52013PC0822

Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte Kinder /* COM/2013/0822 final - 2013/0408 (COD) */


BEGRÜNDUNG

1.           KONTEXT DES VORSCHLAGS

1.           Mit diesem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates sollen EU-weit gemeinsame Mindestvorschriften für die Rechte von Kindern, die Verdächtige oder Beschuldigte in einem Strafverfahren sind oder gegen die ein Verfahren auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI („Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls“) anhängig ist, festgelegt werden.

2.           Die Stärkung der Rechte des Einzelnen im Strafverfahren ist ein Anliegen, das im Stockholmer Programm[1] klar zum Ausdruck gebracht wurde. Zur Gewährleistung des Rechts auf ein faires Verfahren ersuchte der Europäische Rat die Kommission in Abschnitt 2.4 des Stockholmer Programms, Vorschläge zur Festlegung gemeinsamer Mindeststandards vorzulegen, mit denen die Rechte von Verdächtigen und Beschuldigten schrittweise gestärkt werden sollen. Diese Maßnahme ist auch Bestandteil der EU-Agenda für die Rechte des Kindes, zu der das Europäische Parlament, der Ausschuss der Regionen, der Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Europarat sowie weitere wichtige Akteure wie UNICEF, die Kinderbeauftragten der Mitgliedstaaten und die Zivilgesellschaft ihren Beitrag geleistet haben.[2]

3.           Erlassen wurden bislang die Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren[3], die Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren[4] und die Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs[5]. Die Legislativvorschläge betreffend das Recht auf vorläufige Prozesskostenhilfe für einer Straftat Verdächtige oder Beschuldigte, denen die Freiheit entzogen ist, werden als Paket zusammen mit dem vorliegenden Legislativvorschlag und einer Richtlinie über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren vorgelegt.

4.           Mit diesem Richtlinienvorschlag werden besondere Mindestvorschriften für die Rechte von Kindern, die Verdächtige oder Beschuldigte in Strafverfahren sind, festgelegt. Die Richtlinie stützt sich auf die Artikel 3, 5, 6 und 8 EMRK in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der in seiner Rechtsprechung Standards zu besonderen Garantien für schutzbedürftige Personen, insbesondere Kinder, festlegt, und fördert so gleichzeitig die Anwendung der Charta, insbesondere ihrer Artikel 4, 6, 7, 24, 47 und 48. Dem EGMR zufolge setzen ein faires Verfahren und die Ausübung des Rechts auf ein faires Verfahren unter anderem voraus, dass der Betreffende versteht, um was es bei dem Verfahren im Wesentlichen geht, und dass er in der Lage ist, an dem Verfahren teilzunehmen, seine Rechte wirksam auszuüben und vom Schutz der Privatsphäre zu profitieren. Diese Richtlinie sollte daher die Stärkung der Verfahrensgarantien für Kinder ausdrücklich vorsehen.

5.           Die Maßnahmen sollten unter Berücksichtigung des Kindeswohls gemäß Artikel 24 der Grundrechtecharta umgesetzt werden.

6.           Einer Straftat verdächtige oder beschuldigte Kinder werden als solche anerkannt und bei allen Kontakten mit der zuständigen Behörde, die im Rahmen des Strafverfahrens tätig wird, mit Respekt, Würde, Professionalität sowie auf persönliche und nicht diskriminierende Weise behandelt. Auf diese Weise soll Kindern, die mit der Strafjustiz in Berührung gekommen sind, die Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtert werden. Die in dieser Richtlinie festgelegten Rechte gelten für einer Straftat verdächtige oder beschuldigte Kinder in nicht diskriminierender Weise, ungeachtet ihres Aufenthaltsstatus.

7.           Der vorliegende Legislativvorschlag wird zusammen mit einer Empfehlung der Kommission über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen und für schutzbedürftige Personen, gegen die ein Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls eingeleitet worden ist, vorgelegt.

8.           Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 82 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

9.           Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht sowie die Verteidigungsrechte sind in den Artikeln 47 und 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union („Charta“) und in Artikel 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verankert. Ob der Verdächtige oder Beschuldigte diese Rechte wirksam ausüben kann, hängt weitgehend davon ab, ob er dem Verfahren folgen und in vollem Umfang daran teilnehmen kann, was aus Altersgründen, aufgrund mangelnder Reife oder infolge von Behinderungen nur eingeschränkt möglich sein könnte. Daher müssen besondere Maßnahmen für Kinder und schutzbedürftige Erwachsene getroffen werden, die gewährleisten, dass diese tatsächlich am Verfahren teilnehmen und ihr Recht auf ein faires Verfahren im selben Umfang wie andere Verdächtige und Beschuldigte in Anspruch nehmen können.[6]

10.         Da es keine gemeinsame Definition für schutzbedürftige Erwachsene gibt, hat die Kommission auch im Hinblick auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt darauf verzichtet, den Anwendungsbereich dieser Richtlinie auf schutzbedürftige Erwachsene auszudehnen. Stattdessen wird die Kommission eine Empfehlung annehmen, in der die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen werden, eine Reihe von Garantien für schutzbedürftige Personen einzuführen.

2.           ERGEBNISSE DER KONSULTATIONEN UND FOLGENABSCHÄTZUNGEN

11.         Drei Sachverständigensitzungen fanden am 23. September 2011, 26. April 2012 und 11. Dezember 2012 statt. Vertreter der Mitgliedstaaten sowie eine Gruppe von Sachverständigen des Europarates, der International Association of Youth and Family Judges and Magistrates und der Vereinten Nationen sowie auf Kinder spezialisierte Angehörige der Rechts- und der Heilberufe erörterten Maßnahmen, mit denen auf EU-Ebene der Schutz von Kindern und schutzbedürftigen Erwachsenen in Strafverfahren verbessert werden könnte.

12.         Die Kommission hat im Rahmen ihrer Vorarbeiten eine Folgenabschätzung vorgenommen. Der diesbezügliche Bericht ist über die Internet-Adresse [http://ec.europa.eu/governance] abrufbar.

3.           RECHTLICHE ASPEKTE DES VORSCHLAGS

Artikel 1 - Gegenstand

13.         Mit der Richtlinie sollen Mindestvorschriften für die Rechte von Kindern, die Verdächtige oder Beschuldigte in einem Strafverfahren sind oder gegen die ein „Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls“ anhängig ist, festgelegt werden.

Artikel 2 – Anwendungsbereich

14.         Diese Richtlinie gilt für Kinder, d. h. Personen, die zu dem Zeitpunkt, zu dem sie einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden, das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Abschluss des Verfahrens.

15.         Die Richtlinie berührt nicht die nationalen Vorschriften über das Alter der Strafmündigkeit. Ab diesem Alter kann ein Kind für seine Handlungen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

16.         In einigen Mitgliedstaaten wird gegen Kinder, die eine unter Strafe gestellte Handlung begangen haben, nach dem nationalen Recht kein Strafverfahren, sondern eine andere Form von Verfahren eingeleitet, das zur Verhängung bestimmter restriktiver Maßnahmen (beispielsweise Schutz- oder Erziehungsmaßnahmen) führen kann. Solche Verfahren fallen nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.

Artikel 3 – Begriffsbestimmung

17.         Im Einklang mit internationalen Rechtsinstrumenten[7] gilt als Kind, wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Artikel 4 – Recht von Kindern auf Belehrung und Unterrichtung

18.         Das Kind sollte umgehend über die in der Richtlinie vorgesehenen Rechte belehrt werden, die die Rechte gemäß den Artikeln 3 bis 7 der Richtlinie 2012/13/EU ergänzen; davon ausgenommen sind geringfügige Zuwiderhandlungen gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/13/EU.

19.         Wird dem Kind die Freiheit entzogen, so nimmt die ihm gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2012/13/EU auszuhändigende Erklärung der Rechte auch Bezug auf die in der vorliegenden Richtlinie vorgesehenen Rechte.

20.         Die vorliegende Richtlinie sollte gemäß den Standards der Richtlinie 2010/64/EU über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren umgesetzt werden.

Artikel 5 – Recht auf Information des Trägers der elterlichen Verantwortung

21.         Um den besonderen Bedürfnissen eines Kindes Rechnung zu tragen, sieht diese Richtlinie weitere ergänzende Garantien in Bezug auf die Information des Trägers der elterlichen Verantwortung oder eines geeigneten Erwachsenen vor, sofern dies den ordnungsgemäßen Verlauf des Strafverfahrens gegen die betroffene Person und anderer Strafverfahren nicht beeinträchtigt.

22.         Der Ausdruck „Träger der elterlichen Verantwortung“ bezeichnet nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung jede Person oder Einrichtung, die die elterliche Verantwortung für ein Kind ausübt.

23.         Dem Träger der elterlichen Verantwortung kommt insofern eine wichtige Rolle zu, als er das Kind moralisch und psychologisch zu unterstützen und angemessen zu beraten hat. Er befindet sich in einer guten Position, um für einen besseren Schutz der Verteidigungsrechte des einer Straftat verdächtigen Kindes zu sorgen (zum Beispiel einen Rechtsbeistand zu bestellen oder die Einlegung eines Rechtsmittels zu beschließen). Außerdem sind die Eltern rechtlich für das Kind verantwortlich und können für dessen Verhalten zivilrechtlich haftbar gemacht werden.

24.         Diese Bestimmung spiegelt internationale Vorschriften wider wie die Leitlinien des Ministerkomitees des Europarates für eine kindgerechte Justiz, die Beijing-Regeln und die Allgemeine Bemerkung Nr. 10 zu Rechten des Kindes in der Jugendgerichtsbarkeit, die 2007 zur UN-Kinderrechtskonvention veröffentlicht wurde.

25.         Wenn die Information des Trägers der elterlichen Verantwortung dem Wohl des Kindes abträglich wäre, sollte dieses Recht keine Anwendung finden. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Träger der elterlichen Verantwortung an derselben Straftat beteiligt war wie das Kind und ein Interessenkonflikt besteht. In diesem Fall wird ein anderer geeigneter Erwachsener informiert und um Anwesenheit gebeten. Unter dem Begriff „ein anderer geeigneter Erwachsener“ ist ein Verwandter oder eine Person mit einer sozialen Beziehung zu dem Kind (der beziehungsweise die nicht der Träger der elterlichen Verantwortung ist) zu verstehen, der beziehungsweise die gegebenenfalls mit den Behörden Kontakt aufnimmt und dem Kind ermöglicht, seine Verfahrensrechte auszuüben.

Artikel 6 – Recht auf Rechtsbeistand

26.         Dieser Artikel schreibt für Kinder, die Verdächtige oder Beschuldigte in einem Strafverfahren sind, zwingend einen Rechtsbeistand vor.

27.         Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe c EMRK und die Artikel 47 und 48 der Charta gewährleisten das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand. Die Richtlinie 2013/48/EU enthält allgemeine Bestimmungen über ein solches Recht für alle Verdächtigen und Beschuldigten in Strafverfahren. Allerdings ermöglicht sie Verdächtigen oder Beschuldigten, auf ihr Recht auf Unterstützung durch einen Rechtsbeistand zu verzichten. In der vorliegenden Richtlinie ist als zusätzliche Garantie festgelegt, dass Kinder nicht auf dieses Recht verzichten können.

28.         Der EGMR hat wiederholt herausgestellt, wie wichtig für Kinder die Unterstützung durch einen Rechtsbeistand ab Verfahrensbeginn und während der polizeilichen Befragung ist, und damit zu verstehen gegeben, dass ein Verzicht mit beträchtlichen Risiken für sie verbunden sein kann. Wie wichtig der Zugang zu einem Rechtsbeistand für Kinder ist, wird auch in allen einschlägigen internationalen Vorschriften anerkannt wie in den Leitlinien des Ministerkomitees des Europarates für eine kindgerechte Justiz[8], den Beijing-Regeln[9] und in der Allgemeinen Bemerkung Nr. 10 zu Rechten des Kindes in der Jugendgerichtsbarkeit[10], die 2007 zur UN-Kinderrechtskonvention veröffentlicht wurde.

29.         In Bezug auf bestimmte geringfügige Zuwiderhandlungen wäre es jedoch unverhältnismäßig, den Zugang zu einem Rechtsbeistand zwingend vorzuschreiben. Dies betrifft insbesondere geringfügige Verkehrsübertretungen, geringfügige Zuwiderhandlungen gegen allgemeine Gemeindeverordnungen und geringfügige Zuwiderhandlungen gegen die öffentliche Ordnung, die in einigen Mitgliedstaaten als Straftaten gelten. Bei diesen Zuwiderhandlungen brauchen die zuständigen Behörden, die keine Staatsanwaltschaft und kein in Strafsachen zuständiges Gericht sind, das nach dieser Richtlinie zuerkannte unabdingbare Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand nicht zu garantieren.

Artikel 7 – Recht auf individuelle Begutachtung

30.         Dieser Artikel gewährleistet Kindern das Recht auf individuelle Begutachtung. Eine solche Begutachtung ist erforderlich, um die besonderen Bedürfnisse von Kindern in Bezug auf Schutz, Erziehung, Ausbildung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermitteln und um festzustellen, ob und inwieweit sie während eines Strafverfahrens besondere Maßnahmen benötigen. Die persönlichen Merkmale von Kindern, ihre Reife und ihr wirtschaftlicher und sozialer Hintergrund können sehr unterschiedlich sein.

31.         Die individuelle Begutachtung sollte in einer geeigneten Phase des Verfahrens, spätestens jedoch vor Anklageerhebung, vorgenommen werden. Sie sollte im Einklang mit dem nationalen Recht aufgezeichnet werden.

32.         Unbeschadet des Artikels 8 der Richtlinie 2011/36/EU sollte im Zuge einer individuellen Begutachtung besonderes Augenmerk auf Kinder gerichtet werden, die an strafbaren Handlungen beteiligt waren, zu denen sie als Opfer des Menschenhandels gezwungen wurden.

33.         Umfang und Genauigkeit dieser Begutachtung richten sich nach der Schwere der Straftat und der zu verhängenden Strafe, falls das Kind der mutmaßlichen Straftat für schuldig befunden wird. So kann bei einer schweren Straftat wie Raub oder Mord eine eingehendere Begutachtung gerechtfertigt sein.

34.         Die individuelle Begutachtung sollte im Zuge des Strafverfahrens aktualisiert werden; in Bezug auf das Kind zuvor durchgeführte individuelle Begutachtungen können herangezogen werden, sofern sie aktualisiert werden.

35.         Die Mitgliedstaaten können von dieser Verpflichtung abweichen, wenn die Durchführung einer individuellen Begutachtung angesichts der Umstände des Falls und unter Berücksichtigung dessen, ob das Kind bei den Behörden des Mitgliedstaats bereits im Rahmen eines Strafverfahrens in Erscheinung getreten ist, unverhältnismäßig ist. In solchen Fällen sollte eine für den Schutz oder das Wohlergehen von Kindern zuständige Behörde darüber unterrichtet werden, dass keine individuelle Begutachtung vorgenommen wird.

Artikel 8 – Recht auf medizinische Untersuchung

36.         Der Zugang zu einer medizinischen Untersuchung durch einen Arzt und zu einer angemessenen medizinischen Versorgung während des Haftaufenthalts von Kindern wird in internationalen Rechtsinstrumenten wie in der Allgemeinen Bemerkung Nr. 10 der Vereinten Nationen zu Rechten des Kindes in der Jugendgerichtsbarkeit aus dem Jahr 2007 empfohlen. Aufgrund ihres geringen Alters und ihrer mangelnden körperlichen und geistigen Reife sind Kinder Misshandlungen und Gesundheitsproblemen stärker ausgesetzt als andere Verdächtige oder Beschuldigte. Möglicherweise sind sie oft nicht einmal in der Lage, ihre Gesundheitsprobleme richtig zum Ausdruck zu bringen. Es muss besonders darauf geachtet werden, dass ihre Unversehrtheit gewährleistet ist, vor allem wenn sie sich in Haft befinden.

37.         Ist einem Kind die Freiheit entzogen worden, so sollte es auf Antrag des Trägers der elterlichen Verantwortung, des geeigneten Erwachsenen oder des Rechtsbeistands des Kindes das Recht auf eine medizinische Untersuchung haben. Eine solche Untersuchung sollte von einem medizinischen Sachverständigen durchgeführt werden.

38.         Bei Verlängerung des Freiheitsentzugs oder der gegen das Kind ergriffenen Maßnahmen kann die medizinische Untersuchung auch wiederholt werden.

39.         Führt die medizinische Untersuchung eines Kindes zu dem Ergebnis, dass die während des Strafverfahrens gegen das Kind erwogenen Maßnahmen (Befragung des Kindes, Haft usw.) nicht mit seiner allgemeinen geistigen und körperlichen Verfassung zu vereinbaren sind, so sollten die zuständigen Behörden gemäß dem nationalen Recht geeignete Maßnahmen ergreifen (Verschiebung der Befragung, ärztliche Behandlung des Kindes usw.). Dem Wohl des Kindes ist gebührend Rechnung zu tragen.

Artikel 9 – Befragung von Kindern

40.         Die Befragung von Kindern könnte zu einer Situation führen, in der die Wahrung ihrer Verfahrensrechte und die Achtung der Menschenwürde nicht uneingeschränkt garantiert sind und die Schutzbedürftigkeit der Kinder nicht angemessen berücksichtigt wird.

41.         Damit ein hinlänglicher Schutz von Kindern sichergestellt ist, die nicht immer in der Lage sind, den Inhalt von Befragungen, denen sie – unter anderem von der Polizei – unterzogen werden, zu verstehen, sollten Befragungen audiovisuell aufgezeichnet werden. Es wäre jedoch unverhältnismäßig vorzuschreiben, dass die zuständigen Behörden in allen Fällen für eine audiovisuelle Aufzeichnung sorgen müssen. Die Komplexität des Falls, die Schwere der zur Last gelegten Straftat und die zu gewärtigende Strafe sind gebührend zu berücksichtigen. Wird jedoch einem Kind die Freiheit entzogen, so sollte die Befragung stets aufgezeichnet werden.

42.         Diese Aufzeichnungen, die gewährleisten sollen, dass Klarheit über Inhalt und Kontext der Befragungen besteht, dürfen nur den Justizbehörden und den Verfahrensbeteiligten zugänglich sein. Eine öffentliche Verbreitung der Aufzeichnungen sollte verhindert werden. Außerdem sollten die Länge, die Art und das Tempo der Befragungen dem Alter und der Reife des befragten Kindes angepasst werden.

Artikel 10 – Recht auf Freiheit

43.         Das Recht auf Freiheit und Sicherheit ist in Artikel 5 Absatz 1 EMRK und Artikel 6 der Charta verankert.

44.         Im Einklang mit internationalen Vorschriften wie Artikel 37 der UN-Kinderrechtskonvention, Nummer 79 der Allgemeinen Bemerkung Nr. 10 der Vereinten Nationen zu Rechten des Kindes in der Jugendgerichtsbarkeit aus dem Jahr 2007 und der Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates[11] sollte jede Form des Freiheitsentzugs bei Kindern nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit angewendet werden.[12]

45.         Unter Berücksichtigung dieser internationalen Standards werden in der vorliegenden Richtlinie Mindestvorschriften in Bezug auf die Haft festgelegt. Dies berührt nicht die Einhaltung der internationalen Haftstandards durch die Mitgliedstaaten, insbesondere die Vorgabe, dass Kinder getrennt von Erwachsenen unterzubringen sind, und den Zugang zu Erziehungsmaßnahmen nach der Verurteilung.

Artikel 11 – Alternative Maßnahmen

46.         Um einen Freiheitsentzug bei Kindern zu vermeiden, sollten die zuständigen Behörden alle als Alternative zum Freiheitsentzug in Frage kommenden Maßnahmen ergreifen, wenn diese dem Wohl des Kindes dienen. Diese Maßnahmen sollten beispielsweise Folgendes umfassen: die Verpflichtung, sich bei den zuständigen Behörden zu melden, die Einschränkung des Kontakts zu bestimmten Personen und die Teilnahme an einer Heilbehandlung oder Entziehungskur.[13]

Artikel 12 – Recht auf besondere Behandlung bei Freiheitsentzug

47.         In bestimmten Fällen könnte der Entzug der Freiheit notwendig sein, zum Beispiel um zu verhindern, dass Beweismittel manipuliert oder Zeugen beeinflusst werden, wenn Flucht- oder Verdunkelungsgefahr besteht usw. In diesen Fällen ist besonders darauf zu achten, wie inhaftierte Kinder behandelt werden.

48.         Angesichts der Schutzbedürftigkeit von Kindern, denen die Freiheit entzogen worden ist, sowie der Bedeutung familiärer Bindungen und der Förderung der Wiedereingliederung in die Gesellschaft sollten die zuständigen Behörden die in internationalen und europäischen Instrumenten verankerten Rechte des Kindes achten und sich aktiv für ihre Einhaltung einsetzen. Neben anderen Rechten sollten Kinder insbesondere das Recht haben,

a)           regelmäßige und bereichernde Kontakte mit Eltern, Familienangehörigen und Freunden aufrechtzuerhalten. Eine Einschränkung dieses Rechts sollte niemals als Strafe verhängt werden;

b)           eine geeignete Erziehung, Anleitung und Ausbildung zu erhalten;

c)           medizinisch versorgt zu werden.

49.         Im Einklang mit internationalen Standards[14] sollten Kinder getrennt von Erwachsenen untergebracht werden, um ihren Bedürfnissen und ihrer Schutzbedürftigkeit Rechnung zu tragen. Vollendet ein inhaftiertes Kind das 18. Lebensjahr, sollte es die Möglichkeit haben, weiterhin getrennt inhaftiert zu sein. Zu diesem Zweck sollten die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen erfordern jedoch nicht, dass separate Gewahrsamseinrichtungen oder Gefängnisse für Kinder geschaffen werden.

Artikel 13 – Zügige und sorgfältige Bearbeitung der Fälle

50.         In Verfahren, an denen Kinder beteiligt sind, sollte der Grundsatz der Dringlichkeit angewandt werden, damit ein rasches Vorgehen und der Schutz des Kindeswohls gewährleistet sind. Die Gerichte sollten besondere Sorgfalt walten lassen, um etwaige negative Folgen für die Familie und die sozialen Beziehungen des Kindes zu verhindern.

Artikel 14 – Recht auf Schutz der Privatsphäre

51.         Das Erfordernis, die Privatsphäre von verdächtigen oder beschuldigten Kindern in Strafverfahren zu schützen, geht auf internationale Standards[15] zurück. Die Beteiligung an Strafverfahren stigmatisiert die Betroffenen und kann sich insbesondere bei Kindern nachteilig auf ihre Chancen auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft und ihr künftiges berufliches und soziales Leben auswirken. Der Schutz der Privatsphäre von an Strafverfahren beteiligten Kindern ist von entscheidender Bedeutung für die Rehabilitation Jugendlicher.

52.         Im Falle von Kindern sollten Urteile unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefällt werden. In Ausnahmefällen kann das Gericht beschließen, dass nach gebührender Berücksichtigung des Kindeswohls eine Verhandlung öffentlich stattfindet.

53.         Im Interesse des Wohls des Kindes und der Familie sollten die Behörden außerdem verhindern, dass Informationen, aufgrund deren die Betroffenen identifiziert werden könnten, (zum Beispiel Name und Bild des Kindes und von Familienmitgliedern) öffentlich verbreitet werden.

Artikel 15 – Recht des Trägers der elterlichen Verantwortung auf Zugang zu den Gerichtsverhandlungen

54.         Damit eine angemessene Unterstützung des Kindes während der Gerichtsverhandlungen gewährleistet ist, sollte der Träger der elterlichen Verantwortung oder ein anderer geeigneter Erwachsener gemäß Artikel 5 anwesend sein.

Artikel 16 – Recht von Kindern, persönlich zu der Verhandlung zur Klärung der Schuldfrage zu erscheinen

55.         Wenn Kinder der Verhandlung fernbleiben, sind ihre Verteidigungsrechte gefährdet. Sie können in diesem Fall weder dem Gericht ihre Sicht des Sachverhalts darlegen noch entsprechende Beweise vorbringen. Somit könnte es sein, dass sie für schuldig befunden werden, ohne dass sie Gelegenheit hatten, die Gründe für die Verurteilung zu widerlegen.

56.         Das Recht, in der Verhandlung anwesend zu sein oder nach einer entsprechenden Rechtsbelehrung darauf zu verzichten, ist für die Ausübung der Verteidigungsrechte unerlässlich.

57.         Gemäß Artikel 16 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass das Recht auf Anwesenheit im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR für jede Verhandlung gilt, in der die Frage der Schuld des Beschuldigten geklärt werden soll (unabhängig davon, ob es zu einer Verurteilung oder einem Freispruch kommt). Angesichts der etwaigen Folgen dieser Verfahrensphase ist es besonders wichtig, dass das Kind in dieser Phase des Strafverfahrens anwesend ist.

Artikel 17 – Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls

58.         Diese Richtlinie gilt für Kinder, gegen die ein Verfahren auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI eingeleitet worden ist, ab dem Zeitpunkt ihrer Festnahme im Vollstreckungsstaat. Die Verbesserung der EuHB-Regelung ist ein wichtiges Anliegen des dritten Berichts der Kommission über die Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates über den EuHB.[16]

59.         Die zuständigen Behörden in den Vollstreckungsmitgliedstaaten müssen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte anwenden. Der Umstand, dass im Vollstreckungsmitgliedstaat Kindern mindestens das im Ausstellungsmitgliedstaat gewährte Schutzniveau garantiert wird, wird sich positiv auf das gegenseitige Vertrauen und die gegenseitige Anerkennung auswirken.

60.         Verfahren zur Vollstreckung eines EuHB verzögern sich nicht, da dieser Artikel nicht die im Rahmenbeschluss enthaltenen Fristen berührt.

61.         Im Interesse des Kindeswohls und im Einklang mit internationalen Vorschriften, wonach jede Form des Freiheitsentzugs bei Kindern nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit angewendet werden sollte (siehe oben, Artikel 10), ergreifen die Vollstreckungsbehörden alle Maßnahmen, um die Dauer des Freiheitsentzugs bei Kindern, gegen die ein EuHB erlassen worden ist, zu begrenzen.

Artikel 18 – Recht auf Prozesskostenhilfe

62.         Es ist nicht Ziel dieser Richtlinie, die Frage der Prozesskostenhilfe zu regeln, allerdings verpflichtet sie die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass ihre einschlägigen innerstaatlichen Regelungen die wirksame Ausübung des Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand gewährleisten.

63.         Das Recht von Kindern, die einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden und denen die Freiheit entzogen ist oder gegen die ein Verfahren auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls anhängig ist, auf vorläufige Prozesskostenhilfe fällt unter die [den Vorschlag für eine] Richtlinie über vorläufige Prozesskostenhilfe für einer Straftat Verdächtige oder Beschuldigte, denen die Freiheit entzogen ist, sowie über Prozesskostenhilfe in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls und unter die [den Vorschlag für eine] Empfehlung zum Recht auf Prozesskostenhilfe in Strafverfahren für Verdächtige oder Beschuldigte. In der Empfehlung wird im Zusammenhang mit der „Bedürftigkeitsprüfung“ und der „Begründetheitsprüfung“ speziell auf die Situation von Kindern Bezug genommen.[17]

Artikel 19 – Schulung

64.         Mitarbeiter von Justiz- und Strafverfolgungsbehörden sowie Gefängnisbedienstete, die Fälle mit Beteiligung von Kindern bearbeiten, sollten sich über die besonderen Bedürfnisse von Kindern verschiedener Altersgruppen im Klaren sein und für kindgerechte Verfahrensabläufe sorgen. Daher benötigen sie entsprechende Schulungen in Bezug auf die gesetzlichen Rechte von Kindern und die Bedürfnisse von Kindern verschiedener Altersgruppen, in Bezug auf Kindesentwicklung und Kinderpsychologie, pädagogische Fähigkeiten, die Kommunikation mit Kindern jeglichen Alters und aller Entwicklungsstadien und in Bezug auf Kinder, die sich in besonders prekären Situationen befinden.[18] Auch Strafverteidiger, die sich auf Fälle mit Beteiligung von Kindern spezialisieren, sollten entsprechend geschult werden.

65.         Personen, die Kindern Unterstützung leisten oder Wiedergutmachungsdienste zur Verfügung stellen, sollten ebenfalls entsprechend geschult werden, um sicherzustellen, dass Kinder respektvoll, unvoreingenommen und professionell behandelt werden.

Artikel 20 – Datenerhebung

66.         Damit die Wirksamkeit und Effizienz dieser Richtlinie überprüft und bewertet werden kann, müssen die Mitgliedstaaten Daten über die Ausübung der in dieser Richtlinie festgelegten Rechte erheben. Zu den einschlägigen Daten gehören die von Justiz- und Strafverfolgungsbehörden erfassten Daten und – soweit möglich – von Gesundheits- und Sozialfürsorgediensten zusammengestellte Verwaltungsdaten.

Artikel 21 – Kosten

67.         Die Kosten, die in Anwendung dieser Richtlinie für Begutachtungen von Kindern, medizinische Untersuchungen und audiovisuelle Aufzeichnungen entstehen, sind von den Mitgliedstaaten zu tragen, auch wenn das einer Straftat verdächtige oder beschuldigte Kind verurteilt wird.

Artikel 22 – Regressionsverbot

68.         Dieser Artikel stellt sicher, dass es durch die Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften nach Maßgabe dieser Richtlinie nicht zur Absenkung der Standards in bestimmten Mitgliedstaaten kommt und dass die Standards der Charta und der EMRK beibehalten werden. Da diese Richtlinie Mindestvorschriften vorsieht, steht es den Mitgliedstaaten frei, höhere Anforderungen als die der Richtlinie festzulegen.

Artikel 23 – Umsetzung

69.         Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie [spätestens 24 Monate nach ihrer Veröffentlichung] umsetzen. Bis dahin müssen sie der Kommission auch den Wortlaut der Bestimmungen mitteilen, mit denen sie die Richtlinie in nationales Recht umsetzen.

70.         Die Mitgliedstaaten sollten zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein erläuterndes Dokument oder mehrere derartige Dokumente übermitteln, in dem bzw. denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen einzelstaatlicher Umsetzungsinstrumente erläutert wird.

Artikel 24 – Inkrafttreten

71.         In diesem Artikel ist festgelegt, dass die Richtlinie am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft tritt.

4.           Subsidiaritätsprinzip

72.         Das mit dem Vorschlag verfolgte Ziel lässt sich von den Mitgliedstaaten allein nicht hinreichend verwirklichen, weil das gegenseitige Vertrauen gefördert werden soll und daher EU-weit gemeinsame Mindestvorschriften über Verfahrensgarantien für Kinder, die Verdächtige oder Beschuldigte in Strafverfahren sind, festgelegt werden müssen. In der Folgenabschätzung zu dem Richtlinienvorschlag wird näher erläutert, warum die EU tätig werden muss und warum sie besser in der Lage ist, besondere strafprozessuale Verfahrensgarantien für Kinder festzulegen.

5.           Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

73.         Der Vorschlag genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da er nicht über das Maß hinausgeht, das erforderlich ist, um das erklärte Ziel auf europäischer Ebene zu erreichen. Maßnahmen zur stärkeren Vereinheitlichung von Standards, die zu einschneidenden Änderungen der Strafrechtssysteme der Mitgliedstaaten geführt hätten, fanden keine Berücksichtigung. Beispielsweise wurden keine Bestimmungen in Bezug auf das Alter der Strafmündigkeit, die Einrichtung von Jugendgerichten und die Diversion zur Vermeidung von Strafverfahren aufgenommen. Damit die EU-Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen, werden mit der Richtlinie keine umfassenden Vorschriften für Kinder in Strafverfahren vorgeschlagen. Es werden lediglich Mindestvorschriften festgelegt, die als unerlässlich erachtet werden, um zu erreichen, dass Kindern ein wirksamer Schutz garantiert wird und das gegenseitige Vertrauen und die justizielle Zusammenarbeit gefördert werden.

6.           Auswirkungen auf den Haushalt

74.         Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Haushalt der EU.

2013/0408 (COD)

Vorschlag für eine

RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte Kinder

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,[19]

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,[20]

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)       Mit dieser Richtlinie sollen Verfahrensgarantien festgelegt werden, um zu gewährleisten, dass Kinder, die Verdächtige oder Beschuldigte in Strafverfahren sind, diese Verfahren verstehen und ihnen folgen können, um die betroffenen Kinder in die Lage zu versetzen, ihr Recht auf ein faires Verfahren auszuüben, um zu verhindern, dass Kinder erneut straffällig werden, und um ihre soziale Integration zu fördern.

(2)       Durch die Festlegung von Mindestvorschriften zum Schutz der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten soll diese Richtlinie das Vertrauen in die Strafrechtspflege der anderen Mitgliedstaaten stärken und auf diese Weise dazu beitragen, die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen zu erleichtern. Auch sollen auf diese Weise Hindernisse für die Freizügigkeit der Unionsbürger in den Mitgliedstaaten beseitigt werden.

(3)       Zwar sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes beigetreten, doch hat die Erfahrung gezeigt, dass dadurch allein nicht immer ein hinreichendes Maß an Vertrauen in die Strafrechtspflege anderer Mitgliedstaaten hergestellt wird.

(4)       Die Stärkung der Rechte des Einzelnen im Strafverfahren ist ein Anliegen, das im Stockholmer Programm[21] klar zum Ausdruck gebracht wurde. In Abschnitt 2.4 des Stockholmer Programms ersuchte der Europäische Rat die Kommission, Vorschläge zur schrittweisen[22] Stärkung der Rechte von Verdächtigen oder Beschuldigten vorzulegen.

(5)       Erlassen wurden in diesem Zusammenhang bislang die Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates[23], die Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates[24] und die Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates[25].

(6)       Unter Berücksichtigung der Leitlinien des Europarates für eine kindgerechte Justiz fördert diese Richtlinie die Rechte des Kindes.

(7)       Kindern, die Verdächtige oder Beschuldigte in Strafverfahren sind, sollte besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um das Potenzial für ihre Entwicklung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu wahren.

(8)       Diese Richtlinie sollte für Kinder gelten, d. h. für Personen, die zu dem Zeitpunkt, zu dem sie einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden, das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ungeachtet ihres Alters während des Strafverfahrens bis zum Erlass eines rechtskräftigen Urteils.

(9)       Diese Richtlinie sollte auch für Straftaten gelten, die derselbe Verdächtige oder Beschuldigte nach Vollendung des 18. Lebensjahres begangen hat und die gemeinsam untersucht und strafrechtlich verfolgt werden, da sie untrennbar mit Straftaten verknüpft sind, in Bezug auf die Strafverfahren gegen die betreffende Person eingeleitet wurden, bevor diese das 18. Lebensjahr vollendet hatte.

(10)     Den Mitgliedstaaten wird nahegelegt, in Fällen, in denen eine Person zu dem Zeitpunkt, zu dem sie einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt wird, das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrensgarantien anzuwenden, bis die betreffende Person das 21. Lebensjahr vollendet hat.

(11)     Die Mitgliedstaaten sollten das Alter von Kindern aufgrund von deren eigenen Aussagen, Überprüfungen ihres Personenstands, dokumentarischen Recherchen, sonstigen Belegen und – wenn solche Belege nicht verfügbar oder nicht aussagekräftig sind – aufgrund einer medizinischen Untersuchung bestimmen.

(12)     Bei der Umsetzung dieser Richtlinie sollten die Bestimmungen der Richtlinie 2012/13/EU und der Richtlinie 2013/48/EU berücksichtigt werden. Bei geringfügigen Zuwiderhandlungen sollten die Belehrung und Unterrichtung unter den in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/13/EU vorgesehenen Bedingungen erfolgen. Um den besonderen Bedürfnissen von Kindern Rechnung zu tragen, sieht die vorliegende Richtlinie allerdings weitere ergänzende Garantien in Bezug auf die dem Träger der elterlichen Verantwortung mitzuteilenden Informationen und den unabdingbaren Zugang zu einem Rechtsbeistand vor.

(13)     Wird dem Kind die Freiheit entzogen, so sollte die ihm gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2012/13/EU ausgehändigte Erklärung der Rechte klare Hinweise zu den in der vorliegenden Richtlinie vorgesehenen Rechten enthalten.

(14)     Der Ausdruck „Träger der elterlichen Verantwortung“ bezeichnet nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates[26] jede Person, die die elterliche Verantwortung für ein Kind ausübt. Die elterliche Verantwortung bezeichnet die gesamten Rechte und Pflichten, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen wurden, einschließlich des Sorge- und des Umgangsrechts.

(15)     Kinder sollten das Recht haben, den Träger der elterlichen Verantwortung mündlich oder schriftlich über die geltenden Verfahrensrechte unterrichten zu lassen. Diese Unterrichtung sollte umgehend und so detailliert erfolgen, dass ein faires Verfahren und eine wirksame Ausübung der Verteidigungsrechte des Kindes gewährleistet sind. Wenn es dem Wohl des Kindes abträglich wäre, den Träger der elterlichen Verantwortung über diese Rechte zu unterrichten, sollte ein anderer geeigneter Erwachsener informiert werden.

(16)     Kinder sollten nicht auf ihr Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichten können, da sie nicht in der Lage sind, ein Strafverfahren richtig zu verstehen und ihm zu folgen. Daher sollte die Anwesenheit eines Rechtsbeistands beziehungsweise die Unterstützung durch einen Rechtsbeistand für Kinder zwingend vorgeschrieben werden.

(17)     In einigen Mitgliedstaaten ist eine Behörde, die keine Staatsanwaltschaft und kein in Strafsachen zuständiges Gericht ist, bei relativ geringfügigen Zuwiderhandlungen für die Verhängung anderer Strafen als eines Freiheitsentzugs zuständig. Dies kann zum Beispiel bei häufig begangenen Verkehrsübertretungen der Fall sein, die möglicherweise nach einer Verkehrskontrolle festgestellt werden. In solchen Situationen wäre es unangemessen, die zuständigen Behörden zu verpflichten, das unabdingbare Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand zu gewährleisten. In den Fällen, in denen nach dem Recht eines Mitgliedstaats die Verhängung einer Strafe wegen geringfügiger Zuwiderhandlungen durch eine solche Behörde vorgesehen ist und entweder bei einem in Strafsachen zuständigen Gericht ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann oder die Möglichkeit besteht, die Sache anderweitig an ein solches Gericht zu verweisen, sollte das unabdingbare Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand daher nur für das Verfahren vor diesem Gericht nach Einlegung eines solchen Rechtsbehelfs oder nach einer solchen Verweisung gelten. In einigen Mitgliedstaaten können Verfahren mit Beteiligung von Kindern von Staatsanwälten bearbeitet werden, die zur Verhängung von Strafen befugt sind. In solchen Verfahren sollte der Zugang zu einem Rechtsbeistand für Kinder zwingend vorgeschrieben sein.

(18)     In einigen Mitgliedstaaten gelten bestimmte geringfügige Zuwiderhandlungen, insbesondere geringfügige Verkehrsübertretungen, geringfügige Zuwiderhandlungen gegen allgemeine Gemeindeverordnungen und geringfügige Zuwiderhandlungen gegen die öffentliche Ordnung als Straftaten. Bei solchen geringfügigen Zuwiderhandlungen wäre es unverhältnismäßig, die zuständigen Behörden zu verpflichten, das unabdingbare Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand zu gewährleisten. In Fällen, in denen nach dem Recht eines Mitgliedstaats bei geringfügigen Zuwiderhandlungen kein Freiheitsentzug als Strafe verhängt werden kann, sollte das unabdingbare Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand daher nur für Verfahren vor einem in Strafsachen zuständigen Gericht gelten.

(19)     Kinder, die Verdächtige oder Beschuldigte in Strafverfahren sind, sollten das Recht auf individuelle Begutachtung haben, damit ihre besonderen Bedürfnisse in Bezug auf Schutz, Erziehung, Ausbildung und soziale Integration ermittelt werden können, damit festgestellt werden kann, ob und inwieweit sie während des Strafverfahrens besondere Maßnahmen benötigen würden, und damit der Grad ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit und die Angemessenheit einer ihnen aufzuerlegenden Strafe oder Erziehungsmaßnahme bestimmt werden kann.

(20)     Damit die Unversehrtheit eines festgenommenen oder inhaftierten Kindes gewährleistet ist, sollte dieses Zugang zu einer medizinischen Untersuchung haben. Die medizinische Untersuchung sollte von einem Arzt durchgeführt werden.

(21)     Damit ein hinlänglicher Schutz von Kindern sichergestellt ist, die den Inhalt von Befragungen, denen sie unterzogen werden, nicht immer verstehen können, und damit keine Zweifel bezüglich des Inhalts einer Befragung aufkommen und sich somit unangemessene Wiederholungen von Befragungen erübrigen, sollten Befragungen von Kindern audiovisuell aufgezeichnet werden. Dies beinhaltet nicht Befragungen, die zur Identifizierung von Kindern durchgeführt werden müssen.

(22)     Es wäre jedoch unverhältnismäßig, die zuständigen Behörden zu verpflichten, unter allen Umständen für eine audiovisuelle Aufzeichnung zu sorgen. Die Komplexität des Falls, die Schwere der zur Last gelegten Straftat und die zu gewärtigende Strafe sind gebührend zu berücksichtigen. Wird einem Kind vor der Verurteilung die Freiheit entzogen, so sollte jede Befragung des Kindes audiovisuell aufgezeichnet werden.

(23)     Diese audiovisuellen Aufzeichnungen sollten nur den Justizbehörden und den Verfahrensbeteiligten zugänglich sein. Außerdem sollten Kinder in einer Weise befragt werden, die ihrem Alter und ihrem Reifegrad Rechnung trägt.

(24)     Bei der Regelung der Frage der Prozesskostenhilfe sollten die Mitgliedstaaten auf den Erlass von Vorschriften hinwirken, die gewährleisten, dass Kinder das Recht auf Zugang zu einem Rechtsanwalt wirksam ausüben können.

(25)     Kinder sind in einer besonders prekären Lage, wenn sie in Haft genommen werden. Angesichts der naturgemäß vorhandenen Risiken für ihre körperliche, geistige und soziale Entwicklung sollten besondere Anstrengungen unternommen werden, um einen Freiheitsentzug bei Kindern zu vermeiden. Die zuständigen Behörden sollten alternative Maßnahmen erwägen und solche Maßnahmen verhängen, wenn diese dem Wohl des Kindes dienen. Dazu können folgende Maßnahmen gehören: die Verpflichtung, sich bei einer zuständigen Behörde zu melden, eine Einschränkung des Kontakts zu bestimmten Personen, die Forderung, sich einer Heilbehandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen, und die Teilnahme an Erziehungsmaßnahmen.

(26)     Wird Kindern die Freiheit entzogen, sollten besondere Schutzmaßnahmen zu ihren Gunsten ergriffen werden. Insbesondere sollten sie im Einklang mit Artikel 37 Buchstabe c des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes von Erwachsenen getrennt untergebracht werden, es sei denn, das Wohl des Kindes erfordert etwas anderes. Vollendet ein inhaftiertes Kind das 18. Lebensjahr, sollte es die Möglichkeit haben, weiterhin getrennt inhaftiert zu sein, sofern dies unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt ist. Bei inhaftierten Kindern ist angesichts der ihnen eigenen Schutzbedürftigkeit besonders darauf zu achten, wie sie behandelt werden. Kinder sollten im Einklang mit ihren Bedürfnissen Zugang zu Bildungseinrichtungen haben.

(27)     Personen, die beruflich in direktem Kontakt zu Kindern stehen, sollten den besonderen Bedürfnissen von Kindern verschiedener Altersgruppen Rechnung tragen und für kindgerechte Verfahrensabläufe sorgen. Zu diesem Zweck sollten sie im Umgang mit Kindern entsprechend geschult werden.

(28)     Im Falle von Kindern sollten Urteile unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefällt werden, um die Privatsphäre der Kinder zu schützen und ihnen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern. In Ausnahmefällen kann das Gericht nach gebührender Berücksichtigung des Kindeswohls beschließen, dass eine Verhandlung öffentlich stattzufinden hat.

(29)     Damit eine angemessene Unterstützung des Kindes gewährleistet ist, sollte der Träger der elterlichen Verantwortung oder ein anderer geeigneter Erwachsener Zugang zu den Gerichtsverhandlungen haben, die das einer Straftat verdächtige oder beschuldigte Kind betreffen.

(30)     Das Recht eines Beschuldigten, persönlich zu der Verhandlung zu erscheinen, stützt sich auf das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

(31)     Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte sollten für Kinder, gegen die ein Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls eingeleitet worden ist, ab dem Zeitpunkt ihrer Festnahme im Vollstreckungsmitgliedstaat gelten.

(32)     Alle in dieser Richtlinie vorgesehenen individuellen Begutachtungen, medizinischen Untersuchungen und audiovisuellen Aufzeichnungen sollten für Kinder unentgeltlich erfolgen.

(33)     Damit die Wirksamkeit dieser Richtlinie überprüft und bewertet werden kann, müssen die Mitgliedstaaten Daten über die Umsetzung der in dieser Richtlinie festgelegten Rechte erheben. Zu den einschlägigen Daten gehören die von Justiz- und Strafverfolgungsbehörden erfassten Daten und – soweit möglich – von Gesundheits- und Sozialfürsorgediensten zusammengestellte Verwaltungsdaten in Bezug auf die in dieser Richtlinie festgelegten Rechte, insbesondere die Zahl der Kinder, die Zugang zu einem Rechtsbeistand erhielten, die Zahl der durchgeführten individuellen Begutachtungen, die Zahl der audiovisuell aufgezeichneten Befragungen und die Zahl der Kinder, denen die Freiheit entzogen worden ist.

(34)     Diese Richtlinie wahrt die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union („Charta“) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten anerkannten Grundrechte und Grundsätze, darunter das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, das Recht auf Freiheit und Sicherheit sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Recht auf Unversehrtheit, die Rechte des Kindes, das Recht von Menschen mit Behinderung auf Integration, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf ein faires Verfahren, die Unschuldsvermutung und die Verteidigungsrechte. Diese Richtlinie sollte unter Wahrung dieser Rechte und Grundsätze umgesetzt werden.

(35)     Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften. Die Mitgliedstaaten können die in dieser Richtlinie festgelegten Rechte ausweiten, um ein höheres Schutzniveau zu gewährleisten. Ein höheres Schutzniveau darf der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, die mit diesen Mindestvorschriften erleichtert werden soll, nicht entgegenstehen. Das Schutzniveau sollte nie unter den Standards der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie sie vom Gerichtshof der Europäischen Union und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausgelegt werden, liegen.

(36)     Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften über Verfahrensgarantien für Kinder, die Verdächtige oder Beschuldigte in einem Strafverfahren sind, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern wegen des Umfangs der Maßnahme besser auf Unionsebene zu erreichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

(37)     [Gemäß Artikel 3 des Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union haben das Vereinigte Königreich und Irland schriftlich mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Richtlinie beteiligen möchten.]/[Gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligen sich das Vereinigte Königreich und Irland nicht an der Annahme dieser Richtlinie, die damit für sie weder bindend noch ihnen gegenüber anwendbar ist.][27]

(38)     Gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie, die damit für diesen Staat weder bindend noch ihm gegenüber anwendbar ist.

(39)     Im Einklang mit der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 zu erläuternden Dokumenten[28] haben sich die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein erläuterndes Dokument oder mehrere derartige Dokumente zu übermitteln, in dem bzw. denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen einzelstaatlicher Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand

Mit dieser Richtlinie werden Mindestvorschriften für bestimmte Rechte von Kindern, die Verdächtige oder Beschuldigte in einem Strafverfahren sind, und von Kindern, gegen die ein Übergabeverfahren auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates[29] („Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls“) eingeleitet worden ist, festgelegt.

Artikel 2

Anwendungsbereich

(1)          Diese Richtlinie gilt für Kinder, gegen die ein Strafverfahren eingeleitet worden ist, ab dem Zeitpunkt, zu dem sie einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden, bis zum Abschluss des Strafverfahrens.

(2)          Diese Richtlinie gilt für Kinder, gegen die ein Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls eingeleitet worden ist, ab dem Zeitpunkt ihrer Festnahme im Vollstreckungsmitgliedstaat.

(3)          Diese Richtlinie gilt für Verdächtige oder Beschuldigte im Rahmen eines Strafverfahrens gemäß Absatz 1 und für Personen im Rahmen eines Verfahrens zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gemäß Absatz 2, die im Verlauf dieser Verfahren keine Kinder mehr sind, zum Zeitpunkt des Verfahrensbeginns aber Kinder waren.

(4)          Diese Richtlinie gilt auch für andere Kinder als Verdächtige oder Beschuldigte, die während der Befragung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde zu Verdächtigen oder Beschuldigten werden.

(5)          Diese Richtlinie berührt nicht die nationalen Vorschriften zur Bestimmung des Alters der Strafmündigkeit.

Artikel 3

Begriffsbestimmung

Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Kind“ jede Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Artikel 4

Recht von Kindern auf Belehrung und Unterrichtung

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kinder im Einklang mit der Richtlinie 2012/13/EU umgehend über ihre Rechte belehrt werden. Entsprechend dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2012/13/EU werden sie auch über folgende Rechte belehrt:

1.       ihr Recht auf Information des Trägers der elterlichen Verantwortung gemäß Artikel 5,

2.       ihr Recht auf einen Rechtsbeistand gemäß Artikel 6,

3.       ihr Recht auf eine individuelle Begutachtung gemäß Artikel 7,

4.       ihr Recht auf eine medizinische Untersuchung gemäß Artikel 8,

5.       ihr Recht auf Freiheit und ihr Recht auf besondere Behandlung in Haft gemäß den Artikeln 10 und 12,

6.       ihr Recht auf Schutz der Privatsphäre gemäß Artikel 14,

7.       ihr Recht darauf, dass der Träger der elterlichen Verantwortung Zugang zu den Gerichtsverhandlungen hat, gemäß Artikel 15,

8.       ihr Recht, persönlich zu der Verhandlung zu erscheinen, gemäß Artikel 16,

9.       ihr Recht auf Prozesskostenhilfe gemäß Artikel 18,

(2)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Falle eines Freiheitsentzugs bei Kindern die diesen gemäß der Richtlinie 2012/13/EU ausgehändigte Erklärung der Rechte die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte enthält.

Artikel 5

Recht des Kindes auf Information des Trägers der elterlichen Verantwortung

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass dem Träger der elterlichen Verantwortung für das Kind oder – wenn dies dem Wohl des Kindes abträglich wäre – einem anderen geeigneten Erwachsenen die Informationen mitgeteilt werden, die das Kind gemäß Artikel 4 erhält.

Artikel 6

Unabdingbares Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kinder im Einklang mit der Richtlinie 2013/48/EU während des gesamten Strafverfahrens von einem Rechtsbeistand unterstützt werden. Auf das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand kann nicht verzichtet werden.

(2)          Das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand gilt auch für Strafverfahren, die vom Staatsanwalt endgültig eingestellt werden können, nachdem das Kind bestimmte Bedingungen erfüllt hat.

Artikel 7

Recht auf individuelle Begutachtung

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die besonderen Bedürfnisse von Kindern in Bezug auf Schutz, Erziehung, Ausbildung und soziale Integration berücksichtigt werden.

(2)          Zu diesem Zweck werden Kinder einer individuellen Begutachtung unterzogen. Bei der Begutachtung wird besonders der Persönlichkeit und Reife des Kindes und seinem wirtschaftlichen und sozialen Hintergrund Rechnung getragen.

(3)          Die individuelle Begutachtung findet in einer geeigneten Phase des Verfahrens, in jedem Fall jedoch vor Anklageerhebung, statt.

(4)          Umfang und Genauigkeit der individuellen Begutachtung richten sich nach den Umständen des Falls, der Schwere der zur Last gelegten Straftat und der zu verhängenden Strafe, falls das Kind der mutmaßlichen Straftat für schuldig befunden wird, und danach, ob das Kind bei den zuständigen Behörden bereits im Rahmen eines Strafverfahrens in Erscheinung getreten ist.

(5)          Individuelle Begutachtungen werden unter enger Einbeziehung des Kindes vorgenommen.

(6)          Tritt eine wesentliche Änderung bei den Elementen ein, die der individuellen Begutachtung zugrunde liegen, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die individuelle Begutachtung im Zuge des Strafverfahrens aktualisiert wird.

(7)          Die Mitgliedstaaten können von der Verpflichtung nach Absatz 1 abweichen, wenn die Durchführung einer individuellen Begutachtung angesichts der Umstände des Falls und unter Berücksichtigung dessen, ob das Kind bei den Behörden des Mitgliedstaats bereits im Rahmen eines Strafverfahrens in Erscheinung getreten ist, unverhältnismäßig ist.

Artikel 8

Recht auf medizinische Untersuchung

(1)          Ist einem Kind die Freiheit entzogen worden, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass das Kind Zugang zu einer medizinischen Untersuchung hat, damit insbesondere die allgemeine geistige und körperliche Verfassung des Kindes beurteilt werden kann, um zu ermitteln, ob das Kind Befragungen oder anderen Ermittlungs- oder Beweiserhebungshandlungen oder zulasten des Kindes ergriffenen oder geplanten Maßnahmen gewachsen ist.

(2)          Folgende Personen haben das Recht, um eine medizinische Untersuchung zu bitten:

a)      das Kind,

b)      der Träger der elterlichen Verantwortung oder der geeignete Erwachsene gemäß Artikel 5,

c)      der Rechtsbeistand des Kindes.

(3)          Das Ergebnis der medizinischen Untersuchung wird schriftlich festgehalten.

(4)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die medizinische Untersuchung wiederholt wird, wenn die Umstände dies erfordern.

Artikel 9

Befragung von Kindern

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jede vor Anklageerhebung von der Polizei oder einer anderen Strafverfolgungs- oder Justizbehörde durchgeführte Befragung von Kindern audiovisuell aufgezeichnet wird, es sei denn, dies ist angesichts der Komplexität des Falls, der Schwere der zur Last gelegten Straftat und der zu gewärtigenden Strafe unverhältnismäßig.

(2)          Die Befragung von Kindern wird in jedem Fall audiovisuell aufgezeichnet, wenn dem Kind die Freiheit entzogen ist, unabhängig vom Stadium des Strafverfahrens.

(3)          Unbeschadet des Absatzes 1 können ohne eine solche audiovisuelle Aufzeichnung Fragen zum Zwecke der persönlichen Identifizierung des Kindes gestellt werden.

Artikel 10

Recht auf Freiheit

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kindern vor deren Verurteilung nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit die Freiheit entzogen wird. Dem Alter und der individuellen Situation des Kindes ist gebührend Rechnung zu tragen.

(2)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jeder Freiheitsentzug bei Kindern vor deren Verurteilung regelmäßig von einem Gericht überprüft wird.

Artikel 11

Alternative Maßnahmen

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass, wenn die Voraussetzungen für einen Freiheitsentzug erfüllt sind, die zuständigen Behörden nach Möglichkeit auf alternative Maßnahmen zurückgreifen.

(2)          Die alternativen Maßnahmen können Folgendes umfassen:

a)      die Verpflichtung des Kindes, an einem bestimmten Ort zu wohnen,

b)      Einschränkungen des Kontakts zu bestimmten Personen,

c)      die Verpflichtung, sich bei den zuständigen Behörden zu melden,

d)      die Teilnahme an einer Heilbehandlung oder einer Entziehungskur,

e)      die Teilnahme an Erziehungsmaßnahmen.

Artikel 12

Recht auf besondere Behandlung bei Freiheitsentzug

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kinder von Erwachsenen getrennt inhaftiert werden, es sei denn, das Wohl des Kindes erfordert etwas anderes. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass inhaftierten Kindern bei Vollendung des 18. Lebensjahres ermöglicht wird, weiterhin getrennt inhaftiert zu sein, sofern dies unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Inhaftierten gerechtfertigt ist.

(2)          Die Mitgliedstaaten treffen während der Dauer des Freiheitsentzugs sämtliche Vorkehrungen, um

a)      die gesundheitliche und körperliche Entwicklung des Kindes zu gewährleisten und aufrechtzuerhalten,

b)      das Recht des Kindes auf Erziehung und Ausbildung zu gewährleisten,

c)      die wirksame und regelmäßige Ausübung des Rechts auf Familienleben, einschließlich der Erhaltung familiärer Bindungen, zu gewährleisten,

d)      die Entwicklung des Kindes und seine künftige Eingliederung in die Gesellschaft zu fördern.

Artikel 13

Zügige und sorgfältige Bearbeitung der Fälle

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Strafverfahren, an denen Kinder beteiligt sind, vordringlich und mit der gebotenen Sorgfalt bearbeitet werden.

(2)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kinder entsprechend ihrem Alter, ihren besonderen Bedürfnissen, ihrer Reife und ihrem Verständnis und unter Berücksichtigung etwaiger Kommunikationsschwierigkeiten behandelt werden.

Artikel 14

Recht auf Schutz der Privatsphäre

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Strafverfahren, an denen Kinder beteiligt sind, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, es sei denn, eine Abweichung von dieser Bestimmung ist nach gebührender Berücksichtigung des Kindeswohls aufgrund außergewöhnlicher Umstände gerechtfertigt.

(2)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden in Strafverfahren geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Privatsphäre des Kindes und der Familienmitglieder, einschließlich ihrer Namen und Bilder, zu schützen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden keine Informationen öffentlich verbreiten, aufgrund deren das Kind identifiziert werden könnte.

(3)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Aufzeichnungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 nicht öffentlich verbreitet werden.

Artikel 15

Recht des Trägers der elterlichen Verantwortung auf Zugang zu den Gerichtsverhandlungen

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Träger der elterlichen Verantwortung oder ein anderer geeigneter Erwachsener gemäß Artikel 5 Zugang zu den Gerichtsverhandlungen hat, die das Kind betreffen.

Artikel 16

Recht von Kindern, persönlich zu der Verhandlung zur Klärung der Schuldfrage zu erscheinen

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die betroffenen Kinder in der Verhandlung anwesend sind.

(2)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Kind, wenn es in einer Verhandlung, die zu einer Entscheidung über seine Schuld geführt hat, nicht anwesend war, das Recht auf ein Verfahren hat, an dem es teilnehmen kann, das eine neue Prüfung des Sachverhalts, einschließlich neuer Beweismittel, ermöglicht und zur Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung führen kann.

Artikel 17

Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein gesuchtes Kind nach seiner Festnahme aufgrund eines Verfahrens zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls die Rechte gemäß den Artikeln 4, 5, 6, 8, 10, 11, 12, 14, 15 und 18 im Vollstreckungsmitgliedstaat hat.

(2)          Unbeschadet des Artikels 12 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI ergreifen die Vollstreckungsbehörden alle Maßnahmen, um die Dauer des Freiheitsentzugs bei Kindern, gegen die ein Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls eingeleitet worden ist, zu begrenzen.

Artikel 18

Recht auf Prozesskostenhilfe

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Bestimmungen über die Prozesskostenhilfe die wirksame Ausübung des Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand gemäß Artikel 6 gewährleisten.

Artikel 19

Schulung

(1)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Mitarbeiter von Justiz- und Strafverfolgungsbehörden sowie Gefängnisbedienstete, die Fälle mit Beteiligung von Kindern bearbeiten, auf Strafverfahren mit Beteiligung von Kindern spezialisiert sind. Sie erhalten besondere Schulungen in Bezug auf die gesetzlichen Rechte von Kindern, auf geeignete Befragungsmethoden, Kinderpsychologie, die Kommunikation in einer kindgerechten Sprache und in Bezug auf pädagogische Fähigkeiten.

(2)          Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Strafverteidiger von Kindern ebenfalls entsprechend geschult werden.

(3)          Die Mitgliedstaaten fördern über ihre öffentlichen Stellen oder durch die Finanzierung von Organisationen zur Unterstützung von Kindern Initiativen, die ermöglichen, dass diejenigen, die Kindern Unterstützung leisten oder Wiedergutmachungsdienste zur Verfügung stellen, eine ihrem Kontakt mit den Kindern angemessene Schulung erhalten und die beruflichen Verhaltensregeln beachten, mit denen sichergestellt wird, dass sie ihre Tätigkeit unvoreingenommen, respektvoll und professionell ausführen.

Artikel 20

Datenerhebung

(1)          Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission spätestens am […] und danach alle drei Jahre Daten, aus denen hervorgeht, wie die in dieser Richtlinie festgelegten Rechte umgesetzt worden sind.

(2)          Diese Daten umfassen insbesondere die Zahl der Kinder, die Zugang zu einem Rechtsbeistand erhielten, die Zahl der durchgeführten individuellen Begutachtungen, die Zahl der audiovisuell aufgezeichneten Befragungen und die Zahl der Kinder, denen die Freiheit entzogen worden ist.

Artikel 21

Kosten

Die Mitgliedstaaten kommen unabhängig vom Verfahrensausgang für die in Anwendung der Artikel 7, 8 und 9 entstehenden Kosten auf.

Artikel 22

Regressionsverbot

Keine Bestimmung dieser Richtlinie ist so auszulegen, dass dadurch die Rechte und Verfahrensgarantien nach Maßgabe der Charta, der EMRK, anderer einschlägiger Bestimmungen des Völkerrechts, insbesondere des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes, oder der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die ein höheres Schutzniveau vorsehen, beschränkt oder beeinträchtigt würden.

Artikel 23

Umsetzung

(1)          Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens [24 Monate nach ihrer Veröffentlichung] nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

(2)          Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

(3)          Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der nationalen Vorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 24

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 25

Adressaten

Diese Richtlinie ist gemäß den Verträgen an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am […]

Im Namen des Europäischen Parlaments     Im Namen des Rates

Der Präsident                                                Der Präsident

[1]               ABl. C 115 vom 4.5.2010, S. 1.

[2]               Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 15.2.2011 (KOM(2011) 60 endg.).

[3]               Richtlinie 2010/64/EG über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (ABl. L 280 vom 26.10.2010, S. 1).

[4]               Richtlinie 2012/13/EG über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (ABl. L 142 vom 1.6.2012, S. 1).

[5]               Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (ABl. L 294 vom 6.11.2013, S. 1).

[6]               Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über einen etwaigen Verstoß gegen Artikel 6 EMRK in Bezug auf als schutzbedürftig anzusehende Verdächtige oder Beschuldigte befinden muss, ist für ihn maßgeblich, ob der Betreffende in der Lage war, am Verfahren „tatsächlich teilzunehmen“.

[7]               Artikel 1 des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes („UN-Kinderrechtskonvention“).

[8]               Nummern 37 (bis 43).

[9]               Nummer 15.1.

[10]             Nummer 49.

[11]             Empfehlung REC(2008)11 des Ministerkomitees des Europarates zu Europäischen Grundsätzen für die von Sanktionen und Maßnahmen betroffenen jugendlichen Straftäter und Straftäterinnen, Nummer 59.1; Leitlinien des Ministerkomitees des Europarates für eine kindgerechte Justiz, Nummer 19.

[12]             Siehe Kapitel 5 über Kinder des Grünbuchs zur „Stärkung des gegenseitigen Vertrauens im europäischen Rechtsraum“, KOM(2011) 327 endg. vom 14.6.2011.

[13]             Siehe Artikel 8 des Rahmenbeschlusses 2009/829/JI des Rates vom 23. Oktober 2009 über die Anwendung — zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union — des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft (ABl. L 294 vom 11.11.2009, S. 20).

[14]             Artikel 37 der UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 13.4 der Beijing-Regeln, Abschnitt IV.A.6.20 der Leitlinien des Ministerkomitees des Europarates für eine kindgerechte Justiz.

[15]             Abschnitt IV.A.2.6 der Leitlinien des Ministerkomitees des Europarates für eine kindgerechte Justiz.

[16]             Bericht der Kommission über die seit 2007 erfolgte Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten – KOM(2011) 175 vom 11.4.2011.

[17]             Siehe Nummern 6 und 12.

[18]             Grundlage dafür sind ebenfalls internationale Standards wie Artikel 40 Absätze 1 und 3 der UN-Kinderrechtskonvention sowie Abschnitt 63 der Leitlinien des Ministerkomitees des Europarates für eine kindgerechte Justiz.

[19]             ABl. C […] vom […], S. […].

[20]             ABl. C […] vom […], S. […].

[21]             ABl. C 115 vom 4.5.2010, S. 1.

[22]             ABl. C 291 vom 4.12.2009, S. 1.

[23]             Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (ABl. L 280 vom 26.10.2010, S. 1).

[24]             Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (ABl. L 142 vom 1.6.2012, S. 1).

[25]             Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (ABl. L 294 vom 6.11.2013, S. 1).

[26]             Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (ABl. L 338 vom 23.12.2003, S. 1).

[27]             Der endgültige Wortlaut dieses Erwägungsgrunds hängt von der Position ab, die das Vereinigte Königreich und Irland entsprechend den Bestimmungen des Protokolls Nr. 21 letztendlich einnehmen.

[28]             ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.

[29]             Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1).