52010DC0811

/* KOM/2010/0811 endg. */ BERICHT DER KOMMISSION über indirekte Landnutzungsänderungen im Zusammenhang mit Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen


[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

Brüssel, den 22.12.2010

KOM(2010) 811 endgültig

BERICHT DER KOMMISSION

über indirekte Landnutzungsänderungen im Zusammenhang mit Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen

BERICHT DER KOMMISSION

über indirekte Landnutzungsänderungen im Zusammenhang mit Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen

EINLEITUNG

Hintergrund

Erneuerbare Energiequellen, unter anderem Biokraftstoffe, sind ein wesentliches Element der Energie- und Klimastrategie der EU. Biokraftstoffe spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Lösungen für zwei fundamentale Herausforderungen der Energiepolitik in Bezug auf den Verkehr zu finden: die erdrückende Abhängigkeit des Verkehrssektors vom Erdöl und die Senkung der verkehrsbedingten Kohlendioxidemissionen.

Die Förderung von Biokraftstoffen eröffnet darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten. Sie können zur Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum sowohl in der EU als auch in Entwicklungsländern beitragen, und sie bieten Potenzial für technologische Entwicklung, beispielsweise für Biokraftstoffe der zweiten Generation.

Im Jahr 2009 legte die EU mit der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (der „Richtlinie über erneuerbare Energien“) verbindliche Ziele fest, die bis 2020 zu erreichen sind:

- 20 % Energie aus erneuerbaren Quellen insgesamt

- 10 % Energie aus erneuerbaren Quellen im Verkehrssektor

Diese verbindlichen Ziele sollen Investitionssicherheit schaffen und die kontinuierliche Entwicklung von Technologien für die Erzeugung von Energie aus allen Arten erneuerbarer Quellen fördern.

Gleichzeitig legte die EU mit der Richtlinie 2009/30/EG (der „Richtlinie zur Kraftstoffqualität“) ein verbindliches Ziel fest, das bis 2020 zu erreichen ist:

- 6 % Senkung der Treibhausgasintensität der im Verkehr eingesetzten Kraftstoffe

Durch dieses Ziel soll sichergestellt werden, dass speziell die Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit allen Aspekten der Herstellung und Verwendung von Energie gesenkt werden, die im Straßenverkehr und für mobile Maschinen und Geräte eingesetzt wird.

Biokraftstoffe werden voraussichtlich ganz erheblich zur Erreichung dieser Ziele beitragen[1]. Es ist daher wichtig, dass sie nachhaltig erzeugt werden. Um schädliche Auswirkungen zu vermeiden, ist in beiden Richtlinien (nachstehend „die Richtlinien“ genannt) das umfassendste und fortschrittlichste Nachhaltigkeitskonzept vorgesehen, das es weltweit gibt. Sie schreiben eine Reihe von Nachhaltigkeitskriterien vor, die die Wirtschaftsakteure einhalten müssen, damit Biokraftstoffe auf die gesetzlich festgelegten Ziele angerechnet werden und Förderregelungen in Anspruch genommen werden können[2]. Durch diese Kriterien soll verhindert werden, dass Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand und großer Artenvielfalt für die Erzeugung von Rohmaterialien für Biokraftstoffe umgewandelt werden. Darüber hinaus müssen durch die Verwendung von Biokraftstoffen mindestens 35 % der Treibhausgasemissionen eingespart werden, die durch fossile Brennstoffe freigesetzt würden. Dieser vorgeschriebene Anteil steigt progressiv auf 50 % im Jahr 2017 und 60 % im Jahr 2018 für neue Anlagen.

Die Nachhaltigkeitskriterien[3] können Auswirkungen auf die Rohstoffmärkte haben – und zwar über die Märkte für Biokraftstoffe hinaus – und als Nebeneffekt die nachhaltige Erzeugung landwirtschaftlicher Rohstoffe fördern. Aufgrund der wachsenden Nachfrage nach landwirtschaftlichen Rohstoffen besteht jedoch die Gefahr, dass die Nachfrage nach Biokraftstoffen teilweise durch die Ausweitung der landwirtschaftlich genutzten Flächen weltweit gedeckt wird.

Daher ist in der Richtlinie vorgesehen, dass die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2010 einen Bericht vorlegt, in dem sie die Auswirkungen indirekter Änderungen der Flächennutzung auf die Treibhausgasemissionen prüft und Möglichkeiten untersucht, wie diese Auswirkungen verringert werden können[4]. Diesem Bericht sollte gegebenenfalls ein Vorschlag beigefügt werden, der auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und eine konkrete Methode zur Berücksichtigung der Emissionen aus Kohlenstoffs-Bestandsänderungen infolge indirekter Flächennutzungsänderungen enthält[5].

Landnutzungsänderungen können eine ganze Reihe positiver und negativer Auswirkungen haben (unter anderem in Bezug auf Treibhausgasemissionen, Artenvielfalt, soziale Fragen usw.), doch dieser Bericht beschränkt sich, wie es in den Richtlinien vorgesehen ist, auf die Folgen der Treibhausgasemissionen von Biokraftstoffen. Die Kommission wird die umfassenderen Auswirkungen der Fördermaßnahmen für Biokraftstoffe auf die Nachhaltigkeit ab 2012 in den Zweijahresberichten an das Europäische Parlament und den Rat analysieren, die in der Richtlinie über erneuerbare Energien vorgesehen sind. Darüber hinaus ist es nach Ansicht der Kommission wichtig, gegen indirekte Landnutzungsänderungen infolge des gestiegenen Bedarfs an Biokraftstoffen mit einem Gesamtkonzept anzugehen, bei dem ein Vergleich der Nachhaltigkeit der einzelnen im Verkehrssektor eingesetzten Biokraftstoffe während des gesamten Lebenszyklus angestellt wird. Dies wird auch bei der anstehenden Folgeabschätzung berücksichtigt werden.

Was versteht man unter indirekten Landnutzungsänderungen?

Die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen entstehen vor allem durch die Verwendung fossiler Brennstoffe und durch Landnutzungsänderungen. Durch die Verwendung von Biokraftstoffen können Treibhausgasemissionen verringert werden, sofern die direkten und indirekten Treibhausgasemissionen niedriger sind als die der fossilen Brennstoffe, die sie ersetzen.

Es ist vorhersehbar, dass sich in den nächsten Jahrzehnten aufgrund der Zunahme der Weltbevölkerung und steigender Lebensstandards die Nachfrage nach Lebensmitteln, Futtermitteln, Energie und Fasern erhöhen wird, die die Ökosysteme der Erde liefern müssen. Aufgrund dieser wachsenden Nachfrage dürfte der Bedarf an landwirtschaftlichen Rohstoffen weltweit steigen. Dieser Bedarf kann durch Ertragssteigerungen und die Ausweitung landwirtschaftlich genutzter Flächen gedeckt werden. Durch die zunehmende Verwendung von Biokraftstoffen in der EU wird die bereits vorhandene Nachfrage nach landwirtschaftlichen Rohstoffen noch weiter gesteigert.

Die Rohstoffe für die Herstellung von Biokraftstoffen können auf Flächen erzeugt werden, die zunächst einen anderen Status hatten und direkt in Agrarland umgewandelt werden. Die Kohlenstoffemissionen infolge solcher Landnutzungsänderungen müssen in die Berechnung der Treibhausgasemissionen des spezifischen Biokraftstoffs insgesamt einbezogen werden, um zu ermitteln, ob er die Nachhaltigkeitskriterien[6] erfüllt. Werden die Rohstoffe jedoch auf bestehenden landwirtschaftlichen Flächen erzeugt, können sie andere Kulturen verdrängen, was in manchen Fällen letztlich dazu führen kann, dass anderes Land in Agrarland umgewandelt wird. Auf diese Weise kann die zusätzliche Nachfrage nach Biokraftstoffen indirekt zur Änderung der Landnutzung führen; dies wird als indirekte Landnutzungsänderung bezeichnet. Diese indirekten Auswirkungen beeinflussen die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Rohstoffen und entsprechenden Ersatzstoffen auf den Weltmärkten. Sich ändernde Preise können ein Anreiz für eine Änderung des Verhaltens sein, das zu einer verstärkten Landnutzung führt, die wiederum vielfach Hand in Hand mit einer Landnutzungsänderung geht. Der steigende Preis kann auch Anreize bieten, den Ertrag auf bestehenden landwirtschaftlichen Flächen zu steigern.

Der grundlegende treibende Faktor für die indirekte Landnutzungsänderung ist die Tatsache, dass die Nachfrage nach Kulturpflanzen steigt, sowohl die verfügbaren geeigneten landwirtschaftlichen Nutzflächen als auch die Möglichkeiten der Ertragssteigerung aber begrenzt sind. Einige andere wichtige Faktoren wie beispielsweise das Streben nach Profitmaximierung und der Zwang zur Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften dürften ebenfalls eine Rolle spielen, wenn nach einer Lösung gesucht wird, wie die gestiegene Nachfrage befriedigt werden kann.

Es wird viel darüber diskutiert, inwieweit das Angebot an verfügbaren Flächen in verschiedenen Regionen der Welt eingeschränkt ist. Abbildung 1[7] zeigt die Erntefläche in verschiedenen Regionen der Welt. Die Erntefläche ist in Europa, den GUS-Staaten und Nordamerika gegenüber 1981 erheblich zurückgegangen, was vermuten lässt, dass es verfügbare Flächen mit niedrigem Kohlenstoffbestand gibt[8].

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Abbildung 1: Globale Erntefläche 1961 bis 2007

Durch die begrenzte Verfügbarkeit von Flächen mit niedrigem Kohlenstoffbestand in anderen Teilen der Welt und die Tatsache, dass Wälder und Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand nicht ausreichend streng geschützt werden, können schädliche indirekte Landnutzungsänderungen vorangetrieben werden. Würde die Umwandlung von Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand begrenzt oder würden für mehr landwirtschaftliche Rohstoffe Nachhaltigkeitskriterien gelten, die den für Biokraftstoffe festgelegten vergleichbar sind, könnten indirekte Landnutzungsänderungen begrenzt werden. Die indirekte Landnutzungsänderung zugunsten von Biokraftstoffen bewirkt nämlich eine direkte Landnutzungsänderung im Hinblick auf den Anbau anderer Kulturpflanzen.

SCHÄTZUNG DER TREIBHAUSGASEMISSIONEN INFOLGE INDIREKTER LANDNUTZUNGSÄNDERUNGEN

Will man die Auswirkungen der Treibhausgase infolge indirekter Landnutzungsänderungen abschätzen, müssen Auswirkungen in die Zukunft projiziert werden, was große Unsicherheitsfaktoren beinhaltet, da künftige Entwicklungen nicht notwendigerweise den Trends der Vergangenheit folgen. Außerdem können die geschätzten Landnutzungsänderungen niemals nachgewiesen werden, da indirekte Landnutzungsänderung ein Phänomen ist, das weder direkt beobachtet noch gemessen werden kann. Daher müssen zur Schätzung der indirekten Landnutzungsänderung Modelle herangezogen werden[9]. Um ihre Arbeit auf die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu stützen, gab die Kommission im Lauf der Jahre 2009 und 2010 eine Reihe von Analysen und eine Durchsicht der Fachliteratur zum Thema der indirekten Landnutzungsänderung in Auftrag[10]. Darüber hinaus führte sie verschiedene Konsultationen in einem erweiterten Interessentenkreis durch, unter anderem eine Vorab-Konsultation zu den möglichen strategischen Ansätzen[11] und eine weitere Befragung, nachdem die endgültigen Fassungen der Studien vorlagen[12]. Angesichts der mit den zahlreichen Unsicherheitsfaktoren in diesen Modellstudien verbundenen Schwierigkeiten wurden weltweit führende technische Experten in die Prüfung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Analysen einbezogen.

Die durchgeführten Analysen stützen sich auf mehrere Studien, im Einzelnen

- Impacts of the EU biofuel target on agricultural markets and land use: a comparative modelling assessment (Institut für technologische Zukunftsforschung der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission). (IPTS)

- Global trade and environmental impact study of the EU biofuels mandate (International Food Policy Research Institute - IFPRI)

- The impact of land use change on greenhouse gas emissions from biofuels and bioliquids (Durchsicht der Fachliteratur durch die GD Energie).

- Indirect land use change from increased biofuels demand – comparison of models and results for marginal biofuels production from different feedstocks (Institut für Umwelt und Nachhaltigkeit der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission).

Darüber hinaus wurden auch eine Reihe relevanter externer Berichte oder Artikel berücksichtigt, die meist im Rahmen der Debatte über indirekte Landnutzungsänderungen in den USA entstanden, unter anderem der jüngste Bericht[13] der JRC (Gemeinsame Forschungsstelle). Die Arbeiten deckten eine breite Themenpalette ab und umfassten verschiedene Aspekte, unter anderem wirtschaftliche Modelle der Auswirkungen der Nachfrage nach Biokraftstoffen in der EU auf die globalen Rohstoffmärkte und deren wahrscheinliche Reaktion; einen Vergleich der wichtigsten wirtschaftlichen Modelle, die weltweit verwendet werden, um indirekte Landnutzungsänderungen zu verstehen, einschließlich einer Vereinfachung des Dialogs zwischen den verschiedenen Teams, die die Modelle erstellt haben; einen neuen Ansatz zur Ermittlung der wahrscheinlichen geographischen Lage von Flächen, die infolge der steigenden Nachfrage für die landwirtschaftliche Nutzung umgewandelt würden, sowie eine Durchsicht der Fachliteratur.

Zwei dieser Berichte umfassten separate Modellierungen. Der erste, der vom IPTS erstellt wurde, legte das AGLINK-COSIMO-Modell zugrunde. Bei diesem Modell wird davon ausgegangen, dass das Ziel, im Verkehrssektor 10 % des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken, durch den Einsatz von 7 % konventioneller Biokraftstoffe und 1,5 % fortschrittlicher Biokraftstoffe, die doppelt angerechnet werden, erreicht würde. Bei diesem Modell werden zwar die Auswirkungen der zusätzlichen Nachfrage nach konventionellen Biokraftstoffen berücksichtigt, die zur Erreichung des Ziels erforderlich sind, nicht aber eventuelle Auswirkungen, die sich aus einer zusätzlichen Nachfrage nach fortschrittlichen Biokraftstoffen oder flüssigen Biobrennstoffen ergeben. Die berücksichtigten Anteile von Bioethanol-Biodiesel entsprachen genau den Anteilen von Benzin und Diesel, d.h. etwa 35 % bzw. 65 %, so dass der Anteil von Biokraftstoffen bei Benzin und Diesel jeweils bei etwa 8,5 % lag. Bei dieser Modellierung ergab sich die Schlussfolgerung, dass die zusätzliche Nachfrage infolge dieser Strategie gegenüber einem kontrafaktischen Szenario für 2020[14] 21 MtRÖE entsprach, was zu einer Vergrößerung der für den Anbau von Nutzpflanzen erforderlichen Fläche um 5,2 Mio. ha weltweit führen würde, ein Viertel davon in der EU. Bei diesem Modell wurden die Treibhausgaseffekte dieser Flächenumwandlung nicht berechnet.

Bei der zweiten Modellierung wurde das MIRAGE-Modell des Internationalen Forschungsinstituts für Ernährungspolitik (IFPRI) zugrunde gelegt. Dieses Modell geht von der Annahme aus, dass – bei unveränderter Handelspolitik und vollständiger Liberalisierung des Handels – das Ziel, im Verkehrssektor 10 % des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken, erreicht würde, wenn 5,6 % konventionelle Biokraftstoffe verwendet würden und die übrigen Einsparungen auf anderem Wege erreicht würden, unter anderem durch die Verwendung von 1,5 % fortschrittlicher Biokraftstoffe. Eine zusätzliche Nachfrage nach fortschrittlichen Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen wurde bei diesem Modell nicht berücksichtigt. Nach dieser Modellierung ergab sich eine zusätzliche Nachfrage infolge dieser Strategie gegenüber einem kontrafaktischen Szenario für 2020[15] von 8 MtRÖE, was nach dem „business-as-usual“- bzw. dem Freihandelsszenario zu einer Vergrößerung der für den Anbau von Nutzpflanzen erforderlichen Fläche um 0,8 Mio. ha bzw. 1 Mio. ha weltweit führen würde. Umgerechnet in Treibhausgasemissionen entspricht dies 18 g[16] CO2-eq pro MJ Energie (g/MJ). Der Anteil von Bioethanol-Biodiesel wurde mit 45 % bzw. 55 % angesetzt. In dem Szenario, das vom Einsatz von 8,6 % konventioneller Biokraftstoffe ausgeht, steigt der Flächenbedarf weltweit auf 2,8 Mio. ha, was durchschnittliche Emissionen von 30g/MJ zur Folge hätte.

Nach dem IFPRI-MIRAGE-Modell erweist sich die Aufteilung zwischen Bioethanol und Biodiesel als äußerst wichtig für die Auswirkungen der (indirekten) Landnutzungsänderung. In einer weiteren IFPRI-MIRAGE-Modellberechnung unter Zugrundelegung des 5,6 %-Szenarios und einer Aufteilung 25 % Bioethanol/75 % Biodiesel ergaben sich durchschnittlich Emissionen infolge (indirekter) Landnutzungsänderungen von rund 45 g/MJ[17]. Die Ergebnisse sind in der nachstehenden Tabelle wiedergegeben.

Aufteilung zwischen Bioethanol und Biodiesel (%) | 45/55 | 35/65 | 25/75 |

Durchschnittliche Emissionen infolge veränderter Landnutzung (g/MJ) | 18 | 31 | 45 |

Tabelle 1: Ergebnisse einer Sensitivitätsanalyse der Auswirkungen verschiedener Bioethanol/Biodiesel-Aufteilungen auf die durchschnittlichen Emissionen infolge (indirekter) Landnutzungsänderungen

Die bei jedem zusätzlichen MJ Biokraftstoff anfallenden pflanzenspezifischen Treibhausgasemissionen wurden ebenfalls berechnet und sind in Abbildung 2[18] dargestellt.

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Abbildung 2: Emissionen infolge (indirekter) Landnutzungsänderungen, ausgehend von unterschiedlichen Rohstoffen und Handelsszenarios (IFPRI 2010)

Hier zeigt sich, dass die Modelle je nach Rohstoff und angenommen Handelsbedingungen sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern[19].

Da das AGLINK-COSIMO-Modell kein Modell für die Landumwandlung enthält, kam man überein, eine Methode für die Allokation umgewandelter Flächen und die Berechnung der daraus resultierenden Treibhausgasemissionen zu entwickeln. Diese Methode (Spatial Allocation Methodology, SAM) wurde von der Gemeinsamen Forschungsstelle auf der Grundlage mehrerer GIS-Datenbanken entwickelt. Im Rahmen des Modells wird die Entscheidung darüber, wo neue Flächen umgewandelt werden sollen, darauf gestützt, ob die Flächen geeignet sind und wie groß die Entfernung zu bestehenden Anbauflächen ist. Es wurde bisher nur mit den Angaben verwendet, die sich aus den AGLINK-COSIMO- und IFPRI-MIRAGE-Modellierungen ergaben. Mit diesen Datensätzen berechnet die SAM, dass die Treibhausgasemissionen auf 1092 Mio. t CO2eq bzw. 201 Mio. t CO2eq ansteigen würden, was durchschnittlichen Emissionen infolge (indirekter) Landnutzungsänderungen von 64 g/MJ für das AGLINK-COSIMO- und von 34-41 g/MJ für das zentrale IFPRI-MIRAGE-Szenario entspricht. Die SAM kann mit Flächendaten aus jedem Modell verwendet werden, so dass eine der Ursachen für die Schwankung der Treibhausgasemissionen zwischen verschiedenen Modellen[20] zum Teil beseitigt wird.

Für spezifische Rohstoffe ergeben sich bei verschiedenen Modellierungen unterschiedliche Ergebnisse für die gleiche Pflanzenart. In der Fachliteratur finden sich im Wesentlichen Angaben zu Rohstoffen für die Herstellung von Biokraftstoffen, die für die USA relevant sind, d.h. vor allem Mais und in gewissem Maße Sojabohnen. In der folgenden Tabelle sind die wesentlichen Ergebnisse für diese beiden Rohstoffe zusammengefasst:

Landnutzungsänderung in g/MJ[21] | Ethanol aus Mais | Biodiesel aus Sojabohnen |

Searchinger et al. (2008) | 156 | 165-270 |

CARB (2009) | 45 | 63 |

EPA (2010) | 47 | 54 |

Hertel et al. (2010) | 40 | - |

Tyner et al. (2010) | 21 | - |

IFPRI MIRAGE (2010) | 54 | 75 |

Tabelle 2: Zusammenfassung rohstoffspezifischer Emissionen infolge von Landnutzungsänderungen (Durchsicht der Fachliteratur)

Die vorstehend dargestellten Ergebnisse ergeben sich aus unterschiedlichen Modellen, bei denen unterschiedliche Annahmen zugrunde gelegt werden. Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass die Ergebnisse erheblich voneinander abweichen und so die Mängel und Unsicherheitsfaktoren bei der Modellierung (indirekter) Landnutzungsänderungen deutlich machen; beispielsweise reichen die Werte für Bioethanol aus Mais von 21 bis 156 g/MJ.

Auch die geographische Herkunft des Rohstoffs könnte eine wichtige Variable für die Einschätzung der Auswirkungen von (indirekten) Landnutzungsänderungen für einen spezifischen Biokraftstoff sein. Diese Variable wurde jedoch bei keiner der bisher durchgeführten Modellierungen untersucht, was mit den derzeitigen Modellen vielleicht auch gar nicht möglich ist.

Beim Vergleich der Modelle unter Leitung der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission wurde Kontakt zu den wichtigsten Teams aufgenommen, die Modelle für (indirekte) Landnutzungsänderungen entwickelt haben. Die Sachverständigen trafen zweimal zusammen, um sich darüber zu einigen, wie der Vergleich durchzuführen sei, Ergebnisse zu diskutieren und Erkenntnisse zu gewinnen, wie die Ausgangsdaten weiter verbessert werden können. Die Schätzungen der Modelle für (indirekte) Landnutzungsänderungen reichten von 223 bis 743 kha je MtRÖE für in der EU verwendetes Ethanol und von 242 bis 1928 kha je MtRÖE für in der EU verwendeten Biodiesel. Zum Vergleich: bei den AGLINK-COSIMO-Szenarios (der Modellvergleich wurde von der OECD durchgeführt) für Zuckerrohr aus Brasilien und Ethanol aus den USA ergaben sich 134 bzw. 574 kha je MtRÖE, nach den IFPRI-MIRAGE-Szenarios rund 100 kha je MtRÖE. Im Rahmen der Arbeiten wurde nach den Ursachen für die unterschiedlichen Einschätzungen der erforderlichen Flächen gesucht. Dabei zeigte sich, dass die wichtigsten Faktoren, die die Ergebnisse beeinflussten, der durch Nebenprodukte eingesparte Teil der Rohstoffe, ein sinkender Verbrauch an Nahrungs- und Futtermitteln[22], Ertragssteigerungen und Auswirkungen von Verlagerungen von Anbauflächen waren. Darüber hinaus zeigte die Vergleichsstudie, dass die derzeitigen Modelle eine Reihe von Faktoren außer Acht lassen, die, würden sie berücksichtigt, umfangreichere Auswirkungen der Landnutzungsänderungen nahelegen würden. Dazu gehören Emissionen aus der Umwandlung von Torfflächen[23]. Abgesehen von den Emissionen infolge (indirekter) Landnutzungsänderungen, um die es in diesem Bericht geht, berücksichtigen die Modelle außerdem zwei zusätzliche Quellen erhöhter Emissionen überhaupt nicht: die Emissionen, die durch die Intensivierung der Anbaumethoden aufgrund des Preisanstiegs bei Kulturpflanzen freigesetzt werden, sowie die zusätzlichen Emissionen durch den Anbau von Kulturpflanzen auf Grenzertragsflächen statt auf bestehenden Kulturflächen.

In der Fachliteratur werden unter anderem verschiedene Mängel und Unsicherheitsfaktoren im Zusammenhang mit der Modellierung diskutiert, die sich meist auf wirtschaftliche Prinzipien stützt, bei denen die Grundlage für Entscheidungen z.B. über Landnutzungsänderungen auf das Kriterium der geringsten Kosten reduziert wird. Es ist jedoch bekannt, dass in der Realität auch durch verschiedene nichtwirtschaftliche Faktoren beeinflusst wird, wie und wo Landnutzungsänderungen stattfinden. Einige dieser treibenden Faktoren basieren auf politischen Entscheidungen (Landnutzung und Agrarpolitik, Landnutzungsrechte usw.), andere auf institutionellen Rahmenbedingungen (Nähe von Infrastrukturen und Märkten, Flächennutzungsvorschriften). Die Konzepte können daher nie alle Aspekte berücksichtigen. Während die Entscheidung, was angepflanzt wird, von den Preisen beeinflusst wird, wird die Entscheidung, welche Flächen für den Anbau freigemacht werden[24], von anderen Faktoren bestimmt.

Trotz dieser grundsätzlichen Einschränkungen kann argumentiert werden, dass die beste verfügbare Methode zur Einschätzung (indirekter) Landnutzungsänderungen noch immer die Erstellung wirtschaftlicher Modelle ist, bei denen Entscheidungen auf der Grundlage relativer Preise getroffen werden[25]. Es wird jedoch in diesem Rahmen der wirtschaftlichen Modellierung immer ungelöste Fragen geben, die die Ergebnisse erheblich beeinflussen. Die Modellierung stützt sich auf Annahmen, vor allem in Bezug auf die Behandlung von Nebenerzeugnissen[26], aktuelle Erträge[27], marginale Erträge[28], Nahrungs- und Futtermittelverbrauch[29], Klassifizierung von Flächen[30], Elastizitäten[31], Kohlenstoffbestandswerte[32], Art der umgewandelten Flächen[33], Modellierung von Weideland[34] und Ursachen der Entwaldung[35]. Unser Verständnis für diese Zusammenhänge ist in den letzten Jahren gewachsen, doch es bleiben eine Reihe von Mängeln und Unsicherheitsfaktoren bestehen.

Darüber hinaus zeigte sich bei der Durchsicht der Fachliteratur, dass die derzeitigen Modelle nicht in der Lage sind, einige Faktoren zu erfassen, unter anderem die Umwandlung von Torfwäldern, die zu erheblichen Kohlenstoffemissionen führen kann. Die Mehrzahl dieser Faktoren würden jedoch, könnte man sie einbeziehen, dazu führen, dass die Auswirkungen der Landnutzungsänderungen geringer eingeschätzt werden. Zu diesen Faktoren zählt, dass alle Emissionen auf die Erweiterung der Anbauflächen zurückgeführt werden, während für die Entwaldung gleichzeitig der Holzeinschlag, die Ertragssteigerungen aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Biokraftstoffen[36] strukturelle Änderungen[37] und der Proteingehalt verschiedener Futtermittel und Nebenerzeugnisse, der selten vollständig wiedergegeben wird[38], verantwortlich sein können. Weiter sind die Auswirkungen der verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe in den Richtlinien (bei denen in den Modellen davon ausgegangen wird, dass sie keine Auswirkungen haben) zu berücksichtigen. Schließlich kommt man nach Durchsicht der Fachliteratur zu der Feststellung, dass es für einen Vergleich der Auswirkungen der Politik auf die Treibhausgase wichtig ist, die Summe der direkten Emissionen von Biokraftstoffen und die unbekannten Emissionen infolge indirekter Landnutzungsänderungen mit den Emissionen der fossilen Brennstoffe zu vergleichen, die aufgrund der Verwendung von Biokraftstoffen nicht gefördert werden.

ENTWICKLUNG BEI DEN INTERNATIONALEN REGELUNGSMAßNAHMEN FÜR (INDIREKTE) LANDNUTZUNGSÄNDERUNGEN

In den USA wird die Verwendung von Biokraftstoff auf Bundesebene mit unterschiedlichen Zielen für die verschiedenen Arten von Biokraftstoff gefördert. Die Treibhausgasemissionen müssen um mindestens 20 % verringert werden, für Biokraftstoffe der zweiten Generation gelten höhere Reduktionsziele (50 %, 60 %). Die Treibhausgasreduktion für die verschiedenen Arten von Biokraftstoffen wurde anhand einer umfassenden Lebenszyklusbewertung festgelegt, um bestimmen zu können, ob der betreffende Schwellenwert erreicht wird (entweder eine Art von Biokraftstoff erreicht den Schwellenwert oder sie erreicht ihn nicht) - die Wirtschaftsteilnehmer können die tatsächlichen Emissionen nicht alternativ nachweisen. Diese Analyse schließt Emissionen aus (indirekten) Landnutzungsänderungen ein, die durch Modellbildung bestimmt werden, wobei zwischen nationalen und internationalen Landnutzungsänderungen unterschieden wird. Bis 2022 gilt Bestandsschutz für bestehende Anlagen.

In den USA hat Kalifornien auf Bundesstaatsebene eine Norm für geringe CO2-Emissionen von Kraftstoffen (Low Carbon Fuel Standard)[39] eingeführt. Damit die Rechtsvorschriften greifen müssen die Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen für alle darunter fallenden Kraftstoffe bekannt sein. Für die einzelnen Herstellungswege von Kraftstoff, einschließlich der Emissionen aus (indirekten) Landnutzungsänderungen, wurden Treibhausgasemissionsfaktoren entwickelt.

Einige Länder führen eine Landnutzungspolitik durch, um zu verhindern, dass die Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand ausgeweitet werden. Ein Beispiel ist Brasilien, der Biokraftstofferzeuger mit der meisten historischen Erfahrung, das für Zuckerrohr agro-ökologische Zonen eingerichtet hat, um die Ausweitung der Anbauflächen für Energiepflanzen zu steuern und gleichzeitig die Bedingungen für den Schutz empfindlicher Gebiete zu verbessern. Derzeit werden ergänzend dazu auf der Grundlage von Umweltkriterien Zonen für Wirtschaftstätigkeiten in der Amazonasregion geschaffen. In Argentinien, Hauptexporteur von Biokraftstoffen in die EU, gilt ein gesetzliches Moratorium für den Holzeinschlag im Naturwald, bis alle argentinischen Provinzen ein Verzeichnis und einen Landbewirtschaftungsplan erstellt sowie die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung vor der Genehmigung der Rodung von Wäldern eingeführt haben. Die argentinischen Provinzen haben mit der Durchführung der Landzonierung begonnen und legen Gebiete fest, in denen die Ausweitung landwirtschaftlich genutzter Flächen aufgrund von Umweltbedenken untersagt ist, sowie Gebiete, in denen die Ausweitung landwirtschaftlich genutzter Flächen zulässig ist. Norwegen und Indonesien haben eine detaillierte Absichtserklärung über die Zusammenarbeit bei der Verringerung der durch die Entwaldung und Schädigung der Wälder entstehenden Treibhausgasemissionen unterzeichnet. Norwegen wird demnach Mittel bereitstellen, damit Indonesien seine diesbezügliche Kapazität erhöhen kann, unter anderem durch eine Aussetzung aller neuen Konzessionen für die Umwandlung von Torf- und Naturwald.

Außerdem arbeitet die Global Bioenergy Partnership[40], zu der die Kommission und sieben EU-Mitgliedstaaten sowie Argentinien, Brasilien, die USA und andere biokraftstoffherstellende Länder gehören, an der Entwicklung einer Reihe relevanter, zweckmäßiger, wissenschaftsbasierter, freiwilliger Kriterien und Indikatoren für die Nachhaltigkeit von Bioenergie. Die Kriterien und Indikatoren sollen als Leitlinie für Analysen der Bioenergie auf nationaler Ebene dienen, um eine sachkundige Entscheidungsfindung zu ermöglichen sowie die nachhaltige Entwicklung der Bioenergie in Einklang mit den multilateralen Handelsverpflichtungen zu erleichtern. Die Partnerschaft hat diesbezüglich Fortschritte erzielt, obgleich die indirekten Landnutzungsänderungen eines der Themen sind, die weiter erörtert werden müssen.

ZUSAMMENFASSUNG DER IM RAHMEN DER KONSULTATION EINGEGANGENEN ANTWORTEN

Als ersten Schritt, das Problem der indirekten Landnutzungsänderungen anzugehen, führte die Kommission im Juli 2009 eine Konsultation zu acht möglichen strategischen Ansätzen als Reaktion auf indirekte Landnutzungsänderungen durch.

Insgesamt gingen 71 Antworten ein[41]. Industrie, Bauernverbände und überseeische Länder sprachen sich dafür aus, entweder nicht tätig zu werden oder indirekte Landnutzungsänderungen im Rahmen eines weiter gefassten politischen Konzepts durch internationale Maßnahmen zum Schutz von Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand und/oder durch die Ausweitung der Nachhaltigkeitskriterien auf alle landwirtschaftlichen Rohstoffe zu behandeln. Die meisten Nichtregierungsorganisationen und ein Akteur aus der Industrie (Sektor Nicht-Biokraftstoffe) unterstützten die Einbeziehung der durch indirekte Landnutzungsänderungen freigesetzten Emissionen in die Berechnung der Treibhausgasemissionen von Biokraftstoffen in ihrer jetzigen Form. Die Mitgliedstaaten vertraten in dieser Frage unterschiedliche Meinungen.

Nach der Veröffentlichung der relevanten Analysen im Juli 2010 leitete die Kommission eine zweite öffentliche Konsultation ein. Darin wurde um Stellungnahmen dazu ersucht, ob diese Analyse eine gute Grundlage dafür bildet, die Bedeutung der indirekten Landnutzungsänderungen bestimmen zu können, ob ein Tätigwerden erforderlich ist und wenn ja, welche Vorgehensweise geeignet wäre. Die Kommission legte ferner eine Reihe potenzieller strategischer Ansätze dar, die in die engere Wahl kommen.

Insgesamt gingen 145 Antworten ein[42]. Die Antworten verteilten sich hauptsächlich auf zwei Gruppen. Industrie, Bauernverbände und überseeische Länder vertraten überwiegend die Auffassung, die Analyse bilde keine gute Grundlage dafür, die Bedeutung der indirekten Landnutzungsänderungen bestimmen zu können. Ihrer Ansicht nach sollten keine weiteren Maßnahmen im Bereich der Biokraftstoffe ergriffen werden, wenngleich viele ein Tätigwerden im Hinblick auf internationale Vereinbarungen zum Schutz von Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand unterstützten. Dagegen waren die meisten Nichtregierungsorganisationen und einige wenige Akteure aus der Industrie (Sektor Nicht-Biokraftstoffe) der Ansicht, dass weitere Maßnahmen erforderlich seien; sie unterstützen die Einbeziehung der aus indirekten Landnutzungsänderungen stammenden Emissionen in die bestehende Berechnung der Treibhausgasemissionen von Biokraftstoffen. In einer Reihe weiterer Stellungnahmen wurde anerkannt, dass möglicherweise etwas getan werden müsse, wobei eine Reihe anderer Maßnahmen vorgeschlagen wurde. Die Mitgliedstaaten vertraten in dieser Frage unterschiedliche Meinungen.

Im Anschluss an diese öffentliche Konsultation organisierte die JRC im November im Namen der Kommission eine Konsultation von Sachverständigen, an der weltweit anerkannte Wissenschaftler und Experten auf diesem Gebiet teilnahmen. Diese Konsultation hatte zum Ziel, die größten Unsicherheitsfaktoren in Bezug auf die Schätzungen zu indirekten Landnutzungsänderungen zu erörtern[43].

VORLÄUFIGE SCHLUSSFOLGERUNGEN UND NÄCHSTE SCHRITTE

Erneuerbare Energien, unter anderem Biokraftstoffe, sind ein wesentliches Element der Energie- und Klimastrategie der EU. In diesem Zusammenhang müssen sowohl das durch die Richtlinie über Erneuerbare Energien (die bereits strenge Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe einschließlich ihrer Treibhausgasbilanz enthält) geschaffene stabile und berechenbare Investitionsklima erhalten als auch das in der Richtlinie zur Kraftstoffqualität festgelegte ehrgeizige Reduktionsziel der Treibhausgasintensität von im Verkehr eingesetzten Kraftstoffen respektiert werden.

Was die indirekten Landnutzungsänderungen angeht, so glaubt die Kommission auf der Grundlage der bisherigen Arbeit eine Reihe von Schlussfolgerungen ziehen zu können. Die Kommission erkennt an, dass noch eine Reihe von Mängeln und Unsicherheitsfaktoren in Zusammenhang mit der Modellbildung, die zur Schätzung der Auswirkungen benötigt wird, ausgeräumt werden müssen, was erhebliche Auswirkungen auf die bisherigen Analysen haben könnte. Daher wird die Kommission ihre Arbeit auf diesem Gebiet fortsetzen, um zu gewährleisten, dass politische Entscheidungen auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, und ihre künftigen diesbezüglichen Berichterstattungspflichten zu erfüllen.

Die Kommission erkennt jedoch an, dass indirekte Landnutzungsänderungen sich auf die Reduktion der mit Biokraftstoffen verbundenen Treibhausgasemissionen auswirken können; dadurch könnte sich der Beitrag, den diese Kraftstoffe unter bestimmten Umständen zur Erreichung der strategischen Ziele leisten könnten, verringern - sofern keine Maßnahmen ergriffen werden. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass – falls Maßnahmen erforderlich sind – als vorbeugende Strategie die indirekten Landnutzungsänderungen angegangen werden sollten.

Die Kommission schließt gerade ihre Folgenabschätzung ab, deren Schwerpunkt auf folgenden Handlungsoptionen liegt:

1. vorerst kein Tätigwerden, aber weitere Überwachung,

2. Erhöhung der Mindestschwellenwerte für die Treibhausgasreduktion für Biokraftstoffe,

3. Einführung zusätzlicher Nachhaltigkeitsanforderungen für bestimmte Kategorien von Biokraftstoffen,

4. Zuweisung einer den geschätzten Auswirkungen der indirekten Landnutzungsänderungen entsprechenden Menge von Treibhausgasemissionen an Biokraftstoffe.

Die Kommission wird die Folgenabschätzung, gegebenenfalls zusammen mit einem Legislativvorschlag zur Änderung der Richtlinie über Erneuerbare Energien und der Richtlinie zur Kraftstoffqualität (falls erforderlich) bis spätestens Juli 2011 vorlegen.

[1] Nach den Prognosen der unlängst vorgelegten Aktionspläne für erneuerbare Energien werden 2020 rund 9 % des gesamten Energieverbrauchs im Verkehr durch Biokraftstoffe gedeckt werden.

[2] Die Nachhaltigkeitskriterien gelten auch für flüssige Biobrennstoffe, die zur Erzeugung von Elektrizität oder für Heiz- oder Kühlzwecke verwendet werden.

[3] Die Kommission verabschiedete im Juni 2010 zwei Mitteilungen zur Vereinfachung der Umsetzung der in den Richtlinien vorgesehenen Nachhaltigkeitskriterien u.a. durch Anerkennung freiwilliger Regelungen.

[4] Diese Vorschrift der Richtlinie über erneuerbare Energien gilt auch für flüssige Biobrennstoffe. Verweise auf Biokraftstoffe in diesem Bericht sind daher gegebenenfalls auch auf flüssige Biobrennstoffe zu beziehen.

[5] Artikel 7d Absatz 6 der Richtlinie 2009/30/EG und Artikel 19 Absatz 6 der Richtlinie 2009/28/EG.

[6] Darüber hinaus gibt es Beschränkungen für die Gewinnung von Rohstoffen auf bestimmten Flächen, siehe Artikel 17 der Richtlinie 2009/28/EG und Artikel 7b der Richtlinie 2009/30/EG.

[7] FAO-Statistik: Es ist darauf hinzuweisen, dass es einen wichtigen Unterschied zwischen „Erntefläche“ und „Anbaufläche“ gibt. Durch die Einbringung von zwei Ernten auf einem Feld würde sich die Erntefläche verdoppeln, während die Anbaufläche gleich bleibt.

[8] Wenn es sich jedoch bei den zuletzt aufgegebenen Flächen um sehr karge Böden handelt, ist davon auszugehen, dass die künftigen Erträge in der Regel unterdurchschnittlich sind, was entweder zu erhöhtem Landbedarf oder zu verstärktem Einsatz von Düngemitteln führt. Wenn es sich darüber hinaus um Aufforstungsflächen handelt, könnte deren Umwandlung in landwirtschaftliche Flächen zur Freisetzung von Kohlenstoffemissionen führen.

[9] In den Modellen wird nicht zwischen indirekter und direkter Landnutzungsänderung unterschieden.

[10] http://ec.europa.eu/energy/renewables/studies/land_use_change_en.htm

[11] http://ec.europa.eu/energy/renewables/consultations/2009_07_31_iluc_pre_consultation_en.htm

[12] http://ec.europa.eu/energy/renewables/consultations/2010_10_31_iluc_and_biofuels_en.htm

[13] „ Biofuels a new methodology to estimate GHG emissions from global land-use change“ , http://re.jrc.ec.europa.eu/bf-tp/download/EU_report_24483_Final.pdf

[14] Das kontrafaktische Szenario basiert auf der Annahme, dass der Anteil von Biokraftstoffen sehr niedrig bleibt, wenn die wichtigsten strategischen Anreize gestrichen werden.

[15] Das kontrafaktische Szenario basiert auf der Annahme, dass der 2008 erreichte Anteil von Biokraftstoffen aufrechterhalten wird.

[16] Die Emissionen infolge von Landnutzungsänderungen werden über einen Zeitraum von 20 Jahren berechnet.

[17] Siehe Bild 34 der Präsentation von David Laborde (IFPRI) bei der zweiten Konsultationssitzung (26. Oktober 2010) unter: http://ec.europa.eu/energy/renewables/consultations/doc/public_consultation_iluc/global_trade_environmental_impact_study_eu_biofuels_mandate.pdf

[18] Die marginalen Werte werden berechnet, indem jeweils für eine Pflanzenart 0,1 % des EU-Gesamtverbrauchs von Biokraftstoffen zum Verbrauch für 2020 addiert werden. Der marginale Anstieg führt zu unerwarteten Ergebnissen aufgrund der hohen Abhängigkeit von spezifischen marginalen Effekten der letzten marginalen Biokraftstoff-Einheit im agro-ökonomischen Bereich. Dieser Effekt führt bei Ethanol aus Zuckerrüben dazu, dass sich die geschätzten Auswirkungen infolge von Landnutzungsänderungen vergrößern (ein Anstieg von 16 g/MJ auf 65 g/MJ), wenn statt einem „business-as-usual“-Szenario ein Freihandelsszenario zugrundegelegt wird, bei dem Bioethanoleinfuhren zollfrei sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei der Verwendung von Zuckerrüben zur Erzeugung von Bioethanol zusätzlicher Zucker (keine Zuckerrüben) eingeführt wird, der auf Flächen (in Afrika und Südostasien) mit sehr hohem Kohlenstoffbestand erzeugt wurden.

[19] Derzeit werden weitere Modellierungen auf der Grundlage des IFPRI-MIRAGE-Modells durchgeführt, um sicherzustellen, dass die neuesten Nachfrageprognosen der Mitgliedstaaten bis 2020 berücksichtigt werden. Darüber hinaus wird eine weitere Sensitivitätsanalyse durchgeführt, um die Wahrscheinlichkeitsverteilung im Zusammenhang mit den pflanzenspezifischen Emissionen infolge indirekter Landnutzungsänderungen genauer zu fassen.

[20] Die gemeinsame Forschungsstelle wird ihre Spatial Allocation Methodology (SAM) über das zentrale IFPRI-MIRAGE-Szenario (5,6 %) hinaus für anspruchsvollere Szenarios verwenden. Es wird auch geprüft, inwieweit diese Methode für die Berechnung pflanzenspezifischer Treibhausgasemissionen verwendet werden kann.

[21] Die Ergebnisse wurden auf einen Zeitraum von 20 Jahren umgerechnet.

[22] Die verglichenen wirtschaftlichen Modelle gehen davon aus, dass ein Teil der Rohstoffe für die Herstellung von Biokraftstoffen durch den sinkenden Verbrauch an Nahrungs- und Futtermitteln frei wird und dadurch Emissionen infolge (indirekter) Landnutzungsänderungen signifikant gesenkt werden können.

[23] Die Modelle berücksichtigen nicht ausreichend die Emissionen, die nach der für die Erzeugung von Palmöl erforderlichen Trockenlegung durch die Oxidation von Torf entstehen, was zu einer Unterschätzung der realen Emissionen in erheblicher Größenordnung führen könnte.

[24] Selbst wenn erhebliche zusätzliche Anstrengungen im Hinblick auf Daten und Analysen vorgenommen werden, scheint es eine Grenze dafür zu geben, in welchem Maß quantitative Einschätzungen der Rolle einzelner Faktoren, die Einfluss auf Landnutzungsänderungen haben, verbessert werden können.

[25] Unlängst wurde ein alternativer Ansatz mit einer eher „kausal-deskriptiven“ Methode vorgestellt, bei der die wichtigsten ausschlaggebenden Inputs sich auf Aussagen von Experten/Akteuren sowie auf historische und statistische Daten stützen (E4tech 2010).

[26] Bei der Erzeugung der meisten Rohstoffe für die Herstellung von Biokraftstoffen fallen erhebliche Mengen von Nebenerzeugnissen an. In den meisten Modellen wird dies inzwischen, wenn auch in unterschiedlichem Maß, berücksichtigt, mit großem Einfluss auf die Ergebnisse der Modellberechnungen. Die Nebenerzeugnisse ersetzen in der Regel Tierfutter, so dass Flächen frei werden, die ansonsten für die Erzeugung dieses Futters gebraucht worden wären.

[27] Es wird in der Regel davon ausgegangen, dass sich Ertragssteigerungen wie in der Vergangenheit fortsetzen, doch sind solche Voraussagen unsicher.

[28] Es gibt wenig empirische Nachweise für die Entwicklung marginaler Erträge.

[29] Die wirtschaftlichen Modelle gehen davon aus, dass die Nachfrage vom Preis bestimmt wird; dabei gibt es unterschiedliche Annahmen, wie sich die zusätzliche Nachfrage nach Biokraftstoffen auf die Rohstoffmärkte für Nahrungs- und Futtermittel auswirkt.

[30] Die Verfügbarkeit und die Klassifizierung der Flächen ist ein wesentlicher Faktor für die Modellierung von Landnutzungsänderungen, doch sind Zahlenangaben und Terminologie in den verschiedenen Datensätzen nicht kohärent.

[31] Elastizitäten werden häufig auf der Grundlage von Daten aus den Industrieländern geschätzt, während die Modelle nahelegen, dass indirekte Landnutzungsänderungen in der Regel in den Entwicklungsländern stattfinden.

[32] Die Kohlenstoffbestandswerte, die verschiedenen Vegetationen und Böden zugeschrieben werden, weichen in den verschiedenen Studien erheblich voneinander ab und spielen eine erhebliche Rolle für die Ermittlung der Auswirkungen indirekter Landnutzungsänderungen.

[33] Es hat ganz erheblichen Einfluss, welche Arten von Flächen in Kulturflächen umgewandelt werden, da unterschiedliche Flächenarten ganz unterschiedliche Kohlenstoffbestandswerte aufweisen.

[34] Große Teile der Erde sind von Weideland bedeckt, das eine mögliche Reserve für Kulturflächen bietet. In den einzelnen Modellen werden jedoch Weideland und sein Einfluss auf Nahrungsmittelmärkte und Kulturflächen ganz unterschiedlich berücksichtigt. Die Annahmen haben große Auswirkungen auf das Gesamtergebnis, da Weideland einen großen Teil der Erdoberfläche bedeckt und einen relativ niedrigen Kohlenstoffbestand aufweist.

[35] Die Ursachen der Entwaldung sind komplex – lokale Behörden, Landnutzungsrechte sowie politische und wirtschaftliche Aspekte spielen dabei eine Rolle. Diese Aspekte der realen Welt können in den Modellen nicht richtig erfasst werden, in denen die Entscheidung auf eine rein rationale wirtschaftliche Frage reduziert wird.

[36] Ertragssteigerungen ergeben sich aus einem komplexen Variablensatz, unter anderem durch größere Investitions- und Forschungsanstrengungen, die beide auf die Biokraftstoffpolitik zurückzuführen sind. Es ist jedoch schwierig, diesen Effekt in den Modellen zu erfassen.

[37] Strukturelle Änderungen sind von den Modellen naturgemäß schwer zu prognostizieren, da sich die Elastizitäten auf historische Daten stützen. Eine erheblich verstärkte Landnutzung z.B. in den Ländern der GUS ist daher nach den Modellen unwahrscheinlich, während eine solche strukturelle Änderung sowohl nach dem Basisszenario als auch nach dem politischen Szenario möglich wäre.

[38] Damit werden die Flächen, die durch Nebenerzeugnisse eingespart werden, unterschätzt. Beispielsweise ist in der EU Sojamehl, das zu rund 97 % eingeführt wird, eine wichtige Proteinquelle. Es besteht also ein erhebliches Substitutionspotenzial.

[39] http://www.arb.ca.gov/fuels/lcfs/lcfs.htm

[40] http://www.globalbioenergy.org/

[41] Alle Antworten sind verfügbar unterhttp://ec.europa.eu/energy/renewables/consultations/2009_07_31_iluc_pre_consultation_en.htm

[42] Alle Antworten sind verfügbar unter http://ec.europa.eu/energy/renewables/consultations/2010_10_31_iluc_and_biofuels_en.htm

[43] Alle Beiträge sind verfügbar unter http://re.jrc.ec.europa.eu/bf-tp/