52004XC0427(07)

Bekanntmachung der Kommission — Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Text von Bedeutung für den EWR)

Amtsblatt Nr. C 101 vom 27/04/2004 S. 0097 - 0118


Bekanntmachung der Kommission

Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag

(2004/C 101/08)

(Text von Bedeutung für den EWR)

1. EINLEITUNG

1. Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag enthält eine Ausnahmeregel, die es Unternehmen bei einem festgestellten Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag erlaubt sich zu rechtfertigen. Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 81 Absatz 1(1), die die Voraussetzungen des Artikels 81 Absatz 3 erfuellen, sind wirksam und durchsetzbar, ohne dass dies einer vorherigen Entscheidung bedarf.

2. Artikel 81 Absatz 3 kann auf Einzelfälle oder, im Wege einer Gruppenfreistellungsverordnung, auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen angewendet werden. Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln(2) (nachfolgend Verordnung (EG) Nr. 1/2003) berührt nicht die Wirksamkeit und Rechtsnatur von Gruppenfreistellungsverordnungen. Alle bestehenden Gruppenfreistellungsverordnungen behalten ihre Gültigkeit, und durch eine Gruppenfreistellungsverordnung erfasste Vereinbarungen sind wirksam und durchsetzbar, selbst wenn sie den Wettbewerb im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 beschränken(3). Diese Vereinbarungen können nur für die Zukunft und nur nach förmlichem Entzug der Gruppenfreistellung durch die Kommission oder eine nationale Wettbewerbsbehörde untersagt werden(4). Von Gruppenfreistellungsverordnung erfasste Vereinbarungen können nicht durch nationale Gerichte in zivilrechtlichen Verfahren für nichtig erklärt werden.

3. Die bestehenden Leitlinien für vertikale Beschränkungen, Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit und Vereinbarungen über den Technologietransfer(5) befassen sich mit der Anwendung von Artikel 81 auf verschiedene Arten von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen. Ziel dieser Leitlinien ist es, die Auffassung der Kommission zu den sachlichen Bewertungskriterien darzulegen, die auf die verschiedenen Arten von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen angewandt werden.

4. Die vorliegenden Leitlinien erläutern, wie die Kommission die in Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag enthaltenen Voraussetzungen auslegt. Die Kommission gibt hierdurch eine Anleitung, wie sie Artikel 81 in Einzelfällen anzuwenden gedenkt. Sie sollen auch den Gerichten und Behörden der Mitgliedstaaten Anleitung bei der Anwendung von Artikel 81 Absätze 1 und 3 EG-Vertrag geben, binden diese aber nicht.

5. Die Leitlinien schaffen ein analytisches Gerüst für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3. Sie verfolgen den Zweck, eine Methodik zur Anwendung die Vertragsvorschrift zu schaffen. Die Methodik beruht auf dem ökonomischen Ansatz, der bereits in den Leitlinien über vertikale Beschränkungen, Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit und Vereinbarungen über Technologietransfer eingeführt und entwickelt wurde. Die Kommission wird die vorliegenden Leitlinien, die eine detaillierte Anleitung für die Anwendung der vier Voraussetzungen des Artikel 81 Absatz 3 enthält, als die Leitlinien über vertikale Beschränkungen, Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit und Vereinbarungen über Technologietransfer, auch für die von diesen Leitlinien erfassten Vereinbarungen anwenden.

6. Bei der Anwendung der in den vorliegenden Leitlinien niedergelegten Kriterien ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Dies schließt eine mechanische Anwendung aus. Jeder Fall ist nach dem jeweiligen Sachverhalt zu würdigen, und die Leitlinien sind angemessen und flexibel anzuwenden.

7. In Bezug auf eine Vielzahl von Fragen beschreiben die vorliegenden Leitlinien den gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die Kommission beabsichtigt jedoch darüber hinaus, ihre Politik im Hinblick auf Fragen zu erläutern, die noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung waren oder die der Auslegung bedürfen. Die Ansicht der Kommission präjudiziert jedoch nicht die Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz und des Gerichtshofs im Hinblick auf die Auslegung des Artikels 81 Absätze 1 und 3 und die zukünftige Auslegung dieser Vorschriften durch die Gemeinschaftsgerichte.

2. DER ALLGEMEINE RAHMEN VON ARTIKEL 81 EG-VERTRAG

2.1 Die Bestimmungen des EG-Vertrags

8. Artikel 81 Absatz 1 untersagt alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind(6) und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken(7).

9. Als Ausnahme von dieser Regel sieht Artikel 81 Absatz 3 vor, dass das in Artikel 81 Absatz 1 enthaltene Verbot für nicht anwendbar erklärt werden kann auf Vereinbarungen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmen Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.

10. Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 untersagt Vereinbarungen im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag, die nicht die Voraussetzungen seines Absatzes 3 erfuellen, ohne dass es hierfür einer vorherigen Entscheidung bedarf(8). Gemäß Artikel 1 Absatz 2 der genannten Verordnung sind Vereinbarungen im Sinne von Artikel 81 Absatz 1, die die Voraussetzungen von Absatz 3 erfuellen, nicht verboten, ohne dass es hierfür einer vorherigen Entscheidung bedarf. Solche Vereinbarungen sind wirksam und durchsetzbar, sobald und solange die Voraussetzungen von Absatz 3 erfuellt sind.

11. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung gemäß Artikel 81 erfolgt somit in zwei Stufen: In einem ersten Schritt wird geprüft, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann, einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt oder tatsächliche bzw. potenzielle(9) wettbewerbswidrige Auswirkungen hat. In einem zweiten Schritt, der nur zum Tragen kommt, nachdem festgestellt wurde, dass eine Vereinbarung den Wettbewerb einschränkt, werden die sich aus dieser Vereinbarung ergebenden wettbewerbsfördernden Wirkungen ermittelt, und es wird geprüft, ob diese wettbewerbsfördernden Wirkungen gegebenenfalls die wettbewerbswidrigen Auswirkungen aufwiegen. Diese Abwägung von wettbewerbsfördernden und wettbewerbswidrigen Auswirkungen wird ausschließlich im Rahmen von Artikel 81 Absatz 3 durchgeführt(10).

12. Die Beurteilung der die Wettbewerbsbeschränkung aufwiegenden Wirkungen gemäß Artikel 81 Absatz 3 erfordert notwendigerweise die vorherige Feststellung der wettbewerbsbeschränkenden Natur und Wirkung einer Vereinbarung. Zur Erläuterung des systematischen Zusammenhangs von Artikel 81 Absatz 3 werden nachstehend die Zielsetzung und der wesentliche Inhalt der Verbotsregel des Artikel 81 Absatz 1 zusammengefasst. Die Leitlinien der Kommission über vertikale Beschränkungen, horizontale Kooperationsvereinbarungen und Vereinbarungen über den Technologietransfer(11) geben eine detaillierte Anleitung für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 auf verschiedene Arten von Vereinbarungen. Die vorliegenden Leitlinien beschränken sich deshalb darauf, das analytische Gerüst für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 zu rekapitulieren.

2.2 Das Kartellverbot in Artikel 81 Absatz 1

2.2.1 Allgemeines

13. Artikel 81 soll den Wettbewerb im Markt schützen, um den Wohlstand der Verbraucher zu fördern und eine effiziente Ressourcenallokation zu gewährleisten. Wettbewerb und Marktintegration dienen diesen Zielen, da die Schaffung und Erhaltung eines offenen Binnenmarktes zu einer effizienten Ressourcenallokation in der gesamten Gemeinschaft zum Wohle der Verbraucher fördert.

14. Die Verbotsregel des Artikels 81 Absatz 1 gilt für Vereinbarungen zwischen Unternehmen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sowie für Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, sofern diese geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Gemäß der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte beinhaltet Artikel 81 Absatz 1 den allgemeinen Grundsatz, dass jeder Unternehmer selbständig bestimmen muss, wie er sich auf dem Gemeinsamen Markt zu verhalten gedenkt(12). Deshalb haben die Gemeinschaftsgerichte "Vereinbarungen", "Beschlüsse" und "aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen" als Begriffe des Gemeinschaftsrechts definiert, mittels derer eine Unterscheidung getroffen werden kann zwischen dem einseitigen Verhalten eines Unternehmens und der Abstimmung des Verhaltens oder dem kollusiven Zusammenspiel zwischen Unternehmen(13). Nach europäischem Wettbewerbsrecht unterliegt einseitiges Verhalten nur Artikel 82 EG-Vertrag. Darüber hinaus ist die Konvergenzregel in Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 nicht auf einseitiges Verhalten anwendbar. Diese Bestimmung gilt nur für Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen können. Gemäß Artikel 3 Absatz 2 dürfen derartige Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen, die nicht unter das Verbot von Artikel 81 fallen, nach dem nationalen Recht nicht untersagt werden. Artikel 3 gilt unbeschadet des Grundsatzes vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts, wonach Vereinbarungen und missbräuchliche Praktiken, die gemäß Artikel 81 und Artikel 82 untersagt sind, nicht nach nationalem Recht genehmigt werden dürfen(14).

15. In den Anwendungsbereich des Artikel 81 Absatz 1 fällt die Art von abgestimmten Verhaltensweisen oder kollusivem Zusammenspiel zwischen Unternehmen, wenn mindestens ein Unternehmen sich gegenüber einem anderen Unternehmen zu einem bestimmten Marktverhalten verpflichtet, oder wenn infolge von Kontakten zwischen Unternehmen die Ungewissheit über ihr Marktverhalten beseitigt bzw. zumindest erheblich verringert wird(15). Hieraus folgt, dass abgestimmte Verhaltensweisen sowohl die Form von Verpflichtungen annehmen können, die das Marktverhalten von mindestens einer Partei regeln, also auch die Form von Vereinbarungen, welche das Marktverhalten durch die Veränderung der Anreize von mindestens einer Partei beeinflussen. Es ist nicht notwendig, dass die Abstimmung im Interesse aller beteiligten Unternehmen liegt(16). Die Abstimmung von Verhaltensweisen muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann auch stillschweigend stattfinden. Um davon ausgehen zu können, dass eine Vereinbarung durch stillschweigende Zustimmung geschlossen wurde, muss eine - ausdrückliche oder konkludente - Aufforderung an ein anderes Unternehmen vorliegen, ein Ziel gemeinsam zu verfolgen(17). Unter bestimmten Umständen kann eine Vereinbarung der bestehenden Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien entnommen und ihr zugeordnet werden(18). Es reicht jedoch nicht aus, wenn eine Maßnahme eines Unternehmens lediglich im Kontext der bestehenden Geschäftsbeziehung erfolgt(19).

16. Vereinbarungen zwischen Unternehmen fallen unter das Verbot von Artikel 81 Absatz 1, wenn sie geeignet sind, spürbare negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsparameter im Markt wie Preise, Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt und Innovation zu haben. Vereinbarungen können diese Auswirkungen haben, wenn der Wettbewerbsdruck zwischen den Parteien einer Vereinbarung oder zwischen ihnen und Dritten erheblich gemindert wird.

2.2.2 Grundlagen für die Bewertung von Vereinbarungen nach Artikel 81 Absatz 1

17. Ob eine Vereinbarung den Wettbewerb beschränkt, bestimmt sich nach den tatsächlichen Wettbewerbsgegebenheiten, die bestuenden, wenn die Vereinbarung mit ihren vermuteten Beschränkungen nicht praktiziert würde(20). Hierzu müssen die erwarteten Auswirkungen der Vereinbarung auf den markeninternen Wettbewerb (d. h. den Wettbewerb zwischen Anbietern konkurrierender Marken) und den Markenwettbewerb (d. h. den Wettbewerb zwischen den Vertriebshändlern einer Marke) berücksichtigt werden. Artikel 81 Absatz 1 verbietet Beschränkungen sowohl des markeninternen als auch des Markenwettbewerbs(21).

18. Um zu ermitteln, ob eine Vereinbarung oder ihre einzelnen Teile den markeninternen und/oder den Markenwettbewerb beschränken kann, muss erwogen werden, wie und in welchem Maße die Vereinbarung den Wettbewerb im Markt tatsächlich oder wahrscheinlich beeinträchtigt. Die beiden nachstehenden Fragen sind hierzu ein nützlicher Anhaltspunkt. Die erste Frage bezieht sich auf die Auswirkungen der Vereinbarungen auf den markeninternen Wettbewerb, die zweite Frage auf die Auswirkungen der Vereinbarung auf den Markenwettbewerb. Da die Beschränkungen gleichzeitig beide Formen des Wettbewerbs beeinträchtigen können, kann es erforderlich sein, eine Beschränkung im Lichte beider Fragen zu untersuchen, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, ob der Wettbewerb im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 beschränkt wird:

1. Beschränkt die Vereinbarung den tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerb, der ohne sie bestanden hätte? Wenn ja, kann die Vereinbarung von Artikel 81 Absatz 1 erfasst sein. Bei dieser Bewertung muss der Wettbewerb zwischen den Parteien und der von Dritten ausgehende Wettbewerb berücksichtigt werden. Wenn z. B. zwei in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassene Unternehmen vereinbaren, ihre Produkte jeweils nicht in dem Heimatmarkt des anderen Unternehmens zu verkaufen, wird der (potenzielle) Wettbewerb, der vor der Vereinbarung bestand, beschränkt. Ebenso wird der tatsächliche oder potenzielle Wettbewerb, der ohne die Vereinbarung bestehen würde, beschränkt, wenn ein Anbieter seinen Vertriebshändlern die Verpflichtung auferlegt, keine konkurrierenden Produkte zu verkaufen, und durch diese Auflage Dritte vom Markt abgeschottet werden. Um zu ermitteln, ob die Parteien einer Vereinbarung tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber sind, muss das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld berücksichtigt werden. Wenn z. B. wegen der bestehenden finanziellen Risiken und der technischen Fähigkeiten der Parteien es aufgrund objektiver Faktoren unwahrscheinlich ist, dass jede Partei in der Lage wäre, die von der Vereinbarung erfassten Tätigkeiten allein durchzuführen, sind die Parteien nicht als Wettbewerber in Bezug auf diese Tätigkeit anzusehen(22). Es ist Sache der Parteien, entsprechende Nachweise zu unterbreiten.

2. Beschränkt die Vereinbarung einen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerb, der bestanden hätte, wenn es die vertraglichen Beschränkungen nicht gegeben hätte? Wenn ja, kann die Vereinbarung von Artikel 81 Absatz 1 erfasst werden. Wenn z. B. ein Anbieter seine Vertriebshändler am Wettbewerb untereinander hindert, wird der (potenzielle) Wettbewerb, der zwischen den Vertriebshändlern ohne diese Beschränkung bestanden haben könnte, eingeschränkt. Zu diesen Beschränkungen zählen u. a. die Preisbindungen und gebiets- oder kundenbezogene Absatzbeschränkungen zwischen den Vertriebshändlern. Allerdings werden bestimmte Beschränkungen, die für das Bestehen einer Vereinbarung dieser Art oder dieser Beschaffenheit objektiv notwendig sind, in einigen Fällen nicht von Artikel 81 Absatz 1 erfasst(23). Eine solche Ausnahme von der Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 kann jedoch nur auf der Grundlage objektiver, von den Parteien unabhängiger Faktoren erfolgen und nicht anhand der subjektiven Ansichten und besonderen Eigenschaften der Parteien. Die Frage ist nicht, ob die Parteien in ihrer besonderen Lage nicht bereit gewesen wären, eine weniger beschränkende Vereinbarung zu schließen, sondern ob angesichts der Art der Vereinbarung und der Merkmale des Marktes eine weniger beschränkende Vereinbarung von Unternehmen unter ähnlichen Gegebenheiten nicht geschlossen worden wäre. So können z. B. Gebietsbeschränkungen in einer Vereinbarung zwischen einem Anbieter und einem Vertriebshändler für einen bestimmten Zeitraum nicht von Artikel 81 Absatz 1 erfasst werden, wenn die Beschränkungen objektiv erforderlich sind, damit der Vertriebshändler in einen neuen Markt eintreten kann(24). So kann ferner ein sämtlichen Vertriebshändlern auferlegtes Verbot, an bestimmte Gruppen von Endabnehmern zu verkaufen, nicht wettbewerbsbeschränkend sein, wenn diese Beschränkung aus Gründen der Sicherheit oder der Gesundheit angesichts der Gefährlichkeit des Produkts objektiv erforderlich ist. Das Argument, dass der Anbieter ohne die Beschränkung auf die vertikale Integration zurückgegriffen hätte, ist hier nicht ausreichend. Die Entscheidung, eine vertikale Integration vorzunehmen, hängt von einer Vielzahl komplexer ökonomischer teilweise unternehmensinterner Faktoren ab.

19. Bei der Anwendung des im vorstehenden Absatz dargelegten analytischen Gerüsts muss berücksichtigt werden, dass Artikel 81 Absatz 1 zwischen Vereinbarungen unterscheidet, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken, und solchen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bewirken. Eine Vereinbarung oder vertragliche Beschränkung fällt nur unter das Verbot von Artikel 81 Absatz 1, wenn sie eine Beschränkung des Marken- oder des markeninternen Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt.

20. Diese Unterscheidung ist wichtig. Wenn nachgewiesen ist, dass eine Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, müssen die konkreten Auswirkungen der Vereinbarung nicht berücksichtigt werden(25). Somit müssen für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 keine tatsächlichen wettbewerbswidrigen Wirkungen nachgewiesen werden, wenn die Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt. Artikel 81 Absatz 3 hingegen unterscheidet nicht zwischen Vereinbarungen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken und Vereinbarungen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bewirken. Er gilt für sämtliche Vereinbarungen, welche die vier darin genannten Voraussetzungen erfuellen(26).

21. Eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung liegt vor, wenn die Beschränkung ihrem Wesen nach geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken. Hierbei handelt es sich um Beschränkungen, die im Hinblick auf die mit den Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft verfolgten Zielen ein derart großes Potenzial für negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, dass es für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 nicht notwendig ist, deren tatsächliche Auswirkungen im Markt nachzuweisen. Diese Annahme stützt sich auf die Schwere der Beschränkung und auf die bestehenden Erfahrungen, die gezeigt haben, dass diese gezielten Beschränkungen aller Wahrscheinlichkeit nach negative Auswirkungen im Markt haben und die mit den Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft verfolgten Ziele gefährden. Derartige Beschränkungen wie Preisabsprachen und Marktaufteilung führen zu einem Rückgang der Produktion und einem Anstieg der Preise, was eine Fehlallokation der Ressourcen zur Folge hat, weil die von den Verbrauchern nachgefragten Waren und Dienstleistungen nicht produziert bzw. erbracht werden. Sie führen auch zu einem Rückgang des Wohlstands der Verbraucher, weil diese höhere Preise für die betreffenden Waren und Dienstleistungen bezahlen müssen.

22. Für die Beurteilung, ob eine Vereinbarung die Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt, ist eine Reihe von Faktoren maßgeblich. Dazu zählen insbesondere der Inhalt der Vereinbarung und die damit verfolgten Ziele. Es kann auch erforderlich sein, den Zusammenhang zu prüfen, in dem die Vereinbarung angewendet wird (werden soll) und das tatsächliche Verhalten der Parteien im Markt(27). Deshalb kann eine Prüfung des der Vereinbarung zugrunde liegenden Sachverhalts und der besonderen Umstände, unter denen sie wirksam wird, erforderlich werden, bevor man zu dem Schluss gelangt, ob eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt wird. Die Art der Durchführung einer Vereinbarung kann eine bezweckte Beschränkung des Wettbewerbs enthüllen, selbst wenn die Vereinbarung keine ausdrückliche Bestimmung in diesem Sinne enthält. Der Nachweis einer Absicht der Parteien, den Wettbewerb zu beschränken, ist ein relevanter Faktor, jedoch keine notwendige Voraussetzung.

23. Eine nicht erschöpfende Orientierungshilfe zur Ermittlung bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen kann den Gruppenfreistellungsverordnungen, den einschlägigen Leitlinien und den Bekanntmachungen der Kommission entnommen werden. Beschränkungen, die in den Gruppenfreistellungsverordnungen auf einer schwarzen Liste erscheinen oder in Leitlinien oder Bekanntmachungen als Kernbeschränkungen eingestuft sind, werden von der Kommission in der Regel als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen betrachtet. Im Falle horizontaler Vereinbarungen umfassen diese Wettbewerbsbeschränkungen Preisabsprachen, Begrenzungen der Produktionsmengen und die Aufteilung von Märkten oder Kunden(28). Bei den vertikalen Vereinbarungen umfasst die Palette der bezweckten Beschränkungen die Preisbindung der zweiten Hand und die Festsetzung von Mindestpreisen und Beschränkungen, die einen absoluten Gebietsschutz gewähren, einschließlich Beschränkungen beim passiven Verkauf(29).

24. Wenn eine Vereinbarung keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, ist zu prüfen, ob sie eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt. Dabei sind die tatsächlichen wie auch die potenziellen Auswirkungen zu berücksichtigen(30). Mit anderen Worten, wettbewerbswidrige Wirkungen müssen zu erwarten sein. Bei bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen werden wettbewerbswidrige Auswirkungen nicht vermutet. Vereinbarungen, die eine wettbewerbsbeschränkende Auswirkung haben, müssen den gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerb in einem solchen Ausmaß beeinträchtigen können, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen auf Preise, Produktionsmengen, Innovationen oder Vielfalt bzw. Qualität von Waren und Dienstleistungen erwartet werden können(31). Diese negativen Auswirkungen müssen spürbar sein. Das Verbot von Artikel 81 Absatz 1 ist nicht anwendbar, wenn die festgestellten wettbewerbswidrigen Auswirkungen unbedeutend sind(32). Hierin kommt der von der Kommission verfolgte wirtschaftliche Ansatz zum Ausdruck. Das Verbot von Artikel 81 Absatz 1 greift nur, wenn eine gründliche Marktuntersuchung den Schluss nahe legt, dass die Vereinbarung wahrscheinlich wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den Markt hat(33). Die Tatsache, dass die Marktanteile der Parteien die Schwellenwerte der De-minimis-Mitteilung der Kommission übersteigen, ist für diese Feststellung nicht hinreichend(34). Selbst wenn Vereinbarungen von Gruppenfreistellungsverordnungen erfasst werden, können sie unter Umständen unter das Verbot von Artikel 81 Absatz 1 fallen. Wenn eine Vereinbarung wegen der Marktanteile der Parteien nicht mehr gruppenweise freigestellt ist, kann allein hieraus nicht geschlossen werden, dass sie von Artikel 81 Absatz 1 erfasst wird oder die Voraussetzungen von Absatz 3 nicht erfuellt. Die zu erwartenden Wirkungen der Vereinbarungen sind im Einzelnen zu untersuchen.

25. Negative Auswirkungen auf den Wettbewerb im relevanten Markt entstehen häufig, wenn die Parteien einzeln oder gemeinsam ein gewisses Maß an Marktmacht haben oder erlangen und die Vereinbarung zur Begründung, Erhaltung oder Stärkung dieser Marktmacht beiträgt, oder es den Parteien ermöglicht, diese Marktmacht auszunutzen. Marktmacht ist definiert als die Fähigkeit, Preise über einen erheblichen Zeitraum auf einer Höhe oberhalb des freien Marktpreises oder die Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt oder Innovation für einen erheblichen Zeitraum unterhalb des Wettbewerbsniveaus aufrecht zu erhalten. In Märkten mit hohen Fixkosten müssen die Preise erheblich oberhalb der Produktionsgrenzkosten liegen, um eine ausreichende Investitionsrendite zu erzielen. Wenn die Preise oberhalb der Grenzkosten liegen, kann allein hieraus nicht geschlossen werden, dass der Wettbewerb nicht gut funktioniert und dass Unternehmen ihre Marktmacht nutzen, um die Preise oberhalb der Wettbewerbshöhe festzusetzen. Eine Marktmacht im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 läge hingegen vor, wenn der Wettbewerbsdruck unzureichend wäre, um die Preise und die Produktionsmengen auf einem wettbewerblichen Niveau zu halten.

26. Die Begründung, Erhaltung oder Stärkung von Marktmacht kann sich aus einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Vertragsparteien ergeben. Sie kann auch die Folge einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen einer Partei und Dritten sein, weil die Vereinbarung z. B. zum Ausschluss von Wettbewerbern führt oder die Kosten der Wettbewerber erhöht und damit ihre Fähigkeit begrenzt, mit den Vertragspartnern wirksam in den Wettbewerb zu treten. Marktmacht ist eine graduelle Frage. Das Maß an erforderlicher Marktmacht für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 auf Vereinbarungen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs auswirken, liegt unter dem für die Feststellung einer beherrschenden Stellung gemäß Artikel 82 erforderlichen Maß an Marktmacht.

27. Um die Auswirkungen einer Vereinbarung zu untersuchen, ist es in der Regel notwendig, den relevanten Markt zu definieren(35). Normalerweise erfordert dies auch, die Beschaffenheit der Produkte, die Marktstellung der Parteien, der Wettbewerber, der Abnehmer, das Vorhandensein potenzieller Wettbewerber und das Ausmaß von Marktzutrittsschranken zu prüfen und zu bewerten. In einigen Fällen kann es unter Umständen möglich sein, wettbewerbswidrige Auswirkungen unmittelbar durch eine Analyse des Verhaltens der Vertragsparteien im Markt nachzuweisen. Dabei lässt sich z. B. feststellen, dass eine Vereinbarung zu Preiserhöhungen geführt hat. Die Leitlinien für Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit und über vertikale Beschränkungen enthalten ein detailliertes Gerüst für die Analyse der Auswirkungen verschiedener Formen horizontaler und vertikaler Vereinbarungen auf den Wettbewerb gemäß Artikel 81 Absatz 1(36).

2.2.3 Nebenabreden

28. Ziffer 18 enthält ein Gerüst für die Untersuchung der Auswirkungen einer Vereinbarung und ihrer einzelnen Beschränkungen auf den markeninternen und den Markenwettbewerb. Wenn man anhand dieser Grundsätze zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Hauptgegenstand der Vereinbarung den Wettbewerb nicht beschränkt, ist zu ermitteln, ob einzelne in der Vereinbarung enthaltene Beschränkungen ebenfalls mit Artikel 81 Absatz 1 zu vereinbaren sind, weil sie Nebenabreden zum nicht wettbewerbsbeschränkenden Hauptgegenstand der Vereinbarung sind.

29. Im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft umfasst der Begriff der Nebenabreden vermutete Wettbewerbsbeschränkungen, die mit der Durchführung der den Wettbewerb nicht beschränkenden Hauptvereinbarung unmittelbar verbunden, dafür notwendig und angemessen sind(37). Wenn der Hauptgegenstand einer Vereinbarung, z. B. einer Vertriebsvereinbarung oder eines Vertrages zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens (GU), keine Wettbewerbsbeschränkungen bezweckt oder bewirkt, fallen auch Beschränkungen, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Durchführung des Hauptgegenstands stehen und hierfür erforderlich sind, nicht unter Artikel 81 Absatz 1(38). Diese Wettbewerbsbeschränkungen werden als Nebenabreden bezeichnet. Eine Beschränkung ist unmittelbar mit dem Hauptgegenstand der Vereinbarung verbunden, wenn sie dessen Durchführung untergeordnet und untrennbar mit ihm verbunden ist. Das Notwendigkeitserfordernis bedeutet, dass die Beschränkung für die Durchführung der Hauptvereinbarung objektiv erforderlich ist und dazu in einem angemessenen Verhältnis steht. Hieraus folgt, dass die Prüfung der Nebenabreden der in Ziffer 18 Absatz 2 beschriebenen Prüfung ähnelt. Jedoch ist die Prüfung der Nebenabreden nur anwendbar, wenn der Hauptgegenstand der Vereinbarung den Wettbewerb nicht beschränkt(39). Die Prüfung darf sich nicht auf die Ermittlung der Auswirkungen der Vereinbarung auf den markeninternen Wettbewerb beschränken.

30. Die Anwendung des Konzepts der Nebenabreden ist von dem Nachweis gemäß Artikel 81 Absatz 3 zu unterscheiden, der sich auf bestimmte wirtschaftliche Vorteile aufgrund der den Wettbewerb beschränkenden Vereinbarungen bezieht, die gegen die beschränkenden Auswirkungen der Vereinbarungen abzuwägen sind. Die Anwendung des Konzepts der Nebenabreden erfordert keine Abwägung der wettbewerbsfördernden mit den wettbewerbswidrigen Auswirkungen einer Vereinbarung. Eine solche Abwägung ist Artikel 81 Absatz 3 vorbehalten(40).

31. Bei der Beurteilung der Nebenabreden ist lediglich zu ermitteln, ob für die Durchführung der den Wettbewerb nicht beschränkenden Hauptvereinbarung oder -tätigkeit eine bestimmte Beschränkung erforderlich und angemessen ist. Wenn objektive Faktoren darauf schließen lassen, dass ohne die Nebenabrede die nichtbeschränkende Hauptvereinbarung nur schwer oder nicht durchführbar wäre, kann die Beschränkung als für deren Durchführung objektiv notwendig und angemessen angesehen werden(41). Wenn z. B. der Hauptzweck einer Franchisevereinbarung den Wettbewerb nicht beschränkt, dann werden die für eine funktionierende Vertragsanwendung erforderlichen Beschränkungen wie z. B. Auflagen zur Gewährleistung der Einheitlichkeit und des Ansehens des Franchisesystems nicht von Artikel 81 Absatz 1 erfasst(42). Ebenso werden Beschränkungen, die für die Funktionsfähigkeit eines den Wettbewerb nicht beschränkenden Gemeinschaftsunternehmens erforderlich sind, als Nebenabreden angesehen und damit von Artikel 81 Absatz 1 nicht erfasst. So entschied die Kommission z. B. in dem Fall TPS(43), dass die den Parteien auferlegte Verpflichtung, nicht an Unternehmen beteiligt zu sein, die mit der Verteilung und dem Vertrieb von Fernsehsatellitenprogrammen beschäftigt sind, eine Nebenabrede für den Aufbau des GU in der Anfangsphase war. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Beschränkung für einen Zeitraum von drei Jahren nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 81 Absatz 1 fiel. Bei dieser Entscheidung berücksichtigte die Kommission die mit dem Eintritt in den Markt des Bezahlfernsehens verbundenen hohen Investitionen und Risiken.

2.3 Die Ausnahmeregelung in Artikel 81 Absatz 3

32. Die Beurteilung von bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen und Beschränkungen mit wettbewerbswidrigen Auswirkungen gemäß Artikel 81 Absatz 1 ist lediglich ein Aspekt der Untersuchung. Der andere Gesichtspunkt ist die Beurteilung der positiven wirtschaftlichen Auswirkungen von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen gemäß Artikel 81 Absatz 3.

33. Mit den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft soll durch den Schutz des Wettbewerbs der Wohlstand der Verbraucher gefördert und eine effiziente Ressourcenallokation gewährleistet werden. Vereinbarungen, die den Wettbewerb beschränken, können durch ihre Effizienzgewinne gleichwohl wettbewerbsfördernde Wirkungen haben(44). Diese Gewinne können einen Mehrwert schaffen, indem die Produktionskosten gesenkt werden, die Produktqualität verbessert oder ein neues Produkt entwickelt wird. Wenn die wettbewerbsfördernden Wirkungen einer Vereinbarung schwerer wiegen als ihre wettbewerbswidrigen Auswirkungen, ist sie für den Wettbewerb insgesamt förderlich und mit den Zielen der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu vereinbaren. Die Nettowirkung solcher Vereinbarungen dient der Förderung des Wettbewerbsprozesses, nämlich Kunden durch bessere Produkte und niedrigere Preise im Vergleich zu den Wettbewerbern hinzuzugewinnen. Dieses analytische Gerüst findet sich auf Artikel 81 Absätze 1 und 3. In Absatz 3 von Artikel 81 wird ausdrücklich anerkannt, dass beschränkende Vereinbarungen wirtschaftliche Vorteile erzeugen können, die die negativen Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkungen aufwiegen(45).

34. Die Ausnahmeregelung von Artikel 81 Absatz 3 gilt nur, wenn zwei positive und zwei negative Voraussetzungen kumulativ erfuellt sind:

a) Die Vereinbarung muss zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen;

b) die Verbraucher müssen eine angemessene Beteiligung an dem entstehenden Gewinn erhalten;

c) die Beschränkungen müssen für die Verwirklichung dieser Ziele unerlässlich sein, und schließlich

d) darf die Vereinbarung den Parteien nicht die Möglichkeit eröffnen, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.

Sind diese vier Voraussetzungen erfuellt, stärkt die Vereinbarung den Wettbewerb auf dem relevanten Markt, weil es die beteiligten Unternehmen veranlasst, den Verbrauchern billigere oder bessere Produkte anzubieten und damit zugunsten des Verbrauchers die nachteiligen Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkung auszugleichen.

35. Artikel 81 Absatz 3 kann auf einzelne Vereinbarungen oder, durch eine Gruppenfreistellungsverordnung, auf bestimmte Kategorien von Vereinbarungen angewendet werden. Ist eine Vereinbarung durch eine Gruppenfreistellungsverordnung freigestellt, sind die Parteien einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung von ihrer Verpflichtung gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 entbunden nachzuweisen, dass ihre individuelle Vereinbarung sämtliche Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 erfuellt. Sie müssen lediglich beweisen, dass ihre Vereinbarung unter die Gruppenfreistellungsverordnung fällt. Der Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 liegt hierbei die Annahme zugrunde, dass von einer Gruppenfreistellungsverordnung erfasste Vereinbarungen(46) alle vier Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 erfuellen.

36. Wenn im Einzelfall die Vereinbarung von Artikel 81 Absatz 1 erfasst wird und die Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 nicht erfuellt sind, kann der Vorteil der Anwendung der Gruppenfreistellungsverordnung entzogen werden. Gemäß Artikel 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 kann die Kommission den Vorteil einer Gruppenfreistellung entziehen, wenn sie in einem Fall feststellt, dass eine Vereinbarung, für die eine Gruppenfreistellungsverordnung gilt, mit Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag nicht zu vereinbarende Wirkungen hat. Gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 kann auch die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats den Vorteil einer Gruppenfreistellungsverordnung für das Gebiet (oder Teile des Gebiets) dieses Mitgliedstaats entziehen, wenn dieses Gebiet alle Merkmale eines gesonderten räumlichen Marktes aufweist. Im Falle eines Entzugs haben die betreffenden Wettbewerbsbehörden nachzuweisen, dass die Vereinbarung gegen Artikel 81 Absatz 1 verstößt und die Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 nicht erfuellt.

37. Die Gerichte der Mitgliedstaaten sind nicht befugt, den Vorteil von Gruppenfreistellungsverordnungen zu entziehen. Darüber hinaus dürfen sie den Geltungsbereich der Gruppenfreistellungsverordnungen nicht verändern, und diese nicht auf Vereinbarungen anwenden, die nicht unter die Gruppenfreistellungsverordnung fallen(47). Abgesehen von den Gruppenfreistellungsverordnungen haben die Gerichte der Mitgliedstaaten das Recht, Artikel 81 vollständig anzuwenden (vgl. Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003).

3. ANWENDUNG DER VIER VORAUSSETZUNGEN VON ARTIKEL 81 ABSATZ 3

38. Im Folgenden wird jede der vier in Artikel 81 Absatz 3(48) genannten Voraussetzungen untersucht. Diese vier Voraussetzungen müssen gleichzeitig vorliegen(49), weshalb es sich erübrigt, die anderen Voraussetzungen zu prüfen, sobald feststeht, dass eine der Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 nicht erfuellt ist. Im Einzelfall kann es daher geboten sein, die vier Voraussetzungen in einer anderen Reihenfolge zu prüfen.

39. In diesen Leitlinien wird die Reihenfolge der zweiten und der dritten Voraussetzung umgekehrt, um die Frage der Unerlässlichkeit vor der Frage der Weitergabe von Vorteilen an die Verbraucher zu behandeln. Die Untersuchung der Weitergabe der Vorteile erfordert eine Abwägung der negativen und der positiven Auswirkungen einer Vereinbarung auf die Verbraucher. Diese Untersuchung sollte Wirkungen von Wettbewerbsbeschränkungen nicht einbeziehen, die nicht als unerlässlich eingestuft wurden und somit gemäß Artikel 81 verboten sind.

3.1 Allgemeine Grundsätze

40. Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag wird erst anwendbar, wenn eine Vereinbarung zwischen Unternehmen den Wettbewerb im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 beschränkt. Bei Vereinbarungen, die den Wettbewerb nicht beschränken, muss auch nicht ermittelt werden, ob sie Vorteile bewirken.

41. Wird im Einzelfall eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 nachgewiesen, kann sich das betroffene Unternehmen zur Rechtfertigung auf Artikel 81 Absatz 3 berufen. Gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 obliegt die Beweislast den Unternehmen, die den Rechtsvorteil der Ausnahmeregelung von Artikel 81 Absatz 3 beanspruchen. Wenn die Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 nicht erfuellt sind, ist die Vereinbarung gemäß Absatz 2 nichtig. Die automatische Nichtigkeitsfolge gilt jedoch nur für diejenigen Teile der Vereinbarung, die mit Artikel 81 unvereinbar sind und von der Gesamtvereinbarung trennbar sind(50). Wenn nur ein Teil der Vereinbarung nichtig ist, sind nach dem anwendbaren nationalen Recht die Konsequenzen für den übrigen Teil der Vereinbarung zu ziehen(51).

42. Gemäß der ständigen Rechtsprechung müssen alle vier Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 kumulativ erfuellt sein(52), damit die Ausnahmeregelung anwendbar wird. Ist dies nicht der Fall, kann die Ausnahmeregelung von Artikel 81 Absatz 3 nicht angewendet werden(53). Die vier Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 sind abschließend. Wenn sie erfuellt sind, ist die Ausnahmeregelung anwendbar und darf nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Den mit anderen Bestimmungen des EG-Vertrags angestrebten Zielen kann Rechnung getragen werden, sofern sie den vier Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 zugeordnet werden können(54).

43. Die Bewertung der sich aus beschränkenden Vereinbarungen ergebenden Vorteile nach Artikel 81 Absatz 3 erfolgt grundsätzlich innerhalb des relevanten Marktes, auf den sich die Vereinbarung bezieht. Die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verfolgen das Ziel, den Wettbewerb im Markt zu schützen, und können von diesem Ziel nicht gelöst werden. Die Voraussetzung, dass die Verbraucher(55) eine angemessene Beteiligung an dem Gewinn erhalten, bedingt im Allgemeinen, dass die Effizienzgewinne infolge der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung auf einem relevanten Markt die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Vereinbarung auf diesem Markt aufwiegen müssen(56). Negative Auswirkungen für die Verbraucher auf einem räumlich oder sachlich relevanten Markt können normalerweise nicht von den positiven Auswirkungen auf einem anderen, gesonderten räumlichen oder sachlichen Markt aufgewogen und kompensiert werden. Wenn jedoch zwei Märkte miteinander verknüpft sind, können auf verschiedenen Märkten erzielte Effizienzgewinne berücksichtigt werden, sofern im Wesentlichen die gleiche Verbrauchergruppe von der Einschränkung betroffen ist wie die, die von den Effizienzgewinnen profitiert(57). In einigen Fällen sind nur die Verbraucher in nachgeordneten Märkten von der Vereinbarung betroffen, so dass die Auswirkungen der Vereinbarung auf diese Verbraucher zu bewerten sind. Dies ist z. B. bei Bezugsvereinbarungen der Fall(58).

44. Die Bewertung beschränkender Vereinbarungen gemäß Artikel 81 Absatz 3 erfolgt im Rahmen des jeweiligen tatsächlichen Umfelds der Verträge und auf der Grundlage der zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegenden Fakten(59). Wesentliche Änderungen bei den Fakten fließen in die Beurteilung ein. Die Ausnahmeregelung von Artikel 81 Absatz 3 gilt so lange, wie die vier Voraussetzungen erfuellt sind, und findet keine Anwendung mehr, sobald dies nicht mehr der Fall ist(60). Bei der Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 gemäß diesen Grundsätzen müssen die verlorenen Erstinvestitionen (sunk investment) der Parteien berücksichtigt werden, sowie der Zeitraum und die Wettbewerbsbeschränkungen, die erforderlich sind, um eine leistungssteigernde Investition vorzunehmen und ihre Kosten zu amortisieren. Bei der Anwendung von Artikel 81 darf von der ex ante-Natur der Investitionsentscheidung nicht abstrahiert werden. Das Risiko, vor dem die Parteien stehen, und die verlorenen Investitionen (sunk investment), die zur Durchführung der Vereinbarung vorgenommen werden müssen, können somit bewirken, dass die Vereinbarung nicht unter Artikel 81 Absatz 1 fällt bzw. die Voraussetzungen von Absatz 3 für den Zeitraum erfuellt, der erforderlich ist, um die Investitionskosten zu amortisieren.

45. In einigen Fällen ist die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung ein irreversibles Ereignis. Wenn die Vereinbarung einmal durchgeführt ist, kann die Ausgangslage nicht wiederhergestellt werden. In diesen Fällen muss die Bewertung allein anhand des zum Zeitpunkt der Durchführung gegebenen Sachverhalts erfolgen. So kann es z. B. im Falle einer Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung, in deren Rahmen die Parteien übereinkommen, ihre jeweiligen Forschungsarbeiten einzustellen und ihre Kapazitäten zusammenzulegen, technisch und wirtschaftlich unmöglich sein, ein einmal aufgegebenes Projekt wieder aufzunehmen. Die Beurteilung der wettbewerbswidrigen und der wettbewerbsfördernden Auswirkungen einer Vereinbarung, die individuellen Forschungsprojekte einzustellen, muss daher zu dem Zeitpunkt erfolgen, an dem die Umsetzung abgeschlossen wird. Wenn die Vereinbarung zu diesem Zeitpunkt mit Artikel 81 vereinbar ist, z. B. weil eine ausreichende Anzahl konkurrierender Forschungs- und Entwicklungsvorhaben von Dritten betrieben wird, bleibt die Übereinkunft der Parteien, ihre eigenen Projekte aufzugeben, mit Artikel 81 vereinbar, selbst wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Drittprojekte nicht erfolgreich sind. Artikel 81 kann jedoch auf andere Teile der Vereinbarung anwendbar sein, für die sich die Frage der Irreversibilität nicht stellt. Wenn eine Vereinbarung z. B. neben der gemeinsamen Forschung und Entwicklung auch die gemeinsame Verwertung umfasst, kann Artikel 81 auf diesen Teil der Vereinbarung anwendbar sein, sofern sie aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Marktentwicklungen wettbewerbsbeschränkend wird und die Voraussetzungen von Absatz 3 nicht (mehr) erfuellt, wobei gemäß Ziffer 44 die verlorenen ex ante-Inventionen (sunk investment) angemessen zu berücksichtigen sind.

46. Artikel 81 Absatz 3 schließt nicht a priori bestimmte Arten von Vereinbarungen aus seinem Anwendungsbereich aus. Grundsätzlich fallen alle beschränkenden Vereinbarungen, die die vier in Absatz 3 genannten Voraussetzungen erfuellen, unter die Ausnahmeregelung(61). Jedoch ist es bei schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen unwahrscheinlich, dass die Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 zu erfuellen sind. Solche Einschränkungen erscheinen normalerweise auf der schwarzen Liste von Gruppenfreistellungsverordnungen oder werden in den Leitlinien und Bekanntmachungen der Kommission als Kernbeschränkungen eingestuft. Vereinbarungen dieser Art erfuellen in der Regel (mindestens) die ersten beiden Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 nicht. Sie schaffen weder objektive wirtschaftliche Vorteile(62), noch bringen sie den Verbrauchern Vorteile(63). Beispielsweise begrenzt eine horizontale Vereinbarung zur Festlegung der Preise die Produktion und führt zu einer Fehlleitung von Ressourcen. Außerdem führt sie zu Transferzahlungen von den Verbrauchern zu den Produzenten, denn die Vereinbarung verursacht höhere Preise, ohne für die Verbraucher auf dem relevanten Markt einen entsprechenden Gegenwert zu erzeugen. Darüber hinaus scheitern diese Arten von Vereinbarungen in der Regel auch an der Prüfung der Unerlässlichkeit, die in der dritten Voraussetzung niedergelegt ist(64).

47. Behauptungen, dass beschränkende Vereinbarungen gerechtfertigt seien, da sie darauf abzielen, gerechte Wettbewerbsbedingungen im Markt zu gewährleisten, sind ihrem Wesen nach unbegründet und zurückzuweisen(65). Mit Artikel 81 soll der Wettbewerb gewahrt werden, indem sichergestellt wird, dass die Märkte offen und wettbewerblich geprägt bleiben. Die Wahrung gerechter Wettbewerbsbedingungen durch die Einhaltung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ist Sache des Gesetzgebers(66), eine Eigenregulierung durch die Unternehmen ist nicht vorgesehen.

3.2 Erste Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3: Effizienzgewinne

3.2.1 Allgemeine Bemerkungen

48. Gemäß der ersten Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 muss die beschränkende Vereinbarung zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung und zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen. Die Bestimmung bezieht sich ausdrücklich nur auf Waren, gilt jedoch analog auch für Dienstleistungen.

49. Gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes können lediglich objektive Vorteile Berücksichtigung finden(67). Dies bedeutet, dass die Effizienzgewinne nicht vom subjektiven Standpunkt der Parteien aus beurteilt werden dürfen(68). Kosteneinsparungen infolge der bloßen Ausübung von Marktmacht der Parteien können keine Berücksichtigung finden. Wenn Unternehmen z. B. Preise absprechen oder Märkte aufteilen, verringern sie die Produktion und damit die Produktionskosten. Ein eingeschränkter Wettbewerb kann auch zu niedrigeren Ausgaben im Bereich von Verkauf und Marketing führen. Solche Kostensenkungen sind eine unmittelbare Folge des Rückgangs von Produktionsmenge und dessen Werts. Sie haben im Markt keinerlei wettbewerbsfördernden Wirkungen. Insbesondere führen sie nicht zur Wertschöpfung durch die Integration von Vermögenswerten und Unternehmenstätigkeiten. Sie ermöglichen es den beteiligten Unternehmen lediglich, ihre Gewinne zu steigern, und sind daher für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 unerheblich.

50. Zweck der ersten Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 ist die Festlegung der Arten von Effizienzgewinnen, die berücksichtigt werden können und den Anforderungen der zweiten und der dritten Voraussetzung dieses Artikels unterworfen werden können. Es sollen die durch die Vereinbarung geschaffenen objektiven Vorteile und die wirtschaftliche Bedeutung der Effizienzgewinne ermittelt werden. Da für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 die wettbewerbsfördernden Wirkungen einer Vereinbarung die wettbewerbswidrigen Wirkungen aufwiegen müssen, muss die Verknüpfung zwischen der Vereinbarung und den behaupteten Effizienzgewinnen sowie deren Wert überprüft werden.

51. Sämtliche geltend gemachten Effizienzgewinne müssen daher substantiiert werden, um Folgendes nachprüfen zu können:

a) die Art der geltend gemachten Effizienzgewinne;

b) die Verknüpfung zwischen der Vereinbarung und den Effizienzgewinnen;

c) die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß jedes geltend gemachten Effizienzgewinns;

d) wie und wann jeder geltend gemachte Effizienzgewinn erreicht wird.

52. Gemäß Buchstabe a) ist zu überprüfen, ob die geltend gemachten Effizienzgewinne objektiver Art sind (siehe Ziffer 49).

53. Gemäß Buchstabe b) ist zu überprüfen, ob es einen hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung und den behaupteten Effizienzgewinnen gibt. Dies setzt in der Regel voraus, dass sich die Effizienzgewinne aus der Wirtschaftstätigkeit ergeben, die Gegenstand der Vereinbarung ist. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich z. B. um den Vertrieb, die Lizenzierung bestimmter Technologien, die gemeinsame Produktion oder gemeinsame Forschung und Entwicklung. Soweit eine Vereinbarung über die Vertragsparteien hinaus zu Effizienzgewinnen innerhalb des relevanten Marktes führt, weil sie z. B. eine Senkung der Kosten des betreffenden Wirtschaftszweiges bewirkt, werden diese zusätzlichen Vorteile ebenfalls berücksichtigt.

54. Bei dem Kausalzusammenhang zwischen der Vereinbarung und den behaupteten Effizienzgewinnen muss es sich in der Regel um einen direkten Zusammenhang handeln(69). Wenn hierzu indirekte Wirkungen geltend gemacht werden, sind diese in der Regel zu ungewiss und zu fern liegend, um berücksichtigt werden zu können. Ein direkter Kausalzusammenhang besteht z. B., wenn eine Vereinbarung über den Technologietransfer den Lizenznehmer in die Lage versetzt, neue oder verbesserte Produkte herzustellen, oder eine Vertriebsvereinbarung zu niedrigeren Vertriebskosten oder zur Erbringung einer wertvollen Dienstleistung führt. Eine indirekte Wirkung würde dann vorliegen, wenn ein Unternehmen geltend macht, dass eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung es in die Lage versetzt, seine Gewinne zu erhöhen, und dadurch mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren, was letztendlich dem Verbraucher dient. Der Zusammenhang zwischen Rentabilität und Forschung und Entwicklung ist jedoch in der Regel nicht hinreichend direkt, um ihn für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 heranziehen zu können.

55. Gemäß den Buchstaben c) und d) ist der Wert der behaupteten Effizienzgewinne zu ermitteln, die bei der Anwendung der dritten Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 die wettbewerbswidrigen Wirkungen der Vereinbarung aufwiegen müssen (siehe Ziffer 101). Da Artikel 81 Absatz 1 nur auf Vereinbarungen anwendbar ist, die nachteilige Wirkungen auf den Wettbewerb und die Verbraucher haben (bei Kernbeschränkungen ist von solchen Wirkungen auszugehen), müssen Effizienzgewinne substantiiert werden, damit sie überprüft werden können. Unsubstantiierte Behauptungen werden zurückgewiesen.

56. Wenn Kosteneinsparungen geltend gemacht werden, muss zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 der Wert der Einsparungen so genau wie möglich berechnet oder geschätzt und eingehend beschrieben werden, wie der Betrag berechnet wurde. Ferner ist anzugeben, nach welchen Verfahren die Effizienzgewinne erzielt wurden oder erzielt werden sollen. Die vorgelegten Daten müssen nachprüfbar sein, damit in hinreichendem Maße gewährleistet ist, dass die Effizienzgewinne tatsächlich erzielt wurden oder wahrscheinlich erzielt werden.

57. Werden Effizienzgewinne in Form neuer oder verbesserter Produkte oder auf einer anderen Grundlage als der Kosten geltend gemacht, müssen die Unternehmen, die sich auf Artikel 81 Absatz 3 berufen, die Art der Effizienzgewinne beschreiben und eingehend erläutern, wie und warum diese Effizienzgewinne einen objektiven wirtschaftlichen Vorteil darstellen.

58. Im Falle von Vereinbarungen, die noch nicht vollständig umgesetzt sind, müssen die Parteien substantiieren, ab welchem Datum sie Effizienzgewinne erwarten, die spürbare positive Auswirkungen auf den Markt haben.

3.2.2 Die verschiedenen Arten von Effizienzgewinnen

59. Die in Artikel 81 Absatz 3 aufgezählten Arten von Effizienzgewinnen sind umfassende Kategorien, mit denen alle objektiven wirtschaftlichen Effizienzgewinne erfasst werden sollen, die sich erheblich überschneiden. Da eine Vereinbarung verschiedene Arten von Effizienzgewinnen bewirken kann, ist es nicht zweckdienlich, eindeutige Unterscheidungen zwischen den verschiedenen Kategorien zu treffen. In diesen Leitlinien wird eine Unterscheidung zwischen Kosteneinsparungen und qualitativen Effizienzgewinnen getroffen, die einen Mehrwert in Form neuer oder verbesserter Produkte, größerer Produktvielfalt usw. erbringen.

60. Im Allgemeinen werden Effizienzgewinne durch eine Integration der wirtschaftlichen Tätigkeiten erzielt, indem Unternehmen ihre Vermögenswerte zusammenlegen, um zu erreichen, was sie alleine nicht ebenso effizient verwirklichen könnten, oder indem sie einem anderen Unternehmen Aufgaben übertragen, die von diesem effizienter erbracht werden kann.

61. Forschung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb kann als eine Wertschöpfungskette angesehen werden, die in mehrere Stufen unterteilt werden kann. Auf jeder Stufe dieser Kette muss ein Unternehmen entscheiden, ob es die Tätigkeiten selbst oder in Zusammenarbeit mit einem oder mehreren anderen Unternehmen durchführt bzw. die Tätigkeit vollständig ausgliedert und einem oder mehreren anderen Unternehmen überträgt.

62. Wenn die getroffene Entscheidung die Zusammenarbeit im Markt mit einem anderen Unternehmen bedeutet, muss in der Regel eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 geschlossen werden. Hierbei kann es sich um vertikale Vereinbarungen handeln, wie dies bei Parteien der Fall ist, die auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette tätig sind, oder um horizontale Vereinbarungen, die von Unternehmen getroffen werden, die auf derselben Stufe der Wertschöpfungskette tätig sind. Beide Arten von Vereinbarungen können zu einem Effizienzgewinn führen, indem sie es den beteiligten Unternehmen ermöglichen, eine bestimmte Leistung zu niedrigeren Kosten oder mit einem höheren Mehrwert für die Verbraucher zu erbringen. Solche Vereinbarungen können jedoch auch Wettbewerbsbeschränkungen enthalten oder zu solchen führen; in diesem Fall können die Verbotsregeln von Artikel 81 Absatz 1 und die Ausnahmeregelung von Artikel 81 Absatz 3 zum Tragen kommen.

63. Die nachfolgenden Arten von Effizienzgewinnen sind lediglich Beispiele und keine erschöpfende Aufzählung.

3.2.2.1 Kosteneinsparungen

64. Kosteneinsparungen, die sich aus Vereinbarungen zwischen Unternehmen ergeben, können verschiedenen Quellen entstammen. Eine sehr wichtige Quelle von Kosteneinsparungen ist die Entwicklung neuer Produktionstechniken und -verfahren. Allgemein sind es Technologiesprünge, die das größte Einsparungspotenzial haben. So führte z. B. die Einführung des Fließbandes zu einer erheblichen Kostensenkung bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen.

65. Eine weitere wichtige Quelle für Effizienzgewinne sind Synergieeffekte infolge der Zusammenlegung bestehender Vermögenswerte. Wenn die Vertragspartner ihre jeweiligen Vermögenswerte zusammenlegen, kann es ihnen gelingen, eine Kosten-/Produktionsstruktur zu verwirklichen, die andernfalls nicht erzielbar wäre. Die Verbindung zweier sich ergänzender Technologien kann zu einer Senkung der Produktionskosten oder zur Herstellung eines qualitativ höherwertigen Produkts führen. Es ist z. B. möglich, dass das Unternehmen A mit seinen Produktionsanlagen ein hohes Produktionsvolumen pro Stunde erzielt, aber relativ viel Rohstoffe je hergestellter Einheit benötigen, während die Firma B mit ihrem Produktionsbereich einen geringeren Ausstoß pro Stunde erreicht, dabei aber einen niedrigeren Einsatz an Rohstoffen je Produktionseinheit ausweist. Synergien entstehen, wenn durch die Gründung eines Produktions-GU, in das die Produktionsbereiche von A und B zusammengelegt werden, ein hoher (bzw. höherer) Ausstoß je Arbeitsstunde und ein niedriger (bzw. niedrigerer) Einsatz an Rohstoffen für eine Produktionseinheit erzielt werden kann. Ebenso kann die Zusammenlegung der Geschäftsaktivitäten zweier Unternehmen, die jeweils einen anderen Teil der Wertschöpfungskette optimiert haben, zu einer Kostensenkung führen. So kann ein Unternehmen A beispielsweise mit seiner hochautomatisierten Produktionsanlage niedrige Produktionskosten je Einheit erzielen, während die Firma B ein effizientes Auftragsbearbeitungssystem entwickelt hat. Mit diesem System kann die Produktion an die Nachfrage angepasst werden, was termingerechte Auslieferung, einen Abbau des Lageraufwands und eine Senkung der Verwaltungskosten ermöglicht. Die Zusammenlegung der Anlagen von A und B kann zu Kostensenkungen führen.

66. Kosteneinsparungen können sich auch aus Skalenvorteilen (economies of scale) ergeben, d. h. abnehmende Stückkosten bei steigender Produktion. Ein Beispiel: Investitionen in Ausrüstungen und andere Vermögenswerte müssen oftmals in unteilbaren Blöcken vorgenommen werden. Kann ein Unternehmen einen solchen Block nicht in vollem Umfang nutzen, entstehen ihm höhere Durchschnittskosten als bei voller Auslastung. So sind die Kosten für den Betrieb eines Lastkraftwagens praktisch dieselben unabhängig davon, ob dieser nahezu leer, zur Hälfte beladen oder voll beladen fährt. Vereinbarungen, mit denen Unternehmen ihre Betriebslogistik zusammenlegen, können es ihnen ermöglichen, den Ladefaktor zu erhöhen und die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge zu senken. Größere Einheiten können ferner eine bessere Arbeitsteilung ermöglichen, die niedrigere Stückkosten zur Folge hat. Unternehmen können auf allen Stufen der Wertschöpfungskette Größenvorteile erzielen, einschließlich Forschung und Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Marketing. Einsparungen aufgrund von Lernprozessen (learning economies) sind eine ähnliche Kategorie von Effizienzgewinnen. Mit den durch den Einsatz eines bestimmten Produktionsprozesses oder die Erledigung bestimmter Aufgaben gewonnenen Erfahrungen kann der Prozess effizienter gestaltet oder die Aufgabe zügiger erledigt und damit die Produktivität gesteigert werden.

67. Verbundvorteile (economies of scope) sind eine weitere Quelle von Kosteneinsparungen, die sich ergeben, wenn Unternehmen mit den gleichen Einsatzfaktoren unterschiedliche Produkte herstellen. Effizienzgewinne können dabei entstehen, wenn dieselben Komponenten und Anlagen mit demselben Personal zur Herstellung einer Vielzahl von Produkten eingesetzt werden. Ebenso können beim Vertrieb Verbundvorteile entstehen, wenn verschiedene Arten von Waren mit denselben Fahrzeugen befördert werden. So können Verbundvorteile erzielt werden, wenn ein Hersteller von Tiefkühlpizza und ein Hersteller von Tiefkühlgemüse ihre Produkte gemeinsam vertreiben. Beide Produktgruppen müssen in Kühlfahrzeugen befördert werden, und es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass es erhebliche Überschneidungen bei den Kunden gibt. Durch die Zusammenlegung ihrer Aktivitäten können beide Hersteller ihre Vertriebskosten pro Einheit senken.

68. Effizienzgewinne in Form von Kostensenkungen können sich auch aus Vereinbarungen ergeben, die es ermöglichen, die Produktion besser zu planen, teure Lagerhaltung zu verringern und die Kapazitäten besser auszulasten. Effizienzgewinne dieser Art können z. B. durch "just in time"-Bezug erzielt werden, d. h. die Verpflichtung eines Teilelieferanten, seinen Abnehmer fortdauernd gemäß seinem Bedarf zu beliefern, der damit von dem Erfordernis entbunden wird, ein großes Teilelager zu unterhalten, das zu veralten droht. Kosteneinsparungen können ferner durch Vereinbarungen bewirkt werden, die es den Parteien ermöglichen, die Produktion in ihren verschiedenen Werken insgesamt zu rationalisieren.

3.2.2.2 Qualitative Effizienzgewinne

69. Vereinbarungen zwischen Unternehmen können Effizienzgewinne qualitativer Art bewirken, die für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 von Bedeutung sind. In einer Reihe von Fällen besteht das hauptsächliche effizienzsteigernde Potenzial einer Vereinbarung nicht in der Kostensenkung, sondern in der Qualitätsverbesserung und anderen Effizienzgewinnen qualitativer Art. Je nach Fall können derartige Effizienzgewinne deshalb von gleicher oder größerer Bedeutung sein wie Kosteneinsparungen.

70. Technische und technologische Fortentwicklungen sind ein unverzichtbarer und dynamischer Bestandteil des Wirtschaftsgeschehens und erbringen bedeutende Vorteile in Form neuer oder verbesserter Waren und Dienstleistungen. Durch Zusammenarbeit können die Unternehmen möglicherweise Effizienzgewinne erzielen, die andernfalls entweder gar nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung bzw. zu höheren Kosten entstanden wären. Solche Effizienzgewinne sind eine wichtige Quelle für wirtschaftliche Vorteile und fallen unter die erste Voraussetzung von Artikels 81 Absatz 3. Zu den Vereinbarungen, die Effizienzgewinne dieser Art bewirken können, zählen insbesondere Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen. Beispiel: Die Unternehmen A und B gründen ein Gemeinschaftsunternehmen für die Entwicklung und, falls erfolgreich, gemeinsame Herstellung eines Reifens mit verschiedenen Luftkammern. Bei dieser Art Reifen beeinträchtigt ein Loch in einer Kammer nicht die übrigen Reifenkammern, so dass bei einer Panne nicht das Risiko besteht, dass der gesamte Reifen ausfällt. Der Reifen ist somit sicherer als der herkömmliche Reifentyp. Außerdem muss der Reifen bei einer Panne nicht sofort gewechselt werden und somit muss auch kein Ersatzreifen mitgeführt werden. Beide Arten von Effizienzgewinnen sind objektive Vorteile im Sinne der ersten Bedingung von Artikel 81 Absatz 3.

71. Ebenso wie die Zusammenlegung komplementärer Vermögensgüter zu Kosteneinsparungen führen kann, kann sie Synergien bewirken, die zu qualitativen Effizienzgewinnen führen. So kann die Zusammenlegung von Produktionsanlagen zur Herstellung höherwertiger Produkte oder Produkte mit neuen Merkmalen führen. Dies kann z. B. durch Lizenzvereinbarungen und Vereinbarungen über die gemeinsame Produktion neuer oder verbesserter Waren oder Dienstleistungen bewirkt werden. Lizenzvereinbarungen können insbesondere eine schnellere Verbreitung neuer Technologien in der Gemeinschaft bewirken und den Lizenznehmer in die Lage versetzen, neue Produkte bereitzustellen oder neue Produktionstechniken anzuwenden, die zu Qualitätsverbesserungen führen. Vereinbarungen über die gemeinsame Produktion können insbesondere die Markteinführung neuer oder verbesserter Waren oder Dienstleistungen in einer kürzeren Frist oder zu niedrigeren Kosten ermöglichen(70). Im Telekommunikationssektor wurden beispielsweise Kooperationsvereinbarungen als effizienzsteigernd eingestuft, weil so neue weltweite Dienste zügiger angeboten werden konnten(71). Im Bankensektor wurden z. B. Kooperationsvereinbarungen, mit denen verbesserte Einrichtungen für grenzüberschreitende Zahlungen zustande gekommen sind, als effizienzsteigernd im Sinn der ersten Voraussetzung des Artikel 81 Absatz 3 anerkannt(72).

72. Auch Vertriebsvereinbarungen können zu qualitativen Effizienzgewinnen führen. So können spezialisierte Vertriebshändler Dienstleistungen erbringen, die besser auf die Bedürfnisse der Kunden abgestellt sind, die Auslieferung beschleunigen oder eine bessere Qualitätssicherung in der gesamten Vertriebskette anbieten(73).

3.3 Dritte Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3: Unerlässlichkeit der Einschränkungen

73. Gemäß der dritten Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3 dürfen durch die Vereinbarung keine Wettbewerbsbeschränkungen auferlegt werden, die zur Erzielung der Effizienzgewinne durch die Vereinbarung nicht unerlässlich sind. Diese Voraussetzung verlangt eine zweistufige Prüfung. Erstens muss die Vereinbarung insgesamt vernünftigerweise notwendig sein, um die Effizienzgewinne zu erzielen. Zweitens müssen auch die einzelnen, sich aus der Vereinbarung ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen hierfür vernünftigerweise notwendig sein.

74. Bei der dritten Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3 ist der entscheidende Faktor, ob die Vereinbarung und ihre einzelnen Beschränkungen es ermöglichen, die fraglichen Tätigkeiten effizienter durchzuführen, als dies ansonsten wahrscheinlich der Fall wäre. Die Frage ist nicht, ob die Vereinbarung ohne die Wettbewerbsbeschränkung nicht geschlossen worden wäre, sondern vielmehr, ob mehr Effizienzgewinne mit der Vereinbarung oder Beschränkung als ohne sie erzielt werden(74).

75. Die erste Prüfung gemäß der dritten Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3 erfordert, dass sich die Effizienzgewinne nur durch die Vereinbarung erzielen lassen, weil es keine andere wirtschaftlich machbare und weniger wettbewerbsbeschränkende Möglichkeit gibt, die Effizienzgewinne zu erzielen. Bei dieser Beurteilung sind die Marktverhältnisse und die unternehmerischen Gegebenheiten zu berücksichtigen, denen sich die Vertragsparteien der Vereinbarung gegenübersehen. Von den Unternehmen, die sich auf Artikel 81 Absatz 3 berufen, wird nicht verlangt, dass sie hypothetische oder theoretische Alternativen erwägen. Die Kommission wird die wirtschaftliche Beurteilung nicht für die Unternehmen vornehmen. Sie wird nur in solchen Fällen einschreiten, in denen es hinreichend klar ist, dass es realistische und erreichbare Alternativen gibt. Die Parteien müssen lediglich erläutern und belegen, warum realistisch erscheinende und weniger wettbewerbsbeschränkende Alternativen für die Vereinbarung erheblich weniger effizient wären.

76. Es ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls besonders wichtig zu prüfen, ob die Parteien die Effizienzgewinne durch eine weniger wettbewerbsbeschränkende Art von Vereinbarung hätten erzielen können und, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt sie wahrscheinlich die Effizienzvorteile erzielen würden. So kann es notwendig sein zu untersuchen, ob die Parteien die Effizienzgewinne alleine hätten erzielen können. In Fällen, in denen die geltend gemachten Effizienzgewinne durch Kostensenkungen infolge von Skalenvorteilen (economies of scale) oder Verbundvorteilen (economies of scope) erfolgen sollen, müssen die Unternehmen erklären und substantiieren, warum diese Gewinne nicht ebenso gut durch internes Wachstum und Preiswettbewerb verwirklicht werden könnten. Bei dieser Beurteilung ist u. a. zu erwägen, was die effiziente Mindestgröße in dem fraglichen Markt ist. Die effiziente Mindestgröße ist das für die Minimierung der Durchschnittskosten und die vollständige Ausschöpfung der Größenvorteile erforderliche Produktionsvolumen(75). Je größer die effiziente Mindestgröße im Vergleich zu der gegenwärtigen Größe der beiden Vertragsparteien ist, um so wahrscheinlicher ist es, dass die Effizienzgewinne als spezifische Folge der Vereinbarung angesehen werden. Bei Vereinbarungen, die substanzielle Synergieeffekte durch die Verbindung komplementärer Vermögenswerte und Fähigkeiten erbringen, lässt die Art der Effizienzgewinne darauf schließen, dass die Vereinbarung zur Erzielung der Gewinne notwendig ist.

77. Diese Grundsätze lassen sich anhand folgendem Beispiel veranschaulichen:

Die Unternehmen A und B legen in einem Gemeinschaftsunternehmen ihre Produktionstechniken zusammen, um ein größeres Produktionsvolumen bei einem niedrigeren Rohstoffverbrauch zu erzielen. Das GU erhält eine ausschließliche Lizenz für die beiden Produktionstechniken, und die Parteien übertragen ihre bestehenden Anlagen auf das Gemeinschaftsunternehmen gemeinsam mit dem erforderlichen Personal, damit das vorhandene Wissen genutzt und fortentwickelt werden kann. Dadurch sollen die Produktionskosten um zusätzliche 5 % gesenkt werden. Die Produktion wird von A und B unabhängig voneinander abgesetzt. Im Hinblick auf die Voraussetzung der Unerlässlichkeit ist zu ermitteln, ob die Leistungsgewinne auch über eine Lizenzvereinbarung hätten erzielt werden können, die wahrscheinlich den Wettbewerb weniger beschränkt hätte, da A und B ihre Produktion unabhängig voneinander fortgeführt hätten. Unter den beschriebenen Umständen ist dies aber unwahrscheinlich, da die Vertragsparteien mit einer Lizenzvereinbarung nicht auf eine ebenso nahtlose und kontinuierliche Weise ihre jeweiligen Erfahrungen beim Einsatz ihrer beiden Technologien nutzen und diese erheblichen Lernvorteile erschließen könnten.

78. Sobald feststeht, dass die Vereinbarung für die Verwirklichung der Effizienzgewinne notwendig ist, ist die Unerlässlichkeit jeder sich aus der Vereinbarung ergebenden Wettbewerbsbeschränkung zu beurteilen. Dabei ist zu ermitteln, ob die einzelnen Beschränkungen erforderlich sind, um die Effizienzgewinne zu erzielen. Die Vertragsparteien müssen die von ihnen behaupteten Effizienzgewinne hinsichtlich der Art und des Ausmaßes der Beschränkung substantiieren.

79. Eine Wettbewerbsbeschränkung ist unerlässlich, wenn ohne sie die sich aus der Vereinbarung ergebenden Effizienzgewinne beseitigt oder erheblich geschmälert würden oder die Wahrscheinlichkeit zurückgehen würde, dass sich diese Effizienzgewinne realisieren. Bei der Beurteilung alternativer Lösungen ist der tatsächlichen und potenziellen Verbesserung des Wettbewerbs durch die Beseitigung einer bestimmten Beschränkung oder die Wahl einer weniger wettbewerbsbeschränkenden Alternative Rechnung zu tragen. Je ausgeprägter die Wettbewerbsbeschränkungen, um so strenger fällt die Prüfung gemäß der dritten Voraussetzung aus(76). Es ist unwahrscheinlich, dass Beschränkungen, die auf der schwarzen Liste in Gruppenfreistellungsverordnungen erscheinen oder als Kernbeschränkungen in Leitlinien oder Bekanntmachungen der Kommission eingestuft sind, als unerlässlich angesehen werden.

80. Die Beurteilung der Unerlässlichkeit erfolgt im Rahmen des tatsächlichen wirtschaftlichen Umfelds, in dem die Vereinbarung Anwendung findet, wobei insbesondere der Marktstruktur, den mit der Vereinbarung verbundenen wirtschaftlichen Risiken und den Anreizen für die Parteien Rechnung zu tragen ist. Je ungewisser der Erfolg eines Produkts, das Gegenstand der Vereinbarung ist, umso mehr könnte die Wettbewerbsbeschränkung notwendig sein, um zu gewährleisten, dass die Effizienzgewinne erzielt werden. Wettbewerbsbeschränkungen können ferner unerlässlich sein, um die Anreize für die Vertragsparteien anzugleichen und sicherzustellen, dass sie ihre Anstrengungen auf die Durchführung der Vereinbarung konzentrieren. Eine Beschränkung kann z. B. erforderlich sein, um ein mögliches "hold-up" Problem zu verhindern, wenn eine Partei eine größere nicht rückgängig machbare Investition (sunk investment) getätigt hat. Wenn z. B. ein Lieferant eine erhebliche kundenspezifische Investition getätigt hat, um einen Kunden mit einem Betriebsmittel zu beliefern, ist der Lieferant an den Kunden gebunden. Um zu verhindern, dass der Kunde daraufhin diese Abhängigkeit ausnützt, um günstigere Bedingungen zu erlangen, kann es erforderlich werden, die Bedingung aufzuerlegen, die vertragsgegenständlichen Teile nicht von Dritten zu beziehen oder Mindestmengen der Teile beim Lieferanten zu kaufen(77).

81. In manchen Fällen kann eine Wettbewerbsbeschränkung lediglich für einen befristeten Zeitraum unerlässlich sein; in diesem Fall gilt die Ausnahmeregelung von Artikel 81 Absatz 3 lediglich für diesen Zeitraum. Bei dieser Beurteilung ist es notwendig, dem Zeitraum Rechnung zu tragen, den die Parteien benötigen, um die Effizienzgewinne zu erzielen, die eine Anwendung der Ausnahmeregelung rechtfertigen(78). Wenn Effizienzgewinne nicht ohne erhebliche Investitionen erzielt werden können, muss insbesondere der für die Gewährleistung einer angemessenen Kapitalrendite erforderliche Zeitraum berücksichtigt werden, vgl. Ziffer 44.

82. Diese Grundsätze lassen sich an folgenden Beispielen veranschaulichen:

Das Unternehmen P fertigt und vertreibt gefrorene Pizza und hält einen Marktanteil von 15 % im Mitgliedstaat X. Die Produkte werden direkt an den Einzelhandel ausgeliefert. Da die Lagerkapazität der meisten Einzelhändler begrenzt ist, sind relativ häufige Anlieferungen erforderlich, was zu einer niedrigen Kapazitätsauslastung und dem Einsatz relativ kleiner Lieferfahrzeuge führt. Das Unternehmen T ist ein Großhändler für Tiefkühlpizza und andere Tiefkühlerzeugnisse und beliefert im Wesentlichen dieselben Kunden wie das Unternehmen P. Der Marktanteil der von dem Unternehmen T vertriebenen Pizzaerzeugnisse beträgt 30 %. T hat größere Lieferfahrzeuge im Einsatz und überschüssige Lieferkapazitäten. P schließt eine Alleinvertriebsvereinbarung mit T für den Mitgliedstaat X und verpflichtet sich zu gewährleisten, dass die Vertriebshändler in anderen Mitgliedstaaten im Gebiet von T weder aktiv noch passiv verkaufen werden. T verpflichtet sich seinerseits, für die Produkte zu werben, Verbrauchervorlieben und -zufriedenheit zu ermitteln und die Belieferung der Einzelhändler mit sämtlichen Produkten binnen 24 Stunden zu gewährleisten. Die Vereinbarung führt zu einer Senkung der gesamten Vertriebskosten von 30 %, da die Kapazitäten besser ausgelastet werden und Doppelfahrten wegfallen. Die Vereinbarung führt auch zur Erbringung zusätzlicher Leistungen an die Verbraucher. Beschränkungen beim Passivverkauf sind Kernbeschränkungen gemäß der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen(79) und können nur unter außergewöhnlichen Umständen als unerlässlich angesehen werden. Die Marktstellung von T und die Art der ihm auferlegten Verpflichtungen lassen darauf schließen, dass dies kein außergewöhnlicher Fall ist. Das Verbot des aktiven Verkaufs muss hingegen wohl als unerlässlich angesehen werden. T wird weniger Anreize haben, die Marke P zu verkaufen und zu bewerben, wenn die Vertriebshändler in anderen Ländern aktiv im Mitgliedstaat X verkaufen und sich damit die Anstrengungen von T zunutze machen könnten (Trittbrettfahrereffekte). Dies um so mehr, als T ebenfalls Marken der Wettbewerber vertreibt und damit die Möglichkeit hat, die Marken bevorzugt auf den Markt zu bringen, die am wenigsten Nachahmern ausgesetzt sind.

S ist ein Hersteller von Kohlesäurelimonaden mit einem Marktanteil von 40 %; sein nächster Wettbewerber hält einen Anteil von 20 %. S hat Liefervereinbarungen mit Kunden geschlossen, auf die 25 % der Nachfrage entfallen, womit sich die Kunden verpflichten, in einem Zeitraum von 5 Jahren ausschließlich von S zu beziehen. Mit anderen Kunden, auf die 15 % der Nachfrage entfallen, hat S Vereinbarungen geschlossen, mit denen diesen vierteljährliche Zielrabatte eingeräumt werden, wenn ihre Bezüge bestimmte individuell festgesetzte Zielmengen übersteigen. S behauptet, dass ihn die Vereinbarungen in die Lage versetzen, die Nachfrage genauer abzuschätzen und damit die Produktion besser zu planen, wodurch die Lagerung von Rohstoffen und die Kosten für die Lagerhaltung verringert und Lieferengpässe vermieden werden könnten. Angesichts der Marktstellung von S und des gesamten Anwendungsbereichs der Wettbewerbsbeschränkungen wird man kaum von einer Unerlässlichkeit dieser Beschränkungen ausgehen können. Die Alleinbezugsverpflichtung geht über das hinaus, was zur Planung der Produktion erforderlich ist, und das Gleiche gilt für die Zielrabattregelung. Die Vorhersehbarkeit der Nachfrage kann auf weniger einschränkende Weise erzielt werden. Es könnte z. B. Anreize schaffen, damit die Abnehmer große Mengen gleichzeitig bestellen, indem er ihnen Mengenrabatte einräumt oder er einen Rabatt für diejenigen Kunden anbietet, die feste Bestellungen für eine Lieferung zu bestimmten Terminen abgeben.

3.4 Zweite Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3: Angemessene Beteiligung der Verbraucher

3.4.1 Allgemeine Bemerkungen

83. Gemäß der zweiten Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3 müssen die Verbraucher eine angemessene Beteiligung an den durch die beschränkende Vereinbarung entstehenden Effizienzgewinnen erhalten.

84. Der Begriff "Verbraucher" umfasst alle Nutzer der Produkte, auf die sich die Vereinbarung bezieht, einschließlich Produzenten, die die Ware als Vorprodukt benötigen, Großhändler, Einzelhändler und Endkunden, d. h. natürliche Personen, die außerhalb ihrer Geschäfts- oder Berufstätigkeit handeln. Verbraucher im Sinne von Artikel 81 Absatz 3 sind also Kunden der Vertragsparteien und die späteren Käufer der Produkte. Diese Kunden können Unternehmen sein, wie beim Kauf von Maschinen oder Vorleistungen zur Weiterverarbeitung, oder Endkunden, wie z. B. im Fall der Käufer von Speiseeis zum sofortigen Verkehr oder von Fahrrädern.

85. Der Begriff "angemessene Beteiligung" bedeutet, dass die Weitergabe der Vorteile die tatsächlichen oder voraussichtlichen negativen Auswirkungen mindestens ausgleicht, die den Verbrauchern durch die Wettbewerbsbeschränkung gemäß Artikel 81 Absatz 1 entstehen. Gemäß dem allgemeinen Ziel von Artikel 81, wettbewerbswidrige Vereinbarungen zu verhindern, muss die Nettowirkung einer Vereinbarung aus Sicht der von den Vereinbarungen unmittelbar oder wahrscheinlich betroffenen Verbraucher mindestens neutral sein(80). Wenn die Verbraucher nach der Vereinbarung schlechter gestellt sind, ist die zweite Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 nicht erfuellt. Die positiven Auswirkungen einer Vereinbarung müssen durch die negativen Auswirkungen aufgewogen werden und diese Auswirkungen auf die betroffenen Verbraucher ausgleichen(81). In diesem Fall werden die Verbraucher durch die Vereinbarung nicht geschädigt. Darüber hinaus gewinnt die Gesellschaft insgesamt, wenn die Effizienzgewinne bewirken, dass entweder weniger Ressourcen für die Produktion erforderlich sind oder höherwertige Produkte hergestellt werden und damit eine effizientere Ressourcenallokation erfolgt.

86. Es ist nicht erforderlich, dass die Verbraucher an jedem einzelnen Effizienzgewinn gemäß der ersten Voraussetzung beteiligt werden. Es müssen jedoch Vorteile in einem ausreichenden Umfang weitergegeben werden, der die negativen Auswirkungen der beschränkenden Vereinbarung ausgleicht, so dass die Verbraucher eine angemessene Beteiligung am Gesamtgewinn erhalten(82). Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass eine beschränkende Vereinbarung zu höheren Preisen führt, müssen die Verbraucher einen vollwertigen Ausgleich in Form besserer Qualität oder sonstiger Vorteile erhalten. Andernfalls ist die zweite Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 nicht erfuellt.

87. Der entscheidende Faktor ist das Ausmaß der Auswirkungen auf die Käufer der Produkte in dem relevanten Markt und nicht die Auswirkung auf Einzelpersonen innerhalb dieser Verbrauchergruppe(83). In einigen Fällen kann es erforderlich sein, dass ein gewisser Zeitraum verstreicht, bis die Effizienzgewinne erzielt werden. Bis dahin ist es möglich, dass die Vereinbarung ausschließlich negative Wirkungen hat. Die Tatsache, dass die Weitergabe von Vorteilen an den Verbraucher mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung erfolgt, schließt die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 nicht aus. Je länger jedoch die zeitliche Verzögerung ist, umso größer müssen die Effizienzgewinne sein, damit die Verbraucher auch für den Verlust während des Zeitraums vor der Weitergabe der Vorteile entschädigt werden.

88. Bei dieser Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass der Wert eines zukünftigen Gewinns für die Verbraucher nicht dem Wert eines gegenwärtigen Gewinns gleichsteht. Wer 100 EUR heute spart, erhält einen höheren Wert als derjenige, der das Geld ein Jahr später spart. Ein zukünftiger Gewinn für die Verbraucher gleicht deshalb einen gegenwärtigen Verlust für die Verbraucher in gleicher Höhe nicht voll aus. Um einen gegenwärtigen Verlust einem zukünftigen Gewinn gegenüberzustellen, muss der Wert der zukünftigen Gewinne diskontiert werden. Dabei muss der Diskontsatz der Inflation und den entgangenen Zinsen als Messgrößen für den niedrigeren Wert der zukünftigen Gewinne entsprechen.

89. In anderen Fällen kann die Vereinbarung die Parteien in die Lage versetzen, die Effizienzgewinne früher zu erzielen, als es andernfalls möglich gewesen wäre. Unter solchen Bedingungen sind die voraussichtlichen negativen Auswirkungen auf die Verbraucher im relevanten Markt zu ermitteln, nachdem dieser Zeitgewinn verstrichen ist. Wenn die Vertragsparteien durch die Vereinbarung eine starke Marktstellung erlangen, sind sie unter Umständen in der Lage, einen erheblich höheren Preis durchzusetzen als dies andernfalls möglich wäre. Damit die zweite Bedingung von Artikel 81 Absatz 3 erfuellt ist, muss der Vorteil für die Verbraucher in Form des früheren Zugangs zu den Produkten ebenso erheblich sein. Dies kann z. B. gegeben sein, wenn eine Vereinbarung zwei Reifenhersteller in die Lage versetzt, einen neuen, wesentlich sichereren Reifen drei Jahre früher auf den Markt zu bringen, wobei sich jedoch ihre Marktmacht erhöht und sie die Preise um 5 % erhöhen können. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass der frühere Zugang zu einem wesentlich verbesserten Produkt schwerer wiegt als die Preiserhöhung.

90. Die zweite Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3 enthält eine variable Skala. Je größer die nach Artikel 81 Absatz 1 festgestellte Wettbewerbsbeschränkung, umso bedeutender müssen die Effizienzgewinne und deren Weitergabe an die Verbraucher sein. Dieses abgestufte Konzept beinhaltet, dass es bei relativ begrenzten wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen einer Vereinbarung und erheblichen Effizienzgewinnen wahrscheinlich ist, dass ein angemessener Anteil der Kosteneinsparungen an die Verbraucher weitergegeben wird. In solchen Fällen ist es daher für gewöhnlich nicht erforderlich, eine vertiefte Analyse der zweiten Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 durchzuführen, sofern die anderen drei Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift erfuellt sind.

91. Wenn jedoch die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen der Vereinbarung erheblich und die Kosteneinsparungen relativ unbedeutend sind, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die zweite Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3 erfuellt wird. Die Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkung hängen von dem Ausmaß der Einschränkung und dem nach Abschluss der Vereinbarung verbleibenden Grad an Wettbewerb ab.

92. Hat eine Vereinbarung sowohl erhebliche wettbewerbswidrige als auch erhebliche wettbewerbsfördernde Auswirkungen, ist eine sorgfältige Untersuchung erforderlich. Bei der Abwägungsprüfung ist in solchen Fällen zu berücksichtigen, dass der Wettbewerb langfristig ein wichtiger Motor für die Verwirklichung von Effizienzsteigerungen und Innovationen ist. Beherrschende Unternehmen, die keinem wirksamen Wettbewerbsdruck unterliegen, haben z. B. weniger Anreiz, Effizienzgewinne zu sichern oder auszubauen. Je umfangreicher die Auswirkungen der Vereinbarungen auf den Wettbewerb sind, umso wahrscheinlicher werden die Verbraucher langfristig Nachteile davontragen.

93. In den beiden folgenden Abschnitten wird der analytische Rahmen für die Beurteilung der Weitergabe von Effizienzgewinnen eingehender beschrieben. Im ersten Abschnitt werden die Kosteneinsparungen behandelt, der zweite Abschnitt befasst sich mit anderen Arten von Effizienzgewinnen wie z. B. neuen oder verbesserten Produkten (qualitative Effizienzgewinne). Der Rahmen, der in diesen beiden Abschnitten gesteckt wird, ist vor allem für Fälle von Bedeutung, in denen nicht unmittelbar erkennbar ist, ob die Wettbewerbsnachteile für die Verbraucher schwerer wiegen als die Vorteile oder umgekehrt(84).

94. Bei der Anwendung der nachstehenden Grundsätze berücksichtigt die Kommission, dass es in vielen Fällen schwierig ist, den Anteil der Weitergabe von Vorteilen an die Verbraucher und andere Formen der Beteiligung der Verbraucher genau zu berechnen. Die Unternehmen müssen aber ihre Behauptungen substantiieren, indem sie verfügbare Angaben und Schätzungen vorlegen, die den Gegebenheiten ihres Falles Rechnung tragen

3.4.2 Weitergabe und Ausgleich von Kosteneinsparungen

95. Wenn wie gewöhnlich in den Märkten kein vollständiger Wettbewerb herrscht, können die Unternehmen durch eine Änderung des Produktionsvolumens den Marktpreis in stärkerem oder geringerem Maße beeinflussen(85). Sie sind unter Umständen auch in der Lage, von den Kunden unterschiedliche Preise zu verlangen.

96. Kosteneinsparungen können unter bestimmten Umständen zu einer Steigerung der Produktion und niedrigeren Preisen für die Verbraucher führen. Wenn ein Unternehmen aufgrund von Kosteneinsparungen und der Ausweitung der Produktion seinen Gewinn steigern kann, kann es durchaus zu einer Weitergabe der Vorteile an die Verbraucher kommen. Bei der Beurteilung des Ausmaßes, in dem diese Kosteneinsparungen voraussichtlich an die Verbraucher weitergegeben werden, und des Ergebnisses der für Artikel 81 Absatz 3 erforderlichen Abwägung werden insbesondere die folgenden Faktoren berücksichtigt:

a) Merkmale und Struktur des Marktes,

b) Art und Ausmaß der Effizienzgewinne,

c) Elastizität der Nachfrage und

d) Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung.

In der Regel müssen alle Faktoren berücksichtigt werden. Da Artikel 81 Absatz 3 lediglich Anwendung findet, wenn der Wettbewerb spürbar eingeschränkt wird (vgl. Ziffer 24), kann nicht davon ausgegangen werden, dass der noch verbleibende Wettbewerb bewirkt, dass die Verbraucher eine angemessene Beteiligung am Vorteil erhalten.

Jedoch hat das Ausmaß des verbleibenden Wettbewerbs im Markt und die Art des Wettbewerbs Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit der angemessenen Beteiligung.

97. Das Ausmaß und die Art des verbleibenden Wettbewerbs beeinflussen die Wahrscheinlichkeit der Weitergabe von Vorteilen. Je größer das verbleibende Ausmaß des Wettbewerbs, umso wahrscheinlicher ist es, dass die einzelnen Unternehmen versuchen werden, ihre Umsätze zu steigern, indem sie ihre Kosteneinsparungen weitergeben. Wenn Unternehmen hauptsächlich über den Preis konkurrieren und keinen spürbaren Kapazitätsbeschränkungen unterliegen, kann die Weitergabe von Vorteilen relativ zügig erfolgen. Findet der Wettbewerb hauptsächlich über die Kapazitäten statt und erfolgen die Kapazitätsanpassungen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, wird die Weitergabe von Vorteilen längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Weitergabe ist wahrscheinlich auch langsamer, wenn die Marktstruktur stillschweigende Kollusionen begünstigt(86). Wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass Wettbewerber auf eine Produktionssteigerung einer oder mehrerer Vertragsparteien der Vereinbarung mit einer Vergeltungsmaßnahme reagieren, kann der Anreiz zur Erhöhung der Produktion zurückgehen, es sei denn, der Wettbewerbsvorteil infolge der Effizienzgewinne stellt für die Unternehmen einen Anreiz dar, von der gemeinsam beschlossenen Marktpolitik der Mitglieder des Oligopols abzuweichen. Mit anderen Worten, die Effizienzgewinne infolge der Vereinbarung können die betreffenden Unternehmen zu "Einzelgängern" (mavericks) machen(87).

98. Die Art der Effizienzgewinne spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Theoretisch betrachtet erhöhen die Unternehmen ihre Gewinne durch den Verkauf ihrer Produkte so lange, bis der Grenzerlös den Grenzkosten entspricht. Die Grenzerlöse entsprechen der Änderung der Gesamterlöse durch den Verkauf einer zusätzlichen Produktionseinheit, die Grenzkosten entsprechen der Änderung der Gesamtkosten aufgrund der Herstellung dieser zusätzlichen Produktionseinheit. Hieraus folgt, dass Produktions- und Preisentscheidungen eines auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Unternehmens nicht von seinen Fixkosten (d. h. den Kosten, die sich nicht mit der Produktionsrate verändern), sondern von seinen variablen Kosten (d. h. den Kosten, die sich mit der Produktionsquote verändern) abhängen. Nachdem die Fixkosten angefallen und die Kapazitäten festgelegt sind, ergeben sich die Preis- und Produktionsentscheidungen aus den variablen Kosten und den Bedingungen der Nachfrage. Wenn z. B. zwei Unternehmen zwei Produkte auf zwei Fertigungsstraßen mit nur halber Auslastung herstellen, können sie durch eine Spezialisierungsvereinbarung die Produktion auf eine Strecke konzentrieren und die Fertigung auf der zweiten Strecke aufgeben. Gleichzeitig erlaubt es die Spezialisierungsvereinbarung den Unternehmen, ihre variablen Produktions- und Lagerkosten zu senken. Nur letztere Einsparungen werden direkte Auswirkungen auf die Preis- und Produktionsentscheidungen haben, indem sie die Grenzkosten bei der Produktion beeinflussen. Die Aufgabe jeweils einer Fertigungsstrecke durch beide Unternehmen wird nicht die variablen Kosten verringern und keine Auswirkungen auf die Produktionskosten haben. Hieraus folgt, dass die Unternehmen einen direkten Anreiz haben können, Effizienzgewinne in Form einer höheren Produktion und niedrigerer Preise, mit denen die Grenzkosten zurückgehen, an die Verbraucher weiterzugeben, während sie keinerlei direkte Anreize haben, Effizienzgewinne durch die Senkung der Fixkosten weiterzugeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Verbraucher angemessen an den Vorteilen beteiligt werden, ist daher bei einer Senkung der variablen Kosten wesentlich höher als bei einer Senkung der Fixkosten.

99. Aus der Tatsache, dass für Unternehmen Anreize bestehen, bestimmte Arten von Kosteneinsparungen weiterzugeben, folgt nicht zwingend, dass die Vorteile zu 100 % weitergegeben werden. Die tatsächliche Quote der Weitergabe hängt davon ab, in welchem Maße die Verbraucher auf Preisänderungen reagieren, d. h. von der Elastizität der Nachfrage. Je größer der Anstieg der Nachfrage infolge einer Preissenkung, umso größer ist auch die Quote der Weitergabe. Dies folgt aus der Tatsache, dass mit den zusätzlichen Umsätzen infolge der Preissenkung aufgrund einer Produktionssteigerung die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass diese Umsätze die durch den niedrigeren Preis infolge der Produktionssteigerung verursachten Einnahmeverluste ausgleichen werden. Wenn keine Preisdiskriminierung erfolgt, wirkt sich eine Senkung der Preise auf alle von einem Unternehmen verkauften Einheiten aus, und in diesem Fall liegen die Grenzerlöse unter dem Preis, der für das Grenzprodukt erzielt wurde. Sind die Unternehmen in der Lage, von verschiedenen Kunden unterschiedliche Preise zu verlangen, d. h. bei den Preisen zu differenzieren, werden in der Regel nur preisbewusste Verbraucher von der Weitergabe profitieren(88).

100. Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich Effizienzgewinne oftmals nicht auf die gesamte Kostenstruktur des Unternehmens auswirken. In diesem Fall werden die Auswirkungen auf den Verbraucherpreis geringer sein. Wenn eine Vereinbarung den Vertragsparteien ermöglicht, die Produktionskosten um 6 % zu senken, die Produktionskosten jedoch nur ein Drittel der Kosten ausmachen, auf deren Grundlage die Preise ermittelt werden, sinkt der Produktpreis um 2 %, sofern der volle Betrag weitergegeben wird.

101. Schließlich - und dies ist ein sehr wichtiger Punkt - ist es notwendig, die beiden gegensätzlichen Kräfte abzuwägen, die sich aus der Wettbewerbsbeschränkung und den Kosteneinsparungen ergeben. Auf der einen Seite schafft die Stärkung der Marktmacht infolge der beschränkenden Vereinbarung für die Unternehmen einen Anreiz, die Preise zu erhöhen. Auf der anderen Seite können die berücksichtigten Kosteneinsparungen die Unternehmen zu einer Preissenkung animieren (s. Ziffer 98). Die Auswirkungen dieser beiden Gegenkräfte müssen gegeneinander abgewogen werden. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Voraussetzung der Weitergabe der Vorteile an die Verbraucher eine variable Skala vorsieht. Führt eine Vereinbarung zur erheblichen Senkung des Wettbewerbsdrucks auf die Parteien, sind in der Regel außerordentlich hohe Kosteneinsparungen erforderlich, damit eine Weitergabe der Vorteile in ausreichendem Maße erfolgt.

3.4.3 Weitergabe und Ausgleich anderer Arten von Effizienzgewinnen

102. Die Weitergabe der Vorteile an die Verbraucher kann auch in Form qualitativer Verbesserung wie etwa neuer oder verbesserter Produkte erfolgen, mit denen ein hinreichender Mehrwert für die Verbraucher entsteht, der die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Vereinbarung, einschließlich Preiserhöhungen, ausgleicht.

103. Jegliche Bewertung solcher Effizienzvorteile erfordert ein Werturteil. Es ist schwierig, dynamischen Effizienzgewinnen dieser Art einen exakten Mehrwert zuzuordnen. Das grundlegende Ziel der Beurteilung bleibt jedoch unverändert, nämlich die Feststellung der Gesamtauswirkungen auf die von der Vereinbarung betroffenen Verbraucher im betroffenen Markt. Unternehmen, die sich auf Artikel 81 Absatz 3 berufen, müssen substantiieren, dass die Verbraucher an dem Vorteil angemessen beteiligt sind (vgl. in diesem Sinn Ziffer 57 und 86).

104. Die Verfügbarkeit neuer oder verbesserter Produkte ist eine wichtige Quelle für den Wohlstand der Verbraucher. Solange die sich aus diesen Verbesserungen ergebende Steigerung des Mehrwerts schwerer wiegt als die durch die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung bewirkten Preisstabilisierung bzw. -erhöhung, sind die Verbraucher besser gestellt als ohne die Vereinbarung und ist die Voraussetzung der Weitergabe der Vorteile nach Artikel 81 Absatz 3 in der Regel erfuellt. Wenn die zu erwartenden Auswirkungen der Vereinbarung aus Preiserhöhung für die Verbraucher auf dem relevanten Markt besteht, muss genau ermittelt werden, ob die behaupteten Effizienzgewinne einen echten Mehrwert für die Verbraucher in diesem Markt erbringen, der die nachteiligen Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkung ausgleicht.

3.5 Vierte Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3: Keine Ausschaltung des Wettbewerbs

105. Gemäß der vierten Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3 darf die Vereinbarung den beteiligten Unternehmen nicht die Möglichkeit eröffnen, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. Letzten Endes wird dem Schutz des Wettstreits und dem Wettbewerbsprozess Vorrang eingeräumt vor potenziellen wettbewerbsfördernden Effizienzgewinnen, die sich aus wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen ergeben könnten. In der letzten Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3 wird die Tatsache anerkannt, dass die Rivalität zwischen Unternehmen eine wesentliche Antriebskraft für die wirtschaftliche Effizienz, einschließlich langfristiger dynamischer Effizienzsteigerungen in Form von Innovationen, ist. Mit anderen Worten, der Schutz des Wettbewerbsprozesses bleibt das eigentliche Ziel von Artikel 81 und zwar nicht nur auf kurze, sondern auch auf lange Sicht. Wenn der Wettbewerb ausgeschaltet wird, kommt der Wettbewerbsprozess zum Stillstand, und die kurzfristigen Effizienzgewinne werden von langfristigen Verlusten überlagert, die u. a. durch Ausgaben zur Erhaltung der Marktposition etablierter Unternehmen, durch die Fehlallokation von Ressourcen, durch Rückgang von Innovationen und durch höhere Preise verursacht werden.

106. Der in Artikel 81 Absatz 3 enthaltene Begriff der Ausschaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren ist ein autonomes Konzept des Gemeinschaftsrechts, das spezifisch für Artikel 81 Absatz 3 ist(89). Bei der Anwendung dieses Konzepts muss jedoch das Verhältnis zwischen den Artikeln 81 und 82 berücksichtigt werden. Gemäß der ständigen Rechtsprechung kann jedoch die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 nicht die Anwendung von Artikel 82(90) verhindern. Da sowohl Artikel 81 als auch Artikel 82 das Ziel der Wahrung eines wirksamen Wettbewerbs verfolgen, erfordert der Grundsatz der Kohärenz, Artikel 81 Absatz 3 dahingehend auszulegen, dass eine Anwendung dieser Bestimmung auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen ausgeschlossen ist, die den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen(91)(92). Doch nicht alle wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, die von einem marktbeherrschenden Unternehmen geschlossen werden, stellen einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar. Dies gilt z. B., wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen an einem Nicht-Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen beteiligt ist(93), das zwar als wettbewerbsbeschränkend eingestuft wird, aber gleichzeitig die Zusammenlegung erheblicher Vermögenswerte mit sich bringt.

107. Die Feststellung einer Ausschaltung des Wettbewerbs im Sinne der letzten Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3 ist abhängig vom Grad des Wettbewerbs vor Abschluss der Vereinbarung und von den Auswirkungen der beschränkenden Vereinbarung auf den Wettbewerb, d. h. der durch die Vereinbarung verursachten Wettbewerbsbeschränkung. Je stärker der Wettbewerb auf dem betreffenden Markt bereits geschwächt ist, umso geringer brauchen die Wettbewerbsbeschränkungen zu sein, die bereits zu einer Ausschaltung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 81 Absatz 3 führen. Darüber hinaus gilt, dass mit der Zunahme der durch die Vereinbarung verursachten Wettbewerbsbeschränkung auch die Wahrscheinlichkeit wächst, dass der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren ausgeschaltet wird.

108. Die Anwendung der letzten Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 erfordert eine realistische Untersuchung der verschiedenen Wettbewerbsquellen auf dem Markt, des Ausmaßes des Wettbewerbsdrucks, der von diesen Quellen auf die Vertragsparteien ausgeht und der Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerbsdruck. Sowohl der tatsächliche als auch der potenzielle Wettbewerb sind dabei zu berücksichtigen.

109. Marktanteile sind zwar von Bedeutung, doch kann das Ausmaß der verbleibenden Quellen tatsächlichen Wettbewerbs nicht allein anhand von Marktanteilen beurteilt werden. In der Regel sind hierfür umfangreichere qualitative und quantitative Untersuchungen erforderlich. Dabei müssen die Fähigkeit zu wettbewerblichen Reaktionen der vorhandenen Wettbewerber und bestehende Anreize, diese auch zu nutzen, geprüft werden. Wenn Wettbewerber beispielsweise vor Kapazitätsengpässen stehen oder relativ höhere Produktionskosten haben, wird ihre wettbewerbliche Reaktion entsprechend schwächer ausfallen.

110. Bei der Beurteilung der Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb ist auch deren Einfluss auf die verschiedenen Parameter des Wettbewerbs zu prüfen. Die letzte Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3 zur Anwendung der Ausnahmeregelung ist nicht erfuellt, wenn durch die Vereinbarung eine der wichtigsten Formen des Wettbewerbs ausgeschaltet wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vereinbarung die Ausschaltung des Preiswettbewerbs(94) oder des Wettbewerbs bei Innovationen oder der Entwicklung neuer Produkte zur Folge hat.

111. Das tatsächliche Marktverhalten der Parteien kann Rückschlüsse auf die Auswirkungen der Vereinbarungen ermöglichen. Wenn nach Abschluss der Vereinbarung die Parteien erhebliche Preiserhöhungen vorgenommen und beibehalten haben oder in einer anderen Form tätig geworden sind, die auf ein beträchtliches Maß an Marktmacht schließen lässt, liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sie keinem echten Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind und der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren ausgeschaltet wurde.

112. Auch das vergangene Wettbewerbsverhalten kann Anhaltspunkte für die Auswirkungen der Vereinbarung auf das künftige Wettbewerbsverhalten liefern. So kann ein Unternehmen unter Umständen den Wettbewerb im Sinne von Artikel 81 Absatz 3 ausschalten, indem es eine Vereinbarung mit einem Wettbewerber schließt, der in der Vergangenheit ein "Störenfried"(95) (maverick) war. Eine solche Vereinbarung kann die Wettbewerbsanreize und -fähigkeiten des Wettbewerbers verändern und damit eine wichtige Wettbewerbsquelle vom Markt nehmen.

113. Wenn es um differenzierte Produkte geht, d. h. Produkte, die sich in den Augen der Verbraucher unterscheiden, können die Auswirkungen der Vereinbarung von dem Wettbewerbsverhältnis zwischen den von den Vertragsparteien verkauften Produkten abhängen. Der von verschiedenen Produkten ausgehende Wettbewerbsdruck unterscheidet sich je nach Grad der gegenseitigen Substituierbarkeit. Es muss deshalb das Maß an Substituierbarkeit zwischen den von den Parteien angebotenen Produkten und damit das Maß des gegenseitigen Wettbewerbsdrucks ermittelt werden. Je mehr die Produkte, die Gegenstand der Vereinbarung der Vertragsparteien sind, nahe Substitute sind, umso größer sind die voraussichtlichen wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen der Vereinbarung. Mit anderen Worten, je stärker substituierbar die Produkte sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung im Markt verursacht, und umso wahrscheinlicher ist die Gefahr, dass der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren ausgeschaltet wird.

114. Zwar sind die Antriebskräfte des tatsächlichen Wettbewerbs die wichtigsten, da sie am leichtesten zu überprüfen sind, jedoch ist den Quellen des potenziellen Wettbewerbs ebenfalls zu berücksichtigen. Die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs erfordert eine Untersuchung der Zutrittsschranken, denen sich die Unternehmen gegenübersehen, die nicht bereits auf dem relevanten Markt tätig sind. Behauptungen der Parteien, dass die Marktzutrittsschranken niedrig seien, müssen durch Angaben belegt werden, die die Quellen des potenziellen Wettbewerbs offen legen, wobei die Parteien auch substantiieren müssen, warum von diesen Quellen ein tatsächlicher Wettbewerbsdruck auf die Parteien ausgeht.

115. Bei der Beurteilung der Zutrittsschranken und der tatsächlichen Möglichkeiten für einen umfangreichen Markteintritt neuer Wettbewerber ist u. a. folgendes zu prüfen:

i) Der Rechtsrahmen und seine Auswirkungen auf den Eintritt eines neuen Wettbewerbers.

ii) Die Marktzutrittskosten einschließlich nicht rückholbarer Kosten (sunk cost), die nicht hereingeholt werden können, wenn der neue Anbieter wieder aus dem Markt ausscheidet. Mit der Höhe dieser Kosten nimmt das Geschäftsrisiko für potenzielle Neuzugänger zu.

iii) Die effiziente Mindestgröße in der Branche, d. h. das Produktionsvolumen, bei dem die Durchschnittskosten minimiert werden. Wenn diese Größe im Vergleich zur Marktgröße erheblich ist, wird ein wirksamer Markteintritt wahrscheinlich kostspieliger und risikoreicher.

iv) Die Wettbewerbsstärke potenzieller Neuzugänger. Ein effektiver Markteintritt ist insbesondere dann wahrscheinlich, wenn potenzielle neue Anbieter Zugang zu mindestens ebenso kosteneffizienten Technologien haben wie die im Markt etablierten Unternehmen oder wenn sie über andere Wettbewerbsvorteile verfügen, die ihnen einen wirksamen Wettbewerb ermöglichen. Wenn potenzielle Neuzugänger über dieselbe oder über eine geringerwertige technologische Ausstattung wie die im Markt etablierten Unternehmen und über keine weiteren signifikanten Wettbewerbsvorteile verfügen, ist ein Markteintritt mit einem größeren Risiko behaftet und weniger effizient.

v) Die Stellung der Käufer und ihre Fähigkeit, neuen Wettbewerbsquellen im Markt Raum zu schaffen. Es ist unerheblich, wenn bestimmte Käufer mit einer starken Stellung unter Umständen in der Lage sind, mit den Vertragsparteien günstigere Bedingungen auszuhandeln als schwächere Wettbewerber(96). Das Vorhandensein mächtiger Abnehmer kann nur dann als Argument gegen die Vermutung einer Ausschaltung des Wettbewerbs dienen, wenn es wahrscheinlich ist, dass die Käufer den Weg für den Eintritt neuer Wettbewerber ebnen werden.

vi) Die wahrscheinliche Reaktion der im Markt etablierten Unternehmen auf versuchte Markteintritte. Wenn diese z. B. aufgrund ihres bisherigen Marktverhaltens einen aggressiven Ruf haben, kann sich dies auf zukünftige Marktzugänge auswirken.

vii) Die wirtschaftlichen Aussichten einer Branche können ein Indikator für ihre langfristige Attraktivität sein. Stagnierende oder rückläufige Wirtschaftszweige sind für Markteintritte weniger interessant als Wachstumsbranchen.

viii) Umfangreiche Markteintritte in der Vergangenheit oder deren Fehlen.

116. Diese Grundsätze lassen sich anhand der folgenden Beispiele veranschaulichen, mit denen aber keine Schwellenwerte eingeführt werden sollen:

Das Unternehmen A ist eine Brauerei mit einem Anteil von 70 % an dem relevanten Markt, der den Verkauf von Bier in Schank- und sonstigen Verkaufsstätten umfasst. In den vergangenen fünf Jahren hat A seinen Marktanteil von 60 % ausgehend erhöhen können. Es gibt vier weitere Wettbewerber B, C, D und E mit Marktanteilen von 10, 10, 5 und 5 %. In der jüngsten Vergangenheit sind keine Markteintritte erfolgt und die von A durchgeführten Preiserhöhungen wurden in der Regel von den Wettbewerbern nachvollzogen. A schließt Vereinbarungen mit 20 % der Verkaufs- und Schankstätten, auf die 40 % des Mengenabsatzes entfällt, wobei sich die Abnehmer verpflichten, das Bier für einen Zeitraum von 5 Jahren ausschließlich von A zu beziehen. Die Vereinbarungen erhöhen die Kosten der Mitbewerber und verringern deren Einkünfte, die keinen Zugang zu den umsatzträchtigsten Verkaufsstätten haben. Angesichts der Marktstellung von A, die in den vergangenen Jahren gestärkt wurde, dem Fehlen von Marktzutritten und der bereits schwachen Stellung der Wettbewerber ist es wahrscheinlich, dass der Wettbewerb in diesem Markt im Sinne von Artikel 81 Absatz 3 beseitigt wird.

Die Reedereien A, B, C und D, deren Anteil an dem relevanten Markt zusammen mehr als 70 % beträgt, schließen eine Vereinbarung über die Koordinierung ihrer Fahrpläne und Tarife. Im Zuge der Vereinbarung erhöhen sich die Preise um zwischen 30 und 100 %. Es gibt vier weitere Anbieter, von denen der größte einen Anteil von rund 14 % an dem relevanten Markt hält. In den vergangenen Jahren ist kein Marktzutritt erfolgt und die Parteien haben nach den Preiserhöhungen nicht in spürbarer Weise Marktanteile verloren. Die vorhandenen Wettbewerber haben keine neuen Kapazitäten in spürbarem Umfang hinzugefügt, und es ist kein Marktzutritt erfolgt. In Anbetracht der Marktstellung der Parteien und des Fehlens einer wettbewerblichen Erwiderung auf ihr gemeinsames Verhalten kann man davon ausgehen, dass die Parteien keinem wirklichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind, und dass die Vereinbarung ihnen die Möglichkeit eröffnet, den Wettbewerb im Sinne von Artikel 81 Absatz 3 zu beseitigen.

A ist ein Hersteller elektrischer Geräte für gewerbliche Anwender mit einem Anteil von 65 % an dem relevanten nationalen Markt. B ist ein Wettbewerber mit einem Marktanteil von 5 %, der einen neuen Motorentyp entwickelt hat, der stärker ist und gleichzeitig weniger Strom verbraucht. A und B schließen eine Vereinbarung, mit der sie ein Produktions-GU für die Herstellung des neuen Motors gründen. B verpflichtet sich, dem GU eine ausschließliche Lizenz zu erteilen. In dem Gemeinschaftsunternehmen werden die neue Technik von B mit der effizienten Herstellung und Qualitätskontrolle von A zusammengelegt. Es gibt einen anderen großen Wettbewerber mit einem Marktanteil von 15 %. Ein weiterer Wettbewerber mit einem Marktanteil von 5 % wurde jüngst von C übernommen, einem großen internationalen Hersteller von Elektrogeräten, der im Besitz leistungsfähiger Techniken ist und der bisher in dem Markt noch nicht tätig war, vor allem weil die Kunden eine Präsenz und Dienstleistungen an Ort und Stelle verlangen. Durch die Übernahme erlangt C Zugang zu der für den Eintritt in den Markt erforderlichen Dienstleistungsstruktur. Der Eintritt von C wird wohl gewährleisten, dass der Wettbewerb nicht beseitigt wird.

(1) Im Folgenden umfasst der Begriff "Vereinbarung" auch abgestimmte Verhaltensweisen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen.

(2) ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1.

(3) Sämtliche Gruppenfreistellungsverordnungen und Mitteilungen der Kommission sind auf der Webseite http://www.europa.eu.int/comm/ dgs/competition der GD Wettbewerb abrufbar.

(4) Vgl. Ziffer 36.

(5) Vgl. Leitlinien für vertikale Beschränkungen (ABl. C 291 vom 13.10.2000, S. 1), Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. C 3 vom 6.1.2001, S. 2) und Leitlinien der Kommission zur Anwendung von Artikel 81 EGV auf Vereinbarungen über den Technologietransfer, noch nicht veröffentlicht.

(6) Der Begriff der Beeinträchtigung des Handels wird in gesonderten Leitlinien behandelt.

(7) Im Folgenden schließt der Begriff "Beschränkung" die Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs ein.

(8) Gemäß Artikel 81 Absatz 2 sind solche Vereinbarungen nichtig.

(9) Artikel 81 Absatz 1 untersagt sowohl konkrete als auch potenzielle wettbewerbswidrige Wirkungen, vgl. z. B. EuGH, Rs. C-7/95 - John Deere, Slg. 1998, S. I-3111, Rdnr. 77.

(10) Vgl. GeI, Rs. T-65/98 - Van den Bergh Foods, noch nicht veröffentlicht, Rdnr. 107 und GeI, Rs. T-112/99 - Métropole télévision (M6) und andere, Slg. 2001, S. II-2459, Rdnr. 74, in dem das GeI befand, dass nur im Rahmen von Artikel 81 Absatz 3 die wettbewerbsfördernden gegen die wettbewerbswidrigen Aspekte einer Beschränkung gewogen werden dürfen.

(11) Vgl. Fußnote 5.

(12) Vgl. EuGH, Rs. C-49/92 - Anic Partecipazioni, Slg. 1999, S. I-4125, Rdnr. 116 und verb. Rs. 40/73 bis 48/73 und andere - Suiker Unie, Slg. 1975, S. 1663, Rdnr. 173.

(13) Vgl. hierzu Rdnr. 108 des in der vorangehenden Fußnote zitierten Urteils Anic Partecipazioni und EuGH, Rs. C-277/87 - Sandoz Prodotti, Slg. 1990, S. I-45.

(14) Vgl. EuGH, Rs. 14/68 - Walt Wilhelm, Slg. 1969, S. 1 und jüngst GeI, Rs. T-203/01, Michelin II, noch nicht veröffentlicht, Rdnr. 112.

(15) Vgl. GeI, verb. Rs. T-25/95 und andere - Cimenteries CBR, Slg. 2000, S. II-491, Rdnrn. 1849 und 1852, GeI, verb. Rs. T-202/98 und andere - British Sugar, Slg. 2001, S. II-2035, Rdnrn. 58 bis 60.

(16) Vgl. Rs. C-453/99 - Courage/Crehan, Slg. 1985, S. I-6297 und Rdnr. 3444 des in der vorangehenden Fußnote genannten Urteils Cimenteries CBR.

(17) Vgl. EuGH, verb. Rs. C-2/01 P und C 3/01 P - Bundesverband der Arzneimittelimporteure, noch nicht veröffentlicht, Rdnr. 102.

(18) Vgl. z. B. EuGH, verb. Rs. 25/84 und 26/84 - Ford, Slg. 1985, S. 2725.

(19) Vgl. Rdnr. 141 des in Fußnote 17 zitierten Urteils Bundesverband der Arzneimittelimporteure.

(20) Vgl. EuGH, Rs. 56/65 - Société Technique Minière, Slg. 1966, S. 337 und Rdnr. 76 des in Fußnote 9 zitierten Urteils John Deere.

(21) Vgl. z. B. EuGH, verb. Rs. 56/64 und 58/66 - Consten und Grundig, Slg. 1966, S. 429.

(22) Vgl. hierzu Entscheidung der Kommission, Elopak/Metal Box - Odin (ABl. L 209 vom 8.8.1990, S. 15) und TPS (ABl. L 90 vom 2.4.1990, S. 6).

(23) Vgl. das in Fußnote 20 zitierte Urteil Société Technique Minière und EuGH, Rs. 258/78 - Nungesser, Slg. 1982, S. 2015.

(24) Vgl. Regel 10 in Ziffer 119 der in Fußnote 5 zitierten Leitlinien über vertikale Beschränkungen, wonach u. a. Beschränkungen bei passiven Verkäufen - eine Kernbeschränkung - für einen Zeitraum von zwei Jahren nicht von Artikel 81 Absatz 1 erfasst werden, wenn die Beschränkung mit der Erschließung eines neuen Produkts oder neuer räumlicher Märkte verbunden ist.

(25) Siehe z. B. Rdnr. 99 des in Fußnote 12 zitierten Urteils Anic Partecipazioni.

(26) Vgl. Ziffer 38 ff.

(27) Vgl. EuGH, Verb. Rs. 29/83 und 30/83 - CRAM und Rheinzink, Slg. 1984, S. 1679, Rdnr. 26, und EuGH, Verb. Rs. 96/82 und andere - ANSEAU-NAVEWA, Slg. 1983, S. 3369, Rdnrn. 23-25.

(28) Vgl. die in Fußnote 5 erwähnten Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, Ziffer 25, und Artikel 5 der Verordnung 2658/2000 der Kommission über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen (ABl. L 304 vom 5.12.2000, S. 3).

(29) Vgl. Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 336 vom 29.12.1999, S. 21), und die in Fußnote 5 erwähnten Leitlinien für vertikale Beschränkungen, Ziffer 46 ff.; vgl. ferner EuGH, Rs. 279/87 - Tipp-Ex, Slg. 1990, S. I-261, und GeI, Rs. T-62/98 - Volkswagen AG/Kommission, Slg. 2000, S. II-2707, Rdnr. 178.

(30) Vgl. Rdnr. 77 des in Fußnote 9 zitierten Urteils John Deere.

(31) Es genügt nicht, dass die Vereinbarung die Handlungsfreiheit der Parteien beschränkt; vgl. Rdnrn. 76 und 77 des in Fußnote 10 zitierten Urteils Métropole télévision (M6). Dies ergibt sich daraus, dass Artikel 81 den Wettbewerb zum Vorteil der Verbraucher schützen soll.

(32) Vgl. EuGH, Rs. 5/69 - Völk, Slg. 1969, S. 295, Rdnr. 7. Eine Orientierungshilfe zur Frage der Anwendbarkeit enthält die Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag nicht spürbar beschränken; (ABl. C 368 vom 22.12.2001, S. 13). In der Bekanntmachung wird Spürbarkeit negativ definiert. Vereinbarungen, die nicht in den Anwendungsbereich der De-minimis-Bekanntmachung fallen, haben nicht unbedingt spürbare beschränkende Wirkungen. In solchen Fällen ist eine Einzelfallprüfung erforderlich.

(33) Vgl. GeI, verb. Rs. T-374/94 u. a. - European Night Services, Slg. 1998, S. II-3141.

(34) Vgl. Fußnote 32.

(35) Vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. C 372 vom 9.12.1997, S. 1).

(36) Angaben zum ABl. vgl. Fußnote 5.

(37) Vgl. Rdnr. 104 des in Fußnote 10 zitierten Urteils Métropole télévision (M6).

(38) Vgl. EuGH, Rs. C-399/93 - Luttikhuis, Slg. 1995, S. I-4515, Rdnrn. 12 bis 14.

(39) Vgl. Rdnrn. 118 ff. des in Fußnote 10 zitierten Urteils Métropole télévision (M6).

(40) Vgl. Rdnr. 107 des in Fußnote 10 erwähnten Urteils Métropole télévision (M6).

(41) Vgl. die in Fußnote 22 zitierte Entscheidung der Kommission, Elopak/Metal Box - Odin.

(42) Vgl. EuGH, Rs. 161/84 - Pronuptia, Slg. 1986, S. 353.

(43) Vgl. Fußnote 22. Die Entscheidung wurde vom Gericht erster Instanz in dem in Fußnote 10 zitierten Urteil Métropole télévision (M6) aufrechterhalten.

(44) Kosteneinsparungen und sonstige Gewinne für die Parteien, die aus der Ausübung von Marktmacht entstehen, begründen keine objektiven Vorteile und können nicht berücksichtigt werden, vgl. Ziffer 49.

(45) Vgl. das in Fußnote 21 zitierte Urteil Consten und Grundig.

(46) Die Tatsache, dass eine Vereinbarung durch eine Gruppenfreistellungsverordnung freigestellt ist, muss nicht bedeuten, dass sie unter Artikel 81 Absatz 1 fällt.

(47) Vgl. EuGH, Rs. C-234/89 - Delimitis, Slg. 1992, S. I-935, Rdnr. 46.

(48) Mit Artikel 36 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 wurde u. a. Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs aufgehoben. Die Entscheidungspraxis der Kommission gemäß der Verordnung (EWG) 1017/68 ist jedoch weiterhin für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 auf den Landverkehr maßgeblich.

(49) Vgl. Ziffer 42.

(50) Vgl. das in Fußnote 19 zitierte Urteil Société Technique Minière.

(51) Vgl. EuGH, Rs. 319/82 - Kerpen & Kerpen, Slg. 1983, S. 4173, Rdnrn. 11 und 12.

(52) Vgl. GeI, verb. Rs. T-185/00 und andere - Métropole Télévision (M6), Slg. 2002, S. II-3805, Rdnr. 86, GeI, Rs. T-17/93 - Matra, Slg. 1994, S. II-595, Rdnr. 85, EuGH, verb. Rs. 43/82 und 63/82 - VBVB und VBBB, Slg. 1984, S. 19, Rdnr. 61.

(53) Vgl. GeI, Rs. T-213/00 - CMA CGM und andere, noch nicht veröffentlicht, Rdnr. 226.

(54) Vgl. in diesem Zusammenhang Rdnr. 139 des in Fußnote 52 zitierten Urteils Matra und EuGH, Rs. 26/76 - Metro (I), Slg. 1977, S. 1875, Rdnr. 43.

(55) Zum Begriff des Verbrauchers s. Ziffer 84, wonach die Verbraucher die Kunden der Parteien und anschließenden Käufer sind. Die Parteien sind keine "Verbraucher" im Sinne von Artikel 81 Absatz 3.

(56) Die Prüfung bezieht sich auf den jeweiligen Markt; vgl. in diesem Zusammenhang GeI, Rs. T-131/99 - Shaw, Slg. 2002, S. II-2023, Rdnr. 163, in dem das GeI befand, dass die Beurteilung gemäß Artikel 81 Absatz 3 innerhalb des gleichen analytischen Rahmens wie die Bewertung der beschränkenden Wirkungen zu erfolgen hat; vgl. auch EuGH, Rs. C-360/92 P - Publishers Association, Slg. 1995, S. I-23, Rdnr. 29, wo der Gerichtshof in einem Fall, bei dem der relevante Markt größer war als der Inlandsmarkt, befand, dass es bei der Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 nicht korrekt ist, nur die Wirkungen im Inlandsmarkt zu bedenken.

(57) In der Rs. T-86/95 - Compagnie générale maritime und andere, Slg. 2002, S. II-1011, Rdnrn. 343 bis 345 entschied das GeI, dass Artikel 81 Absatz 3 nicht voraussetzt, dass die Vorteile mit einem bestimmten Markt verbunden sein müssen und dass soweit angemessen auch Vorteile berücksichtigt werden müssen "für jeden anderen Markt, auf den sich die betreffende Vereinbarung vorteilhaft auswirken könnte, und allgemeiner für jede Dienstleistung (...), deren Qualität oder Effizienz durch die Vereinbarung verbessert werden könnte". Es ist jedoch wichtig festzuhalten, dass im konkreten Fall dieselbe Gruppe von Verbrauchern betroffen war. Gegenstand dieser Rechtssache war der multimodale Transport, der eine Reihe von u. a. Land- und Seetransportdiensten für Reedereien in der gesamten Gemeinschaft umfasste. Die Wettbewerbsbeschränkungen bezogen sich auf die Landtransportdienste, die als ein gesonderter Markt eingestuft wurden, während Vorteile im Bereich der Seetransportdienste geltend gemacht wurden. Beide Dienste wurden von Verbrauchern nachgefragt, die multimodalen Transport zwischen Nordeuropa und Südostasien und Ostasien benötigten. Das in Fußnote 52 zitierte Urteil CMA CGM betraf ebenso eine Vereinbarung, die - obwohl sie unterschiedliche Dienstleistungen betraf - Auswirkungen auf dieselbe Verbrauchergruppe hatte, nämlich die Seeschifffahrtsunternehmen von Containercargos zwischen Nordeuropa und Fernost. Gemäß dieser Vereinbarung legten die Parteien die Tarife und Zuschläge für Landtransporte, Hafendienstleistungen und Seetransportdienste fest. Das GeI entschied (vgl. Rdnrn. 226 bis 228), dass im konkreten Fall kein Bedarf für die Definition des relevanten Marktes zur Anwendung des Artikel 81 Absatz 3 bestand. Die Vereinbarung bezweckte eine Wettbewerbsbeschränkung und Vorteile für die Verbraucher waren nicht gegeben.

(58) Vgl. Ziffern 126 und 132 der in Ziffer 5 zitierten Leitlinien für horizontale Kooperationsvereinbarungen.

(59) Vgl. das in Fußnote 19 erwähnte Urteil in der Rechtssache Ford.

(60) Vgl. in diesem Zusammenhang die in Fußnote 22 zitierte Entscheidung der Kommission in der Sache TPS. Entsprechend gilt das Verbot von Artikel 81 Absatz 1 auch nur, solange die Vereinbarung eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt.

(61) Vgl. Rdnr. 85 des in Fußnote 52 zitierten Urteils Matra.

(62) Was diese Bedingungen angeht, vgl. Ziffer 49.

(63) Vgl. z. B. GeI, Rs. T-29/92 - Vereniging van Samenwerkende Prijsregelende Organisaties in de Bouwnijverheid (SPO), Slg. 1995, S. II-289.

(64) Vgl. zum absoluten Gebietsschutz z. B. Rdnr. 77 des in Fußnote 23 zitierten Urteils Nungesser.

(65) Vgl. in diesem Zusammenhang das in Fußnote 63 erwähnte Urteil SPO.

(66) Die Maßnahmen der Mitgliedstaaten müssen u. a. den Bestimmungen des Vertrags über den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital entsprechen.

(67) Vgl. z. B. das in Fußnote 29 erwähnte Urteil Consten und Grundig.

(68) Vgl. in diesem Zusammenhang die Entscheidung der Kommission Van den Bergh Foods Limited (ABl. L 246 vom 4.9.1998, S. 1).

(69) Vgl. Entscheidung der Kommission Glaxo Wellcome, ABl. L 302 vom 17.11.2001, S. 1.

(70) Vgl. Entscheidungen der Kommission GEAE/P & W (ABl. L 58 vom 3.3.2000, S. 16); British Interactive Broadcasting/Open (ABl. L 312 vom 6.12.1999, S. 1) und Asahi/Saint-Gobain (ABl. L 354 vom 31.12.1994, S. 87).

(71) Vgl. z. B. Entscheidung der Kommission ATLAS (ABl. L 239 vom 19.9.1996, S. 23), und PHOENIX/GlobalOne (ABl. L 239 vom 19.9.1996, S. 57).

(72) Vgl. z. B. Entscheidung der Kommission Einheitliche Eurocheques (ABl. L 35 vom 7.2.1985, S. 43).

(73) Vgl. z. B. Entscheidung der Kommission Cégtétel +4 (ABl. L 88 vom 31.3.1999, S. 26).

(74) Zur ersten Frage, die für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 relevant sein kann, s. Ziffer 18.

(75) Größenvorteile sind in der Regel an einem bestimmten Punkt vollständig ausgeschöpft. Ab diesem Punkt stabilisieren sich die Durchschnittskosten und steigen eventuell, z. B. aufgrund von Kapazitätsbeschränkungen oder -engpässen.

(76) Vgl. Rdnrn. 392 bis 395 des in Fußnote 57 zitierten Urteils Compagnie Générale Maritime.

(77) Weitere Einzelheiten sind Ziffer 116 der in Fußnote 5 erwähnten Leitlinien über vertikale Beschränkungen zu entnehmen.

(78) Vgl. Rdnr. 230 des in Fußnote 33 zitierten Urteils European Night Services.

(79) Vgl. Verordnung Nr. 2790/1999 der Kommission über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 336 vom 29.12.1999, S. 21).

(80) Vgl. in diesem Zusammenhang das in Fußnote 21 zitierte Urteil Consten und Grundig, in dem der Gerichtshof entschied, dass Verbesserungen im Sinn des Artikel 81 Absatz 3 spürbare objektive Vorteile in einer Art und Weise aufzeigen muss, damit die Nachteile, die dem Wettbewerb zugefügt werden, ausgeglichen werden.

(81) Es ist darauf hinzuweisen, dass die positiven und negativen Auswirkungen auf den Verbraucher grundsätzlich innerhalb des jeweils relevanten Marktes ausgeglichen werden müssen (vgl. oben Ziffer 43).

(82) Vgl. Rdnr. 48 des in Fußnote 54 zitierten Urteils Metro (I).

(83) Vgl. Rdnr. 163 des in Fußnote 56 zitierten Urteils Shaw.

(84) Nachstehend wird der Schaden für den Wettbewerb den Preiserhöhungen gleichgesetzt; er kann auch geringere Qualität, geringere Auswahl oder weniger Innovation bedeuten.

(85) In Märkten, auf denen vollständiger Wettbewerb herrscht, passen die Unternehmen den Preis an den Markt an (price takers). Sie verkaufen ihre Produkte zum Marktpreis, der sich aus Gesamtnachfrage und -angebot ergibt. Die Produktion des einzelnen Unternehmens ist so gering, dass einzelne Produktionssteigerungen keine Auswirkungen auf den Marktpreis haben.

(86) Diese findet statt, wenn die Unternehmen in einem oligopolistischen Markt ihr Vorgehen abstimmen können, ohne auf ausdrückliche Kartellvereinbarungen zurückgreifen zu müssen.

(87) Dieser Begriff bezeichnet Unternehmen, die das Preisverhalten anderer Unternehmen begrenzen, die ansonsten möglicherweise stillschweigend kolludiert hätten.

(88) Die beschränkende Vereinbarung kann es den Unternehmen sogar ermöglichen, die Preise für die Kunden mit einer geringen Nachfrageelastizität zu erhöhen.

(89) Vgl. GeI, verb. Rs. T-191/98, T-212/98 und T-214/98 - Atlantic Container Line (TACA), noch nicht veröffentlicht, Rdnr. 939, und GeI, Rs. T-395/94 - Atlantic Container Line, Slg. 2002, S. II-875, Rdnr. 330.

(90) Vgl. Verbundene Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P - Compagnie Maritime Belge, Slg. 2000, S. I-1365, Rdnr. 130. Ebenso wenig hindert die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 die Anwendung der Bestimmungen des EG-Vertrags über die Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital. Diese Vorschriften sind unter bestimmten Umständen auf Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 anwendbar; vgl. in diesem Sinn EuGH, Rs. C-309/99 - Wouters, Slg. 2002, S. I-1577, Rdnr. 120.

(91) Vgl. in diesem Zusammenhang GeI, Rs. T-51/89 - Tetra Pak (I), Slg. 1990, S. II-309 und Rdnr. 1456 des in Fußnote 89 zitierten Urteils TACA.

(92) In diesem Sinne sind Ziffer 135 der Leitlinien über vertikale Beschränkungen und die Ziffern 36, 71, 105, 134 und 155 der in Fußnote 5 erwähnten Leitlinien über horizontale Kooperationsvereinbarungen zu verstehen, wonach beschränkende Vereinbarungen, die von beherrschenden Unternehmen geschlossen wurden, grundsätzlich nicht freigestellt werden können.

(93) Vollfunktions-GU, die dauerhaft alle Funktionen einer eigenständigen Wirtschaftseinheit ausüben, werden von der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen erfasst (ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1).

(94) Vgl. Rdnr. 21 des in Fußnote 54 erwähnten Urteils in der Rechtssache Metro (I).

(95) Vgl. Ziffer 97.

(96) Vgl. in diesem Zusammenhang GeI, Rs. T-228/97 - Irish Sugar, Slg. 1999, S. II-2969, Rdnr. 101.