52003DC0058

Mitteilung der Kommission - Die Rolle der Universitäten im Europa des Wissens /* KOM/2003/0058 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION - Die Rolle der Universitäten im Europa des Wissens

1. ZUSAMMENFASSUNG

Diese Mitteilung soll eine Debatte darüber anstoßen, welche Funktion die Universitäten [1] in der wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft Europas einnehmen sollen und unter welchen Bedingungen sie diese Funktion effektiv erfuellen können. Das Wachstum der Wissensgesellschaft ist abhängig von der Schaffung neuen Wissens, seiner Vermittlung durch die allgemeine und berufliche Bildung, seiner Verbreitung mittels Informations- und Kommunikationstechnologien und seiner Anwendung in Industrie und Dienstleistungen. Die Universitäten haben hier eine Sonderstellung, denn sie sind unmittelbar in alle diese Prozesse involviert. Der Grund hierfür ist ihre Schlüsselrolle in den drei Bereichen Forschung und Verwertung der Forschungsergebnisse (durch Kooperationen mit der Industrie und Spin-off-Unternehmen), allgemeine und berufliche Bildung (insbesondere Ausbildung von Forschern) sowie regionale und lokale Entwicklung (zu der sie maßgeblich beitragen können).

[1] In der vorliegenden Mitteilung steht die Bezeichnung ,Universitäten" für sämtliche Arten von Hochschuleinrichtungen, u. a. einschließlich ,Fachhochschulen", ,Polytechnics" und die ,Grandes Ecoles".

Die EU braucht also ein intaktes, blühendes Hochschulwesen, und die europäischen Universitäten müssen exzellente Leistungen erbringen: Nur so ist es möglich, die Prozesse, auf die sich die Wissensgesellschaft stützt, zu optimieren und das strategische Ziel zu erreichen, das der Europäische Rat auf seiner Tagung von Lissabon festgelegt hat: die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen. Auf seiner Tagung in Barcelona unterstrich der Europäische Rat diese Forderung nach Exzellenz, indem er festlegte, dass die europäischen Bildungssysteme bis 2010 zu einer ,weltweiten Qualitätsreferenz" werden sollen [2].

[2] Europäischer Rat (Barcelona), Schlussfolgerungen des Vorsitzes.

Das europäische Hochschulwesen ist jedoch keine Insel der Glückseligkeit, und im weltweiten Vergleich können unsere Universitäten derzeit nicht mit den Universitäten unserer großen Partnerländer konkurrieren, obwohl sie wissenschaftliche Publikationen hoher Qualität veröffentlichen. In der vorliegenden Mitteilung werden verschiedene Bereiche beleuchtet, in denen Reflexions- und oft auch Handlungsbedarf besteht, und es werden einige Fragen aufgeworfen, beispielsweise folgende:

- Wie lässt sich sicherstellen, dass die Universitäten langfristig über angemessene Einnahmen verfügen und dass die Mittel so effizient wie möglich eingesetzt werden?

- Wie lassen sich Autonomie und Professionalität sowohl in akademischen Belangen als auch im Hochschulmanagement gewährleisten?

- Wie lassen sich genug Ressourcen bündeln, um exzellente Leistungen zu erzielen? Wie können geeignete Bedingungen geschaffen werden, unter denen die Universitäten auf Exzellenz hinarbeiten und sie auch erzielen können?

- Wie können die Universitäten besser auf lokale und regionale Anforderungen eingehen und zur Umsetzung entsprechender Strategien beitragen?

- Wie kann eine engere Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Unternehmen verwirklicht werden, um eine bessere Verbreitung und Nutzung von neuem Wissen in der Wirtschaft und in der Gesellschaft insgesamt sicherzustellen

- Wie können Maßnahmen in allen diesen Bereichen zum Aufbau eines kohärenten, aus miteinander kompatiblen Elementen bestehenden und wettbewerbsfähigen europäischen Hochschulraums (wie in der Erklärung von Bologna vorgesehen) bzw. eines Europäischen Forschungsraums (Zielsetzung des Europäischen Rates von Lissabon vom März 2002) beitragen?

Diese im Vorfeld der Frühjahrstagung 2003 des Europäischen Rates erstellte Mitteilung ist als Aufruf an alle Akteure aus den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation zu verstehen, auf die angeführten Fragen zu reagieren. Im Sommer 2003 wird die Kommission die Ergebnisse der Debatte zusammenfassen und geeignete Initiativen ermitteln. Dies erfolgt voraussichtlich in Form einer weiteren Mitteilung, die den Bildungsministern im Rat ,Bildung", den Forschungsministern im Rat ,Wettbewerbsfähigkeit" sowie auf dem Treffen der europäischen Bildungsminister am 18. und 19. September 2003 in Berlin vorgelegt werden soll.

2. EINLEITUNG

Die Schaffung eines wissensbasierten Europas ist seit der Tagung des Europäischen Rates von Lissabon im März 2000 erklärtes Ziel der Europäischen Union. Diese Zielsetzung von Lissabon wurde auf den nachfolgenden Tagungen des Europäischen Rates weiter ergänzt und präzisiert, insbesondere in Stockholm (März 2001) und Barcelona (März 2002).

Das in Lissabon begründete Vorhaben sieht die Mobilisierung einer Vielzahl von Akteuren vor, unter denen die Universitäten eine besonders wichtige Rolle spielen. Dies ist zurückzuführen auf ihre traditionelle Doppelfunktion (Lehre und Forschung), auf ihre wachsende Bedeutung im komplexen Innovationsprozess sowie darauf, dass sie auch in weiteren Bereichen zur Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zum sozialen Zusammenhalt beitragen, z. B. als Faktor für die städtische und regionale Entwicklung.

Angesichts dieser zentralen Rolle eröffnet die Schaffung eines wissensbasierten Europas den Universitäten große Chancen, stellt sie zugleich aber auch vor große Herausforderungen. Schließlich operieren die Universitäten in einem immer stärker von der Globalisierung geprägten Umfeld, das sich ständig weiterentwickelt. Es ist gekennzeichnet durch einen zunehmenden Wettbewerb um die größten Talente sowie durch die Entstehung neuer Anforderungen, auf die die Universitäten reagieren müssen. Die europäischen Universitäten sind jedoch im Allgemeinen weniger attraktiv und verfügen über weniger Finanzmittel als die Universitäten in anderen entwickelten Ländern, insbesondere den USA. Es stellt sich also die Frage, inwieweit sie in der Lage sind, mit den besten Universitäten der Welt zu konkurrieren und dauerhaft Spitzenleistungen zu gewährleisten. Diese Frage ist insbesondere mit Blick auf die Erweiterung akut, denn die Situation der Universitäten in den Kandidatenländern ist häufig sehr schwierig - sowohl in punkto Humanressourcen als auch hinsichtlich der finanziellen Ausstattung.

Zur Umsetzung des Vorhabens von Lissabon hat die Europäische Union eine Reihe von Maßnahmen und Initiativen in den Bereichen Forschung und Bildung auf den Weg gebracht. Hier sind unter anderem der Europäische Forschungsraum, für dessen Verwirklichung kürzlich neue Perspektiven eröffnet wurden [3], sowie die damit verbundene Zielvorgabe zu nennen, den für Forschung und Entwicklung aufgewandten Anteil des BIP in der EU bis 2010 auf 3 % zu steigern [4].

[3] Europäische Kommission, Mitteilungen ,Hin zu einem europäischen Forschungsraum", KOM(2000) 6 vom 18.1.2000, und ,Der Europäische Forschungsraum: ein neuer Schwung", KOM(2002) 565 vom 16.10.2002.

[4] Europäische Kommission, Mitteilung ,Mehr Forschung für Europa: hin zu 3 % des BIP", KOM(2002) 499 vom 11.9.2002.

Im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung wurden ebenfalls verschiedene Maßnahmen eingeleitet: Schaffung eines europäischen Raums des lebenslangen Lernens [5], Verwirklichung des ,Detaillierten Arbeitsprogramms zur Umsetzung der Ziele der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung" [6] und Verbesserung der Kompatibilität der Hochschulsysteme (Bologna-Prozess) bzw. der Berufsbildungssysteme (Kopenhagen Deklaration).

[5] Europäische Kommission, Mitteilung ,Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen", KOM(2001) 678 vom 21.10.2001.

[6] Detailliertes Arbeitsprogramm zur Umsetzung der Ziele der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung in Europa, ABl. C 142 vom 14.6.2002, S. 1.

Seit zuletzt auf EU-Ebene konkret über die europäischen Universitäten nachgedacht und diskutiert wurde, ist bereits einige Zeit vergangen [7]. Um diese Debatte neu zu beleben, legt die Kommission diesen Beitrag vor. Sie analysiert in dieser Mitteilung die Stellung und die Rolle der europäischen Universitäten in der wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft (Abschnitt 3), stellt aus europäischer Perspektive Überlegungen über das Hochschulwesen an (Abschnitt 4), erläutert die wichtigsten Herausforderungen, die die europäischen Universitäten zu bewältigen haben, und gibt hierzu Denkanstöße (Abschnitt 5).

[7] Europäische Kommission, ,Memorandum zur Hochschulbildung in der Europäischen Gemeinschaft", KOM(1991) 349 vom 5.11.1991.

Die Kommission ersucht sämtliche betroffenen Akteure (die Universitäten selbst, Rektorenkonferenzen, nationale und regionale Behörden, die Forschungsgemeinschaft, Studenten, Wirtschaft und Bürger), zu den in der vorliegenden Mitteilung angesprochenen Punkten Stellung zu nehmen und Vorschläge zu machen [8]. Auf Grundlage der eingegangenen Beiträge wird die Kommission ermitteln, welche Handlungsoptionen für die Zukunft in Frage kommen, und sie wird ein Folgedokument in Form einer weiteren Mitteilung erstellen, die sie den Bildungsministern im Rat ,Bildung", den Forschungsministern im Rat ,Wettbewerbsfähigkeit" sowie auf dem Treffen der europäischen Bildungsminister am 18. und 19. September 2003 in Berlin vorlegen wird.

[8] VGL. ABSCHNITT 7 ,WIE KÖNNEN BEITRAEGE ÜBERMITTELT WERDEN?".

3. HEUTIGE SITUATION DER EUROPÄISCHEN UNIVERSITÄTEN

3.1. Zentrale Rolle der Universitäten im Europa des Wissens

Den Ursprung für die Wissensgesellschaft und die wissensbasierte Wirtschaft bilden vier miteinander verbundene Elemente: Schaffung von Wissen (insbesondere durch wissenschaftliche Forschung), Vermittlung von Wissen durch die allgemeine und berufliche Bildung, Verbreitung von Wissen durch Informations- und Kommunikationstechnologien und Nutzung von Wissen mittels innovativer Technologien. Zugleich entstehen neue Arten der Schaffung, Vermittlung und Nutzung von Wissen, die die Einbindung von immer mehr Akteuren implizieren - meist mittels Vernetzung in zunehmend international geprägten Umfeldern.

Da die Universitäten Schnittstellen zwischen Forschung, Bildung und Innovation sind, kommt ihnen in vieler Hinsicht eine Schlüsselrolle für die wissensbasierte Wirtschaft und Gesellschaft zu. So beschäftigen die Universitäten 34 % aller Forscher in Europa, wobei dieser Anteil in manchen Mitgliedstaaten fast dreimal so hoch ist wie in anderen (26 % in Deutschland, 55 % in Spanien und mehr als 70 % in Griechenland). Außerdem wird Grundlagenforschung in Europa zu 80 % an den Universitäten betrieben.

Ferner bilden die Universitäten immer mehr und immer höher qualifizierte Studierende aus und leisten damit einen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft: Ein Drittel aller Europäer ist heute in wissensintensiven Branchen tätig (in Ländern wie Dänemark und Schweden liegt dieser Anteil bei mehr als 40 %), und allein in diesen Branchen entstand die Hälfte aller zwischen 1999 und 2000 neu geschaffenen Arbeitsplätze.

Die Universitäten tragen außerdem zur Verwirklichung der weiteren Ziele der Strategie von Lissabon bei, insbesondere zur Förderung der Beschäftigung und des sozialen Zusammenhalts, sowie zur Verbesserung des allgemeinen Bildungsniveaus in Europa. Heute verfügen sehr viel mehr junge Europäer über einen Hochschulabschluss als in den vorherigen Generationen. Konkret liegt der Anteil unter den 35- bis 39-Jährigen derzeit bei 20 %, in der Gruppe 55- bis 59-Jährigen jedoch nur bei 12,5 %. Betrachtet man die gesamte Bevölkerung im Alter zwischen 25 und 64 Jahren, so betrug die Beschäftigungsquote bei den Hochschulabsolventen (ISCED-Bereiche 5 und 6) im Jahr 2001 84 %; das sind 15 Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt sämtlicher erreichten Bildungsgrade und 30 Prozentpunkte mehr als in der Gruppe mit Abschluss der Sekundarstufe I (ISCED-Bereiche 0 bis 2). Außerdem lag die Arbeitslosenquote unter den Hochschulabsolventen im Jahr 2001 bei 3,9 %, während sie in der Gruppe mit niedrigem erreichten Bildungsgrad dreimal so hoch war.

3.2. Die europäische Hochschullandschaft

In der Europäischen Union gibt es etwa 3 300 Hochschuleinrichtungen. In ganz Europa, einschließlich der anderen westeuropäischen Länder und der Beitrittsländer, sind es etwa 4 000 [9]. Die Zahl der Studierenden an diesen Universitäten wächst: Im Jahr 2000 lag sie bei 12,5 Millionen, zehn Jahre zuvor noch bei 9 Millionen.

[9] Zum Vergleich: In den USA gibt es mehr als 4 000 Hochschulen. Davon können 550 den Doktortitel verleihen, und 125 sind forschende Universitäten (,research universities"). Von diesen 125 entfällt auf etwa 50 der Großteil der akademischen Forschungskapazitäten der USA, der staatlichen Fördermittel für die Forschung auf Hochschulebene und der Nobelpreise für US-amerikanische Wissenschaftler.

Die Zuständigkeit für die europäischen Universitäten liegt im Wesentlichen auf nationaler und regionaler Ebene. Das Hochschulwesen ist deshalb ausgesprochen heterogen, was sowohl für die Organisation und die Entscheidungsstrukturen als auch für die Arbeitsbedingungen gilt (einschließlich des Status von Professoren und Forschern und der Konditionen für deren Einstellung und Beschäftigung). Diese Heterogenität ist zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten (aufgrund der kulturellen und rechtlichen Unterschiede) aber auch innerhalb der Mitgliedstaaten festzustellen, wo die Universitäten oft verschiedene Aufgaben haben und in unterschiedlicher Weise bzw. in unterschiedlichem Tempo auf relevante Entwicklungen reagieren. Die strukturellen Reformen innerhalb des Bologna-Prozesses sind ein Versuch, diese Vielfalt in einem kohärenteren und kompatibleren europäischen Rahmen zu organisieren, der gleichzeitig eine Bedingung der Lesbarkeit, und deswegen auch der Konkurrenzfähigkeit, der europäischen Universitäten, in Europa selbst sowie in aller Welt darstellt.

Die europäischen Universitäten haben sich lange durch einige große Leitbilder definiert, insbesondere durch das Ideal, das Wilhelm von Humboldt vor fast zwei Jahrhunderten mit seiner deutschen Universitätsreform aufgestellt hat und bei dem die Forschung im Mittelpunkt der Universitätsaktivitäten steht und die Grundlage für die Lehre bildet. Heute distanzieren sich die Universitäten zunehmend von solchen Modellen, und die Entwicklung geht in Richtung einer immer größeren Differenzierung. Konkret kommt dies darin zum Ausdruck, dass immer mehr spezialisierte Einrichtungen entstehen, die sich auf bestimmte Kernkompetenzen in Lehre und Forschung konzentrieren oder die Schwerpunkte bei bestimmten Teilbereichen ihres Tätigkeitsspektrums setzen (z. B. Beitrag zu Strategien für die regionale Entwicklung durch Erwachsenenbildung).

3.3. Neue Herausforderungen für die europäischen Universitäten

Überall auf der Welt, insbesondere aber in Europa, sehen sich die Universitäten mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich anpassen zu müssen, um mit verschiedenen tief greifenden Veränderungen Schritt zu halten. Diese lassen sich in fünf große Kategorien einteilen.

Steigende Nachfrage nach Hochschulbildung

Die Nachfrage nach Hochschulbildung wird weiter steigen [10], was vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen ist: Zum einen haben einige Regierungen die Absicht, den Anteil der Hochschulabsolventen an der Gesamtbevölkerung zu erhöhen [11], und zum anderen entsteht durch lebenslanges Lernen neuer Lernbedarf. Diese wachsende Nachfrage - die durch die sinkenden Geburtenziffern in Europa wohl nur wenig gebremst werden dürfte - wird zu einer vollständigen Auslastung der Kapazitäten der Universitäten führen.

[10] Europäische Kommission, Gemeinsame Forschungsstelle, Bericht ,The Future of Education in Europe until 2010", Juni 1999.

[11] Länder wie das Vereinigte Königreich und Dänemark haben sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2010 50 % der Personen einer Altersstufe einen Hochschulabschluss erwerben sollen.

Wie lässt sich diese wachsende Nachfrage abfedern, insbesondere angesichts der eingeschränkten Verfügbarkeit von Humanressourcen (in den nächsten Jahren wird es zu einem Dozenten- und Forschermangel kommen) und Finanzmitteln (diese steigen nicht im gleichen Maße wie die Nachfrage)? Wie lässt sich eine tragfähige Finanzierung der betroffenen Universitäten sicherstellen, die überdies neue Herausforderungen bewältigen müssen? Es geht also darum, Exzellenz in Lehre und Forschung aufrecht zu erhalten und weiter zu fördern, ohne dadurch das allgemeine Qualitätsniveau zu beeinträchtigen, und zugleich einen breiten, gerechten und demokratischen Zugang zu den Universitäten sicherzustellen.

Internationalisierung von Lehre und Forschung

Die vor allem durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien beschleunigte Internationalisierung führt zu einem verschärften Wettbewerb: Wettbewerb unter Universitäten und Ländern, aber auch zwischen Universitäten und anderen Einrichtungen, insbesondere öffentlichen Forschungslabors, deren Forscher kein Lehrdeputat erfuellen müssen, und privaten Bildungseinrichtungen, die häufig stark spezialisiert und teils auch kommerziell ausgerichtet sind. Da zudem ein immer größerer Anteil der für Universitäten bestimmten Mittel im Wettbewerb vergeben wird, wird sich die Konkurrenz um die größten Talente immer weiter verschärfen.

Die europäischen Universitäten ziehen weniger ausländische Studierende und vor allem auch weniger ausländische Forscher an als die amerikanischen. In Europa gab es im Jahr 2000 etwa 450 000 ausländische Studierende, in den USA mehr als 540 000 [12], von denen die Mehrheit aus Asien stammt [13]. Zudem gehen im Vergleich sehr viel mehr ausländische Studierende in die USA, um Ingenieurwissenschaften, Mathematik und Informatik als Postgraduierte zu studieren, als nach Europa, und es bleiben mehr Ausländer nach ihrer Promotion in den USA: Etwa 50 % der Europäer, die ihren Abschluss in den USA erworben haben, halten sich noch mehrere Jahre lang dort auf, und ein beachtlicher Teil bleibt sogar auf Dauer.

[12] Europäische Kommission, GD RTD, Schlüsseldaten 2002 (auf Basis von OECD und Eurostat Statistiken)

[13] Fast 40 % aller ausländischen Studierenden in den USA stammen aus vier asiatischen Ländern: China, Indien, Japan und Südkorea (Open Doors 2001, IIE, New York).

Die europäischen Universitäten sind für Forscher und Studierende sehr viel weniger attraktiv. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass sie häufig nicht die notwendige ,kritische Masse" haben: Deshalb rücken sie immer enger zusammen, indem sie Netze aufbauen oder gemeinsame Studiengänge und Abschlüsse schaffen. Andere Gründe, ausserhalb der Universität, spielen aber dabei auch eine wichtige Rolle, z.B. die mangelnde Flexibilität des Arbeitsmarkts oder der weniger ausgeprägte Unternehmungsgeist, welchem geringere Arbeitsmöglichkeiten in den innovationsreichen Bereichen entsprechen. Dies widerspiegelt sich in einem schlechteren Abschneiden z.B. in der Forschungsfinanzierung, den Beziehungen zur Wirtschaft, den Patentraten und « spin-offs »-Gründungsrate als in den USA und Japan [14].

[14] Europäische Kommission, Mitteilungen ,Hin zu einem europäischen Forschungsraum", KOM(2000) 6 vom 18.1.2000, und ,Der Europäische Forschungsraum: ein neuer Schwung", KOM(2002) 565 vom 16.10.2002.

Entwicklung einer wirkungsvollen und engen Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und der Wirtschaft

Die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und der Wirtschaft muss auf nationaler und regionaler Ebene intensiviert werden und stärker auf Innovationen, der Gründung neuer Unternehmen und, allgemeiner, den Wissenstransfer ausgerichtet werden. Aus Sicht der Wettbewerbsfähigkeit ist es entscheidend, dass Wissen von den Universitäten in die Wirtschaft und zur Gesellschaft fließt.

Die zwei Hauptmechanismen, über die das in den Universitäten vorhandene und entwickelte Wissen direkt in die Wirtschaft fließen kann, sind das Lizenzieren von intellektuellem Eigentum der Universitäten und das Ausgliedern und Gründen von Unternehmen (spin-offs und start ups).

Obwohl es gegenwärtig in den Mitgliedstaaten wenig Angaben darüber gibt in welchem Ausmaß die Universitäten ihre Forschung vermarkten, so dass es schwierig ist, Aussagen darüber zu machen, wie gut die Universitäten in der Europäischen Union Forschungsergebnisse zusammen mit den Unternehmen verwerten, stehen doch ein paar Zahlen aus der Europäischen Innovationserhebung (,Community Innovation Survey'-CIS) zur Verfügung. Die CIS befragt Unternehmen unter anderem nach den wichtigsten Informationsquellen in Bezug auf Innovationen. Die Ergebnisse [15] zeigen, dass Quellen, die sich auf das Bildungssystem und die öffentliche Forschung beziehen, einen niedrigen Stellenwert einnehmen. Weniger als 5% der innovativen Unternehmen hielten Informationen von staatlichen oder privaten non-profit Forschungsinstituten und von Hochschulen oder anderen höheren Bildungseinrichtungen für sehr wichtige Informationsquellen. Es würde die Verbreitung von Wissen in die europäische Wirtschaft, einschließlich der KMU in den traditionellen Wirtschaftssektoren, erleichtern, wenn Universitäten aktiv die Förderung einer wirksamen Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und den Universitäten und eine bessere Nutzung ihres Wissens angehen würden. Evaluierungskriterien für das Abschneiden der Universitäten könnten dies Herausforderung in Betracht einschließen.

[15] "Innovationsstatistik in Europa" Daten für 1996-97, EUROSTAT

Die Europäische Kommission wird mit der Analyse existierender Hindernisse und von Faktoren, die dieser Zusammenarbeit förderlich sind, fortfahren und für eine weite Verbreitung der Ergebnisse an interessierte Kreise sorgen.

Wissen wird an immer mehr Orten generiert

Dieses Phänomen und die Tendenz, dass Unernehmen ihre Forschungsaktivitäten zunehmend an die besten Universitäten auslagern, haben zur Folge, dass das Umfeld, in dem sich die Universitäten entwickeln, immer stärker vom Wettbewerb geprägt ist. Zu den traditionellen Beziehungen zwischen den Universitäten einer Region und den dort ansässigen Unternehmen kommen neue Verbindungen hinzu. Geografische Nähe ist nicht mehr das Hauptkriterium für die Auswahl eines Partners. High-Tech-Unternehmen tendieren zudem dazu, sich in der Nähe der besten Universitäten anzusiedeln. Da die Zeit zwischen dem Vorliegen einer wissenschaftlichen Entdeckung und der Anwendung bzw. Vermarktung der Forschungsergebnisse immer kürzer wird, stellt sich die Frage nach der Rolle und dem Beitrag der Universitäten zum technischen Innovationsprozess und nach den Beziehungen zwischen Universitäten und Wirtschaft.

Reorganisation des Wissens

Die Reorganisation des Wissens kommt in zwei Entwicklungen mit entgegengesetzter Wirkung zum Ausdruck: Zum einen ist eine wachsende Diversifizierung und Spezialisierung des Wissens zu beobachten, was in Forschung und Lehre zu immer spezifischeren und enger gefassten Spezialgebieten führt. Zum andern muss sich die akademische Welt dringend auf den interdisziplinären Ansatz der großen gesellschaftlichen Probleme einstellen; als Stichworte sind hier beispielsweise die nachhaltige Entwicklung, die neuen schwerwiegenden Krankheiten und das Risikomanagement zu nennen. Die Aktivitäten der Universitäten, insbesondere im Bereich der Lehre, sind jedoch häufig noch nach dem traditionellen Fächerkanon organisiert und dementsprechend gegeneinander abgeschirmt.

Die Reorganisation des Wissens führt auch zu einer gewissen Aufweichung der Grenzen zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung. Diese Entwicklung geht jedoch nicht so weit, dass die Abgrenzung zwischen der Forschung um ihrer Selbstwillen einerseits und der an präzisen Zielvorgaben ausgerichteten Schaffung neuen Wissens und insbesondere der Anwendung bestehenden Wissens in Produkten, Verfahren und Technologien andererseits sinnlos wird.

Die Grundlagenforschung bleibt also ein privilegierter Tätigkeitsbereich der Universitäten. Aufgrund ihrer Kapazitäten sind amerikanische Universitäten, die Grundlagenforschung betreiben, attraktive Partner für die Wirtschaft, die einen großen Teil dieser Aktivitäten der Universitäten auch finanziert. Grundlagenforschung wird dort in einem praxisbezogenen Kontext betrieben, ohne dadurch ihren Grundlagencharakter zu verlieren. In Europa neigen die Universitäten eher dazu, angewandte Forschung für Unternehmen zu betreiben oder sogar wissenschaftliche Dienstleistungen zu erbringen. Wenn diese Entwicklung überhand nimmt, gefährdet dies ihre Fähigkeit, zur Schaffung neuen Wissens beizutragen.

Aufkommen neuer Erwartungen

Neben ihrer grundlegenden Aufgabe der Erstausbildung müssen die Universitäten auf neue Bildungsbedürfnisse reagieren, die sich aus der wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft ergeben. Zu nennen ist hier unter anderem der steigende Bedarf an naturwissenschaftlicher und technischer Bildung, an fächerübergreifenden Kompetenzen und an Angeboten für lebenslanges Lernen, was eine größere Durchlässigkeit zwischen den Einrichtungen bzw. Stufen der Bildungs- und Berufsbildungssysteme erfordert. Die zunehmende Nachfrage nach naturwissenschaftlicher Bildung betrifft die Universitäten direkt insofern, als sie die Sekundarschullehrer für die naturwissenschaftlichen Fächer ausbilden. Da von ihnen außerdem ein Beitrag zu den Strategien des lebenslangen Lernens erwartet wird, müssen die Universitäten die Bedingungen für den Zugang offener gestalten (insbesondere um denjenigen, die kein Abitur haben, über die Anerkennung vorhandener, auch außerhalb der Universitäten und der formalen Bildung erworbener Kenntnisse, Zugang zu ermöglichen), sich der Wirtschaft stärker öffnen, ihre Dienstleistungen für Studierende verbessern und ihr Lehrangebot diversifizieren, was sowohl für Zielgruppen, Lehrinhalte als auch Lehrmethoden gilt [16].

[16] Europäische Kommission, Mitteilung ,Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen", KOM(2001) 678 vom 21.10.2001.

Die Entwicklung der wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft hat zudem zur Folge, dass die Universitäten eine stärkere Integration in das jeweilige städtische Umfeld anstreben. Neben und in Verbindung mit ihren Grundaufgaben der Schaffung und Weitervermittlung von Wissen sind die Universitäten heute auch gefragte Partner, wenn Sachverständigenmeinungen in verschiedensten Fachgebieten benötigt werden. Zudem können und müssen sie zu Orten der Reflexion über das Wissen und zu Plattformen für die Diskussion und den Dialog zwischen Wissenschaftlern und Bürgern werden.

Da die Universitäten in erheblichem Maße von öffentlichen und privaten Mitteln abhängen und das von ihnen geschaffene Wissen bedeutende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft hat, tragen sie überdies gegenüber Geldgebern und Bürgern Verantwortung für die Organisation ihrer Aktivitäten und die Verwaltung ihrer Budgets. Deshalb wird von den Universitäten zunehmend gefordert, auch Personen in ihre Lenkungs- und Verwaltungsstrukturen aufzunehmen, die nicht aus dem Hochschulwesen kommen.

4. WAS FÜR EUROPA AUF DEM SPIEL STEHT

4.1. Universitäten und die europäische Dimension

Die Zuständigkeit für die Universitäten liegt im Wesentlichen bei den Mitgliedstaaten, entweder auf nationaler oder regionaler Ebene. Die wesentlichen Herausforderungen, die die Universitäten bewältigen müssen, sind jedoch europäischer oder sogar internationaler bzw. globaler Natur. Heute ist es selbst in den großen europäischen Ländern nicht mehr möglich, auf nationaler Ebene Exzellenz zu schaffen und zu beurteilen. Dies kann nur noch im Kontext der europäischen oder globalen Gemeinschaft der Hochschullehrer und Forscher erreicht werden.

Dies wirft zugleich die Frage auf, inwiefern die Systeme zur Anerkennung von Qualifikationen kompatibel und transparent sind (ein Kernbestandteil des Bologna-Verfahrens der Konvergenz) und welche Hindernisse der Mobilität von Studierenden und Forschern [17] entgegenstehen. So ist beispielsweise die Mobilität der Studierenden in Europa weiterhin marginal. Im Jahr 2000 absolvierten lediglich 2,3 % der europäischen Studierenden ein Studium in einem anderen europäischen Land [18]. Bei den Forschern ist die Mobilitätsquote in der EU zwar höher als im Bevölkerungsdurchschnitt, sie liegt jedoch nach wie vor unter der Mobilitätsquote der USA. Das Spannungsfeld zwischen der auf der nationalen Ebene basierenden Struktur des EU-Hochschulwesens und den neuen, grenzüberschreitenden Herausforderungen, hat sich in den letzten Jahren verstärkt, und durch das Zusammenkommen der folgenden Faktoren wird sich diese Entwicklung weiter fortsetzen:

[17] Strategie zur Förderung der Mobilität im europäischen Forschungsraum, Mitteilung der Kommission, COM(2001) 331 vom 26. Juni 2001.

[18] Dieser niedrige Durchschnittswert ergibt sich aus sehr unterschiedlichen Werten für die einzelnen Mitgliedstaaten. So studierten 68 % der luxemburgischen, 10 % der griechischen und 9 % der irischen Studenten außerhalb ihres Landes. Dagegen betrug dieser Anteil für das Vereinigte Königreich nur 0,7 % und für die spanischen Studierenden nur 1,2 %.

- Entstehung eines effektiv europäischen Arbeitsmarkts, innerhalb dessen sich die europäischen Bürger frei bewegen können [19], d. h. Schwierigkeiten in Verbindung mit der Anerkennung erworbener Qualifikationen müssen beseitigt werden;

[19] Zu dieser Thematik hat die Europäische Kommission einen Aktionsplan für Qualifikation und Mobilität vorgelegt, KOM(2002) 72 vom 13.2.202.

- Erwartungen im Bereich Anrechnung bzw. Anerkennung, die die Europäische Union durch ihre Maßnahmen zur Förderung der Mobilität angestoßen hat (insbesondere Erasmus);

- Globalisierung des Studienangebots, kontinuierlicher ,Brain Drain" unter den besten Studierenden und Forschern und weiterhin verhältnismäßig geringe Aktivität der europäischen Universitäten auf internationaler Ebene;

- Verstärkung dieser Faktoren durch die Erweiterung der Europäischen Union, die eine noch größere Heterogenität der Hochschullandschaft zur Folge haben wird.

Da die Zukunft der Universitäten also von einer großen Zahl verschiedenster Faktoren bestimmt wird, ist ein Vorgehen auf europäischer Ebene notwendig. Genauer gesagt erfordern diese Faktoren gemeinsame und koordinierte Anstrengungen der Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer, die von der Europäischen Union begleitet und unterstützt werden müssen. Das Ziel dieser Anstrengungen muss sein, ein echtes Europa des Wissens zu schaffen.

4.2. Maßnahmen der Europäischen Union im Hochschulbereich

Die Universitäten können sich auf zahlreiche gemeinschaftliche Initiativen für Lehre und Forschung stützen. Beispielsweise erhalten sie im Forschungsbereich etwa ein Drittel der Mittel des EU-Rahmenprogramms für Forschung und technologische Entwicklung und profitieren insbesondere von den Aktionen zur Förderung der Ausbildung und der Mobilität von Wissenschaftlern (,Marie Curie"-Stipendien).

Das Sechste Forschungsrahmenprogramm [20] dürfte aus verschiedenen Gründen noch relevanter für die Universitäten sein als die vorherigen: Die Aktionen für Ausbildung und Mobilität wurden ausgebaut, das Programm umfasst ein Konzept, das den Aufbau junger Teams mit Potenzial für exzellente Leistungen unterstützt, die Grundlagenforschung im Rahmen von ,Exzellenznetzen" und ,integrierten Projekten" [21] wurde stärker in den Mittelpunkt gerückt, und vor allem sind auch Aktionen zur Förderung der Forschung ,an der Schwelle zum Wissen" (Aktion NEST) vorgesehen.

[20] Beschluss Nr. 1513/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 232 vom 29.8.2002, S. 1.

[21] Die ,Exzellenznetze" sind Instrumente, um europäische Forschungskapazitäten zusammenzuführen und auf diese Weise den wissenschaftlichen Fortschritt voranzubringen; ,integrierte Projekte" sind Instrumente zur Umsetzung von Forschungsvorhaben, die auf genau abgesteckte Ziele ausgerichtet sind. Beide sollen dazu dienen, eine kritische Masse von Ressourcen zu erreichen, und werden in allen sieben ,vorrangigen Themenbereichen" des 6. Forschungsrahmenprogramms angewandt.

Außerdem sind die Universitäten aufgerufen, eine maßgebliche Rolle in den Initiativen im Rahmen des Aktionsplans ,Wissenschaft und Gesellschaft" [22] zu spielen. Ziel des Aktionsplans ist, nationale Aktivitäten und Strategien in Bereichen wie der Beratung durch wissenschaftliche Sachverständige, dem Dialog mit den Bürgern, der Ethik, der wissenschaftlichen Bildung sowie der Steigerung des Frauenanteils in der Wissenschaft anzuregen und die Koordination solcher Aktivitäten und Strategien zu verbessern.

[22] Europäische Kommission, Mitteilung ,Aktionsplan Wissenschaft und Gesellschaft", KOM(2001) 714 vom 4.12.2001.

Ferner sind die Universitäten an einigen Aktionen der Europäischen Union für technische Innovation beteiligt, beispielsweise an den Fördermaßnahmen für die Anwendung von Forschungsergebnissen und am Aufbau von Wissenschafts- und Technologieparks im Zuge des Forschungsrahmenprogramms bzw. mit Unterstützung der Strukturfonds oder der Europäischen Investitionsbank (EIB).

Im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung sind die Universitäten sehr stark in sämtliche Aktionen des Programms SOKRATES eingebunden. Dies gilt insbesondere für die Aktion Erasmus. Seit Bestehen von Erasmus konnten mehr als eine Million Studierende von dieser Aktion profitieren, und jedes Jahr nehmen auch etwa 12 000 Dozenten an Austauschmaßnahmen im Rahmen von Erasmus teil. Daneben tragen zahlreiche thematische Hochschulnetze zur Stärkung der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene bei. Sie agieren gewissermaßen als ,Think Tanks" für die Zukunft und die Weiterentwicklung der jeweiligen Disziplin. Ferner hat die Gemeinschaft den Aufbau des Europäischen Systems zur Anrechnung von Studienleistungen (ECTS) unterstützt, und mit dem Programm LEONARDO DA VINCI fördert sie gemeinsame Mobilitätsprojekte von Universitäten und Unternehmen, an denen zwischen 1995 und 1999 40 000 Menschen teilgenommen haben. Die Universitäten sind auch in der eEurope Initiative und dessen eEurope 2005 Aktionsplan, der alle Universitäten ermutigt, on-line Zugang für Studierende und Forscher (,virtueller Kampus") zu entwickeln, involviert [23].

[23] Aktionsplan eLearning - Gedanken zur Bildung von Morgen, Mitteilung der Kommission, COM(2001)172 vom 28. März 2001.

Die Kooperationsförderung der Gemeinschaft erstreckt sich auch auf Länder außerhalb der EU. So steht das Forschungsrahmenprogramm zum großen Teil sämtlichen Ländern der Welt offen und unterstützt insbesondere die Kooperation mit Ländern des Mittelmeerraums, Russland und den neuen unabhängigen Staaten der ehemaligen Sowjetunion sowie den Entwicklungsländern. Mit dem Programm TEMPUS unterstützt die EU ebenfalls die Kooperation mit Universitäten aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion, Südosteuropa und seit der Ausweitung des Programms im Jahr 2002 auch mit der Mittelmeerregion. Für die Beziehungen mit anderen Teilen der Welt gibt es außerdem weitere Initiativen, beispielsweise ALFA und Asia-Link. Insgesamt fördern diese Aktivitäten den guten Ruf der europäischen Universitäten in der Welt. Ferner ist hier noch der Vorschlag für das neue Programm ,ERASMUS WELT" zu nennen, das die Schaffung und Förderung von ,EU-Masterstudiengängen" ermöglichen soll. Diese Studiengänge sollen Studienabschnitte in mindestens zwei europäischen Ländern beinhalten und einige der besten Studierenden nach Europa zu holen.

Darüber hinaus unterstützt die Kommission den Bologna-Prozess und beteiligt sich aktiv an seiner Umsetzung. Der Prozess zielt darauf ab, bis 2010 einen kohärenten, kompatiblen und wettbewerbsfähigen europäischen Hochschulraum zu verwirklichen, und zwar mittels aufeinander abgestimmter Reformen, die sich an bestimmten Zielvorgaben ausrichten.

5. DIE EUROPÄISCHEN UNIVERSITÄTEN ZUM WELTWEITEN VORBILD MACHEN

Damit die Universitäten uneingeschränkt am Aufbau eines Europas des Wissens mitwirken können, müssen sie mit Hilfe der Mitgliedstaaten und im europäischen Kontext zahlreiche Herausforderungen bewältigen. Sie können ihr Potenzial nur dann gänzlich ausschöpfen, wenn ihnen ein tief greifender Wandel gelingt, ohne den das europäische System keine Maßstäbe auf internationaler Ebene setzen kann. Deshalb müssen die folgenden drei Ziele gleichzeitig verfolgt werden:

- konstante Verfügbarkeit ausreichender Mittel für die europäischen Universitäten und effiziente Nutzung dieser Mittel;

- Verstärkung der herausragenden Leistungen der Universitäten in Lehre und Forschung, insbesondere mittels Vernetzung;

- stärkere Öffnung der Universitäten gegenüber der Außenwelt und Steigerung ihrer internationalen Attraktivität.

5.1. Die konstante Verfügbarkeit ausreichender Mittel für die europäischen Universitäten gewährleisten

Unzureichende Mittelausstattung

In den Mitgliedstaaten machen die öffentlichen Bildungsausgaben (alle Bildungsebenen zusammengenommen) im Durchschnitt 5 % des BIP aus. Dieser Anteil entspricht in etwa dem in den USA und liegt über dem Anteil in Japan (3,5 %). Allerdings sind die öffentlichen Bildungsausgaben in Europa zuletzt nicht im gleichen Maße gestiegen wie das BIP, sondern in den vergangenen zehn Jahren sogar zurückgegangen. Die Gesamtausgaben für die Hochschulbildung wurden in keinem Mitgliedstaat analog zur wachsenden Zahl der Studierenden erhöht. Vielmehr hat sich hier eine erhebliche Lücke zu den Vereinigten Staaten aufgetan: 1,1 % des BIP in der EU gegenüber 2,3 %, also mehr als doppelt so viel, in den USA. Dieser Abstand ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Anteil der privaten Hochschulfinanzierung in Europa sehr gering ist. Er entspricht lediglich 0,2 % des europäischen BIP, während dieser Anteil in Japan bei 0,6 % und in den USA bei 1,2 % des BIP liegt.

Insgesamt stehen den amerikanischen Universitäten sehr viel mehr Mittel zur Verfügung als den europäischen: im Durchschnitt zwei- bis fünfmal so viel pro Studierendem. Dieser Unterschied ist teilweise durch den Eigenbeitrag der Studierenden in den USA - den auch die zahlreichen ausländischen Studierenden leisten - zu erklären. Die amerikanischen Universitäten profitieren jedoch gleichzeitig von einer umfangreichen staatlichen Finanzierung (einschließlich Mitteln für Forschung und Verteidigung) sowie - insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung - von beträchtlichen privaten Mitteln, die Unternehmen über Stiftungen zur Verfügung stellen. Die großen forschenden Universitäten verfügen außerdem häufig über ein erhebliches Vermögen, das sie im Laufe der Zeit durch private Schenkungen (insbesondere von Ehemaligenvereinigungen) aufgebaut haben.

Da sich die Unterfinanzierung der europäischen Universitäten immer weiter zuspitzt, wird deren Fähigkeit eingeschränkt, die größten Talente für sich zu gewinnen und Exzellenz in Forschung und Lehre zu fördern [24]. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die bestehende Lücke allein mit zusätzlichen öffentlichen Mitteln geschlossen werden kann, weshalb auch nach anderen Wegen gesucht werden muss, um die Einnahmen der Universitäten zu steigern und zu diversifizieren. In einer Studie über die Finanzierung der europäischen Universitäten wird die Kommission die wesentlichen Entwicklungen in diesem Bereich untersuchen und vorbildliche Verfahren ermitteln.

[24] Denkanstöße zur Frage der Hochschulfinanzierung und Anregungen für die Diskussion gibt die Kommission in ihren Mitteilungen ,Wirkungsvoll in die allgemeine und berufliche Bildung investieren: eine Notwendigkeit für Europa" (KOM(2002) 779 vom 10.1.2003) und ,Mehr Forschung für Europa: hin zu 3 % des BIP" (KOM(2002) 499 vom 11.9.2002).

Auf der Tagung des Europäischen Rates von Barcelona im März 2002 hat sich die EU das Ziel gesetzt, den für Forschung und Entwicklung aufgewandten Anteil ihres BIP auf 3 % zu steigern [25]. Dies macht erhebliche Anstrengungen insbesondere bei den Humanressourcen im Forschungsbereich erforderlich.

[25] Europäische Kommission, Mitteilung ,Mehr Forschung für Europa: hin zu 3 % des BIP" (KOM(2002) 499 vom 11.9.2002).

5.1.1. Die Einnahmen der Universitäten steigern und diversifizieren

Es lassen sich vier Haupteinkommensquellen der Universitäten feststellen:

- Die verschiedenen Formen der staatlichen Finanzierung von Forschung und Lehre einschließlich der im Wege des Wettbewerbs vergebenen Forschungsaufträge: dabei handelt es sich üblicherweise um die wichtigste Einnahmequelle der europäischen Universitäten. Allerdings ist aufgrund der Haushaltslage in den Mitgliedstaaten und den Beitrittsländern der Handlungs spielraum für eine Erhöhung der staatlichen Unterstützung begrenzt. Obwohl sich die Mitgliedstaaten in Lissabon im März 2000 verpflichtet haben, die Investitionen in die Humanressourcen wesentlich zu steigern, scheint es wenig wahrscheinlich, dass ihre Anstrengungen allein die vorgesehene Erhöhung der Studentenzahlen finanzieren oder den Rückstand gegenüber den USA aufholen können.

- Private Schenkungen können eine wesentliche Einnahmequelle der Universitäten bilden, wie man in den Vereinigten Staaten sehen kann. Ihre Ausweitung in Europa stößt jedoch auf eine Reihe von Problemen; vor allem ist die geringe Attraktivität privater Schenkungen in steuerlicher Hinsicht zu nennen oder der Status der Universitäten, der es ihnen nicht immer gestattet, private Mittel entgegenzunehmen oder Vermögen anzusammeln. Diese Schwierigkeiten erklären auch, zumindest teilweise, das Fehlen einer ähnlichen philanthropischen Tradition wie in den Vereinigten Staaten, wo die ehemaligen Studenten ihrer Universität häufig auch noch lange nach dem Abschluss ihres Studiums verbunden bleiben.

- Die Universitäten können auch Einkünfte aus dem Verkauf von Leistungen (einschließlich Forschungsleistungen und Leistungen in Bezug auf flexible Möglichkeiten der lebenslangen Weiterbildung), vor allem an Unternehmen, und aus der Nutzung von Forschungsergebnissen erzielen. Diese Einnahmequellen tragen bisher jedoch nicht wesentlich zur Finanzierung der europäischen Universitäten bei; dies ist teilweise auf ein Regelwerk zurückzuführen, das es ihnen nicht wirklich gestattet, Nutzen aus ihren Forschungstätigkeiten zu ziehen, bzw. sie nicht dazu ermutigt, weil die Lizenzgebühren an den Staat gehen, nicht an die Hochschule oder die Forscher selbst.

- Schließlich die Beiträge der Studierenden in Form von Einschreib- und Studiengebühren. Diese Beiträge sind in Europa im allgemeinen begrenzt, ja sogar verboten, um so einen demokratischen Zugang zur Hochschulbildung zu ermöglichen.

Fragen für die Debatte:

- Wie kann angesichts der bestehenden Haushaltszwänge, aber auch der Notwendigkeit, demokratische Zugangsbedingungen zu gewährleisten, eine ausreichende staatliche Finanzierung der Universitäten sichergestellt werden?

- Wie kann die Attraktivität privater Schenkungen, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Steuern und des Status der Universitäten, gesteigert werden?

- Wie kann den Universitäten die erforderliche Flexibilität eingeräumt und es ihnen ermöglicht werden, Nutzen aus dem Bestehen eines stark expandierenden Dienstleistungsmarkts zu ziehen?

5.1.2. Die verfügbaren Finanzmittel effizienter nutzen

Die Universitäten müssen die begrenzten Finanzmittel, über die sie verfügen, möglichst effizient nutzen. Dazu sind sie gegenüber ihren ,Abnehmern" verpflichtet: gegenüber den Studierenden, die sie ausbilden, gegenüber den staatlichen Stellen, von denen sie finanziert werden, gegenüber dem Arbeitsmarkt, der die von ihnen vermittelten Qualifikationen und Kompetenzen nutzt, und gegenüber der Gesellschaft insgesamt, für die sie wichtige wirtschaftliche und soziale Funktionen wahrnehmen. Das Ziel muss darin bestehen, die gesellschaftliche Rentabilität der investierten Finanzmittel zu maximieren. Es gibt zahlreiche Anzeichen dafür [26], dass diese derzeit nicht optimal genutzt werden.

[26] Diese werden im Detail in der Mitteilung ,Wirkungsvoll in die allgemeine und berufliche Bildung investieren - eine Notwendigkeit für Europa" analysiert.

- Eine hohe Studienabbrecherquote, die in der Union im Durchschnitt etwa 40 % beträgt. Die Demokratisierung der Hochschulbildung führte zu einer enormen Ausweitung der Studentenpopulation, ohne dass die Strukturen und Bedingungen des Hochschullebens grundlegend geändert worden wären. In den meisten Mitgliedstaaten berechtigt der Abschluss der Sekundarstufe II automatisch, ohne zusätzliche Prüfungen, zum Hochschulstudium. Dieses Recht wird als wesentliches Element der Demokratie betrachtet, das die Gleichstellung der Bürger garantiert. Zahlreiche Studierende beginnen so ein Universitätsstudium ohne wirkliche akademische Befähigung und finden an der Universität nicht die ihnen gemäße Ausbildung. In einigen Mitgliedstaaten nehmen die Universitäten selbst eine Auswahl vor; besonders in bestimmten Fachbereichen [27] finden mitunter zusätzliche Eingangsprüfungen statt.

[27] Insbesondere Medizin und Tiermedizin.

- Ein Ungleichgewicht zwischen dem Angebot (das sich aufgrund der Dauer des Studiums längerfristig entwickelt) und der Nachfrage (die sich kurzfristiger entwickelt) bei den Qualifikationen, welches sich in dauerhaften Defiziten in einigen Bildungsbereichen (vor allem in den Wissenschaften und der Technologie) zeigen kann. Die Hochschulausbildung geht aber nicht allein die Personen an, die sie absolvieren: die Gesellschaft im allgemeinen muss versuchen, die Rentabilität ihrer Investitionen in die Finanzierung eines Studiums zu optimieren. Ein Ungleichgewicht zwischen angebotenen und verlangten Qualifikationen spiegelt unter diesem Gesichtspunkt eine nicht optimale Nutzung der Ressourcen wider.

- Die Studiendauer bis zu einem bestimmten Abschluss kann in Europa um 100 % variieren. Dies erklärt die enormen Unterschiede bei den Gesamtkosten eines Studierenden, berechnet anhand der durchschnittlichen Studiendauer in Jahren. In Deutschland beispielsweise nimmt die Ausbildung eines in der Privatwirtschaft tätigen Ingenieurs normalerweise 5 bis 6 Jahre in Anspruch und wird ganz aus staatlichen Mitteln finanziert. Im Vereinigten Königreich umfasst sie lediglich ein dreijähriges Hochschulstudium zu Lasten des Staatshaushalts, an das sich eine drei- bis fünfjährige Ausbildung im Unternehmen anschließt, die mit einer staatlich anerkannten Prüfung abgeschlossen wird - das Ganze zu Lasten des Arbeitgebers und verbunden mit praktischer Berufserfahrung. Diese Unterschiede bei der Studiendauer, sogar zwischen Ländern, die ihre Abschlüsse gegenseitig anerkennen, sind eklatant angesichts der generellen Teilnahme am Bologna-Prozess, der das Ziel verfolgt, bis 2010 einen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Die unterschiedlichen Kosten zu Lasten des Staatshaushalts lassen Zweifel an der optimalen Verwendung der Mittel aufkommen.

- In diesem Zusammenhang begünstigen auch die Unterschiede beim Status und den Einstellungs- und Arbeitsbedingungen von Wissenschaftlern, die es in Europa auf Vor- und Postdoktorandebene gibt, nicht gerade die bestmögliche Allokation der entsprechenden bewilligten Mittel.

- In Europa fehlt außerdem ein transparentes System zur Berechnung der Forschungskosten an den europäischen Universitäten, was auf die Unterschiedlichkeit, Undurchsichtigkeit und Kompliziertheit der verwendeten Buchführungssysteme zurückzuführen ist. Aus diesem Grund hat die Gruppe hochrangiger Forschungsberater der Kommission (EURAB, European Research Advisory Board - Europäischer Forschungsbeirat) vorgeschlagen, ein einfaches und transparentes Buchführungssystem zur Berechnung der tatsächlichen Forschungskosten und zur Durchführung von Vergleichen zu entwickeln.

Fragen für die Debatte:

- Wie kann ein demokratischer Zugang zur Hochschulbildung gewahrt und gleichzeitig die Misserfolgs- und Studienabbrecherquote verringert werden?

- Wie kann - durch eine bessere Berufsorientierung - ein besseres Gleichgewicht zwischen dem Angebot und der Nachfrage bei akademischen Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt gewährleistet werden?

- Sollten die Studienzeiten für gleichwertige Abschlüsse angeglichen werden?

- Wie kann die Transparenz bei den Forschungskosten an den Universitäten verbessert werden?

5.1.3. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit effizienter nutzen

Nutzung der Forschung und Gründung von zu wenigen ,Spin-off"-Unternehmen

Da die Universitäten zu den wichtigsten Quellen für neue Kenntnisse gehören, kommt ihnen im Prozess der technologischen Innovation eine immer größere Rolle zu. Diese Rolle spielen sie jedoch in Europa nicht in dem Umfang, in dem dies möglich und wünschenswert wäre. Seit Mitte der neunziger Jahre nimmt die Zahl junger "Spin-off"-Technologieunternehmen, die von Universitäten gegründet werden, in Europa ständig zu, ganz besonders im Umkreis einiger Universitäten. Jedoch sind sie im Durchschnitt deutlich weniger verbreitet, als dies in der Nähe der amerikanischen Campusuniversitäten der Fall ist. Tatsächlich werden in Europa weniger Unternehmen durch Forscher bzw. zusammen mit Forschern gegründet. Die in Europa neu geschaffenen Unternehmen scheinen ferner weniger rasch zu wachsen und weniger lang zu bestehen.

Einer besseren Nutzung der Ergebnisse der Universitätsforschung in Europa steht im Wesentlichen die Behandlung von Fragen des geistigen Eigentums entgegen. In den Vereinigten Staaten hat das ,Bayh-Dole-Gesetz" den Einrichtungen, an denen Forschungsarbeiten mit Hilfe von Bundesmitteln durchgeführt werden, vor allem den Universitäten, das Recht auf die Verwertung ihrer Ergebnisse eingeräumt, um so die Nutzung der Ergebnisse der akademischen Forschung zu fördern. In Europa haben sich in den letzten Jahren mehrere nationalen Rechtsvorschriften dem ,Bayh-Dole-Act" weithin angenähert, wobei andere Mitgliedstaaten, die noch keine Bestim mungen dieser Art angenommen haben, dies derzeit nachholen. Die tatsächliche Auswirkung dieser Maßnahmen ist noch nicht abzuschätzen. Allerdings komplizieren und beeinträchtigen die Unterschiede, die in Europa mit den in einigen Mitgliedstaaten geltenden Bestimmungen weiterhin bestehen, ebenso wie der nationale Charakter der betreffenden Regelungen den Technologietransfer und die länderübergreifende Zusammenarbeit. Generell eröffnet das Gemeinschaftspatent zwar Aussichten auf eine Verwertung der Ergebnisse auf europäischer Ebene, jedoch befindet es sich noch immer im Diskussionsstadium.

Darüber hinaus sind die Strukturen zur Verwaltung der Forschungsergebnisse, über die die europäischen Universitäten verfügen, wenig entwickelt, beispielsweise weniger entwickelt als diejenigen der staatlichen Forschungseinrichtungen. Ebenso spielt eine Rolle, dass viele Hochschulvertreter nicht mit der wirtschaftlichen Realität der Forschung, ganz besonders nicht mit den Managementaspekten und Fragen des geistigen Eigentums, vertraut sind. Auch stößt der Gedanke einer besseren Nutzung der Forschungsergebnisse bei zahlreichen Wissenschaftlern und Hochschulverant wortlichen noch immer auf Misstrauen, vor allem weil nur schwer ein Gleichgewicht zu finden ist zwischen der erforderlichen wirtschaftlichen Nutzung einerseits und andererseits der im allgemeinen Interesse nötigen Wahrung der Autonomie der Universitäten sowie des freien Zugangs zum Wissen.

Fragen für die Debatte:

- Wie kann die Gründung von Unternehmen durch die Universitäten und ihre Forscher, die eine Verwertung der Ergebnisse der durchgeführten Forschung zum Ziel haben, erleichtert und wie kann eine bessere Nutzung der Ergebnisse dieser Verwertung herbeigeführt werden?

- Wie können Universitäten und Wissenschaftler dazu ermutigt werden, das kommerzielle Potenzial ihrer Forschungen zu bestimmen, zu steuern und zu nutzen?

- Welche Hindernisse stehen dem derzeit entgegen, auch was Rechtsetzung und Recht auf geistiges Eigentum angeht? Wie können diese Hindernisse beseitigt werden, vor allem in Ländern, in denen die Universitäten fast ausschließlich aus staatlichen Mitteln finanziert werden?

5.2. Die herausragenden Leistungen der europäischen Universitäten noch verstärken

5.2.1. Die Voraussetzungen für Spitzenleistungen schaffen

Wenn Europa an seinen Universitäten wirklich exzellente Leistungen erreichen und entwickeln will, müssen erst bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden. Diese bestehen in einigen Mitgliedstaaten bereits teilweise; die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie bietet jedoch Anhaltspunkte für die Debatte. Wie in vielen anderen Bereichen, die in dieser Mitteilung erwähnt werden, müssen die Probleme innerhalb der Hochschulstrukturen und im Rahmen der Bestimmungen, die ihre Tätigkeit regeln, angegangen werden. Wenn die Anstrengungen jedoch nicht in ganz Europa konvergent und kohärent unternommen werden, wird ihr Nutzen wesentlich geschmälert. Das Ziel muss darin bestehen, alle Universitäten zur größtmöglichen Leistung zu führen, und nicht darin, einige zurückzulassen; eine unsystematische Behandlung der Fragen wird den Elan der Universitäten in Europa generell bremsen. Ein solcher Annäherungsprozess würde auch, ebenso wie die Strukturreformen, die sich an die Erklärung von Bologna angeschlossen haben, ein Umfeld bieten, das den Mitgliedstaaten die Herbeiführung des entsprechenden Wandels erleichtern könnte.

Bedarf an langfristiger Planung und Finanzierung

Die wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung und Förderung von heraus ragenden Leistungen ist ein Kontext, in dem eine langfristige Planung möglich ist. Exzellenz entsteht nicht über Nacht. Sich einen exzellenten Ruf in einer Disziplin (oder in einem Teil davon) zu erwerben, nimmt Jahre in Anspruch und hängt von einem entsprechenden kritischen Urteil von Gleichrangigen ab, das nicht nur landesweit, sondern europaweit und sogar weltweit abzugeben ist. Die Ansammlung von intellektuellem Kapital in Form von leistungsfähigen und hervorragenden Forscherteams, die sich leiten lassen von der bestmöglichen Kombination aus Visionen und Beharrlichkeit und bestehen aus Menschen, deren Fähigkeiten sich optimal ergänzen, nimmt lange Zeit in Anspruch und setzt voraus, dass die Mitglieder weltweit angeworben werden können.

Jedoch werden die Haushalte der Regierungen, die noch immer die wichtigsten Geldgeber der Universitäten sind, jährlich festgelegt, ihr Planungszeitraum lässt sich nur schwer über eine begrenzte Zahl von Jahren hinaus verlängern. Auch wenn einige Mitgliedstaaten inzwischen mehrjährige Verträge mit den Universitäten abschließen, übersteigt der Zeitraum selten vier Jahre. Ebenso kann es im Verlauf der vier Jahre zu Wahlen kommen, kann sich die Haltung der Regierung ändern, können die zunächst angestrebten Ziele an Bedeutung verlieren oder im Extremfall sogar aufgegeben werden.

In den Mitgliedstaaten müssen sich so die politische und die Bürgergesellschaft generell einig sein, dass Exzellenz einen wichtigen Beitrag in der Forschung und an den Universitäten leistet, und dass exzellente Leistungen möglich gemacht werden müssen. Durch einen solchen Konsens sollten dem Forschungsbereich die Unwägbarkeiten wechselnder finanzieller Gegebenheiten möglichst erspart bleiben. Die Universitäten sollten in die Lage versetzt werden, für sechs oder sogar, wenn möglich, für acht Jahre zu planen, ihre eigenen Strategien zu entwickeln und die in Abschnitt 5.1 weiter oben vorgeschlagene Autonomie umzusetzen.

Bedarf an effizienten Managementstrukturen und -verfahren

Eine zweite Voraussetzung ist, dass die Führungsstrukturen einer Hochschule sowohl den vielfältigen Erfordernissen der Einrichtung als auch den Erwartungen der Gesellschaft entsprechen müssen, welche die Basisfinanzierung bereitstellt. Dies beinhaltet, dass die Hochschule über einen wirksamen Entscheidungsfindungsprozess, eine effiziente Verwaltung und ein gutes Finanzmanagement verfügt sowie eine leistungsgerechte Vergütung gewähren kann. Ebenso sollten die Verantwortlichkeiten bei der Konzeption des Systems genau bestimmt werden. Das Management einer modernen Universität ist eine komplexe Aufgabe, die auch Fachkräften, die nicht aus der rein akademischen Tradition kommen, offen stehen sollte, sofern das Vertrauen in die Universitätsleitung gewahrt bleibt. Auch ist darauf hinzuweisen, dass finanzielle Unabhängigkeit von selbst die Finanzkultur einer Hochschule verändert; dass sie aber nicht von allein auch die Qualität des Managements erhöht.

Notwendige Entwicklung der interdisziplinären Fähigkeit

Eine dritte Voraussetzung für Exzellenz ist, dass die Universitäten in die Lage versetzt bzw. ermutigt werden, mehr Tätigkeiten zu entwickeln, die zwischen den Disziplinen liegen. Wie weiter oben erwähnt (Abschnitt 3.3), überschreitet die Spitzenforschung immer häufiger die Grenzen einzelner Disziplinen, teilweise, weil die Probleme möglicherweise komplexer sind, und noch mehr, weil sich unsere Wahrnehmung der Probleme weiterentwickelt hat und wir uns der verschiedenen Spezialisierungen stärker bewusst sind, die erforderlich sind, um verschiedene Facetten desselben Problems zu untersuchen.

Interdisziplinäre Arbeit ist nur möglich, wenn die Universitäten so flexibel organisiert sind, dass Menschen aus verschiedenen Abteilungen ihr Wissen austauschen und zusammenarbeiten können, auch mittels IKT. Es muss auch eine entsprechende Flexibilität bei der Bewertung und Vergütung der Laufbahnen bestehen, so dass interdisziplinäre Arbeit nicht benachteiligt wird, weil sie außerhalb des normalen Abteilungsrahmens liegt. Erforderlich ist auch, dass die Abteilungen selbst eine fächerübergreifende Tätigkeit als positiven Beitrag zu den fakultätsweiten Zielen akzeptieren.

Fragen für die Debatte:

- Wie kann der Konsens bezüglich der notwendigen Förderung von exzellenten Leistungen an den Universitäten noch verstärkt werden, unter Bedingungen, die es gestatten, Autonomie und effizientes Management miteinander zu vereinbaren?

- Wie können die Universitäten dazu ermutigt werden, sich möglichst effizient zu verwalten, und dabei gleichzeitig ihren eigenen Bedürfnissen wie auch den legitimen Erwartungen, die die Gesellschaft in sie setzt, zu entsprechen?

- Mit welchen Maßnahmen könnte ein interdisziplinärer Ansatz in der Universitätsarbeit gefördert werden und wer sollte darüber entscheiden?

5.2.2. Europäische Exzellenzzentren und -netze entwickeln

Die notwendige Exzellenz einerseits und die Auswirkungen der prekären finanziellen Lage und des Konkurrenzdrucks andererseits zwingen die Universitäten und die Mitgliedstaaten, eine Wahl zu treffen. Dabei sind die Bereiche festzulegen, in denen die verschiedenen Universitäten die auf europäischer oder internationaler Ebene für erforderlich befundene Exzellenz erreicht haben bzw. mit Recht erwarten können, sie noch zu erreichen - und dann darauf Mittel zur Unterstützung der akademischen Forschung zu konzentrieren. Durch eine solche Politik dürfte auf nationaler Ebene in bestimmten Bereichen eine angemessene Qualität erzielt werden und Exzellenz auf europäischer Ebene gewährleistet werden, da kein Mitgliedstaat in der Lage ist, Spitzenleistungen in allen Bereichen zu erzielen.

Die Auswahl der vorrangig zu unterstützenden Bereiche sollte sich auf eine Bewertung innerhalb jedes Hochschulsystems stützen. Um objektiv zu sein und die Einschätzung des europäischen und internationalen Wissenschafts- und Hochschulbereichs widerzuspiegeln, sollte diese Bewertung von Panels vorgenommen werden, denen nicht dem betreffenden nationalen System zuzurechnende Personen angehören. Die zu bewertende akademische Exzellenz könnte auch diejenige anderer Universitäten umfassen, mit denen die geprüften Einrichtungen im Rahmen transnationaler Kooperationsprojekte in Verbindung stehen. Die ausgewählten Bereiche und Einrichtungen wären regelmäßig zu überprüfen, um zu gewährleisten, dass das exzellente Leistungsniveau gewahrt bleibt, und um es auch neuen Forscherteams zu ermöglichen, ihr Leistungsvermögen unter Beweis zu stellen.

Die Konzentration der Forschungsmittel auf wenige Bereiche und Einrichtungen müsste in einer stärkeren Spezialisierung der Universitäten zum Ausdruck kommen, im Sinne der derzeit zu beobachtenden Entwicklung eines differenzierteren europäischen Hochschulraums, in dem sich die Universitäten stärker auf die zentralen Aspekte ihrer Kompetenzen im Bereich von Forschung und/oder Lehre besinnen. Die Verbindung zwischen Forschung und Lehre macht auch weiterhin die spezifische Besonderheit der Universität als Einrichtung aus, und die Ausbildung in der Forschung soll ein wesentlicher Aspekt ihrer Tätigkeit bleiben; dennoch ist diese Verbindung nicht in allen Einrichtungen, für alle Studiengänge und auf allen Ebenen gleich ausgeprägt.

Die Unterstützung exzellenter Leistungen und ihrer Verbreitung, vor allem der akademischen Exzellenz, ist Leitprinzip des Sechsten Forschungsrahmenprogramms der EU. Die Union will mit Hilfe der ,Exzellenznetze" dieses Programms den Aufbau von herausragenden ,virtuellen" Kapazitäten für Spitzenleistungen fördern, die die erforderliche kritische Masse aufweisen und, wo immer möglich, multidisziplinär sind.

Fragen für die Debatte:

- Wie können die Geldgeber der Universitäten dazu angeregt werden, ihre Mittel vor allem im Bereich der Forschung auf Exzellenz zu konzentrieren, um so in Europa eine kritische Masse zu erreichen, die es erlaubt, international wettbewerbsfähig zu bleiben?

- Wie kann man diese Exzellenz organisieren und verbreiten und zugleich die Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen auf alle Einrichtungen und Forschungsteams verwalten?

- Wie kann die Europäische Union mehr und besser zur Entwicklung und zur Aufrechterhaltung der akademischen Exzellenz in Europa beitragen?

5.2.3. Exzellenz bei den Humanressourcen

Um ihren Platz zu behaupten und ihre Rolle auf der internationalen Bühne auszuweiten, benötigt die Union einen Pool von erstklassigen Forschern/Lehrern, Ingenieuren und Technikern. Ihre Ausbildung findet vor allem an den Universitäten statt. Quantitativ gesehen befindet sich die Union in der paradoxen Situation, dass sie etwas mehr Absolventen in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern hervorbringt als die Vereinigten Staaten, gleichzeitig aber über weniger Wissen schaftler als die übrigen technologischen Großmächte verfügt. Dieses offensichtliche Paradoxon ist auf die niedrigere Zahl von Arbeitsplätzen zurückzuführen, die dem wissenschaftlichen Nachwuchs in Europa, vor allem im privaten Sektor, angeboten werden: nur 50 % der europäischen Wissenschaftler arbeiten in Unternehmen, gegenüber 83 % der amerikanischen und 66 % der japanischen Wissenschaftler.

Es besteht die Gefahr, dass sich die Situation in Europa in den kommenden Jahren noch weiter zuspitzt. Aufgrund fehlender beruflicher Perspektiven werden sich die jungen Menschen nicht für naturwissenschaftliche und technische Studienfächer entscheiden, während sich Absolventen der naturwissenschaftlichen Fächer anderen, lukrativeren Berufen zuwenden werden. Außerdem wird bis in zehn Jahren etwa ein Drittel der derzeitigen europäischen Forscher in den Ruhestand gehen. Da die Lage in den Vereinigten Staaten ähnlich ist, dürfte sich der Wettbewerb zwischen den Universitäten weltweit noch verschärfen.

Diese Entwicklung könnte u. a. dadurch aufgehalten werden, dass der Frauenanteil in den naturwissenschaftlichen und technischen Berufen erhöht wird; hier sind Frauen, ganz besonders auf den oberen Verantwortungsebenen, stark unterrepräsentiert. In den Ländern der Union ist der Anteil der Männer bei den Absolventen der naturwissenschaftlichen Disziplinen tatsächlich doppelt bis viermal so hoch wie derjenige der Frauen. Und Frauen machen nur ein Viertel bis ein Drittel des Forschungspersonals in den europäischen Laboratorien aus. Daher werden im Rahmen der Initiative ,Frauen und Wissenschaft" [28] Maßnahmen durchgeführt, die eine Beteiligung von Frauen an den europäischen Forschungsanstrengungen fördern sollen und die Hindernisse bestimmen, die ihrer Präsenz entgegenstehen, sowie die wirksamsten Abhilfemaßnahmen der Mitgliedstaaten bekannt geben.

[28] Bericht der ETAN-Arbeitsgruppe ,Wissenschaftspolitik in der Europäischen Union: Förderung herausragender wissenschaftlicher Leistungen durch Gender-Mainstreaming", 1999; Entschließung des Europäischen Parlaments über Frauen und Wissenschaft vom 3. Februar 2000 (PE 284.656); Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission ,Frauen und Wissenschaft: die Geschlechterdimension als Ansatz für eine Reform der Wissenschaft", SEK (2001) 771 vom 15. Mai 2001; Entschließung des Rates vom 26. Juni 2001 zu Wissenschaft und Gesellschaft und zu Frauen in der Wissenschaft; ABl. C 199 vom 14.7.2001, S.1; Bericht der Helsinki-Gruppe ,Frauen und Wissenschaft": ,National policies on women and science in Europe" - März 2002.

Eine weitere Möglichkeit bestuende darin, den Personalbestand durch Förderung der innereuropäischen Mobilität von Wissenschaftlern wie auch der Mobilität zwischen Universitäten und Industrie zu vergrößern. In diesem Rahmen hat die virtuelle Mobilität, die sich auf IKT stützt, eine wichtige Rolle zu spielen.

Trotz einer leicht positiven Entwicklung im entgegengesetzten Sinn, wobei mehrere Mitgliedstaaten entsprechende Initiativen ergriffen haben, stellen die europäischen Universitäten aber auch weiterhin im Wesentlichen Bewerber aus dem eigenen Land oder der eigenen Region oder sogar aus der eigenen Einrichtung ein. Und die Forscher werden anhand von Kriterien bewertet, die eine Tätigkeit an anderen europäischen Universitäten nicht positiver einschätzen und nicht fördern.

In diesem Kontext stellt sich auch die Kernfrage der Anerkennung von Studiengängen und Qualifikationen auf europäischer Ebene. Das Fehlen einer einfachen und raschen Anerkennung zu akademischen oder beruflichen Zwecken bildet derzeit ein großes Hindernis, das der Mobilität der Forscher entgegensteht - und damit einem stärkeren Austausch von Ideen und Forschungen zwischen den europäischen Universitäten und ihrer Verbreitung. Spezifische Instrumente (wie ECTS, Diploma Supplement, NARIC, EU-Richtlinien) wurden entwickelt und fast alle Mitgliedstaaten und Beitrittsländer haben in Qualitätssicherungssysteme investiert, die im Netz ENQA (European Network for Quality Assurance) zusammengefasst sind. Es muss dringend geprüft werden, ob und wie im Rahmen des Bologna-Verfahrens zur Schaffung von mehr Transparenz und Kompatibilität die bei der Anerkennung bestehende Lücke geschlossen werden könnte, wegen der die Universitäten ihr Potenzial und ihre Ressourcen nicht optimal nutzen können und welche ihren Ausstrahlungsbereich einschränkt.

Qualitativ gesehen hängt die Exzellenz der Humanressourcen zum großen Teil von den verfügbaren finanziellen Ressourcen ab, aber auch von den Arbeitsbedingungen und den beruflichen Perspektiven. Generell sind die beruflichen Perspektiven an den europäischen Universitäten mit ihren charakteristischen Statusunterschieden begrenzt und durch Unsicherheitsfaktoren eingeschränkt. In diesem Kontext unterstützt die Kommission den Bologna-Prozess, einschließlich seiner Ausweitung auf die Doktorandenausbildung, und nimmt mit Interesse die laufende Erprobung gemeinsamer bzw. gemeinsam überwachter Doktorate zur Kenntnis. Auch verweist sie auf die Notwendigkeit, mehr Doktoranden unter dem Gesichtspunkt der interdisziplinären Arbeit auszubilden.

Die europäischen Universitäten bieten darüber hinaus deutlich weniger Möglichkeiten für Postdoktoranden als die entsprechenden amerikanischen Einrichtungen. Schließlich sollte auch die Angebotspalette für die Inhaber eines Doktorats außerhalb der Forschungslaufbahnen erweitert werden.

Die Union hat zahlreiche Initiativen eingeleitet, um die Mobilität der Forscher in Europa zu fördern und zu erleichtern. Im Rahmen des Projekts eines europäischen Forschungsraums hat sie eine Strategie zugunsten der Mobilität der Wissenschaftler mit einer ganzen Palette konkreter Maßnahmen festgelegt. Ferner wird die Kommission demnächst eine Mitteilung zur Frage der wissenschaftlichen Berufe vorlegen.

Fragen für die Debatte:

- Welche Maßnahmen könnten die Attraktivität von naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen und Berufen sowie die Präsenz von Frauen in der Forschung verstärken?

- Wie - und durch wen - sollte der Mangel an beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten für junge Wissenschaftler nach Abschluss des Doktorstudiums in Europa beseitigt werden, und wie könnte die Unabhängigkeit der Forscher in ihrer Berufslaufbahn gefördert werden? Welche Bemühungen könnten die Universitäten in dieser Hinsicht unternehmen, vor allem im Kontext des gesamteuropäischen Bedarfs?

- Wie kann den europäischen Universitäten - dank Beseitigung der Mobilitäts hindernisse - der Zugang zu den europaweit verfügbaren Humanressourcen (Studierenden, Hochschullehrern und Forschern) erleichtert werden?

5.3. Die europäischen Universitäten stärker gegenüber der Außenwelt öffnen

5.3.1. Eine stärkere internationale Öffnung

Die europäischen Universitäten sind in einem zunehmend ,internationalisierten" Umfeld tätig und müssen mit den Universitäten der anderen Kontinente - ganz besonders mit den amerikanischen - konkurrieren, um die größten Talente aus der ganzen Welt anzuziehen und zu halten. Sie nehmen nur geringfügig weniger ausländische Studierende auf als die amerikanischen Universitäten, ziehen jedoch im Verhältnis weniger hervorragende Studierende und Wissenschaftler an.

Insgesamt bieten die europäischen Universitäten, was finanzielle, materielle und Arbeitsbedingungen angeht, tatsächlich ein weniger attraktives Umfeld: die Verwertung der Forschungsergebnisse schlägt weniger zu Buche und die Karriere aussichten sind schlechter [29]; aber auch die Bestimmungen im Bereich von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen für die ausländischen Studierenden, Hochschullehrer und Forscher - ob sie nun aus der Union oder anderen Ländern der Welt kommen - sind ungeeignet und schlecht harmonisiert. Mehrere Mitgliedstaaten haben kürzlich Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität ihrer Universitäten, Laboratorien und Unternehmen für erstklassige Forscher und Studierende wie auch qualifizierte Arbeitnehmer aus Drittländern getroffen, beispielsweise durch die Bewilligung von ,Wissenschaftsvisa".

[29] Siehe auch Abschnitt 5.1.3 zum geistigen Eigentum.

Ebenso hat die Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zu den Einreise- und Aufenthaltsbedingungen für Studierende aus Drittländern vorgelegt. Eine entsprechende Initiative für Forscher aus diesen Ländern ist für 2003 vorgesehen. Die Union wird ferner zur Attraktivität der europäischen Universitäten beitragen, indem sie neben den Maßnahmen im Rahmen der Initiative ,Erasmus Welt" die Maßnahmen zur Mobilitätsförderung des Sechsten Rahmenprogramms unterstützt, die im Zeitraum 2003 bis 2006 die Aufnahme von mehr als 400 Wissenschaftlern und Doktoranden aus Drittländern an europäischen Universitäten ermöglichen sollen.

Fragen für die Debatte:

- Wie kann die Attraktivität der europäischen Universitäten für die besten Studenten und Wissenschaftler aus der ganzen Welt gesteigert werden?

- Welche Anpassungen bei den Strukturen, Studiengängen und Management methoden sind angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Lehre und der Forschung wie auch der Akkreditierung zu beruflichen Zwecken erforderlich, damit die europäischen Universitäten wettbewerbsfähig bleiben bzw. wieder wettbewerbsfähig werden können?

5.3.2. Lokale und regionale Entwicklung

Hochschulen gibt es in allen Regionen der Union. Ihre Tätigkeiten zeitigen auf lokaler Ebene häufig erhebliche Auswirkungen im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich. Dadurch tragen sie sowohl zur regionalen Entwicklung als auch zur Verstärkung des Zusammenhalts in Europa bei. Die Einrichtung von Technologiezentren und Wissenschaftsparks, die Verbreitung von Strukturen der regionalen Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Universität, die verstärkte Ausarbeitung von Regionalentwicklungsstrategien durch die Universitäten, die Vernetzung von Universitäten auf regionaler Ebene - alle Initiativen verdeutlichen diese Dimension der Universitätstätigkeit.

Die regionale Dimension der Hochschultätigkeit soll in Anbetracht ihrer wesentlichen Rolle bei der Verwirk lichung eines wissensbasierten Europas, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung noch verstärkt werden. Die Europäische Union unterstützt diese Entwicklungen, vor allem mit Hilfe der Strukturfonds und des Sechsten Rahmenprogramms.

Darüber hinaus ist die Rolle der Universitäten als Quelle von Fachwissen und Katalysator vielfältiger Partnerschaften zwischen wirtschaftlichen und sozialen Akteuren innerhalb unterschiedlicher Netze auf regionaler und lokaler Ebene von ganz besonderem Interesse.

Die verstärkte Tätigkeit der Universitäten auf lokaler und regionaler Ebene sollte jedoch nicht zu Lasten ihrer internationalen Öffnung und der ständigen Verbesserung ihrer Kompetenz in Forschung und Bildung gehen. Diese Faktoren sind weiterhin unerlässlich und werden es den Universitäten in der Praxis ermöglichen, um so wirksamer zur Entwicklung ihres lokalen und regionalen Umfelds beizutragen.

Fragen für die Debatte:

- In welchen Bereichen und wie könnten die Universitäten ihren Beitrag zur lokalen und regionalen Entwicklung verstärken?

- Wie kann die Entwicklung von Technologiezentren/Wissenschaftsparks verstärkt werden, wobei auf regionaler Ebene die verschiedenen Akteure im Bereich von Erzeugung und Transfer von Wissen beteiligt werden?

- Wie kann die Berücksichtigung der regionalen Dimension in den europäischen Forschungs-, Bildungs- und Berufsbildungsprojekten und -programmen verstärkt werden?

6. FAZIT

Diese Mitteilung trifft eine Reihe von Feststellungen, die den tief greifenden Wandel an den europäischen Universitäten widerspiegeln. Die Universitäten in Europa, die lange Zeit relativ isoliert - sowohl von der Gesellschaft als auch auf internationaler Ebene - tätig waren, mit einer gesicherten Finanzierung und einem durch die Wahrung ihrer Autonomie geschützten Status, haben auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahr hunderts ihre Rolle bzw. die Art ihres Beitrags zur Gesellschaft nicht wirklich in Frage gestellt.

Die Veränderungen, die sie heute und seit zehn Jahren immer intensiver erleben, werfen eine grundlegende Frage auf: Können die europäischen Universitäten - in ihrer jetzigen Form und mit ihrer jetzigen Organisation - hoffen, dass sie ihren Platz in der Gesellschaft und in der Welt auch künftig behaupten können?

Damit Europa sein ehrgeiziges Ziel einer wettbewerbsfähigen und dynamischen wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft erreichen kann, muss es unbedingt über ein erstklassiges Hochschulsystem verfügen - mit Universitäten, die in ihren jeweiligen Tätigkeitsgebieten und Fachbereichen weltweit als die besten anerkannt werden.

Die in diesem Papier aufgeworfenen Fragen zielen darauf ab, bei der Ermittlung der für eine Entwicklung in diese Richtung in der erweiterten EU erforderlichen Maßnahmen zu helfen.

Alle interessierten Parteien - Einrichtungen, Behörden, Einzelpersonen oder repräsentative Verbände - werden aufgefordert, diesbezüglich ihre Standpunkte, Erfahrungen und ,vorbildlichen Verfahren" mitzuteilen.

7. WIE KÖNNEN BEITRAEGE ÜBERMITTELT WERDEN?

Die Kommission sieht eine Bestandsaufnahme der Diskussionsbeiträge vor, die ihr bis Ende Mai 2003 zugegangen sind.

Die Beiträge können an eine der folgenden, speziell dafür eingerichteten E-Mail-Adressen geschickt werden:

- eac-consult-univ@cec.eu.int

- rtd-consult-univ@cec.eu.int

Sie können auch per Post an folgende Adresse geschickt werden:

Europäische Kommission EAC A1 (Consult-Univ) (B7 - 9/58) B - 1049 BRUXELLES