52004DC0312

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union - Künftige Maßnahmen /* KOM/2004/0312 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT - Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union - Künftige Maßnahmen

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

Derzeitige Lage

1. Die Clearing- und Abrechnungssysteme

2. Die in den Giovannini-Berichten genannten Hemmnisse

3. Fehlen eines gemeinsamen Regulierungs-/Aufsichtsrahmens

4. Fehlen gleicher Wettbewerbsbedingungen

Die Ziele der Kommission

Die praktischen Initiativen der Kommission

1. Einrichtung der ,Beratungs- und Überwachungsgruppe für Clearing und Abrechnung"

2. Rahmenrichtlinie für effiziente und sichere Clearing- und Abrechnungssysteme in ganz Europa

2.1 Zugangs- und Wahlrechte

2.2 Gemeinsamer Regulierungs-/Aufsichtsrahmen

2.3 Governance

3. Behebung gesetzlicher und steuerrechtlicher Unterschiede

3.1 Das Projekt Rechtssicherheit

3.2 Steuerfragen

4. Wettbewerbspolitik

Schlussfolgerungen

EINLEITUNG

Die Schaffung eines integrierten und effizienten europäischen Kapitalmarkts ist eines der wichtigsten und ehrgeizigsten wirtschaftspolitischen Projekte, an denen derzeit innerhalb der Europäischen Union gearbeitet wird. Seit der Einführung des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen im Jahre 1999 sind enorme Fortschritte zur Erreichung dieses Ziels gemacht worden, und zwar sowohl im Bereich der Gesetzgebung als auch im Hinblick auf die Marktintegration.

Ein wesentlicher Bestandteil dieser Rahmenbedingungen wird in der Sicherheit und Effizienz der für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften (,Clearing und Abrechnung") erforderlichen Systeme bestehen. Diese Systeme, die für den Kleinanleger größtenteils nicht transparent sind, liegen allen Wertpapiermärkten zugrunde und sind für ihre reibungslose Funktionsweise unabdingbar.

Obwohl die diesen Abläufen und Mechanismen zugrunde liegenden Konzepte recht überschaubar sind, lassen sich die Mechanismen selbst nur schwer in die Praxis umsetzen, insbesondere im grenzübergreifenden Umfeld. Rein inländische Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen innerhalb der EU sind relativ kostengünstig und sicher. Doch grenzübergreifende Systeme sind komplex und fragmentiert, was zu weitaus höheren Kosten und Risiken und einer stärkeren Ineffizienz beiträgt. Ohne effiziente Clearing- und Abrechnungssysteme bleibt die Bereitschaft der Marktteilnehmer zum Handel mit europäischen Wertpapieren eingeschränkt, was sich auf die Liquidität der Finanzmärkte auswirkt und zu höheren Kapitalkosten als eigentlich erforderlich führt.

Vor diesem Hintergrund steigern die Marktkräfte die Nachfrage nach einer weitaus höheren europaweiten Effizienz. Die Einführung des Euro und Verbesserungen im Bereich der Informationstechnologie haben dazu beigetragen, dass grenzübergreifende Transaktionen absolut und prozentual gesehen zugenommen haben. Demzufolge sind auch die Beanspruchung der Clearing- und Abrechnungssysteme sowie die an diese Systeme gestellten Erwartungen beträchtlich gestiegen. Dienstleister im Bereich Clearing und Abrechnung bemühen sich aus eigenen Kräften oder über Zusammenschlüsse und Allianzen um eine Leistungsverbesserung, eine Senkung der Kosten und eine europaweite Präsenz, was allmählich zu einer erheblichen Umstrukturierung führt. Gleichzeitig ergreifen Regulierungs-, Aufsichts- und Überwachungsbehörden Maßnahmen, um die für Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme geltenden Normen transparenter und einheitlicher zu gestalten und ihre Aufsichtsverfahren zu aktualisieren und zu verbessern, damit sie den durch die Marktentwicklung bedingten Herausforderungen besser gewachsen sind und eine größere Sicherheit gewährleistet ist.

In dieser Mitteilung beschreibt die Kommission, mit welchen Maßnahmen sie die Clearing- und Abrechnungssysteme in Zukunft verbessern möchte. Dabei basiert der Ansatz der Kommission auf den folgenden Überlegungen:

-Angestrebt wird die Schaffung eines effizienten, integrierten und sicheren Marktes für Clearing und Abrechnung von Wertpapiergeschäften;

-Die Integration der Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme bedarf einer Intervention aller Marktkräfte und Behörden. In diesem Zusammenhang wird sich die Kommission um eine bessere Abstimmung zwischen Organen aus dem Privatsektor, Regulierungsbehörden und der nationalen Gesetzgebung bemühen, um das gewünschte Ergebnis auf möglichst effiziente Weise zu erzielen;

-In einem integrierten, hindernisfreien Umfeld sollten Infrastrukturbetreiber und Benutzer der betreffenden Dienstleistungen ein Zugangs- und Wahlrecht für das von ihnen bevorzugte, einwandfrei zugelassene, überwachte und nach den in der EU geltenden Wettbewerbsregeln operierende Clearing- und Abrechnungssystem haben. Zur Schaffung eines solchen liberalisierten Umfelds und zur gegenseitigen Anerkennung der Systeme werden rechtliche Schritte auf EU-Ebene, nämlich durch die Einführung einer Rahmenrichtlinie, erforderlich sein;

-Bei der Ausübung ihrer Befugnisse wird die Kommission die im EU-Vertrag verankerten Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit respektieren sowie den verschiedenen, in den einzelnen Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Marktstrukturen bestehenden Systemen Rechnung tragen.

-Die rechtlichen Grundlagen für Clearing und Abrechnung in der EU sollten klar, verlässlich und kohärent sein.

-Die weitere Konsolidierung der Clearing- und Abrechnungssysteme innerhalb der EU sollte in erster Linie marktgesteuert sein, um den berechtigten Interessen und Bedenken der Öffentlichkeit gerecht zu werden.

Die Kommission bittet das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen, nationale Regulierungs- und Aufsichtsbehörden, sonstige Organisationen und Verbände auf EU- und auf nationaler Ebene, Marktteilnehmer, institutionelle Anleger, Infrastruktur- bzw. Systembetreiber sowie alle sonstigen interessierte Kreise, bis zum 30. Juli 2004 zu allen Aspekten dieser Mitteilung Stellung zu nehmen.

Die endgültige Beschlussfassung über den Aktionsplan und den genauen Inhalt der unter Umständen zu ergreifenden Maßnahmen soll im Laufe des Jahres 2005 erfolgen.

DERZEITIGE LAGE

1. Die Clearing- und Abrechnungssysteme

In der vorliegenden Mitteilung dient der Begriff "Clearing und Abrechnung" zur Be- und Umschreibung sämtlicher Systeme, die für die Abwicklung eines Geschäfts mit Wertpapieren oder Derivaten erforderlich sind [1]. Diese Systeme schließen eine Vielzahl von Institutionen, Instrumenten, Vorschriften, Verfahren, Normen und technischen Mitteln ein.

[1] Sofern nicht anders angegeben, gilt der Begriff ,Transaktion(en)" bzw. ,Geschäft(e)" für Wertpapier- und Derivatgeschäfte bzw. -transaktionen.

Die Wahrnehmung von Clearing- und Abrechnungsfunktionen ist hauptsächlich Institutionen wie den Zentralverwahrern (kurz CSD aus dem Englischen ,Central Securities Depositories) und zentralen Gegenparteien anvertraut worden. Den Erstgenannten kommen vorwiegend Aufgaben im Hinblick auf die Abrechnung und Verwahrung zu, während Letztere in der Regel Funktionen im Hinblick auf das Clearing wahrnehmen. Normalerweise haben Zentralverwahrer und zentrale Gegenparteien keinen Geschäftsverkehr mit Kleinanlegern. Der Zugang zu diesen Einrichtungen wird über andere Institutionen angeboten, nämlich über Verwahrstellen und Clearing-Mitglieder, die als Intermediäre für die Erbringung von Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen fungieren. Gewisse Intermediäre wollen u. U. jedoch keinen direkten Zugang zu diesen Institutionen, sondern nehmen stattdessen die Dienste anderer Intermediäre in Anspruch. Infolgedessen ist eine mehrschichtige Intermediärstruktur denkbar.

Kurz zusammengefasst lässt sich die Vielzahl institutioneller Systeme, die für die Abwicklung eines Wertpapiergeschäfts erforderlich sind, als ein Wertpapierclearing- und -abrechnungssystem definieren. Innerhalb dieses breiten Umfelds kann weiter zwischen Wertpapier abrechnungssystemen, zentralen Gegenparteien, Verwahr- und Clearing-Mitgliedern unterschieden werden. Dabei schließen Wertpapierabrechnungssysteme sämtliche Institutionen ein, die Vorabrechnungs-, Abrechnungs- und Verwahrungsfunktionen ausüben, während sich zentrale Gegenparteien als Institutionen definieren lassen, die Clearing-Funktionen wahrnehmen. In der vorliegenden Mitteilung umfasst die Funktion Clearing alle Aktivitäten, mit denen potenzielle Verluste bei Ausfall einer Gegenpartei für ein Geschäft (,Eindeckungsrisiko") abgesichert werden sollen [2]. Verwahrstellen erbringen Intermediär dienste im Bereich der Abrechnung, wohingegen Clearing-Mitglieder Intermediärdienste im Bereich des Clearings erbringen.

[2] Anmerkung des Übersetzers: da die Bedeutung des engl. ,Clearing" durch deutsche Entsprechungen möglicherweise nicht genau wiedergegeben wird, wird in dieser Mitteilung durchgängig der englische Begriff verwendet.

Ursprünglich bezog sich Clearing hauptsächlich auf den der Abrechung vorausgehenden Vorgang der Berechnung von gegenseitigen Verpflichtungen hinsichtlich der Übergabe von Wertpapieren und Geld auf Brutto- oder Nettobasis. Dieser Vorgang kann zusätzlich ein Netting (Saldierung) mit Novation (Schuldumschaffung durch gegenseitige Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten) beinhalten, was zur Folge hat, dass das Eindeckungsrisiko von Gegenparteien abgesichert wird. Da das Risikoprofil für diese beiden Aktivitäten unterschiedlich ist, betrachtet diese Mitteilung die ersteren Aktivitäten (d.h. den reinen Vorgang der Berechnung gegenseitiger Verpflichtungen) als Teil der Vor-Abrechnung (Pre-Settlement), wohingegen die letzteren Aktivitäten als Clearing definiert werden (d.h. jene, die zur Folge haben, das Eindeckungsrisiko (das Risiko, das darin besteht, dass der Verkäufer die Wertpapiere nicht besitzt, wenn er sie liefern muss) von Gegenparteien abzusichern). Demgegenüber wird die Abrechnung (Settlement) als die endgültige Übertragung der Wertpapiere vom Verkäufer zum Käufer und des Geldes vom Käufer zum Verkäufer angesehen.

Grenzübergreifende Transaktionen können über die folgenden Kanäle abgerechnet werden:

1) über direkten Fernzugang zum ausländischen Wertpapierabrechnungssystem;

2) durch Inanspruchnahme einer Verwahrstelle mit direktem oder indirektem Zugang zum ausländischen Wertpapierabrechnungssystem, in der Regel über einen lokalen Marktteilnehmer;

3) durch Inanspruchnahme eines Zentralverwahrers oder Internationalen Zentralverwahrers [3], der als Intermediär fungiert und einen direkten oder indirekten Zugang zum ausländischen Wertpapier abrechnungssystem hat.

[3] Internationale Zentralverwahrer sind Wertpapierabrechnungssysteme für Eurobonds. Euroclear Bank und Clearstream Banking Luxembourg sind die beiden einzigen Beispiele für Internationale Zentralverwahrer.

In einem grenzübergreifenden Umfeld können Wertpapierabrechnungssysteme externen Marktteilnehmern direkte Dienstleistungen in Bezug auf Wertpapiere bieten, für die sie als Endabrechnungsstelle agieren (s. Option 1 oben). Wie bereits erwähnt, fungieren Verwahrstellen üblicherweise als Intermediär für abrechnungsspezifische Tätigkeiten. In dieser Funktion sind sie auch bei der grenzübergreifenden Abrechnung tätig (s. Option 2 oben). Auch Wertpapierabrechnungssysteme können als Intermediär fungieren, d. h. als Anleger-Wertpapierabrechnungssystem in Bezug auf die Wertpapiere, die in einem anderen Wertpapierabrechnungssystem endgültig aufbewahrt werden, einem so genannten Emittenten-Wertpapierabrechnungssystem (s. Option 3 oben).

Daher stehen Wertpapierabrechnungssysteme in ihrer Funktion als Intermediär und die Verwahrstellen bei der Erbringung grenzübergreifender Abrechnungsdienstleistungen zumindest potenziell im Wettbewerb zueinander. Da das Emittenten-Wertpapierabrechnungssystem einen direkten Fernzugang anbieten kann, ist bei der Erbringung grenzübergreifender Abrechnungsdienstleistungen zumindest potenziell auch ein Wettbewerb mit den Anleger-Wertpapierabrechnungssystemen und den Verwahrstellen möglich [4].

[4] Dies gilt auch für das Clearing über eine zentrale Gegenpartei. Grenzübergreifendes Clearing kann entweder auf Fernzugangsbasis oder über die Dienstleistungen eines allgemeinen Clearing-Mitglieds oder über die Dienstleistungen einer anderen zentralen Gegenpartei erfolgen. Im letztgenannten Fall behandelt die zentrale Gegenpartei im Ausland die ,Anleger-CCP" (anlegerseitige zentrale Gegenpartei) als Marktteilnehmer, die proportional zu den Positionen der Letztgenannten Einschusszahlungen fordert.

Die derzeitigen Systeme für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften in der EU werden auf nationaler Ebene in der Regel als effizient, doch auf grenzübergreifender Ebene als ausgesprochen ineffizient angesehen. Historisch betrachtet haben sich Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme in der EU auf rein nationaler Basis entwickelt, da der grenzübergreifende Wertpapierhandel in der Vergangenheit nur sehr beschränkt war. Aufgrund der Kosten- und Größenvorteile, durch die sich Wertpapierabrechnungssysteme und zentrale Gegenparteien auszeichnen, haben nationale Systeme einen Konsolidierungsprozess durchlaufen, was zur Schaffung nationaler Monopole oder monopolähnlicher Strukturen geführt hat, die unter einheitlichen technischen, rechtlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen operieren.

Die Ineffizienz grenzübergreifender Systeme in der EU ist auf einen Mangel an globalen technischen Normen, die derzeit unterschiedlichen Geschäftspraktiken und ungleiche steuerliche, gesetzliche und rechtliche Voraussetzungen zurückzuführen. Infolgedessen ist ein grenzübergreifendes Clearing- und Abrechnungswesen in der EU weitaus kostspieliger und komplexer als auf rein nationaler Ebene und u. U. auch weniger sicher. Im Zuge der Schaffung eines europäischen Finanzbinnenmarkts und angesichts der Tatsache, dass Anlagestrategien in zunehmendem Maße auf gesamteuropäischen, sektorspezifischen Überlegungen basieren, ist diese fragmentierte Marktstruktur nicht mehr akzeptabel.

Die Entschließung des Europäischen Parlaments vom Januar 2003 [5] hob hervor, dass die bestehenden Clearing- und Abrechnungsvereinbarungen eine effiziente Abwicklung von grenzüberschreitenden Transaktionen nicht gewährleisten und es daher nicht möglich ist, einen Binnenmarkt in Finanzdienstleistungen vollständig zu nutzen. Das Parlament stellte fest, dass der gegenwärtige Zustand des Marktes die Erstellung eines Richtlinienvorschlags notwendig macht. Das Parlament schlägt vor, das Risiko der Zentralverwahrer auf das Betriebsrisiko zu begrenzen und die Erbringung von Mehrwertdiensten durch Zentralverwahrer einer funktionalen Trennung zu unterwerfen. Weiterhin forderte es die Kommission auf, das US-Beispiel eines vereinheitlichten Rahmens für Clearing, Abrechnung und Verwahrung zu untersuchen. Die Kommission bittet die interessierten Kreise, Stellung zu nehmen, ob sie es wünschen, dass im Zusammenhang mit dem Vorschlag des EP weitere Untersuchungen stattfinden sollten.

[5] Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament 'Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union. Die wichtigsten politischen Fragen und künftigen Herausforderungen' (KOM(2002) 257 - C5-0325/2002 - 2002/2169(COS))

2. Die in den Giovannini-Berichten genannten Hemmnisse

Den in diesem Bereich festgestellten Problemen wurde in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit geschenkt. Neben anderen Berichten über diesen Themenkomplex wurden in den beiden Berichten der Giovannini-Gruppe im Wesentlichen 15 Gründe für die Fragmentierung und Ineffizienz genannt, bei denen zwischen technischen bzw. durch Marktpraktiken bedingten Barrieren, durch Steuerverfahren bedingten Hindernissen und Rechtsbarrieren unterschieden wurde (die ,Giovannini-Hemmnisse") [6]. Die Berichte kommen zu dem Schluss, dass das Clearing- und Abrechnungsumfeld in der EU auch weiterhin neben den nationalen, nicht integrierten Märkten bestehen bleibt, bis diese Hindernisse überwunden worden sind. [7]

[6] Anhang 1 enthält eine Liste der in den Giovannini-Berichten genannten Hemmnisse. Der vollständige Wortlaut der beiden Giovannini-Berichte kann von der Website der Kommission abgerufen werden und wird daher in der vorliegenden Mitteilung nicht näher erläutert.

[7] Die Bedeutung und Tragweite der von der Giovannini-Gruppe erkannten Hindernisse sowie das Fehlen eines gemeinsamen Regulierungs-/Aufsichtsrahmens und gleicher Wettbewerbsbedingungen für Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme (s. u.) waren Gegenstand der ersten Mitteilung der Kommission zum Thema Clearing und Abrechnung: ,Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union - Die wichtigsten politischen Fragen und künftigen Herausforderungen", KOM(2002)257, 28.5.2002, die von der folgenden Website abgerufen werden kann: http://europa.eu.int/comm/internal_market/ en/finances/mobil/clearing/index.htm.

Alle Giovannini-Hemmnisse behindern zwar die Integrierung der europäischen Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme, wirken sich allerdings unterschiedlich auf die Art und Weise aus, wie das grenzübergreifende Clearing bzw. die grenzübergreifende Abrechnung in der Praxis umgesetzt wird. In den Berichten werden die Beschränkungen in Bezug auf den Ort des Clearings bzw. der Abrechnung als eines der wichtigsten Hindernisse angeführt. Da diese Beschränkungen den Marktteilnehmern keinen freien Zugang zu den Orten für das Clearing bzw. die Abrechnung und auch kein Wahlrecht für solche Orte gewähren, ist eine wesentliche Voraussetzung für einen stärkeren Wettbewerb und eine höhere Effizienz bei der Erbringung grenzübergreifender Dienstleistungen einfach nicht gegeben.

Doch selbst wenn es gelänge, die Hindernisse in Bezug auf den Ort des Clearings und der Abrechnung zu beseitigen, würden andere von der Giovannini-Gruppe erkannte Hemmnisse nach wie vor die tatsächliche Ausübung der fraglichen Zugangs- und Wahlrechte beschränken. So würden einige Hemmnisse dazu beitragen, dass die Inanspruchnahme der Dienste lokaler Marktteilnehmer für den Zugang zu ausländischen Wertpapierabrechnungssystemen weitaus attraktiver oder sogar zwingend erforderlich ist. Dies gilt für alle Maßnahmen, für deren Ausführung das Fachwissen oder eine genaue Kenntnis der lokalen Gegebenheiten (z. B. nationale Unterschiede im Hinblick auf die Behandlung von intermediär-verwahrten Wertpapieranteilen, Unterschiede bei den Vorschriften und Verfahren, die sich auf Maßnahmen auf Unternehmensebene (,corporate actions") beziehen, Unterschiede bei den Emissionspraktiken usw.) erforderlich ist, und trifft auch zu, wenn eine lokale Beteiligung zwingend notwendig ist (z. B. gemäß den Vorschriften von Mitgliedstaaten, in denen die Quellensteuer von lokalen Intermediären erhoben werden muss). Diese Barrieren verhindern, dass ausländische Anleger oder Intermediäre grenzübergreifenden Abrechnungskanäle, sondern nur lokale Akteure in Anspruch nehmen.

Durch eine andere Gruppe von Hemmnissen wird die Nutzung von Wertpapierabrech nungssystemen als Intermediäre bei der grenzübergreifenden Abrechnung effektiv eingeschränkt. Diese Kategorie von Hindernissen würde sich beispielsweise auf die Betreibung von Umsatzsteuern auswirken, die nur über in das lokale Wertpapierabrechnungssystem integrierte Funktionen eingezogen werden könnten. Die Nutzung eines anderen Systems könnte zu höheren Umsatzsteuern führen. Infolgedessen wären die Marktteilnehmer aus Kostengründen nicht in der Lage, ihren bevorzugten Abrechnungsort zu nutzen.

Andere Hemmnisse führen beim Vergleich mit dem inländischen Clearing bzw. der inländischen Abrechnung zu Mehrkosten und/oder zusätzlichen Risiken (z. B. Unterschiede in der Informationstechnologie und bei den Schnittstellen). Die Beseitigung dieser Barrieren wird zu einer Senkung der Gesamtkosten und Verringerung der Risikounterschiede zwischen grenzübergreifenden und nationalen Clearing- und Abrechnungssystemen beitragen.

3. Fehlen eines gemeinsamen Regulierungs-/Aufsichtsrahmens

Ein anderes charakteristisches Merkmal der europäischen Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme ist der Umstand, dass kein gemeinsamer Regulierungs-/Aufsichtsrahmen vereinbart wurde. Die Behörden sind aus Sicht des Anlegerschutzes und der Systemzuverlässigkeit und -stabilität für die Sicherheit der Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme verantwortlich. Bei grenzübergreifend operierenden Systemen müssen die nationalen Behörden auch sicher sein können, dass alle angeschlossenen ausländischen Systeme einwandfrei reguliert und überwacht werden.

Da kein gemeinsamer Regulierungsrahmen vorhanden ist, können Regulierungsbehörden den Zugang zu ausländischen Systemen verweigern oder deren Nutzung ablehnen, um eine reibungslose Funktionsweise der Märkte und Finanzstabilität zu gewährleisten.

Als Reaktion auf diese Bedenken haben das Europäische Zentralbanksystem (ESZB) und der Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (kurz CESR aus dem Englischen ,Committee of European Securities Regulators") eine gemeinsame Arbeitsgruppe namens EZBS/CESR-Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung gemeinsamer Standards für Einrichtungen eingesetzt, die Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen in der EU erbringen. Ihre Arbeit basiert auf der Anpassung der CPSS-IOSCO [8]-Empfehlungen [9] an das europäische Umfeld. Im Juli 2003 veröffentlichten EZBS und CESR ihren Normenentwurf im Rahmen eines Konsultationsverfahrens [10]. Da die Standards keinen rechtsverbindlichen Charakter haben werden, treten sie auch nicht an die Stelle nationaler Rechtsvorschriften, die sich auf ihre praktische Umsetzung seitens der zuständigen nationalen Behörden auswirken könnten.

[8] Ausschuss für Zahlungs- und Abrechnungssysteme der Zentralbanken der Länder der Zehnergruppe (G10) und Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden.

[9] Empfehlungen für Wertpapierabwicklungssysteme, Bericht der CPSS-IOSCO-Arbeitsgruppe für Wertpapierabwicklungssysteme, November 2001.

[10] ,Konsultationsbericht: Standards für Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme in der Europäischen Union" (Standards for Security Clearing and Settlement Systems in the European Union), Juli 2003.

4. Fehlen gleicher Wettbewerbsbedingungen

Der Umstand, dass in der EU keine geeigneten gesetzlichen Rahmenbestimmungen für Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme bestehen und bestimmte Institutionen, die Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen erbringen, als Banken/Wertpapierfirmen zugelassen sind, wirft zwei wesentliche wettbewerbstechnische Fragen auf.

Während Banken und Wertpapierfirmen aufgrund ihres ISD-Passes Verwahrungs- und Abrechnungsdienstleistungen auf grenzübergreifender Basis anbieten können, haben Anbieter von Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen, die keine Banken oder Wertpapierfirmen sind, keine entsprechende Berechtigung.

Desgleichen gibt es Unterschiede bei den für die Anbieter von Clearing- und Abrechnungsleistungen geltenden Eigenkapitalvorschriften. Diese Unterschiede bestehen insbesondere zwischen Einrichtungen, die als Banken zugelassen sind, und solchen, die nicht als Banken zugelassen sind. Infolge der mangelnden Harmonisierung in diesem Bereich gibt es darüber hinaus auch Unterschiede zwischen Institutionen, die Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen erbringen, doch nicht als Banken zugelassen sind.

Weiterhin, während es als Banken zugelassene Einrichtungen geben kann, die sowohl Intermediär- und Bankdienstleistungen als auch zur Kerninfrastruktur gehörende Verwahr- und Abrechnungsdienstleistungen anbieten können, stehen diese Rechte möglicherweise Verwahrstellen in einigen Mitgliedsstaaten nicht zu.

DIE ZIELE DER KOMMISSION

Das vorrangige Ziel der Kommission besteht in der Schaffung von Wertpapierclearing- und -abrechnungssystemen in der EU, die effizient und sicher sind und gleiche Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Anbieter von Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen gewährleisten. Zur Erreichung dieses Ziels müssen nach Auffassung der Kommission die folgenden Maßnahmen und Strategien verfolgt werden:

(a) die Liberalisierung und Integrierung der vorhandenen Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme durch die Einführung umfassender Zugangsrechte auf allen Ebenen und die Beseitigung der vorhandenen Hindernisse für das grenzübergreifende Clearing bzw. die grenzübergreifende Abrechnung;

(b) die kontinuierliche Anwendung der Wettbewerbsregeln zur Verfolgung restriktiver Marktpraktiken und Überwachung der weiteren Marktkonsolidierung;

(c) die Einführung eines gemeinsamen Regulierungs- und Aufsichtsrahmens, der die Stabilität des Finanzsystems und Anlegerschutz gewährleistet und zur gegenseitigen Anerkennung der Systeme führt;

(d) die Anwendung geeigneter Governance-Regeln.

Voraussetzung für liberalisierte und integrierte Wertpapierclearing- und -abrechnungs systeme in der EU ist, dass die verschiedenen Optionen für das grenzübergreifende Clearing und die grenzübergreifende Abrechnung für Märkte, Anbieter von Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen und Anleger gleichermaßen zur Verfügung stehen. Nur bei uneingeschränkten Auswahlmöglichkeiten in Bezug auf das Clearing und die Abrechnung grenzübergreifender Transaktionen ist fairer Wettbewerb auch tatsächlich gegeben und kann sich in Form günstigerer Preise und größerer wirtschaftlicher Effizienz positiv auswirken.

Zur Gewährleistung dieser uneingeschränkten Auswahlmöglichkeiten müssen die Systeme aufeinander zugreifen können. Daher besteht nach Auffassung der Kommission ein wesentlicher Schritt zur Schaffung eines liberalisierten und integrierten Marktes für das Clearing- und Abrechnungswesen in der EU darin, allen Anbietern von Wertpapierclearing- und -abrechnungsdienstleistungen, einschließlich zentralen Gegenparteien und Wertpapier abrechnungssystemen, umfassende Wahl- und Zugangsrechte zu gewähren. Dies ist aufgrund der immer noch vorhandenen nationalen und kommerziellen Beschränkungen für den Clearing- und Abrechnungsort weder heute noch nach Annahme des Vorschlags für die neue Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (ISD) der Fall.

Die Einführung umfassender Zugangs- und Wahlrechte wird jedoch ohne den Abbau der in den Giovannini-Berichten genannten Hemmnisse weder nachhaltig wirksam noch ausreichen. Die Beseitigung der technischen Hemmnisse oder der durch Marktpraktiken bedingten Barrieren, der durch Steuerverfahren bedingten Hindernisse und der Rechtshemmnisse ist eine Grundvoraussetzung für die angestrebte Integrierung des Clearing- und Abrechnungswesens in der EU. Aus diesem Grunde unterstützt die Kommission den in den beiden Giovannini-Berichten vertretenen generellen Ansatz. Außerdem befürwortet die Kommission den speziellen Vorschlag der Giovannini-Gruppe, wonach die Hemmnisse durch gemeinsame Anstrengungen des privaten und des öffentlichen Sektors und in zweckdienlicher Reihenfolge beseitigt werden sollten.

Eine andere wichtige Barriere für das grenzübergreifende Clearing bzw. die grenzübergreifende Abrechnung, die von den Behörden abgebaut werden muss, bezieht sich auf die Kassamarktposition von Wertpapiergeschäften. Zurzeit haben externe Marktteilnehmer in den nationalen Zentralbanken des Eurosystems keinen Zugang zu den Kreditfazilitäten im Intradayhandel, die von diesen Zentralbanken für inländische Marktteilnehmer angeboten werden. Dieser Umstand stellt kein Problem für die Wertpapierabrechnung während der TARGET [11]-Betriebszeiten dar, da die TARGET-Teilnehmer Gelder mühelos von einem Konto auf ein anderes transferieren können. Doch außerhalb der TARGET-Betriebszeiten wird es problematisch, insbesondere wenn Wertpapierabrechnungssysteme über Nacht Abrechnungsprozesse durchführen.

[11] TARGET ist das europäische Netzwerk von Echtzeit-Brutto-Zahlungsverkehrssystemen.

Die Kommission ist generell der Auffassung, dass die grenzübergreifende Abrechnung der Kassamarktposition von Wertpapiergeschäften nach Möglichkeit auf die Ziele des Eurosystems und der anderen europäischen Zentralbanken abgestimmt werden sollte, indem Banken beispielsweise gestattet wird, fluessige Mittel auf einem Zentralbankkonto zentral zu verwalten und dann während der Betriebszeiten der Wertpapierabrechnungssysteme zu transferieren oder alternativ nur ein Konto zur Unterstützung ihrer Abrechnungstätigkeiten in der EU [12] zu verwenden, wie es nach der geplanten verbesserten Version von TARGET (TARGET 2 [13]) möglich sein wird.

[12] Im CESR/ESZB-Konsultationsbericht wird eine ähnliche Empfehlung für Zentralbanken angesprochen, wonach diese ,den Mechanismus für die Bereitstellung von Zentralbankgeldern z. B. durch eine Verlängerung der Arbeitszeit des Zahlungsverkehrssystems und durch Erleichterung des Zugangs zu Geldkonten der Zentralbank verbessern sollten."

[13] EZB: ,TARGET 2: Grundsätze und Struktur" vom 16 Dezember 2002. TARGET 2 bietet die Möglichkeit, die technischen Plattformen der nationalen Systeme ,in den Banken zu konsolidieren, die...sich entschließen, ihre separaten Plattformen aufzugeben." Diese Konsolidierung wird die grenzübergreifende Abrechnung zweifellos erleichtern.

Obwohl die Liberalisierung und Integrierung der Märkte wichtige Komponenten des gesamten Prozesses sind, werden sie allein nicht ausreichen, um effiziente Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme in Europa zu gewährleisten. Die zuständigen Behörden müssten auch gewährleisten, dass die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen von den Anbietern von Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen uneingeschränkt eingehalten werden. Die Integrierung der vorhandenen Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme bietet die Chance für eine Effizienzsteigerung; diese Möglichkeit sollte jedoch nicht durch die Einführung wettbewerbswidriger Praktiken seitens der Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme behindert werden, wie beispielsweise durch die unfaire Zugangsverweigerung oder die Erhebung überhöhter und/oder diskriminierender Preise.

Abgesehen von den o. g. Maßnahmen ist die Kommission der Auffassung, dass in der EU ein gemeinsamer Regulierungs- und Aufsichtsrahmen eingeführt werden muss. Ein derartiger Rahmen wird die Sicherheit der Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme erhöhen und ihre gegenseitige Anerkennung ermöglichen. Denn die sichere Funktionsweise aller auf den Handelsabschluss folgender Systeme ist ausschlaggebend für die Sicherheit der Finanzmärkte und die Stabilität des gesamten Finanzsystems. Die Teilnehmer von Wertpapierclearing- und -abrechnungssystemen sind mit einer Vielzahl von Risiken konfrontiert [14]. Wenn Marktteilnehmer aufgrund des Abrechnungsfehlers eines anderen Teilnehmers nicht in der Lage sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen, könnte ein Wertpapierclearing- und -abrechnungssystem für Instabilität des Finanzsystems sorgen.

[14] Zu diesen Risiken zählen u. a. Liquiditäts-, Verwahrungs-, Betriebs- und rechtliche Risiken. Diese Probleme werden in den CPSS-IOSCO-Empfehlungen im Einzelnen erläutert.

Da Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme die Vermögenswerte verwalten, die zur Absicherung der Zahlungen in Großbetragszahlungssystemen und als Sicherheiten bei geldpolitischen Transaktionen dienen, ist ihre Sicherheit und reibungslose Funktionsweise auch für die Effizienz der Zahlungssysteme und die Geldpolitik von größter Bedeutung.

Auch ist es unerlässlich, dass Wertpapiergeschäfte zügig, effizient und nach den jeweiligen Geschäftsbedingungen abgewickelt werden. Wenn Anleger ein Wertpapierclearing- und -abrechnungssystem als unsicher erachten, sind sie nicht zum Abschluss von Finanzgeschäften bereit, die über dieses System abgewickelt werden, was sich wiederum direkt auf die Liquidität des Finanzmarktes und indirekt auf die Kapitalkosten auswirkt.

Aus diesen Gründen können Regulierungsbehörden unter den jetzigen rechtlichen Rahmenbedingungen den Zugang zu ausländischen Systemen verweigern und deren Nutzung ablehnen, wenn sie nicht davon überzeugt sind, dass eine reibungslose Funktionsweise der Märkte, für die sie verantwortlich sind, und die Finanzstabilität insgesamt gewährleistet sind.

Nach Auffassung der Kommission muss diesen Bedenken Rechnung getragen werden und sollten die Liberalisierung und Integrierung der Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme mit einem gemeinsamen Regulierungs- und Aufsichtssystem gekoppelt werden, das die Sicherheit des Clearing- und Abrechnungsumfeldes in der EU insgesamt erhöhen und gleichzeitig auch zur gegenseitigen Anerkennung der Systeme beitragen wird.

Die Einleitung von Maßnahmen zur Liberalisierung des Zugangs und zur Schaffung eines gemeinsamen Regulierungs-/Aufsichtsrahmens wird durch Beseitigung der Ungleichgewichte, die derzeit noch in Bezug auf die Zugangsrechte und den Kapitalbedarf zwischen den als Banken zugelassenen Anbietern und anderen Anbietern von Clearing- und Abrechnungs dienstleistungen bestehen, auch zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen beitragen. Denn gleiche Tätigkeiten sollten ungeachtet der sie ausführenden Einrichtungen auch gleich behandelt werden (,funktioneller Ansatz"). Dieser Ansatz setzt die Festlegung gemeinsamer Definitionen für die Tätigkeiten voraus, die beim Clearing- und Abrechnungsprozess zum Tragen kommen. Er ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit der Trennung von Funktionen gleichzusetzen. Jedoch werden die interessierten Kreise gebeten, zu einem solchen Ansatz im Lichte der Regelungen, die in einigen europäischen einheimischen Märkten vorhanden sind und zwischen Infrastruktur- und Bankfunktionen unterscheiden, Stellung zu nehmen.

Einigen Bedenken, die die Behörden hinsichtlich der Sicherheit von Wertpapier abrechnungssystemen und zentralen Gegenparteien sowie etwaiger wettbewerbsbeschränkender Praktiken geäußert haben, kann im Vorfeld durch verlässliche und effektive Governance-Regelungen Rechnung getragen werden. Diese sind als Ergänzung zu den o. g. Maßnahmen (Wettbewerbsregeln und effiziente Regulierung und Beaufsichtigung) zu sehen.

Die Maßnahmen der Kommission im Bereich Clearing und Abrechnung werden sich deshalb schwerpunktmäßig auf folgende Bereiche konzentrieren: (a) die Liberalisierung und Integrierung der vorhandenen Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme, (b) die Anwendung der Wettbewerbsregeln, (c) die Einführung eines gemeinsamen Regulierungs- und Aufsichtsrahmens und (d) die Einführung geeigneter Governance-Regelungen.

* * *

Voraussichtlich wird sich die Konsolidierung zwischen den Wertpapierabrechnungssystemen und zentralen Gegenparteien beschleunigen, sobald alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet sind. Die Kommission stimmt den Schlussfolgerungen in den Lamfalussy- und Giovannini-Berichten dahingehend zu, dass der Konsolidierungsprozess marktgesteuert erfolgen muss.

Sobald der geeignete Regulierungs-/Aufsichtsrahmen und Schutzmaßnahmen unter Einhaltung der Wettbewerbsregeln wirksam sind, sollten diese nach Auffassung der Kommission im Hinblick auf strukturelle Aspekte neutral sein, wie (a) Grad und Form der Konsolidierung (horizontal oder vertikal) und (b) Einräumung der Möglichkeit für Wertpapierabrechnungssysteme und zentrale Gegenparteien, Intermediär- und/oder Bankdienstleistungen anzubieten. Vorausgesetzt solche Maßnahmen sind wirksam, wird die Kommission davon absehen, eine bestimmte Markt- und/oder institutionelle Struktur vorzuschlagen oder aufzuerlegen. Sie wird auch keine Trennung der von Wertpapierabrechnungssystemen oder zentralen Gegenparteien u. U. angebotenen Intermediär- und Bankdienstleistungen vorschlagen oder verlangen. Die Marktkräfte sollen die ,endgültige" Struktur des Clearing- und Abrechnungsbereichs bestimmen. Die Märkte, also nicht die Regulierungsbehörden, sind am besten in der Lage, die Struktur dieser Branche zu bestimmen und zu entscheiden, welche Kombination aus konsolidierenden und integrierenden Maßnahmen ihren Bedürfnissen am besten gerecht wird.

Das generelle Ziel der Behörden sollte darin bestehen, diesen Prozess durch die Unterstützung der Marktkräfte zu erleichtern und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Ziele im öffentlichen Interesse erreicht werden. Diese Ziele müssen über den vorgesehenen gemeinsamen Regulierungs- und Aufsichtsrahmen, die uneingeschränkte Einhaltung und Umsetzung der in den einzelnen Ländern und auf Gemeinschaftsebene bestehenden Wettbewerbsregeln und schließlich auch über die Umsetzung geeigneter Governance-Regelungen erreicht werden.

DIE PRAKTISCHEN INITIATIVEN DER KOMMISSION

Die Erreichung der o. g. Ziele, d. h. die Einrichtung effizienter und sicherer Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme in der EU, die für die verschiedenen Anbieter von Clearing- und Abrechnungsleistungen gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleisten, wird ein zeitaufwendiger und schwieriger Prozess sein und die gemeinsamen Bemühungen aller Marktteilnehmer, Regulierungsbehörden und Gesetzgeber erfordern. Nach Auffassung der Kommission wird sie selbst wesentlich dazu beitragen müssen, die notwendigen politischen Impulse zu geben, die Maßnahmen zu koordinieren und bestimmte legislative Maßnahmen vorzuschlagen, um die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Auf Basis der o. g. Überlegungen verfolgt die Kommission die folgende Absicht:

(a) Einsetzung einer Beratungs- und Überwachungsgruppe: Die Kommission hat die Absicht, eine Beratungs- und Überwachungsgruppe zur Bewältigung und Beseitigung aller Giovannini-Hemmnisse einzusetzen, für die der Privatsektor allein oder mitverantwortlich ist, und das Integrations- und Liberalisierungsprojekt insgesamt zu unterstützen.

(b) Vorschlag einer Richtlinie für Clearing und Abrechnung: Nach Auffassung der Kommission ist es erforderlich, die marktgesteuerte Beseitigung der Giovannini-Hemmnisse durch einen sicheren Rechtsrahmen zu ergänzen, wodurch die Wahlfreiheit sichergestellt wäre, dass Clearing- und Abrechnungs dienstleistungen für Wertpapiere EU-weit auf der Basis einheitlicher Auflagen erbracht werden. Ein derartiger Rechtsrahmen soll gewährleisten, dass Beschränkungen und Hindernisse in Bezug auf den Clearing- und Abrechnungsort aufgehoben werden. Darüber hinaus soll er die gegenseitige Anerkennung der verschiedenen nationalen Systeme auf Basis des Herkunftslandprinzips sicherstellen. Bei dieser Richtlinie sollte es sich um eine Rahmenrichtlinie handeln, in der dem Lamfalussy-Konzept entsprechend lediglich allgemeine Grundsätze festgelegt werden sollen.

(c) Klärung rechtlicher und steuerlicher Fragen: Die Kommission plant die Einsetzung von Expertengruppen, die sich mit den rechtlichen und steuerlichen Hemmnissen für die Integration befassen, die derzeitige Situation analysieren und gegebenenfalls Methoden zur Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften und/oder Verfahren vorschlagen sollen.

(d) Gewährleistung der Anwendung der Wettbewerbsregeln: Die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden werden wettbewerbsbeschränkende Marktpraktiken, wie die unfaire Zugangsverweigerung oder überhöhte und/oder diskriminierende Preise, untersuchen und gleichzeitig vorhandene Monopolstellungen überwachen und ggf. bei einer weiteren Marktkonsolidierung unterstützend eingreifen.

Die Einsetzung der Beratungs- und Überwachungsgruppe und der Expertengruppen für Rechts- und Steuerfragen ist als vorrangige Maßnahme anzusehen.

1. Einsetzung der ,Beratungs- und Überwachungsgruppe für Clearing und Abrechnung"

Bei den Maßnahmen und Strategien, die zur Erreichung der Ziele der Kommission verfolgt werden müssen, erfordert die Integration der vorhandenen Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme eine stärkere Koordination zwischen den Organen und Institutionen aus dem privaten und öffentlichen Sektor. Von diesen Institutionen werden Maßnahmen zur Überwindung der Integrationshindernisse erwartet, wobei auch zweckdienliche Synergieeffekte erzielt werden sollen.

Diese vom privaten und öffentlichen Sektor durchzuführenden Maßnahmen werden sich in erheblichem Maße auf die Ausführung von Clearing und Abrechnung in der EU auswirken. Infolgedessen müssen sich Abläufe, Maßnahmen und Verhaltensweisen ändern. Die Kommission ist sich auch darüber im Klaren, dass die Marktteilnehmer abhängig von ihren jeweiligen Aufgaben und den von ihnen erbrachten Dienstleistungen nicht unbedingt die gleichen Interessen verfolgen. Für manche von ihnen wird die Teilnahme an einem offenen und integrierten Markt einen beträchtlichen Investitionsaufwand bedeuten, während für andere das Risiko, bestimmte Geschäftsbereiche an Wettbewerber zu verlieren, eine erhebliche Rolle spielen wird. Dadurch können Verzögerungen und Spannungen bei der Einführung und Umsetzung der Maßnahmen zur Überwindung der verschiedenen Barrieren entstehen.

Aus diesen Gründen müssen alle an diesem Prozess beteiligten Organe und Institutionen von der Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen überzeugt sein. Außerdem ist eine starke politische Führung erforderlich. Des Weiteren müssen die Ergebnisse des gesamten Prozesses überwacht werden, um zu gewährleisten, dass die Bemühungen nachhaltig sind und dass der allgemeine Zweck und die Zielsetzung dieses Prozesses unbedingt weiterverfolgt werden.

Die Kommission spricht sich in diesem Zusammenhang für die Einsetzung einer informellen Beratungs- und Überwachungsgruppe aus. Dieser Vorschlag entspricht den Empfehlungen der Giovannini-Expertengruppe, nach deren Auffassung die Einsetzung eines Koordinierungs- und Überwachungsmechanismus zum Erfolg des gesamten Vorhabens beitragen dürfte.

Diese Gruppe soll in Zusammenarbeit mit der Kommission insbesondere die folgenden Aufgaben wahrnehmen:

(a) Förderung des gesamten Projekts und Veröffentlichung aller erforderlichen Erklärungen und Fortschrittsberichte, damit jederzeit Transparenz gewährleistet ist;

(b) Forum für Organe und Institutionen aus dem öffentlichen und privaten Sektor zur Gewährleistung, dass diese von den jeweils erzielten Fortschritten überzeugt sind;

(c) Zusammenarbeit mit den Expertengruppen, die sich mit den Steuerhemmnissen und den durch Steuerverfahren bedingten Hindernissen befassen (s. Abschnitt 3);

(d) informelle Unterstützung der Kommission;

(e) Schnittstelle zwischen den am Prozess beteiligten Organen und Institutionen aus dem privaten und öffentlichen Sektor zwecks:

*genauer Bestimmung der Wechselwirkung zwischen den einzelnen Hemmnissen;

*Koordinierung detaillierter Aktionspläne und Gewährleistung eines kohärenten Ablaufs;

*Überwachung der Fortschritte und Planung der Abfolge der Maßnahmen;

(f) Bindeglied zur G30-Gruppe und zu anderen internationalen Gremien, um zu gewährleisten, dass die Initiativen in der EU mit den auf internationaler Ebene ergriffenen Maßnahmen in Einklang stehen.

Diese ,Beratungs- und Überwachungsgruppe für Clearing und Abrechnung" sollte sich aus hochrangigen Vertretern von verschiedenen, an diesem Projekt beteiligten Institutionen aus dem privaten und öffentlichen Sektor, einschließlich des EZBS und des CESR, zusammensetzen.

Die Kommission wird den Vorsitz in dieser Gruppe führen, die mindestens zweimal jährlich zusammenkommt und auch Fachgruppen für bestimmte Aspekte einsetzen soll.

2. Rahmenrichtlinie für effiziente und sichere Clearing- und Abrechnungssysteme in ganz Europa

Die Beseitigung der technischen Hemmnisse und der durch Marktpraktiken bedingten Barrieren, für die dem Privatsektor eine gewisse Verantwortung übertragen wurde, ist eine notwendige, wenngleich nicht ausreichende Voraussetzung für die Schaffung eines liberalisierten, integrierten und wettbewerbsfähigen Marktes für die auf den Handelsabschluss folgenden Transaktionen innerhalb der EU. Nach Auffassung der Kommission ist für die Erreichung dieses Ziels der Erlass einer Rahmenrichtlinie erforderlich, in der folgende Punkte behandelt werden:

*umfassende Zugangs- und Wahlrechte;

*gemeinsamer Rechtsrahmen;

*geeignete Governance-Regelungen.

2.1 Zugangs- und Wahlrechte

Ob es gelingt, ein integriertes Wertpapierclearing- und -abrechnungssystem zu schaffen, wird größtenteils davon abhängen, ob die Anbieter von Clearing- und Abrechungs leistungen ihren bevorzugten Clearing- und Abrechnungsort tatsächlich frei wählen können und einen uneingeschränkten und diskriminierungsfreien Zugang zu ihm haben. Aus den bei der Kommission zu ihrer ersten Mitteilung eingegangenen Stellungnahmen geht eindeutig hervor, dass nach wie vor gewisse Zugangs- und Auswahlbeschränkungen bestehen. Diese sind vielfach auf nationale Rechtsvorschriften oder deren Auslegung zurückzuführen. Dazu zählen beispielsweise Rechtsvorschriften, wonach Börsengeschäfte über ein angeschlossenes System abgewickelt werden müssen, sowie Rechtsvorschriften, die lokalen Banken bestimmte Privilegien für die Abrechnung und Abwicklung des Wertpapierportfolios einräumen. Diese oder ähnliche direkte bzw. indirekte Beschränkungen, die in einer Vielzahl von nationalen Rechtsinstrumenten verankert sind, lassen sich vermutlich auf effizienteste Weise durch die Einführung einer Rahmenrichtlinie beseitigen, durch die umfassende Zugangs- und Wahlrechte sowie die Voraussetzungen für ihre Wahrnehmung geschaffen werden. Die alternative Lösung, nämlich auf freiwillige Maßnahmen der nationalen Gesetzgeber oder Regulierungsbehörden zu setzen, würde ein geringeres Maß an Sicherheit bieten und auf lange Sicht möglicherweise auch keine EU-weite Liberalisierung gewährleisten.

Obwohl sich die EU durch innergemeinschaftliche Rechtsvorschriften bereits mit diesem Problem auseinandersetzt, sind zur Schaffung eines wirklich liberalisierten und integrierten, grenzübergreifenden nachgeschäftlichen Umfelds weitere Maßnahmen erforderlich. Die derzeit gültige Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (,Investment Services Directive", kurz ISD) [15] sieht vor, dass zugelassene Wertpapierhäuser und Banken das Recht auf direkten oder indirekten Zugang zu Clearing- und Abwicklungssystemen haben, die für Mitglieder der geregelten Märkte innerhalb der EU zur Verfügung stehen. Dieser Bestimmung zufolge muss zugelassenen Firmen mit einem Fernzugang zu geregelten Märkten unter den gleichen Bedingungen wie für lokale Marktteilnehmer auch der Zugang zu den Clearing- und Abrechnungssystemen dieses Marktes gewährt werden.

[15] Richtlinie 93/22/EWG vom 10. Mai 1993, ABl. Nr. L 141/27

Die neue ISD [16] sieht eine Erweiterung dieses Rechts dahingehend vor, dass zugelassene Wertpapierhäuser nunmehr auch direkt auf Clearing- und Abrechnungssysteme in einem anderen Mitgliedstaat zugreifen können, selbst wenn sie nicht Mitglied eines geregelten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems in diesem Mitgliedstaat sind. Die neue Richtlinie sieht auch Wahlmöglichkeiten für Märkte und zugelassene Wertpapierhäuser beim Order-Routing für das Clearing bzw. die Abrechnung vor. Demnach räumt der Vorschlag die folgenden Rechte ein:

[16] Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente , zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2000/12/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 7. April 2004. Die Richtlinie sieht in ihrem Artikel 34 folgendes vor ,Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass Wertpapierfirmen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet für den Abschluss von Geschäften mit Finanzinstrumenten oder die Vorkehrungen zum Abschluss von Geschäften mit Finanzinstrumenten das Recht auf Zugang zu zentralen Gegenparteien, Clearing- und Abrechnungssystemen haben. Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass für den Zugang dieser Wertpapierfirmen zu diesen Ein richtungen dieselben nichtdiskriminierenden, transparenten und objektiven Kriterien gelten wie für inländische Teilnehmer. Die Mitgliedstaaten beschränken die Nutzung dieser Einrichtungen nicht auf Clearing und Abrechnung von Geschäften mit Finanzinstrumenten, die auf einem geregelten Markt oder über ein MTF in ihrem Hoheits gebiet getätigt werden."

a) für zugelassene Firmen: das Recht auf Zugang zu zentralen Gegenparteien und Wertpapierabrechnungssystemen in anderen Mitgliedstaaten;

b) für zugelassene Firmen: das Recht auf freie Wahl des Abrechnungsortes für ihre Transaktionen, sofern:

-die notwendigen Verbindungen zum System ihrer Wahl bestehen;

-die für den geregelten Markt zuständige Behörde der Auffassung ist, dass das bevorzugte System ein reibungsloses und ordnungsgemäßes Funktionieren der Finanzmärkte ermöglicht.

c) für geregelte Märkte: das Recht auf Inanspruchnahme der Dienstleistungen von zentralen, in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gegenparteien für einige oder alle Transaktionen bzw. Geschäfte; dabei hat die für diesen geregelten Markt zuständige Behörde jedoch ein Einspruchsrecht, wenn die Nutzung einer zentralen Gegenpartei im Ausland das ordnungsgemäße Funktionieren dieses geregelten Marktes nachweislich gefährdet [17].

[17] Der neue Richtlinienvorschlag trägt den Bedenken der Behörden, ausländische Systeme zu nutzen, solange diese nicht auf Basis eines gemeinsamen Rechtsrahmens betrieben werden, eindeutig Rechnung.

Die nach der neuen ISD gewährten Zugangsrechte sind nicht umfassend und ermöglichen daher auch keine Integrierung der Systeme auf allen Ebenen. Sie gelten nur für zugelassene Firmen; zentrale Gegenparteien und Wertpapier abrechnungssysteme haben kein entsprechendes Recht auf Mitgliedschaft in anderen Systemen. Dadurch sind zugelassene Firmen bei der Ausübung ihres entsprechenden Rechts auf freie Wahl des Abrechnungsortes eingeschränkt.

Durch das nach der neuen ISD gewährte Recht auf Wahl des Abrechnungsortes müssen zugelassene Firmen nicht mehr Mitglied mehrerer Wertpapierabrechnungssysteme bleiben. Durch dieses Recht können sie aufgrund ihrer eigenen Geschäftsanforderungen frei entscheiden, an welchem Ort Transaktionen abgewickelt und Wertpapiere verwahrt werden sollen. Daher können sie frei bestimmen, ob Anteile zentral in einem System oder in mehreren Systemen verwaltet werden, wobei die freie Auswahl auf Basis der Kosten, der Effizienz, des Zugangs zu Finanzierungsmitteln, der Dienstgüte oder anderer für sie wichtiger Überlegungen erfolgt. Dadurch wird die Komplexität verringert und die Sicherheitenverwaltung effizienter gestaltet.

Doch zugelassene Firmen können ihr Wahlrecht nur ausüben, wenn der bevorzugte Abrechnungsort einen Zugang zum ,Emittenten-Wertpapierabrechnungssystem" hat. Deshalb sollten Wertpapier abrechnungssysteme ein Zugangsrecht zu Wertpapierabrechnungssystemen aus anderen Mitgliedstaaten haben. Darüber hinaus schließt das in der neuen ISD vorgesehene Wahlrecht nicht das Clearing ein. Nach Auffassung der Kommission sollte zugelassenen Firmen nicht nur das Recht auf Wahl des Abrechnungsortes, sondern auch das Recht auf Wahl des Clearing-Ortes gewährt werden. Durch Auswahl des Abrechnungsortes wären die Marktteilnehmer in der Lage, Wertpapiergeschäfte grenzübergreifend über das Wertpapierabrechnungssystem ihrer Wahl abzuwickeln. Durch freie Wahl des Clearing-Ortes könnte auch das Clearing grenzübergreifend über die zentrale Gegenpartei ihrer Wahl erfolgen. Damit das Recht auf (freie) Wahl des Clearing-Ortes auch tatsächlich wirksam wird, müssen zentrale Gegenparteien das Recht auf Zugang zu zentralen Gegenparteien haben, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind.

In der Regel schalten sich zentrale Gegenparteien zwischen die Geschäftsparteien und fungieren als Käufer für jeden Verkäufer bzw. als Verkäufer für jeden Käufer (,Novation"). Zur Abwicklung der durch Novation geschlossenen Geschäfte müssen zentrale Gegenparteien auch einen direkten oder indirekten Zugang zu den Wertpapierabrechnungs systemen haben, in denen die Transaktionen letztendlich abgewickelt und die Wertpapiere verwahrt werden. Demzufolge müssen zentrale Gegenparteien auch eine Zugangsberechtigung für Wertpapierabrechnungssysteme in anderen Mitgliedstaaten haben.

Durch die Gewährung von Zugangsrechten zu zentralen Gegenparteien und Wertpapier abrechnungssystemen werden nicht nur die Wahlrechte zugelassener Firmen wirksam, sondern auch gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Anbietern von Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen gewährleistet.

Das nach der neuen ISD für geregelte Märkte eingeräumte Recht auf Inanspruchnahme der Dienstleistungen von zentralen Gegenparteien, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, soll den Wettbewerb bei der Erbringung von Clearing-Dienstleistungen innerhalb der EU fördern.

Das für geregelte Märkte eingeräumte Wahlrecht ist nicht umfassend, da geregelte Märkte auch das Wahlrecht für Dienstleistungen eines Wertpapierabrechnungssystems in einem anderen Mitgliedstaat und das Wahlrecht für die Dienstleistungen einer zentralen Gegenpartei im Ausland haben sollten. Außerdem sollten die gleichen Rechte auf Multilaterale Handelssysteme ausgeweitet werden [18].

[18] Durch die politische Einigung, die der Rat am 7. Oktober 2003 zum Entwurf der neuen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (ISD) erzielte, werden beide Beschränkungen insofern überwunden, als sowohl geregelten Märkten als auch multilateralen Handelssystemen das Recht auf freie Wahl der Dienstleistungen von zentralen Gegenparteien und Wertpapierabrech nungssystemen im Ausland eingeräumt wird.

Daher ist die Kommission der Auffassung, dass die Rahmenrichtlinie über Clearing und Abrechnung ,zusammen" mit der neuen ISD-Richtlinie die folgenden Zugangs- und Wahlrechte vorsehen sollte:

*Wertpapierhäuser und Banken: das Recht auf Zugang zu Wertpapierclearing- und -abrechnungssystemen aus anderen Mitgliedstaaten;

*zentrale Gegenparteien: das Recht auf Zugang zu zentralen Gegenparteien und Wertpapierabrechnungssystemen aus anderen Mitgliedstaaten;

*Wertpapierabrechnungssysteme: das Recht auf Zugang zu Wertpapierabrechnungs systemen aus anderen Mitgliedstaaten;

*geregelte Märkte und multilaterale Handelssysteme: das Recht, entsprechende Vereinbarungen mit zentralen Gegenparteien und Wertpapierabrechnungssystemen aus anderen Mitgliedstaaten zu schließen.

In allen genannten Fällen sollte der Zugang durch transparente und diskriminierungsfreie, auf objektiven Kriterien basierende Vorschriften geregelt werden. Zur Vermeidung von Benachteiligungen bei gleicher Dienstgüte oder Preisgestaltung sollte jede Abweichung von diesen Standards objektiv begründet werden. Wichtig ist auch der Umstand, dass das Vorhandensein umfassender Zugangsrechte zugunsten von Wertpapierabrechnungssystemen und zentralen Gegenparteien nicht bedeutet, dass diese Einrichtungen zur Anforderung und Beibehaltung des Zugangs zu anderen Systemen verpflichtet sein sollten. Doch wenn eine Verbindung zwischen zwei Wertpapierabrechnungssystemen vorhanden und in Betrieb ist, sollte es ihnen nicht möglich sein, die Nutzung dieser Verbindung zur Abwicklung und Abrechnung von Wertpapiergeschäften zu verweigern, bei denen eines der beiden Wertpapierabrechnungssysteme die endgültige Abrechnungsstelle ist.

2.2. Gemeinsamer Regulierungs-/Aufsichtsrahmen

Nationale Zugangs- und Auswahlbeschränkungen können historisch begründet sein, darüber hinaus aber auch die berechtigten Interessen nationaler Regulierungs- und Aufsichtsbehörden zur Gewährleistung der Systemsicherheit und Finanzstabilität insgesamt widerspiegeln. Wie bereits erwähnt, arbeiten der CESR und das EZBS an der Entwicklung von Standards zur Festlegung eines gemeinsamen Regulierungs-/Aufsichtsrahmens, auf dessen Grundlage solchen Bedenken innerhalb der EU Rechnung getragen werden soll. Es wird erwartet, dass die Regulierungs- und Aufsichtsbehörden (,nationale Behörden") diese Standards in ihre Bewertungssysteme aufnehmen und auf diese Weise ihre Einhaltung bewerten werden. Diese Standards werden weder zwingend vorgeschrieben sein noch kollidierende, im Widerspruch zu ihnen stehende nationale Rechtsvorschriften ersetzen.

Mit zunehmenden grenzübergreifenden Zusammenschlüssen und Verbindungen zwischen Wertpapierclearing- und -abrechnungssystemen wird auch eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden erforderlich sein, um eine effiziente, grenzübergreifende Regulierung und Beaufsichtigung zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Klarheit hinsichtlich des anzuwendenden Systems besteht, d. h. welche Behörde für die Regulierung und Beaufsichtigung bestimmter grenzübergreifender Clearing- und Abrechnungstätigkeiten zuständig ist. Da kein gemeinsamer Regulierungs- und Aufsichtsrahmen besteht, wird die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden, die ein System befürworten oder die Interessen ihrer Marktteilnehmer wahrnehmen, direkt zwischen diesen Behörden vereinbart, sobald diese Zusammenarbeit aufgrund von Marktentwicklungen notwendig wird. Die Normentwürfe des CESR-EZBS sehen wiederum ein geeignetes System zur Aufgabenteilung zwischen den betroffenen nationalen Behörden vor. Die jeweilige Norm soll jedoch nicht die Pflichten und Aufgaben der Behörden nach den nationalen Rechtsvorschriften ersetzen.

Die den Standards anhaftenden Mängel zeigen, dass Normen keinen ordentlichen Rechtsrahmen ersetzen können, obwohl die Festlegung von Standards bis zu einem gewissen Grad einen gemeinsamen Rahmen für das Wertpapierclearing bzw. die Wertpapierabrechnung bieten kann. Daher ist die Kommission wie bei der Einführung umfassender Zugangs- und Wahlrechte der Auffassung, dass das Vertrauen auf freiwillige Maßnahmen vonseiten der nationalen Gesetzgeber oder Regulierungsbehörden weniger Rechtssicherheit bietet und auf lange Sicht möglicherweise keine gleichen Wettbewerbsbedingungen gewährleistet.

Diese Mängel sollen durch die Einführung einer Richtlinie überwunden werden, in der gemeinsame hohe Grundsätze für die Zulassung, Regulierung und Beaufsichtigung von Wertpapierclearing- und -abrechnungssystemen festgelegt werden. Doch die speziellen, von Wertpapierclearing- und -abrechnungssystemen anzuwendenden Regeln sollten flexibel sein und die Markt- und Aufsichtspraktiken so genau wie möglich widerspiegeln. Aus diesem Grunde ist die Kommission der Auffassung, dass die hohen Grundsätze durch gezielte Maßnahmen konkreter gefasst werden sollten, die nach dem Vier-Stufen-Konzept des Lamfalussy-Verfahrens eingeführt und umgesetzt werden sollen. Die CESR/EZBS-Standards könnten dann die Grundlage für alle Durchführungsmaßnahmen auf der 2. Stufe sein, die gemäß den Bestimmungen der Rahmenrichtlinie festzulegen sind.

Die Richtlinie sollte Folgendes vorsehen:

*einen funktionellen Ansatz;

*anfängliche und laufende aufsichtsrechtliche Auflagen und Anlegerschutzvorschriften; und

*Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden.

Funktioneller Ansatz: In Einklang mit den kürzlich von den Arbeitsgruppen des CPSS-IOSCO und des EZBS/CESR durchgeführten Arbeiten sollte die Richtlinie nach Auffassung der Kommission einen funktionellen Ansatz verfolgen, um dadurch eine kohärente Vorgehensweise zu gewährleisten und Rechtskonflikte zu vermeiden.

In diesem Zusammenhang sollten durch die Richtlinie gemeinsame Funktionsdefinitionen für Aktivitäten im Bereich Clearing und Abrechnung festgelegt werden. Diese Definitionen könnten eine Vielzahl von Tätigkeiten, die auf den Handelsabschluss folgen, abdecken, müssten diese jedoch nicht unbedingt widerspiegeln, wie beispielsweise die Zusammenführung und Bestätigung von Kauf- und Verkaufsordern, das Clearing, die Abrechnung, die Verwahrung und die Notarsfunktion. Auf jeden Fall sollten sie auf den entsprechenden Teilbereichen der Wertekette und nicht auf dem ,Intermediärs-" oder ,infrastrukturellen" Status des Dienstleisters basieren, selbst wenn eine derartige Dichotomie zur Ableitung des mit den verschiedenen Funktionen einhergehenden Risikograds von Bedeutung sein könnte. Die Parteien werden gebeten, zu der Bedeutung einer solchen Dichotomie in diesem Zusammenhang Stellung zu nehmen. Nach Auffassung der Kommission wird der Grad an Ausführlichkeit der Funktionsdefinition davon abhängen, welche Wechselwirkung zwischen den einzelnen Tätigkeiten und den aufsichtsrechtlichen Auflagen und Anlegerschutzvorschriften besteht, die als geeignet angesehen werden, insbesondere im Hinblick auf die verschiedenen Risikokategorien, d. h. Kreditrisiko, Betriebsrisiko, Verwahrungsrisiko usw., denen auf Basis dieser Anforderungen Rechnung getragen werden soll. Es sollte auch in Erwägung gezogen werden, ob die Definitionen und der Geltungsbereich der Richtlinie auf weitere nachgeschäftliche Aktivitäten, wie beispielsweise die Sicherheitenverwaltung oder die Vermögenswert-Bedienung (,asset servicing"), ausgedehnt werden sollten.

Die Kommission ist sich darüber im Klaren, dass die derzeitige Marktpraxis mitunter dazu beigetragen hat, dass nur ein Begriff zur Bezeichnung unterschiedlicher und/oder ergänzender Funktionen verwendet wurde. Die Richtlinie sollte durch die Einführung unmissverständlicher Definitionen für bestimmte Funktionen zur Klärung dieses Problems beitragen, selbst wenn diese Definitionen nicht unbedingt alle derzeitigen Verwendungszwecke eines Begriffs einschließen. In der vorliegenden Mitteilung hat die Kommission absichtlich nur zwei weit gefasste Kategorien von Funktionen verwendet, nämlich das Clearing und die Abrechnung. Dabei werden unter dem Begriff Clearing die Tätigkeiten, wie z. B. die Novation, zusammengefasst, die Gegenparteien gegen das Ausfallkostenrisiko absichern sollen, während sich der Begriff Abrechnung weit gefasst auf Tätigkeiten vor der eigentlichen Abwicklung, die Abrechnung und die Verwahrung bezieht. Diese Definitionen sollten in der vorgesehenen Richtlinie noch stärker eingegrenzt und präzisiert werden, wobei ihr jeweiliger Bezug zu den entsprechenden aufsichtsrechtlichen Auflagen und Anlegerschutzvorschriften berücksichtigt werden muss.

Anfängliche und laufende aufsichtsrechtliche Auflagen und Anlegerschutzvorschriften: Das Ziel der in der geplanten Richtlinie für das Clearing und die Abrechnung verankerten rechtlichen Rahmenbedingungen besteht darin, dass Wertpapierclearing- und -abrechnungs systeme ungehindert Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten erbringen können sollen. Gleichzeitig stellen diese Einrichtungen ein erhebliches Gegenparteiausfall- und Systemrisiko für andere Marktteilnehmer dar. Aus diesen Gründen erachtet es die Kommission für die angestrebte gegenseitige Anerkennung innerhalb der Rahmenbedingungen für den Finanzbinnenmarkt für notwendig, anfängliche und laufende aufsichtsrechtliche Auflagen und Anlegerschutzvorschriften sowie weitere Anforderungen in Bezug auf die Governance (s. Abschnitt 2.3) festzulegen.

Daher sollten in der Richtlinie angemessene EU-weite Anforderungen an die anfängliche und laufende Eigenkapitalausstattung von Wertpapierclearing- und -abrechnungssystemen festgelegt werden. Die Kapitalanforderungen für Clearing- und Abrechnungstätigkeiten müssen eindeutig mit den jeweils definierten Funktionen und dem mit diesen Funktionen (,funktioneller Ansatz") verbundenen Risiko verknüpft werden. Nach Auffassung der Kommission sollten diese Eigenkapitalanforderungen den derzeit für Banken - insbesondere zur Absicherung des Kreditrisikos - geltenden Auflagen Rechnung tragen. Sollten die derzeit und künftig für Kreditinstitute geltenden Kapitaladäquanzvorschriften zur Abdeckung der clearing- und abrechnungsspezifischen Risiken jedoch nicht ausreichen, so sollten die Eigenkapitalanforderungen entsprechend angepasst werden. Weitere aufsichtsrechtliche Anforderungen werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen.

Neben einigen anderen Grundsätzen für den Anlegerschutz, wie die Wahrung der Integrität und der Schutz der Wertpapiere der Kunden, sollte die Richtlinie hohe Grundsätze für das Risikomanagement festlegen, wie die Lieferung gegen Zahlung. Dabei gilt es insbesondere, die Zuverlässigkeit von stückelosen Wertpapieren auf allen Ebenen der Intermediärkette zu gewährleisten. Alle Bemühungen um Klärung der Rechtswirksamkeit indirekt gehaltener Wertpapiere (nähere Informationen über die Bemühungen um Harmonisierung der Rechtswirksamkeit indirekt gehaltener Wertpapiere sind in Absatz 3.1 enthalten) sollten durch geeignete Rechnungslegungspraktiken und Abstimmungsverfahren für stückelose Wertpapiere innerhalb der Kette von Intermediären begleitet werden. Nach Auffassung der Kommission sollten diese hohen Grundsätze für das Risikomanagement und den Anlegerschutz durch spezielle Maßnahmen, wie die vom CESR/EZBS ausgearbeiteten Maßnahmen, weiter konkretisiert werden.

Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden: Die Einführung umfassender Zugangsrechte, der Abbau vorhandener Barrieren für das grenzübergreifende Clearing bzw. die grenzübergreifende Abrechnung sowie die Einführung eines gemeinsamen Regulierungs rahmens werden vermutlich zu einem höheren Maß an Integrität und Konsolidierung im Bereich des Clearing und der Abrechnung führen. Aus diesem Grunde muss der Rechtsrahmen ein Modell für die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden einschließen, um zu verhindern, dass grenzübergreifend tätige Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme der Überwachung durch mehrere Aufsichtsbehörden unterliegen, was den Regulierungs kostenaufwand und die Komplexität erhöhen würde.

Das in den EU-weit harmonisierten Bereichen (Bankwesen, Wertpapierdienstleistungen usw.) angewandte Aufsichtsmodell basiert auf dem Grundsatz der Herkunftslandkontrolle. Dieser in mehreren EU-Richtlinien verankerte Grundsatz sieht vor, dass die Tätigkeiten, die ein Institut in seinem Herkunftsland oder über eine Zweigstelle im Ausland durchführt, der Kontrolle der Herkunftslandbehörden unterliegen. Er sieht auch vor, dass ausländische Tochtergesellschaften dieser Institute von den Behörden des Mitgliedstaates, in dem die Tochtergesellschaft ansässig ist, überwacht werden. Andererseits bleiben die Herkunftslandbehörden weiterhin für bestimmte Fragen verantwortlich, wie die Überwachung der Liquidität von Zweigstellen, geldpolitische Durchführungsmaßnahmen usw. Dieses Aufsichtsmodell sieht auch einen Rahmen für den regelmäßigen Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden vor.

Nach Auffassung der Kommission sollte ein ähnliches, soweit wie nötig an die Besonderheiten des Clearing- und Abrechnungsbereiches angepasstes Modell zur Koordinierung der Aufsichtsfunktionen der nationalen Behörden eingeführt werden.

Dieser Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden sollte auch dem Umstand Rechnung tragen, dass manche Institute u. U. bereits einem Aufsichtsrahmen unterliegen (wie z. B. der Bankenaufsicht). Doppelte Aufsichtsanforderungen sollten somit in der Richtlinie vermieden werden.

Auf Basis dieser Bestimmungen würden Wertpapierabrechnungssysteme, zentrale Gegenparteien, Verwahrstellen und Clearing-Mitglieder einen ,EU-Pass" als Zulassung für die grenzübergreifende Tätigkeit erwerben. Derzeit haben nur Verwahrstellen einen derartigen Pass auf Basis der ISD-Bestimmungen. Der Pass für Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen soll gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter dieser Dienstleistungen gewährleisten.

2.3. Governance

Wertpapierabrechnungssysteme und zentrale Gegenparteien haben eine sehr starke Marktposition inne und können auch die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährden. Aufgrund der Tatsache, dass der Integrationsprozess zu einem höheren Maß an Konsolidierung in der EU beiträgt, wächst auch die mögliche Gefahr, dass ein einzelnes Wertpapierabrechnungssystem bzw. eine zentrale Gegenpartei eine Quelle für finanzielle Instabilität wird. Derartigen Bedenken kann mit Governance-Regelungen entgegengewirkt werden.

Nach Auffassung der Kommission ist es enorm wichtig, dass Wertpapierabrechnungssysteme und zentrale Gegenparteien geeigneten Governance-Regelungen unterliegen. Demzufolge sollten ihrer Ansicht nach einige hohe Grundsätze in die Rahmenrichtlinie aufgenommen werden.

Die Governance-Regelungen betreffen das Verhältnis zwischen Eigentümern bzw. Betreibern, dem Vorstand, der Geschäftsführung und anderen interessierten Parteien, einschließlich Benutzern und Behörden, die das öffentliche Interesse vertreten. Die verschiedenen Gruppen haben unterschiedliche Interessen. Betreiber von Wertpapierabrechnungssystemen und zentrale Gegenparteien haben ein berechtigtes Interesse, ihren Gewinn zu steigern. Die Benutzer sind wiederum an Dienstleistungen interessiert, die ihren Bedürfnissen zu vernünftigen Preisen gerecht werden. Behörden sind daran interessiert, dass Wertpapierabrechnungssysteme und zentrale Gegenparteien: (i) keinen wettbewerbsbeschränkenden Praktiken nachgehen und (ii) geeignete Risikovorsorgemaßnahmen umgesetzt haben. Diese Interessen können im Widerstreit zueinander stehen. So darf die Gewinnmaximierung beispielsweise nicht zu einem erhöhten Risiko führen, was der Fall wäre, wenn ein Wertpapierabrechnungssystem oder eine zentrale Gegenpartei nicht die erforderlichen Investitionen in das Informationssystem und Personal tätigt.

Zu den Hauptkomponenten der Governance zählen: (i) Eigentumsverhältnisse und Gruppenstruktur; (ii) die Zusammensetzung des Vorstands; (iii) das Berichtswesen zwischen Management und Vorstand und (iv) die Managementanreize und der Prozess zur Leistungsbeurteilung, z. B. Prüfungsausschüsse [19].

[19] Nähere Informationen finden Sie in den CPSS-IOSCO-Empfehlungen und CESR/EZBS-Standards.

Dabei ist im Wesentlichen zwischen zwei verschiedenen Formen der Governance zu unterscheiden: (i) benutzereigenen/benutzergeführten Einrichtungen und (ii) gewinnorientierten Einrichtungen. Im erstgenannten Fall sind die Benutzer im Besitz des Unternehmens. Wesentlich ist jedoch die Tatsache, dass die Eigentumsanteile gemäß der Nutzung zu- bzw. aufgeteilt werden. Diese Eigentumsanteile sollten sich auch in der Zusammensetzung des Vorstands widerspiegeln. Damit wäre das Unternehmen nicht nur benutzereigen, sondern auch benutzergeführt. Da sich die benutzerseitige Nutzung mit der Zeit ändern kann, ist ein Mechanismus zur Abstimmung der Eigentumsanteile auf die Nutzung erforderlich. Im zweitgenannten Fall ist der Anteilbesitz nicht mit der Nutzung verknüpft. Zwischen diesen beiden Formen gibt es Spielraum für Zwischenlösungen.

Nach Auffassung der Kommission ist eine geeignete Governance-Struktur von besonderer Bedeutung, um den potenziellen Problemen in diesem Bereich Rechnung zu tragen. Die Kommission hat jedoch nicht die Absicht, eine Debatte darüber zu entfachen, welche der beiden oben genannten Formen zu bevorzugen ist, d. h. benutzereigene/benutzergeführte Einrichtungen oder gewinnorientierte Einrichtungen. Gleichgültig, welches Modell letztendlich den Vorzug erhält, gilt es, die festgelegten Anforderungen uneingeschränkt einzuhalten.

* * *

Governance-Regelungen sollten klar definiert und transparent sein. Dies setzt unter anderem voraus, dass die Eigentümer von Wertpapierabrechnungssystemen und zentrale Gegenparteien ihre Eigentumsanteile oberhalb einer bestimmten Schwelle offen legen sollten. Darüber hinaus sollten die Gehälter von Vorstands- und Geschäftsführungsmitgliedern und Prämiensysteme veröffentlicht oder zumindest ihren Benutzern gegenüber offen gelegt werden. Auf diese Weise wüsste man, an wen Gewinne ausgeschüttet werden, wie hoch die Vergütung der Geschäftsführer und leitenden Mitarbeiter ist und welche Prämien sie erhalten. Transparenz der Governance-Regelungen setzt auch voraus, dass die Ziele und wesentlichen Entscheidungen Betreibern, Benutzern und Behörden gegenüber offen gelegt werden.

Ferner sollten Wertpapierabrechnungssysteme und zentrale Gegenparteien einen oder mehrere unabhängige Ausschüsse, wie beispielsweise einen Prüfungsausschuss, haben, der sich mehrheitlich aus unabhängigen Vorstands- oder Geschäftsführungsmitgliedern zusammensetzt. Der Prüfungsausschuss soll sicherstellen, dass die Bedenken von Behörden und die Interessen von Benutzern bei den folgenden Fragen angemessen berücksichtigt werden: (a) interne Organisation und angemessene personelle und technische Ausstattung; (b) Rechnungslegung; (c) Zuverlässigkeit der Informationssysteme und (d) Risikomanagementstrategien. Einige Aufgaben, die dem Prüfungsausschuss zukommen, können aufgrund ihres stark technisch geprägten Wesens an externe Unternehmen vergeben werden. Ein derartiger Ausschuss sollte auch potenzielle Interessenkonflikte zwischen Betreibern und Benutzern sowie zwischen Betreibern und/oder Benutzern einerseits und den Behörden andererseits erkennen und bewältigen. Die Unabhängigkeit der Geschäftsführer wird üblicherweise in Bezug auf die Geschäftsführung und beherrschenden Anteilseigner (Mehrheitsaktionäre) beurteilt. Da die Behörden daran interessiert sind, dass Wertpapierabrechnungssysteme und zentrale Gegenparteien einwandfrei funktionieren, sollte auch eine entsprechende Anzahl von Geschäftsführern in Bezug auf die Benutzer und nicht beherrschenden Anteilseigner (Minderheitsaktionäre) unabhängig sein.

Thematisiert werden muss auch die Frage nach Governance-Regelungen, die auf Intermediäre, speziell im Zusammenhang mit deren Wertpapierdienstleistungsaktivitäten Anwendung finden sollen. Nach Auffassung der Kommission sollte das auf sie anwendbare System vereinbar sein mit den Governance-Regelungen, die für qualifizierte Anteilseigner und das Betreiben von Wertpapierabrechnungssystemen und Zentraler Gegenparteien, die für die Sicherstellung von Transparenz, Tauglichkeit und Korrektheit und Risikobegrenzung wichtig sind, angestrebt werden.

* * *

Diese Maßnahmen stehen im Wesentlichen im Einklang mit dem Aktionsplan, der in der Mitteilung der Kommission über die Modernisierung des Gesellschaftsrechts und die Verbesserung der Corporate Governance vorgesehen ist [20]. Da die Behörden jedoch daran interessiert sind, dass Wertpapierabrechnungssysteme und zentrale Gegenparteien kein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten an den Tag legen, könnten für die aktuelle und die künftige Entwicklung der Branche nach Auffassung der Kommission weitere Maßnahmen im Bereich der Governance sinnvoll sein. Die stärkere Integration wird zur Folge haben, dass die verschiedenen Kategorien von Institutionen bei der Erbringung von grenzübergreifenden Dienstleistungen im Bereich Clearing und Abrechnung miteinander konkurrieren. So werden beispielsweise Zentralverwahrer, Internationale Zentralverwahrer und Verwahrstellen vermutlich bei der Erbringung grenzübergreifender Abrechnungsleistungen im Wettbewerb miteinander stehen. Aus diesem Grunde ist geplant, dass zentrale Gegenparteien und Wertpapierabrechnungssysteme getrennte Konten für die separate Ausweisung der von ihnen in ihrer Eigenschaft als Intermediär erbrachten Dienstleistungen führen. Die gleichen Regelungen sollten auch für andere, nicht zum Kerngeschäft gehörige Aktivitäten, wie für Bankgeschäfte, gelten, denen Wertpapierabrechnungssysteme und/oder zentrale Gegenparteien letztendlich nachgehen. Obwohl diese weiterführenden Maßnahmen u. U. als stärkerer Eingriff angesehen werden als andere Offenlegungsanforderungen - so kann die separate Rechnungslegung beispielsweise Ermessensspielräume für die Kostenaufteilung zur Folge haben - werden sie zu einer höheren Transparenz von zentralen Gegenparteien und Wertpapierabrechnungssystemen beitragen. In dieser Hinsicht folgt die vorliegende Mitteilung dem in der Mitteilung über das Gesellschaftsrecht und die Corporate Governance vorgeschlagenen Ansatz, wonach ,nach Möglichkeit Offenlegungsanforderungen der Vorzug gegeben werden sollte, da diese weniger ins Unternehmensgeschehen eingreifen und sie über den Markt rasch und zuverlässig zu den gewünschten Ergebnissen führen können" (S. 14).

[20] KOM(2003) 284 (endgültig) vom 21.5.2003

Getrennte Rechnungslegung: Für eine getrennte Rechnungslegung müssen Kosten und Erträge separat ausgewiesen werden. Die Anforderung, wonach der Preis für besondere Dienstleistungen gesondert festgesetzt wird, würde - wie weiter unten näher erläutert - eine separate Ausweisung von Erträgen ermöglichen. Da Wertpapier abrechnungssysteme und zentrale Gegenparteien bei ihren Haupt- und ihren Nebendienstleistungen über Größenvorteile verfügen, bleiben bei der separaten Kostenausweisung noch Ermessensspielräume.

Wenn Wertpapierabrechnungssysteme oder zentrale Gegenparteien beispielsweise den Nebendienstleistungen einen geringen Kostenanteil zuweisen, könnten sie nachweisen, dass sie mit diesen Tätigkeiten einen Gewinn erzielen, was wiederum unter Beweis stellen würde, dass keine Quersubventionierung erfolgt. Ein solcher Nachweis wäre irreführend: Wenn der ,richtige" Fixkostenanteil den Nebendienstleistungen zugewiesen würde, dann würde ihre Rentabilität niedriger eingeschätzt. Im Extremfall wäre man der Ansicht, dass sie Verluste schreiben. Daher ist die Frage der Kostenumlage mit großer Vorsicht zu behandeln, wenn die gewünschten Ergebnisse erzielt werden sollen. Zu diesem Zweck könnte sich die vorgesehene Richtlinie an international anerkannte Standards für die Kostenumlage anlehnen, die eine solide Ausgangsbasis für diese Institutionen bieten, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Wie bereits oben erwähnt, sieht die Mitteilung vor, dass ein Prüfungsausschuss, der sich mehrheitlich aus unabhängigen Geschäftsführern zusammensetzt, für Rechnungslegungsfragen, einschließlich der Kostenumlage, zuständig ist.

Aufteilung (der Dienstleistungen): Auch ist geplant, den Preis für Nebendienstleistungen (wie solche, die in der Eigenschaft als Intermediär angeboten werden) und Bankgeschäfte, gesondert festzusetzen und diese Leistungen bei Bedarf auch separat zu erbringen. Dadurch könnte den Bedenken entgegengewirkt werden, dass zentrale Gegenparteien und Wertpapierabrechnungssysteme versucht sein könnten, ihre Benutzer beim Kauf einer von ihnen u. U. angebotenen ,Monopolleistung" dazu zu zwingen, auch andere, unerwünschte Dienstleistungen vom gleichen Anbieter zu kaufen. Diese Praxis wird wettbewerbsrechtliche Bedenken aufwerfen und die Benutzer daran hindern, ihre Aktivitäten an den effizientesten Anbieter zu vergeben, was eine Effizienzverringerung zur Folge haben könnte.

Die Bereitstellung von Bankdienstleistungen (einschließlich der Entgegennahme von Einlagen und der Kreditgewährung) wirft besondere Probleme auf. So müssen die Mitglieder von Wertpapierabrechnungssystemen bei der Regulierung von Wertpapiergeschäften möglicherweise kurzfristige Lücken in ihrer Kassaposition durch Kredite überbrücken. Diese Ausleihungen müssen der gleichen Kategorie angehören (Zentralbankgeld oder Geschäftsbankgeld), in der auch die Kassamarkt-Position von Wertpapiergeschäften abgerechnet wird. Wertpapierabrechnungssysteme, die in ihrem eigenen Geld (Geschäftsbankgeld) abrechnen, werden ihren Mitgliedern ebenfalls Kredit gewähren.

In der Frage, wie mit der Bereitstellung von Bankdienstleistungen unter monopolistischen Bedingungen umgegangen werden sollte, gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine besteht darin, die Abrechnung in Zentralbankgeld zwingend vorzuschreiben. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass Wertpapierabrechnungssysteme die Option der Abrechnung in Zentralbankgeld anbieten müssen. Eine weitere Alternative bestuende darin, Wertpapierabrechnungssysteme zur Abrechnung in Geschäftsbankgeld zu verpflichten, damit andere Banken die Abwicklung der Kassamarkt-Position von Wertpapiergeschäften anbieten können. In keinem dieser Fälle wären die Teilnehmer von Wertpapierabrechnungssystemen verpflichtet, die Bankdienstleistungen des Emittenten-Wertpapierabrechnungssystems in Anspruch zu nehmen.

Nach Auffassung der Kommission sollten Wertpapierabrechnungs systeme, die in Geschäftsbankgeld abrechnen, ihren Teilnehmern zumindest die Option einräumen, auch über Zentralbankgeld abzurechnen. Dies ist der im EZBS/CESR-Normenentwurf für das Clearing und die Abrechung vorgesehene Ansatz.

* * *

Um in dieser Hinsicht gleiche Wettbewerbsbedingungen zu erreichen, sollten Geschäftsleitung und Mehrheitsaktionäre von Wertpapierclearing- und -abrechnungssystemen die Eignungs- und Verhaltenskriterien erfuellen, die für die Geschäftsleitung und für die Mehrheitsaktionäre von Banken bzw. Wertpapierfirmen gelten.

Die Kommission ist aus den oben genannten Gründen der Auffassung, dass der Erlass einer Rahmenrichtlinie erforderlich ist, um (a) umfassende Zugangs- und Wahlrechte, (b) einen gemeinsamen Regulierungsrahmen und (c) angemessene Governance-Regelungen einzuführen.

Der angestrebte Richtlinienvorschlag ist nur ein erster Schritt. Dies sollte die Sicherstellung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen ex-ante erfolgender Gesetzgebung und ex-post erfolgenden Eingriffen der zuständigen Stellen zur Durchsetzung von Wettbewerbsregeln einschließen. Die Kommission wird weiter genau beobachten und, wo notwendig, ihre Vorgehensweise den Entwicklungen anpassen. Im Fall weiterer Marktentwicklungen könnte es notwendig werden, die festgelegte Vorgehensweise zu überprüfen, einschließlich durch weitere Maßnahmen sicherzustellen, dass der geltende Rechtsrahmen gleiche Wettbewerbsbedingungen für die unterschiedlichen Anbieter sicherstellt und die potenziellen Probleme, die entstehen können, angemessen behandelt.

3. Gesetzliche und steuerrechtliche Unterschiede

3.1 Das Projekt Rechtssicherheit

Wie sicher ein Wertpapierclearing- und -abrechnungssystems ist, hängt letztendlich von der Solidität des ihm zugrunde liegenden Rechtssystems ab. Allgemeine Rechtsvorschriften, wie Sachenrecht, Wertpapier- und Insolvenzrecht, sowie speziellere Vorschriften, einschließlich der systemeigenen Betriebsvorschriften, wirken sich auf Funktionsweise und Effizienz von Wertpapierclearing- und -abrechnungssystemen aus. Damit Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme ihre Funktion ordnungsgemäß erfuellen können, sollte der Rechtsrahmen eindeutig, verlässlich, kohärent und seine Auslegung und Umsetzung vorhersehbar sein. Auf diese Weise lassen sich Rechtsrisiken für Marktteilnehmer und das gesamte System erheblich verringern.

Am grenzübergreifenden Clearing bzw. der grenzübergreifenden Abrechnung sind mehrere Rechtssysteme mit unterschiedlichen Rechtstraditionen und -ansätzen beteiligt. Obwohl jedes einzelne Rechtssystem den im nationalen Umfeld u. U. auftretenden Fragen und Problemen Rechnung trägt, muss bei der Erbringung grenzübergreifender Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen genau bestimmt werden, welches nationale Recht für die vertraglichen und eigentumsrechtlichen Aspekte des gesamten Vorgangs anzuwenden ist (Kollisionsrecht). Selbst wenn die Festlegung der jeweils anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften durch die Harmonisierung der nationalen Kollisionsnormen geklärt wird, können sich Unterschiede in den nationalen Rechtsvorschriften nachteilig auf den gesamten Prozess auswirken. Diese äußerst schwierigen Rechtsfragen kommen zu den Kosten und Unsicherheiten beim grenzübergreifenden Clearing bzw. der grenzübergreifenden Abrechnung noch erschwerend hinzu.

Die beiden Giovannini-Berichte enthielten eine detaillierte Beschreibung der Probleme, die in diesem Zusammenhang durch Rechtsfragen aufgeworfen werden. Als wesentliche Hindernisse für die weitere Integration wurden genannt: die ungleiche Anwendung nationaler Kollisionsnormen, die nationalen Unterschiede bei der rechtlichen Behandlung des bilateralen Nettings und das Fehlen eines europaweiten Rechtsrahmens für die Behandlung von Wertpapieranteilen. In den Berichten wurde auch festgestellt, dass die bestehenden nationalen Rechtsunterschiede in Bezug auf den Augenblick, in dem der Käufer vom Unternehmen für dessen Zwecke als Wertpapierinhaber anzusehen ist, ein wesentliches Hemmnis darstellen.

Die derzeitigen Rechtsvorschriften in der EU tragen diesen Fragen bereits teilweise Rechnung. So wurden Unterschiede in der rechtlichen Behandlung des Nettings und kollisionsrechtliche Fragen in den Richtlinien über die Wirksamkeit von Abrechnungen [21] und über Finanzsicherheiten [22] größtenteils berücksichtigt. Diese beiden Richtlinien enthalten auch Sonderbestimmungen hinsichtlich der Anwendung von Insolvenzvorschriften für Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme und Finanzsicherheiten, die die Sicherheit der Systeme und der Finanzsicherheiten erhöhen sollen.

[21] Richtlinie 98/26/EG vom 19. Mai 1998, ABl. 1998 Nr. L 166/45

[22] Richtlinie 02/47/EG vom 6. Juni 2002, ABl. 2002 Nr. L 168/43

Die Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen hält die Beeinträchtigung eines Abrechnungssystems bei einem Insolvenzverfahren so gering wie möglich und gewährleistet, dass Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge und Aufrechnungen (Netting) vollstreckbar und für Dritte verbindlich sind. Demzufolge kann die Aufrechnung (Netting) nicht rückgängig gemacht werden, wenn Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge in das System eingebracht wurden. Darüber hinaus dürfen abgerechnete Transaktionen bzw. Geschäfte nicht auf Basis der so genannten ,Nullstunden-Regelung" (zero-hour rule) rückgängig gemacht werden, die manchmal in Insolvenzrechtsvorschriften verankert ist. Die Richtlinie sieht ferner vor, dass Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge ab einem bestimmten, vom System vorgegebenen Zeitpunkt nicht mehr rückgängig gemacht werden dürfen. Schließlich sollten die an Zentralbanken oder im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem System geleisteten dinglichen Sicherheiten von der Anwendung des Insolvenzrechts nicht berührt werden.

Die Richtlinie befasst sich auch mit der Frage von Rechtskonflikten bei der Bereitstellung von Sicherheiten in Fällen, in denen die Rechte des Sicherheitennehmers in einem Register eingetragen oder auf einem Konto oder bei einem zentralen Verwahrsystem verbucht sind. Die Richtlinie beruht auf dem PRIMA-Prinzip (,place of the relevant intermediary approach", d. h. Sitz des maßgeblichen Intermediärs), insofern als die Bestimmung der Rechte der Inhaber von Sicherheiten den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates unterliegen, in dem sich das Register, das Konto oder der Zentralverwahrer befindet.

Die ,Richtlinie über Finanzsicherheiten", die von den Mitgliedstaaten derzeit umgesetzt wird, hat einen weitaus größeren Anwendungsbereich, da sie (nahezu) alle Transaktionen mit Finanzsicherheiten abdeckt, die von Systemen und ,Finanzintermediären" vorgenommen werden [23]. Sie verringert die formalen Anforderungen an Vereinbarungen über Finanzsicherheiten und schützt ihre Rechtswirksamkeit und Unwiderruflichkeit vor bestimmten insolvenzrechtlichen Vorschriften, wie beispielsweise der ,Nullstunden-Regelung". Sie erkennt Liquidationsnetting (close-out netting) an, selbst wenn seine Durchsetzung durch die Einleitung oder Fortsetzung eines Liquidationsverfahrens oder durch Umstrukturierungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen ausgelöst wird. Die Richtlinie basiert auf dem gleichen PRIMA-Prinzip, um Rechtskonflikte in Bezug auf die Rechtsnatur und die dingliche Wirkung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren [24], die Anforderungen in Bezug auf die Eignung und Gültigkeit gegenüber Dritten, den Konflikt bei konkurrierenden Eigentumsrechten und Interessen an solchen Sicherheiten sowie die Anforderungen für ihre Verwertung zu berücksichtigen.

[23] Transaktionen in Bezug auf Finanzsicherheiten, die mit natürlichen Personen vorgenommen werden, sind in dieser Richtlinie nicht erfasst.

[24] Sicherheiten, die aus Finanzinstrumenten bestehen, wobei das Eigentum an diesen Sicherheiten durch Eintragung in einem Register oder Verbuchung auf einem Konto nachgewiesen wird.

Die kollisionsrechtlichen Probleme, die im Zusammenhang mit stückelosen Wertpapieren auftreten, sind später in der neu verabschiedeten Haager ,Konvention über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung" erneut berücksichtigt worden.

Gemäß der Konvention ist auf bestimmte Rechte in Bezug auf intermediär-verwahrte Wertpapiere das zwischen dem Kontoinhaber und dem maßgeblichen Intermediär vereinbarte Recht anzuwenden, sofern die fraglichen Rechtsvorschriften den so genannten ,Reality Test" bestehen, der gewährleisten soll, dass das Wertpapiergeschäft des Intermediärs einen gewissen Bezug zu diesem Rechtsraum, wenn auch nicht unbedingt zu dem betreffenden Konto hat.

Durch die Umsetzung der Haager Konvention innerhalb der EU werden die Marktteilnehmer vor der Durchführung von Maßnahmen mit Sicherheit und mit relativ geringem Aufwand im Voraus bestimmen können, welchem nationalen materiellen Recht ihre Rechte an zwischenverwahrten Wertpapieren unterliegen. Im Rahmen ihrer Aufgaben wird die Kommission die notwendigen Vorkehrungen für die Unterzeichnung und den Beitritt der Europäischen Union zu dieser Konvention und ihre Ratifizierung seitens der Mitgliedstaaten treffen. Darüber hinaus wird die Kommission auch die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen und die Richtlinie über Finanzsicherheiten auf die kollisionsrechtlichen Bestimmungen der Haager Konvention abzustimmen.

Trotz der Verbesserungen, die diese Maßnahmen in puncto Rechtssicherheit und Zuverlässigkeit und Effizienz des grenzübergreifenden Clearing bzw. der grenzübergreifenden Abrechnung in der EU mit sich bringen werden, sind andere wesentliche Rechtshemmnisse immer noch nicht angemessen berücksichtigt.

Das größte Hindernis ist nach wie vor das Fehlen eines europaweiten Rechtsrahmens für die Behandlung von intermediär-verwahrten Wertpapieranteilen. Dies wurde von der Giovannini-Gruppe als Hauptursache für Rechtsrisiken bei grenzübergreifenden Transaktionen erkannt.

Wertpapiere werden in zunehmendem Maße buchmäßig verwahrt und übertragen (stückelose Wertpapiere). So werden stückelose Wertpapiere ausschließlich buchmäßig auf einem Konto erfasst, das von einem Intermediär verwaltet wird. Bei der Zwischenverwahrung stückeloser Wertpapiere muss unabdingbar zuerst Klarheit über die Rechtsnatur der Ansprüche bestehen, die Anleger in Bezug auf diese Wertpapiere haben. Die Rechtsauslegung weicht jedoch zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander ab.

Ebenso wichtig sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Übertragung von Rechten an indirekt verwahrten Wertpapieren. Obwohl diese Rechte in der Praxis buchmäßig übertragen werden, wird behauptet, dass nicht alle Staaten ihr Rechtssystem an diese Übertragung von Rechten angepasst haben. Es muss auch absolute Klarheit in Bezug auf die Bestimmung des genauen Zeitpunkts bestehen, zu dem Rechte an indirekt verwahrten Wertpapieren übertragen werden.

Andere noch zu klärende Fragen beziehen sich auf die Festsetzung der Prioritäten zwischen den widerstreitenden, auf den betreffenden Konten eingetragenen Ansprüchen und die Vermeidung des Umstands, dass Gläubiger ein Anlegerrecht auf einer höheren Ebene innerhalb der Wertpapierkette fordern oder beanspruchen als tatsächlich eingetragen oder begründet ist (,upper-tier attachment"). Da Wertpapiere in der Regel in Sammeldepots aufbewahrt werden, hätte ein ,upper-tier attachment" zur Folge, dass alle auf dem Konto buchmäßig erfassten Wertpapiere, für das der Anspruch bzw. die Forderung geltend gemacht wird, und nicht nur die Wertpapiere des betreffenden Anlegers eingefroren würden.

Das Fehlen eines einheitlichen Ansatzes zur Lösung dieser Fragen innerhalb der EU wirkt sich nachteilig auf die Effizienz und Sicherheit der grenzübergreifenden Clearing- und Abrechnungssysteme aus. Nach Auffassung der Kommission sollte diese Frage vorrangig in Angriff genommen werden, obwohl die Vorlage konkreter Vorschläge wohl einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Ebenfalls in Angriff genommen werden müssen die Unterschiede bei den nationalen Bestimmungen mit Auswirkungen auf die Maßnahmen von Unternehmen, wie beispielsweise die unterschiedlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Festlegung des genauen Zeitpunkts, zu dem ein Käufer, z. B. für die Zahlung von Dividenden, als Inhaber eines Wertpapiers anzusehen ist. Nach den nationalen Rechtsvorschriften kann es sich dabei um den Abschluss- oder Ausführungstag, den vorgesehenen Abrechnungstag oder den effektiven Abrechnungstag handeln. Wie in den beiden Giovannini-Berichten erwähnt, können derartige Unterschiede die zentrale Wertpapierabrechnung verhindern und stellen aus diesem Grunde ein Hindernis für die weitere Integration dar. Infolgedessen müssen die einschlägigen Vorschriften möglicherweise harmonisiert werden.

Schließlich möchte die Kommission näher auf die Frage des Aufbewahrungsorts von Wertpapieren eingehen. Es wurde darauf hingewiesen, dass auch die Beschränkungen, denen der Emittent bei der Wahl des Aufbewahrungsorts seiner Wertpapiere unterliegt, einer weiteren Konsolidierung der Wertpapierabrechnungssysteme entgegenwirken. Diese Beschränkungen sind entweder in nationalen Rechtsvorschriften, bei denen die Zulassung auf einem bestimmten Markt mit der Nutzung der lokalen CSD (Zentralverwahrer) verknüpft ist, oder aber im Gesellschaftsrecht begründet. Die Kommission wird diese Frage genauer analysieren und dabei die Unterschiede zwischen den einzelnen Wertpapiergattungen sowie die gesellschaftsrechtlichen Auswirkung dieser Beschränkungen berücksichtigen.

Aufgrund der Tragweite dieser Fragen vertritt die Kommission in Einklang mit der Empfehlung der Giovannini-Expertengruppe die Auffassung, dass diese Fragen einer genauen Untersuchung durch Sachverständige bedürfen. Daher schlägt die Kommission die Einrichtung einer Expertengruppe bestehend aus Vertretern von Hochschulen und Behörden sowie praktizierenden Anwälten vor. Diese Expertengruppe soll diese Fragen näher analysieren, Lösungen vorschlagen und an der Ausarbeitung entsprechender Legislativvorschläge mitwirken. Die Zusammensetzung der Expertengruppe sollte die Rechtstradition der jetzigen und zukünftigen Mitgliedstaaten widerspiegeln. Ein Hauptsekretariat soll die Projektarbeit koordinieren. Die Gruppe soll auch mit anderen Institutionen, wie UNIDROIT [25], zusammenarbeiten, die vielleicht bereits ähnliche Arbeiten auf globalerer Ebene durchgeführt haben.

[25] UNIDROIT (,International Institute for the Unification of Private Law") ist eine unabhängige zwischenstaatliche Organisation, die prüft, ob zwischen Staaten und Gruppen von Staaten Bedarf an Modernisierung, Harmonisierung und Koordinierung des Privatrechts, insbesondere des Handelsrechts, besteht und mit welchen Methoden dies bewerkstelligt werden kann.

Angesichts der Komplexität des Sachverhalts und der schwierigen Verknüpfung zu nationalem Sachen- und Gesellschaftsrecht geht die Kommission davon aus, dass es sich um ein langfristiges Projekt handelt. Der genaue Projektumfang soll erst bei Einrichtung der Gruppe festgelegt werden, wobei jedoch die folgenden Fragen zu analysieren sind:

*Art der Anlegerrechte bei intermediär-verwahrten Wertpapieren;

*die Übertragung dieser Rechte;

*die Endgültigkeit der buchmäßigen Übertragung von Wertpapieren;

*die Behandlung des ,upper-tier attachment";

*Anlegerschutz vor der Insolvenz des Intermediärs;

*der Erwerb dieser Rechte in gutem Glauben seitens Dritter;

*Unterschiede bei den Vorschriften für die Eigentumsübertragung für die Zwecke von Unternehmen, sofern diese unterschiedlichen Regelungen in den nationalen Rechtsvorschriften verankert sind;

*die freie Wahl des Aufbewahrungsorts.

Bei all diesen Fragen sollten die unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften analysiert und bei Bedarf auch Vorschläge zur Harmonisierung ausgearbeitet werden.

3.2 Steuerfragen

Die Mitgliedstaaten haben bilaterale Abkommen unterzeichnet, wonach sowohl der Staat, in dem die Erträge erzielt werden, als auch der Staat, in dem der Empfänger seinen Steuerwohnsitz hat, das Recht auf Erhebung von Kapitalertragsteuern hat. Die Befreiung von einer möglichen Doppelbesteuerung wird auf zweierlei Weise gewährt: Entweder gewährt ein Staat eine vollständige Befreiung von der Ertragssteuer (nicht der Regelfall und vorwiegend auf so genannte ,Direktanleger" beschränkt, d. h. Anleger mit einem Anteil von mindestens 10 %); oder der Wohnsitzstaat rechnet die im Quellenstaat erhobenen Steuern an. Diese beiden Verfahren sind allgemein als ,Freistellungs-" bzw. ,Anrechnungsmethode" bekannt.

Doch der normale Steuersatz im Quellenstaat kann mit dem im Wohnsitzstaat erhobenen Steuersatz weitgehend vergleichbar sein. Bei Anwendung der Anrechnungsmethode würden im Wohnsitzstaat kaum Steuern anfallen, weil die im Quellenstaat erhobene Steuer die Steuerpflicht vollständig (oder nahezu vollständig) erfuellt, obwohl der Eigentümer eher im Wohnsitzstaat von den Dienstleistungen profitiert, die aus der Besteuerung bezahlt werden. Demzufolge sehen die Abkommen normalerweise eine Senkung des normalen Quellensteuersatzes im Quellenstaat vor, damit auch noch im Wohnsitzstaat Steuern bezahlt werden können bzw. müssen.

In den Giovannini-Berichten werden die Behörden aufgefordert, einige praktische Probleme zu lösen, die auf die Verfahren zurückzuführen sind, wonach nur bestimmte Intermediäre eine Senkung des üblichen Quellensteuersatzes zur Anwendung bringen dürfen. In einigen Mitgliedstaaten ist die Quellenbesteuerung nur bei Institutionen gestattet, die innerhalb ihres Staatsgebiets ansässig sind. In anderen Mitgliedstaaten dürfen auch ausländische Intermediäre niedrigere Quellensteuersätze erheben, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie einen Steuervertreter ernennen. In den Giovannini-Berichten wird darauf hingewiesen, dass diese Situation einen Intermediär davon abhält, auf grenzübergreifender Basis zu agieren oder die Intermediärdienste eines Wertpapier abrechnungssystems zu nutzen, was den Wettbewerb bei der Erbringung grenzübergreifender Abrechnungsdienstleistungen stark einschränkt und andererseits die Ineffizienz des gesamten Prozesses erhöht.

Überdies haben die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Verfahren zur Beitreibung der Quellensteuer bzw. zur Gewährung von Steuererleichterungen. Selbst bei Gewährung von Steuererleichterungen oder bei einer Steuerbefreiung müssen die fraglichen Anleger die Steuer u. U. zuerst zahlen und können sie später zurückfordern. Die jeweils geltenden Verfahren für die Rückerstattung der Quellensteuer können sehr komplex und zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten stark unterschiedlich sein. Diese Schwierigkeiten und Unterschiede tragen zu einer erheblichen Steigerung der Kosten für die grenzübergreifende Abrechnung bei.

Die Bedeutung dieser Hemmnisse für ein effizientes grenzübergreifendes Abrechnungswesen war im Rahmen des Konsultationsverfahrens auch Gegenstand der Stellungnahmen zur ersten Mitteilung der Kommission über das Clearing und die Abrechnung. In manchen Stellungsnahmen wurde in der Tat die Auffassung vertreten, dass die verschiedenen Besteuerungsverfahren harmonisiert werden sollten, obwohl derzeit keine substanzielle Steuerharmonisierung erforderlich wäre, wobei eine Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Anlegern gewährleistet sein müsste.

Die Kommission stellt einen zunehmenden Trend zur Abkehr von Quellensteuern hin zu einer stärkeren Unterstützung des Informationsaustausches fest. Dadurch stehen den Steuerbehörden genaue Informationen zur Verfügung, um die richtigen Steuerbeträge zu veranlagen und von den richtigen Personen zu fordern. Richtlinie 2003/48/EG des Rates hinsichtlich der Besteuerung von Zinserträgen über nationale Grenzen hinweg untermauert, dass der Informationsaustausch auf breitest möglicher Basis stattfinden sollte [26]. Darüber hinaus gibt es nunmehr eine Richtlinie für die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen [27], wonach die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates die Behörden eines anderen Mitgliedstaates unterstützen können, die im erstgenannten Mitgliedstaat geschuldeten direkten und indirekten Steuern von einem Schuldner einzuziehen, der im zweitgenannten Mitgliedstaat ansässig ist. Darüber hinaus wird derzeit an der Änderung und Modernisierung der ursprünglichen Richtlinie über gegenseitige Amtshilfe [28] gearbeitet. Dadurch werden die Mitgliedstaaten über bessere Kontrollmöglichkeiten für Steuerzahler verfügen, die außerhalb ihres Rechtsgebiets ansässig sind.

[26] Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, ABl. 2003 Nr. L 157/38

[27] Richtlinie 2001/44/EG des Rates vom 15. Juni 2001 zur Änderung der Richtlinie 76/308/EWG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen und bezüglich der Mehrwertsteuer und bestimmter Verbrauchssteuern, ABl. 2001 Nr. L 175/17

[28] Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der indirekten Steuern, ABl. 1977 L 336/15

Angesichts der neuen Rahmenbedingungen ist jetzt der geeignete Zeitpunkt für eine nähere Untersuchung der nunmehr zur Verfügung stehenden, zusätzlichen Möglichkeiten, um festzustellen, ob einige der derzeit gültigen Vorschriften zur Erleichterung des Geschäftsumfeldes geändert werden können, wobei die Rechte der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Steuereinziehung gewahrt bleiben müssen.

Die Giovannini-Gruppe wies auch darauf hin, dass die Integration des Systems für die Beitreibung von Umsatzsteuern innerhalb der Funktionsweise der derzeitigen Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme in der EU ein weiteres Steuerhemmnis darstellen würde. Wie in den Berichten erwähnt, könnte die Verwendung eines anderen Wertpapierabrechnungssystems unter solchen Umständen die Zahlung höherer Umsatzsteuern zur Folge haben. Sollte dies der Fall sein, könnten andere Wertpapierabrechnungssysteme de facto daran gehindert werden, Intermediärdienste beim grenzübergreifenden Abrechnungswesen anzubieten, was wiederum die Effizienz des Systems verringern würde. Die Giovannini-Expertengruppe hat die Behörden dazu aufgefordert, dieses Hemmnis zu überdenken und geeignete Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

Die Kommission schlägt die Einrichtung einer Expertengruppe zur näheren Untersuchung der steuerlichen Probleme vor, die von der Giovannini-Gruppe erkannt und in den Stellungnahmen zur ersten Mitteilung der Kommission über das Clearing und die Abrechnung als Hemmnisse für ein effizientes, grenzübergreifendes Abrechnungswesen genannt wurden. Die Expertengruppe sollte diese Fragen einer genaueren Analyse unterziehen, einen Bericht über ihre Tragweite vorlegen und nach Möglichkeit alternative Lösungen zur Sicherung der den Mitgliedstaaten zustehenden Steuereinnahmen vorschlagen, wobei gewährleistet sein muss, dass alle Finanzinstitute innerhalb der Europäischen Union gleichberechtigt miteinander konkurrieren.

Die Aufgabe der Expertengruppe sollte auch die Durchführung einer Studie über die verschiedenen, in den Mitgliedstaaten gängigen Verfahren einschließen, um festzustellen, ob diese Verfahren stärker angeglichen werden können, wodurch sich die Vielzahl von Regelungen, die u. a. zur Erhöhung der Kosten für das grenzübergreifende Abrechnungswesen beitragen, auf ein Minimum reduzieren ließe.

Die Kommission wird die Untersuchungsergebnisse der Expertengruppe sorgfältig prüfen und diese dann in Anlehnung an die bewährte Praxis früherer Konsultationsverfahren über Steuerfragen als Grundlage für einen Meinungsaustausch mit den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten nutzen. Wenn weitere Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene geboten erscheinen, wird die Kommission alle Anstrengungen unternehmen, um geeignete Vorschläge zu unterbreiten.

4. Wettbewerbspolitik

Die kohärente Anwendung der Wettbewerbsregeln ist Teil des von der Kommission im Bereich Clearing- und Abrechnung verfolgten Ansatzes. Die zur Förderung der Liberalisierung und Integrierung der vorhandenen Systeme und Wettbewerbsvorschriften bestimmten Maßnahmen verstehen sich als Ergänzung zur Realisierung effizienter Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme in der EU.

In der Tat unterliegt der Finanzsektor, einschließlich aller auf den Handelsabschluss folgender Tätigkeiten, den gleichen EU-Wettbewerbsregeln wie alle anderen Branchen. Die Kommission arbeitet bei der Beurteilung von nationalen und grenzübergreifenden Fragen eng mit den Wettbewerbsbehörden in den einzelnen Ländern zusammen, z. B. in Fällen eines angeblich diskriminierenden Verhaltens gegenüber inländischen und ausländischen Marktteilnehmern. Darüber hinaus wird die Umsetzung der Verordnung Nr. 1/2003 des Rates [29] im Mai 2004 zu einer noch engeren Zusammenarbeit zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden und der Kommission bei der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften führen. Dies wird wiederum zu einer effizienteren und einheitlicheren Anwendung der Artikel 81 und 82 des EG-Vertrages beitragen und sich vorteilhaft auf die Förderung des Wettbewerbs im Finanzsektor auswirken.

[29] Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002, ABl. 2003 Nr. L 1/1

Im Zuge der Erweiterung ihres Aufgabenspektrums sind einige Wertpapierclearing- und -abrechnungssysteme, die traditionell immer innerhalb der Mitgliedstaaten konsolidiert wurden, grenzübergreifend konsolidiert worden. Dazu zählte beispielsweise der Zusammenschluss nationaler Infrastrukturen (wie Zentralverwahrer) mit Unternehmen, die wirklich grenzübergreifend ausgerichtet sind (wie Internationale Zentralverwahrer).

Während die Kommission wie bei jeder anderen Branche, in der eine Konsolidierung zur Schaffung oder Stärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen kann, eine neutrale Haltung hinsichtlich der Frage einer vertikalen oder horizontalen Konsolidierung sowie in Bezug auf die Frage mehrerer oder einzelner Infrastruktur- und Eigentumsprofile einnimmt, werden diese Fragen Bedenken aufwerfen. Bislang haben die meisten Zusammenschlüsse in diesem Sektor nicht die in der Verordnung Nr. 4064/89 [30] des Rates (so genannte ,Fusionsverordnung") festgelegten Schwellen erreicht und sind daher nicht den EU-Wettbewerbsbehörden gemeldet worden.

[30] Verordnung (EG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989, ABl. 1989 Nr. L 395/1

Die Kommission wird Zusammenschlüsse und Übernahmen in diesem Bereich weiterhin sorgfältig überwachen. Darüber hinaus müssen bestehende und neu entstehende Institutionen die speziellen, ihnen gemäß Artikel 82 des EG-Vertrages obliegenden Pflichten einhalten, wenn sie eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Außerdem werden Vereinbarungen zwischen Dienstleistern im Bereich Clearing und Abrechnung ebenfalls im Hinblick auf Artikel 81 des Vertrages überwacht.

Im Zuge der fortschreitenden Systemkonsolidierung nehmen auch die Rechte und Pflichten der Käufer und Anbieter von Dienstleistungen in diesem Bereich zu. Bestimmte Probleme können genannt werden. Doch die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und deckt nicht alle Bedenken oder Situationen ab, die zukünftig auftreten können.

Erbringung von Dienstleistungen und nicht diskriminierender Zugang: Im jetzigen Branchenumfeld wird auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln besonders geachtet, wenn Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen oder die Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens den Wettbewerb auf einem bestimmten Markt einschränken. Bei ihrer Beurteilung wird die Kommission das wirtschaftliche Umfeld und die Auswirkung berücksichtigen, die derartige Verhaltensweisen bei der Schaffung oder Behinderung effizienter Strukturen und des Wettbewerbs auf dem gemeinsamen Binnenmarkt haben können.

Preisgestaltung: Die Kommission ist keine Preisregulierungsbehörde. Die Preise sollten vorbehaltlich bestimmter Grenzwerte vom Markt bestimmt werden. Gemäß Artikel 82 des EG-Vertrages ist ein marktbeherrschendes Unternehmen insbesondere verpflichtet, ,die unmittelbare oder mittelbare Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen" [31] und ,die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern" zu vermeiden, ,wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden" [32].

[31] Artikel 82(a)

[32] Artikel 82(c).

Exklusivvereinbarungen: Der Begriff ,Exklusivvereinbarungen" deckt eine Vielzahl von unterschiedlichen Rechtssituationen ab. Er kann unter Einschluss von Gesetzgebungs- und Selbstregelungsverfahren sowie von Branchenvereinbarungen verstanden werden. Exklusivvereinbarungen sind als solches nicht durch die Wettbewerbsregeln verboten. Sie können jedoch unter die Anwendung der Artikel 81, 82 und 86 des EG-Vertrages fallen, insbesondere im Rahmen der Entwicklung grenzübergreifender Dienstleistungen. Solche Vorschriften innerhalb des Wertpapierclearing- und -abrechnungswesens können die Verpflichtung einschließen, das Clearing und die Abrechnung nur in einer bestimmten Infrastruktur vorzunehmen, nur eine angeschlossene zentrale Gegenpartei zu nutzen usw. Andererseits spiegeln nicht exklusive Vereinbarungen hinsichtlich der Nutzung einer bestimmten Infrastruktur das Recht eines Marktes auf freie Wahl der Dienstleistungen einer zentralen Gegenpartei oder eines Wertpapierabrechnungssystems wider; daher stellen sie kein Problem dar. Wenn Unternehmen, die aufgrund von staatlichen Maßnahmen oder einer Konsolidierung u. U. eine marktherrschende Stellung innehaben, von derartigen Vereinbarungen profitieren, sollte auf die Einhaltung von Artikel 82 EG-Vertrag besonders geachtet werden.

Die Marktentwicklungen im Clearing- und Abrechnungsbereich werden von der Kommission aktiv überwacht. Zwischenzeitlich wird Dienstanbietern geraten, eine proaktive Wettbewerbsposition bei ihrer Geschäftsentwicklung zu beziehen und mögliche wettbewerbsrechtliche Bedenken bereits frühzeitig auszuräumen.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

In der vorliegenden Mitteilung sind die wichtigsten strategischen und politischen Ziele festgelegt, die die Kommission bei der Ausarbeitung von Vorschlägen für zukünftige Maßnahmen auf EU-Ebene berücksichtigt hat. Dazu zählt ein Aktionsplan mit einer Beschreibung der verschiedenen Initiativen, die zur Schaffung eines integrierten, sicheren und effizienten Wertpapierclearing- und -abrechnungsumfelds in der EU ergriffen werden sollten.

Das Europäische Parlament, der Rat, die Europäische Zentralbank, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Ausschuss der Regionen, nationale Regulierungs- und Überwachungsbehörden, andere Organisationen und Verbände auf EU- und auf nationaler Ebene, Marktteilnehmer, institutionelle Anleger, Systembetreiber und alle sonstigen interessierten Kreise werden gebeten, bis zum 30. Juli 2004 zu allen Aspekten dieser Mitteilung Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen sollten gerichtet werden an: GD MARKT G1, Europäische Kommission, B-1049 Brüssel (E-Mail: < >).

Die Kommission bittet auch das Europäische Parlament und den Rat, den in der vorliegenden Mitteilung dargelegten Ansatz zu unterstützen.

Anhang 1

Giovannini-Hemmnisse

Vielfalt der IT-Plattformen/Schnittstellen

Beschränkungen hinsichtlich des Ortes für das Clearing oder die Abrechnung

Unterschiedliche nationale Vorschriften für Maßnahmen auf Unternehmensebene

Unterschiede hinsichtlich der Verfügbarkeit/des Zeitpunkts für die Wirksamkeit von Abrechnungen innerhalb eines Tages

Hindernisse beim Fernzugang

Nationale Unterschiede bei den Abrechnungsperioden

Nationale Unterschiede bei den Betriebszeiten/Abrechnungsfristen

Nationale Unterschiede bei den Emissionspraktiken

Beschränkungen hinsichtlich des Aufbewahrungsortes von Wertpapieren

Beschränkungen für die Tätigkeit von Primärhändlern und Marktmachern

Quellensteuerverfahren, die ausländische Intermediäre benachteiligen

Im Abrechnungssystem integrierte Funktionen zur Steuerbeitreibung

Nationale Unterschiede bei der rechtlichen Behandlung von Wertpapieren

Nationale Unterschiede bei der rechtlichen Behandlung des bilateralen Netting

Ungleiche Anwendung von Kollisionsvorschriften

Anhang 2: GLOSSAR

Zentrale Gegenpartei (kurz ,CCP" aus dem Englischen Central Counterparty): ein Institut, das die Clearing-Funktion wahrnimmt.

Clearing-Funktion: die Tätigkeiten zur Absicherung von Gegenparteien gegen das Eindeckungsrisiko.

Anbieter von Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen: Wertpapierabrechnungs systeme (SSS), zentrale Gegenparteien (CCP), Verwahrstellen und Clearing-Mitglieder.

Clearing-Mitglied: ein Intermediär bei der Erbringung von Clearing-Dienstleistungen.

Verwahrstelle: ein Intermediär bei der Erbringung von Abrechnungs-Dienstleistungen.

Intermediärfunktion: die Bereitstellung eines direkten oder indirekten Zugangs zum Anleger-SSS oder zur CCP, mit dem bzw. der Markt entsprechende Clearing-Vereinbarungen geschlossen hat.

Anleger-SSS: ein Wertpapierabrechnungssystem (SSS), das als Intermediär fungiert.

Emittenten-SSS: das Wertpapierabrechnungssystem (SSS), bei dem Wertpapiere eingefroren oder nur noch in stückeloser Form gehandelt werden.

Märkte: Geregelte Märkte und Multilaterale Handelssysteme (kurz ,MTF" aus dem Englischen Multilateral Trading Facilities), wie im ,Richtlinienvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Märkte für Finanzinstrumente" definiert.

Wiederbeschaffungskosten: die potenziellen Verluste, die bei Ausfall eines Kontrahenten bei einem (Wertpapier-) Geschäft auftreten.

Wertpapierclearing- und -abrechnungssystem (kurz ,SCSS" aus dem Englischen Securities Clearing and Settlement System): sämtliche institutionelle Systeme, die für den Abschluss eines Wertpapiergeschäfts erforderlich sind.

Wertpapierabrechnungssystem (kurz ,SSS" aus dem Englischen Securities Settlement System): alle Institutionen, insbesondere Zentralverwahrer, die vorläufige Abrechnungs-, Abrechnungs- und Verwahrungsfunktionen wahrnehmen, mit Ausnahme der Verwahrstellen.

TARGET: Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement Express Transfer System (zu Deutsch etwa: Transeuropäisches automatisiertes Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungssystem), das sich aus den nationalen RTGS-Zahlungssystemen der EU-Mitgliedstaaten, die den Euro als Zahlungsmittel eingeführt haben, und dem Zahlungsmechanismus der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammensetzt.