52010DC0284

Grünbuch Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik {KOM(2010) 285 endgültig} {KOM(2010) 286 endgültig} {SEK(2010) 669} /* KOM/2010/0284 endg. */


[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

Brüssel, den 2.6.2010

KOM(2010) 284 endgültig

GRÜNBUCH

Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik

{KOM(2010) 285 endgültig}{KOM(2010) 286 endgültig}{SEK(2010) 669}

GRÜNBUCH

Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik (Text von Bedeutung für den EWR)

1. Einleitung

Das Ausmaß der durch den Konkurs der Bank Lehman Brothers im Herbst 2008 infolge einer unzweckmäßigen Verbriefung amerikanischer „Subprime“-Hypotheken ausgelösten Finanzkrise hat die Behörden weltweit dazu veranlasst, die tatsächliche Solidität der Finanzinstitute sowie ihre Regulierung und Beaufsichtigung angesichts der finanzwirtschaftlichen Innovationen in einer globalisierten Welt einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Die massive Bereitstellung öffentlicher Mittel – bis zu 25% des BIP – in den Vereinigten Staaten und in Europa war begleitet vom nachdrücklichen politischen Willen, Lehren aus sämtlichen Dimensionen der Finanzkrise zu ziehen, um die Wiederholung einer derartigen Situation künftig zu vermeiden.

Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 4. März 2009[1], die praktisch ein Reformprogramm für den Regulierungs- und Aufsichtsrahmen der Finanzmärkte auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des de-Larosière-Berichts[2] darstellt, angekündigt, dass sie (i) vor dem Hintergrund der Finanzkrise die Regeln und Praktiken der Finanzinstitute, insbesondere der Banken, im Bereich der Corporate Governance prüfen und (ii) gegebenenfalls Empfehlungen oder sogar regulatorische Maßnahmen vorschlagen werde, um eventuelle Mängel des Corporate-Governance-Systems in diesem Schlüsselsektor der Wirtschaft zu beheben. Die Stärkung der Corporate Governance ist das Herzstück des von der Kommission erstellten Programms zur Finanzmarktreform und Krisenverhütung. Nachhaltiges Wachstum ist ohne Verantwortungsbewusstsein und gesundes Risikomanagement in den Unternehmen nicht denkbar.

Wie im de-Larosière-Bericht betont wird, muss festgestellt werden, dass sowohl die Verwaltungsräte als auch die Aufsichtsinstanzen oftmals weder die Art noch den Umfang der Risiken verstanden haben, mit denen sie konfrontiert waren. Die Aktionäre sind ihrer Rolle als Unternehmenseigner nicht immer einwandfrei gerecht geworden. Selbst wenn die Krise nicht unmittelbar der Corporate Governance anzulasten ist, so hat doch das Fehlen wirksamer Kontrollmechanismen wesentlich dazu beigetragen, dass Finanzinstitute überhöhte Risiken eingegangen sind. Diese allgemeine Feststellung ist um so beunruhigender, als der Corporate Governance als Regulierungsinstrument der Unternehmen in den letzten Jahren zahlreiche Qualitäten zugeschrieben wurden. Folglich war das in den Finanzinstituten bestehende Corporate-Governance-System entweder unzulänglich, oder es wurde nicht korrekt angewandt.

Im Sektor der Finanzdienstleistungen muss die Corporate Governance aufgrund des systemischen Charakters zahlreicher Akteure den Interessen anderer Beteiligter (Einleger, Sparer, Inhaber von Lebensversicherungen usw.) sowie der Stabilität des Finanzsystems Rechnung tragen. Gleichzeitig ist jegliche Gefahr fahrlässigen Fehlverhaltens („moral hazard“) zu vermeiden, weswegen privatwirtschaftliche Akteure nicht aus der Verantwortung entlassen werden dürfen. Es obliegt also dem Verwaltungsrat, unter der Aufsicht der Aktionäre den Ton vorzugeben und insbesondere die Strategie, das Risikoprofil und die Risikoaffinität des von ihm geleiteten Instituts festzulegen.

Die in diesem Grünbuch behandelten Ansätze können die zur Konsolidierung des Finanzsystems getroffenen oder ins Auge gefassten rechtlichen Vorkehrungen, insbesondere im Rahmen der Reform der europäischen Aufsichtsstruktur[3], der Eigenkapitalrichtlinie[4], der Solvency-II-Richtlinie[5] für Versicherungsgesellschaften, der OGAW-Neuordnung und der Vorschriften für Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM), begleiten und ergänzen.

Außerdem müssen die Governance-Vorschriften der Art (Privatkundenbank, Investmentbank) und natürlich der Größe des Instituts Rechnung tragen. Die in diesem Grünbuch zur Konsultation vorgelegten Grundsätze ordnungsgemäßer Governance richten sich in erster Linie an große Finanzinstitute. Um wirksam auf Institute geringerer Größe angewandt werden zu können, müssten sie angepasst werden.

Dieses Grünbuch sollte in Verbindung mit dem Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen (SEK(2010) 669) „ Corporate Governance in Financial Institutions: Lessons to be drawn from the current financial crisis, best practices “ gelesen werden. Darin wird eine Bestandsaufnahme vorgenommen.

Daneben ist zu betonen, dass die G-20 seit ihrer Tagung vom 15. November 2008 in Washington bemüht ist, auf eine strengere Reglementierung u. a. des Risikomanagements und der Vergütungspraktiken in Finanzinstituten hinzuwirken[6].

Und schließlich möchte die Kommission bereits jetzt ankündigen, dass sie demnächst breitere Überlegungen zur Corporate Governance börsennotierter Gesellschaften allgemein und insbesondere zur Stellung und Rolle der Aktionäre, zur Aufteilung der Aufgaben zwischen Aktionären und Verwaltungsräten im Hinblick auf die Beaufsichtigung der Geschäftsführung, zur Zusammensetzung der Verwaltungsräte sowie zur sozialen Verantwortung von Unternehmen anstellen wird.

2. Der Begriff der Corporate Governance und die Finanzinstitute

Corporate Governance im herkömmlichen Sinn bezeichnet die Beziehungen zwischen der Geschäftsführung eines Unternehmens, seinem Verwaltungsrat, den Aktionären und anderen Beteiligten wie Beschäftigten und ihren Vertretern. Daneben bestimmt der Begriff die Struktur, durch die die Unternehmensziele sowie die Mittel zu deren Verwirklichung und zur Gewährleistung der Überwachung der erzielten Resultate festgelegt werden[7].

Der Konkurs eines Finanzinstituts und insbesondere einer Bank kann aufgrund der Art der Geschäftstätigkeit und der wechselseitigen Abhängigkeit innerhalb des Finanzsystems durch einen Domino-Effekt die Insolvenz weiterer Finanzinstitute nach sich ziehen. Dies kann, wie die jüngste Finanzkrise gezeigt hat, unverzüglich eine drastische Einschränkung der Kreditvergabe nach sich ziehen und durch die so entstehende Kreditklemme in die Rezession führen. Dieses systemische Risiko hat die Regierungen veranlasst, den Finanzsektor mit Mitteln der öffentlichen Hand zu stützen. Daher ist der Steuerzahler zwangsläufig als Akteur am Funktionieren der Finanzinstitute beteiligt, wobei die Zielsetzung auf langfristige finanzielle Stabilität und wirtschaftliches Wachstum ausgerichtet ist.

Im Übrigen stehen die Interessen der Gläubiger von Finanzinstituten (Einleger, Inhaber von Versicherungspolicen oder Begünstigte von Pensionsplänen sowie, in gewissem Maße, Beschäftigte) potenziell den Interessen ihrer Aktionäre entgegen. Die Aktionäre profitieren von Aktienkurssteigerungen und der kurzfristigen Profitmaximierung und haben daher potenziell geringeres Interesse an einem zu niedrigen Risikoniveau. Einleger und andere Gläubiger konzentrieren ihre Aufmerksamkeit hingegen auf die Fähigkeit des Finanzinstituts zur Rückzahlung ihrer Einlagen und sonstigen Forderungen bei Fälligkeit – also dessen langfristige Lebensfähigkeit. Die Einleger ziehen daher tendenziell ein sehr niedriges Risikoniveau vor[8].

Die meisten Finanzinstitute unterliegen insbesondere aufgrund dieser mit ihrer Geschäftstätigkeit verbundenen Besonderheiten einer strengen Reglementierung und Aufsicht. Aus denselben Gründen kann die interne Governance von Finanzinstituten nicht auf einen einfachen Interessenkonflikt zwischen Aktionären und der Geschäftsführung reduziert werden. Daher müssen die Regeln zur Corporate Governance von Finanzinstituten so angepasst sein, dass sie der spezifischen Art dieser Unternehmen Rechnung tragen. Insbesondere kommt den Aufsichtsbehörden, deren Auftrag zur Wahrung der Finanzstabilität sich mit den Interessen der Einleger und anderen Gläubiger deckt, die vom Finanzsektor eingegangenen Risiken zu kontrollieren, eine wichtige Rolle bei der Festlegung vorbildlicher Governance-Verfahren in Finanzinstituten zu.

Diesen Besonderheiten der Finanzinstitute und der Rolle der Aufsichtsbehörden wird in verschiedenen Rechtsinstrumenten und Empfehlungen für Finanzinstitute und insbesondere für Banken auf internationalem und europäischem Niveau bereits Rechnung getragen[9].

Allerdings sind die bestehenden Regeln und Empfehlungen vorwiegend von aufsichtspolitischen Erwägungen diktiert und konzentrieren sich auf das Bestehen zweckmäßiger Strukturen für die interne Kontrolle, das Risikomanagement sowie Revision und Compliance innerhalb von Finanzinstituten. Sie haben, wie die jüngste Finanzkrise gezeigt hat, die Übernahme übermäßiger Risiken durch die Finanzinstitute nicht verhindert.

3. Mängel und Schwächen der Corporate Governance in Finanzinstituten

Nach Auffassung der Kommission dürfte ein wirksames Corporate-Governance-System mit Kontroll- und Ausgleichsmechanismen („Checks and Balances“) dazu führen, dass die wichtigsten Beteiligten in den Finanzinstituten (Verwaltungsräte, Aktionäre, Geschäftsleitung usw.) stärker in die Pflicht genommen werden. Leider musste die Kommission feststellen, dass die Finanzkrise und ihre schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen wiederum zu einem ernsthaften Verlust an Vertrauen in die Finanzinstitute geführt haben; dies gilt insbesondere für die nachfolgend genannten Bereiche und Akteure.

3.1. Interessenkonflikte

Die Problematik von Interessenkonflikten und des Umgangs damit ist nicht neu. Diese Problematik besteht in jeder Organisation und jedem Unternehmen. Bei Finanzinstituten stellt sie sich aufgrund des systemischen Risikos, des Transaktionsvolumens, der Vielfalt der erbrachten Finanzdienstleistungen und der komplexen Struktur großer Finanzkonzerne in besonders zugespitzter Forum. Die Gefahr von Interessenkonflikten kann sich in unterschiedlichen Situationen ergeben (Ausübung inkompatibler Funktionen oder Tätigkeiten, z. B. Investitionsberatung bei gleichzeitigem Management von Investitionsfonds oder gleichzeitiger Mittelverwaltung auf eigene Rechnung, Wahrnehmung nicht zu vereinbarender Mandate bei verschiedenen Kunden/Finanzinstituten). Diese Problematik kann sich auch in den Beziehungen zwischen dem Finanzinstitut und seinen Aktionären/Investoren ergeben, insbesondere im Falle des Bestehens von gegenseitigen Beteiligungen oder Handelsbeziehungen zwischen dem institutionellen Investor (zum Beispiel über dessen Muttergesellschaft) und dem Finanzinstitut, in das er investiert.

Auf Gemeinschaftsebene stellt die MiFID-Richtlinie[10], die einen spezifischen Abschnitt zur Behandlung gewisser Aspekte dieser Problematik enthält, einen wichtigen Fortschritt dar. Dennoch stellt sich aufgrund der Informationsasymmetrie zwischen den Investoren und Aktionären einerseits und dem Finanzinstitut andererseits (die durch die stetig zunehmende Komplexität und Diversifizierung der von den Finanzinstituten erbrachten Dienstleistungen noch verschärft wird) die Frage, ob die verschiedenen Situationen, in denen sich Interessenkonflikte in Bezug auf Finanzinstitute ergeben, von den Märkten wirksam erkannt und überwacht werden. Daneben ist, wie auch in dem gemeinsamen Bericht der Ausschüsse CEBS, CEIOPS und CESR über die interne Governance[11] bemerkt wurde, ein Mangel an Kohärenz in Bezug auf den Inhalt und die Einzelheiten der Vorschriften zu Interessenkonflikten festzustellen, denen unterschiedliche Finanzinstitute je nachdem, ob sie den Bestimmungen der MiFID-Richtlinie, der Eigenkapitalrichtlinie, der OGAW-Richtlinie[12] oder der Solvency-II-Richtlinie anwenden müssen, unterliegen.

3.2. Das Problem der wirksamen Anwendung der Corporate-Governance-Grundsätze durch Finanzinstitute

Nach allgemeiner Auffassung[13] wurden die mit der Finanzkrise deutlich gewordenen Probleme durch die bestehenden Corporate-Governance-Grundsätze – seien es die Prinzipien der OECD, die Empfehlungen des Baseler Ausschusses für den Bankenbereich oder das einschlägige Gemeinschaftsrecht[14] – bereits in gewissem Umfang erfasst. Insofern hat die Finanzkrise gezeigt, dass die Grundsätze der Corporate Governance im Sektor der Finanzdienstleistungen und insbesondere im Bankensektor keine ausreichende praktische Wirkung haben. Zur Erklärung dieses Umstandes wurden mehrere Gründe angeführt:

- Die bestehenden Grundsätze seien zu weit gefasst und nicht ausreichend präzise. Daher hätten sie den Finanzinstituten zu großen Interpretationsspielraum gelassen. Außerdem hätten sie sich in der Praxis als zu schwer realisierbar erwiesen und seien daher in den meisten Fällen lediglich der Form halber eingehalten worden („das entsprechende Kästchen wurde angekreuzt“), ohne dass eine echte qualitative Bewertung stattgefunden hätte;

- Fehlen einer klaren Zuteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten bei der Durchführung der Grundsätze sowohl innerhalb der Finanzinstitute als auch in den Beziehungen mit der Aufsichtsbehörde;

- Rechtlicher Charakter der Corporate-Governance-Grundsätze: einfache Empfehlungen internationaler Organisationen oder Bestimmungen von Corporate-Governance-Kodizes ohne verbindliche Einhaltungspflicht, Vernachlässigung der Corporate-Governance-Problematik durch die Aufsichtsbehörden, schwache einschlägige Kontrollen, Fehlen abschreckender Sanktionen – alle diese Faktoren hätten dazu geführt, dass die Corporate-Governance-Grundsätze von den Finanzinstituten nicht wirksam umgesetzt wurden.

3.3. Verwaltungsrat [15]

Die Finanzkrise hat deutlich belegt, dass die Verwaltungsräte der Finanzinstitute ihre Schlüsselrolle als Machtzentrum nicht wahrgenommen haben. Deshalb waren sie nicht in der Lage, die Geschäftsführung wirksam zu kontrollieren und eine kontradiktorische Analyse der ihnen zur Genehmigung vorgelegten Maßnahmen oder strategischen Orientierungen vorzunehmen.

Nach Auffassung der Kommission war ihr Versagen bei der Einschätzung, dem Verständnis und letztlich der Beherrschung der Risiken, denen ihre Finanzinstitute ausgesetzt waren, eine zentrale Ursache der Finanzkrise. Für dieses Versagen waren mehrere Gründe oder Faktoren maßgeblich:

- Die Verwaltungsratsmitglieder, insbesondere die nicht geschäftsführenden Mitglieder, haben weder die notwendigen Ressourcen noch die notwendige Zeit zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben aufgewandt. Ferner haben mehrere Studien deutlich belegt, dass die Verwaltungsratsmitglieder mangels technischer Sachkenntnis und/oder ausreichenden Durchsetzungsvermögens nicht in der Lage waren, die Geschäftspolitik gegenüber einem oftmals omnipräsenten und teils autoritären Generaldirektor anzufechten oder zumindest zu hinterfragen.

- Die Verwaltungsratsmitglieder brachten keinen ausreichend diversifizierten Hintergrund mit. Wie mehrere nationale Behörden stellt auch die Kommission einen Mangel an Vielfalt in Bezug auf das Geschlechterverhältnis, die soziale und kulturelle Herkunft und den Bildungshintergrund fest.

- Die Verwaltungsräte, insbesondere ihr Vorstand, haben weder die Leistungen der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder noch des Verwaltungsrats insgesamt einer ernsthaften Bewertung unterzogen.

- Die Verwaltungsräte waren nicht willens oder nicht in der Lage, die Angemessenheit des Rahmens für das Risikomanagement und die Risikoaffinität ihrer Finanzinstitute zu gewährleisten.

- Die Verwaltungsräte haben den systemischen Charakter bestimmter Risiken nicht erkannt und konnten daher ihre Aufsichtsbehörden nicht frühzeitig genug informieren. Im Übrigen standen selbst in den Fällen, in denen tatsächlich ein Dialog stattfand, Fragen der Corporate Governance selten auf der Tagesordnung.

Die Kommission ist der Auffassung, dass diese gravierenden Schwächen oder Versäumnisse schwerwiegende Fragen in Bezug auf die Qualität der Benennungsverfahren aufwerfen. Die wichtigste Qualität eines Verwaltungsrates besteht in seiner Zusammensetzung.

3.4. Risikomanagement

Risikomanagement ist eines der Schlüsselelemente der Corporate Governance, insbesondere für Finanzinstitute. So sind mehrere große Finanzinstitute gescheitert, weil elementare Risikokontroll- und –managementregeln vernachlässigt wurden. Daneben haben die Finanzinstitute dem Risikomanagement kein ganzheitliches Konzept zu Grunde gelegt. Die wichtigsten Schwächen oder Unzulänglichkeiten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Die am Risikomanagement beteiligten Akteure haben die Risiken nicht richtig verstanden, und die mit dem Vertrieb risikobehafteter Produkte betrauten Beschäftigten waren nicht ausreichend geschult[16].

- Mangelnde Autorität der mit dem Risikomanagement betrauten Unternehmensbereiche. Die Finanzinstitute haben die mit dem Risikomanagement betrauten Unternehmensbereiche nicht mit der notwendigen Autorität und den erforderlichen Befugnissen ausgestattet, um den Tätigkeiten der Risiken eingehenden Akteure / Händler Einhalt zu gebieten.

- Mangelnder oder unzureichend diversifizierter Sachverstand in Bezug auf das Risikomanagement. Der für die Funktion des Risikomanagements in Betracht gezogene Sachverstand war zu oft auf bestimmte, als prioritär betrachtete Risikokategorien beschränkt und deckte nicht die Gesamtheit der zu überwachenden Risiken ab.

- Mangel an Echtzeitinformationen über die Risiken. Um den betroffenen Akteuren ein Mindestmaß an Reaktionsfähigkeit zuzugestehen, müssen klare und korrekte risikorelevante Informationen rasch auf allen Ebenen des Finanzinstituts zirkulieren können. Leider haben die Verfahren, mit denen die Informationen der geeigneten Ebene zugeführt werden sollten, nicht immer funktioniert. Außerdem müssen die Instrumente des computergestützten Risikomanagements unbedingt verbessert werden, auch in den höchstentwickelten Finanzinstituten, da die Informationssysteme für eine rasche Konsolidierung der Risiken noch immer zu unterschiedlich und die Daten zu uneinheitlich sind, um die Entwicklung der Konzernverpflichtungen wirksam und in Echtzeit verfolgen zu können. Dies gilt nicht nur für komplexere Finanzprodukte, sondern für sämtliche Risikoarten.

Die Kommission betrachtet die oben aufgezeigten Mängel und Unzulänglichkeiten als sehr besorgniserregend, da sie offenbar das Fehlen einer gesunden Risikomanagementkultur belegen, und zwar bei einigen Finanzinstituten auf sämtlichen Ebenen. In Bezug auf den letztgenannten Punkt tragen die Leiter der Finanzinstitute eine besondere Verantwortung; zur Vermittlung einer gesunden Risikomanagementkultur auf sämtlichen Ebenen müssen sie nämlich selbst diesbezüglich beispielhaft sein.

3.5. Rolle der Aktionäre

Im Zuge der Finanzkrise ist jetzt festzustellen, dass das Vertrauen in das Modell des Aktionärs als Eigentümer und an der langfristigen Überlebensfähigkeit des Unternehmens Beteiligter erheblich beschädigt wurde. Die zunehmende „Finanziarisierung“ der Ökonomie infolge der Vervielfältigung der Finanzierungsquellen und der Kapitalzufuhr hat neue Kategorien von Aktionären auf den Plan gerufen. Diese zeigen offenbar oftmals geringes Interesse an den langfristigen Zielen der Governance der Unternehmen/Finanzinstitute, in die sie investieren, und können aufgrund ihres relativ kurzen und teilweise sogar extrem kurzen Anlagehorizonts (drei bis sechs Monate) selbst Triebkräfte einer übermäßigen Risikoneigung sein[17]. In dieser Hinsicht hat die angestrebte Angleichung der Interessen der Geschäftsleitung an jene der neuen Aktionärskategorien die Risikoneigung noch verstärkt, und in vielen Fällen – auf der Grundlage des kurzfristigen Aktienkurses des Unternehmens/Instituts als alleiniges Leistungskriterium – zu übermäßigen Vergütungen der Geschäftsführer beigetragen[18]. Für diese zunehmende Passivität bzw. das Desinteresse der Aktionäre gegenüber den Finanzinstituten, an denen sie beteiligt sind, gibt es mehrere mögliche Gründe:

- bestimmte Rentabilitätsmodelle auf der Grundlage von Portfolios unterschiedlicher Wertpapiere lassen das normalerweise mit dem Besitz von Wertpapieren verbundene Gefühl der Eigentümerschaft verblassen oder vollständig verschwinden;

- die Kosten, die institutionellen Investoren entstehen, wenn sie sich aktiv in die Governance des Finanzinstituts einbringen möchten, können – insbesondere im Falle einer lediglich geringen Beteiligung – abschreckend wirken;

- Interessenkonflikte (s. o.);

- das Fehlen wirksamer Rechte zur Ausübung ihrer Kontrollbefugnis (beispielsweise das Fehlen eines Mitspracherechts in Bezug auf die Vergütung der Geschäftsleitung in einigen Rechtssystemen), das Fortbestehen bestimmter Hindernisse bei der grenzüberschreitenden Wahrnehmung des Stimmrechts, Unsicherheiten in Bezug auf bestimmte rechtliche Begriffe (z. B. „gemeinsames Handeln“) und Informationen seitens der Finanzinstitute, die insbesondere in Bezug auf die Risiken für die Aktionäre zu komplex und zu wenig verständlich sind, können ebenfalls in unterschiedlichem Maße dazu beitragen, die Investoren von der aktiven Beteiligung an den Finanzinstituten, in die sie investieren, abzuhalten.

Die Kommission ist sich der Tatsache bewusst, dass diese Problematik nicht nur die Finanzinstitute betrifft. Sie wirft allgemeiner die Frage nach der Wirksamkeit der Corporate-Governance-Regeln, die von einer wirksamen Kontrolle durch die Aktionäre ausgehen, auf. Aufgrund dieses Umstandes wird die Kommission breiter angelegte Reflexionen in Bezug auf börsennotierte Gesellschaften im Allgemeinen anstellen.

3.6. Rolle der Aufsichtsorgane

Die jüngste Finanzkrise hat ganz allgemein die Grenzen des bestehenden Aufsichtssystems aufgezeigt: Obwohl sie über bestimmte Instrumente verfügen, die ihnen Eingriffe in die interne Governance der Finanzinstitute erlauben[19], waren die Aufsichtsbehörden auf nationaler wie europäischer Ebene vor dem Hintergrund finanzwirtschaftlicher Innovationen und der raschen Entwicklung des Geschäftsmodells der Finanzinstitute nicht immer in der Lage, ihre Aufsichtsfunktion wirksam wahrzunehmen[20].

Außerdem haben die Aufsichtsbehörden es versäumt, für die Einrichtung guter Corporate-Governance-Praktiken in den Finanzinstituten Sorge zu tragen. In vielen Fällen haben die Aufsichtsorgane sich nicht davon vergewissert, dass die Risikomanagementsysteme und die interne Organisation der Finanzinstitute den Veränderungen im Geschäftsmodell der Finanzinstitute und den Innovationen im Finanzsektor angemessen waren. Teilweise haben die Aufsichtsbehörden es auch versäumt, die strikten Kriterien der Zuverlässigkeit und der fachlichen Eignung („Fit & Proper-Test“) für die Auswahl von Verwaltungsratsmitgliedern[21] der Finanzinstitute ordnungsgemäß anzuwenden.

Generell wurden die mit der Governance der Aufsichtsbehörden selbst verbundenen Probleme, insbesondere die Möglichkeiten zur Eindämmung des Risikos der Vereinnahmung von Rechtsvorschriften („regulatory capture“) oder der Ressourcenmangel niemals wirklich erörtert. Außerdem zeigt sich in zunehmendem Maße, dass die territorialen und sachlichen Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörden nicht mehr der geographischen und sektoralen Ausdehnung der Geschäftstätigkeiten der Finanzinstitute entsprechen. Dadurch wird für Letztere das Risikomanagement und die Einhaltung der Regulierungsvorschriften erschwert, während sich für die Aufsichtsbehörden Schwierigkeiten bei der Organisation und der gegenseitigen Zusammenarbeit ergeben.

3.7. Rolle der Revisoren

Revisoren spielen im Corporate-Governance-System der Finanzinstitute eine zentrale Rolle, da sie dem Markt die Sicherheit geben, dass die von den Instituten erstellten Finanzübersichten wahrheitsgemäß sind. Allerdings können Interessenkonflikte bestehen, da die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften von den Unternehmen, deren Bücher sie prüfen sollen, beauftragt und bezahlt werden.

Gegenwärtig ist auch nicht zu belegen, dass die den Revisoren gemäß Richtlinie 2006/48/EG obliegende Verpflichtung, die zuständigen Behörden zu verständigen, wenn sie Kenntnis von Umständen erhalten, die ernsthafte Auswirkungen auf die Finanzlage des betreffenden Finanzinstituts haben können, in der Praxis wirklich eingehalten wurde.

4. Erste Antworten

Die Kommission hatte sich im Rahmen ihrer Mitteilung vom 4. März 2009 und ihrer Maßnahmen zur Belebung der europäischen Wirtschaft verpflichtet, die Frage der Vergütung zu behandeln. Die Kommission hat die internationale Debatte über missbräuchliche Vergütungspraktiken angestoßen und hat sich an erster Stelle für die Umsetzung der Grundsätze des FSB und der G20 zur Vergütungspolitik in der Europäischen Union stark gemacht. Die Kommission ließ dabei die Frage der Angemessenheit bestimmter Vergütungsniveaus außer Acht und ging von zwei Feststellungen aus:

- Angesichts des erheblichen Anstiegs des variablen Anteils der Vergütung von Direktoren börsennotierter Gesellschaften seit Ende der Achtzigerjahre stellt sich die Frage nach Art und Inhalt der Bewertung der Leistungen von Geschäftsführern von Unternehmen. Die Kommission hatte Ende 2004 erste Elemente zur Beantwortung dieser Frage vorgestellt, indem sie eine Empfehlung zur Verschärfung der Transparenzanforderungen in Bezug auf die Regelung der Vorstandsgehälter und der individuellen Vergütungen vorgelegt und die Mitgliedstaaten aufgerufen hat, eine (obligatorische oder fakultative) Abstimmung über die Managervergütung vorzusehen. Aus verschiedenen Gründen, die u. a. mit mangelndem Initiativgeist der Aktionäre in dieser Frage, dem explosionsartigen Anstieg des variablen Vergütungsanteils und insbesondere der zunehmenden Vielfalt von Plänen zur Beteiligung am Unternehmensgewinn durch die Zuteilung von Aktien oder Aktienoptionen zusammenhängen, erschien es der Kommission notwendig, am 30. April 2009 eine neue Empfehlung zu verabschieden[22]. Diese zielt auf eine strengere Reglementierung der Managervergütung ab und enthält mehrere Grundsätze, durch die die Vorstandsgehälter strukturell enger mit der langfristigen Leistung verknüpft werden sollen.

- Die Vergütungspraktiken im Finanzsektor, die auf kurzfristiger Rendite ohne Berücksichtigung der entsprechenden Risiken basierte, haben zur Finanzkrise beigetragen. Diesbezüglich hat die Europäische Kommission am 30. April 2009 eine weitere Empfehlung zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor angenommen[23]. Dadurch sollte die Vergütungspolitik auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen mit einem gesunden Risikomanagement und der langfristigen Überlebensfähigkeit der Finanzinstitute in Einklang gebracht werden.

Trotz günstiger Rahmenbedingungen für strikte einschlägige Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten ergibt sich ein Jahr nach Annahme der beiden oben genannten Empfehlungen aus der Sicht der Kommission ein gemischtes Bild in den Mitgliedstaaten[24].

In mehreren Mitgliedstaaten ist zwar eine entschlossene Rechtsetzungstätigkeit zur Steigerung der Transparenz in Bezug auf die Vergütung von Managern börsennotierter Unternehmen und eine Stärkung der diesbezüglichen Aktionärsrechte zu beobachten, doch haben lediglich zehn Mitgliedstaaten die Empfehlungen der Kommission in ihrer Mehrheit umgesetzt. Viele Mitgliedstaaten haben diesbezüglich immer noch keine Maßnahmen getroffen. Und selbst wenn die Empfehlungen Maßnahmen auf nationaler Ebene nach sich zogen, stellt die Kommission große Unterschiede in Bezug auf den Inhalt und die Anforderungen der entsprechenden Regeln fest, insbesondere bei sensiblen Fragen wie der Vergütungsstruktur und den Abfindungen. Auch im Hinblick auf die Vergütungspolitik im Bereich von Finanzdienstleistungen hegt die Kommission weiterhin Bedenken. Nur 16 Mitgliedstaaten haben die Empfehlung der Kommission vollständig oder teilweise umgesetzt, 5 nehmen die Umsetzung derzeit vor. Sechs Mitgliedstaaten haben bislang keine Maßnahmen auf diesem Gebiet getroffen und haben auch nicht vor, dies zu tun. Diese Zahl ist immer noch zu hoch. Außerdem bestehen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten große Unterschiede in Bezug auf die Intensität der getroffenen Maßnahmen (insbesondere der Vorschriften zur Vergütungsstruktur) und ihren Geltungsbereich. So wenden nur sieben Mitgliedstaaten die in der Empfehlung enthaltenen Grundsätze – wie von der Kommission ausdrücklich angeregt – auf den gesamten Finanzsektor an.

5. Ansätze für die Zukunft

Nach Auffassung der Kommission müssen für die in Abschnitt 3 dargelegten Mängel konkrete Lösungen erarbeitet werden, die zu einer Verbesserung der Corporate-Governance-Praktiken in den Finanzinstituten führen, wobei der Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzindustrie zu wahren, Rechnung zu tragen ist. In diesem Abschnitt werden verschiedene Ansätze zur Behebung dieser Mängel entwickelt und der Versuch unternommen, die einerseits erforderliche Verbesserung der Corporate-Governance-Praktiken der Finanzinstitute mit der andererseits bestehenden Notwendigkeit, ihnen die Möglichkeit zu geben, durch die Finanzierung der Unternehmen und Haushalte einen Beitrag zur Konjunkturerholung zu leisten, in Einklang zu bringen. Die Kommission fordert alle interessierten Parteien auf, ihren Standpunkt zu den unten beschriebenen Überlegungen zu äußern. Jeder dargestellte Lösungsansatz könnte zur Erarbeitung von Maßnahmen im Bereich der Corporate Governance von Finanzinstituten führen. Der zusätzliche Nutzen solcher Maßnahmen müsste allerdings durch Folgenabschätzungen gemäß den einschlägigen Leitlinien[25] der Kommission bewertet werden.

Die Kommission prüft derzeit insbesondere die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Verbesserung des Funktionierens, der Zusammensetzung und der Kompetenzen des Verwaltungsrats, zur Stärkung der Risikomanagementfunktionen, zur Ausdehnung der Rolle externer Wirtschaftsprüfer und zur Stärkung der Rolle der Aufsichtsbehörden auf dem Gebiet der Governance von Finanzinstituten. Der Platz und die Rolle, die den Aktionären zukommen, werden ebenfalls untersucht.

Das Verhalten der verschiedenen Akteure zu verändern, ist die eigentliche Herausforderung jeder Maßnahme zur Verbesserung der Corporate-Governance-Praktiken. Dieses Ziel kann nicht allein durch Einführung neuer Regeln erreicht werden. Eine wirksame Finanzaufsicht ist ebenfalls notwendig.

Die unterschiedlichen Lösungen, die nachfolgend vorgestellt werden, bilden ein Gesamtkonzept, mit dem die Unternehmensführung in Finanzinstituten allgemein verbessert werden soll. Die konkrete Anwendung der entsprechenden Maßnahmen sollte verhältnismäßig sein und könnte nach Maßgabe der Rechtsform, Größe, Art und Komplexität des betreffenden Finanzinstituts sowie der verschiedenen bestehenden juristischen und ökonomischen Modelle variieren.

5.1. Verwaltungsrat

Angesichts der Mängel, die in der jüngsten Krise zu Tage getreten sind, scheint es notwendig, im Verwaltungsrat ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Unabhängigkeit und Kompetenz zu gewährleisten. Auswahlverfahren, die den Kompetenzbedarf des Verwaltungsrats präzise erfassen und auf die Gewährleistung der Objektivität und Unabhängigkeit der Entscheidungen der Verwaltungsratsmitglieder ausgerichtet sind, könnten dazu beitragen, die Fähigkeit des Verwaltungsrats zur wirksamen Kontrolle der Geschäftsführung zu verbessern.

Um die Objektivität und Unabhängigkeit der Entscheidungen der Verwaltungsratsmitglieder zu wahren, müssen offensichtlich die Vorkehrungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten im Verwaltungsrat, aber auch im Finanzinstitut allgemein, gestärkt werden, indem insbesondere klare Verfahren zum Umgang mit Interessenkonflikten eingerichtet werden.

Angesichts der zentralen Rolle des Vorsitzenden bei der Organisation der Arbeit des Verwaltungsrats sollten dessen Kompetenzen, seine Rolle und Verantwortlichkeiten klar definiert sein.

Außerdem sollten Überlegungen zur Vielfalt bei der Zusammensetzung der Verwaltungsräte angestellt werden. Größere Vielfalt bei der Besetzung (z. B. Frauen, Verwaltungsratsmitglieder unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft) entspräche nicht nur der Notwendigkeit, über spezifische individuelle Qualitäten (Unabhängigkeit, Kompetenz, Erfahrung usw.) zu verfügen, sondern kann auch zur Qualität der Arbeiten des Verwaltungsrats beitragen.

Angesichts der zunehmenden Komplexität der Strukturen und Aktivitäten von Kreditinstituten sollten geeignete Mittel gefunden werden, um die Arbeit des Verwaltungsrats wirkungsvoller zu machen. Insbesondere sollte eine Begrenzung der Anzahl der Mandate von Verwaltungsratsmitgliedern in Betracht gezogen werden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, der Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben genug Zeit zu widmen.

Daneben scheint es notwendig, den Prozess der Leistungsbewertung des Verwaltungsrats stärker zu formalisieren, indem insbesondere die Rolle der externen Bewerter genau definiert und die Bewertungsergebnisse den Aufsichtsbehörden und/oder den Aktionären mitgeteilt werden, um diesen eine Beurteilung der Befähigung und Wirksamkeit des Verwaltungsrats zu ermöglichen.

Außerdem erscheint es notwendig, das Mandat und die Verantwortlichkeiten des Verwaltungsrats, und zwar insbesondere dessen Rolle bei der Risikoüberwachung, zu stärken. Die Einrichtung eines auf die Risikoüberwachung spezialisierten Ausschusses innerhalb des Verwaltungsrates sollte in Betracht gezogen werden. Die Billigung der Risikostrategie und des Risikoprofils durch den Verwaltungsrat in einer veröffentlichten Erklärung über die Beherrschung der Risiken könnte ebenfalls zu einem ordnungsgemäßen Risikomanagement und einer korrekten Risikoüberwachung innerhalb der Finanzinstitute beitragen.

Es scheint generell notwendig, dass die Verwaltungsratsmitglieder die Struktur ihres Finanzinstituts kennen und dafür Sorge tragen, dass die Komplexität ihrer Organisation einer wirksamen Kontrolle sämtlicher Aktivitäten nicht im Wege steht.

Ferner müssen offensichtlich die jeweiligen Aufgaben und Verantwortlichkeiten der unterschiedlichen Entscheidungsträger im Finanzinstitut, namentlich der Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsführung, geklärt werden. Insbesondere sollte der Verwaltungsrat die Einrichtung klarer Verantwortlichkeitsstrukturen sicherstellen, welche die gesamte Organisation einschließlich Filialen, Zweigstellen und angeschlossenen Organen erfassen.

Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Verwaltungsrat und den Aufsichtsbehörden erscheint ebenfalls wünschenswert. Insbesondere könnte in Betracht gezogen werden, den Verwaltungsrat zur Unterrichtung der Aufsichtsorgane über ihm gegebenenfalls bekannte erhebliche/systemische Risiken zu verpflichten.

Daneben prüft die Kommission, inwiefern Finanzinstitute dazu übergehen sollten, nicht nur dem Aktionärsinteresse Rechnung zu tragen, das ein wesentlicher Aspekt des herkömmlichen Unternehmensführungskonzepts ist, sondern auch den Interessen der anderen Beteiligten. Die Einführung einer spezifischen Verpflichtung für den Verwaltungsrat, bei Entscheidungen den Interessen der Einleger und anderen Gläubiger Rechnung zu tragen („Sorgfaltspflicht“) könnte dazu beitragen, den Verwaltungsrat zur Verfolgung weniger riskanter Strategien zu veranlassen und das langfristige Risikomanagement des Finanzinstituts zu verbessern. Die Begründung einer solchen Pflicht würde allerdings eine aufmerksame Prüfung der in den verschiedenen Mitgliedstaaten bestehenden rechtlichen Regelungen erfordern. Daraufhin müsste die Kommission in Abhängigkeit von den Ergebnissen dieser Prüfung entscheiden, ob eine Maßnahme auf europäischer Ebene als Beitrag zur Stärkung der Finanzstabilität in der gesamten Union notwendig ist.

Allgemeine Frage 1: Interessierte Beteiligte sind aufgerufen, ihre Haltung zu den vorgeschlagenen Lösungen in Bezug auf die Zusammensetzung, die Rolle und das Funktionieren des Verwaltungsrats zu äußern und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu nennen, die sie für notwendig halten.

1. Spezifische Fragen:

1.1. Soll die Zahl der von Verwaltungsratsmitgliedern angehäuften Mandate (z. B. auf maximal drei) begrenzt werden?

1.2. Soll die Kumulierung von Mandaten als Verwaltungsratsvorsitzender und Generaldirektor in Finanzinstituten verboten werden?

1.3. Sollen im Rahmen der Personalpolitik die Aufgaben und das Profil der Verwaltungsratsmitglieder und des Verwaltungsratsvorsitzenden genau definiert und ausreichende Befähigungen der Verwaltungsratsmitglieder sowie Vielfalt bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrats gewährleistet werden? Falls ja, auf welche Weise?

1.4. Teilen Sie die Auffassung, dass eine höhere Anzahl von Verwaltungsratsmitgliedern weiblichen Geschlechts und unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft das wirksame Funktionieren der Verwaltungsräte verbessern könnte?

1.5. Soll die Bewertung des Funktionierens des Verwaltungsrats durch einen externen Prüfer verbindlich vorgeschrieben werden? Soll das Ergebnis dieser Bewertung den Aufsichtsbehörden und/oder den Aktionären mitgeteilt werden?

1.6. Soll die Einrichtung eines Risikoausschusses innerhalb des Verwaltungsrates vorgeschrieben werden und sollen Regeln zur Zusammensetzung und zum Funktionieren dieses Ausschusses festgelegt werden?

1.7. Soll die Beteiligung eines oder mehrerer Mitglieder des Prüfungsausschusses an diesem Risikoausschuss – und umgekehrt – verbindlich vorgeschrieben werden?

1.8. Soll der Vorsitzende des Risikoausschusses der Hauptversammlung rechenschaftspflichtig sein?

1.9. Welche Rolle sollte dem Verwaltungsrat in der Risikostrategie und dem Risikoprofil eines Instituts zukommen?

1.10. Soll eine Erklärung über die Beherrschung der Risiken eingeführt und veröffentlicht werden?

1.11. Soll ein Verfahren zur Billigung neuer Finanzprodukte durch den Verwaltungsrat eingeführt werden?

1.12. Soll der Verwaltungsrat verpflichtet werden, die Aufsichtsbehörden über die ihm gegebenenfalls bekannten materiellen Risiken zu unterrichten?

1.13. Soll der Verwaltungsrat ausdrücklich verpflichtet werden, den Interessen der Einleger und anderen Beteiligten bei Entscheidungen Rechnung zu tragen („Sorgfaltspflicht“)?

5.2. Funktionen mit Risikorelevanz

Eine der wichtigsten Feststellungen infolge der jüngsten Krise war das Versagen der mit dem Risikomanagement betrauten Funktionen, insbesondere wegen der mangelnden Autorität dieser Funktionen sowie der Unzulänglichkeiten des Systems zur Unterrichtung über die Risiken und zur diesbezüglichen Kommunikation.

Die Unabhängigkeit und die Autorität der Risikomanagementfunktion sollte daher gestärkt werden, indem insbesondere die hierarchische Stellung des Risikomanagers (Chief Risk Officer) aufgewertet wird. Es erscheint insbesondere wünschenswert, dass der Risikomanager in der internen Organisation eines Finanzinstituts einen dem Finanzvorstand mindestens ebenbürtigen Status hat und den Verwaltungsrat unmittelbar von jeglicher risikorelevanten Problematik in Kenntnis setzen kann. Die Schaffung enger Beziehungen zwischen dem Risikomanager und dem Verwaltungsrat (und seinem Risikoausschuss) könnte ebenfalls dazu beitragen, die Rolle des Risikomanagers zu stärken.

Außerdem erscheint es wünschenswert, das Kommunikationssystem der Risikomanagementfunktion dahingehend zu verbessern, dass ein Verfahren eingeführt wird, um Konflikte und aufgetretene Probleme zur Lösung an die Hierarchie zu verweisen. Der Verwaltungsrat sollte festlegen, mit welcher Häufigkeit ihm regelmäßig Risikoberichte vorzulegen sind und welche Informationen diese enthalten sollten. Die Modernisierung der Computerinfrastruktur sollte ebenfalls eine Priorität sein, um die Risikomanagementkapazitäten der Finanzinstitute deutlich zu erweitern und die rechtzeitige Übermittlung risikorelevanter Informationen zu ermöglichen.

Allgemein sollte die Einführung einer Strategie zur Sensibilisierung sämtlicher Mitarbeiter, einschließlich der Verwaltungsratsmitglieder, für die Risikoproblematik („Risikokultur“) vorgeschrieben werden. Insbesondere erscheint es wünschenswert, vor der Einführung neuer Finanzprodukte bzw. Erschließung neuer Marktsegmente und Geschäftsfelder eine Bewertung der damit verbundenen Risiken vorzunehmen.

Schließlich scheint es angezeigt, dass die Geschäftsleitung einen Evaluierungsbericht über das Funktionieren des internen Kontrollsystems und dessen Angemessenheit annimmt, um zu gewährleisten, dass in den Finanzinstituten wirksame interne Kontrollsysteme bestehen, die sich auch auf die Risiken erstrecken.

Allgemeine Frage 2: Interessierte Beteiligte sind aufgerufen, ihre Haltung zu den vorgeschlagenen Lösungen in Bezug auf das Risikomanagement zu äußern und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu nennen, die sie für notwendig halten.

Spezifische Fragen:

2.1. Wie kann die Stellung des Risikomanagers gestärkt werden? Soll der Risikomanager einen dem Finanzvorstand mindestens ebenbürtigen Status haben?

2.2. Wie kann die Kommunikation von der Risikomanagementfunktion zum Verwaltungsrat verbessert werden? Sollte ein Verfahren eingeführt wird, um Konflikte/Probleme zur Lösung an die Hierarchie zu verweisen?

2.3. Soll der Risikomanager die Befugnis haben, den Verwaltungsrat einschließlich Risikoausschuss unmittelbar zu unterrichten?

2.4. Soll die Informatik perfektioniert werden, um die Qualität und Geschwindigkeit der Übermittlung von Informationen über erhebliche Risiken an den Verwaltungsrat zu verbessern?

2.5. Sollen die Geschäftsführer verpflichtet werden, einen Bericht über die Angemessenheit der internen Kontrollsysteme anzunehmen?

5.3. Externe Revisoren

Zur Lösung der in Abschnitt 3 dargelegten Probleme sollten die Möglichkeiten einer Ausdehnung des Systems zur Meldung erheblicher Risiken, welche die externen Revisoren im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ermitteln, auf den Verwaltungsrat und die Aufsichtsbehörden geprüft werden („Meldepflicht“).

Es scheint generell wünschenswert, die Zusammenarbeit zwischen den externen Revisoren und den Aufsichtsbehörden zu intensivieren, um – unter Berücksichtigung der durch das Berufsgeheimnis bedingten Beschränkungen – die Kenntnisse der Revisoren über die einzelnen Finanzinstitute wie auch über den Finanzsektor insgesamt zu nutzen.

Außerdem sollten allgemeinere Überlegungen zu der Rolle angestellt werden, die den externen Revisoren im Hinblick auf Informationen über Risiken in Finanzinstituten zukommen sollte. Insbesondere könnte in Betracht gezogen werden, dass externe Revisoren künftig auch andere, derzeit nicht erfasste Informationen überprüfen, die für Investoren relevant sind, um das Vertrauen der Investoren in diese Art von Informationen zu verbessern und damit das reibungslose Funktionieren der Märkte zu fördern.

Allgemeine Frage 3: Interessierte Beteiligte sind aufgerufen, ihre Haltung zu den vorgeschlagenen Lösungen in Bezug auf die Rolle externer Revisoren zu äußern und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu nennen, die sie für notwendig halten.

Spezifische Fragen:

3.1. Soll die Zusammenarbeit zwischen externen Revisoren und Aufsichtsbehörden vertieft werden? Falls ja, auf welche Weise?

3.2. Sollen die Revisoren in stärkerem Maße verpflichtet werden, den Verwaltungsrat und/oder die Aufsichtsgremien über gegebenenfalls in Ausübung ihrer Tätigkeit festgestellte schwerwiegende Umstände zu unterrichten?

3.3. Soll die von den externen Revisoren ausgeübte Kontrolle auf risikorelevante Finanzinformationen ausgedehnt werden?

5.4. Aufsichtsbehörden

Als Reaktion auf die bei der jüngsten Krise deutlich gewordenen Unzulänglichkeiten in der Corporate Governance der Finanzinstitute scheint es notwendig, die Rolle der Aufsichtsbehörden in der internen Governance der Finanzinstitute neu zu definieren und zu stärken. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass eine deutliche Trennung der jeweiligen Rollen und Verantwortlichkeiten der Aufsichtsorgane und der Unternehmensleitung gewahrt bleibt.

Insbesondere könnte in Betracht gezogen werden, die Aufsichtsorgane dazu zu verpflichten, das ordnungsgemäße Funktionieren und die Wirksamkeit des Verwaltungsrats zu überprüfen und die Risikomanagementfunktion regelmäßig zu kontrollieren, um sich ihrer Wirksamkeit zu vergewissern. Die Aufsichtsbehörden sollten den Verwaltungsrat über die von ihnen festgestellten Mängel unterrichten, damit das Finanzinstitut diese rechtzeitig beheben kann.

Daneben scheint es notwendig, dass die Aufsichtsbehörden die Kriterien für die Auswahl künftiger Verwaltungsratsmitglieder („Fit & Proper-Test“) auf fachliche und berufliche Kompetenzen, auch auf dem Gebiet der Risiken, sowie auf typische Verhaltensmuster der Kandidaten ausdehnen, um sicherzustellen, dass die künftigen Verwaltungsratsmitglieder in ihrem Urteil unabhängiger sind.

Außerdem sollte die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsgremien im Bereich der Corporate Governance grenzübergreifender Finanzinstitute verstärkt werden, insbesondere innerhalb der Kollegien von Aufsichtsbehörden, aber auch im Rahmen künftiger europäischer Aufsichtsbehörden.

Allgemeine Frage 4: Interessierte Beteiligte sind aufgerufen, ihre Haltung zu den vorgeschlagenen Lösungen in Bezug auf die Rolle der Aufsichtsbehörden zu äußern und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu nennen, die sie für notwendig halten.

Spezifische Fragen:

4.1 Soll die Rolle der Aufsichtsgremien in der internen Governance von Finanzinstituten neu definiert und gestärkt werden?

4.2. Sollen die Aufsichtsgremien ermächtigt und verpflichtet werden, das ordnungsgemäße Funktionieren des Verwaltungsrats und der Risikomanagementfunktion zu überprüfen? Wie kann dies in die Praxis umgesetzt werden?

4.3. Sollen die Kriterien für die Auswahl von Verwaltungsratsmitgliedern („Fit & Proper-Test“) auf fachliche und berufliche Kompetenzen sowie auf typische Verhaltensmuster der Kandidaten ausgedehnt werden? Wie könnte dies in der Praxis geschehen?

5.5. Aktionäre

Die mit der besonderen Rolle der Aktionäre in den Finanzinstituten verbundene Problematik wurde ansatzweise bereits oben behandelt. Das Desinteresse der Aktionäre an der Corporate Governance wirft generell die Frage nach der Wirksamkeit der Corporate-Governance-Regeln auf, die bei allen börsennotierten Gesellschaften auf der Grundannahme einer wirksamen Kontrolle durch die Aktionäre beruhen. Im Falle der Finanzinstitute stellt die Einbeziehung der Aktionäre ebenfalls eine reale Herausforderung dar.

Um die Aktionäre zur Beteiligung am Dialog mit dem Finanzinstitut, zur Kontrolle der Entscheidungen der Geschäftsleitung sowie zur Berücksichtigung der langfristigen Lebensfähigkeit des Finanzinstituts zu bewegen, wird die Kommission Überlegungen zu den folgenden Themen anstellen:

- Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Aktionären durch Einrichtung von Diskussionsforen;

- Offenlegung des Abstimmungsverhaltens der institutionellen Kapitalanleger in den Hauptversammlungen;

- Selbstverpflichtung der institutionellen Kapitalanleger auf Verhaltenskodizes („Stewardship Codes“);

- Ermittlung und Offenlegung etwaiger Interessenkonflikte seitens institutioneller Anleger;

- Offenlegung der Gepflogenheiten in Bezug auf die Vergütung von Mittlern[26] durch die institutionellen Kapitalanleger;

- bessere Informationen der Aktionäre über Risiken.

Allgemeine Frage 5: Interessierte Beteiligte werden um ihre Einschätzung zu der Frage gebeten, ob eine Kontrolle der Finanzinstitute durch die Aktionäre weiterhin realistisch ist. Bei Zustimmung werden Vorschläge zur besseren Einbeziehung der Aktionäre in der Praxis erbeten.

Spezifische Fragen:

5.1. Soll die Offenlegung der Abstimmungsstrategie und des Abstimmungsverhaltens der institutionellen Anleger verbindlich vorgeschrieben werden? In welchem Rhythmus soll ggf. die Bekanntgabe erfolgen?

5.2. Sollen die institutionellen Anleger auf einen (nationalen oder internationalen) Verhaltenskodex wie z. B. das International Corporate Governance Network (ICGN) verpflichtet werden? Nach diesem Kodex sind die Unterzeichner verpflichtet, ihre Investitions- und Abstimmungspolitik darzulegen und zu veröffentlichen, Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu treffen und ihr Stimmrecht verantwortungsvoll zu nutzen.

5.3. Soll die Identifizierung der Aktionäre erleichtert werden, um den Dialog zwischen den Gesellschaften und ihren Anteilseignern zu erleichtern und die mit „empty voting“[27] einhergehende Missbrauchsgefahr zu verringern?

5.4. Mit welchen weiteren Maßnahmen könnten Aktionäre dazu motiviert werden, sich in die Corporate Governance von Finanzinstituten einzubringen?

5.6. Wirksame Anwendung der Corporate-Governance-Grundsätze in der Praxis

Neben der oben angesprochenen Rolle der Aufsichtsbehörden bei der Verwirklichung guter Corporate-Governance-Praktiken durch die Finanzinstitute sollte die rechtliche Verantwortung der Geschäftsführung für die ordnungsgemäße Durchführung dieser Grundsätze untersucht werden. Um Verhaltensänderungen der betreffenden Personen zu bewirken, könnten wirksame und effiziente Sanktionen notwendig sein. Nach Auffassung der Kommission sollte jedoch jegliche Verschärfung der zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Haftung der Geschäftsführung mit Sorgfalt geprüft werden. Diese Frage sollte zuvor unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten eingehend untersucht werden.

Allgemeine Frage 6: Interessierte Beteiligte sind aufgerufen anzugeben, welche Maßnahmen nach ihrer Ansicht die Anwendung der Corporate-Governance-Grundsätze wirksam verbessern könnten.

Spezifische Fragen:

6.1. Ist es notwendig, die Verantwortlichkeiten der Verwaltungsratsmitglieder zu erweitern?

6.2. Sollte unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die strafrechtlichen Vorschriften auf europäischer Ebene nicht harmonisiert sind, die zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung der Verwaltungsratsmitglieder verschärft werden?

5.7. Vergütung

Die Kommission hat zu dieser Frage bereits mehrere Empfehlungen abgegeben[28]. Daneben werden derzeit Rechtsetzungsvorschläge für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen im Rahmen der Änderung der Eigenkapitalrichtlinie sowie für alternative Investmentfonds verhandelt[29]. Die Kommission ist der Auffassung, dass zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen Finanzinstituten verschiedener Sektoren für die anderen Finanzdienstleistungsbereiche, insbesondere OGAW und Versicherungsgesellschaften, weitere ähnliche Rechtsetzungsmaßnahmen folgen sollten.

Im Hinblick auf die Vergütung der Geschäftsführer börsennotierter Gesellschaften zeigt der Bericht der Kommission über die Durchführung der Maßnahmen zur Förderung der Anwendung der bestehenden Empfehlungen durch die Mitgliedstaaten, dass diese Empfehlungen weder einheitlich noch in befriedigender Weise angewandt werden. Obwohl eine spezifische Empfehlung zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor vorliegt, gelten die Empfehlungen zur Vergütung der Unternehmensleitung auch für die Geschäftsführer börsennotierter Finanzinstitute und enthalten zusätzliche Regeln, insbesondere in Bezug auf Transparenz bei der Managementvergütung. Deshalb stellt die Kommission in diesem Grünbuch Überlegungen zur Zweckmäßigkeit und zum Inhalt von Rechtsetzungsmaßnahmen auf diesem Gebiet an.

Allgemeine Frage 7: Interessierte Beteiligte werden gebeten, Wege zur Steigerung von Kohärenz und Wirksamkeit der EU-Maßnahmen in Bezug auf die Vergütung der Manager börsennotierter Gesellschaften vorzuschlagen.

Spezifische Fragen:

7.1. Was könnten mögliche zusätzliche Maßnahmen auf EU-Ebene in Bezug auf die Vergütung der Manager börsennotierter Gesellschaften beinhalten und welche verbindliche oder unverbindliche Form könnten sie annehmen?

7.2. Sollte die Problematik der Vergabe von Aktienoptionen an Manager behandelt werden? Falls ja, wie? Sollten Abfindungen auf Gemeinschaftsebene geregelt bzw. sogar verboten werden?

7.3. Sind Sie vor dem Hintergrund, dass die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten zu wahren sind, der Ansicht, dass die günstige steuerliche Behandlung von Aktienoptionen und ähnlichen Vergütungen durch einige Mitgliedstaaten dem Eingehen übermäßiger Risiken Vorschub leistet? Falls ja, sollte diese Frage auf Gemeinschaftsebene erörtert werden?

7.4. Sollten die Aktionäre, aber auch die Beschäftigten und ihre Stellvertreter, bei der Gestaltung der Vergütungspolitik eine wichtigere Rolle spielen?

7.5. Wie denken Sie über Abfindungen („goldener Handschlag“)? Sollten Abfindungen auf Gemeinschaftsebene geregelt bzw. sogar verboten werden? Falls ja, wie? Sollten durch die Zahlung von Abfindungen nur tatsächliche Leistungen der Verwaltungsratsmitglieder vergütet werden?

Allgemeine Frage 7a: Interessierte Beteiligte werden gebeten anzugeben, ob sie ergänzende Maßnahmen zur Gestaltung und Lenkung der Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor für notwendig erachten. Falls ja, was könnten entsprechende Maßnahmen beinhalten?

Spezifische Frage:

7.6. Sind Sie der Meinung, dass in Finanzinstituten, die öffentliche Mittel erhalten haben, der variable Vergütungsanteil verringert oder ausgesetzt werden sollte?

5.8. Interessenkonflikte

Angesichts des Gewichts und der Rolle des Finanzsektors in der Wirtschaft sowie der Überlegungen in Bezug auf die Finanzstabilität ist es gerechtfertigt, Interessenkonflikte zumindest teilweise durch sehr klare gesetzliche Vorschriften zu regeln und den Aufsichtsbehörden bei der Überwachung ihrer ordnungsgemäßen Anwendung eine genau definierte Rolle zuzuweisen.

Allgemeine Frage 8: Interessierte Beteiligte werden gebeten anzugeben, ob sie die Einschätzung der Kommission teilen, dass ungeachtet der bestehenden Transparenzverpflichtungen in Bezug auf Interessenkonflikte die bloße Überwachung von Interessenkonfliktsituationen durch die Märkte nicht immer möglich oder wirksam ist.

Spezifische Fragen:

8.1. Was könnten mögliche zusätzliche Maßnahmen auf EU-Ebene zur besseren Vermeidung und Bekämpfung von Interessenkonflikten im Finanzdienstleistungssektor beinhalten?

8.2. Teilen Sie die Auffassung, dass es nötig wäre, den Inhalt und die Einzelheiten der gemeinschaftlichen Vorschriften zu Interessenkonflikten unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Rechts- und Wirtschaftsmodelle zu harmonisieren, damit die verschiedenen Finanzinstitute je nachdem, ob sie die Bestimmungen der MiFiD-Richtlinie, der Eigenkapitalrichtlinie, der OGAW-Richtlinie oder der Solvency-II-Richtlinie anwenden müssen, ähnlichen Regeln unterliegen?

6. DIE NÄCHSTEN SCHRITTE

Die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und andere interessierte Parteien werden aufgerufen, zu den in diesem Grünbuch enthaltenen Vorschlägen Stellung zu nehmen, damit ein breiter Konsens über alle in Betracht kommenden Maßnahmen gebildet werden kann. Beiträge werden bis zum 1. September 2010 an folgende E-Mail-Adresse erbeten: markt-cg-fin-inst@ec.europa.eu. Im Anschluss an dieses Grünbuch und auf der Grundlage der erhaltenen Antworten wird die Kommission über die nächsten Schritte entscheiden. Jedem künftigen Vorschlag mit oder ohne Rechtsetzungscharakter wird eine eingehende Folgenabschätzung vorausgehen.

Die eingegangenen Beiträge werden im Internet veröffentlicht. Daher sollte die diesem Grünbuch beigefügte spezielle Datenschutzerklärung gelesen werden, die Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten und zur Behandlung der Beiträge enthält.[pic][pic][pic]

[1] KOM(2009) 114.

[2] Bericht der hochrangigen Gruppe über die Finanzaufsicht in der Europäischen Union, vorgelegt am 25.2.2009. Den Vorsitz in dieser Gruppe führte Jacques de Larosière.

[3] S. Vorschläge der Kommission zur Einrichtung von drei europäischen Aufsichtsbehörden sowie eines europäischen Ausschusses für Systemrisiken.

[4] Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. L 177 vom 30.6.2006, und Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten auf Ratingagenturen (Neufassung), ABl. L 177 vom 30.6.2006.

[5] Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (Neufassung), ABl. L 335 vom 17.12.2009.

[6] Beim Gipfeltreffen in Pittsburgh am 24. und 25. September 2009 wurde bestätigt, dass das Bonussystem im Interesse der Stabilität des Finanzsystems reformiert werden muss.

[7] Siehe beispielsweise die Corporate-Governance-Grundsätze der OECD, 2004, S. 11. Das vorliegende Grünbuch konzentriert sich auf diese enge Definition von Corporate Governance. Einige sehr wichtige Aspekte der Governance-Thematik werden in diesem Dokument nicht behandelt, insbesondere die Trennung der Funktionen innerhalb der Finanzunternehmen, die Funktion der internen Kontrolle und die Unabhängigkeit der Buchhaltung.

[8] S. Peter O. Mülbert, Corporate Governance of Banks , European Business Organisation Law Review, 12. August 2008, S. 427.

[9] Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Renforcement de la gouvernance d'entreprise pour les organisations bancaires , September 1999, überarbeitet im Februar 2006; OECD-Leitlinien zur Corporate Governance von Versicherern, 2005; überarbeitete OECD-Leitlinien zur Corporate Governance von Pensionsfonds, Juli 2002; Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. L 145 vom 30.4.2004; Solvency-II-Richtlinie; Eigenkapitalrichtlinie; Ausschuss der Europäischen Bankenaufsichtsbehörden, Guidelines on the Application of the Supervisory Review Process under Pillar 2 (CP03 revised) , 25. Januar 2006, http://www.c-ebs.org/getdoc/00ec6db3-bb41-467c-acb9-8e271f617675/GL03.aspx; CEBS High Level Principles for Risk Management , 16. Februar 2010, http://www.c-ebs.org/Publications/Standards-Guidelines/CEBS-High-Level-Principles-for-Risk-Management.aspx.

[10] Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. L 145 vom 30.4.2004.

[11] CESR, CEBS, CEIOPS: „ Cross-sectoral stock-take and analysis of internal governance requirements “, Oktober 2009.

[12] Richtlinie 2009/65/EG.

[13] S. öffentliche Konsultation der OECD „ Corporate governance and the financial crisis “ vom 18. März 2009, insbesondere den Punkt „ Implementation gap “.

[14] Durch die Richtlinie 2006/46/EG werden Finanzinstitute, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, verpflichtet, einen für sie geltenden Unternehmensführungskodex sowie etwaige Abweichungen hiervon einschließlich Gründen für die Abweichung anzugeben.

[15] Mit dem Begriff „Verwaltungsrat“ wird in diesem Grünbuch im Wesentlichen die Aufsichtsfunktion der Geschäftsleitung eines Unternehmens bezeichnet, die in einer dualen Struktur in der Regel dem Aufsichtsrat obliegt. Die den unterschiedlichen Gesellschaftsorganen nach den nationalen Rechtssystemen zugewiesenen Funktionen werden von diesem Grünbuch nicht berührt.

[16] S. beispielsweise Renate Böhm und Hilla Lindhüber: Verkaufen, Druck und Provisionen - Probleme von Beschäftigten im Finanzdienstleistungsbereich Versicherungen; Ergebnisse einer Arbeitsklima-Index-Befragung, Salzburg 2008.

[17] S. Artikel von Rakesh Khurana und Andy Zelleke, Washington Post, 8. Februar 2009.

[18] S. Gaspar, Massa, Matos (2005): Shareholder Investment Horizon and the Market for Corporate control , Journal of Financial economics, Bd. 76.

[19] Z. B. Basel II.

[20] Zum Versagen der Aufsichtsbehörden siehe allgemein den „de-Larosière-Bericht“, Fußnote 1.

[21] S. bspw. Empfehlungen der OECD: Corporate Governance and the Financial Crisis, November 2009, S. 27.

[22] Empfehlung 2009/385/EG.

[23] Empfehlung 2009/384/EG.

[24] Die von den Mitgliedstaaten getroffenen Maßnahmen werden in den beiden Berichten der Kommission zur Anwendung der Empfehlung 2009/384/EG und der Empfehlung 3009/385/EG eingehend untersucht.

[25] SEK(2009) 92.

[26] Insbesondere der Geschäftsführer von Vermögensverwaltungsgesellschaften.

[27] Stimmabgabe eines Aktionärs ohne entsprechendes finanzielles Interesse an der betreffenden Gesellschaft, mit potenziell negativen Auswirkungen auf die Integrität der Corporate Governance börsennotierter Gesellschaften sowie der Märkte, auf denen ihre Aktien gehandelt werden.

[28] Siehe Empfehlung 2009/384/EG und Empfehlung 2009/385/EG.

[29] Siehe den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Weiterverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik, KOM(2009)0362 endgültig.