52010DC0581

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden /* KOM/2010/0581 endg. */


[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

Brüssel, den 12.10.2010

KOM(2010) 581 endgültig

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden

1. EINLEITUNG

Dieser Bericht wurde gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden[1] (nachstehend „Umwelthaftungsrichtlinie – UHRL“ oder „Richtlinie“ genannt) erstellt. Im Bericht werden die Effektivität der Richtlinie in Bezug auf die tatsächliche Sanierung von Umweltschäden sowie die Verfügbarkeit einer Deckungsvorsorge für die Tätigkeiten nach Anhang III zu vertretbaren Kosten sowie die diesbezüglichen Bedingungen bewertet.

Neuerungen der Umwelthaftungsrichtlinie

Hauptziel der Umwelthaftungsrichtlinie ist die Vermeidung und Sanierung von „Umweltschäden“ , definiert als Schädigung geschützter Arten und natürlicher Lebensräume (Natur) , Schädigung der Gewässer und Schädigung des Bodens . Haftende Partei ist grundsätzlich der „Betreiber“ , der berufliche Tätigkeiten ausübt. Betreiber, die bestimmte in Anhang III der Richtlinie aufgeführte gefährliche Tätigkeiten ausüben, haften verschuldensunabhängig für Umweltschäden. Betreiber, die andere berufliche Tätigkeiten ausüben, haften für von ihnen verschulde Schäden an der Natur. Die Betreiber können direkt bestimmte Ausnahmen und Haftungsausschlüsse (z. B. höhere Gewalt, bewaffneter Konflikt, Beteiligung Dritter) sowie bei der Umsetzung eingeführte Haftungsausschlüsse geltend machen (z. B. Einrede des genehmigten Normalbetriebs („permit defence“) und Einrede des Entwicklungsrisikos („state of the art defence“)).

Die Betreiber müssen Vermeidungsmaßnahmen treffen, wenn die unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens besteht. Desgleichen sind sie zur Sanierung von eingetretenen Umweltschäden verpflichtet und müssen die Kosten tragen ( „Verursacherprinzip“ ). In bestimmten Fällen (wenn der Betreiber seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, nicht ermittelt werden kann oder Haftungsausschlüsse geltend macht) kann die zuständige Behörde einspringen und die erforderlichen Vermeidungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen ergreifen.

In diesem Bericht werden zunächst die Umsetzung und Durchführung der Richtlinie untersucht, um zu prüfen, wie diese in der Praxis angewendet wurde[2],[3]. Die Kommission hat sich gemeinsam mit der Gruppe von Regierungssachverständigen für die Umwelthaftungsrichtlinie mit der Umsetzung und Durchführung in den Mitgliedstaaten befasst. Unternehmen und Deckungsvorsorgeanbieter (Versicherer, Vermittler, Banken und Finanzinstitute) sowie NRO wurden ebenfalls konsultiert.

Anschließend wird das Thema Deckungsvorsorge untersucht. Zu diesem Zweck wurden die Reaktionen aus dem Finanzsektor analysiert und – auf der Grundlage von Informationen der Versicherungs- und Rückversicherungsbranche über verfügbare UHRL-Versicherungsprodukte und –deckung auf dem EU-Markt – alternative Optionen für die Deckungsvorsorge bewertet. Berichte des Dachverbands der europäischen Versicherungswirtschaft (CEA)[4] und Informationen über die Reaktionen von Betreibern und Industrie auf die Richtlinie[5] wurden ebenfalls berücksichtigt. Insbesondere werden drei Aspekte behandelt: Anwendung eines abgestuften Ansatzes, der den Mitgliedstaaten die schrittweise Einführung einer verbindlichen Deckungsvorsorge ermöglicht, beginnend mit stärker risikobehafteten Tätigkeiten und Betreibern sowie mit Schädigungen des Bodens und der Gewässer; Festsetzung von Obergrenzen für die Deckungsvorsorge; Ausschluss von Tätigkeiten mit geringem Risiko.

2. EFFEKTIVITÄT DER RICHTLINIE IN BEZUG AUF DIE SANIERUNG VON UMWELTSCHÄDEN

Zur Überprüfung der Effektivität der Richtlinie in Bezug auf Umweltschäden wurden ihre Umsetzung in einzelstaatliches Recht und ihre Durchführung untersucht.

2.1 Umsetzungsprozess

Die Richtlinie trat am 30. April 2004 in Kraft. Die Umsetzungsfrist des 30. April 2007 wurde nur von vier Mitgliedstaaten eingehalten[6]. Auch danach verlief die Umsetzung der Richtlinie schleppend , so dass die Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen 23 Mitgliedstaaten einleiten musste. Daraufhin hat sich die Zahl der gegen die Bestimmungen verstoßenden Länder verringert, doch musste die Kommission immer noch mehrere Länder vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen, der 2008 und 2009 Urteile gegen sieben Mitgliedstaaten[7] erließ.

Die Hauptgründe für die schleppende Umsetzung waren folgende:

1. Vorhandene Rechtsrahmen — Mitgliedstaaten, in denen bereits ausgefeilte Haftungsbestimmungen für Umweltfragen galten, mussten die neuen Rechtsvorschriften in den vorhandenen Rechtsrahmen einpassen.

2. Schwierige fachliche Anforderungen (z. B. die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Bewertung von Umweltschäden, die verschiedenen Arten von Sanierung, Schädigungen von geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen), die für die meisten Mitgliedstaaten ein Novum darstellten.

3. Der Rahmencharakter der Richtlinie, der den Mitgliedstaaten einen breiten Ermessensspielraum mit bestimmten Entscheidungen, die erst bei der Umsetzung getroffen werden, lässt. Dies führte zu Verzögerungen, da eine Palette von Optionen erst auf nationaler Ebene erörtert werden musste.

2.2 Durchführungsaspekte

Der Rahmencharakter der Richtlinie hat bei mehreren wichtigen Durchführungsbestimmungen zu erheblichen Abweichungen zwischen den Mitgliedstaaten geführt:

- Fakultative Ausweitung des EU-Anwendungsbereiches für die Begriffe „geschützte Arten und natürliche Lebensräume“ gemäß der Vogelschutzrichtlinie[8] und der FFH-Richtlinie[9] (Artikel 2 Nummer 3 der UHRL). Vierzehn Mitgliedstaaten haben sich für eine solche Ausweitung entschieden und Arten und Lebensräume, die im Rahmen nationaler oder regionaler Schutzregime geschützt sind, in ihre Rechtsvorschriften oder einen Teil davon einbezogen (Österreich, Belgien, Zypern, Tschechische Republik, Estland, Griechenland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Spanien, Schweden und Vereinigtes Königreich).

- Eine weitere wichtige Definition, die des „Betreibers“ , wurde von allen Mitgliedstaaten mit einer Ausnahme ausgeweitet, wobei einige Mitgliedstaaten den Begriff besonders weit ausgedehnt haben (Estland, Finnland, Ungarn, Litauen, Polen und Schweden).

- Die Richtlinie stellt den Mitgliedstaaten frei, einen Haftungsausschluss durch genehmigten Normalbetrieb („permit defence“) und/oder einen Haftungsausschluss aufgrund des Entwicklungsrisikos („state of the art defence“) vorzusehen, der von den Betreibern geltend gemacht werden kann. Weniger als die Hälfte der Mitgliedstaaten haben beide Haftungsausschlüsse zugelassen: Belgien (auf regionaler Ebene), Zypern, Tschechische Republik, Estland (außer im Fall von GVO), Griechenland, Italien, Lettland (außer im Fall von GVO), Malta, Portugal, Slowakei, Spanien, Vereinigtes Königreich (außer im Fall von GVO in Schottland und Wales). Ebenfalls weniger als die Hälfte haben beschlossen, keinen Gebrauch davon zu machen: Österreich, Belgien (auf föderaler Ebene), Bulgarien, Deutschland, Ungarn, Irland, Niederlande (anwendbar erst nach einer Plausibilitätsanalyse), Polen, Rumänien und Slowenien. Dänemark, Finnland und Litauen haben einen Haftungsausschluss durch genehmigten Normalbetrieb, nicht aber einen Haftungsausschluss aufgrund des Entwicklungsrisikos zugelassen, während Frankreich einen Haftungsausschluss aufgrund des Entwicklungsrisikos, nicht aber einen Haftungsausschluss durch genehmigten Normalbetrieb zugelassen hat. Schweden hat eine mittlere Position bezogen und genehmigten Normalbetrieb sowie Entwicklungsrisiko als mildernde Faktoren im Entscheidungsprozess zugelassen.

- Was die Palette von Tätigkeiten anbelangt, für die eine verschuldensunabhängige Haftung gilt, so haben mehrere Mitgliedstaaten das Ausbringen von Klärschlamm aus den Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen ausgenommen (Bulgarien, Frankreich, Lettland, Malta, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Vereinigtes Königreich). Einige Mitgliedstaaten haben weitere, in Anhang III nicht genannte Tätigkeiten in den Geltungsbereich der verschuldensunabhängigen Haftung einbezogen (Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Ungarn, Lettland, Litauen, Niederlande und Schweden).

- In Bezug auf die Vorschriften für Fälle mit mehreren Verursachern haben sich die meisten Mitgliedstaaten für eine Regelung mit gesamtschuldnerischer Haftung entschieden, während eine Minderheit eine Proportionalhaftung anwendet (Dänemark, Finnland, Frankreich, Slowakei und Slowenien).

- Schließlich stellt die UHRL den Mitgliedstaaten frei, auf nationaler Ebene eine Regelung der obligatorischen Deckungsvorsorge einzuführen. Acht Mitgliedstaaten (Bulgarien, Portugal, Spanien, Griechenland, Ungarn, Slowakei, Tschechische Republik und Rumänien) haben Regelungen für eine obligatorische Deckungsvorsorge eingeführt, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten bis 2014 in Kraft treten. Diese Regelungen sind an eine Risikobewertung von relevanten Sektoren und Betreibern gebunden und hängen von verschiedenen einzelstaatlichen Durchführungsbestimmungen (betreffend Obergrenzen, Ausnahmen usw.) ab. In allen drei Mitgliedstaaten, in denen solche obligatorischen Regelungen 2010 in Kraft treten sollten (Portugal, Spanien, Griechenland), hat sich die Einführung jedoch verzögert, da wesentliche Bestimmungen noch nicht vorliegen. Die übrigen Mitgliedstaaten stützen sich auf eine fakultative Deckungsvorsorge.

2.3 Begrenzte Durchführung der UHRL

Die schleppende Umsetzung der Richtlinie hat zu einer begrenzten Zahl der von den zuständigen Behörden behandelten Fälle geführt. Die Kommission hat mit Unterstützung des Netzwerks von UHRL-Regierungssachverständigen[10] 16 Fälle ermittelt, die Anfang 2010 im Rahmen der UHRL behandelt wurden, und schätzt die Gesamtzahl von UHRL-Fällen EU-weit derzeit auf etwa 50.

Das wichtigste Hindernis, das einer Überprüfung der Effektivität der UHRL entgegensteht, ist die Tatsache, dass über die Eigenschaften dieser Fälle nicht viel bekannt ist. Gleichwohl ist Folgendes festzustellen:

- Die meisten Fälle betreffen Schäden an Gewässern und Boden , und nur in einer begrenzten Zahl von Fällen handelt es sich um geschützte Arten und natürliche Lebensräume. Diese Feststellung trifft nicht in gleichem Maße auf alle Mitgliedstaaten zu.

- In den meisten Fällen wurden unverzüglich Maßnahmen der primären Sanierung angewendet (Bodenaushub und –austausch sowie Wasserreinigung zur Wiederherstellung des Ausgangszustands des Gebiets). Allerdings wurden bei keinem der gemeldeten Fälle auch Angaben zu den beiden anderen Arten von Sanierung ( ergänzende Sanierung und Ausgleichssanierung ) gemacht.

- Die Gesamtkosten der Sanierungsmaßnahmen, soweit bekannt, liegen bei 12 000 bis 250 000 EUR.

- Die Dauer der Umweltsanierung variiert erheblich und beträgt bei den gemeldeten Fällen zwischen einer Woche und drei Jahren.

- Fast alle der betreffenden Tätigkeiten waren in Anhang III der UHRL aufgeführt. Es handelt sich größtenteils um Tätigkeiten, die unter die IVVU-Richtlinie[11] fallen, sowie um Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen und die Herstellung, Verwendung und Lagerung von gefährlichen Stoffen, Zubereitungen und verwandten Produkten.

Sanierung von Umweltschäden im Rahmen der Umwelthaftungsrichtlinie

Umweltschäden können je nach Art des Schadens auf unterschiedliche Weise saniert werden:

- Bei einer Schädigung des Bodens muss der geschädigte Boden gemäß der Richtlinie dekontaminiert werden, bis von ihm kein erhebliches Risiko einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit mehr ausgeht.

- Bei einer Schädigung von Gewässern, geschützten Arten oder natürlichen Lebensräumen besteht das Ziel gemäß der Richtlinie darin, die Umwelt in den Zustand vor Eintritt des Schadens zurückzuversetzen. Eine Sanierung von Umweltschäden in den Bereichen Gewässer, geschützte Arten und natürliche Lebensräume wird dadurch erreicht, dass die Umwelt durch primäre Sanierung , ergänzende Sanierung oder Ausgleichssanierung in ihren Ausgangszustand zurückversetzt wird. Die geschädigten natürlichen Ressourcen oder beeinträchtigten Funktionen müssen wiederhergestellt oder durch identische, vergleichbare oder gleichwertige Ressourcen bzw. Funktionen entweder am geschädigten Ort oder erforderlichenfalls an einem anderen Ort ersetzt werden. Anhang II der Richtlinie enthält Definitionen der verschiedenen Arten von Sanierung für Schädigungen der Gewässer und der Natur sowie Angaben zu den Maßnahmen, die für die Sanierung der Schäden zu berücksichtigen sind. Die Sanierungsmaßnahmen müssen am geschädigten Ort selbst oder durch Schaffung vergleichbarer Ressourcen in nahegelegenen Gebieten erfolgen.

Die größten Probleme bereiteten nach Aussage der zuständigen Behörden die komplexen technischen Erfordernisse im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Bewertung von geschädigten Ressourcen/beeinträchtigten Funktionen und den Verfahren zur Umweltsanierung sowie das Fehlen verbindlicher Schwellenwerte für Schlüsselbegriffe wie z. B. „erhebliche Schädigung“ . Die Mitgliedstaaten haben jedoch mit der Ausarbeitung von Leitlinien begonnen und sind dabei, ihre Wissengrundlage zu diesen Fragen auszubauen (siehe Abschnitt 3).

Die relativ geringe Zahl von UHRL-Fällen könnte u. a. auf die begrenzten Kenntnisse der Betreiber zurückzuführen sein. Sie könnte aber auch auf die präventive Wirkung zurückgehen, die die UHRL bereits hat. Ein weiterer Grund für die nur begrenzten Erfahrungen könnte sein, dass einige Mitgliedstaaten ihre bestehenden Rechtsvorschriften für Boden- und Gewässersanierung, die striktere Maßnahmen umfassten als die UHRL, beibehalten haben. Schließlich könnten auch die Ausnahmen und Haftungsausschlüsse der UHRL (z. B. Insolvenz und Unmöglichkeit, den verantwortlichen Betreiber zu ermitteln) zu der geringen Zahl von UHRL-Fällen geführt haben.

Die vorliegenden Daten reichen somit nicht aus , um verlässliche Schlussfolgerungen zu der Effektivität der Richtlinie in Bezug auf die tatsächliche Sanierung von Umweltschäden zu ziehen . Gleichwohl hat dieser Bericht die Interessenträger sensibilisiert und den Informationsfluss zwischen ihnen intensiviert und wird den Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung ihrer eigenen Berichte an die Kommission, die bis April 2013 fällig sind, helfen.

3. FUNKTIONALITÄT DER EINZELSTAATLICHEN UHRL-SYSTEME

Die Mitgliedstaaten sind in unterschiedlichem Maße auf die Behandlung von Umweltschäden im Rahmen der Richtlinie vorbereitet . Einige Mitgliedstaaten sind relativ weit fortgeschritten, was Leitlinien für fachliche und wirtschaftliche Bewertung (Belgien, Dänemark, Frankreich, Ungarn, Niederlande, Spanien und Vereinigtes Königreich), Verfahren und Handbücher zur Risikobewertung (Spanien, Portugal, Italien) und rechtsförmliche Leitlinien (Spanien, Ungarn, Tschechische Republik, Lettland und Polen) anbelangt. Spezialisierte Regelungen zur Deckungsvorsorge (z. B. Versicherungspools in Frankreich, Spanien und Italien) bieten geeignete UHRL-Versicherungsprodukte an.

Als Hilfestellung bei der Durchführung von Anhang II hat die Kommission Untersuchungen zu verwendbaren wirtschaftlichen Bewertungsmethoden gefördert[12]. Im Rahmen des Projekts REMEDE wurden ein Instrumentarium aus Methoden zur Schätzung von Sanierungskosten entwickelt und Fallstudien erstellt, die als Beispiele herangezogen werden können.

Trotz der durchgeführten Sensibilisierungsmaßnahmen[13] sind die Wirtschaft und vor allem diejenigen Industriebranchen , in denen am ehesten mit unter die UHRL fallenden Risiken und Schäden zu rechnen ist (Anhang-III-Betreiber), im allgemeinen mit den Bestimmungen der Richtlinie nicht vertraut . In besonderem Maße gilt dies für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Befragungen von Betreibern im zweiten Halbjahr 2009[14] ergaben, dass die meisten von ihnen ihre Versicherungspolicen noch nicht geändert haben, um die erweiterten Haftungen im Rahmen der UHRL einzubeziehen, und einige noch nicht einmal vom Inkrafttreten der Richtlinie wussten. Dies mag auf die Verzögerungen bei der Umsetzung, die zu Rechtsunsicherheit geführt haben, und die nur begrenzten Sensibilisierungsanstrengungen zurückzuführen sein. Diese Ergebnisse wurden durch eine Befragung ergänzt, die die Kommission 2009 unter Rückgriff auf das Europäische Unternehmenstestpanel durchgeführt hat[15]. Die Mehrheit der Betreiber und Unternehmensverbände gab an, sie seien über ihre Haftungen gemäß der UHRL sehr im Unklaren und würden nur in begrenztem Maße auf Finanzinstrumente zur Haftungsdeckung im Rahmen der Richtlinie zurückgreifen.

Betreiber, die sich über ihre Umwelthaftungen im Klaren sind, haben die daraus resultierenden Risiken in der Regel durch einen Mix von Umweltversicherungen wie allgemeine Haftpflichtversicherung, Umwelthaftpflichtversicherung oder eigenständige Versicherungsprodukte gedeckt, während auf andere Arten der Deckungsvorsorge wie z. B. „Captives“ (firmeneigene Versicherungsunternehmen), Bankgarantien, Garantien und Fonds in wesentlich geringerem Maße zurückgegriffen wurde.

In einem Bericht aus der Wirtschaft[16] wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, alle verfügbaren Optionen zur Deckungsvorsorge zu prüfen, und den Mitgliedstaaten wurde nahegelegt, die vorhandenen einzelstaatlichen Umwelthaftungsregelungen zu verbessern. Außerdem wurden klarere Bestimmungen für die Sanierung von Umweltschäden gefordert.

Die Versicherungsbranche hat auf die Einführung der UHRL positiv reagiert . Die Frage, was die UHRL für den Versicherungssektor bedeutet, war Gegenstand eingehender Untersuchungen, deren Ergebnisse weithin bekanntgemacht wurden[17]. Die Branche hat schrittweise Produkte für die UHRL entwickelt, entweder in Form von Sonderversicherungen oder als Ergänzung bestehender Haftungsprodukte. Es laufen Untersuchungen zu praktischen Fragen der Durchführung (z. B. Versicherungsabschluss und Schadenmanagement), und zurzeit wird eine Datenbank mit Fallstudien im Hinblick auf den Austausch von Erfahrungen aufgebaut. Dennoch besteht in dieser frühen Phase noch Unsicherheit, wieweit die vorhandenen Produkte bereits für die Behandlung von UHRL-Fällen geeignet sind. Außerdem hat die Versicherungsbranche[18] gemeldet, dass ihre Fähigkeit, eine Deckung im Rahmen der UHRL anzubieten, durch die jüngste Wirtschaftskrise zwischenzeitlich beeinträchtigt wurde.

Als Fazit ist festzuhalten, dass die Umsetzung der UHRL schleppend verlief und die Durchführung in der EU sehr unterschiedlich erfolgt. Durch diese Divergenz hat sich die Entwicklung von Optionen zur Deckungsvorsorge auf einzelstaatlicher Ebene verzögert. Die Effektivität der Richtlinie wird durch die breite Vielfalt einzelstaatlicher Durchführungsmodi möglicherweise beeinträchtigt; wie diese Beeinträchtigung im Einzelnen aussieht, ist jedoch sehr schwer zu erfassen.

4. DECKUNGSVORSORGE FÜR DIE UHRL

4.1. Entwicklung von Deckungsvorsorgeprodukten

Gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten Anreize zur Schaffung von Instrumenten und Märkten der Deckungsvorsorge bieten. Die Mitgliedstaaten sind nur in verhältnismäßig begrenztem Maße tätig geworden und haben sich auf Gespräche mit Versicherern und/oder deren Verbänden beschränkt. In den meisten Fällen und selbst da, wo eine obligatorische Deckungsvorsorge eingeführt wurde, geht die Entwicklung der Märkte auf Initiative der Versicherer zurück.

4.1.1 Produkte zur Deckungsvorsorge für die UHRL

Versicherungen haben sich als beliebtestes Deckungsinstrument für Umwelthaftung erwiesen, gefolgt von Bankgarantien (Österreich, Belgien, Zypern, Tschechische Republik, Niederlande, Polen, Spanien und Vereinigtes Königreich) und anderen marktwirtschaftlichen Instrumenten (MBI) wie Fonds, Garantien usw. (Österreich, Belgien, Bulgarien, Zypern, Polen und Spanien). Versicherungspools gibt es in Spanien, Frankreich und Italien.

Ein erheblicher Teil der aus der UHRL resultierenden Haftungen kann durch klassische allgemeine Haftpflicht- oder Umwelthaftpflichtpolicen gedeckt werden. (Rück)versicherer bieten derzeit eine Erweiterung bestehender allgemeiner Haftpflicht- oder Umwelthaftpflichtpolicen sowie neue, spezielle eigenständige Versicherungsprodukte an. Als die UHRL 2004 erlassen wurde, gab es Berichten zufolge praktisch keine Versicherungsprodukte zur Deckung von Risiken, bei denen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht vollständig abschätzen ließen. Seitdem sind auf dem EU-Markt geeignete Produkte erschienen. Allerdings bestehen bei der Deckung von durch GVO verursachten Schäden weiter Probleme: So gibt es in Spanien, wo eine obligatorische Deckungsvorsorge ohne Ausschluss von GVO gilt, eine Sonderbestimmung, nach der etwaige Schäden und Verluste nach den zivilrechtlichen Haftungsvorschriften und nicht im Rahmen der UHRL zu behandeln sind.

Derzeit lässt sich schwer abschätzen, ob die (Rück)versicherungsbranche gegenwärtig über ausreichende Kapazitäten verfügt, um aus der UHRL resultierende Haftungen effektiv zu decken. Die UHRL-Kapazitäten der Versicherungsbranche entwickeln sich mit der steigenden Nachfrage nach solchen Produkten ständig weiter. Kapazitäten können auch über andere Deckungsvorsorgeinstrumente als Versicherungen gesteigert werden.

4.1.2 Andere Arten der Deckungsvorsorge

Allgemein werden vor allem Versicherungsprodukte als Möglichkeit zur Deckung von Haftungen aufgrund der UHRL angesehen, obwohl verschiedene Alternativen existieren. Im Zusammenhang mit anderen Umweltvorschriften (z. B. Abfallbewirtschaftung) wurden beträchtliche Erfahrungen mit Nichtversicherungsprodukten (Garantien, Bankbürgschaften, Fonds, „Captives“ usw.) gewonnen. Diese Instrumente müssen nur geringfügig geändert werden, um sie für UHRL-bezogene Haftungen geeignet zu machen. Es sei darauf hingewiesen, dass sich einige alternative Instrumente für große Betreiber mit vielen Tätigkeiten besser eignen als für KMU.

Die Eignung der Instrumente zur Deckungsvorsorge hängt von ihrer Effizienz in Bezug auf zu deckende Sanierungskosten und ihrer Verfügbarkeit für die Betreiber sowie von ihrer Wirksamkeit hinsichtlich der Vermeidung von Umweltverschmutzung ab. Anscheinend erfüllt kein verfügbares Instrument alle drei Anforderungen für sämtliche UHRL-relevanten Haftungen und alle betroffenen Sektoren, so dass die Wahl des Instruments je nach Betreiber unterschiedlich ausfallen wird.

4.1.3 Grenzen und Lücken bei den Produkten zur Deckungsvorsorge

Die Grenzen der derzeit verfügbaren Produkte zur Deckungsvorsorge bestehen darin, dass allmählich eintretende Umweltschäden ebenso ausgeschlossen sind wie bestimmte Sanierungsarten wie z. B. Ausgleichssanierung. Diese Grenzen sind auf das Fehlen von Daten zu UHRL-relevanten Schadenfällen und die Unmöglichkeit einer Quantifizierung potenzieller Verluste zurückzuführen, und werden in dem Maße, wie der Markt an Erfahrung gewinnt, allmählich schwinden.

4.2. Notwendigkeit einer harmonisierten obligatorischen Deckungsvorsorge

Die Kommission muss prüfen, ob eine harmonisierte Regelung zur obligatorischen Deckungsvorsorge auf EU-Ebene erforderlich ist. Da die Umsetzung der UHRL zu voneinander abweichenden Durchführungsbestimmungen geführt hat, diejenigen Mitgliedstaaten, die sich für eine obligatorische Deckungsvorsorge entschieden haben, noch nicht die entsprechenden Regelungen eingeführt haben und somit die Konzepte für eine obligatorische Regelung nicht bewertet werden können, und da immer mehr Produkte zur Deckungsvorsorge verfügbar werden, wäre es für die Kommission verfrüht, eine obligatorische Regelung auf EU-Ebene vorzuschlagen.

4.3. Zu behandelnde Fragen der Deckungsvorsorge

Für die drei Fragen, denen die Kommission in diesem Bericht nachzugehen hat (abgestufter Ansatz, Obergrenzen für die Deckungsvorsorge und Ausschluss von Tätigkeiten mit geringem Risiko) gibt es keine allgemeingültigen Definitionen. Mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten und Interessenvertretern wurden mögliche Vorgehensweisen bei diesen Fragen erörtert. Eine Bewertung der vorhandenen Regelungen legt den Schluss nahe, dass alle Regelungen für eine obligatorische Deckungsvorsorge einen abgestuften Ansatz, den Ausschluss von Tätigkeiten mit geringem Risiko sowie Obergrenzen für die Deckungsvorsorge vorsehen sollten, um die Durchführung zu erleichtern.

4.3.1 Ein abgestufter Ansatz

Ein abgestufter Ansatz bedeutet die schrittweise Einführung einer Deckungsvorsorge für verschiedene Risikoarten, Industriezweige und gedeckte Haftungen. Ein Beispiel für die Anwendung eines abgestuften Ansatzes durch die Mitgliedstaaten ist die Beschränkung der obligatorischen Deckungsvorsorge auf Anhang-III-Tätigkeiten , für die eine Bewilligung, Genehmigung oder Registrierung erforderlich ist. Andere Mitgliedstaaten haben eine obligatorische Deckungsvorsorge für bestimmte Anhang-III-Tätigkeiten vorgeschrieben, beginnend mit Tätigkeiten, die mit einem höheren Risiko behaftet sind (in Ungarn nur unter die IVVU-Richtlinie fallende Anlagen).

4.3.2 Obergrenzen für die Deckungsvorsorge

Keine Regelung zur Deckungsvorsorge – ob Versicherung, Bankgarantie oder Treuhandfonds – wird eine unbegrenzte Haftung anbieten. Daher gibt es sowohl bei fakultativen als auch bei obligatorischen Regelungen Obergrenzen . Eine solche Deckelung könnte dort eingeführt werden, wo das Risiko eines diese Obergrenze überschreitenden Schadens in Abhängigkeit von Standort, Art und Umfang der Tätigkeit als gering angesehen wird. Spanien hat eine Obergrenze für die von seinen Betreibern benötigte Haftungsdeckung in Höhe von maximal 5 Mio. EUR eingeführt. In anderen Ländern werden Obergrenzen zwischen den Versicherern und den Betreibern vereinbart. Auch Versicherungsunternehmen können Obergrenzen für die Haftungen, die sie decken wollen, einführen und anschließend die Versicherungsbeiträge, aber auch den gewährten Versicherungsschutz begrenzen. Die erstgenannten Obergrenzen kommen bei der Festsetzung der Höchstdeckung durch die Policen zur Anwendung. In der Praxis gibt bei es UHRL-Policen auch Entschädigungslimits, die derzeit zwischen 1 Mio. und 30 Mio. EUR liegen.

4.3.3 Ausschluss von Tätigkeiten mit niedrigem Risiko

Auf der Grundlage einer Risikobewertung der potenziellen Umweltschäden aus Anhang-III-Tätigkeiten könnten Tätigkeiten mit geringem Risiko aus einer Regelung zur obligatorischen Deckungsvorsorge ausgeschlossen werden[19]. Im Rahmen einiger obligatorischer Regelungen sind auch solche Tätigkeiten als Tätigkeiten mit geringem Risiko definiert, bei denen die Unternehmen ein EMAS- oder ISO-Umweltmanagementsystem anwenden[20]. Dies ist jedoch unter Umständen problematisch, da andere Faktoren wie z. B. die Art der Tätigkeit oder ihr Standort bei der Bestimmung der von einem Betreiber ausgehenden Umweltrisiken eine wichtigere Rolle spielen können. Nach Aussagen von Interessenträgern könnte der Ausschluss von Betreibern mit der Begründung, ihre Tätigkeiten würden als nur mit einem geringem Risiko behaftet angesehen, kontraproduktiv sein, da diese Tätigkeiten in Wirklichkeit immer noch erhebliche Umweltschäden verursachen könnten.

4.3.4 Schlussfolgerungen zu den bei der Deckungsvorsorge zu berücksichtigenden Aspekten

Eine Untersuchung der Durchführbarkeit, Wirkung und Effektivität einer obligatorischen Deckungsvorsorge würde detailliert aufzeigen, wie solche Regelungen durchgeführt werden könnten, ohne die effektive Deckung von UHRL-Haftungen signifikant einzuschränken. Viele der vorhandenen Optionen wie der abgestufte Ansatz, Obergrenzen für die Deckungsvorsorge und der Ausschluss von Tätigkeiten mit geringem Risiko werden von Mitgliedstaaten bereits angewendet.

Jede Regelung zur obligatorischen Deckungsvorsorge würde zwangsläufig einen abgestuften Ansatz irgendeiner Form umfassen, während die beiden anderen Optionen in einer obligatorischen Regelung angewendet werden können oder nicht. Die Anwendung jeder der drei Optionen erfordert eine eingehende Analyse. Sie können die Durchführung einer obligatorischen Deckungsvorsorge erleichtern, aber auch deren Effektivität verringern.

5. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND WEITERES VORGEHEN

Die Umsetzung der UHRL wurde am 1. Juli 2010 abgeschlossen. Die vorliegenden Informationen lassen noch keine konkreten Schlussfolgerungen zur Effektivität der Richtlinie in Bezug auf die Sanierung von Umweltschäden zu . Wegen der dreijährigen Verzögerung bei der Umsetzung der Richtlinie wurden noch wenig praktische Erfahrungen mit ihrer Durchführung gewonnen. Häufig hatten die Behörden nicht rechtzeitig UHRL-konforme Bestimmungen eingeführt. In vielen Fällen waren sich die Betreiber nicht über die besonderen rechtlichen Verpflichtungen im Klaren. Versicherer und andere Institute, die eine Deckungsvorsorge anbieten, waren nicht hinreichend mit den Anforderungen vertraut, die ihre Produkte erfüllen müssten, um UHRL-konform zu sein.

Die Ergebnisse der für diesen Bericht durchgeführten Studien und die Erfahrungen, die bei der Durchführung der UHRL gewonnen wurden, zeigen, dass verschiedene Maßnahmen getroffen werden können, um die Durchführung und die Effektivität der Richtlinie zu verbessern:

4. Förderung von Informationsaustausch und Kommunikation zwischen wichtigen Interessenträgern (Betreiber, zuständige Behörden, Anbieter von Deckungsvorsorge, Industrieverbände, Regierungssachverständige, NRO und die Kommission).

5. Industrieverbände, Verbände von Anbietern von Deckungsvorsorge und die zuständigen Behörden, die die Richtlinie durchführen, sollten weiter die einzelnen Betreiber und Anbieter durch entsprechende Maßnahmen sensibilisieren .

6. Weitere Ausarbeitung von Auslegungshilfen zur Anwendung der UHRL, insbesondere von Leitlinien auf EU-Ebene zu Anhang II der Richtlinie. Wichtige Begriffsbestimmungen und Konzepte wie „Umweltschaden“, „erhebliche Schädigung“ und „Ausgangszustand“ werden – im Falle von Abweichungen bei der einzelstaatlichen Durchführung – in der Gruppe von Regierungssachverständigen für Umwelthaftung erörtert werden und sollten geklärt und einheitlich angewandt werden.

7. Den Mitgliedstaaten wird nahegelegt, Aufzeichnungen oder Register von UHRL-Fällen zu erstellen[21]. Dadurch können Erfahrungen für eine optimale Anwendung der Richtlinie und eine bestmögliche Unterstützung der UHRL-Interessenträger gewonnen werden. Außerdem erhalten die Mitgliedstaaten dadurch Hilfestellung bei der Erfüllung ihrer Berichterstattungspflichten nach Artikel 18 Absatz 1 der Richtlinie, und die Effektivität der Richtlinie kann anhand tatsächlicher Fälle beurteilt werden.

Trotz der Finanzkrise gibt es Anzeichen dafür, dass der UHRL-Versicherungsmarkt in der EU wächst und eine zunehmende Palette von Produkten zur Verfügung steht. Mit mehr Rechtsklarheit[22] dürfte auch die Anwendung der UHRL-Kriterien durch zuständige Behörden und Betreiber bei der Behandlung von UHRL-Schadensfällen an Berechenbarkeit und Rechtssicherheit gewinnen.

Da es an praktischer Erfahrung mit der Anwendung der UHRL mangelt, hält die Kommission die Einführung einer harmonisierten Regelung für eine obligatorische Deckungsvorsorge zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht hinreichend gerechtfertigt . Die Entwicklungen in denjenigen Mitgliedstaaten, die sich für eine obligatorische Deckungsvorsorge entschieden haben (mit abgestuftem Ansatz), wie auch in denjenigen, die keine solche Regelung eingeführt haben, müssen weiter beobachtet werden, bevor verlässliche Schlüsse gezogen werden können. Die Kommission wird auch jüngste Entwicklungen, die eine Initiative in diesem Bereich rechtfertigen könnten, genauestens verfolgen (z. B. den Ölunfall im Golf von Mexiko).

Die Kommission wird die Option der obligatorischen Deckungsvorsorge möglicherweise sogar schon vor der für 2014 geplanten Überprüfung der Richtlinie in Verbindung mit dem Bericht der Kommission gemäß Artikel 18 Absatz 2 der UHRL erneut prüfen. Darüber hinaus wurden im vorliegenden Bericht eine Reihe anderer Fragen aufgeworfen, denen rascher Aufmerksamkeit zuteil werden sollte. Im Hinblick auf die für 2013/2014 vorgesehene allgemeine Überprüfung der UHRL wird unverzüglich eine kontinuierliche Bewertung der Frage eingeleitet, ob die entsprechenden im Folgenden genannten Maßnahmen bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingeführt werden könnten:

- Geltungsbereich der Richtlinie : Die UHRL deckt spezifische Umweltschäden (überwiegend an Land) ab, während die Meeresumwelt nur unvollständig erfasst ist. Der Geltungsbereich der UHRL erstreckt sich, was eine „Schädigung der Gewässer“ anbelangt, auf die Küstengewässer und die Hoheitsgewässer (über die Wasserrahmenrichtlinie) sowie auf die unter die Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten fallenden geschützten Meeresarten und Natura-2000-Gebiete (innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone und des Kontinentalsockels, soweit anwendbar), so dass im Hinblick auf die vollständige Sanierung von Schädigungen der Meeresumwelt eine Lücke verbleibt. Schädigungen der Meeresumwelt durch Ölunfälle aufgrund von Ölbohrungen sind daher durch die derzeitigen Vorschriften der UHRL nicht vollständig abgedeckt.

- Voneinander abweichende nationale Umsetzungsbestimmungen können zu Problemen führen, beispielweise für Anbieter einer Deckungsvorsorge, die Standardprodukte ändern müssen, damit diese den Anforderungen jedes einzelnen Mitgliedstaats, in dem sie angeboten werden, gerecht werden. Eine obligatorische harmonisierte EU-Regelung zur Deckungsvorsorge hätte mehr Aussicht auf Erfolg, wenn die einzelnen nationalen Durchführungsbestimmungen weniger stark voneinander abweichen würden.

- Uneinheitliche Anwendung des Haftungsausschlusses durch genehmigten Normalbetrieb und des Haftungsausschlusses aufgrund des Entwicklungsrisikos durch die Mitgliedstaaten.

- Uneinheitliche Ausweitung des Geltungsbereichs auf Schädigungen von Arten und natürlichen Lebensräumen , die nach einzelstaatlichem Recht geschützt sind.

- Ausreichende Höhe der derzeitigen finanziellen Obergrenzen , die für die vorhandenen Instrumente zur Deckungsvorsorge festgesetzt sind, im Hinblick auf potenzielle Schadensfälle großen Ausmaßes. Die Frage, wie weit die vorhandenen Deckungsvorsorgeinstrumente zur Deckung von sehr großen Schadensfällen ausreichen, muss im Zusammenhang mit den geltenden finanziellen Obergrenzen und dem Potenzial der verschiedenen Arten von Instrumenten wie Fonds, Versicherungen, Garantien usw. geprüft werden. In diesem Zusammenhang wird die Überprüfung darauf ausgerichtet sein, die wirksamsten Möglichkeiten zur Sicherstellung ausreichender finanzieller Mittel im Fall von Schadensereignissen großen Ausmaßes mit haftbaren Parteien, die über mittlere oder sogar nur geringe finanzielle Kapazitäten verfügen, ausfindig zu machen.

[1] ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 56.

[2] Financial Security in Environmental Liability Directive . Schlussbericht, August 2008. Abrufbar unter http://ec.europa.eu/environment/legal/liability/pdf/eld_report.pdf.

[3] Study on the Implementation and Effectiveness of the Environmental Liability Directive (ELD) and related Financial Security issues . Schlussbericht, November 2009. Abrufbar unter http://ec.europa.eu/environment/legal/liability/pdf/ELD%20Study%20November%202009.pdf.

[4] Navigating the Environmental Liability Directive. A practical guide for insurance underwriters and claims handlers (2009); The Environmental Liability Directive. Enhancing Sustainable Insurance Solutions (2008); CEA White Paper on Insurability of Environmental Liability (2007). Abrufbar unter http://www.cea.eu.

[5] Business survey on environmental issues through the European Business Test Panel (2009) (vgl. Fußnote 15); Ad-hoc Industry Natural Resource Damage Group, Report. Survey of industrial companies, 2010. Siehe auch FERMA, Survey on Environmental Liability Directive Report, 2010 .

[6] Italien, Litauen, Lettland und Ungarn.

[7] Frankreich, Finnland, Slowenien, Luxemburg, Griechenland, Österreich und Vereinigtes Königreich.

[8] Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7.

[9] Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7.

[10] Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, der Kommission für diesen Bericht Daten zu übermitteln. Regierungssachverständige aus etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten haben auf freiwilliger Basis Informationen bereitgestellt, die extrapoliert wurden, um grobe Schätzungen zu den UHRL-Fällen zu erhalten.

[11] Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. L 24 vom 29.1.2008, S. 8.

[12] Die Fallstudien und das Instrumentarium des REMEDE-Projekts können abgerufen werden unter http://www.envliability.eu.

[13] Z. B. EU ELD White Paper Final Draft: EU Environmental Liability Directive: Practical Suggestions to Ensure Sound Implementation der Ad-Hoc Industry Natural Resource Damage Group .

[14] Weitere Information sind der in Fußnote 3 genannten Studie zu entnehmen.

[15] Die Resultate können aufgerufen werden unter http://ec.europa.eu/yourvoice/ebtp/consultations/2009_de.htm.

[16] Untersuchung der Ad-Hoc Industry Group (Fußnote 5), aufrufbar unter www.NRDonline.com.

[17] Die einschlägigen Veröffentlichungen sind auf den Webseiten des Dachverbands der europäischen Versicherungswirtschaft (CEA) zu finden: www.cea.eu.

[18] Workshop „ Implementation efficiency of the environmental liability directive (ELD) and related financial security issues “, 10. Juli 2009. Der Bericht des Workshops kann abgerufen werden unter http://www.biohost.org/eld/workshop09/.

[19] Aus der spanischen Regelung zur obligatorischen Deckungsvorsorge sind Betreiber ausgeschlossen, bei denen von potenziellen Umweltschäden in Höhe von weniger als 300 000 EUR ausgegangen wird (bzw. zwischen 300 000 EUR und 2 Mio. EUR, wenn die Betreiber EMAS/ISO 14001 anwenden). Damit würde eine potenziell hohe Zahl von Betreibern von der obligatorischen Deckungsvorsorge ausgenommen, was die Durchführung der Regelung erleichtert. Allerdings müssten die potenziellen Schäden aus allen Anhang-III-Tätigkeiten analysiert werden.

[20] Dies trifft auf Spanien (siehe oben) und die Tschechische Republik zu.

[21] Der Kommission sind diesbezügliche Anstrengungen der Mitgliedstaaten bekannt. Einige Mitgliedstaaten haben bei der Umsetzung entsprechende Bestimmungen mit aufgenommen.

[22] Siehe z. B. die beiden Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in der italienischen Rechtssache Rada di Augusta und den verbundenen Rechtssachen C-379/08 und C-380/08, in denen der Gerichtshof Fragen in Bezug auf das Verursacherprinzip und die Pflichten der zuständigen Behörden (Bestimmung des Kausalzusammenhangs, Festlegung und Änderung von Sanierungsmaßnahmen, Bestimmung der haftenden Parteien usw.) geklärt hat.