52000DC0729

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Aktualisierung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (93/22/EWG) /* KOM/2000/0729 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT AKTUALISIERUNG DER WERTPAPIERDIENSTLEISTUNGSRICHTLINIE (93/22/EWG)

- ZUSAMMENFASSUNG -

Der Europäische Rat hat auf seinem Gipfel in Lissabon die strategische Bedeutung einer weiteren Förderung der Marktfinanzierung für die Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstands in der EU hervorgehoben. Mit der vorliegenden Mitteilung, deren Erstellung Bestandteil des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen war, werden Leitlinien für eine umfassende Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (ISD 93/22/EWG) festgelegt und interessierten Personen die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Die ISD ist der Eckpfeiler des europäischen Rechtsrahmens für Wertpapierfirmen und -märkte. In den fünf Jahren seit ihrem Inkrafttreten konnten bereits einige rechtliche Hindernisse für den Wertpapierbinnenmarkt ausgeräumt werden. Der für zugelassene Wertpapierfirmen eingeführte Europäische Pass (die Zulassung in ihrem Herkunftsland berechtigt die Unternehmen ohne gesondertes Zulassungsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat tätig zu werden) wird von vielen Wertpapierfirmen genutzt. Der Zugang zu den "geregelten Märkten" und Börsen wurde liberalisiert und der europaweite Handel mit den an den nationalen Börsen notierten Wertpapieren erleichtert.

Neue Herausforderungen

Nichtsdestoweniger ist es nun an der Zeit, die ISD zu überarbeiten, damit sie den Anforderungen, die das neue Umfeld im Wertpapierhandel stellt, gerecht wird. Die Märkte, deren Einfluss durch die einheitliche Währung noch zugenommen hat, drängen auf eine Integration der Finanzmärkte. Die Informationstechnologie bewirkt eine radikale Veränderung der Geschäftspraktiken und ebnet den Weg für eine neue Generation von Dienstleistern. Die Bemühungen der Marktteilnehmer, ihre Leistung zu steigern, Kosten zu senken und eine europaweite Präsenz aufzubauen, tragen zu einer grundlegenden Umgestaltung der Infrastruktur für den Wertpapierhandel bei. Am deutlichsten zeigt sich dieser tiefgreifende Wandel an den von den Börsen geplanten Fusionen und Allianzen. Die Konsolidierung der Clearing- und Abrechnungssysteme, durch die die Effizienz des europäischen Wertpapierhandels erheblich verbessert werden kann, schreitet zunehmend rascher voran.

Seit Einführung der einheitlichen Währung vollzieht sich dieser Strukturwandel auf paneuropäischer Ebene. Die traditionelle Abschottung der nationalen Finanzmärkte beginnt zu zerfallen, so dass Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen nationalen Märkten zunehmen. Die Zahl grenzübergreifender Transaktionen steigt. Anleger und Emittenten in einem Mitgliedstaat berücksichtigen bei ihren Investitionsentscheidungen in zunehmendem Maße das Verhalten auf anderen Finanzmärkten in der EU.

Die obersten Ziele der Finanzmarktregulierung (Anlegerschutz, effiziente und geordnete Märkte, Marktstabilität) lassen sich nur erreichen, wenn folgendes gegeben ist:

* Vertrauen in die Existenz und wirksame Anwendung abgestimmter Risikomanagementverfahren;

* klare Abgrenzung der Aufgaben und Kompetenzen der verschiedenen Regulierungs- und Aufsichtsinstanzen;

* kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und Konvergenz der Durchsetzungspraktiken dieser Behörden.

Prioritäten für die Überarbeitung der ISD

Die Herausforderungen, die diese Entwicklungen darstellen, können nur über eine Aktualisierung der ISD gemeistert werden. Hierbei sind vor allem vier Prioritäten zu berücksichtigen:

* Ein vollwertiger "Pass" für Wertpapierfirmen: Der Nutzen des Europäischen Passes wird durch umfangreiche Ausnahmeregelungen, die seinen Geltungsbereich einschränken, und die weitverbreitete Anwendung der Vorschriften des Aufnahmelandes geschmälert. Damit die Wertpapierfirmen den vollen Nutzen haben, ist zweierlei notwendig: 1.) Übergang zur Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das gesamte Großkundengeschäft; 2.) vernünftige Ex-ante-Harmonisierung der Wohlverhaltensregeln zum Schutz der Kleinanleger in Verbindung mit (nicht branchenbezogenen) Vereinbarungen, die Vertragsbeziehungen mit Geschäftspartnern im Ausland (Verhandlungen, Abschluss von Verträgen, Schlichtung im Falle von Streitigkeiten) erleichtern.

* Neue Formen der Dienstleistungserbringung: Der technologische Fortschritt hat die Entwicklung neuer Formen der Dienstleistungserbringung (z. B. alternative Handelssysteme - ATS) beschleunigt, die mit traditionellen Wertpapierhäusern und gelegentlich auch mit Infrastrukturanbietern konkurrieren. Die ISD sollte den europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden gestatten, für diese Systeme einheitliche und auf sie zugeschnittene Sicherheitsstandards einzuführen, so dass sie überall in der Union tätig werden können.

* Echter Wettbewerb zwischen Börsen und Handelsplattformen: Die ISD sollte es den neuen Börsen und Handelsplattformen ermöglichen, ohne unnötige rechtliche oder aufsichtliche Hindernisse mit den bestehenden Einrichtungen in einen echten und fairen Wettbewerb zu treten. Außerdem sollte vermieden werden, dass der Wettbewerb durch unterschiedliche Vorschriften und die damit verbundene Suche nach den günstigsten Vorschriften (Aufsichtsarbitrage) bestimmt wird, da dies eine Gefahr für das ordnungsgemäße und wirksame Funktionieren der Märkte und den Anlegerschutz darstellen könnte. Die Rechts- und Aufsichtsvorschriften für die europäischen Handelsplattformen und Börsen sollten eine optimale Beurteilung aller Risiken und Chancen möglich machen. Aus diesem Grund sollte der Geltungsbereich der ISD-Bestimmungen für "geregelte Märkte" erweitert werden, um den für die Beurteilung notwendigen Kriterien - vor allem in bezug auf Transparenz und Offenlegung - eine Rechtsgrundlage zu geben.

* Zunehmend grenzübergreifende Durchführung von Clearing und Abrechnung: Die Konsolidierung der Clearingsysteme auf europäischer Ebene gewinnt an Schwung. Mit dieser effizienzsteigernden Entwicklung steigen das Systemrisiko und die Wahrscheinlichkeit von Konflikten zwischen unterschiedlichen Rechtsordnungen. Gegenseitiges Vertrauen in die jeweiligen Risikomanagementverfahren und eine Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden werden von zentraler Bedeutung sein. Alle Akteure müssen sich dringend mit dem Clearing und den verbleibenden technischen und rechtlichen Hindernissen für Verbindungen zwischen Wertpapierabrechnungssystemen befassen.

Eine geeignete rechtliche Lösung

Europa braucht Finanzdienstleistungsvorschriften, die der Zeit standhalten. Präskriptive, inflexible Regeln, die rasch von Finanzinnovationen oder Marktentwicklungen überholt werden, sind zu vermeiden. Ein Rechtsrahmen, der anspruchsvolle Grundsätze festlegt, könnte die Rechtsgrundlage für einen dynamischen, geordneten und stabilen Finanzbinnenmarkt sein. Solche Grundsätze müssen einhergehen mit Verfahren, die zusätzliche Hilfestellungen bieten und eine einheitliche Auslegung gewährleisten. Ohne solche Verfahren werden die Rahmenregelungen nutzlos bleiben.

Die aktualisierte ISD muss eine einheitliche Rechtsgrundlage für eine "geradlinige" Aufsicht und Durchsetzung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen darstellen. Die Zusammenarbeit der Regulierungs- und Aufsichtsbehörden im Rahmen des Forum of European Securities Commissions (FESCO) trägt bereits Früchte, muss jedoch noch intensiviert werden. Die Kommission wird, soweit der EU-Vertrag und der institutionelle Rahmen der Union dies zulassen, sich von der Analyse des "Committee of Wise Men" für die Wertpapiermärkte leiten lassen und prüfen, wie sie die genannten Anforderungen in einem Legislativvorschlag zur Aktualisierung der ISD am besten berücksichtigen kann.

Im Aktionsplan für Finanzdienstleistungen wurde betont, von welcher politischen Dringlichkeit die Überarbeitung und Festigung des europäischen Rechtsrahmens für Wertpapiermärkte ist. Der Europäische Rat hat in Lissabon betont, dass die diesbezüglichen Arbeiten beschleunigt und vor 2005 abgeschlossen werden müssen. Mit der vorliegenden Mitteilung wird eine umfassende Konsultation über die mögliche Aktualisierung einer der wichtigsten Säulen dieses Rahmens - der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie - in Gang gesetzt. Das Europäische Parlament, die nationalen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden, andere Organisationen auf EU-Ebene einschließlich der FESCO, Anbieter und Nutzer von Wertpapierdienstleistungen und alle anderen interessierten Personen werden um Stellungnahme zu den in dieser Mitteilung vorgelegten Analysen und Fragen gebeten. In Anhang 1 werden die einzelnen Fragen zusammengefasst, zu denen um Stellungnahme gebeten wird.

Stellungnahmen sollten vor dem 31. März 2001 an die Kommission gesandt werden (z. Hd. GD MARKT F, avenue Cortenbergh 107, B-1040 Brüssel; E-mail-Adresse: MARKT-ISD@cec.eu.int)

- MITTEILUNG DER KOMMISSION -

1. Einleitung

1.1. Umsetzung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon

Der Europäische Rat hat in Lissabon hervorgehoben, wie wichtig der Aufbau effizienter und integrierter Finanzmärkte bis 2005 ist, da es sich dabei um eine entscheidende Komponente der europäischen Wachstums- und Beschäftigungsstrategie handelt. Er nannte Integration, Effizienz und Stabilität als Kernkriterien, an denen sich die Leistung der europäischen Wertpapiermärkte messen läßt. Die Politik der EU sollte sich in diesem Bereich von drei übergeordneten Zielen leiten lassen: dem Verbraucherschutz, einem geordneten und effizienten Funktionieren der Märkte und der Marktstabilität.

Diese Ziele sind komplementär: Die Integration der Märkte wird eine Bündelung der Liquidität mit sich bringen, eine optimale Kapitalallokation ermöglichen und den Wettbewerb unter den Anbietern beleben. Effizient arbeitende Börsen werden zu einem Selbstläufer, indem sie weitere Liquidität anziehen, ihren Wettbewerbsvorteil ausbauen und eine effiziente Preisbildung für europäische Wertpapiere fördern. Aufsichtsrechtliche Stabilität und Sicherheit beim Handel sind unabdingbare Komponenten eines jeden Handelssystems.

Die Bündelung der (bisher fragmentierten) nationalen Liquidität wird eine optimale Verwendung der europäischen Ersparnisse ermöglichen. Die demographische Entwicklung macht eine sichere und ertragreiche Ergänzung der gesetzlichen Altersversorgung erforderlich. Wertpapieranlagen werden wesentlicher Bestandteil erfolgreicher mittel- bis langfristiger Anlagestrategien sein. Darüber hinaus bietet die Bündelung von Liquidität Kapitalnehmern - vor allem Unternehmen - eine flexible und wettbewerbsfähige Alternative zu Bankkrediten für die Finanzierung beschäftigungswirksamer Investitionen. Tiefe und liquide Finanzmärkte werden den Unternehmen eine exakte Abstimmung ihrer Finanzstruktur und eine Ergänzung ihrer Finanzierungskette von der Unternehmensgründung bis zum Börsengang ermöglichen. Unternehmen und Emittenten werden einen besseren Preis für ihre Wertpapiere erzielen. Durch den Zugang zu dem größtmöglichen Pool potentieller Anleger wird die Preisfindung verbessert und gewährleistet, dass das benötigte Kapital zum besten Preis aufgenommen werden kann. Schließlich werden die Vermittlungs- und Transaktionskosten (die von Intermediären in Rechnung gestellten Provisionen und Gebühren) aufgrund des Wettbewerbs auf ein Minimum beschränkt. Die Einschätzung, dass eine marktgestützte Finanzierung erhebliche Vorteile für die europäischen Anleger und Emittenten verheißt, wird auch durch regelmäßige Schwankungen auf den Märkten oder gelegentliche Marktkorrekturen nicht widerlegt.

Die Beseitigung der Hindernisse für den freien Verkehr wird jedoch allein nicht ausreichen. Es bedarf auch regulatorischer Maßnahmen, um Mängel des Marktes zu korrigieren und ein effizientes Zusammenspiel von Kapitalangebot und -nachfrage zu erleichtern. Erst ein Rechtsrahmen, der den Akzent auf einen offenen Marktzugang, den Schutz der Aktionärsrechte, eine echte Offenlegung relevanter Finanzdaten, Rechtssicherheit bei Clearing und Abrechnung und die Einklagbarkeit vertraglich zugesicherter Rechte setzt, kann gewährleisten, dass die Vorteile effizienter und stabiler marktgestützter Systeme genutzt werden können. Im Aktionsplan für Finanzdienstleistungen werden erste Verbesserungen zum europäischen Rechtsrahmen für Wertpapiermärkte vorgeschlagen, darunter auch die Einführung eines "Europäischen Passes" für Emittenten sowie die Ausarbeitung von Regeln für die Behandlung von Marktmanipulationen und die grenzübergreifende Verwendung von Sicherheiten. [1]

[1] KOM(1999)232 vom 11.5.1999.

Auch das Regulierungssystem selbst muss effizient sein. Die Vorschriften der EU müssen klar und umfassend sein, sie müssen von den Mitgliedstaaten umgesetzt und von den Aufsichtsbehörden wirksam durchgesetzt werden und sie müssen sich rasch anpassen lassen. Wenn diese Bedingungen erfuellt sind, werden die Rechtsvorschriften mit den Marktentwicklungen Schritt halten und zum Entstehen integrierter und effizienter Wertpapiermärkte beitragen können.

1.2. Strukturwandel auf den Finanzmärkten der EU

In den meisten Mitgliedstaaten der EU beginnt die Marktfinanzierung die traditionelle Vorherrschaft der Bankfinanzierung abzulösen. Die Zahl neuer Unternehmen, die an die Börse gehen, ist größer als je zuvor [2]. Institutionelle Anleger und eine neue Generation wettbewerbsfähiger Broker mobilisieren die Ersparnisse der Haushalte: In manchen Mitgliedstaaten sind heute mehr als ein Drittel der Erwachsenen im Besitz von Aktien. Auch bei den Handelsinfrastrukturen vollziehen sich tiefgreifende Änderungen. Die neuen Technologien erleichtern Dienstleistern den Markteintritt, die auf allen Handelsstufen - vom einfachen Auftragsübermittlungssystem bis hin zur voll ausgestatteten, börsenartigen Einrichtung - mit bereits etablierten Akteuren konkurrieren können. Die Börsen ihrerseits bemühen sich, durch ehrgeizige Pläne für Fusionen oder Allianzen mit anderen Börsen Emittenten, Anlegern und Intermediären eine europaweite Handelsplattform zu bieten. Das Clearing (und in geringerem Umfang auch die Abrechnung) stellt eine wichtige Kostenkomponente im europäischen Wertpapierhandel dar, bei der eine Konsolidierung der Systeme zu erheblichen Einsparungen führen kann. Auf Druck der Marktteilnehmer fallen allmählich die Grenzen zwischen nationalen und europäischen bzw. internationalen Clearing- und Abrechnungssystemen.

[2] Ein Drittel des Gesamtvolumens der Aktien, die 1999 an den europäischen Börsen neu ausgegeben wurden, stammte von Börsenneulingen.

Diese strukturellen Änderungen, die durch den Wegfall des Währungsrisikos in der Euro-Zone begünstigt wurden, zeigen sich in allen Ländern Europas. Die Verflechtung der Märkte nimmt auf allen Ebenen zu. Fonds und private Anleger platzieren ihre Anlagen in zunehmendem Maße auf europäischer Ebene. Heutzutage können überall in der EU dieselben Finanzinstrumente an den miteinander konkurrierenden Börsen und Handelsplattformen gehandelt werden. Dieselben Wertpapierfirmen sind gleichzeitig Mitglieder verschiedener Börsen und bedienen dieselbe nationale Klientel. Börsen und neue Arten von Handelsplattformen konkurrieren grenzübergreifend miteinander um Aufträge; sie hängen in zunehmendem Maße von konsolidierten Clearinghäusern/zentralen Gegenparteien ab.

2. Beurteilung der ISD

2.1. Struktur und Ausgestaltung

Die ISD liefert den Rechtsrahmen für die Regulierung und Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen sowie für bestimmte Aspekte im Zusammenhang mit den Börsen und Märkten, auf denen diese tätig sind. Sie ruht im wesentlichen auf drei Säulen:

1. Europäischer Pass für Wertpapierfirmen

Gemäß der ISD können Wertpapierfirmen auf der Grundlage der Zulassung im Herkunftsmitgliedstaat in anderen Mitgliedstaaten Dienstleistungen erbringen oder Niederlassungen errichten. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung wird ergänzt durch die Harmonisierung der Voraussetzungen für den Zugang zur Tätigkeit und für ihre Ausübung. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Grundsätzen für den organisatorischen Aufbau und den Wohlverhaltensregeln für Wertpapierfirmen zu. Die zentralen Bestimmungen der ISD werden durch die Richtlinie 93/6 über die angemessene Eigenkapitalausstattung (CAD) und die Richtlinie 98/31 zur Änderung der CAD (CAD II) ergänzt [3]. Sofern in der ISD eine Harmonisierung vorgenommen wird, beschränkt sich diese auf die Formulierung allgemeiner Grundsätze.

[3] In diesen Richtlinien wird festgelegt, welche Eigenkapitalrücklagen Wertpapierfirmen zur Deckung der Positions- und Marktrisiken des Handelsbestands bilden müssen. Da die Fragen der angemessenen Eigenkapitalausstattung derzeit bereits von Regulierungs- und Aufsichtsbehörden in der Gemeinschaft geprüft werden, die sich hierfür auf die Arbeiten des Basler Bankenausschusses stützen, werden sie in der vorliegenden Mitteilung nicht weiter erörtert.

Das typische Geschäftsmuster, das hinter zentralen Bestimmungen der ISD steht, ist das des traditionellen Brokers, der sowohl für Kunden- als auch für eigene Rechnung tätig wird ("Broker-Dealer"). Dies zeigt sich an der starken Betonung der Vorschriften für Transaktionen, durch die die Anleger vor einem mißbräuchlichen oder betrügerischen Verhalten der Wertpapierfirma geschützt werden sollten. Auch die Umsetzung dieser Vorschriften in nationales Recht spiegelt die traditionelle Art der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen wider, die in wiederholten telephonischen und schriftlichen Kontakten zwischen Wertpapierhaus und Kunde bestand. Der ISD-Pass gilt auch für die Übernahme und Platzierung von Emissionen. Wertpapierfirmen hingegen, die damit verbundene Dienstleistungen wie Beratung und Verwahrung oder Verwaltung anbieten, kommen nicht in den Genuss dieses Passes, sofern sie diese Dienstleistungen nicht in Verbindung mit einer zum "Kerngeschäft" gehörenden Dienstleistung erbringen.

Die ISD hat zu einer Verringerung der Marktsegmentierung bei den Wertpapierfirmen und zu einer Öffnung des Zugangs zu den "geregelten Märkten" geführt. Zahlreiche Firmen haben den Europäischen Pass genutzt. Die Schaubilder 1a und 1b im Anhang liefern einige Angaben zu den neu hinzugekommenen Wertpapierdienstleistungen, die von Dienstleistern aus anderen Mitgliedstaaten (im Wege der Dienstleistungs- oder der Niederlassungsfreiheit) erbracht werden [4].

[4] Zu diesen Zahlen müssen noch die Kreditinstitute addiert werden, die aufgrund der gemäß der Zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie (2BRKR) gewährten Zulassung Wertpapierdienstleistungen erbringen dürfen. Für diese Institute gelten neben der 2BRKR auch die Artikel 4, Artikel 8, Artikel 10, Artikel 11, Artikel 12, Artikel 14 Absatz 3, Artikel 14 Absatz 4 und Artikel 15 der ISD. In vielen Mitgliedstaaten ist die Zahl der neu hinzukommenden Firmen aus Partnerländern weit höher als die der zugelassenen inländischen Unternehmen. Es liegen keine Angaben über die Anteile von Unternehmen aus Partnerländern an den jeweiligen nationalen Märkten vor. Dass nur wenige Unternehmen von der Möglichkeit, eine Zweigniederlassung zu errichten, Gebrauch machen, könnte entweder an den relativ aufwendigen Melde- und Zulassungsverfahren oder am geringen kommerziellen Interesse an der Errichtung einer Niederlassung liegen.

2. Zugang zu den "geregelten Märkten"

Ergänzend zum Europäischen Pass für Wertpapierfirmen wurden durch die ISD auch offizielle Beschränkungen für die Mitgliedschaft in bzw. den Zugang zu einem geregelten Markt aufgehoben, da diese sonst die Wirkung des Europäischen Passes zunichte gemacht hätten. Die ISD untersagt quantitative oder andere willkürlichen Beschränkungen für die Mitgliedschaft in bzw. den Zugang zu "geregelten Märkten". Darüber hinaus müssen Märkte mit einem elektronischen Handelssystem "Fernmitglieder" aus anderen Mitgliedstaaten zulassen. 30-50% aller Mitglieder der Börsen Amsterdam, Paris, Eurex und Frankfurt stammen heute aus anderen Ländern der Union oder aus Drittländern und vereinigen einen beträchtlichen Anteil des Marktvolumens auf sich. Viele, wenn auch nicht alle europäischen Börsen sind so strukturiert (einige Börsen, z. B. Madrid, haben jedoch keine Fernmitglieder). Gemäß der ISD haben die Teilnehmer aus Partnerländern darüber hinaus Zugang zu den örtlichen Clearing- und Abrechnungssystemen.

Geregelte Märkte dürfen in Partnermitgliedstaaten Anlagen für den Bildschirmhandel installieren, um die "Fernmitglieder" in anderen Mitgliedstaaten bedienen zu können. Diese Möglichkeit wurde aktiv nur von einer kleinen Zahl von Börsen genutzt. In dieser Hinsicht wird der gegenwärtig zwischen den Börsen herrschende Wettbewerb in der ISD bereits angekündigt.

Die "geregelten Märkte" werden unter Bezugnahme auf einfache Anforderungen an die Zulassung zur amtlichen Notierung, die Meldung und Transparenz definiert. Jede nationale Behörde ist weiterhin dafür zuständig, einem Markt den Status eines "geregelten Marktes" zu verleihen und ihm Sonder- oder Exklusivrechte zu gewähren. Darüber hinaus können die nationalen Behörden vorschreiben, dass bestimmte Geschäfte auf einem "geregelten Markt" abgewickelt werden (Konzentrationsvorschrift des Artikels 14 Absatz 3), damit sichergestellt ist, dass die Anleger von einer optimalen Preisbildung profitieren können.

3. Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden

Vor Erlass der ISD waren die gesetzlichen Schutzbestimmungen und die Aufsichtspraktiken in der EU sehr unterschiedlich. Wichtige Bestimmungen der ISD enthalten die Anforderungen an die zuständigen nationalen Behörden und übertragen ihnen die Verantwortung und Pflicht zur Beaufsichtigung und Überwachung der Einhaltung der ISD. Mit den Artikeln 22 bis 27 der ISD wird für ein Minimum an Konvergenz der Aufsichtsaufgaben gesorgt; es muss allerdings klar festgelegt werden, welche der verschiedenen nationalen Stellen und Selbstregulierungsorganisationen federführend ist. Diese Bestimmungen haben der Konvergenz der Regulierungs- und Aufsichtspraktiken einen kräftigen Impuls gegeben. Daneben regelt die ISD die Form, in der sowohl in speziellen Fällen als auch generell eine umfassende Zusammenarbeit der nationalen Behörden erfolgen soll. Diese Zusammenarbeit ist Voraussetzung für den Erhalt des Vertrauens der Verbraucher und die Integrität des Marktes in einem integrierten Markt. Durch das kürzlich geschaffene Forum of European Securities Commissions (FESCO) wurde der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen nationalen Wertpapieraufsichtsbehörden ein geordneterer, wenngleich nicht bindender Rahmen gegeben.

2.2. Strukturelle Grenzen der Wirksamkeit der ISD

Die gegenseitige Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat vorgenommenen Zulassung und Beaufsichtigung hat den europäischen Märkten im allgemeinen Vorteile gebracht. Die weit gefassten Definitionen und Kernbegriffe der ISD waren so flexibel, dass neue Entwicklungen bei den Geschäftspraktiken und der nationalen Aufsicht aufgefangen werden konnten. Allerdings hat die sehr allgemeine Formulierung vieler ISD-Bestimmungen, bei denen detailliertere Leitlinien oder konkrete Hinweise für ihre Anwendung fehlen, auch Nachteile. So haben vor allem nachstehende Faktoren eine wirksame Anwendung der ISD beeinträchtigt:

* Das Herkunftslandprinzip der ISD wird in vielen Bereichen nicht angewandt. Zahlreiche Bestimmungen der ISD gestatten aus Gründen des "Allgemeininteresses" einen Eingriff des Aufnahmelandes oder eine Beaufsichtigung durch dieses. Die wichtigsten Bestimmungen in dieser Hinsicht sind die Artikel 13, Artikel 17 Absatz 4, Artikel 18 Absatz 2 und Artikel 19. Darüber hinaus ist nach Artikel 11 Absatz 2 der Mitgliedstaat für die Durchführung und Überwachung der Einhaltung der Wohlverhaltensregeln zuständig, "in dem die Dienstleistung erbracht wird" [5]. Auch wenn es objektive Gründe dafür geben mag, Interventionen des Aufnahmelands zum Schutz der Kleinanleger zuzulassen, so stellt doch das Fehlen wirksamer Bestimmungen, die einen sanften Übergang zum Herkunftslandprinzip gewährleisten oder den Anwendungsbereich des Aufnahmelandprinzips genau abgrenzen, einen Mangel der ISD dar;

[5] Solange nicht eindeutig klar ist, wie der Mitgliedstaat bestimmt werden soll, in dem die Dienstleistung erbracht wird, wenden nahezu alle nationalen Behörden ihre eigenen Wohlverhaltensregeln auf die Dienstleistungen an, die den im Inland ansässigen Anlegern angeboten werden.

* Unklare Bestimmungen oder Definition haben dazu geführt, dass viele dieser Bestimmungen oder Definitionen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt und umgesetzt werden - dies gilt z. B. für die Umsetzung der Definitionen für die zum Kerngeschäft gehörenden Dienstleistungen, die Anwendung der Wohlverhaltensgrundsätze, die Bestimmung der "geregelten Märkte" und die Vorschriften über den Gebrauch der in Artikel 19 vorgesehenen Befugnisse in dringenden Fällen. Die ISD enthält keine Bestimmungen, die eine weitere Hilfestellung geben könnten oder anhand deren sich ein einheitliches Vorgehen für die Auslegung und Umsetzung der Harmonisierungsmaßnahmen festlegen ließe.

Diese Schwierigkeiten können nur durch eine umfassende Überarbeitung der ISD überwunden werden, mit der die außerordentlichen Chancen, die das neue Wertpapierhandelsumfeld bietet, genutzt und die Herausforderungen, vor die es die Regulierungsinstanzen stellt, gemeistert werden können. Ausgehend von ihrer Analyse der rechtlichen Konsequenzen der derzeitigen Marktentwicklungen hat die Kommission eine Reihe von Themen zusammengestellt, mit denen sich eine Überarbeitung der ISD in erster Linie befassen sollte. Diese Themen lassen sich in zwei Kategorien einteilen: der erste Themenkomplex betrifft die Funktionsweise der einmaligen Zulassung für Wertpapierfirmen und Dienstleister. Der zweite Fragenkomplex hängt mit den strukturellen Entwicklungen der Börsen und Handelsinfrastrukturen zusammen.

3. Ein vollwertiger europäischer Pass

3.1. Klärung und Erweiterung der mit dem Pass verbundenen Rechte

Der Geltungsbereich des ISD-Passes wird durch zahlreiche Ausnahmeregelungen eingeschränkt. In Artikel 2 Absätze 2 und 4 wird ein breites Spektrum von Ausnahmen genannt, von denen manche vielleicht hinfällig sind [6]. Für bestimmte Nebendienstleistungen - vor allem Verwahrdienstleistungen - könnte eine Zulassung gemäß der ISD auch in Betracht kommen. Wenn Dienstleistungen, die bisher als Nebendienstleistungen betrachtet wurden, dem Kerngeschäft zugeordnet werden sollen, muss geprüft werden, ob die mit der betreffenden Dienstleistung verbundenen Aufsichtsfragen in den ISD-Vorschriften angemessen behandelt werden. Darüber hinaus sollten die spürbaren Vorteile des ISD-Passes die Kosten für die Erfuellung der Rechtsvorschriften (z. B. bezüglich der angemessenen Eigenkapitalausstattung) überwiegen.

[6] Angesichts der sich ändernden Marktpraktiken sollte der Beziehung zwischen den unter Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe g) genannten Dienstleistungen und den Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Entgegennahme und Weiterleitung von Aufträgen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Die zuständigen Behörden gehen bei der Anwendung verschiedener ISD-Vorschriften auf bestimmte zum Kerngeschäft gehörende Wertpapierdienstleistungen unterschiedlich vor. So berücksichtigen die Mitgliedstaaten z. B. bei den Wohlverhaltensregeln Entgegennahme- bzw. Übermittlungsdienste und/oder reine Discount-Broker-Tätigkeiten in unterschiedlichem Umfang. Es kann sein, dass die in einem Mitgliedstaat zugelassenen Firmen einer qualitativ anderen Aufsicht unterliegen, wenn sie in einem andern Mitgliedstaat tätig sind. Eine größere Übereinstimmung der nationalen Vorgehensweisen dürfte die grenzübergreifende Erbringung von Dienstleistungen sowie die Entwicklung neuer technologiegestützter Geschäftsmodelle erleichtern. Neue Verfahren und Strukturen von Wertpapierdienstleistungen können mit den geltenden Wohlverhaltensgrundsätzen in Einklang stehen. Eine Klärung der Frage, wie verschiedene ISD-Vorschriften angewandt und auf einzelne Leistungen des Kerngeschäfts abgestimmt werden können, kann sich daher doppelt auszahlen.

* Damit der Europäische Pass für Wertpapierfirmen seine volle Wirkung entfalten kann, müssen die in den Artikeln 2 Absätze 2 und 4 vorgesehenen Ausnahmen überprüft werden. Zu überlegen ist ferner, ob nicht eine oder mehrere Nebendienstleistungen in das Kerngeschäft übernommen werden sollten.

* Bei der Überarbeitung der ISD ist klar anzugeben, wie die einzelnen Bestimmungen auf die verschiedenen Dienstleistungen des Kerngeschäfts angewandt werden sollten, damit keine zu große Kluft zwischen den Aufsichtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten entsteht, die eine grenzübergreifende Erbringung von Dienstleistungen behindern würde. In den Stellungnahmen zu dieser Mitteilung sollte auch angegeben werden, bei welchen ISD-Bestimmungen möglicherweise eine unterschiedliche Anwendung erfolgen könnte und wie diese Bestimmungen auf die verschiedenen Dienstleistungen des Kerngeschäfts angewandt werden sollten.

3.2. Anlegerschutz und Klärung der aufsichtlichen Zuständigkeit im Falle von Überschneidungen

Die häufigsten Probleme, die sich bei der Nutzung des ISD-Passes stellen, sind die Unsicherheit hinsichtlich der rechtlichen Zuständigkeit und die daraus erwachsenden Konflikte. Wie in der ISD gestattet, wenden die Behörden des Aufnahmelandes auf die für inländische Anleger erbrachten Dienstleistungen im allgemeinen nationale Vorschriften für Wohlverhalten und Werbung sowie einige organisatorische/aufsichtsrechtliche Anforderungen (Halten von Kundengeldern) an. Die hieraus resultierende Überschneidung der Aufsichtsvorschriften behindert die grenzübergreifende Erbringung von Dienstleistungen, insbesondere von Broker- und Handelstätigkeiten.

Letztlich wird ein Europäischer Pass nur dann vollen Nutzen bringen, wenn systematisch der Grundsatz angewandt wird, dass das Herkunftsland prüft, ob die Firmen ihren Verpflichtungen gegenüber dem Markt nachkommen und ihre Kunden fair behandeln. Gegenwärtig wird in einer Reihe von ISD-Bestimmungen einer Anwendung der Bestimmungen des Aufnahmelands der Vorzug gegeben oder den auf dem "Allgemeininteresse" beruhenden Ausnahmeregelungen eine übermäßige Bedeutung beigemessen. Diese Abweichungen vom grundlegenden Herkunftslandprinzip der Richtlinie müssen sorgfältig untersucht werden, wobei dies nicht zu einer Verringerung des Anlegerschutzes führen dürfte: Die Behörden des Herkunftslandes sind häufig am besten in der Lage, Anlegerschutzbestimmungen zu überwachen, ihre Einhaltung durchzusetzen und etwaige Verstöße aufzudecken.

Um den Nutzen des Europäischen Passes zu erhöhen, sollte zwischen Dienstleistungen, die für professionelle Gegenparteien, und solchen, die für Kleinanleger erbracht werden, unterschieden werden. Bei den für professionelle Anleger erbrachten Dienstleistungen ist keine weitere Harmonisierung notwendig, um Fortschritte in Richtung einer ausschließlichen Anwendung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften und der Verhaltensregeln des Herkunftslandes zu erzielen. In ihrer Mitteilung zu Artikel 11 der ISD analysiert die Kommission eingehend (und nicht rechtsverbindlich) die praktischen und theoretischen Argumente, die für diesen Ansatz sprechen [7]. Die in der FESCO kürzlich erzielte Einigung auf die Abgrenzung von professionellen Anlegern und Kleinanlegern stellt eine von allen akzeptierte und annehmbare Basis für die Definition des professionellen Anlegers dar, bei dem auf eine Anwendung der Wohlverhaltensregeln des Herkunftslandes verzichtet werden könnte. Bei der Überarbeitung der ISD sollte versucht werden, dieser Unterscheidung eine Rechtsgrundlage zu geben - und zwar nicht nur was die Wohlverhaltensregeln für eine faire Behandlung der Anleger, sondern auch was die für die Werbung geltenden Vorschriften und die Verpflichtungen der Unternehmen gegenüber dem Markt anbelangt.

[7] Mitteilung der Kommission zum Thema der Anwendung von Wohlverhaltensregeln im Sinne des Artikels 11 der ISD, KOM (XX) 2000 vom November 2000.

Was die Kleinanleger anbelangt, so muss der Übergang zu einer Beaufsichtigung der Wertpapierdienstleistungen durch das Herkunftsland sorgfältig gesteuert werden. Gegenwärtig dürften zweifellos die Behörden des Aufnahmelandes einen Vorteil gegenüber denen des Herkunftslandes haben, da sie sich an vorderster Front befinden und ein Fehlverhalten von Wertpapierfirmen im Umgang mit Kleinanlegern aufdecken und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen können. Außerdem kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Wohlverhaltensregeln der verschiedenen Mitgliedstaaten allen Kleinanlegern einen vergleichbaren Schutz bieten. Für die Kleinanleger dürfte daher die Möglichkeit, innerhalb ihres eigenen Rechtsgebiets Beschwerde einlegen zu können, einen Vorteil darstellen und ihr Vertrauen in den Markt stärken.

Die Kommission prüft, wie sie diese Probleme in der Praxis lösen kann. Es steht außer Frage, dass es Kleinanlegern möglich sein muss, sich auf wesentliche Bestimmungen der inländischen Aufsichts- und Rechtsvorschriften zu berufen. In der Fernabsatz-Richtlinie werden die Vorschriften für die allgemeinen Informationen, die den Abnehmern von im Fernabsatz vertriebenen und verkauften Finanz- und Wertpapierdienstleistungen zur Verfügung gestellt werden müssen, harmonisiert. Die FESCO arbeitet derzeit daran, die verschiedenen Verhaltensregeln zum Schutz der Kleinanleger zu vereinheitlichen. Für andere praktische Probleme muss noch eine Lösung gefunden werden. Wenn die Beziehungen zwischen der Wertpapierfirma und dem Kunden vertraglich oder durch andere ähnliche Vereinbarungen fixiert sind, bestimmt sich das für die vertraglichen Pflichten maßgebliche Recht nach dem Übereinkommen von Rom. Dies kann bedeuten, dass aufgrund eines solchen Vertrags einige Rechtsvorschriften des Lands des Kunden (Aufnahmeland) zur Anwendung gelangen. Schließlich könnte es auch erforderlich sein, die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden auszubauen, um das gegenseitige Vertrauen in die praktische Anwendung und Durchsetzung gemeinsamer Anlegerschutzvorschriften zu stärken. Auch für diese Herausforderungen - die nicht nur die Wertpapierdienstleistungen betreffen - müssen Lösungen gefunden werden.

Mit der Richtlinie über den elektronischen Handel wird bereits ein entscheidender Schritt in Richtung der Anwendung des Herkunftslandprinzips auf alle elektronisch erbrachten Wertpapierdienstleistungen getan. Im Rahmen der Überarbeitung der ISD muss der Weg für einen weiteren systematischen Übergang zum Herkunftslandprinzip geebnet werden. Von nun an müssen die Restkompetenzen des Aufnahmelandes exakt abgegrenzt werden; sie sollten sich im wesentlichen auf die Verhaltensregeln für eine faire Behandlung der Kleinanleger beschränken. In den Fällen, in denen ausnahmsweise das Aufnahmeland zuständig ist, sollten Bedingungen aufgestellt werden, bei deren Erfuellung die Zuständigkeit automatisch auf das Herkunftsland übertragen wird.

* Die Beaufsichtigung durch das Herkunftsland sollte ausnahmslos für die für professionelle Gegenparteien erbrachten Dienstleistungen gelten. Gibt es neben den Wohlverhaltensregeln noch andere ISD-Bestimmungen, bei denen klar und ohne weiteres zwischen professionellen Anlegern und Kleinanlegern unterschieden werden kann-

* Die Kommission bittet um Stellungnahme zu den rechtlichen und aufsichtlichen Fragen, für die übergangsweise noch das Aufnahmeland zuständig sein sollte. Welche Bedingungen müssen erfuellt sein, bevor die Zuständigkeit des Aufnahmelandes vollkommen abgeschafft werden kann-

Bei der Beantwortung dieser Fragen sollte die Analyse der Kommission in ihrer Mitteilung zu Artikel 11 der ISD berücksichtigt werden.

3.3. Neue Akteure - Alternative Handelssysteme

Durch die Informationstechnologie wurden auf allen Stufen - von der Makler- und Handelstätigkeit über die reine Durchleitung und Übermittlung von Börsenorders bis hin zur Errichtung fortschrittlicher Plattformen für das Matching und die Auftragsausführung - die Barrieren für einen Zugang zum Wertpapierhandel verringert. Unter den Plattformen gibt es nun Marktneulinge, die ähnliche Funktionen übernehmen wie vollwertige Börsen und von denen einige bereits als "geregelte Märkte" anerkannt wurden.

Zahlreiche Fragen wirft die angemessene rechtliche und aufsichtliche Behandlung der in einigen Mitgliedstaaten als Wertpapierfirmen zugelassenen alternativen Handelssysteme (ATS) im Gemeinschaftsrecht auf. Die Nutzer dieser Systeme müssen angemessen geschützt und die Systeme besser in das gesamte Wertpapierhandelsumfeld eingebunden werden. Die zentrale Frage ist, ob die ISD-Bestimmungen (und die nationalen Vorschriften) für Wertpapierfirmen die aufsichtsrechtlichen Risiken ausreichend berücksichtigen, denen diese neuen Einrichtungen ausgesetzt sein können. Die ATS bilden keine homogene Gruppe [8]. Die eingehende Analyse der FESCO zeigt jedoch, dass diese Systeme sehr häufig mit Wertpapierfirmen gleichgesetzt werden können [9]. Um zusätzliche Risiken für die Anleger und für das reibungslose Funktionieren der Märkte auszuschließen, könnten daher ausgehend von einer individuellen Beurteilung des aufsichtsrechtlichen Risikoprofils eines jeden ATS stufenweise die Vorschriften über die organisatorische Struktur (Artikel 10) und die Wohlverhaltensregeln (Artikel 11) angewandt werden.

[8] Einige ATS stellen nur einen einfachen elektronischen Treffpunkt dar (eine Art "schwarzes Brett"), während andere weitgehend mit elektronischen Inter-Dealer-Brokern oder elektronischen Auftragsbüchern gleichgesetzt werden können.

[9] "The Regulation of Alternative Trading Systems in Europe": FESCO 00-064C vom 25.9.2000. Dieses Dokument findet sich im Internet unter www.europefesco.org

Die nationalen Regulierungsinstanzen für die Wertpapiermärkte befürworten diese Lösung, da sie sich ihrer Ansicht nach auf kurze Sicht am besten für die Beaufsichtigung der ATS eignet. Vorbehaltlich einer etwaigen Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit dieser Lösung mit der ISD hält die Kommission ein solches Vorgehen für eine gute Übergangslösung. Es muss allerdings unbedingt darauf geachtet werden, dass alle übrigen Vorschriften einheitlich angewandt werden, damit die Rechte, die den zugelassenen Wertpapierfirmen durch den Europäischen Pass zustehen, nicht beeinträchtigt werden.

Diese pragmatische Lösung kann jedoch nicht als endgültige Lösung betrachtet werden. Manche ATS sind richtige Zentren für den organisierten Handel mit Finanzinstrumenten. Diese ATS sind hinsichtlich Marktvertrauen, Transparenz und einer ordnungsgemäßen und effizienten Geschäftsabwicklung denselben Risiken ausgesetzt wie Börsen und "geregelte Märkte". Dies könnte für eine Anwendung der für die "geregelten Märkte" geltenden Bestimmung sprechen. Gegenwärtig wird in der ISD strikt zwischen "Wertpapierfirmen" und "geregelten Märkten" unterschieden. Damit ist ausgeschlossen, dass einzelne Bestimmungen der für "geregelte Märkte" geltenden Regelung auf Wertpapierfirmen angewandt werden. Im Rahmen der Überarbeitung der ISD könnte daher zugestanden werden, dass die Melde-, Transparenz- und Offenlegungsvorschriften (in angemessenem Umfang) für die börsenähnlichen ATS eingeführt werden.

* Welche der in den Artikeln 10 und 11 enthaltenen Grundsätze und Vorschriften sind in den Fällen, in denen alternative Handelssysteme Infrastrukturdienstleistungen erbringen, am relevantesten- Gibt es andere Elemente der für "Wertpapierfirmen" geltenden Regelung, die relevant sein könnten-

* Welche Elemente des Rechtsrahmens für "geregelte Märkte" (z. B. Meldungen, Transparenz, Überwachung/Durchsetzung) könnten im Hinblick auf einen funktionsorientierten Ansatz zur Regulierung alternativer Handelssysteme für verschiedene Arten von ATS am relevantesten sein-

4. geregelte märkte und handelsinfrastrukturen:

Durch die Ausdehnung der Basis für die Mitgliedschaft an den Börsen und auf den geregelten Märkten hat die ISD indirekt den Wettbewerb zwischen den Handelssystemen erleichtert. Der Anreiz zur Steigerung der Handelsvolumina wurde durch den Trend hin zu einer "gewinnorientierten" Basis noch verstärkt. Viele Börsen haben die Möglichkeiten genutzt, die den offenen Mitgliedschaftsnetzen inhärent sind. Der Wettbewerb zwischen den Börsen verschärft sich immer mehr. Weitere Reduzierungen der Transaktionskosten mittels des Einsatzes neuer Technologien sind fast nicht mehr möglich, da viele europäische Börsen bereits die neuesten Technologien einsetzen. Der vielversprechendste Weg hin zu weiteren Gewinnsteigerungen führt über weiter steigende Handelsvolumina, die zu Grössen- und Diversifikationsvorteilen führen. Einige Börsen und neue Marktteilnehmer versuchen, einen europaweiten Zugang zu den Märkten mittels eines organischen Wachstums zu bewerkstelligen. Andere Börsen sind wiederum bestrebt, weitreichende Allianzen einzugehen bzw. professionelle Fusionen vorzunehmen, wobei man eine möglicherweise bedeutende Konzentration der Handelsvolumina und tiefere und liquidere Wertpapiermärkte im Auge hat. Die Gewinne beschränken sich nicht auf Grössen- und Diversifikationsvorteile bei der Abwicklung von Geschäften: Die schwerer erfaßbaren Verbesserungen im Sinne von Liquiditätssteigerungen und besseren Kursmechanismen werden letztendlich den größeren Ausschlag geben. Eine Anpassung bzw. Ausdehnung der ISD wird u. U. erforderlich sein, um diese Entwicklungen zu optimieren und somit

(1) einen wirksamen Wettbewerb zu fördern, der dem Auftragsfluss zwischen den Börsen zu Gute kommt ("Europäischer Pass");

(2) die rechtlichen Anforderungen für die "geregelten Märkte" abzuklären, um die Vorteile eines geregelten und wirksamen Handels zu wahren ("hochrangige Prinzipien");

(3) eine transparente Preisfestsetzung für die Wertpapiere an den einzelnen Börsen und mittels des Handelssystems als Ganzes zu fördern;

(4) einen gemeinsamen Ansatz für die Integration und die Überwachung der Clearing- und Wertpapierabrechnungsfunktionen festzulegen.

4.1. Ein einziger Pass für die geregelten Märkte

Auch wenn das Recht EDV-gestützter Märkte, in den Mitgliedstaaten einen Handel per Bildschirm zu betreiben, als Novum angesehen werden kann, kommen die "geregelten Märkte" der ISD zufolge nicht in den Genuss der vollen Rechte, die mit dem "Europäischen Pass" (einmalige Zulassung) verbunden sind. Um die Erbringung der Wertpapierhandelsdienstleistungen für ein großes Spektrum europäischer Wertpapiere zu erleichtern, müssen die ISD-Definition eines "geregelten Marktes" und die entsprechenden Vorschriften überprüft werden.

Derzeit ist der Begriff des "geregelten Marktes" in Artikel 1 Absatz 13 definiert, wobei teilweise auf die Anforderungen für die Börsenzulassung von Wertpapieren Bezug genommen wurde (einschließlich der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an den Börsen im Sinne der Richtlinie 79/279). Die Bedingungen für die Zulassung zur amtlichen Notierung zählen zu den absoluten Voraussetzungen für die Gewährleistung der Qualität der börsengehandelten Instrumente und für eine angemessene Offenlegung für die Anleger. Schwierigkeiten ergeben sich aus der vorherrschenden Unsicherheit hinsichtlich der Art und Weise, wie die "geregelten Märkte" ihren Verpflichtungen nachkommen sollten, wenn sicherzustellen ist, dass alle Wertpapiere den Anforderungen für die "amtliche Notierung" zu genügen haben (wie in Richtlinie 79/279 [10] dargelegt). Bislang war es in der Praxis so, dass der geregelte Markt die Börsennotierungsfunktionen für all jene Wertpapiere anbieten sollte, die auf diesem Markt gehandelt werden. Diese Vorgehensweise der geregelten Märkte, Wertpapiere vor ihrem Handel amtlich zu notieren, kann zu erheblichen Kostensteigerungen führen und den Wettbewerb zwischen den Märkten und den Börsen einschränken, wenn es darum geht, das gleiche Wertpapier zum Handel zuzulassen. Die Zulassung zur Börsennotierung und die Zulassung zum Börsenhandel müssen folglich voneinander getrennt werden, wenn ein verstärkter Wettbewerb zwischen den Handelssystemen gefördert werden soll. Überdies erfordern strukturelle Veränderungen wie Umwandlung von Börsengesellschaften auf Gegenseitigkeit in Eigentumsgesellschaften eine Neudefinition der Art und Weise, wie die Börsennotierungs- und die Offenlegungsziele erreicht werden können. Bevor derartige weitreichende Anpassungen jedoch ins Auge gefaßt werden können, muss eine gerechte Basis für die Aufteilung der Gemeinkosten gefunden werden, die sich aus der Börsennotierung und der Erfuellung der damit verbundenen Vorschriften ergeben, wie z.B. die Verbreitung kurssensibler Informationen. Ohne angemessene Vereinbarungen könnten gewinnorientierte Börsen versucht sein, die kostspieligen Börsennotierungsfunktionen aufzugeben, besonders dann, wenn sie feststellen, dass ihre Wettbewerber unrechtmäßig von ihren Börsennotierungsdienstleistungen profitieren. Dies könnte den wichtigen Funktionen des "Allgemeininteresses" zuwider laufen, die von der Börsennotierung gewährleistet werden. Die Umsetzung dieses Ansatzes sollte in einer aktualisierten Definition der "geregelten Märkte" angedeutet werden. Auch ist in diesem Sinne die Richtlinie 79/279 zu überprüfen [11].

[10] Richtlinie 79/279 vom 5.3.1979 (ABl. L 66 vom 16.3.1979). Die Unsicherheit hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen für die amtliche Notierung ist bei den Wertpapieren noch wesentlich höher, da diese nicht unter die Richtlinie 79/279 fallen. Deshalb stellt die Notwendigkeit der Erstellung eines Börsenzulassungsprospekts für alle auf einem Markt emittierten (übertragbaren) Wertpapiere eine Absicherung dar.

[11] Zusätzlich zu der Frage der Verknüpfung von Börsennotierung und Zulassung zum Handel ist die Richtlinie 79/279 auch hinsichtlich des Anwendungsbereichs bestimmter Schlüsselbegriffe wie "amtliche Notierung" und "Börse" unklar. Folglich könnte es zu Unterschieden bei der Qualität der auf den verschiedenen "geregelten Märkten" gehandelten Wertpapiere und dem damit verbundenen Grad an Offenlegung kommen.

Die Vorschrift über Konzentrationen von Artikel 14 Absatz 3 der ISD räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, die Abwicklung von Geschäften mit bestimmten Finanzinstrumenten auf einem "geregelten Markt" zu fordern. Ziel dieser Vorschrift war es, den Anlegerschutz zu erhöhen, indem außerbörsliche Geschäfte auf professionelle Anleger beschränkt wurden. Der Handel mit derartigen Finanzinstrumenten könnte jedoch künstlich auf einen bestimmten geregelten Markt konzentriert werden. Dem Anlegerschutz wird also besser gedient, wenn entsprechende Bestimmungen für die Marktteilnehmer erlassen werden, die im Auftrag von Anlegern handeln, und indem die Anforderungen für die "bestmögliche Ausführung eines Auftrags" streng durchgesetzt werden. Um willkürliche oder unverhältnismäßige Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den "geregelten Märkten" zu vermeiden, kann es zweckmäßig sein zu prüfen, inwiefern die obengenannte Konzentrationsvorschrift nach wie vor zweckmäßig ist, zumindest in ihrer aktuellen Form.

Artikel 15 Absatz 5 der ISD ermächtigt die Mitgliedstaaten, die Schaffung neuer Märkte in ihrem Hoheitsgebiet einzuschränken. Wie von der IOSCO anerkannt gibt es berechtigte Bedenken hinsichtlich der soliden Führung und der regelmäßigen Funktionsweise der Märkte, die angemessene Zulassungs- und Genehmigungsverfahren für die Börsen rechtfertigen würden. Die derzeitige Bestimmung sollte aber überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie nicht zur Behinderung der Tätigkeiten der "geregelten Märkte" verwendet wird, die von den Behörden der Partnerländer zugelassen wurden.

Die Kommission verweist auch darauf, dass die Anheizung des Wettbewerbs zwischen kommerziell betriebenen Börsen die Kartellbehörden auf den Plan rufen muss, um jeglicher wettbewerbsfeindlichen Kontrolle über den Zugang zu Handelsnetzen in Privatbesitz vorzubeugen. Neue technologisch sich auf dem neuesten Stand befindende Marktteilnehmer bzw. Wettbewerber aus Überseemärkten können diese Gefahr insofern eindämmen, als sie die Anfechtbarkeit auf Ebene der Handelssysteme bzw. der Börsen erhöhen. Dennoch gibt eine übermäßige Konzentration der Handelsvolumina in einem oder mehreren Handelssystemen in Privatbesitz u.U. Anlass zu Bedenken. Diese wären umso gerechtfertigter, wenn die horizontale Konzentration auf Ebene des Handelssystems mit einer vertikalen Integration einhergehen würde, die den Handel sowie Clearingsysteme und Systeme einer zentralen Gegenpartei umfassen würden. Die Vorteile einer kostensenkenden "integrierten Behandlung" ("straight through processing") könnten dann durch wettbewerbsfeindliche Folgen einer Vorherrschaft in einer Handelsinfrastruktur wieder aufgehoben werden.

* Die Anforderungen für "geregelte Märkte" in Bezug auf die Einhaltung der Börsennotierungsbedingungen und der Kriterien für die Zulassung sollten geklärt werden. Dies wird auch eine parallele Aktualisierung der Richtlinie 79/279 erforderlich machen. Welche Bedingungen müssen erfuellt sein, um einen solchen Ansatz erfolgreich umzusetzen und dabei sowohl die Offenlegung als auch die Qualität des Wertpapierhandels zu wahren-

* Die "Konzentrationsregel" von Artikel 14 Absatz 3 und das Verbotsrecht gemäss Artikel 15 Absatz 5 müssen überarbeitet werden, um jegliche unangemessenen oder unnötigen Beschränkungen für die grenzübergreifende Tätigkeit der "geregelten Märkte" zu beseitigen.

4.2. Leitlinien für "geregelte Märkte"

Die ISD sieht in gewissem Maße die Konvergenz der Bedingungen vor, die die Märkte und Börsen einhalten sollten, um das Vertrauen in den Markt zu wahren und seine Stabilität sicherzustellen. Die jüngsten strukturellen Entwicklungen haben gezeigt, wie Unterschiede in den rechtlichen und aufsichtlichen Anforderungen die Integration des Handels erschweren können. Die Harmonisierung der Vorschriften für den Handel ist also eine Voraussetzung für den Binnenmarkt. Auch müssen die rechtlichen und aufsichtlichen Antworten in anderen Bereichen aufeinander abgestimmt werden.

Die rechtzeitige und hochwertige Offenlegung wesentlicher Informationen auf gleichwertiger Basis setzt die Anwendung einheitlicher Kriterien für die Börsenzulassung, den Börsenprospekt, die Vorlage regelmäßiger Berichte und die Offenlegung kurssensibler Informationen voraus. Ein gemeinsames Modell für die Transparenz und die Berichterstattung ist hier von ausschlaggebender Bedeutung, insbesondere wenn die Geschäfte hochsensibel auf die Transparenzanforderungen reagieren. Eventuelle Unterschiede in einem System werden zu einer Konzentration dieses Handels auf ein Niveau führen, auf dem die Transparenzanforderungen äußerst niedrig geschraubt sind, womit die effiziente Kursbildung in einem einheitlichen Markt in Frage gestellt würde. Die Vorschriften über die Marktmitgliedschaft und die Normen für den Marktzugang müssen folglich einander angepaßt werden, um die Marktteilnehmer von einer Arbitrage zwischen den verschiedenen Zugangsmöglichkeiten zur integrierten Plattform abzuhalten. Der Inhalt und die Anwendung jeglicher Kriterien für die Mitgliedschaft oder die Zulassung müssen nichtdiskriminierend und objektiv sein. Schließlich bedarf es gleichwertiger Ansätze auf dem Gebiet der Kontrolle und der Anwendung der Vorschriften sowie von Sanktionen, mit denen überall ein gleiches Niveau der Risikoabschreckung und der Schwere der Strafen sichergestellt werden soll.

Zu gewährleisten, dass sich die Verschärfung des Wettbewerbs zwischen den Börsen nicht negativ auf die transparente, wirksame und regelmäßige Funktionsweise des europäischen Finanzmarktes auswirkt, ist eine enorme rechtliche und aufsichtliche Herausforderung. Zwei Punkte bedürfen hier ganz besonderer Aufmerksamkeit. Zum einen erhöht die weitere Integration der Wertpapiermärkte die Möglichkeit, dass die rechtlichen und aufsichtlichen Unterschiede den Wettbewerb zwischen den Börsen in Bezug auf die Steigerung der Handelsvolumina beeinflussen werden. Wenn der Handel auf die rechtlich vorgegebenen Gemeinkosten reagiert, besteht die Gefahr, dass der Wettbewerb zwischen den Systemen der Transparenz und der Effizienz der EU-Wertpapiermärkte als solchen abträglich ist. Zum anderen müssen die rechtlichen Ansätze der EU im Lichte der verstärkten Übertragungseffekte neu bewertet werden. Die Entwicklungen auf einem geregelten Markt können nämlich unmittelbare und möglicherweise größere Auswirkungen im Handelsumfeld in den anderen Mitgliedstaaten zeitigen. Maßnahmen zur Wahrung der Marktintegrität, des Vertrauens und der Stabilität können nicht mehr isoliert konzipiert oder umgesetzt werden.

Vielmehr braucht die EU einen gemeinsamen rechtlichen Ansatz. Die auf dem Spiel stehenden Interessen sind nicht mehr auf die Mitgliedstaaten beschränkt, in denen die Börsen fusionieren: Wertpapierfirmen, Anleger, Emittenten und die Betreiber von Infrastrukturen in der gesamten EU sind hier unmittelbar betroffen. Es ist nicht möglich, dass die rechtlichen oder aufsichtlichen Vereinbarungen für einen Großteil des europäischen Wertpapierhandels auf Ad hoc-Basis weiterentwickelt werden, um den technologischen Herausforderungen infolge einer bestimmten Fusion/ Allianz Rechnung zu tragen. Eine solche Vorgehensweise gefährdet auch den Fortbestand der Diversität der europäischen Rechts- und Aufsichtsvorschriften, sollte jedesmal eine umfassende Fusion/ Allianz zu unterschiedlichen rechtlichen und aufsichtlichen Lösungen führen!

Die ISD-Bestimmungen für die "geregelten Märkte" sollten verstärkt werden, um gemeinsame Grundsätze für Aspekte wie den ordnungsgemäßen Handel, Offenlegung und Transparenz, Marktintegrität und Normen für die Überwachung und Durchsetzung festzulegen. Die Verankerung wichtiger Grundsätze im EU-Recht kann dazu beitragen, strukturelle Veränderungen auf Ebene der Börsen abzufedern, indem

* die Rechtsunsicherheit hinsichtlich des anwendbaren Rechts oder der Rechtsprechung für die "geregelten Märkte" begrenzt wird, die präsent sind, ihrer Tätigkeit nachgehen bzw. in verschiedenen Mitgliedstaaten einer Aufsicht unterworfen werden könnten;

* der Verpflichtung zur Zusammenarbeit zwischen den Marktaufsichtsbehörden rechtliche Durchsetzungskraft verliehen wird; dazu zählt auch die Definition praktischer Vereinbarungen zur Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsbehörden und Selbstverwaltungskörperschaften ("Self-Regulatory Organisations" (SRO));

* auf Mechanismen und Vereinbarungen aufgebaut wird, die in anderen EU-Finanzdienstleistungsvorschriften bereits wirksam angewandt werden. Dabei wäre an die Kapitaladäquanzvorschriften zu denken (um sicherzustellen, dass die "geregelten Märkte" in der Tat in der Lage sind, die vorhandenen Systeme zu verwalten), wie auch an die Grosskreditanforderungen, die Tests zur Überprüfung der Zuverlässigkeit und der fachlichen Eignung des Managements und an Mechanismen zum Erwerb von Mindestbeteiligungen (zur Vermeidung eventueller Interessenkonflikte in Kontrollstrukturen);

* die Transparenz verbessert wird, und zwar sowohl auf Ebene der Marktteilnehmer als auch auf Ebene der Aufsichtsbehörden, wenn es um die Vorschriften für einen fairen und ordnungsgemäßen Handel, die Tätigkeitsbedingungen und die Aufsichtsstrukturen geht.

Die in der FESCO versammelten nationalen Wertpapieraufsichtsbehörden haben eine Reihe allgemeiner "Normen für geregelte Märkte" ausgearbeitet, die einen nützlichen Anhaltspunkt für weitere Überlegungen in den obengenannten Bereichen darstellen.

Eine abschließende Überlegung zur Ausgestaltung der Leitgrundsätze für die "geregelten Märkte" im Zusammenhang mit der ISD-Revision betrifft den Anwendungsbereich des Wertpapierhandels. Eine Möglichkeit bestuende darin, lediglich die "geregelten Märkte" abzudecken, die einen öffentlich zugänglichen Aktienhandel gewährleisten. Als Argument könnte diesbezüglich angeführt werden, dass die "reale" Wirtschaft und die Kleinanleger dieser Art des Wertpapiergeschäfts am meisten ausgesetzt sind. Folglich besteht hier das größte Bedürfnis an Transparenz und Offenlegung. Ein zweiter Ansatz würde darin bestehen, alle geregelten Systeme abzudecken, die einen öffentlich zugänglichen Aktienhandel sicherstellen, und zwar unabhängig von der Art des jeweiligen Finanzinstruments (d.h. einschließlich der Warenderivate und anderer Instrumente, die von Anhang B der ISD ausgenommen sind). Dieser Ansatz könnte eine allmähliche Anwendung der Leitgrundsätze erforderlich machen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der geregelte Handel mit verschiedenen Instrumenten unterschiedliche rechtliche Fragen aufwirft, je nachdem, um welches Marktmodell es sich handelt und in welchem Ausmaß der Handel von Geschäften zwischen professionellen Marktteilnehmern dominiert wird.

* Die derzeitige Definition und die Bestimmungen der ISD auf dem Gebiet der "geregelten Märkte" gestatten keine zufriedenstellende Behandlung der rechtlichen und aufsichtlichen Herausforderungen, die sich aus der Verschärfung des Wettbewerbs und der Zusammenarbeit zwischen den Börsen ergeben. In welchen Bereichen könnte die rechtliche Arbitrage zwischen den Börsen die regelmäßige, wirksame und transparente Funktionsweise des Wertpapierhandels beeinträchtigen-

* Sollten die Leitgrundsätze für die Märkte auf den öffentlich zugänglichen Wertpapierhandel beschränkt oder auf alle organisierten Märkte unabhängig von den gehandelten Finanzinstrumenten ausgedehnt werden- Sollten die Leitgrundsätze auf die rechtlichen und aufsichtlichen Risiken zugeschnitten werden, die mit den verschiedenen Markttypen oder Handelsformen einhergehen- Welche Bestimmungen sollten in abgestufter Form angewandt werden-

* Sie werden gebeten, in Ihren Antworten anzugeben, ob und wie bestimmte Grundsätze im EU-Recht verankert und welche rechtlichen Zielsetzungen bevorzugt werden sollten.

4.3. Transparenz

Ein hoher Grad an Transparenz ist das Kennzeichen eines wirksam arbeitenden Marktes und die beste Gewähr dafür, dass die Anlegerinteressen gewahrt werden. Trotz Artikel 21 der ISD gibt es enorme Unterschiede im Grad der Transparenz bei den geregelten Märkten in der EU. Die neuen EDV-Systeme zur Auftragsabwicklung, die sich im Aktienhandel als dominantes Marktmodell durchzusetzen scheinen, dürften am ehesten von den Bestimmungen profitieren, die auf die Förderung einer echten Transparenz abzielen. Anstelle einer Beschreibung detaillierter Marktpraktiken sollten die Anforderungen eher in Form der zu erreichenden Ziele abgefaßt werden.

Die Unterschiede sind besonders dann ausgeprägt, wenn es um die Transparenzanforderungen für den Handel mit institutionellen Anlegern geht. Auf mehreren europäischen Märkten wird dieser Handel außerbörslich betrieben, womit möglicherweise die Gesamtliquidität und die Kursbildung für die Wertpapiere beeinträchtigt wird. Angesichts der aggressiven Konkurrenz bei diesen Geschäften zwischen den Märkten bedarf es u.U. gemeinsamer Lösungsansätze, um sicherzustellen, dass der undurchsichtige Pakethandel die Qualität der Wertpapierkursbildung für die Kleinanleger und die anderen Anleger nicht ungebührlich beeinträchtigt.

Die Segmentierung des Wertpapierhandels auf der Grundlage der nationalen Verwaltungsbestimmungen und der Währungsgrenzen darf nicht durch einen marktorientierten Ansatz mit unzureichenden technischen oder rechtlichen Verbindungen zwischen den Handelssystemen ersetzt werden. Sollte es verschiedene europäische Handelsplattformen geben, so muss die Interaktion zwischen den unterschiedlichen Kursbildungssystemen u.U. gefördert werden. Mit den Vorschriften sollte jedoch nicht versucht werden, Marktstrukturen oder -ansätze aufzuoktroyieren. Vielmehr sollten die Vorteile der Transparenz und einer effizienten Kursinteraktion besser genutzt werden. Ansonsten könnten die eventuellen Möglichkeiten eines integrierten Binnenmarktes nicht optimal ausgeschöpft werden. Auch ist zu überlegen, dass preissensible Informationen den Anlegern nicht zur gleichen ("Echt"-) Zeit in den verschiedenen Handelssystemen zur Verfügung gestellt werden [12].

[12] Die Erfahrungen in den USA (die auf die 70er Jahre zurückgehen) haben gezeigt, wie effiziente Mechanismen für eine marktübergreifende Kurstransparenz die Zusammenlegung der Liquidität begünstigen können.

* Wie sollten die ISD-Bestimmungen auf dem Gebiet der Transparenz nützlicherweise aktualisiert werden- In welchem Umfang bedarf es gemeinsamer Ansätze, um sicherzustellen, dass der ausserbörsliche Handel die effiziente Kursbildung bei den Wertpapieren aller Anleger nicht ungebührlich beeinträchtigt-

* Stellt die Fragmentierung des Handels zwischen den verschiedenen Systemen eine Bedrohung für die liquiden und effizienten Wertpapiermärkte dar- Welche praktischen Schritte könnten in die Wege geleitet werden, um eine wirksame und effiziente Interaktion zwischen den Kursen zwischen den miteinander konkurrierenden "geregelten Märkten" zu fördern-

4.4. Clearing und Abrechnung ("settlement")

Fernzugang: Auf die Clearing- und Abrechnungsfunktionen wird indirekt in Artikel 15 Absatz 1 der ISD eingegangen, in dem vorgeschrieben wird, dass der Zugang zu den geregelten Märkten mit dem Zugang zu den damit verbundenen Clearing- und Abrechnungsfunktionen einhergehen muss. Einige Mitgliedstaaten haben Fernmitglieder verpflichtet, die Dienste von vor Ort niedergelassenen Intermediären für das Clearing und die Abrechnung in Anspruch zu nehmen. Dieser indirekte Zugang erhöht die Komplexität und die Kosten und gestaltet die rechtzeitige und wirksame Abwicklung der Geschäfte schwieriger. Die Richtlinie über die Endgültigkeit der Abrechnung behebt eine Unsicherheit, indem Komplikationen beseitigt werden, die sich im Falle der Insolvenz einer Gegenpartei in einem anderen Mitgliedstaat ergeben. Dennoch bestehen nach wie vor viele Schwierigkeiten. Ein Beispiel dafür ist die Zurückhaltung der Währungsbehörden, den Wertpapierfirmen aus einem Partnerland Kontofazilitäten einzuräumen, die für die Abrechnung in "Zentralbankgeld" erforderlich wären. Dies zwingt die Fernmitglieder des örtlichen "geregelten Marktes", sich auf die lokalen Korrespondenzbanken zu verlassen, um die endgültige Abrechnung der Barseite der Wertpapiergeschäfte (in Form des gesetzlichen Zahlungsmittels) vorzunehmen. Sollten keine Antworten auf diese Fragen gefunden werden, würde die Fernmitgliedschaft in einem Clearing- und Abrechnungssystem auf fatale Art und Weise unterminiert werden.

Abrechnung: Trotz der Verwischung der Unterschiede zwischen den nationalen Zentralverwahrern und den internationalen Zentralverwahrern ist die grenzübergreifende Abrechnung der Wertpapiergeschäfte mit technischen und rechtlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Das EZBS versucht derzeit, die technischen Probleme für eine wirksame Verbindung zwischen den Wertpapierabrechnungssystemen zu beseitigen, indem man sich auf die Standardisierungsarbeiten in den internationalen Gremien stützt [13]. Zur Gewährleistung einer optimalen Effizienz sollten die verbleibenden rechtlichen Hindernisse für grenzübergreifende Transfers und eine Ausreifung der Eigentumstitel beseitigt werden [14].

[13] Eine gemeinsame Task Force der G10 und der IOSCO ("International Organisation of Securities Commissions") ist damit betraut worden, die auf die Wertpapierabrechnungsgeschäfte anwendbaren Grundsätze zu definieren (unter Zugrundelegung der "Lamfallussy"-Normen für die systemmäßig bedeutenden Zahlungssysteme).

[14] Diese Probleme sind vor allem bei den Inhaberpapieren sehr ausgeprägt.

Clearing: Das multilaterale Netting und die Funktionen der zentralen Gegenpartei, die derzeit beim Derivatehandel und bei den Wertpapieren mit festem Ertrag Usus sind, werden auch beim normalen Aktienhandel immer geläufiger. Während diese Entwicklung einem effizienten Handel zu Gute kommt, bewirkt sie indes auch eine Konzentration des Systemrisikos in den Büchern der zentralen Gegenparteien. Dies wird durch die geographische Konsolidierung noch verschärft werden, die dazu führen kann, dass einige Handelssysteme von den in anderen Mitgliedstaaten vorgenommenen Clearingfunktionen abhängen werden.

Alle zugelassenen Clearingstellen unterliegen der ständigen Beaufsichtigung und sind darüber hinaus gehalten, ausgereifte Risikomanagementtechniken anzuwenden [15]. Die Definition, Überwachung und Durchsetzung dieser Normen erfolgt in der Regel auf nationaler Ebene; allerdings ließe sich eine Prüfung dieser Aspekte auf EU-Ebene nun rechtfertigen. Dabei könnten die Schlüsselprinzipien und die Aspekte der Regulierung und Überwachung des Clearing und der Mechanismen im Vordergrund stehen, die für eine wirksame Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den entsprechenden Aufsichtsbehörden relevant sind.

[15] Zu diesen Vereinbarungen zählen regelmäßige Bewertungen der Positionen zum letzten Börsenkurs, die Abdeckung von Verlusten, die Verwendung ursprünglicher und Ein-Tages-Margenanforderungen, Normen für die Barabrechnung, Mitgliedschaftsbestimmungen und Kapitaladäquanz-Vorschriften. Die Anwendung dieser Regeln unterliegt einer intensiven Überwachung.

Parallel zur Änderung der ISD sollte diese gemeinsame Überlegung darauf abzielen, zu einem klaren Verständnis der Aufsichtsvereinbarungen für Clearingstellen zu gelangen, um die Stabilität eines integrierten Wertpapierhandelssystems sicherzustellen.

* Sie werden gebeten, zu den praktischen Problemen Stellung zu nehmen, die sich beim Zugang zu den Clearing- und Abrechnungssystemen in den Partnerländern ergeben, sowie die Art der Rechts- und Verwaltungshindernisse für die grenzübergreifende Wertpapierabrechnung zu kommentieren.

* Auf welche Bereiche sollten sich die Wertpapieraufsichtsbehörden konzentrieren, wenn sie die möglichen grenzübergreifenden Folgen einer Konsolidierung des Clearing und der Funktionen der zentralen Gegenpartei analysieren- Welche Schutzmaßnahmen scheinen bei der Handhabung derartiger Risiken am wirkungsvollsten zu sein-

5. weitere vorgehensweise

Eine umfassende Überarbeitung der ISD - so wie im Aktionsplan für Finanzdienstleistungen vorgesehen - ist ein Schlüsselelement für die Reform des europäischen Rechts- und Aufsichtsrahmens, wenn es darum geht, den Herausforderungen des neuen Wertpapierumfeldes gerecht zu werden. Die Aktualisierung der ISD kann die europäischen Fortschritte hin zu einer erhöhten Liquidität, Effizienz und Stabilität erleichtern. Eine Untätigkeit in diesem Bereich hätte zur Folge, dass die positiven Externalitäten und öffentlichen Güter unterbewertet würden, die wirksame durch Transparenz und Integrität geprägte Wertpapiermärkte für die globale Wirtschaft darstellen.

Angesichts der zahlreichen Fragen zur Auslegung und Umsetzung vieler ISD-Bestimmungen seit dem Erlass der Richtlinie vertritt die Kommission die Auffassung, dass die ISD ausführlich überarbeitet werden sollte, wenn den Wertpapierfirmen ein wirklich operationeller "Europäischer Pass" an die Hand gegeben werden soll. Dies ist die einzige Möglichkeit zur Schaffung von Rechtssicherheit und Klarheit.

* Für den Fall, dass Sie die Ausarbeitung wichtiger EU-Grundsätze für die "geregelten Märkte" für erforderlich halten, werden Sie gebeten anzugeben, ob diese Grundsätze in eine erweiterte ISD einfliessen oder ob diese Prinzipien einen eigenen EU-Rechtstext bilden sollten- Für wie dringend halten Sie die Annahme derartiger Grundsätze-

5.1. Form der überarbeiteten ISD

Das Tempo der Veränderungen auf den Finanzmärkten und die Gefahren einer Kodifizierung detaillierter Durchführungsbestimmungen im EU-Recht sind Argumente genug, die für eine ISD sprechen, die auf wesentliche Grundprinzipien beschränkt ist. Diese Grundsätze sollten klaren Basisprinzipien Rechnung tragen, die sich auf die Vertragsfreiheiten stützen und eine eindeutige Auslegung gewährleisten.

Eine auf ein Paket wichtiger Grundsätze beschränkte ISD darf nicht zur Ausuferung nationaler Auslegungen und Durchführungsbestimmungen führen. Vielmehr bedarf es ständig aktualisierter ISD-Definitionen und Bestimmungen, um sicherzustellen, dass die Richtlinie einen echten Anlegerschutz und wirksamen Marktzugang festschreibt. Dabei wird es sich um einen kohärenten und strukturierten Ansatz handeln, dessen Ziel es ist, (1) aktuelle Interpretationen der Begriffe zu formulieren; (2) eine kontinuierliche Echtzeit-Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden zu fördern und (3) gemeinsame Normen für die Durchsetzung und Auslegung auf Ebene der direkt betroffenen Aufsichtsbehörden festzulegen. Außerdem sind Kommunikationskanäle erforderlich, damit die Aufsichtsbehörden und die anderen von der Durchsetzung der Vorschriften betroffenen Stellen den Gesetzgeber auf grundlegende Probleme im Bereich der Regulierung aufmerksam machen können, so dass dieser Lösungen formulieren kann.

Diese Themen stehen derzeit im Mittelpunkt der Überlegungen des Ausschusses der Weisen auf dem Gebiet der Wertpapiermärkte, der in der ersten Hälfte des Jahres 2001 einen Schlussbericht vorlegen soll. Es steht zu hoffen, dass die Schlussfolgerungen dieses Ausschusses einen Entwurf für EU-Rechtsvorschriften bilden werden, in dem Rechtsklarheit und -sicherheit mit dem Verständnis für die Marktentwicklungen und einer neutralen und rigorosen Anwendung der Bestimmungen kombiniert werden.

5.2. Leitgrundsätze für die Überarbeitung der ISD

Es liegt auf der Hand, dass die fortdauernde Veränderung der Marktbedingungen die Ausarbeitung von EU-Gesetzesinitiativen erschwert. Die Themen, die heute an erster Stelle stehen, werden vielleicht zweitrangig, sobald sich die Lage auf den Märkten stabilisiert hat. Auf der anderen Seite sind Veränderungen erforderlich, um Effienz steigernde Entwicklungen zu nutzen, die ansonsten im Keim erstickt oder beträchtlich verzögert würden. Auch könnten - angesichts eines nicht vorhandenen gemeinsamen Rechts- und Aufsichtsrahmens - Marktentwicklungen in einigen wenigen EU-Ländern die Form der Marktmodelle und der rechtlichen Paradigmen für die nächsten Jahre diktieren. Sollte jetzt nicht gehandelt werden, könnten sich die EU-Politiker und die Marktteilnehmer einer Lösung gegenüber sehen, die aus kollektiver oder langfristiger Sicht kaum optimal ist.

Eine Reihe von Leitprinzipien wird helfen dazu beizutragen, dass die ISD den Herausforderungen des neuen Umfelds des Wertpapierhandels gerecht werden wird:

* In einer überarbeiteten ISD sollte ein echter "Europäischer Pass" und ein wirksamer Wettbewerb zwischen den Wertpapierhandelsplattformen festgeschrieben werden, um den fairen und nichtdiskriminierenden Zugang zu den wesentlichen Handelsinfrastrukturen zu gewährleisten. Eine Förderung und Kontrolle dieser Bedingung des offenen Zugangs wird für eine dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit der Handels-"Architektur" ausschlaggebend sein.

* Die Förderung der Vertragsfreiheiten darf nicht zu Lasten von Anlegerschutz, Marktintegrität und -stabilität gehen. Dazu bedarf es einer wohlüberlegten Harmonisierung der wichtigsten Rechtsschutzvorschriften, insbesondere aber der Schutzbestimmungen für die Kleinanleger. Die Regulierung und Überwachung der Intermediäre ist eine der Hauptgrundlagen des Anlegerschutzes und der Marktintegrität.

* Die Vorteile tiefer und liquider Wertpapiermärkte müssen allen Emittenten offenstehen, und zwar unabhängig von ihrer Größe. Diesem Ziel wird am besten durch die Förderung tiefer und liquider Märkte gedient werden, die auf der Grundlage klarer und aktualisierter Vorschriften und harmonisierter Verfahren zugänglich sind. Eine Reduzierung des Inhalts der Offenlegungsvorschriften für Kleinemittenten könnte sich als kontraproduktiv erweisen.

* Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzplätze sollte erhöht werden. Lebhafte und wettbewerbsfähige Wertpapiermärkte, die sich durch einen effizienten Handel und durch eine wirksame Abrechnung auszeichnen, können ein attraktiver Anziehungspunkt für internationales Kapital sein.

* Die europäischen Märkte sollten in der Lage sein, aus der unmittelbar bevorstehenden Globalisierung der Wertpapiermärkte Nutzen zu ziehen. Ein globaler 24-Stunden-Handel ist keine Utopie mehr. Der europäische Rechts- und Aufsichtsrahmen sollte gewährleisten, dass die europäischen Märkte und Unternehmen in jeder Hinsicht von diesem Prozess profitieren und ungehinderten Zugang zu den Drittlandmärkten genießen werden - ein zentrales Thema der nächsten WTO-Handelsrunde.

* Rechtliche "Schieflagen" in Bezug auf bestimmte Unternehmensmodelle oder Marktstrukturen müssen vermieden werden. Vorschriften, die unabsichtlich bestimmte Unternehmensmodelle oder Marktstrukturen begünstigen, könnten Innovationen im Keim ersticken und der Wettbewerbsfähigkeit der Märkte abträglich sein. Der Entwurf und die Anwendung von Vorschriften haben ebenfalls im Hinblick auf Marktmodelle oder Technologien neutral zu sein. Schließlich sind die Rechts- und Aufsichtsvereinbarungen für den Aktienhandel nicht unbedingt für den organisierten Handel mit anderen Instrumenten zweckmäßig, wie z.B. für Derivate und Wertpapiere mit festen Erträgen. Beim Entwurf und der Anwendung von Rechtsvorschriften könnte eventuell ein etwas differenzierter Ansatz für Märkte gerechtfertigt sein, auf denen der Handel zwischen Professionellen überwiegt. Um diesen unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, sollten die ISD-Bestimmungen einen funktionellen Ansatz enthalten, der eher auf die Regulierung von Risiken als auf die Festschreibung von Bestimmungen ausgerichtet ist, die das vorhandene institutionelle Umfeld berücksichtigen.

Sie werden gebeten, zum Anwendungsbereich, zur Aufmachung und zur Analyse in diesem Diskussionspapier Stellung zu nehmen. Auch ist Ihr detaillierter Kommentar zu den einzelnen ISD-Bestimmungen erwünscht (s. Anlage zum Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen).

TGRAPH

Tabelle 1a:

(Anm. des SDT: Überschrift Tabelle 1a: Neue nach Artikel 18 der ISD gemeldete Dienstleister (Freier Dienstleistungsverkehr);seitlich: Zahl der Meldungen)

TGRAPH

Quelle: Nationale Wertpapieraufsichtsbehörden. Stand: Sept. 2000

Tabelle 1b:

(Anm. des SDT: Überschrift Tabelle 1b: Neue nach Artikel 17 der ISD gemeldete Dienstleister (Zweigniederlassungen); seitlich: Zahl der Meldungen)

- Liste der zu kommentierenden fragen -

Ein echter "Europäischer Pass" (einmalige Zulassung) für Wertpapierfirmen

* Ein in der Praxis funktionierender "Europäischer Pass" für Wertpapierfirmen setzt eine erneute Überprüfung der Ausnahmen von Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 2 Absatz 4 voraus. Auch sollte überlegt werden, ob einige der nicht wesentlichen Dienstleistungen zu den wesentlichen Dienstleistungen gezählt werden sollten.

* Aus der ISD-Überarbeitung sollte klar hervorgehen, wie einzelne Bestimmungen auf die verschiedenen wesentlichen Dienstleistungen zugeschnitten werden sollten, um erhebliche Unterschiede in den nationalen Aufsichtssystemen zu vermeiden, die einer grenzübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen entgegen stehen. Sie werden gebeten, diejenigen ISD-Bestimmungen auszumachen, die auf unterschiedliche Art und Weise angewandt werden könnten, und darzulegen, wie sie auf die verschiedenen wesentlichen Dienstleistungen zugeschnitten werden sollten.

* Die Aufsichtsvorschriften des Herkunftslandes sollten bedingungslos auf die Dienstleistungen angewandt werden, die für professionelle Gegenparteien erbracht werden. Gibt es abgesehen von den Wohlverhaltensregeln noch andere ISD-Bestimmungen, in die eine klare und operationelle Unterscheidung zwischen professionellen Anlegern und Kleinanlegern einfließen könnte-

* Sie werden gebeten, zu den Rechts- und Aufsichtsfragen Stellung zu nehmen, die eine Restbefugnis des Aufnahmelandes auf vorübergehender Basis erforderlich machen. Welche flankierenden Maßnahmen sind als Vorbedingung erforderlich, bevor man die Restbefugnisse des Aufnahmelandes auslaufen läßt-

Neue Formen der Dienstleistungserbringung

* Welche Grundsätze und Anforderungen von Artikel 10 und 11 sind für die Handhabung von Situationen am wichtigsten, in denen "alternative Handelssysteme" ("Alternative Trading Systems" (ATS)) Infrastrukturdienstleistungen erbringen- Sind auch noch andere Aspekte des "Wertpapierfirmen"-Systems u.U. von Bedeutung-

* In Anbetracht des funktionellen Ansatzes zur Regulierung der ATS: welche Bestandteile des Rechtsrahmens für "geregelte Märkte" (wie z.B. Offenlegung, Transparenz, Überwachung/ Durchsetzung) könnten für die verschiedenen ATS-Formen am wichtigsten sein-

Effizienter Wettbewerb zwischen den "geregelten Märkten"

* Die Anforderungen für die "geregelten Märkte" in Bezug auf die Einhaltung der Börsenzulassungsbedingungen und der Kriterien für die Zulassung zum Handel müssen geklärt werden. Dies setzt auch eine parallele Aktualisierung der Richtlinie 79/279 voraus. Welche Bedingungen müssen für eine erfolgreiche Verwirklichung eines solchen Ansatzes erfuellt sein, um die Offenlegung zu wahren und die Qualität des Wertpapierhandels aufrecht zu erhalten-

* Die Konzentrationsregel von Artikel 14 Absatz 3 und das Verbotsrecht von Artikel 15 Absatz 5 müssen überprüft werden, um alle unverhältnismäßigen bzw. nicht erforderlichen Beschränkungen der grenzübergreifenden Tätigkeit der "geregelten Märkte" zu vermindern.

Wichtige Grundsätze für die "geregelten Märkte"

* Die derzeitige Definition und die Bestimmungen der ISD auf dem Gebiet der "geregelten Märkte" gestatten keine zufriedenstellende Behandlung der rechtlichen und aufsichtlichen Herausforderungen, die sich aus der Verschärfung des Wettbewerbs und der Zusammenarbeit zwischen den Börsen ergeben. In welchen Bereichen könnte die rechtliche Arbitrage zwischen den Börsen die regelmäßige, wirksame und transparente Funktionsweise des Wertpapierhandels beeinträchtigen-

* Sollten die Leitgrundsätze für die Märkte auf den öffentlich zugänglichen Wertpapierhandel beschränkt oder auf alle organisierten Märkte unabhängig von den gehandelten Finanzinstrumenten ausgedehnt werden- Sollten die Leitgrundsätze auf die rechtlichen und aufsichtlichen Risiken zugeschnitten werden, die mit den verschiedenen Markttypen oder Handelsformen einhergehen- Welche Bestimmungen sollten in abgestufter Form angewandt werden-

* Sie werden gebeten, in Ihren Antworten anzugeben, ob und wie bestimmte Grundsätze im EU-Recht verankert und welche rechtlichen Zielsetzungen bevorzugt werden sollten.

* Für den Fall, dass Sie die Ausarbeitung wichtiger EU-Grundsätze für die "geregelten Märkte" für erforderlich halten, werden Sie gebeten anzugeben, ob diese Grundsätze in eine erweiterte ISD einfliessen oder ob diese Prinzipien einen eigenen EU-Rechtstext bilden sollten- Für wie dringend halten Sie die Annahme derartiger Grundsätze-

Förderung der Transparenz

* Wie sollten die ISD-Bestimmungen auf dem Gebiet der Transparenz nützlicherweise aktualisiert werden- In welchem Umfang bedarf es gemeinsamer Ansätze, um sicherzustellen, dass der ausserbörsliche Handel die effiziente Kursbildung bei den Wertpapieren aller Anleger nicht ungebührlich beeinträchtigt-

* Stellt die Fragmentierung des Handels zwischen den verschiedenen Systemen eine Bedrohung für die liquiden und effizienten Wertpapiermärkte dar- Welche praktischen Schritte könnten in die Wege geleitet werden, um eine wirksame und effiziente Interaktion zwischen den Kursen zwischen den miteinander konkurrierenden "geregelten Märkten" zu fördern-

Clearing und Abrechnung

* Sie werden gebeten, zu den praktischen Problemen Stellung zu nehmen, die sich beim Zugang zu den Clearing- und Abrechnungssystemen in den Partnerländern ergeben, sowie die Art der Rechts- und Verwaltungshindernisse für die grenzübergreifend Wertpapierabrechnung zu kommentieren.

* Auf welche Bereiche sollten sich die Wertpapieraufsichtsbehörden konzentrieren, wenn sie die möglichen grenzübergreifenden Folgen einer Konsolidierung des Clearing und der Funktionen der zentralen Gegenpartei analysieren- Welche Schutzmaßnahmen scheinen bei der Handhabung derartiger Risiken am wirkungsvollsten zu sein-

- INHALTSVERZEICHNIS -

Zusammenfassung

1. Einleitung

1.1. Umsetzung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon

1.2. Strukturwandel auf den Finanzmärkten der EU

2. Beurteilung der ISD

2.1. Struktur und Ausgestaltung

2.2. Strukturelle Grenzen der Wirksamkeit der ISD

3. Ein vollwertiger europäischer Pass

3.1. Klärung und Erweiterung der mit dem Pass verbundenen Rechte

3.2. Anlegerschutz und Klärung der aufsichtlichen Zuständigkeit im Falle von Überschneidungen

3.3. Neue Akteure - Alternative Handelssysteme

4. Geregelte Märkte und Handelsinfrastrukturen:

4.1. Ein einziger Pass für die geregelten Märkte

4.2. Leitlinien für "geregelte Märkte"

4.3. Transparenz

4.4. Clearing und Abrechnung ("settlement")

5. Weitere Vorgehensweise

5.1. Form der überarbeiteten ISD

5.2. Leitgrundsätze für die Überarbeitung der ISD