52006DC0156

Dritter Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zur Durchführung der Richtlinien 93/96, 90/364, 90/365 über das Aufenthaltsrecht für Studenten, nichterwerbstätige und aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Unionsbürger {SEK(2006) 424} /* KOM/2006/0156 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 5.4.2006

KOM(2006) 156 endgültig

DRITTER BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

zur Durchführung der Richtlinien 93/96, 90/364, 90/365 über das Aufenthaltsrecht für Studenten, nichterwerbstätige und aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Unionsbürger {SEK(2006) 424}

DRITTER BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

zur Durchführung der Richtlinien 93/96, 90/364, 90/365 über das Aufenthaltsrecht für Studenten, nichterwerbstätige und aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Unionsbürger

(Text von Bedeutung für den EWR)

EINLEITUNG

Mit diesem Bericht kommt die Kommission ihrer Verpflichtung gemäß Artikel 4 der Richtlinien 90/364[1] über das Aufenthaltsrecht und 90/365[2] über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen und Artikel 5 der Richtlinie 93/96[3] über das Aufenthaltsrecht der Studenten nach, dem Europäischen Parlament und dem Rat alle drei Jahre einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinien vorzulegen.

Im vorliegenden Bericht sollen die wichtigsten Entwicklungen in Bezug auf die Richtlinien im Zeitraum 2003-2005 herausgestellt und die wesentlichen Neuerungen der Richtlinie 2004/38[4] vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, die mit Wirkung vom 30.4.2006 die drei Richtlinien ersetzt, erläutert werden.

BEITRAG DER RECHTSPRECHUNG DES GERICHTSHOFS

Der Gerichtshof hat während des Bezugszeitraums dieses Berichts vier wichtige Urteile zur Auslegung der Richtlinien erlassen.

Der Gerichtshof erinnerte daran, dass das Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten jedem Unionsbürger durch Artikel 18 Absatz 1 EG-Vertrag unmittelbar zuerkannt wird und dass der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen. Des Weiteren unterstrich er, dass das Recht auf Freizügigkeit im Lichte der Grundrechte und im Besonderen des Rechts auf Schutz des Familienlebens und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgelegt werden muss.

Urteil vom 7.9.2004 in der Rechtssache C-456/02 Michel Trojani gegen Centre public d'aide sociale de Bruxelles

Der Gerichtshof erinnerte daran, dass das Aufenthaltsrecht im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht absolut ist, sondern nur vorbehaltlich der im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen besteht.

Zwar dürften die Mitgliedstaaten den Aufenthalt eines nicht wirtschaftlich aktiven Unionsbürgers von der Verfügbarkeit ausreichender Existenzmittel abhängig machen, doch komme einer solchen Person, wenn sie sich für gewisse Zeit rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhalte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitze, das grundlegende Prinzip der Gleichbehandlung zugute.

Des Weiteren bestätigte der Gerichtshof, dass es dem Aufnahmemitgliedstaat unbenommen bleibt festzustellen, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, die Voraussetzungen für sein Aufenthaltsrecht nicht mehr erfüllt. In einem solchen Fall könne der Aufnahmemitgliedstaat unter Einhaltung der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen eine Ausweisungsmaßnahme vornehmen. Allerdings dürfe die Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems nicht automatisch eine solche Maßnahme zur Folge haben.

Urteil vom 19.10.2004 in der Rechtssache C-200/02 Kunqian Catherine Zhu und Man Lavette Chen gegen Secretary of State for the Home Department

Der Gerichtshof stellte fest, dass die Situation eines Unionsbürgers, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat seiner Staatsangehörigkeit geboren wurde und von dem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat, nicht allein aufgrund dieser Tatsache einer rein internen Situation gleichgestellt werden kann, in der dieser Staatsangehörige im Aufnahmemitgliedstaat die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit nicht geltend machen kann.

Die Fähigkeit des Inhabers der durch den Vertrag und das abgeleitete Recht auf dem Gebiet der Freizügigkeit garantierten Rechte kann nicht von der Bedingung abhängen, dass der Betreffende das Alter erreicht hat, ab dem er rechtlich in der Lage ist, diese Rechte selbst auszuüben.

Der Gerichtshof stellte fest, dass die Richtlinie 90/364 keinerlei Anforderungen in Bezug auf die Herkunft ausreichender Existenzmittel vorsieht und wies alle Einwände zurück, wonach das Erfordernis ausreichender Existenzmittel bedeutet, dass der Betreffende selbst über solche Mittel verfügen muss und sich insoweit nicht auf Mittel eines Familienangehörigen berufen kann. Eine solche Auslegung würde dieser Bedingung, wie in der Richtlinie formuliert, ein Erfordernis in Bezug auf die Herkunft der Mittel hinzufügen, das einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Ausübung des Grundrechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt darstellen würde.

Würde dem Elternteil mit Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats, der für ein Kind, dem Artikel 18 EG-Vertrag und die Richtlinie 90/364 ein Aufenthaltsrecht zuerkennen, tatsächlich sorgt, nicht erlaubt, sich mit diesem Kind im Aufnahmemitgliedstaat aufzuhalten, so würde dem Aufenthaltsrecht des Kindes jede praktische Wirksamkeit genommen. Der Genuss des Aufenthaltsrechts durch ein Kind im Kleinkindalter setze voraus, dass sich die für das Kind tatsächlich sorgende Person bei diesem aufhalten darf.

Urteil vom 15.3.2005 in der Rechtssache C-209/03 The Queen (auf Antrag von Dany Bidar) gegen London Borough of Ealing und Secretary of State for Education and Skills

Der Gerichtshof revidierte der Standpunkt, den er zuvor im Urteil in den Rechtssachen Lair (39/86) und Brown (197/86) vertreten hatte, und kam zu dem Schluss, dass die Förderung, die Studenten für den Lebensunterhalt gewährt wird, für die Zwecke des Artikels 12 EG in den Anwendungsbereich des Vertrags fällt.

Das Gericht stellte fest, dass zwar die Studenten, die sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben, um dort ein Studium aufzunehmen und dort zu diesem Zweck nach der Richtlinie 93/96 aufenthaltsberechtigt sind, auf Grundlage dieser Richtlinie keinen Anspruch auf eine Unterhaltsbeihilfe haben. Doch hindere die Richtlinie 93/96 einen Angehörigen eines Mitgliedstaats, der sich gemäß Artikel 18 EG und der Richtlinie 90/364 rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhalte, wo er beabsichtige, ein Studium aufzunehmen oder fortzuführen, nicht daran, sich während dieses Aufenthalts auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zu berufen.

Der Gerichtshof hält es auch für legitim, dass ein Aufnahmemitgliedstaat eine derartige Beihilfe nur Studenten gewährt, die nachgewiesen haben, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Staates integriert und sich für eine gewisse Zeit im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben.

Aus diesen Gründen sei Artikel 12 dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegenstehe, die Studenten den Anspruch auf Beihilfe zur Deckung ihrer Unterhaltskosten verwehre, auch wenn sich dieser Staatsangehörige rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhalte und dort einen großen Teil seiner Ausbildung an weiterführenden Schulen erhalten und folglich eine tatsächliche Verbindung zu der Gesellschaft dieses Mitgliedstaates hergestellt habe.

Das Vereinigte Königreich setzte dieses Urteil durch eine entsprechende Änderung der Student Support Regulations in England und Wales, Nordirland und Schottland im Wege der Statutory Instruments 2005 Nr. 1341 und 2084, Statutory Rule 2005 Nr. 323 und Scottish Statutory Instrument 2005 Nr. 341 um.

Urteil vom 14.4.2005 in der Rechtssache C-157/03 Kommission gegen Spanien

Die Kommission reichte am 7.3.2003 beim Gerichtshof Klage gegen Spanien ein. Der Gerichtshof bestätigte, dass die Voraussetzungen, die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgestellt werden können, in den einschlägigen Richtlinien erschöpfend aufgeführt sind. Die Mitgliedstaaten müssen Familienangehörigen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittlandes besitzen, unverzüglich und nach Möglichkeit an den Einreisestellen ein Einreisevisum ausstellen. Das Gericht stellte fest, dass die spanische Regelung, wonach Familienangehörige von Gemeinschaftsbürgern für die Erlangung der Aufenthaltserlaubnis ein Aufenthaltsvisum zum Zwecke der Familienzusammenführung vorlegen müssen, keine korrekte Umsetzung darstellt und u.a. der Richtlinie 90/365 entgegensteht.

Der Gerichtshof unterstrich, dass der Mitgliedstaat gemäß der Richtlinie 64/221 binnen kürzester Frist, spätestens jedoch innerhalb von sechs Monaten nach der Antragstellung, eine Entscheidung über die Aufenthaltserlaubnis treffen muss. Da Spanien die Aufenthaltserlaubnis nicht fristgerecht ausgestellt hat, habe es gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 64/221 verstoßen.

TÄTIGKEIT DER KOMMISSION ALS HÜTERIN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS

Von Unionsbürgern verlangte Dokumente bei der Einreise in oder der Ausreise aus einem Mitgliedstaat

Während des Bezugszeitraums sind der Kommission, insbesondere von Staatsangehörigen der Beitrittsländer, eine wachsende Zahl von Beschwerden im Zusammenhang mit den Rechten der Unionsbürger bei Reisen in andere Mitgliedstaaten eingegangen. Am 10.8.2005 wurde allen Mitgliedstaaten ein Schreiben übersandt, in dem daran erinnert wird, dass sie nach dem Gemeinschaftsrecht und bestätigt durch die Rechtsprechung gehalten sind, jedem Unionsbürger bei Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses die Ausreise aus ihrem Hoheitsgebiet bzw. die Einreise in ihre Hoheitsgebiet zu gestatten.

Folglich dürfen Behörden oder Verkehrsunternehmen nicht dazu zu verpflichtet werden, anstelle eines Personalausweises einen Reisepass bzw. eine Aufenthaltserlaubnis oder ein Rückflugticket zu verlangen noch darf vorgeschrieben oder empfohlen werden, dass der Reisepass oder Personalausweis für einen bestimmten Zeitpunkt nach der Rückkehr gültig sein muss.

Wie den eingegangenen Antworten zu entnehmen ist, stehen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.

Die Kommission wird auch künftig im Falle einer nichtkorrekten Anwendung eingreifen.

Zugang zu sozialen Vergünstigungen

Die Dienststellen der Kommission prüfen derzeit Beschwerden, bei denen es zum einen um die Gesetzgebung und Praxis zweier Mitgliedstaaten betreffend den Zugang zu Fahrpreisermäßigungen für Rentner, die ihr Altersruhegeld aus einem ausländischen System beziehen, und zum anderen um die Gesetzgebung eines Mitgliedstaates über den Zugang von Nichterwerbspersonen zu Sozialhilfeleistungen geht.

Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtbefolgung oder fehlerhafter Anwendung der Richtlinien

In den wichtigsten Fällen ging es um folgende Fragen:

Aufenthaltsvisa

Im Anschluss an das Urteil vom 14.4.2005 (siehe Abschnitt 2) übermittelte die Kommission Spanien am 13.12.2005 ein Mahnschreiben gemäß Artikel 228 EG-Vertrag. Wenngleich das Erfordernis eines Aufenthaltsvisums für Familienangehörige, die die Staatsangehörigkeit eines Drittlandes besitzen, im Wege einer Verwaltungsanweisung aufgehoben wurde, kann solange nicht von einer ordnungsgemäßen Vollstreckung des Urteils ausgegangen werden, als die strittige Bestimmung der nationalen Gesetzgebung nicht förmlich geändert worden ist.

Nachweis ausreichender Existenzmittel gemäß Richtlinie 93/96 und gesonderter Nachweis für Familienmitglieder

Nach der Richtlinie 93/96, wie vom Gerichtshof insbesondere in dem Urteil vom 25.5.2000 in der Rechtssache C-424/98 Kommission gegen Italienische Republik und dem Urteil vom 20.9.2001 in der Rechtssache C-184/99, Grzelczyck , ausgelegt, dürfen die Mitgliedstaaten von Studenten, die in den Genuss der Richtlinie 93/96 kommen, keinen Nachweis darüber verlangen, dass sie über Existenzmittel in bestimmter Höhe verfügen, sondern sie müssen sich damit zufrieden geben, dass der Student nach Wahl mittels einer Erklärung oder einem anderen gleichwertigen Mittel den zuständigen Behörden glaubhaft macht, dass er über ausreichende Existenzmittel für sich und seine Familienangehörigen verfügt.

Am 13.12.2005 richtete die Kommission an Italien eine mit Gründen versehene Stellungnahme wegen des Dekret des Präsidenten Nr. 54 vom 18.1.2002, da dieser Wortlaut der Richtlinie 93/96 insofern entgegensteht, als von Studenten der Nachweis verlangt wird, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügen, und Familienangehörige entgegen den drei Richtlinien einen gesonderten Nachweis ausreichender Existenzmittel beibringen müssen.

Am 14.12.2004 stellte die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich ein. Am 19.12.2002 hatte die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme wegen der Erfordernis in Dekret Nr. 94-211 vom 11.3.1994 und eines Rundschreibens vom 19.6.1999 abgegeben, wonach Studenten den zuständigen Behörden glaubhaft machen müssen, dass sie über Existenzmittel in bestimmter Höhe verfügen und einen Kontoauszug vorlegen müssen. Das Verfahren wurde eingestellt, nachdem Frankreich am 26.11.2003 das Gesetz 2003-1119 erlassen hatte, mit dem das Erfordernis einer Aufenthaltskarte für alle Unionsbürger aufgehoben und die strittigen Bestimmungen geändert wurden.

Am 30.3.2004 stellte die Kommission auch ein Verfahren gegen die Niederlande wegen unkorrekter Anwendung nationaler Umsetzungsmaßnahmen ein; einem deutschen Studenten war eine Aufenthaltskarte mit der Begründung verweigert worden, er habe kein Bankkonto nachgewiesen. Nach dem Eingreifen der Kommission wurde dem Studenten eine Aufenthaltskarte ohne einen solchen Nachweis ausgestellt.

Herkunft und Dauerhaftigkeit der Existenzmittel gemäß Richtlinie 90/364

Wie in dem Urteil in der Rechtssache Chen bestätigt, enthält die Richtlinie 90/364 keine Anforderungen in Bezug auf die Herkunft ausreichender Existenzmittel, über die ein Unionsbürger verfügen muss, der ein Aufenthaltsrecht nach dieser Richtlinie beansprucht.

Am 3.4.2003 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Niederlande, weil die innerstaatlichen Rechtsvorschriften u.a. verlangen, dass die Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel für mindestens ein Jahr verfügen und die Existenzmittel persönlicher Natur sein müssen. Die Dienststellen der Kommission erwägen, den Gerichtshof zu befassen.

Am 30.9.2003 reichte die Kommission beim Gerichtshof Klage gegen Belgien ein ( Rechtssache 408/03 ) wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtungen aus Artikel 18 EG und der Richtlinie 90/364, da das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern davon abhängig gemacht wird, dass sie über ausreichende persönliche Existenzmittel verfügen. Der Generalstaatsanwalt unterstützte in seinen Schlussanträgen vom 25.10.2005 die Position der Kommission.

Aufgrund einer Beschwerde in dieser Sache wurde ein zweites Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien eingeleitet.

Am 18.10.2004 erging ein Mahnschreiben an Luxemburg wegen der Beschwerde einer deutschen Staatsangehörigen, der das Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 90/364 mit der Begründung verweigert wurde, sie verfüge über keine persönlichen Existenzmittel, obwohl sich ihre Eltern und die Mutter ihres Verlobten bereiterklärt hatten, für ihre Aufenthaltskosten aufzukommen. Die Antwort Luxemburgs wird derzeit geprüft.

Folgen der Inanspruchnahme von Sozialhilfe

Wie vom Gerichtshof in den Rechtssachen Grzelczyck und Trojani bestätigt, können die Mitgliedstaaten davon ausgehen, dass ein Begünstigter der Richtlinien 90/364 und 93/96, der Sozialhilfe in Anspruch nimmt, nicht mehr die Voraussetzungen für sein Aufenthaltsrecht erfüllt und unter Einhaltung der vom Gemeinschaftsrecht bezogenen Grenzen die Aufenthaltserlaubnis zurückziehen oder nicht erneuern. Allerdings darf die Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems durch einen Unionsbürger, bei dem es sich um einen Studenten oder eine nicht erwerbstätige Person handelt, nicht automatisch eine solche Maßnahme zur Folge haben.

In der vorgenannten mit Gründen versehenen Stellungnahme an die Niederlande vom 3.4.2003 vertrat die Kommission die Auffassung, dass die niederländische Gesetzgebung, wonach einem Unionsbürger, der Sozialhilfe in Anspruch nimmt, das Aufenthaltsrecht verweigert oder automatisch ausgesetzt wird, in Widerspruch zur Richtlinie 90/364 steht.

Für die Erteilung einer Aufenthaltskarte oder die Änderung der Adresse verlangte Dokumente

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Rechtssache C-363/89 Roux vom 5.2.1991 und Rechtssache C-376/89 Giagounidis vom 5.3.1991) sind die Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen für Unionsbürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben wollen, sowie für ihre Familienangehörigen in den einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts erschöpfend aufgeführt, und zwar in dem Sinne, dass die Behörden der Mitgliedstaaten nur Dokumente verlangen können, die in diesen Gemeinschaftsvorschriften ausdrücklich vorgesehen sind.

Am 18.10.2004 erging ein Mahnschreiben an Frankreich, da die französischen Behörden in einem Rundschreiben vom 6.12.2000 für Unionsbürger und deren Familienangehöriger die Vorlage verschiedener Dokumente zu ihrem Familienstatus und Wohnsitz vorsahen, um eine Aufenthaltskarte zu erhalten; auch war eine Beschwerde wegen ähnlicher Anforderungen in Zusammenhang mit der Änderung der Adresse auf der Aufenthaltskarte eingegangen. Ein weiteres Mahnschreiben erging am 12.12.2005, weil das Rundschreiben trotz Einstellung der strittigen Praxis weiterhin in Kraft war und die Rechtsvorschriften immer noch die Erteilung einer Aufenthaltskarte vorsehen, wenn der Unionsbürger dies beantragt.

Am 21.12.2005 wurde ein Mahnschreiben an Spanien gerichtet, weil von einem britischen Altersruhegeldempfänger, der mehr als drei Monate jährlich in Spanien verbringt, aber seinen Wohnsitz nicht endgültig nach Spanien verlegen möchte, die Vorlage eines Vordrucks E 121 gemäß der Richtlinie 1408/71 verlangt wurde, um eine Aufenthaltskarte in Spanien zu erhalten. Nach Auffassung der Kommission steht dies im Widerspruch zur Richtlinie 90/365, die keinen bestimmten Krankenversicherungsschutz verlangt, um eine Aufenthaltskarte zu erlangen. Ebenso steht dies der Verordnung 1408/71 entgegen, wonach für befristete Aufenthalte der Vordruck E 111 ausreicht. Dieser Vordruck wurde ab Juni 2004 durch die Europäische Krankenversicherungskarte ersetzt.

Automatische Ausweisungsverfügung bei nicht fristgerechter Beibringung der verlangten Dokumente

In der Rechtssache C 408/03 hat die Kommission am 30.3.2003 beim Gerichtshof Klage auf Feststellung erhoben, das Belgien gegen seine Verpflichtungen u.a. aus der Richtlinie 90/364 verstoßen hat, da es die Möglichkeit vorsieht, automatisch die Ausweisung von Unionsbürgern zu verfügen, die nicht innerhalb einer bestimmten Frist die für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis verlangten Dokumente vorlegen.

Diskriminierende Sanktionen bei versäumter Beantragung oder Verlängerung einer Aufenthaltskarte

Am 7.3.2003 hat die Kommission beim Gerichtshof Klage gegen Spanien (Rechtssache C-108/03 ) wegen Verletzung seiner Verpflichtungen u.a. aus Artikel 39, 43 und 49 EG-Vertrag erhoben, da Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten, die gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen, gegenüber spanischen Staatsangehörigen, die in vergleichbarer Weise versäumen, nationale Identitätsdokumente zu erlangen oder zu verlängern, unverhältnismäßig diskriminiert werden.

In der Antwort auf die Befassung des Gerichtshofs brachte Spanien vor, es hätte der Kommission den Erlass des Königlichen Dekrets 178/2003 vom 14.2.2003 mitgeteilt, wonach die Verpflichtung für Unionsbürger zur Erlangung einer Aufenthaltskarte - mit Ausnahme nicht erwerbstätiger Personen - aufgehoben werde. Daraufhin zog die Kommission am 22.7.2003 die Klage zurück.

Daueraufenthaltskarte – Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit

Am 17.6.2003 erhob die Kommission beim Gerichtshof Klage gegen Frankreich ( Rechtssache C-258/03 ), da gemäß Dekret 94-221 vom 11.3.1994 die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten von der Bedingung der Gegenseitigkeit abhängig gemacht wird und Frankreich somit seinen Verpflichtungen aus Artikel 12 EG-Vertrag nicht nachkommt.

Frankreich hob die Bedingung der Gegenseitigkeit im Wege des vorgenannten Gesetzes 2003-1119 auf und die Kommission zog am 30.3.2004 ihre Klage zurück.

Kosten der Aufenthaltskarten

Im Anschluss an die Änderung des Gesetzes Nr. 2910/2001 beschloss die Kommission am 7.7.2004, ein gegen Griechenland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren wegen der Kosten von Aufenthaltskarten einzustellen, da diese Kosten gegenüber den Kosten nationaler Identitätsdokumente diskriminierend waren.

ÜBERBLICK ÜBER DIE UMSETZUNGSMAßNAHMEN IN DEN NEUEN MITGLIEDSTAATEN

Die zehn neuen Mitgliedstaaten haben ihre Umsetzungsmaßnahmen vor dem Beitritt erlassen. Die letzten nationalen Umsetzungsmaßnahmen wurden der Kommission im Januar 2005 mitgeteilt. Während des Bezugszeitraums sind keine Beschwerden in Zusammenhang mit der Anwendung der Richtlinien durch diese Mitgliedstaaten eingegangen.

Eine Tabelle mit einem Überblick über die nationalen Umsetzungsmaßnahmen ist als Anhang beigefügt.

DIE NEUE RICHTLINIE 2004/38 – WICHTIGSTE NEUERUNGEN

Die bedeutendste Entwicklung während des Bezugszeitraums war der Erlass der Richtlinie 2004/38 durch das Europäische Parlament und den Rat; diese Richtlinie stellt einen entscheidenden Schritt zur Ausgestaltung des Freizügigkeitsrechts von einem bloßen wirtschaftlichen Recht hin zum konkreten Ausdruck einer echten Unionsbürgerschaft dar.

Hier wird in einem einzigen Instrument der gemeinschaftliche Besitzstand im Bereich Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht, einschließlich der drei Richtlinien zusammengefasst und sowohl für die Unionsbürger als auch die nationalen Verwaltungen mehr Transparenz geschaffen und die Anwendung erleichtert.

Die Umsetzungsfrist läuft am 30.4.2006 ab.

Die wichtigsten Neuerungen sind folgende:

- Die Richtlinie erweitert die Rechte von Unionsbürgern zur Familienzusammenführung auf eingetragene Partnerschaften und sieht neue Rechte für Familienangehörige im Falle des Todes des Unionsbürgers oder der Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft vor.

- Die Formalitäten für die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit werden vereinfacht. Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Aufenthalt für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, wobei sie lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein müssen und ansonsten keine weiteren Bedingungen oder Formalitäten zu erfüllen sind.

- Für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten benötigen Unionsbürger keine Aufenthaltserlaubnis in dem Wohnsitzmitgliedstaat mehr: Es reicht die Anmeldung bei den zuständigen Behörden und selbst dies wird nur verlangt, wenn es von dem Aufnahmemitgliedstaat als notwendig erachtet wird. Diese schrittweise Verringerung des Verwaltungsaufwands steht in Einklang mit den bereits von mehreren Mitgliedstaaten eingeleiteten Maßnahmen, das Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis abzuschaffen.

Aufrecht erhalten wird das Erfordernis, dass die Unionsbürger eine Erwerbstätigkeit ausüben müssen oder - im Falle nichterwerbstätiger Personen - über ausreichende Existenzmittel und eine umfassende Krankenversicherung verfügen, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen zu können.

- Die wesentliche Neuerung der Richtlinie, insbesondere für nichterwerbstätige Personen, besteht darin, dass Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die sich rechtmäßig fünf Jahrelang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben, ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erwerben, das keinen weiteren Bedingungen unterliegt. Dieses Recht ist ein klarer Ausdruck europäischer Bürgerschaft.

- Die Richtlinie bestätigt ausdrücklich das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, die sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhalten, auf die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats.

In diesem Zusammenhang sind zwei Ausnahme vorgesehen: Der Aufnahmemitgliedstaat ist nicht verpflichtet, Studenten und anderen nicht erwerbstätigen Personen während der ersten drei Monate des Aufenthalts einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen in Form von Stipendien oder Studiendarlehen zu gewähren.

- Außerdem schränkt die Richtlinie den Ermessensspielraum für Mitgliedstaaten zur Beendigung des Aufenthaltsrechts von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit oder wegen Nichteinhaltung der Aufenthaltsbedingungen ein. So heißt es ausdrücklich, dass die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen durch einen Unionsbürger oder einen seiner Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat nicht automatisch zu einer Ausweisung führen darf.

Verstärkt wird auch der Schutz vor Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben; die Möglichkeit der Ausweisung von Unionsbürgern, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufenthaltsmitgliedstaat gehabt haben, sowie von Minderjährigen wird auf Fälle eingeschränkt, die auf zwingenden Gründen der öffentlichen Ordnung beruhen.

Die bestehenden Verfahrensgarantien bei Ausweisung werden verbessert und auf Fälle ausgedehnt, in denen die Ausweisung wegen Nichteinhaltung der Aufenthaltsbedingungen erfolgt.

Um sicherzustellen, dass die Unionsbürger angemessen über ihre Rechte informiert werden, sind die Mitgliedstaaten gehalten, die Bürger über die aus der Richtlinie erwachsenden Rechte insbesondere durch Sensibilisierungskampagnen zu unterrichten. Zum selben Zweck hat die Kommission auf ihrer Webseite die einschlägigen Rechtsvorschriften zusammengestellt, einschließlich eines Vergleichs zwischen dem bestehenden Acquis und der Richtlinie.[5]

Um die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten zu überwachen und sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen, hat die Kommission zwei Sitzungen mit einzelstaatlichen Sachverständigen anberaumt, die im Juni 2005 und im Januar 2006 stattfanden.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Fünfzehn Jahre nach Annahme der Richtlinien über das Aufenthaltsrecht nichterwerbstätiger Unionsbürger ist die Anwendung zum Ende des Bezugszeitraums grundsätzlich zufrieden stellend, wie die sinkende Zahl von Verstößen zeigt. Allerdings laufen gegen die Umsetzungsmaßnahmen von sechs Mitgliedstaaten immer noch Verfahren wegen nichtkorrekter Anwendung, was hauptsächlich auf eine restriktive Auslegung der Richtlinien zurückzuführen ist. Während des Bezugszeitraums gingen bei der Kommission auch Beschwerden ein, die häufig vor Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens geregelt werden konnten.

Systeme wie das SOLVIT-Netz[6], EUROPE DIRECT[7] und der Wegweiserdienst für die Bürger[8] fungieren weiterhin als äußerst nützliche Instrumente, die den Bürgern in Fällen behilflich sind, die eine rasche Lösung erfordern, was bei Vertragsverletzungsverfahren nicht möglich ist, und bei denen nützliche Informationen abgerufen werden können.

Die neue Richtlinie 2004/38 verbessert den geltenden Rechtsrahmen und liefert in verschiedener Hinsicht eine Lösung für zahlreiche spezifische Probleme, die bei der Anwendung der drei Richtlinien auftreten: sie bildet ein einheitliches, vereinfachtes Rechtsinstrument für das fundamentale Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht, das sichtbarste Recht, das mit der Unionsbürgerschaft verbunden ist; die Richtlinie erleichtert die Ausübung des Aufenthaltsrechts, indem Verwaltungsformalitäten und damit verbundene Kosten verringert und nach einem Aufenthalt von fünf Jahren im Aufnahmemitgliedstaat ein Daueraufenthaltsrecht eingeführt wird, das nicht nur an keine Bedingungen geknüpft ist, sondern auch die volle Gleichbehandlung nichterwerbstätiger Unionsbürger mit Inländern sichert. Des Weiteren wird der Ermessensspielraum für die Ausweisung von Unionsbürgern und ihrer Familienangehörigen eingeschränkt. Schließlich werden die Urteile des Gerichtshofs und die Einbeziehung der darin enthaltenen Klarstellungen in die Richtlinie dazu beitragen, künftige Verstöße zu vermeiden.

Die Kommission wird die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Richtlinie aufmerksam verfolgen und genau darauf achten, dass sie ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt wird.

[1] ABl. L 180 vom 13.7.1990, S. 26

[2] ABl. L 180 vom 13.7.1990, S. 28

[3] ABl. L 317 vom 18.12.1993, S. 59

[4] Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EG (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77)

[5] http://europa.eu.int/comm/justice_home/doc_centre/citizenship/movement/doc/free_movement_281004_en.pdf

[6] http://europa.eu.int/comm./internal_market/solvit.

[7] http://europa.eu.int/europedirect/index_en.htm. Kostenfreie Nummer 00 800 67 89 10 11.

[8] http://europa.eu.int/citizensrights/signpost/front_end/index_en.htm .