke zu entwickeln, damit die Identität von Personen ohne bestätigte Identität, einschließlich irregulärer Migranten, festgestellt werden kann.

Die Rückkehr wird außerdem durch eine unzureichende Kommunikation und Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten behindert, wenn es um Personen geht, die über einen Aufenthaltstitel in einem Mitgliedstaat verfügen, gegen die jedoch gleichzeitig in einem anderen Mitgliedstaat eine Rückkehrentscheidung ergangen ist. Die Mitgliedstaaten sollten ein Netz nationaler Kontaktstellen für den Informationsaustausch über die Entziehung von Aufenthaltstiteln, insbesondere von vorbestraften Migranten, einrichten. Die Mitgliedstaaten sind ferner verpflichtet, alle für ungültig erklärten Dokumente, beispielsweise Aufenthaltstitel, zur Sicherstellung in das SIS einzugeben 17 . Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Verpflichtung systematisch nachgekommen wird.

Darüber hinaus wird der überarbeitete Vorschlag zu „Intelligenten Grenzen“, den die Kommission Anfang 2016 vorlegen wird 18 , dazu beitragen, die Rückkehrerquote zu erhöhen, indem ein Verzeichnis aller grenzüberschreitenden Bewegungen von Drittstaatsangehörigen geführt wird. Dadurch können Personen aufgespürt werden, die die zulässige Aufenthaltsdauer überschritten haben, und die Identifizierung von Personen, die ihren Identitätsnachweis vernichtet haben, wird erleichtert.

Die Kommission wird außerdem die mögliche Ausweitung von Anwendungsbereich und Zweck der Eurodac-Verordnung 19 prüfen, um die Nutzung von Daten für Rückkehrzwecke zu ermöglichen, damit die für die Rückkehr zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sich darüber informieren können, ob aufgegriffene irreguläre Migranten bereits einmal in einem anderen Mitgliedstaat aufgegriffen und/oder ob ihre Fingerabdrücke genommen worden sind. Diese Informationen können bei der Identifizierung irregulärer Migranten hilfreich sein und somit deren Rückkehr erleichtern.

Die VIS-Verordnung, die vorsieht, dass die biometrischen Daten von Drittstaatsangehörigen, die ein Visum beantragen, im VIS gespeichert werden, erleichtert die Identifizierung der Visuminhaber. Außerdem gestattet sie, unter strengen Bedingungen, die Weitergabe und den Austausch bestimmter Daten mit den Behörden von Drittländern, um zur Bestätigung der Identität ihrer Staatsangehörigen beizutragen. Dadurch kann die Ausstellung von Reisedokumenten für die Rückkehr erleichtert werden. Die Kommission bewertet derzeit die Umsetzung des VIS, einschließlich der Anwendung dieser Bestimmung, und wird über die Ergebnisse Bericht erstatten.

 Sofortmaßnahmen

Bewertung des SIS (im Gange)

Aufbau eines Netzes von nationalen Kontaktstellen für den Entzug von Aufenthaltstiteln

Mittelfristige Maßnahmen

Legislativvorschläge für die verbindliche Eingabe von Einreiseverboten und Rückkehrentscheidungen in das SIS (2016)

Überarbeiteter Vorschlag zu „Intelligenten Grenzen“ (2016)

Prüfung der möglichen Ausweitung der Eurodac-Verordnung

Bewertung des Stands der Umsetzung des VIS (2016)

4.Stärkung der Rolle und des Mandats von Frontex

Frontex spielt eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Verbesserung der praktischen Zusammenarbeit bei der Rückkehr, die weiter ausgebaut werden sollte. Derzeit hat die Agentur die Aufgabe, die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Rückführung irregulärer Migranten zu unterstützen, ohne sich mit den Einzelheiten der Rückkehrentscheidung zu befassen; sie organisiert insbesondere gemeinsame Rückführungsaktionen und ermittelt bewährte Verfahren zur Beschaffung von Reisedokumenten und Abschiebung von Migranten.

Die Mitgliedstaaten werden ermutigt, die Möglichkeit der Rückführung irregulärer Migranten systematischer zu nutzen durch gemeinsame Rückführungsmaßnahmen, die von Frontex organisiert und koordiniert werden und die Bündelung von Ressourcen ermöglichen. Sie sollten Frontex regelmäßig über ihren Bedarf an Unterstützung und Koordinierung in Bezug auf die Rückführung unterrichten.

Die Identifizierung von Migranten und die Ausstellung von Reisedokumenten für ihre Rückkehr stellen eine große Herausforderung dar. Frontex sollte Kontakte und die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, insbesondere jenen Ländern, die keine konsularische Vertretung in den betreffenden Mitgliedstaaten haben, erleichtern. Die Agentur sollte außerdem die Mitgliedstaaten beim Chartern von Flugzeugen für Rückführungsmaßnahmen weiter unterstützen – auch indem sie selbst Flugzeuge chartert. Überwacher aus dem im Rahmen des Projekts zur Überwachung von Rückführungen 20 eingerichteten Pool können im Sinne einer neutralen Berichterstattung über Rückführungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden; Frontex kann die Kosten der Bereitstellung von Überwachern tragen. Die Agentur kann außerdem die Mitgliedstaaten mit der Durchführung von Schulungen bei der Einrichtung der Pools von Begleitpersonen unterstützen, die rasch bei Rückkehrflügen eingesetzt werden können.

Verstärkte Unterstützung der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen im Rahmen des „Brennpunkt“-Konzepts

Das „Brennpunkt“-Konzept der Europäischen Migrationsagenda ermöglicht eine erhebliche Aufstockung der operativen Unterstützung für die Mitgliedstaaten, die unter Migrationsdruck stehen. Im Rahmen dieses Konzepts kann Frontex mobile Teams entsenden, um vor Ort operative Unterstützung zu leisten sowie diesen Mitgliedstaaten an den Außengrenzen Informationen betreffend die Rückkehr in unterschiedlichen Phasen zu liefern.

Zunächst kann die Agentur Unterstützung bei der Identifizierung von Migranten leisten. Von Frontex koordinierte Experten können den Mitgliedstaaten dabei helfen, aufgegriffene und ankommende Migranten – mit oder ohne Ausweispapiere – zu registrieren. Sie können neu angekommene Migranten überprüfen, um ihre mutmaßliche Staatsangehörigkeit festzustellen und zu vermeiden, dass eine falsche Staatsangehörigkeit angegeben wird. Dadurch kann rasch erkannt werden, welche Personen zurückkehren können und welche wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen. Dies dürfte es den betroffenen Mitgliedstaaten ermöglichen, eine systematische Überprüfung aller Migranten ohne ordnungsgemäße Papiere durchzuführen, die nach dem illegalen Grenzübertritt aufgegriffen wurden.

Zur Bestätigung der mutmaßlichen Staatsangehörigkeit von Migranten kann Frontex die enge Zusammenarbeit mit den Botschaften oder Konsulaten der Herkunftsländer gewährleisten. Die Agentur könnte Task forces aus Einwanderungs- und Konsularbeamten dieser Länder ersuchen, Gespräche zum Zweck der Identifizierung und Beschleunigung der Ausstellung von Reisedokumenten für die Rückkehr zu führen und ihre Arbeit erleichtern. Sie könnte gegebenenfalls im Bereich der Rückkehr tätige Netze einbeziehen.

Ferner kann Frontex bei der Organisation behilflich sein sowie Rückführungsmaßnahmen in Herkunfts- oder Transitländer koordinieren und kofinanzieren. Frontex sollte systematische Zwischenlandungen von gemeinsamen Rückführungsflügen aus anderen Mitgliedstaaten in den Mitgliedstaaten an den Außengrenzen in Betracht ziehen.

Um die Identifizierung zu ermöglichen, ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten, insbesondere diejenigen an den Außengrenzen, die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass Migranten sich durch Flucht in andere Mitgliedstaaten entziehen (Sekundärmigration).

Wie in der Europäischen Migrationsagenda angekündigt, wird die Kommission 2016 Legislativvorschläge zur Stärkung des Mandats von Frontex im Bereich der Rückführung vorlegen. Unbeschadet der Ergebnisse der Bewertung der Agentur, die 2015 abgeschlossen werden soll, und der den Vorschlägen beigefügten Folgenabschätzung wird die Kommission Möglichkeiten prüfen, der Agentur ein stärkeres Mandat zu erteilen, dass sich sowohl auf die Koordinierung der operativen Zusammenarbeit an den Außengrenzen als auch auf die Rückführung irregulärer Migranten bezieht. Sie wird die Einrichtung eines spezifischen Frontex-Rückführungsbüros vorschlagen, um der Rolle der Agentur in Zusammenhang mit der Rückführung besser Rechnung zu tragen.

Aufbauend auf den Erfahrungen mit dem „Brennpunkt“-Konzept zieht die Kommission insbesondere in Betracht, Frontex-Soforteinsatzteams für die Rückführung zu schaffen, die Unterstützung bei der Identifizierung und der konsularischen Zusammenarbeit mit Drittländern leisten sowie Rückführungsmaßnahmen für die Mitgliedstaaten organisieren sollen. Sie wird ferner die Möglichkeit prüfen, es der Agentur zu ermöglichen, Rückführungsmaßnahmen einzuleiten – was derzeit nur die Mitgliedstaaten können – sowie Rückführungsmaßnahmen aus nur einem Mitgliedstaat zu koordinieren und organisieren.

Die Kommission wird außerdem Möglichkeiten für eine Ausweitung der Unterstützung prüfen, die Frontex den Ländern in der Nachbarschaft der EU 21 im Hinblick auf die Rückführung irregulärer Migranten durch technische Hilfe und Kapazitätsaufbau leistet.

Zusätzlich zur Stärkung der Fähigkeit von Frontex, operative Unterstützung zu leisten, sollten die analytischen Fähigkeiten der Agentur auf dem Gebiet der Rückkehr, Rückführung und Rückübernahme ausgeweitet werden. Vor allem das Mandat der Agentur im Zusammenhang mit der Risikoanalyse sollte auf die Erhebung und Auswertung von Daten zur irregulären Sekundärmigration von Drittstaatsangehörigen in der EU ausgeweitet werden, um die Rückführung derjenigen Drittstaatsangehörigen, die kein Recht auf legalen Aufenthalt in der EU haben, zu unterstützen. Die Position der Agentur als EU-Knotenpunkt für den Austausch operativer Erfahrungen und Kenntnisse in Rückführungsfragen über das Netz direkter Kontaktstellen für Rückkehrfragen sollte konsolidiert werden.

Der Agentur sollten angemessene Ressourcen für die Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Rückführung zugewiesen werden. Die Kommission hat vorgeschlagen, in den Haushaltsplan 2016 zusätzlich 5 Mio. EUR für Frontex einzustellen, die speziell für Rückführungsmaßnahmen bestimmt sind. Dies sollte es ermöglichen, 2016 einen Betrag in Höhe von 15 Mio. EUR für diesen Zweck bereitzustellen. Die Legislativvorschläge zur Stärkung des Mandats von Frontex werden ergänzt durch Vorschriften für die Zuweisung angemessener finanzieller Ressourcen, damit die Agentur ihre Aufgaben wahrnehmen kann.

Sofortmaßnahmen

Systematischere Nutzung der von Frontex koordinierten gemeinsamen Rückführungsmaßnahmen

Schulung von Leitenden Begleitpersonen und Begleitpersonen durch Frontex (im Gange)

Mittelfristige Maßnahmen

Legislativvorschläge zur Ausweitung des Mandats von Frontex im Bereich der Rückkehr (2016)

5.Ein integriertes System für das Rückkehrmanagement

Die Kommission wird die Entwicklung eines integrierten Systems für das Rückkehrmanagement fördern und steuern, indem sie alle von der EU finanzierten Netze und Programme, die sich mit Rückkehr und Rückübernahme befassen, miteinander verbinden wird. Sie wird für Synergien zwischen dem Europäischen integrierten Ansatz für die Rückkehr in Drittstaaten (European Integrated Approach on Return towards Third Countries – EURINT), dem ERIN und dem Europäischen Netz der Verbindungsbeamten für Rückkehrfragen (European Return Liaison Officers network – EURLO) 22 sorgen.

Diese Netze sollten mit vereinten Kräften darauf hinarbeiten, dass gemeinsam mit Frontex ein in sich schlüssiges und wirksames System für das Rückkehrmanagement aufgebaut werden kann, wobei Frontex für die operative Koordinierung dieses integrierten Rückkehrmanagements zuständig sein soll. Insbesondere sollten sie rasch mobile Spezialeinheiten zur Unterstützung bei der Identifizierung von Migranten und der Ausstellung von Reisedokumenten für ihre Repatriierung einsetzen, geeignete Verfahren erproben und für deren Verbreitung sorgen. Diese Koordinierung dürfte zu einheitlicheren Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten im Bereich der Rückkehr und Rückführung beitragen und die Sekundärmigration eindämmen.

Die Kommission wird prüfen, wie bei den Herkunftsländern die Akzeptanz des Laissez-Passer der EU für die Rückkehr irregulärer Migranten erhöht werden kann, unter anderem durch Verbesserung der Sicherheitsmerkmale des Dokuments.

Die Europäischen Verbindungsbeamten für Migration 23 (European Migration Liaison Officers – EMLO), die in die EU-Delegationen in wichtigen Herkunfts- oder Transitländern entsandt werden sollen, dürften die Zusammenarbeit mit den Behörden dieser Länder hinsichtlich der Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen, die sich irregulär in der EU aufhalten, erleichtern. Die EMLO sollten eng mit dem Netz der Verbindungsbeamten für Einwanderungsfragen (Immigration Liaison Officers – ILO) in diesen Ländern, mit den EU-Agenturen – insbesondere mit den von Frontex in diese Länder entsandten Verbindungsbeamten – und mit Netzen wie dem EURLO, die sich mit Rückkehrfragen befassen, zusammenarbeiten. Im Anschluss an die Bewertung der EU-Rechtsvorschriften über Verbindungsbeamte für Einwanderungsfragen 24 , die für 2016 geplant ist, wird die Kommission prüfen, ob die Vorschriften überarbeitet werden müssen, um den Mehrwert des ILO-Netzes zu erhöhen.

Darüber hinaus will die Kommission sämtliche Möglichkeiten nutzen, die das EMN zur Verbesserung der Analyse und des Austauschs von Informationen über die Rückkehr bietet. Zuverlässige, vergleichbare und kohärente statistische Daten sind für die Entwicklung geeigneter politischer Maßnahmen von entscheidender Bedeutung. Zwar übermitteln die Mitgliedstaaten Eurostat rückkehrbezogene statistische Daten, doch wurden Unstimmigkeiten festgestellt. Eine spezielle Qualitätsgruppe, in der die Kommission, Eurostat und einschlägige EU-Agenturen vertreten sein sollen, soll dieses Problem angehen.

 Sofortmaßnahmen

Einrichtung eines integrierten Systems für das Rückkehrmanagement

Festlegung der Aufgaben und der prioritären Länder für den Einsatz von EMLO

Fahrplan für die Verbesserung der Erhebung statistischer Daten über die Rückkehr

Mittelfristige Maßnahmen

Entsendung von EMLO in wichtige Drittstaaten

Bewertung der EU-Rechtsvorschriften über Verbindungsbeamte für Einwanderungsfragen und der Möglichkeiten für Änderungsvorschläge

Prüfung der Möglichkeiten zur Verbesserung der Anerkennung des Laissez-Passer der EU durch Drittländer

III.Stärkung der Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern im Bereich der Rückübernahme

Der Ausbau der Zusammenarbeit mit den wichtigsten Herkunfts- und Transitländern irregulärer Migranten im Bereich der Rückkehr, Rückführung und Rückübernahme ist von entscheidender Bedeutung für die Erhöhung der Rückkehrquoten und die Eindämmung der irregulären Migration. Die afrikanischen Länder, aus denen zahlreiche Migranten stammen, die irregulär in die EU gelangen oder sich dort irregulär aufhalten, haben Priorität. Die Rückkehrquoten in die afrikanischen Länder liegen unter 30 % und damit deutlich unterhalb der allgemeinen Rückkehrquote aus der EU, die mit 40 % bereits unzureichend ist. Der bevorstehende Migrationsgipfel in Valletta ist eine gute Gelegenheit, im Rahmen der allgemeinen Beratungen über die Zusammenarbeit zwischen der EU und Afrika im Bereich der Migration auch über die Frage der Rückübernahme zu sprechen.

Nach dem Völkergewohnheitsrecht ist die Rückübernahme eigener Staatsangehöriger eine Verpflichtung. Mit den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP-Staaten) wurde diese Verpflichtung auch in Artikel 13 des Abkommens von Cotonou verankert 25 .

In der Europäischen Migrationsagenda wurde bereits die Notwendigkeit entschlossenerer Maßnahmen gegenüber Drittstaaten betont, damit diese ihrer Verpflichtung zur Rückübernahme eigener Staatsangehöriger nachkommen. Der Europäische Rat forderte auf seiner Tagung vom 25./26. Juni 2015, dass alle Instrumente eingesetzt werden müssen, um die Zusammenarbeit im Bereich der Rückübernahme zu verbessern.

Die Kommission wird sich vorrangig darum bemühen sicherzustellen, dass die Rückübernahmeverpflichtungen unverzüglich und wirksam umgesetzt werden. Gleichzeitig wird sie einen Schwerpunkt auf den zügigen Abschluss laufender Verhandlungen bzw. die Aufnahme neuer Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen mit wichtigen Herkunftsländern legen. Darüber hinaus sollte die EU mit einschlägigen Ländern politische Dialoge auf hoher Ebene über Rückübernahmefragen aufnehmen und die operative Zusammenarbeit erheblich verbessern. Zur Erreichung dieser Ziele sollte die EU gegenüber den Partnerländern mit ausreichendem Nachdruck auftreten.

1.Wirksame Umsetzung von Rückübernahmeverpflichtungen

Die Kommission wird sich dafür einsetzen, dass die Rückübernahmeverpflichtungen, die mit spezifischen Rückübernahmeabkommen oder mit dem Abkommen von Cotonou eingegangen wurden, auch wirklich umgesetzt werden.

Die EU hat bislang 17 Rückübernahmeabkommen geschlossen. 26 Insgesamt erleichtert das Bestehen eines solchen Abkommens mit der EU die Rückführung irregulärer Migranten und deren Rückübernahme durch die betreffenden Länder. Die regelmäßigen Sitzungen der Gemischten Rückübernahmeausschüsse ermöglichen die Überwachung der Umsetzung dieser Abkommen und sind ein nützliches Forum für die Erörterung und Lösung praktischer Probleme. Die Kommission wird diese Ausschüsse in vollem Umfang nutzen, um die praktische Zusammenarbeit noch weiter zu intensivieren und die Rückkehrquoten in die Partnerländer zu erhöhen.

Ferner wird die Kommission besonderes Augenmerk auf die rasche Umsetzung der Verpflichtung legen, die die EU und die AKP-Staaten mit Artikel 13 des Abkommens von Cotonou eingegangen sind, wonach sie ihre eigenen Staatsangehörigen ohne weitere Formalitäten übernehmen. Die Kommission wird gemeinsam mit dem EAD, den Mitgliedstaaten und Frontex regelmäßige bilaterale Treffen mit den wichtigsten Herkunftsländern in Afrika südlich der Sahara zu Rückübernahmefragen abhalten, um diese Bestimmung des Abkommens von Cotonou in die Praxis umzusetzen. Ziel ist die Verbesserung der praktischen Zusammenarbeit durch Schaffung von Kommunikationskanälen, durch Ermittlung von Möglichkeiten für die frühzeitige Identifizierung irregulärer Migranten und durch Ausstellung von Reisedokumenten oder Verwendung des Laissez-Passer der EU für ihre Rückkehr.

Zu den prioritären Ländern, mit denen derartige Treffen geplant sind, gehören Nigeria, Senegal, Mali, die Demokratische Republik Kongo, Guinea, Côte d’Ivoire, Äthiopien und Gambia, wobei die Entwicklung der Migrationstrends zu berücksichtigen ist.

Sofortmaßnahmen

Bilaterale Rückübernahmetreffen mit Herkunftsländern südlich der Sahara, beginnend mit Nigeria und Senegal

2.Abschluss laufender und Aufnahme neuer Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen

Mit Ländern der östlichen Nachbarschaft hat die EU mittlerweile eine ganze Reihe von Rückübernahmeabkommen geschlossen. Für den Süden, aus dem die EU derzeit einem starken Migrationsdruck ausgesetzt ist, gilt dies jedoch nicht, auch wenn Verhandlungen über mehrere Abkommen laufen 27 . Eines der größten Hindernisse bei der Aushandlung von Rückübernahmeabkommen mit den nordafrikanischen Ländern ist die „Drittstaatsangehörigen-Klausel“, wonach die Länder zur Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen verpflichtet sind, die über ihr Hoheitsgebiet kommend in die EU eingereist sind. Dabei zeigen sich diese Länder mitunter auch schon dann wenig kooperativ, wenn es um die Rücknahme ihrer eigenen Staatsangehörigen geht.

Wenn Länder in Afrika südlich der Sahara eigene Staatsangehörige – wie im Abkommen von Cotonou vorgesehen – wieder übernehmen würden, müsste dies den Druck auf die Transitländer verringern, da die irregulären Migranten direkt in ihre Heimatländer zurückkehren würden. Dies dürfte wiederum den Abschluss von Abkommen mit den nordafrikanischen Ländern erleichtern.

Außerdem wird die Kommission die Notwendigkeit prüfen, auch mit anderen wichtigen Herkunfts- und Transitländern irregulärer Migranten Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen aufzunehmen. Im Falle von Ländern, die vor allem Herkunfts- und keine Transitländer sind, ist die „Drittstaatsangehörigen-Klausel“ weniger relevant.

Sofortmaßnahmen

Aufnahme bzw. Wiederaufnahme von Verhandlungen mit Ländern in Nordafrika

Mittelfristige Maßnahmen

Prüfung der Aufnahme von Verhandlungen über neue Rückübernahmeabkommen mit wichtigen Herkunftsländern

3.Politische Dialoge auf hoher Ebene über Rückübernahmefragen

Die EU wird auch mit einschlägigen Herkunfts- und Transitländern irregulärer Migranten politische Dialoge auf hoher Ebene aufnehmen, wie dies der Europäische Rat am 25./26. Juni 2015 gefordert hatte. Die Dialoge auf hoher Ebene, die von der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik eingeleitet werden, sollten sich auf Länder konzentrieren, in denen politisches Engagement und Nachdruck nötig sind, damit die bestehenden Verpflichtungen eingehalten werden oder Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen eröffnet bzw. abgeschlossen werden können. Auf diese Weise wird der Frage der Rückkehr und Rückübernahme in den Beziehungen zu diesen Ländern besonderes Gewicht verliehen. Mit der Unterstützung und der Politik der EU sollten Anreize geschaffen werden, die die Bereitschaft der Partnerländer zur Zusammenarbeit mit der EU fördern.

Die Hohe Vertreterin sollte bei diesen Dialogen von den zuständigen Mitgliedern der Europäischen Kommission begleitet werden. Die EU-Delegationen werden bei der Vor- und Nachbereitung der Dialoge eine wichtige Rolle spielen.

Unter Berücksichtigung der Zahl der nicht zurückgekehrten irregulären Migranten und des allgemeinen Stands der Beziehungen zur EU sind mögliche prioritäre Länder für Dialoge auf hoher Ebene über Rückübernahmefragen Marokko, Algerien, Ägypten, Nigeria, Senegal, Guinea, Mali, die Demokratische Republik Kongo, Côte d’Ivoire, Äthiopien, Gambia, Afghanistan, Bangladesch, Pakistan und Sri Lanka.

Parallel dazu wird die EU die Foren im Rahmen des Gesamtansatzes für Migration und Mobilität, wie den Rabat- und den Khartum-Prozess, die Seidenroutenpartnerschaft, die Mobilitätsdialoge und -partnerschaften, in vollem Umfang nutzen, um die Zusammenarbeit im Bereich der Rückübernahme zu verbessern.

Sofortmaßnahmen

Festlegung der Liste der prioritären Länder und des Zeitplans für die Dialoge auf hoher Ebene

Mittelfristige Maßnahmen

Einleitung und Durchführung politischer Dialoge auf hoher Ebene

4.Unterstützung bei der Wiedereingliederung und Aufbau von Kapazitäten

Zur Verbesserung der praktischen Zusammenarbeit und der Nachhaltigkeit der Rückkehr sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um die Wiedereingliederung von Rückkehrern zu fördern und die Kapazitäten ihrer Heimatländer für ihre Rückübernahme zu stärken.

Die Unterstützung bei der Wiedereingliederung soll auf individueller wie auch auf staatlicher Ebene erfolgen, damit sowohl der Rückkehrer als auch sein Heimatland über die zur Wiedereingliederung erforderlichen Mittel verfügen. Besondere Unterstützung sollten auch Transitländer erhalten. Ziel ist, die Rückkehr – ob freiwillig oder erzwungen – von Drittstaatsangehörigen, die das Hoheitsgebiet dieser Länder durchqueren, zu erleichtern und diese, wenn nötig und machbar, beim Abschluss von Rückübernahmeabkommen mit anderen Drittstaaten zu unterstützen.

Der Aufbau von Kapazitäten für die Rückübernahme sollte sich darauf konzentrieren, die zuständigen Behörden besser in die Lage zu versetzen, Rückübernahmeersuchen zügig zu bearbeiten und die Identifizierung eigener Staatsangehöriger durch die Herkunftsländer zu erleichtern und zu beschleunigen. Zu den Prioritäten gehören die Entwicklung von automatisierten zentralen Personenstandsregistern und von Systemen zur Ausstellung biometrischer Reisepässe und Personalausweise, die Schaffung von Möglichkeiten zur automatisierten Übermittlung und Bearbeitung von Rückübernahmeersuchen (z. B. mit Hilfe von Fingerabdruckgeräten) oder die Bereitstellung der erforderlichen materiellen Mittel für die Bearbeitung von Rückübernahmeersuchen und die Aufnahme von Rückkehrern (z. B. Beförderungsmittel oder vorübergehende Unterbringungsmöglichkeiten). Außerdem könnten Drittländer fachliche Unterstützung bei ihren Bemühungen erhalten, mit anderen Drittländern Rückübernahmevereinbarungen oder -abkommen zu schließen.

Zur Erleichterung solcher Maßnahmen hat die Kommission eine spezielle Fazilität für den Aufbau von Rückübernahmekapazitäten (Readmission Capacity Building Facility – RCBF) im Rahmen des AMIF 28 eingerichtet, die mit 5 Mio. EUR ausgestattet ist. Dieser Betrag soll in den kommenden Jahren weiter aufgestockt werden. Aus der RCBF sollen Drittländer Finanzmittel erhalten, die mit der EU Rückübernahmeabkommen geschlossen haben oder voraussichtlich schließen werden, sowie jene Länder, mit denen die EU eine bessere Zusammenarbeit im Bereich der Rückübernahme anstrebt. Die RCBF wird vor allem für den Aufbau von Kapazitäten eingesetzt werden, unter anderem für die Wiedereingliederung von Rückkehrern, und sie wird es der EU ermöglichen, dringenden Bedarf zügig zu decken.

Die EU wird auch Programme zur Förderung der freiwilligen Rückkehr aus den wichtigsten Transitländern unterstützen, da die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass Migranten die Gelegenheit zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer aus den Transitländern zu einem Zeitpunkt nutzen, zu dem sie Schleusern ihre Reise noch nicht vollständig bezahlt haben und sie größere Risiken – wie beispielsweise die Überquerung des Mittelmeers oder die Durchquerung der Sahara – noch vermeiden können. Programme für die freiwillige Rückkehr aus Transitländern in Herkunftsländer sollten – unter uneingeschränkter Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung – im Rahmen der regionalen Entwicklungs- und Schutzprogramme für Nordafrika und das Horn von Afrika sowie im Rahmen der Mobilitätspartnerschaften und der Gemeinsamen Agenden für Migration und Mobilität unterstützt werden. Derartige Programme sollten auch für Drittstaatsangehörige konzipiert werden, die über den Westbalkan kommen.

Aus allen einschlägigen Quellen, insbesondere den Instrumenten der Entwicklungshilfe, sollten ausreichende Mittel bereitgestellt werden, um die Wiedereingliederung von Rückkehrern in ihren Herkunftsländern zu fördern. Die Unterstützung bei der Wiedereingliederung sollte sich in die bereits vorhandenen Maßnahmen in den Herkunftsländern einfügen – z. B. Programme für allgemeine und berufliche Bildung und die Förderung von Mikrofinanzierungen und Unternehmertum, die weiter ausgebaut werden sollten. Der EU-Treuhandfonds, der zu den wichtigsten Ergebnissen des Migrationsgipfels in Valletta gehören wird, dürfte ganz erheblich zur Wiedereingliederung und zum Aufbau von Kapazitäten in Drittstaaten beitragen.

Sofortmaßnahmen

Einrichtung einer speziellen Fazilität für den Aufbau von Rückübernahmekapazitäten

Programme zur Förderung der freiwilligen Rückkehr in Drittstaaten im Rahmen der regionalen Entwicklungs- und Schutzprogramme

Unterstützung von Programmen zur Förderung der freiwilligen Rückkehr aus dem Westbalkan

Mittelfristige Maßnahmen

Strukturelle Unterstützung bei der Wiedereingliederung von Rückkehrern im Rahmen des Treuhandfonds, der auf dem Migrationsgipfel EU-Afrika in Valletta auf den Weg gebracht werden soll

5.Stärkere Einflussnahme der EU im Bereich Rückkehr und Rückübernahme

Die EU muss hinsichtlich der Rückübernahme stärkeren Einfluss auf Partnerländer ausüben, um für die Umsetzung bestehender Verpflichtungen und Vereinbarungen zu sorgen und die Aushandlung und den Abschluss neuer Abkommen zu erleichtern. Der Europäische Rat hat die Kommission und den Rat am 25./26. Juni 2015 aufgefordert, ein Gesamtpaket vorzubereiten, ,,um die Verhandlungen mit den betreffenden Drittländern zu unterstützen“.

Maßgeschneiderte Unterstützungspakete sollten geschaffen werden, um bestimmten Partnerländern bei der Erfüllung ihrer Rückübernahmeverpflichtungen in der Praxis zu helfen und die Verhandlungen zu unterstützen. Diese sollten auf den Erfahrungen aus dem Rückkehr-Pilotprojekt 29 aufbauen, mit dem ausgewählte Drittländer zur Zusammenarbeit bei der Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen ermutigt werden sollen. Rückkehr und Rückübernahme sollten Bestandteil eines ausgewogenen und konsolidierten Maßnahmenpakets der EU für einen Drittstaat sein, das alle einschlägigen Politikbereiche – insbesondere Inneres, Außenpolitik, Entwicklungshilfe, Handel und Sicherheit – einbezieht, damit die Ziele der Migrationspolitik der EU erreicht werden können. Auflagen sollten gemacht werden, wo dies angebracht ist.

Die Erfahrungen der Mitgliedstaaten zeigen, dass eine gut austarierte Mischung von Druck und Anreizen erforderlich ist, um die Zusammenarbeit bei der Rückübernahme zu verbessern. Im Bereich Inneres ist mit Mobilitätspartnerschaften und der Visumpolitik in der Regel eine nützliche Hebelwirkung bei der Zusammenarbeit hinsichtlich der Rückübernahme zu erzielen. Wenn parallel zur Aushandlung eines Rückübernahmeabkommens auch über ein Visumerleichterungsabkommen verhandelt wird, liefert dies Drittstaaten konkrete Anreize für die Zusammenarbeit bei der Rückübernahme.

Allerdings lässt sich dieses Instrument nur begrenzt nutzen, da es kaum wahrscheinlich ist, dass die EU bestimmten Drittstaaten, aus denen viele irreguläre Migranten kommen und die somit das Migrationsrisiko erhöhen, Visaerleichterungen gewähren würde. Selbst wenn die EU die parallele Aushandlung eines Visaerleichterungsabkommens anbietet, reicht dies möglicherweise nicht aus, wenn die angebotenen Erleichterungen im Vergleich zu den horizontalen Erleichterungen der EU-Visumverordnung nicht attraktiv genug sind. Aber die Visumpolitik hat – sei es durch die Neufassung des Visakodex, die Visaerleichterungsabkommen oder die konkrete Erteilung von Visa – Auswirkungen auf die Zusammenarbeit bei der Rückübernahme. Daher sollte eingehender geprüft werden, wie diese Politik genutzt werden kann, um eine Hebelwirkung zu erzielen.

Es sollten Möglichkeiten für die legale Migration für hochqualifizierte Arbeitnehmer, aber auch für Studien- und Forschungszwecke angeboten und in die Waagschale geworfen werden, um eine Zusammenarbeit bei der Rückübernahme zu erreichen. Zwar bestimmen die Mitgliedstaaten selbst, wie viele Wirtschaftsmigranten sie zulassen, doch könnte diese Frage auf EU-Ebene koordiniert werden, damit für die Aushandlung von Rückübernahmeabkommen und -vereinbarungen mit den betreffenden Drittländern ein wirksamerer Hebel zur Verfügung steht.

Es sollten aber auch andere als innenpolitische Lösungen gefunden werden, um Drittstaaten nachdrücklich zu einer besseren Zusammenarbeit bei der Rückübernahme zu bewegen, wie dies der Europäische Rat am 25./26. Juni 2015 gefordert hatte: „gestützt auf den Grundsatz ‚mehr für mehr‘ werden die Hilfe und die politischen Maßnahmen der EU genutzt, um Anreize für die Durchführung bestehender und den Abschluss neuer Rückübernahmeabkommen zu schaffen.“ 

Weitere Möglichkeiten zur Einflussnahme, die genutzt werden sollten, bieten die Entwicklungshilfe, die Nachbarschaftspolitik, Handelsabkommen und Handelspräferenzen (wobei im Falle bestimmter Drittstaaten der Abschluss von Freihandelsabkommen oder die Gewährung einer Präferenzbehandlung an den gleichzeitigen Abschluss eines Rückübernahmeabkommens geknüpft werden könnte) sowie die Bereiche Bildung (Erasmus+) und Kultur. Den Mitgliedstaaten wird dringend nahegelegt, nach Ansatzpunkten in den Bereichen zu suchen, die in ihre nationale Zuständigkeit fallen, wie der Zugang von Drittstaatsangehörigen zu ihrem Arbeitsmarkt.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen sich auf die klare Botschaft an die Herkunfts- und Transitländer irregulärer Migranten einigen und sie auch mittragen, dass es ohne Zusammenarbeit bei der Rückübernahme nicht geht. Die Frage der Rückübernahme muss Vorrang erhalten und bei allen relevanten Kontakten auf politischer Ebene zwischen der EU und Drittstaaten, die niedrige Rückkehrquoten aufweisen, sowie bei den Kontakten zwischen den Mitgliedstaaten und diesen Ländern zur Sprache kommen. Insbesondere sollte sie bei jedem Treffen der Hohen Vertreterin oder von Kommissionsmitgliedern mit Vertretern der betreffenden Länder angesprochen werden, auch im Rahmen internationaler und multilateraler Foren.

Sofortmaßnahmen

Einigung auf ein Gesamtpaket zur Unterstützung von Rückübernahmeverhandlungen und zur Förderung der Rückkehr auf der Grundlage des Grundsatzes „mehr für mehr“

Vorrang für Rückkehr und Rückübernahme und Berücksichtigung dieser Frage bei allen Kontakten mit prioritären Drittländern

Mittelfristige Maßnahmen

Entwicklung maßgeschneiderter, länderspezifischer Maßnahmenpakete

IV.Schlussfolgerung

Zur Verbesserung der Wirksamkeit des EU-Systems zur Förderung der Rückkehr irregulärer Migranten sind politischer Wille und Prioritätensetzung, die uneingeschränkte Anwendung der EU-Vorschriften sowie angemessene Verwaltungssysteme und Ressourcen auf nationaler Ebene erforderlich. Die Kommission wird mit Unterstützung der zuständigen EU-Agenturen alle Maßnahmen ergreifen, die notwendig sind, um das EU-Rückkehrsystem zu stärken, wobei die Grundrechte und Garantien für eine menschenwürdige Rückkehr uneingeschränkt zu achten sind.

Zwar ermöglicht die EU-Rückführungsrichtlinie wirksame Maßnahmen zur Förderung der Rückkehr, doch besteht bei der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten noch Spielraum für Verbesserungen. Die Kommission wird sich für die uneingeschränkte Anwendung der Richtlinie einsetzen, gegebenenfalls durch Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren. Gleichzeitig wird sie die nationalen Rückführungssysteme im Rahmen des Schengener Evaluierungsmechanismus bewerten, um Mängel zu ermitteln und bei deren Behebung zu helfen.

Ferner wird die Kommission die Unterstützung für Frontex ausbauen und Legislativvorschläge zur Ausweitung der Rolle der Agentur mit Blick auf die Nachhaltigkeit der Rückkehr vorlegen. Die Errichtung des Frontex-Rückführungsbüros dürfte es der Agentur ermöglichen, ihre Unterstützung bei der Rückkehr erheblich auszubauen. Die Kommission wird außerdem Legislativvorschläge zur Verbesserung der EU-Informationssysteme vorlegen, um einen reibungsloseren Austausch von Informationen über Rückführungsentscheidungen zu ermöglichen und deren Durchsetzung im gesamten Schengen-Raum zu erleichtern.

Ein wirksames Rückkehrsystem setzt voraus, dass in den Beziehungen zu Drittstaaten der Rückübernahme irregulärer Migranten Priorität eingeräumt wird. Die Kommission wird gemeinsam mit dem EAD ihre Bemühungen intensivieren, die Herkunftsländer in die Lage zu versetzen, ihre Verpflichtungen zur Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen zu erfüllen. Zu diesem Zweck sind politische Dialoge, der Aufbau von Kapazitäten, Unterstützung bei der Wiedereingliederung und gegebenenfalls die Aushandlung neuer Rückübernahmeabkommen vorgesehen.

(1)

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Die Europäische Migrationsagenda, Brüssel, 13. Mai 2015, COM(2015) 240 final.

(2)

Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98.

(3)

EMN inform, Overview: Incentives to return to a third country and support provided to migrants for their reintegration, Januar 2015.

(4)

Freiwillige Rückkehr oder freiwillige Ausreise, die logistisch, finanziell und/oder materiell unterstützt wird.

(5)

So haben beispielsweise in Bezug auf den Westbalkan zahlreiche Mitgliedstaaten die über die Deckung der aus dem Rücktransport erwachsenden Kosten hinausgehende Unterstützung der freiwilligen Rückkehr eingestellt, um keine weiteren Migranten anzuziehen.

(6)

Die Aufgabe des EMN ist die Bereitstellung aktueller, objektiver, zuverlässiger und vergleichbarer Daten zu Migration und Asyl.

(7)

Siehe Fußnote 2.

(8)

Der Begriff „Mitgliedstaaten“ bezieht sich auf 30 Staaten: Die 28 EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und Irlands, aber einschließlich Islands, Liechtensteins, Norwegens und der Schweiz. Die Richtlinie ist Teil des Schengen-Besitzstands und für die mit dem Schengen-Besitzstand assoziierten Staaten verbindlich. Für das Vereinigte Königreich und Irland gilt dies nicht, sie könnten sich allerdings dem Schengen-Besitzstand anschließen.

(9)

Nach Artikel 8 Absatz 1 ergreifen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung, wenn nach Artikel 7 Absatz 4 keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder wenn die betreffende Person ihrer Rückkehrverpflichtung nicht innerhalb der nach Artikel 7 eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nachgekommen ist.

(10)

Nach der Rückführungsrichtlinie darf die Haftdauer bis zu sechs Monaten bzw. bis zu 18 Monaten betragen, wenn die Abschiebungsmaßnahme trotz angemessener Bemühungen der Mitgliedstaaten wahrscheinlich länger dauern wird.

(11)

Artikel 18 Absätze 1 und 2 der Rückführungsrichtlinie.

(12)

Die Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung im Rahmen der sofortigen Rückführungsmaßnahmen an der Außengrenze ist hinreichend sichergestellt, wenn die Betroffenen – sowohl nach dem Gesetz als auch in der Praxis – die Möglichkeit haben, einen Antrag auf internationalen Schutz an einer leicht zugänglichen Grenzübergangsstelle zu stellen.

(13)

So wird beispielsweise in mehreren Mitgliedstaaten automatisch die aufschiebende Wirkung unterschiedslos in allen Fällen gewährt, in denen Rechtsmittel gegen eine Rückkehrentscheidung eingelegt werden. Durch solche Praktiken können sich die Rückkehrverfahren verzögern. Die automatische aufschiebende Wirkung sollte nur in Fällen gewährt werden, in denen es um den Grundsatz der Nichtzurückweisung geht.

(14)

In solchen Fällen kann der Mitgliedstaat, in dem sich der irreguläre Migrant aufhält, diesen entweder auf der Grundlage bilateraler Vereinbarungen in den Mitgliedstaat rückführen, der die Rückkehrentscheidung erlassen hat, oder die erforderlichen Schritte zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung nach der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. L 149 vom 2.6.2001, S. 34) ergreifen.

(15)

Derzeit geben die Mitgliedstaaten nur bestimmte Einreiseverbote systematisch in das SIS ein, aber nicht die nach der Rückführungsrichtlinie erteilten Einreiseverbote.

(16)

Entsprechend der Ankündigung im EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten und im Anschluss an die Aufforderung durch den Europäischen Rat vom 25./26. Juni 2015.

(17)

Artikel 38 des Beschlusses 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007.

(18)

Wie in der Europäischen Migrationsagenda angekündigt.

(19)

Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (ABl. L 180 vom 29.6.2013).

(20)

Ziel des Projekts zur Überwachung von Rückführungen, das vom Internationale Zentrum für migrationspolitische Entwicklung (ICMPD) verwaltet und aus Mitteln des Europäischen Rückkehrfonds finanziert wird, ist die Schaffung eines europäischen Pools von Rückführungsüberwachern, der den Ländern zur Verfügung steht, die ein System zur Überwachung von Rückführungen einsetzen müssen.

(21)

Gemäß Artikel 15 der Frontex-Verordnung müssen die Agentur und die Mitgliedstaaten auch im Falle einer Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Hoheitsgebiet dieser Staaten Normen und Standards einhalten, die den Vorgaben des Unionsrechts zumindest gleichwertig sind.

(22)

Das Netz EURINT zielt auf die Entwicklung und gemeinsame Nutzung bewährter Verfahren im Bereich Rückkehr/Rückführung und auf die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie für die operative Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Mit dem EURLO soll eine auf das Herkunftsland fokussierte operative Zusammenarbeit gefördert werden, insbesondere mit Hilfe von für Rückkehrfragen zuständigen Verbindungsbeamten in Schlüsselländern.

(23)

Der Europäische Rat forderte am 23. April 2015 die Entsendung von europäischen Verbindungsbeamten für Migration. Dies wurde auch in der Europäischen Migrationsagenda und im EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten vom 27. Mai 2015 bestätigt.

(24)

Verordnung (EG) Nr. 377/2004 des Rates vom 19. Februar 2004 zur Schaffung eines Netzes von Verbindungsbeamten für Einwanderungsfragen (ABl. L 64 vom 2.3.2004, S. 1).

(25)

Nach Artikel 13 des Cotonou-Abkommens gestatten die AKP-Staaten ihren Staatsangehörigen, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Union aufhalten, die Rückkehr und übernehmen sie ohne weiteres auf Ersuchen dieses Mitgliedstaats.

(26)

Die EU hat Rückübernahmeabkommen mit Russland, der Ukraine, der Republik Moldau, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, der Türkei, den Ländern des westlichen Balkans sowie mit Hongkong, Macao, Sri Lanka, Pakistan und Kap Verde geschlossen.

(27)

Die EU hat keine Rückübernahmeabkommen mit nordafrikanischen Ländern geschlossen. Ihre Verhandlungen mit Marokko über ein Rückübernahmeabkommen, die sich auf ein Mandat aus dem Jahr 2000 stützen, sind festgefahren. Mit Algerien, für das der Rat 2002 ein Verhandlungsmandat angenommen hat, haben die Verhandlungen offiziell noch nicht einmal begonnen. Für ein Abkommen mit Tunesien wurde im Dezember 2014 ein Mandat angenommen, aber die Verhandlungen wurden noch nicht eröffnet.

(28)

Siehe das Jahresarbeitsprogramm für 2015 für die Unterstützung von Maßnahmen der Union im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds.

(29)

Schlussfolgerungen des Rates zur Rückkehrpolitik der EU, vom Rat (Justiz und Inneres) auf seiner Tagung vom 5./6. Juni 2014 angenommen.