52004DC0430

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss - Eine strategische Partnerschaft zwischen der EU und Indien {SEK(2004) 768} /* KOM/2004/0430 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS - Eine strategische Partnerschaft zwischen der EU und Indien {SEK(2004) 768}

1. EINLEITUNG

Indien wandelt sich dramatisch und schnell. Wie unlängst die Parlamentswahlen zeigten ist seine Demokratie gesünder und dynamischer denn je. Indien arbeitet zunehmend mit anderen Akteuren auf internationaler Bühne zusammen.

In den letzten Jahren hat die Beziehung zur Europäischen Union (EU) im Hinblick auf gemeinsame Visionen, Ziele und Herausforderungen einen exponentiellen Wachstumsschub erhalten. In der vorliegenden Mitteilung werden für die Beziehung zwischen der EU und Indien Herausforderungen, Chancen und Erwartungen im Hinblick auf die internationale, die Wirtschafts- und die Entwicklungspolitik benannt. Es werden Bereiche für eine künftige strategische Zusammenarbeit und eine Rationalisierung der institutionellen Architektur vorgeschlagen. Die vollständige Analyse und Einzelheiten zu den Vorschlägen dieser Mitteilung findet sich im Arbeitspapier der Dienststellen der Kommission im Anhang.

1.1. Indien heute - Stand der Dinge

Indien gewinnt als internationaler Akteur und als Regionalmacht zunehmend an Bedeutung. Es hat seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, China und ASEAN erheblich intensiviert. Seine Größe und sein wirtschaftliches und militärisches Gewicht machen es zu einer wichtigen Kraft in Südasien. Die Friedensgespräche mit Pakistan werden, falls sie erfolgreich sind, der gesamten Region großen Nutzen bringen. Auch Indiens Wirtschaftswachstum ist beeindruckend und die Wirtschaft hat von einer marktorientierten und offenen Politik stark profitiert. Doch wurden diese Gewinne nicht gleichmäßig auf die Bürger verteilt, denn die große Mehrheit der Bevölkerung lebt nach wie vor von weniger als zwei US-Dollar pro Tag und einige Regionen haben sich schneller entwickelt als andere. Indien ist außerdem ein Land großer ethnischer, religiöser und kultureller Vielfalt.

Die Beziehungen zur EU wurden seit dem ersten EU-Indien-Gipfeltreffen 2000 in Lissabon enger und es fanden immer mehr Zusammenkünfte auf allen Ebenen - auch der Unternehmen und der Zivilgesellschaft - sowie ein umfassender Dialog und Zusammenarbeit bei politischen, geopolitischen und multilateralen, wirtschaftlichen und handelsbezogenen Fragen statt.

2. EINE STRATEGISCHE PARTNERSCHAFT: ANALYSEN UND VORSCHLAEGE

Die EU und Indien pflegen bereits eine enge Partnerschaft, die sich auf gemeinsame Werte und gegenseitige Achtung gründet. Eine neue Strategie sollte sich von folgenden Zielen leiten lassen: Förderung von Frieden, Stabilität, Demokratie, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und verantwortungsvollem Regieren unter anderem durch Bekämpfung des Terrorismus und des unrechtmäßigen Handels; Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und sozialer Ausgrenzung sowie bei der nachhaltigen Entwicklung, beim Umweltschutz und Klimawandel sowie Vertiefung der wirtschaftlichen Verflechtung und Gewährleistung einer stärkeren internationalen Wirtschaftsordnung.

2.1 Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit

2.1.1. Multilateralismus

Da die EU und Indien zunehmend als globale Sicherheitsmächte gesehen werden, hat sich der Schwerpunkt der Beziehungen vom Handel auf umfassendere politische Fragen verlagert. Beide unterstützen das multilaterale System und arbeiten in den Vereinten Nationen und anderen Foren bereits wirksam zusammen. Das sollte durch eine strategische Allianz zur Förderung eines wirksamen multilateralen Konzepts verstärkt werden.

Die EU und Indien sollten Standpunkte bei der Vorbereitung, Aushandlung und Umsetzung großer multilateraler Übereinkommen und Konferenzen (z.B. in den Bereichen Sicherheit, Handel, Umwelt, Entwicklung, Menschenrechte) koordinieren und harmonisieren und den Brückenschlag zu anderen UN-Mitgliedern zu erleichtern.

Ferner sollten die EU und Indien einen ständigen Dialog über die organisatorische und institutionelle Umstrukturierung und Reform der Vereinten Nationen führen, insbesondere über die Hochrangige UN-Arbeitsgruppe über Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel und die Umsetzung ihrer etwaigen Ergebnisse. Die Zusammenarbeit zur Förderung eines wirksamen Multilateralismus sollte besonders in den Bereichen der Umsetzung internationaler Verpflichtungen und Zusagen und bei der Stärkung der globalen Governance verstärkt werden.

2.1.2. Konfliktprävention und Wiederaufbau nach Konflikten

Indien ist ein wichtiger Partner bei der Konfliktprävention und beim Wiederaufbau nach Konflikten. Die EU sollte daher Wege der Formalisierung einer regelmäßigen Zusammenarbeit prüfen und Indien in diesem Bereich stärker einbinden.

In den Gesprächen zwischen hohen Beamten sollten Maßnahmen in folgenden Bereichen entwickelt werden: Schulung der zivilen Komponenten friedenserhaltender Missionen; Seminare und andere Aktivitäten zur Erleichterung der Konfliktprävention oder des Umgangs mit Nachkonfliktsituationen; gemeinsame Unterstützung der Anstrengungen der Vereinten Nationen bei der Konfliktprävention und bei der Friedensschaffung auch in Hinblick auf die Verbesserung der analytischen Kapazitäten, umfassende Präventivstrategien und größere Zusammenarbeit zwischen EU- und indischen Komponenten in EU-Friedenseinsätzen.

Vor großen UN-Debatten über Friedenserhaltung, Konfliktbewältigung und bei der Vorbereitung großer Friedenskonferenzen sollten Konsultationen stattfinden. Außerdem könnten die EU und Indien eine gemeinsame Initiative für eine Konferenz auf UN-Ebene über Konfliktprävention, Friedensschaffung und den Umgang mit Nachkonfliktsituationen ergreifen. Ferner wäre es lohnenswert, einen Dialog über den Beitrag der regionalen Integration zur Konfliktprävention einzuleiten.

2.1.3. Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen

Wir sollten darauf hinwirken, die Zusammenarbeit bei der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu intensivieren, wo die EU und Indien sehr ähnliche Standpunkte vertreten. Das könnte durch Expertentagungen geschehen, um besonders bei Gütern mit doppeltem Verwendungszweck die Kohärenz und Wirksamkeit von Ausfuhrkontrollmaßnahmen zu stärken. Auch der politische Dialog über Nichtverbreitung sollte gestärkt werden.

2.1.4. Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität

Die EU sollte mit Indien auch in UN-Gremien bei der Bekämpfung der Terrorismus und der organisierten Kriminalität konkreter zusammenarbeiten. Der Rat könnte darüber beraten, Indien in seine Liste "vorrangiger Länder" für ein "strategisches Kooperationsabkommen" mit Europol aufzunehmen. Ferner sollte die EU die technische Zusammenarbeit durch Expertentagungen und den Austausch von Informationen und Expertise in sicherheitsbezogenen Bereichen wie Geldwäsche, Drogenhandel und chemische Ausgangsstoffe intensivieren. Zu den Themen Dokumentensicherheit, Zivilluftfahrt und Sicherheit im Seeverkehr sollte ein Dialog eingeleitet werden.

2.1.5. Migration

Internationale Migrationsbewegungen haben angesichts der Globalisierung zugenommen. Ein positiver Nebeneffekt sind vermehrte Rücküberweisungen der Migranten. Doch auch Probleme wie illegale Einwanderung und Menschenhandel nehmen zu. Die EU könnte einen umfassenden Dialog über folgende Themen vorschlagen: Ursachen, legale Einwanderung einschließlich Arbeitsmigration, Schleuserei von Einwanderern und Menschenhandel einschließlich Bekämpfung von Schleuser- und Händlernetzen und Schutz der Opfer, Integration und faire Behandlung von Drittstaatsangehörigen, Rücküberweisungen der Migranten, Rückkehr und Rückübernahme sich illegal aufhaltender Personen, Visumsfragen von gemeinsamem Interesse und andere migrationsbezogene Themen, die für die EU und Indien von Interesse sind.

2.1.6. Demokratie und Menschenrechte

Wir sollten unseren Menschenrechtsdialog auf Grundlage der bei der Ministertagung 2003 in Athen eingegangenen Verpflichtungen in gegenseitiger Achtung und auf konstruktive Weise ausweiten. Die EU sollte Indien bei Themen wie etwa beim Internationalen Strafgerichtshof, Abschaffung der Todesstrafe, Übereinkommen gegen die Folter, geschlechtsspezifische Diskriminierung, Kinderarbeit, Arbeitsrechte, soziale Verantwortung von Unternehmen und Religionsfreiheit Zusagen abringen. Wir sollten eine stärkere Zusammenarbeit im Dritten Hauptausschuss und der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen anstreben. In Drittländern sollten Synergiemöglichkeiten gesucht und gemeinsame Initiativen entwickelt werden.

Gleichzeitig sollte die indische Regierung ersucht werden, im Rahmen der vereinbarten ,Athener" Zusammensetzung durch Zusammenkünfte von hohen Beamten und Ministern in regelmäßige Menschenrechtsgespräche einzutreten. Menschenrechtskonsultationen zwischen den EU-Missionsleitern in Neu-Delhi sollten intensiviert und die Missionsleiter angewiesen werden, regelmäßige Menschenrechtsberichte mit Empfehlungen für den EU-Indien-Menschenrechtsdialog zu erstellen.

Die Kommission ist bereit, die Finanzierung von Projekten im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte in Indien zu prüfen.

2.1.7. Frieden, Wohlstand und Stabilität in Südasien

In Südasien treffen die größten Entwicklungsherausforderungen des neuen Jahrhunderts zusammen: Armut, Überbevölkerung, Bürgerkriege und Umweltprobleme. Doch mit dem jüngsten Beschluss des SAARS-Gipfeltreffens, den regionalen Integrationsprozess voranzutreiben, sowie dem Tauwetter zwischen Indien und Pakistan stehen die Aussichten inzwischen günstiger.

Die EU setzt sich nachdrücklich für Frieden und Stabilität in Südasien ein. Sie hat ständig zum Dialog zwischen Indien und Pakistan ermuntert, alle Formen von Terrorismus und Gewalt verurteilt und ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, einen Friedensprozess zu unterstützen. Kaschmir ist in erster Linie eine bilaterale Angelegenheit mit internationalen Auswirkungen, doch die EU kann ihre eigene Erfahrung als Beispiel für Friedenspolitik und Partnerschaften anbieten.

Darüber hinaus sollte die EU ein regionales Konzept für die Beziehungen zu Südasien entwickeln. Sie könnte ein Südasienstrategiepapier formulieren, in dem dargelegt wird, wie die EU zu Frieden, Sicherheit und Wohlstand in der Region beitragen kann. Ferner könnten wir die Möglichkeiten einer Teilnahme Südasiens an Programmen zur Stärkung des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft zwischen der EU und Indien prüfen.

2.2. Stärkung der Wirtschaftspartnerschaft

Die EU ist der größte Handelspartner Indiens und aus ihr stammen die meisten ausländischen Direktinvestitionen. Indien hingegen steht hinter Ländern wie China, Brasilien und Südafrika als Handelspartner der EU nur an 14. Stelle. Die Handels- und Investitionsströme sind eindeutig niedriger als ihr Potenzial.

Die EU und Indien müssen an vielen Fronten tätig werden, auch durch eine stärkere Marktöffnung und Wirtschaftsreformen auf indischer Seite. Handel, Investitionen, Wettbewerb und Industrialisierung sind Schlüsselfaktoren, doch auch umfassendere gesellschaftliche Bedürfnisse (Umwelt, Verbraucherschutz, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt usw.) müssen berücksichtigt werden.

Wenn das Potenzial des indischen Marktes ausgeschöpft werden soll, muss Indien die wirtschaftlichen Reformen fortsetzen und beschleunigen. Dazu muss Indien Probleme angehen wie die hohen und diskriminierenden Zölle/Steuern, zahlreiche nichttarifäre Handelshemmnisse, Einschränkungen für ausländische Direktinvestitionen, den mangelnden Schutz der Rechte an geistigem Eigentum sowie große Verbesserungen an der Infrastruktur vornehmen.

2.2.1. Strategischer Politikdialog

Strategische Politikdialoge sollten sich zunächst auf zwei Bereiche konzentrieren: Regulierungsfragen und Industriepolitik sowie Umwelt.

Zu Regulierungsfragen und zur Industriepolitik sollte ein neuer Dialog eingerichtet werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf beiden Seiten zu verbessern. Der Austausch von bewährten Regulierungspraktiken und von Erfahrungen verantwortungsvoller politischer Steuerung sollte in bilateralen Konsultationen und internationalen Foren (z.B. OECD) vorangetrieben werden. Außerdem sollte die EU mit Indien bei der Umsetzung des neuen Wettbewerbsrechts zusammenarbeiten.

Im Umweltbereich sollte die EU Indien einladen, jährlich in der Gemeinsamen Umweltarbeitsgruppe zusammenzukommen und häufiger Besuche hochrangiger Vertreter abzuhalten. Indien und die EU sollten zusammen an der Förderung der Zusammenarbeit bei globalen Umweltproblemen arbeiten wie bei den UN-Übereinkommen über biologische Vielfalt, wo bei den "Schutzgebieten" eine Allianz und ein konstruktiver Dialog über "Zugang und Vorteilsausgleich" begründet werden könnten; beim UN-Rahmenübereinkommen über den Klimawandel und beim Kyoto-Protokoll oder beim Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen. Ferner sollte Indien aufgefordert werden, gemeinsam ein Umweltforum EU-Indien zu veranstalten, an dem die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft beteiligt sind, um Meinungen, Know-how und wissenschaftliche oder technische Informationen zu Umweltfragen auszutauschen.

2.2.2. Strategischer Sektordialog

In vielen Bereichen hat der Dialog mit Indien bereits beträchtliche Fortschritte gemacht. Um diesen Prozess fortzusetzen und auszuweiten, sollten strategische Sektordialoge entwickelt werden.

Die EU und Indien pflegen bereits einen ausführlichen Dialog über die Informationsgesellschaft. Dieser sollte weiter gestärkt werden, um die bewährtesten Verfahren auszutauschen und Marktzugangsfragen im Hinblick auf den rechtlichen Rahmen (Internet-Politik, Schutz der Privatsphäre, Sicherheit) und auf elektronische Kommunikation (z.B. Mobilfunkaspekte, Universaldienst) aufzugreifen. Ferner könnten wir Pilotprojekte in vorrangigen Sozialsektoren (Gesundheit, Bildung und ,Regierung online") ins Auge fassen.

Beim Verkehrswesen sollte die EU bereit sein, Indien bei erheblichen Anstrengungen zur Modernisierung von Straßen, Flughäfen, Häfen und anderen Sektoren zu unterstützen. Das Seeverkehrsabkommen, über das derzeit verhandelt wird, liefert einen rechtlichen Rahmen für die Entwicklung von Schifffahrtsgesellschaften aus der EU und Indien. Die Zusammenarbeit beim Luftverkehr sollte insbesondere durch Aushandlung eines Luftverkehrsabkommens gestärkt werden.

Indiens derzeitige Energiepolitik stützt sich auf eine überzogene einheimische Kohleförderung. Die EU und Indien sollten einen Energiedialog aufnehmen, um eine alternative Brennstoffkette (saubere Kohlentechnologie, Wasserkraft, neue und erneuerbare Energien, Atomenergie) und horizontale (rechtliche, finanzielle, politische und soziale) Fragen zu prüfen.

Der indische Biotechnologiesektor ist in den letzten Jahren schnell gewachsen und hat Möglichkeiten für Partnerschaften in Bereichen wie Neuentdeckungen, vorklinische/klinische Tests und Bioinformatik geschaffen. Die EU und Indien könnten daher einen Dialog über den Rechtsrahmen führen und Informationen über die bewährtesten Verfahren bei der Finanzierung, Forschung, öffentlichen Kontrolle, Umweltanliegen, Zoll und Abgaben, technischen Austauschprogrammen und Einrichtungen zur Infrastrukturförderung führen.

Die EU und Indien arbeiten beim europäischen Satellitennavigationssystem Galileo eng zusammen. Sie sollten insbesondere bei Fragen der Regulierung, der Industrie- und der Marktentwicklung die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Raumfahrtagentur und der Indischen Weltraumforschungsorganisation intensivieren.

Neue Chancen bieten sich für die Errichtung einer Weltraumpartnerschaft mit Indien. Ein umfassenderer Dialog könnte in Bereichen wie Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung (GMES), Satellitenkommunikation sowie Weltraumwissenschaft und -technologie eröffnet werden.

2.2.3. Ankurbeln von Handel und Investitionen

Handel und Investitionen sind ein Eckstein der Beziehungen zwischen der EU und Indien.

Auf multilateraler Ebene sind die EU und Indien zentrale Akteure in der WTO und Nutznießer eines erfolgreichen Abschlusses der Entwicklungsagenda von Doha (DDA). Beide haben eindeutig die Verantwortung und ein gemeinsames Interesse zusammenzuarbeiten und sollten die DDA als eine Frage oberster Priorität vorantreiben. Daher sollte die EU darauf hinwirken, eine größere Konvergenz mit Indien in zentralen Fragen zu erreichen, die für einen positiven Abschluss der DDA entscheidend sind, so etwa den Bereich der Regeln, der Singapurthemen, des GATS, die Landwirtschaft, des Marktzugangs für nichtland wirtschaftliche Erzeugnisse, der geografischen Angaben der besonderen und differenzierten Behandlung und der Umsetzung. Indiens Anstrengungen im Hinblick auf eine vollständige Einhaltung der WTO-Regeln sollten insbesondere in Bezug auf handelspolitische Schutzinstrumente und das TRIPS-Abkommen ebenfalls unterstützt werden.

Auf der bilateralen Ebene sollten die EU und Indien einen Dialog über Investitionen pflegen, der auf die Empfehlungen der Gemeinsamen Initiative aufbaut und Wirtschaft und Wissenschaft eng einbindet und deren Beiträge nutzt. Im Rahmen eines Dialogs über die Rechte an geistigem Eigentum könnte daran gearbeitet werden, eine gemeinsames Verständnis in Bezug auf TRIPS, andere einschlägige internationale Abkommen und Fragen der Rechtsdurchsetzung zu gewinnen. Außerdem sollte die EU Indien ermutigen, in einen Expertendialog über handelspolitische Schutzinstrumente einzutreten, um die Umsetzungsverfahren und die Einhaltung der WTO-Regeln zu erörtern.

Die EU sollte prüfen, wie mit Indien über technische Handelshemmnisse sowie gesundheits polizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Fragen durch Informationsaustausch über Rechtsvorschriften, Zertifikation, Kontroll- und Akkreditierungsverfahren sowie durch Vereinfachung des Verwaltungsaufwands zusammengearbeitet werden kann. Möglich wäre eine Arbeitsgruppe EU-Indien auf Beamtenebene zu technischen Vorschriften, Normen und Konformitätsbewertung. Ferner wäre die EG bereit, der indischen Regierung auf deren Ersuchen hin technische Hilfe zu leisten.

Das Zollkooperationsabkommen EU-Indien sollte vollständig ausgeschöpft werden, um etwa in Bezug auf eine papierlose Zollabfertigung und höhere Sicherheitsstandards Lösungen für die Probleme von Unternehmen aus der EU und Indien zu finden. Auch sollten die EU und Indien eine einzige Anlaufstelle einrichten, die den Privatsektor beider Parteien mit umfassenden Informationen und Beratung zu Zollverfahren, Abgaben und Steuern, Normen und technische Vorschriften, Investitionsregeln, Rechten an geistigem Eigentum usw. versorgt. In diesem Rahmen könnte es einen Mechanismus zur Förderung von Investitionsgelegenheiten und passende Dienstleistungen für KMU geben.

Eine nachhaltige Entwicklung sollte dadurch gefördert werden, dass ein Dialog auch über die Förderung von Handel mit nachhaltig hergestellten Waren gepflegt wird. Es sollte weiter an einem gegenseitigen Verständnis bei Fragen wie Etikettierung und Nachhaltigkeitsprüfung gearbeitet werden und das Zentrum für nachhaltigen Handel und Innovation (STIC) sollte besser genutzt werden.

Diese Ideen ließen sich durch eine gemeinsame Studiengruppe auf Beamtenebene unter enger Einbindung der Unternehmen und des akademischen Bereichs weiter entwickeln.

Ferner ist der Kommission daran gelegen, die regionale Zusammenarbeit in Südasien anzuregen. Die EU sollte die SAARC einladen, eine Zusammenarbeit zu Handel und wirtschaftlicher Integration zu entwickeln, technische und andere Hilfe bereitstellen und auf die Aushandlung eines Kooperationsabkommens mit der SAARC hinarbeiten.

2.2.4. Ankurbeln der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen

Seit Februar 2001 trägt die Gemeinsame Initiative zur Stärkung von Handel und Investitionen zur Herausbildung gemeinsamer Auffassungen von Chancen und Hindernissen für Handel und Investitionen bei und ermöglicht einen unmittelbaren Dialog zwischen Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern. Die EU sollte helfen, einen Runden Tisch führender Unternehmer einzurichten; Netze für die Zusammenarbeit in einzelnen Industriebranchen und zur Investitionsförderung zu errichten und den Unternehmensdialog in allen Bereichen von gemeinsamem Interesse, darunter Informationstechnologie, Biotechnologie und Arzneimittel, elektronischer Handel, Auslagerung, Textilien und Kleidung, der Vertriebssektor, audiovisuelle/kulturelle Fragen, Tourismus und Motorindustrie sich entwickeln lassen. In einigen Bereichen wie Biotechnologie und Telekommunikation sollte der Unternehmens dialog parallel zum offiziellen strategischen Dialog stattfinden.

2.2.5. Nutzung von Synergien im Bereich Wissenschaft und Technologie

Im Bereich Wissenschaft und Technologie herrscht zwischen der EU und Indien ein riesiges Kooperationspotenzial. Indien nimmt am Sechsten Forschungsrahmenprogramm der EU teil und ein Abkommen über wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit liefert den rechtlichen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen den Wissenschaftlern. Ferner haben die Parteien vereinbart, die Teilnahme Indiens an GALILEO zu formalisieren.

Die Teilnahme indischer Forscher am Sechsten Forschungsrahmenprogramm und die Teilnahme von Forschern aus der EU an indischen Forschungsarbeiten sollte gefördert werden und zwischen Forschungseinrichtungen und einzelnen Forschern sollten weitere Kontakte geknüpft werden. Indien sollte an der Entwicklung des Siebten Rahmenprogramms teilnehmen. Außerdem sollten wir andere Bereiche der Zusammenarbeit wie eine gemeinsame Forschung an der Kernfusionsenergie prüfen.

2.2.6. Finanzen und monetäre Fragen

Indien beteiligt sich nicht an den Gesprächen der Asien-Europa-Zusammenkunft (ASEM) mit der EU zur Geld- und Finanzpolitik. Die EU solle Indien deshalb einladen, zu Fragen von gemeinsamem Interesse wie die internationale Finanzarchitektur, die wirksame Umsetzung bestehender Aufsichtsprinzipien und Regeln, die Bekämpfung von Betrug, Geldwäsche usw. regelmäßige Konsultationen auf Ebene der Minister-Troika einzurichten.

2.3. Entwicklungszusammenarbeit

Seit den 1970er Jahren hat Indien den Wohlstand seiner Bevölkerung erheblich verbessert und bemerkenswerte Fortschritte bei den Indikatoren für menschliche Entwicklung erzielt. Armut ist jedoch noch immer weit verbreitet, die Arbeitslosigkeit bzw. die Unterbeschäftigung liegt hoch und beim Pro-Kopf-Einkommen herrschen immer noch große Disparitäten. Die Indikatoren für menschliche Entwicklung liegen besonders bei Stammesvölkern und den untersten Kasten am niedrigsten. Zugleich entwickelt sich Indien zu einem atypischen Akteur der Entwicklungspolitik: Empfänger und Geber, Nutzer von Entwicklungsinnovationen und Exporteur von Generika und neuen Biotechnologielösungen. Indien hat unlängst die Anzahl bilateraler Geber auf sechs verringert (USA, Russland, Vereinigtes Königreich, Deutschland und die EG). Die damit verbundene Verringerung an zinsgünstigen Krediten und Darlehen dürfte zu gezielteren Maßnahmen führen, die Indien bei der Reform der Institutionen und der Entwicklung einer soliden Politik helfen.

Die EU muss Indien helfen, die Millenniums-Entwicklungsziele zu erfuellen. Dazu könnten innovative Maßnahmen ins Auge gefasst werden, die die indische Entwicklungspolitik ergänzen und einer Verbesserung der Regierungsführung und der ökologischen Nachhaltigkeit besondere Aufmerksamkeit bemessen. Die Koordination mit anderen EU-Gebern, besonders mit denjenigen Mitgliedstaaten, die keine Entwicklungsprogramme in Indien mehr laufen haben, sollte gestärkt werden. Der soziale und wirtschaftliche Zusammenhalt könnte als vorrangiges Thema für eine künftige Strategie festgelegt werden, wobei sich die Erfahrungen der Partnerschaften mit den Bundesstaaten und der sektorspezifischen Förderprogramme, insbesondere für Grundschulaubsbildung und Basisgesundheit, zugrunde legen ließen. Außerdem könnte die EU ihre Erfahrung mit sozialen Sicherungssystemen teilen.

Allgemein sollte sich die EU-Entwicklungszusammenarbeit zunehmend darauf konzentrieren, Randgruppen zu helfen, uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Die EU sollte im Hinblick auf die in Indien tätigen EU-Unternehmen die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen sowie die Ratifikation, Umsetzung und Förderung der grundlegenden ILO-Übereinkommen - besonders derer über Vereinigungsfreiheit und Kinderarbeit - unterstützen. Ferner könnte die EU Seminare und Schulungsmaßnahmen für indische Beamte veranstalten und in der Zivilgesellschaft die Debatte über Entwicklung und Globalisierung fördern.

2.4. Gegenseitiges Verständnis

Das Europäische Parlament und das indische Parlament Lok Sabha verstehen sich gut, doch förmliche Besuche und andere konkrete Formen der Zusammenarbeit erfolgten weniger häufig als erwartet. Neben hochrangigen Zusammenkünften sollten beide Parlamente einen regelmäßigen institutionalisierten parlamentarischen Austausch zwischen der EP-Delegation in Südasien und der SAARC mit ihren indischen Kollegen in Erwägung ziehen.

Die Kommission hat bereits Instrumente für akademische Kontakte und Austauschmaßnahmen eingerichtet: ein Europastudienprogramm an der Jawaharlal Nehru Universität in Neu-Delhi, das ,Asia Link"-Programm und das Kulturen übergreifende Wirtschaftsprogramm. Derzeit entwickelt die Kommission ein mit 33 Mio. EUR dotiertes Stipendienprogramm ab dem Studienjahr 2005/2006, dessen Schwerpunkt Postgraduierten studien für indische Studierende sind. Auch Europastudien an indischen Universitäten und Indienstudien an europäischen Universitäten sollten gefördert werden.

Im kulturellen Bereich sollte eine Zusammenarbeit in allen Sparten wie Musik, Tanz und schöne Künste in Erwägung gezogen werden. Den Weg weisen diejenigen EU-Mitgliedstaaten, die Kulturinstitute in Indien haben. Alle Akteure sind eingeladen, die EG-Programme (MEDIA, Kultur 2000) voll und ganz zu nutzen, um künstlerische Arbeiten aus der EU zu fördern und die Zusammenarbeit der Kulturinstitute zu unterstützen. Die kulturelle Zusammenarbeit und der interkulturelle Dialog sollten außerdem auf multilateraler Ebene gepflegt werden, und zwar besonders mit Hilfe des UNESCO-Übereinkommens für weltweite kulturelle Vielfalt.

Um die gegenseitige Sichtbarkeit zu erhöhen, muss noch viel getan werden. Die indische Öffentlichkeit benötigt über Handelsfragen hinaus Informationen über die vielen Gesichter der EU. Eine enge Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen allen Mitgliedstaaten und Einrichtungen wird von entscheidender Bedeutung sein und für diese Aufgabe sollten genügend Ressourcen bereitgestellt werden. Die diplomatischen und kulturellen Vertreter der Mitgliedstaaten in Delhi sollten über die Sichtbarkeit der EU Bericht erstatten und zu einer künftigen Sensibilisierung- und Kommunikationsstrategie beitragen. Die Kommission wird ein Forschungsprojekt einleiten, um die Zielgruppen, zentralen Botschaften, wichtigsten Instrumente und deren bestmöglichen Einsatz festzulegen. Die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament sind eingeladen, einen Beitrag zu dieser Arbeit zu leisten. So könnten Informationen über hochrangige Besuche ausgetauscht werden und alle hochrangigen EU-Besucher sollten sich in Indien für die EU einsetzen. Die indische Regierung sollte ermuntert werden, so oft wie möglich EU-Organe zu besuchen und von Indien würde erwartet, dass es seine eigene Kommunikationsstrategie aufstellt.

2.5. Institutionelle Architektur

Das Kooperationsabkommen von 1994, die gemeinsame politische Stellungnahme von 1993 und das Gipfeltreffen von Lissabon 2000 haben die institutionelle Architektur der EU-Indien-Beziehungen festgelegt. Unsere sich entwickelnde Partnerschaft hat auf verschiedenen Ebenen in praktisch allen Interessengebieten und Kooperationsbereichen eine komplexe Struktur der Zusammenkünfte geschaffen. Nun ist es an der Zeit, diese Struktur zu rationalisieren und ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Zu diesem Zweck können zahlreiche Initiativen ergriffen werden.

Gipfeltreffen und Ministertagungen sollten sich auf einige strategische Prioritäten konzentrieren, wobei die Gipfeltreffen allgemeine Leitlinien aufstellen und sich gezielt mit den zentralen Fragen beschäftigen sollten. Der Gemischte Ausschuss sollte die Aktivitäten im gesamten Spektrum unserer Partnerschaft verfolgen. Unter seiner Führung sollten klare, regelmäßig zu überprüfende Ziele für vorübergehende Arbeitsgruppen und ständige Unterausschüsse aufgestellt werden. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Abfolge der Zusammenkünfte sollte ein zweijähriger Kalender der Zusammenkünfte aufgestellt werden. Des Weiteren sollten Brainstorming-Sitzungen zu einer regelmäßigen Komponente des Dialogs und der Zusammenarbeit auf informeller Ebene werden.

Die Missionen der EU und Indiens sollten sich am Sitz von UN-Einrichtungen regelmäßig treffen und zusammenarbeiten. Regelmäßige Zusammenkünfte könnten zwischen den Missionsleitern der EU und den indischen Ministern und deren jeweiligen Beamten stattfinden und es könnten Arbeitsgruppen oder Seminare mit Think Tanks oder Akademikern veranstaltet werden.

Der Runde Tisch sollte in die institutionelle Architektur voll eingebunden werden. Die beiden Vorsitzenden sollten ersucht werden, bei Gipfeltreffen unverbindliche politische Empfehlungen zu unterbreiten. Zur Intensivierung der Zusammenarbeit innerhalb der Zivilgesellschaft, insbesondere von Unternehmen, Think Tanks und NRO, sollten zusätzliche Mechanismen eingerichtet werden.

Außerdem sollten die EU-Indien-Beziehungen regelmäßig auf die Tagesordnung des Rates gesetzt werden.

3. UNSETZUNG UND FOLLOW-UP

Die Kommission ersucht den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, die Stoßrichtung dieser Mitteilung und das im Anhang beigefügte Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zu billigen.

Die Kommission hofft, dass dies zum Auftakt einer kollektiven Reflexion über die Aufwertung der EU-Indien-Beziehungen zu einer wirklichen strategischen Partnerschaft wird. Die wichtigsten Leitlinien, die sich im Zusammenhang mit der Debatte über diese Mitteilungen herauskristallisieren, könnten beim 5. EU-Indien-Gipfeltreffen vorgestellt werden, bei dem Indien möglicherweise mit seinem eigenen Strategiepaper aufwartet. Beide könnten die Grundlage für ein Seminar der wichtigsten Akteure beider Seiten liefern, das unverbindliche Leitlinien für eine weitere Vertiefung der EU-Indien-Beziehungen in Form eines Aktionsplans und einer neuen gemeinsamen politischen Erklärung der EU und Indiens erarbeitet. Beide könnten beim 6. EU-Indien-Gipfeltreffen 2005 verabschiedet werden.