51999DC0719

Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit /* KOM/99/0719 endg. */


WEISSBUCH ZUR LEBENSMITTELSICHERHEIT

(von der Kommission vorgelegt)

INHALTSVERZEICHNIS

ZUSAMMENFASSUNG

KAPITEL 1: EINFÜHRUNG

KAPITEL 2: GRUNDSÄTZE DER LEBENSMITTELSICHERHEIT

KAPITEL 3: GRUNDLEGENDE ELEMENTE EINER POLITIK DER LEBENSMITTELSICHERHEIT: INFORMATIONSERHEBUNG UND -ANALYSE - WISSENSCHAFTLICHE BERATUNG

KAPITEL 4: DIE EINRICHTUNG EINER EUROPÄISCHEN

LEBENSMITTELBEHÖRDE

KAPITEL 5: RECHTLICHE ASPEKTE

KAPITEL 6: KONTROLLEN

KAPITEL 7: VERBRAUCHERAUFKLÄRUNG

Kapitel 8: Die internationale Dimension

Kapitel 9: Schlussfolgerungen

ANHANG

ZUSAMMENFASSUNG

Für die Europäische Union soll der höchste Standard der Lebensmittelsicherheit gelten. Dies zu gewährleisten, ist eines der vorrangigen politischen Anliegen der Kommission. Ihren Niederschlag findet diese Priorität im vorliegenden Weißbuch, das ein radikal neues Konzept vorschlägt. Treibende Kraft hierbei ist die Notwendigkeit, ein hohes Maß an Lebensmittel sicherheit zu garantieren.

Europäische Lebensmittelbehörde

Die Kommission hält die Einrichtung einer unabhängigen Europäischen Lebensmittelbehörde für das geeignetste Mittel, ein hohes Maß an Lebensmittelsicherheit zu garantieren. Diese Behörde würde mit einer Anzahl grundlegender Aufgaben betraut: unabhängige wissenschaftliche Beratung zu sämtlichen Aspekten der Lebensmittelsicherheit, Betreibung von Schnellwarnsystemen, Kommunikation und Dialog mit den Verbrauchern über Fragen der Lebensmittelsicherheit und des Gesundheitsschutzes sowie die Vernetzung mit nationalen Stellen und wissenschaftlichen Einrichtungen. Die Europäische Lebensmittelbehörde wird der Kommission die erforderlichen Analysen liefern. In der Verantwortung der Kommission liegt dann die Entscheidung, welche Reaktion darauf erfolgen soll. Sind erst einmal die erforderlichen Rechtsvorschriften erlassen, könnte eine Europäische Lebensmittelbehörde bis 2002 eingerichtet sein. Vor der Fertigstellung unserer Vorschläge fordern wir alle Betroffenen auf, uns ihre Kommentare bis Ende April zu übermitteln. Danach wird die Kommission einen endgültigen legislativen Vorschlag unterbreiten.

Rechtsvorschriften im Bereich der Lebensmittelsicherheit

Die Einrichtung der unabhängigen Behörde muß mit einem breiten Spektrum weiterer Maßnahmen einhergehen, um das Lebensmittelrecht, das sämtliche Aspekte "vom Erzeuger zum Verbraucher" abdeckt, zu verbessern und kohärent zu machen.

Die Kommission hat bereits zahlreiche Maßnahmen genannt, die zur Verbesserung des Standards der Lebensmittelsicherheit durchgeführt werden müssen. Dieses Weißbuch listet über 80 einzelne Aktionen auf, die für die kommenden Jahre geplant sind.

In den vergangenen Jahrzehnten haben enorme Entwicklungen stattgefunden, sowohl bei den Verfahren der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung wie auch bei den Kontrollen, die notwendig sind, damit ein akzeptabler Sicherheitsstandard eingehalten wird. Es liegt auf der Hand, daß in etlichen Bereichen die bestehenden europäischen Rechtsvorschriften aktualisiert werden müssen.

Ausgehend vom Grünbuch der Kommission über das Lebensmittelrecht (KOM(97)176 endg.) und den daran anschließenden Konsultationen soll ein neuer rechtlicher Rahmen vorgeschlagen werden. Er wird die gesamte Lebensmittelherstellungskette einschließlich der Futtermittelherstellung abdecken, ein hohes Gesundheitsschutzniveau für die Verbraucher herbeiführen und Erzeugern, Industrie und Lieferanten eindeutig die Hauptverantwortung für sichere Lebensmittel übertragen. Ferner ist für eine angemessene amtliche Überwachung auf nationaler und europäischer Ebene zu sorgen. Dabei wird einer der wichtigsten Punkte die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln durch die gesamte Herstellungskette sein. Die Inanspruchnahme wissenschaftlicher Beratung wird die Politik der Lebensmittelsicherheit untermauern, und wo dies geboten erscheint, soll das Vorsorgeprinzip Anwendung finden. Von besonderer Bedeutung wird die Fähigkeit sein, rasch wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Gefährdung der Gesundheit durch die Lebensmittelherstellungskette auftritt.

Die Vorschläge für Futtermittel sollen sicherstellen, daß bei deren Herstellung nur geeignete Stoffe Verwendung finden und daß der Einsatz von Zusatzstoffen wirksamer kontrolliert wird. Bestimmte Aspekte der Lebensmittelqualität werden ebenfalls angesprochen - wie Zusatzstoffe, Aromastoffe und Behauptungen über gesundheitliche Wirkungen -, während bei den neuartigen Lebensmitteln verbesserte Kontrollen vorgesehen sind.

In der jüngsten Vergangenheit hat die Dioxinkrise ein Schlaglicht auf die Risiken geworfen, die kontaminierte Lebensmittel mit sich bringen. Es werden Vorkehrungen getroffen, um diejenigen Bereiche in Angriff zu nehmen, in denen die einschlägigen Vorschriften verbessert werden müssen, damit sie ausreichenden Schutz bieten.

Überwachung der Lebensmittelsicherheit

Die Erfahrungen des kommissionseigenen Inspektionsdienstes, der regelmäßige Kontrollen in den Mitgliedstaaten vornimmt, zeigen, daß in der Art und Weise, in der das Gemeinschaftsrecht angewandt und durchgesetzt wird, große Unterschiede bestehen. Dies bedeutet zum einen, daß der Verbraucher nicht sicher sein kann, gemeinschaftsweit überall den gleichen Schutz zu genießen, und erschwert zum anderen eine Effizienzbewertung von Maßnahmen der nationalen Behörden. Daher wird vorgeschlagen, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten einen Gemeinschaftsrahmen für den Ausbau und die Arbeitsweise der nationalen Überwachungssysteme zu konzipieren. Dabei würden die besten Vorgehensweisen ebenso berücksichtigt wie die Erfahrungen des Inspektionsdienstes der Kommission. Auf der Grundlage gemeinsam vereinbarter Kriterien für die Leistung der Systeme sollen dann klare Leitlinien für deren Arbeit erstellt werden.

Zur Unterstützung der Überwachung auf Gemeinschaftsebene ist vorgesehen, zusätzlich zum bestehenden Vertragsverletzungsverfahren schnellere und geschmeidigere Durchsetzungs verfahren zu entwickeln.

Die Einfuhrkontrollen an den EU-Außengrenzen werden auf sämtliche Futter- und Lebensmittel ausgeweitet; ferner soll die Koordinierung zwischen den Kontrollstellen verbessert werden.

Verbraucherinformation

Will man die Verbraucher davon überzeugen, daß die im Weißbuch vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich eine Verbesserung der Lebensmittelsicherheit zur Folge haben, so müssen sie gut unterrichtet werden. Gemeinsam mit der neuen Europäischen Lebensmittelbehörde wird die Kommission den Dialog mit den Verbrauchern fördern, um sie in die neue Politik der Lebensmittelsicherheit einzubinden. Gleichzeitig müssen die Verbraucher über neu auftretende Probleme der Lebensmittelsicherheit und über Risiken, die bestimmte Lebensmittel für einzelne Verbrauchergruppen darstellen können, besser informiert werden.

Die Verbraucher können mit Recht erwarten, daß Informationen über die Qualität und die Bestandteile von Lebensmitteln hilfreich sind und klar präsentiert werden, so daß man Entscheidungen in Kenntnis der Sachlage fällen kann. Daher sollen auch Vorschläge zur Etikettierung von Lebensmitteln unterbreitet werden, die auf den bestehenden Bestimmungen aufbauen. Ferner soll den Verbrauchern die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung und deren Auswirkungen auf die Gesundheit vor Augen geführt werden.

Internationale Dimension

Die Gemeinschaft ist weltweit der größte Importeur und Exporteur von Lebensmitteln. Die im Weißbuch vorgeschlagenen Maßnahmen müssen unseren Handelspartnern wirkungsvoll präsentiert und erläutert werden. Um die europäischen Entwicklungen im Bereich der Lebensmittelsicherheit plausibel zu machen, sollte die Gemeinschaft in internationalen Gremien eine aktive Rolle übernehmen.

Schlußfolgerungen

Die Durchführung sämtlicher im Weißbuch vorgeschlagener Maßnahmen wird dazu führen, daß die einzelnen Aspekte der Lebensmittelsicherheit besser koordiniert und integriert werden können, damit das höchstmögliche Gesundheitsschutzniveau erreicht wird.

Die Rechtsvorschriften werden überprüft und bei Bedarf geändert, damit sie kohärenter, umfassend und aktuell sind. Ihre Durchsetzung auf allen Ebenen wird gefördert.

Die Kommission glaubt, daß die Einrichtung einer neuen Behörde, die zur maßgeblichen wissenschaftlichen Autorität für die gesamte Union werden soll, zu einem hohen Maß an Gesundheitsschutz für die Verbraucher und dadurch auch zu einer Wiederherstellung und Aufrechterhaltung ihres Vertrauens beiträgt.

Um erfolgreich zu sein, sind die in diesem Weißbuch vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Unterstützung des Europäischen Parlaments und des Rates angewiesen. Ihre Durchführung hängt vom Engagement der Mitgliedstaaten ab. Das Weißbuch ruft auch die Unternehmen zur aktiven Mitarbeit auf, denn sie tragen die Hauptverantwortung für die tagtägliche Anwendung der Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit.

Der rote Faden, der sich durch das gesamte Weißbuch zieht, ist eine erhöhte Transparenz der Lebensmittelpolitik auf allen Ebenen; diese wird grundlegend dazu beitragen, das Vertrauen der Verbraucher in die Gemeinschaftspolitik der Lebensmittelsicherheit zu stärken.

KAPITEL 1: EINFÜHRUNG

1. Im Zentrum der europäischen Lebensmittelpolitik muß ein hoher Standard der Lebensmittelsicherheit stehen, mit dem die Gesundheit der Verbraucher geschützt und gefördert wird. Erzeugung und Verzehr von Lebensmitteln sind für jede Gesellschaft von grundlegender Bedeutung und mit wirtschaftlichen, sozialen und häufig auch ökologischen Folgen verbunden. All diese Gesichtspunkte sind bei der Konzipierung einer Lebensmittelpolitik in Betracht zu ziehen, wenngleich der Gesundheitsschutz stets den Vorrang genießen muß. Ferner können sich auch Zustand und Qualität der Umwelt, insbesondere der Ökosysteme, auf verschiedene Stufen der Lebensmittelherstellungskette auswirken. Aus diesem Grunde ist auch die Umweltpolitik für die Gewährleistung sicherer Lebensmittel für den Verbraucher von besonderer Bedeutung.

2. Die Agrar- und Ernährungsindustrie ist für die europäische Wirtschaft insgesamt von besonderer Bedeutung. Mit einer Jahresproduktion im Werte von annähernd 600 Mrd. EUR bzw. etwa 15 % des gesamten produzierenden Gewerbes zählt die Lebensmittel- und Getränkeindustrie zu den führenden Wirtschaftszweigen der Europäischen Gemeinschaft. Im internationalen Vergleich erweist sich die EU als weltweit größter Lebensmittel- und Getränkeerzeuger. Unter den Industriezweigen steht die Ernährungsindustrie an dritter Stelle, was die Zahl der Arbeitsplätze betrifft: hier sind über 2,6 Millionen Menschen beschäftigt, davon 30 % in kleinen und mittleren Unternehmen. Was die Landwirtschaft betrifft, so hat ihre Jahres produktion einen Wert von etwa 220 Mrd. EUR, und die landwirtschaftlichen Arbeits plätze ent sprechen 7,5 Millionen Vollzeitstellen. Die jährliche Ausfuhr an landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Lebensmitteln und Getränken hat einen Wert von etwa 50 Mrd. EUR. Diese wirtschaftliche Bedeutung wie auch die Tatsache, daß wir in unserem Alltag praktisch ständig mit Lebensmitteln zu tun haben, belegen, daß die Lebensmittel sicherheit sowohl für die Gesellschaft insgesamt als auch und vor allem für Behörden und Erzeuger von höchstem Interesse sein muß.

3. Den Verbrauchern soll eine breite Palette sicherer und hochwertiger Erzeugnisse aus allen Mitgliedstaaten angeboten werden. Dies ist die wesentliche Aufgabe des Binnenmarkts. Die Lebensmittelherstellungskette wird in zunehmen dem Maße komplexer. Jedes ihrer Glieder hat genau so stark zu sein wie alle anderen, wenn man die Gesundheit der Verbraucher angemessen schützen will. Dieser Grundsatz muß eingehalten werden unabhängig davon, ob die Lebensmittel innerhalb der Europäischen Gemeinschaft erzeugt oder aus Drittländern eingeführt werden. Eine wirksame Politik der Lebensmittelsicherheit muß die Verflechtung der Lebens mittelherstellung als gegeben voraussetzen. Sie erfordert eine Bewertung und Über wachung der mit den Ausgangsstoffen, den landwirtschaftlichen Verfahren und der Lebensmittelverarbeitung verbundenen Risiken für die Gesundheit der Verbraucher; sie braucht ferner wirksame Vorschriften für die Beherrschung dieser Risiken, und schließlich macht sie die Einrichtung und Betreibung von Kontrollsystemen erforderlich, mit denen die Anwendung dieser Vorschriften überwacht und durchgesetzt werden kann. Jedes dieser Elemente ist Teil eines Kreislaufs: so können beispielsweise Weiterentwicklungen bei der Lebensmittel verarbeitung Änderungen bestehender Vorschriften erforderlich machen, während andererseits das von den Kontrollsystemen gelieferte Feedback dabei helfen kann, bestehende und neu auftretende Risiken zu erkennen und zu beherrschen. Will man den höchstmöglichen Standard der Lebensmittelsicherheit durchsetzen, so muß jede einzelne Komponente dieses Kreislaufs funktionieren.

4. Dies bedeutet, daß ein umfassendes und einheitliches Konzept für die Lebensmittel sicherheit erforderlich ist. Damit ist nicht gemeint, daß die Gemeinschaft die alleinige Verantwortung für sämtliche Aspekte der Lebensmittelsicherheit tragen sollte. Es bedeutet jedoch, daß all diese Aspekte auf EU-Ebene behandelt werden müssen. So ist beispielsweise dafür zu sorgen, daß die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nach dem Subsidiaritätsprinzip in den Mitgliedstaaten effektiv durchsetzbar sind. Vor allem für die Durchsetzung sollte die Zuständigkeit im wesentlichen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene liegen. Andererseits bringt es der Binnenmarkt mit sich, daß eine Verantwortung nicht nur auf nationaler Ebene gegeben ist, denn jeder Mitgliedstaat ist für die in seinem Hoheitsgebiet erzeugten Lebensmittel nicht nur gegenüber seinen eigenen Bürgern verantwortlich, sondern auch gegenüber allen Unionsbürgern und den Bürgern von Drittländern.

5. Es ist hervorzuheben, daß die europäische Lebensmittelherstellungskette weltweit zu den sichersten zählt und daß das derzeitige System im allgemeinen gut funktioniert. Bereits seit den Anfängen der Gemeinschaft zählten Maßnahmen für die Lebensmittelsicherheit zum Bestand der europäischen Rechtsvorschriften. Bislang wurden derartige Maßnahmen im wesentlichen für einzelne Sektoren konzipiert. Die zunehmende Verflechtung der Volkswirtschaften innerhalb des Binnenmarktes, Weiterentwicklungen in der Landwirtschaft und der Lebensmittelverarbeitung sowie neu entstehende Handhabungs- und Vertriebsformen machen jedoch ein neues Konzept erforderlich, das in diesem Weißbuch dargestellt wird.

Als in der jüngsten Vergangenheit alarmierende Situationen in Zusammenhang mit Futter- und Lebensmitteln eintraten, gerieten die Lebensmittelsicherheitssysteme der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten unter einen nie zuvor gekannten Druck. Es kamen Schwachstellen ans Tageslicht, die Maßnahmen der zuständigen Stellen (Kommission, Mitgliedstaaten, Parlament) erforderlich machen, um den bestehenden Systemen erneut Geltung zu verschaffen, sie zu verbessern und weiterzuentwickeln.

6. Die Lebensmittelsicherheit muß besser koordiniert und stärker vereinheitlicht werden. Auf diese Weise wird es möglich sein, bestehende Schwachstellen anzu gehen und dabei gleichzeitig Rahmenbedingungen für die Lebens mittel sicherheit zu schaffen, die im internationalen Vergleich vorbildlich sind und in Übereinstimmung mit dem EG-Vertrag ein hohes Maß an öffentlicher Gesundheit und Verbraucher schutz bewirken. Jedoch kann auch das ausgefeilteste System nicht funktionieren, wenn nicht alle Beteiligten das Ihre dazu beitragen. Das reibungslose Arbeiten jedes Systems hängt entschieden ab vom Engagement der Mitgliedstaaten, der Unternehmen sowie der Drittländer.

7. Die Europäische Union muß das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Versorgung mit Lebensmitteln, die Lebensmittelwissenschaft, das Lebensmittelrecht und die Lebens mittelüberwachung zurückgewinnen. Das vorliegende Weißbuch zur Lebens mittel sicherheit stellt ein umfassendes Maßnahmenpaket vor, das erforderlich ist, um das bestehende Lebensmittelrecht der Gemeinschaft zu ergänzen und zu modernisieren, es kohärenter, verständlicher und flexibler zu gestalten, für seine bessere Durchsetzung zu sorgen und eine größere Transparenz für die Verbraucher zu gewährleisten. Dies entspricht den Schlußfolgerungen, die der Europäische Rat auf seiner Tagung vom Dezember 1999 in Helsinki gezogen hat.

Die Kommission ist entschlossen, die im vorliegenden Weißbuch umrissenen Maßnahmen vorrangig umzusetzen. Ein detaillierter Aktionsplan zur Lebens mittelsicherheit mit genauen Zeitangaben für die in den kommenden drei Jahren zu treffenden Maßnahmen ist als Anhang beigefügt. Gemäß diesem Zeitplan sollte die Kommission die wichtigsten Vorschläge vor Ende des Jahres 2000 unterbreiten, um ein kohärentes und aktuelles Lebensmittelrecht zu schaffen, dessen Grundlagen eine neue Europäische Lebensmittelbehörde erarbeiten soll, die bis Ende 2002 einzu richten ist. Die Kommission freut sich auf die Zusammenarbeit mit Parlament und Rat bei der Umsetzung dieses ehrgeizigen Programms.

Im Anschluß an die Veröffentlichung des Grünbuchs über die allgemeinen Grund sätze des Lebensmittelrechts (KOM(97) 176 endg.) hat bereits eine umfangreiche Konsultation und Diskussion über Verbesserungen des Lebensmittelrechts der Gemeinschaft stattgefunden. Das vorliegende Weißbuch legt dar, welche Verände rungen die Kommission in diesem Bereich vorschlägt. Darüber hinaus faßt die Kommission jedoch auch die Einrichtung einer Europäischen Lebensmittelbehörde als zusätzliche Maßnahme ins Auge. Zu diesem Vorschlag möchte sie eine öffentliche Diskussion, sachkundige Kommentare und eine Konsultation auf breiter Ebene anregen. Daher werden alle Betroffenen aufgefordert, ihre Kommentare zu Kapitel 4 bis Ende April 2000 zu übermitteln.

KAPITEL 2: GRUNDSÄTZE DER LEBENSMITTELSICHERHEIT

Dieses Weißbuch enthält Vorschläge für Maßnahmen, die die Lebensmittelpolitik der Gemeinschaft zu einem vorausschauenden, dynamischen, kohärenten und umfassenden Instrument machen sollen, mit dem ein hohes Maß an Gesundheits- und Verbraucherschutz gewährleistet werden kann.

8. Leitgedanke dieses Weißbuchs ist der Grundsatz, daß die Politik der Lebensmittel sicherheit auf einem umfassenden und einheitlichen Konzept beruhen muß. Damit ist gemeint, daß dieses Konzept die gesamte Lebens mittel herstellungskette [1] (vom Erzeuger zum Verbraucher) ebenso abdeckt wie sämtliche Sektoren der Ernährungs wirt schaft, die Beziehungen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten, das gesamte geogra phische Gebiet der EU sowie ihre Außengrenzen, internationale und gemeinschaft liche Beschlußfassungsgremien sowie sämtliche Phasen der Politikentwicklung. Die in diesem Weißbuch dargestellten Pfeiler, auf denen die Lebensmittelsicherheit ruht, (wissenschaftliche Beratung, Datenerhebung und -analyse, Rechtsetzung und Über wachung sowie Verbraucherinformation) müssen ein homogenes Ganzes bilden, damit dieses einheitliche Konzept zum Tragen kommt.

[1] In diesem Weißbuch beinhaltet der Begriff "Lebensmittelherstellungskette" auch die Futtermittel herstellung.

9. Die Aufgaben sämtlicher Akteure der Lebensmittelherstellungskette (Futtermittel erzeuger, Landwirte, Lebensmittelhersteller/-unternehmen; zuständige Behörden in Mitgliedstaaten und Drittländern; Kommission; Verbraucher) müssen eindeutig festgelegt werden: die hauptsächliche Verantwortung für die Lebens mittelsicherheit liegt bei den Futtermittelerzeugern, den Landwirten und den Lebens mittel unternehmen; die zuständigen Behörden sorgen mittels nationaler Überwachungs- und Kontrollsysteme dafür, daß diese Verantwortung auch wahrgenommen wird; wesentliche Aufgabe der Kommission ist es, im Wege von Prüfungen und Inspektionen in den Mitgliedstaaten festzustellen, ob die zuständigen Behörden in der Lage sind, diese Systeme zu betreiben. Die Verbraucher ihrerseits müssen sich bewußt sein, daß sie für die sachgemäße Lagerung, Handhabung und Zubereitung der Lebensmittel verantwortlich sind. Auf diese Weise wird der Grundsatz "vom Erzeuger zum Verbraucher", der sämtliche Glieder der Lebensmittelherstellungs kette (Futtermittelerzeugung, Primärproduktion, Lebensmittel verarbeitung, Lagerung, Transport und Einzelhandel) einschließt, systematisch und konsistent angewandt.

10. Voraussetzung für eine erfolgreiche Lebensmittelpolitik ist die Rückverfolgbarkeit von Futter- und Lebensmitteln sowie ihrer Zutaten. Es müssen Verfahren eingeführt werden, die die Rückverfolgung erleichtern. Hierzu zählt auch die Verpflichtung der Futter- und Lebensmittelunternehmen, Vorkehrungen zu treffen, um Futter- und Lebensmittel aus dem Verkehr zu ziehen, sobald ein Risiko für die Gesundheit der Verbraucher besteht. Die Unternehmen sollten Aufzeichnungen über die Lieferanten der Ausgangsstoffe und Zutaten führen, damit festgestellt werden kann, wo ein gegebenes Problem seinen Ursprung hat. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß eine eindeutige Rückverfolgung von Futter- und Lebensmitteln sowie ihren Zutaten ein kompliziertes Unterfangen ist, bei dem die Besonderheiten der einzelnen Sektoren und Ausgangsstoffe Berücksichtigung finden müssen.

11. Dieses umfassende und einheitliche Konzept wird die Lebensmittelpolitik kohärenter, wirksamer und dynamischer machen. Die Nachteile des gegen wärtigen sektoralen und starren Ansatzes müssen beseitigt werden, denn dieser läßt eine rasche und flexible Reaktion auf Gefährdungen der menschlichen Gesundheit nur in beschränktem Umfang zu. Die Politik muß ständig überprüft und erforder lichen falls angepaßt werden, damit sie auf Defizite reagieren, sich mit dem Problem neu auftauchender Risiken befassen und neue Entwicklungen in der Lebens mittelherstellungskette erkennen kann. Gleichzeitig muß die Erarbeitung dieses Konzepts transparent vonstatten gehen, sämtliche Akteure einbinden und ihnen die Möglichkeit geben, einen effektiven Beitrag zu der neuen Entwicklung zu leisten. Das bereits durch die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Gutachten und Kontrollberichten erreichte Maß an Transparenz ist auch auf andere für die Lebensmittelsicherheit relevante Bereiche auszuweiten.

12. Die Risikoanalyse ist das Fundament, auf dem die Politik der Lebensmittelsicherheit aufbauen muß. Die Gemeinschaft hat bei ihrer Lebensmittelpolitik von den drei Einzelschritten der Risikoanalyse auszugehen: Risikobewertung (wissenschaftliche Beratung und Informationsanalyse), Risikomanagement (Rechtsetzung und Über wachung) und Risikokommunikation.

13. Die Kommission wird auch künftig bei der Konzipierung von Maßnahmen zur Lebensmittelsicherheit die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse heran ziehen. Die Organisation der unabhängigen wissenschaftlichen Beratung und die Rolle, die einer neuen Europäischen Lebensmittelbehörde hierbei zufällt, sind Gegenstand von Kapitel 4. Die Kommission ist sich im klaren darüber, daß auf seiten der Verbraucher und der Lebensmittelindustrie das Bedürfnis besteht, darauf vertrauen zu können, daß diese Beratung höchsten Ansprüchen an Unabhängigkeit, Fachkompetenz und Transparenz genügt.

14. Wo immer sich dies empfiehlt, wird das Vorsorgeprinzip bei Entscheidungen über das Risikomanagement angewandt. Die Kommission beabsichtigt, hierzu eine Mitteilung vorzulegen.

15. Bei der Beschlußfassung auf Gemeinschaftsebene können auch weitere berechtigte Anliegen Berücksichtigung finden, die für den Gesundheitsschutz der Verbraucher und für die Förderung eines fairen Geschäftsgebarens im Lebensmittelhandel relevant sind. Die Frage, welche Anliegen als berechtigt zu gelten haben, wird derzeit auf internationaler Ebene geprüft, vornehmlich in den Gremien des Codex Alimen tarius. In Betracht kommen beispielsweise ökologische Erwägungen, Tier schutz, nachhaltige Landwirtschaft, Ansprüche der Verbraucher an die Produkt qualität, ausgewogene Informationen sowie die Definition der wesentlichen Produkt merkmale und der Verarbeitungs- und Herstellungsverfahren.

KAPITEL 3: GRUNDLEGENDE ELEMENTE EINER POLITIK DER LEBENSMITTELSICHERHEIT: INFORMATIONSERHEBUNG UND -ANALYSE - WISSENSCHAFTLICHE BERATUNG

Informationserhebung und -analyse sind zentrale Elemente einer Politik der Lebens mittelsicherheit und für die Erkennung potentieller Gefährdungen durch Futter- und Lebensmittel von ausschlaggebender Bedeutung.

16. Es gibt eine Vielzahl von Methoden und Indikatoren zur Erkennung von Problemfällen. Hierzu zählen beispielsweise Daten, die bei Kontrollen der Futter- und Lebensmittelherstellungskette gewonnen werden, Netze zur Überwachung bestimmter Krankheiten, epidemiologische Erhebungen und Laboranalysen. Die korrekte Analyse von Daten wird die Untersuchung der Entwicklung bekannter und die Erkennung neuer Gefährdungen durch Lebensmittel erleichtern, wodurch es möglich wäre, die Politik der Lebensmittelsicherheit klarer zu umreißen und erforderlichenfalls anzupassen. Die Mitgliedstaaten spielen bei der Informations erhebung eine wichtige Rolle, die genau definiert werden muß.

Überwachung und Monitoring

17. Die Kommission erhebt eine große Menge an Informationen über Fragen der Lebens mittelsicherheit. Die wichtigste Informationsquelle sind Netze für Gesundheits berichterstattung und epidemiologische Überwachung (insbesondere die Bericht erstattungssysteme für übertragbare Krankheiten gemäß Beschluß 2119/98), Über wachung spläne für Tierseuchen und Rückstände, Schnellwarnsysteme, landwirt schaftliche Informationssysteme, Messungen der Radioaktivität in der Umwelt sowie Forschungsarbeiten und Forschungsnetze. Diese bereits bestehenden Systeme wurden jedoch unabhängig voneinander entwickelt, was bedeutet, daß nicht in allen Fällen eine Koordinierung der einzelnen Informationsquellen gewährleistet ist. Außerdem wird ein Großteil der verfügbaren Informationen nicht in vollem Umfang ausgewertet. In diesem Bereich müßten die Integration der Daten erhebungssysteme und die Datenanalyse den Schwerpunkt bilden, damit der größtmögliche Nutzen aus den derzeitigen Datenerhebungssystemen gezogen werden kann. Die Gemeinschaft benötigt ein umfassendes und wirksames System zur Überwachung und zum Monitoring der Lebensmittelsicherheit, das alle genannten Informationsquellen integriert. Die in der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission vorhandene Fachkompetenz könnte hierbei eine wertvolle Hilfe darstellen.

Das erste Ziel sollte in einem kontinuierlichen, täglich geleisteten Management der Informationen bestehen, damit eine Realzeit-Reaktion auf potentielle Gefährdungen möglich ist. Zweitens würde ein derartiges System die Kommission in den Stand setzen, eine aktivere und vorausschauendere Position zu beziehen. Es sollte auf die Früherkennung potentieller Gefährdungen gerichtet sein, damit Krisen gar nicht erst auftreten und Abhilfemaßnahmen überfluessig werden. Damit würde auch die langfristige politische Planung und die Festlegung von Prioritäten erleichtert.

Warnsysteme

18. Das Schnellwarnsystem für Lebensmittel funktioniert im allgemeinen gut, soweit es um Lebensmittel für den Endverbraucher geht. In verschiedenen Bereichen existieren andere Arten von Meldesystemen, beispielsweise für übertragbare Krankheiten von Mensch und Tier, für tierische Erzeugnisse, die an den Außengrenzen der Gemeinschaft beschlagnahmt werden, für Verbringungen lebender Tiere sowie das ECURIE-System für radiologische Notfälle. Jedoch ist, wie bereits gesagt, aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen und Erfassungsbereiche der Systeme eine integrierte Nutzung der Informationen schwierig. Hinzu kommt die Tatsache, daß bestimmte Aspekte überhaupt nicht abgedeckt sind, beispielsweise Futtermittel.

Es muß ein umfassender und harmonisierter rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der das gegenwärtige Schnellwarnsystem auf sämtliche Lebens- und Futtermittel ausweitet. Dabei sollte den Unternehmen die Pflicht auferlegt werden, alarmierende Situationen in Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit zu melden und eine hinreichende Information der Verbraucher und des Handels zu gewährleisten. Darüber hinaus muß eine Verbindung zu anderen Schnellinformationssystemen hergestellt werden. Außerdem sollte man auch Drittländer einbeziehen, sowohl was aus ihnen stammende als auch für sie bestimmte Informationen betrifft.

Forschung

19. Hoechste wissenschaftliche Kompetenz setzt Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) voraus, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich der Lebensmittelsicherheit zu erweitern. In Umsetzung des Fünften Forschungs-Rah men programms werden gemeinschaftliche FuE-Projekte über Lebensmittelsicherheit entsprechend mehrjährigen Arbeitsprogrammen durchgeführt. Diese Programme umfassen indirekte Aktionen (auf Kostenteilungsbasis) sowie direkte Aktionen, die von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission durchgeführt werden. Ihre Zielsetzung besteht in der Verbesserung des wissenschaftlichen Kenntnisstands und somit in einem Beitrag zu einer stichhaltigen wissenschaftlichen Grundlage für politische und rechtsetzende Maßnahmen. Das Fünfte Rahmenprogramm verfolgt einen Problemlösungsansatz, bei dem die Bürger und ihre Bedürfnisse im Mittel punkt stehen. Forschungsgegenstand sind insbesondere die neuesten Lebensmittel technologien, sichere Verfahren für Herstellung und Vertrieb von Lebensmitteln, neue Methoden zur Bewertung von Kontaminationen, chemischen Risiken und Expositionen, die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheitsförderung sowie harmonisierte Systeme für die Lebensmittelanalyse.

Häufig sind jedoch auch unverzügliche Ad-hoc-Forschungsarbeiten erforderlich, wenn nämlich ein Problem erkannt wird, das die menschliche Gesundheit potentiell gefährdet. Gegenwärtig kann die Gemeinsame Forschungsstelle der Kommission diesen Forschungsbedarf zum Teil decken, jedoch muß in diesem Bereich für größere Flexibilität und angemessene Finanzmittel gesorgt werden, damit man FuE-Projekte als unmittelbare Reaktion auf alarmierende Situationen in Zusammenhang mit Lebensmitteln durchführen kann. Daher müssen entsprechende haushalts- und verwaltungstechnische Verfahren einschließlich einer regelmäßigen Überprüfung des Forschungs-Arbeitsprogramms sowie gezielter Aufrufe zur Einreichung von Vorschlägen eingeführt werden, mit denen man auf dringende Probleme reagieren kann.

Wissenschaftliche Zusammenarbeit

20. Im Rahmen des Systems für wissenschaftliche Zusammenarbeit (SCOOP) sammeln nationale Einrichtungen und Organisationen in allen Mitgliedstaaten Informationen über breitgefächerte Themen im Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit. Jedoch hat nur in einer beschränkten Anzahl von Bereichen eine Koordinierung der wissenschaftlichen Informationen im Hinblick auf ein europäisches Gesamtbild stattgefunden, während in zahlreichen Fällen gerade diese gemeinschaftliche Dimension und somit die für eine gemeinschaftliche Risikobewertung erforderlichen Informationen fehlen. Die Festlegung von Prioritäten für die Zusammenstellung wissenschaftlicher Informationen muß verbessert und mit dem Arbeitsprogramm der wissenschaftlichen Ausschüsse abgestimmt werden. Gegebenenfalls ist auch eine wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Drittländern in die Wege zu leiten.

Unterstützung bei der Analyse

21. Für Lebensmittel tierischen Ursprungs wurde ein System gemeinschaftlicher Referenzlaboratorien eingerichtet, das die Kommission und die Laboratorien in den Mitgliedstaaten bei speziellen Analysen unterstützt. Die Referenzlaboratorien entwickeln Nachweismethoden und sind den Labors in den Mitgliedstaaten bei deren Anwendung behilflich. Es ist für ein effektives zentrales Management dieser Laboratorien Sorge zu tragen, damit sie ein echtes Netzwerk im Dienste der Gemeinschaftspolitik bilden. Diese Aufgabe könnte die Gemeinsame Forschungs stelle übernehmen, da hier die erforderlichen wissenschaftlichen Kapazitäten und Infrastrukturen vorhanden sind. Ferner sollte die Frage geprüft werden, ob gemeinschaftliche Referenzlaboratorien für weitere Bereiche einzurichten sind.

Die Politik der Lebensmittelsicherheit wird durch wissenschaftliche Informationen untermauert. Es liegt auf der Hand, daß die wissenschaftliche Beratung in Fragen der Lebensmittelsicherheit höchsten Qualitätsansprüchen genügen und den für den Schutz der Verbrauchergesundheit verantwortlichen Entscheidungsträgern zeitnah und zuverlässig zur Verfügung stehen muß.

Derzeitiges System der wissenschaftlichen Beratung

22. Das System der wissenschaftlichen Beratung der Kommission ist 1997 vollständig umgestaltet worden, wobei das Schwergewicht auf die Grundprinzipien der höchsten Fachkompetenz, Transparenz und Unabhängigkeit gelegt wurde. Derzeit werden wissenschaftliche Stellungnahmen von acht wissenschaftlichen Fachausschüssen [2] abgegeben, von denen fünf mittelbar oder unmittelbar die Bereiche Lebensmittel und Futtermittel abdecken. Darüber hinaus wurde ein Wissenschaftlicher Lenkungsausschuß eingesetzt, der Gutachten zu interdisziplinären Fragen, BSE und harmonisierten Risikobewertungsverfahren abgibt und diejenigen Fragen koordiniert, die mehr als einen der Fachausschüsse betreffen (beispielsweise Antibiotika-Resistenz). Diese Koordinierungsaufgabe ist von besonderer Bedeutung, da Aspekte der Lebensmittelsicherheit in zunehmendem Maße über die ganze Herstellungskette vom Erzeuger bis zum Verbraucher behandelt werden. Die Ausschußsekretariate werden von den Kommissionsstellen geführt.

[2] Lebensmittel, Futtermittel, Veterinärmedizinische Maßnahmen im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit, Pflanzen, Tiergesundheit und artgerechte Tierhaltung, Kosmetische Mittel und für den Verbraucher bestimmte Non-Food-Erzeugnisse, Arzneimittel und Medizinprodukte, Toxizität, Ökotoxizität und Umwelt.

Die Mitglieder dieser Ausschüsse müssen in einem strengen Auswahlverfahren höchste wissenschaftliche Fachkompetenz nachweisen. Ihre Unabhängigkeit wird dadurch gewährleistet, daß Erklärungen über den Ausschluß von Interessenkonflikten abgegeben werden müssen.

Im Bereich der radioaktiven Verseuchung von Lebens- und Futtermitteln sind besondere Gruppen wissenschaftlicher Sachverständiger gemäß Artikel 31 Euratom-Vertrag eingerichtet worden.

Art der den Ausschüssen vorgelegten Fragen

23. Viele Fragen betreffen die Evaluation der von der Industrie bei der Kommission zur Genehmigung eingereichten Unterlagen (bezüglich Schädlingsbekämpfungsmitteln, neuartiger Lebensmittel, Lebens- und Futtermittelzusätzen). Andere Fragen beziehen sich auf spezielle Gesundheitsprobleme, wie z. B. Schadstoffe oder mikrobiologische Risiken. Eine dritte Kategorie bildet die umfassendere Risikobewertung, beispielsweise im Zusammenhang mit der Antibiotika-Resistenz.

Obligatorische Anhörung der Ausschüsse

24. Gemäß einigen Rechtsvorschriften im Bereich der Lebensmittelsicherheit ist die Kommission zur Anhörung eines wissenschaftlichen Ausschusses verpflichtet, bevor sie einen Vorschlag vorlegt, der sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte. In anderen Rechtsvorschriften in diesem Bereich ist dies nicht grundsätzlich der Fall. Diese Sachlage muß überprüft werden, damit sichergestellt ist, daß sich alle Rechtsvorschriften im Bereich der Lebensmittelsicherheit in angemessener Weise auf unabhängige wissenschaftliche Gutachten stützen.

Grenzen des derzeitigen Systems

25. Seit der Reform haben die Ausschüsse etwa 256 Gutachten abgegeben, von denen eine große Zahl die Evaluation einer Vielzahl einzelner Stoffe umfaßten. Es ist deutlich geworden, daß die Kapazitäten des bestehenden Systems nicht ausreichen und daß es mit steigenden Anforderungen zu kämpfen hatte. Darüber hinaus konnte die jüngste Dioxinkrise nur dadurch bewältigt werden, daß die Arbeit in anderen Bereichen liegenblieb, was deutlich machte, daß ein System benötigt wird, mit dem rasch und flexibel reagiert werden kann. Der Kapazitätsmangel hat zu Verzögerungen geführt, die Konsequenzen haben, und zwar sowohl für die Rechtsetzungsprogramme der Kommission, und damit für ihre Fähigkeit, auf die Probleme der Verbrauchergesundheit zu reagieren, als auch für die Industrie, wo es um kommerzielle Fragen geht. Diese Situation wird durch die steigenden Anforderungen noch verschärft, die die im folgenden in diesem Weißbuch aufgeführten vorgeschlagenen Programme zur Reform der Lebensmittelvorschriften an die wissenschaftlichen Ausschüsse stellen.

Die Notwendigkeit der systematischen Bereitstellung von Risikobewertungsdaten

26. Die Risikobewertung hängt von der Verfügbarkeit präziser, aktueller wissenschaftlicher Daten ab. Dazu gehören beispielsweise epidemiologische Informationen, Prävalenzzahlen und Expositionsdaten. Mechanismen zur Bereitstellung solcher Informationen gibt es kaum; diese müssen erst eingerichtet werden. Mit der Erweiterung der Europäischen Union sind auch Daten aus den neuen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit, europa- und weltweit leistungsfähige Datenerhebungssysteme zu entwickeln, erfordert eine neue Vorgehensweise, bei der die verfügbaren Ressourcen auf bestmögliche Weise genutzt werden.

Die Notwendigkeit wissenschaftlicher Netze

27. In vielen Bereichen ließe sich der oben erwähnte Kapazitätsmangel beheben, wenn von den Ausschußmitgliedern und externen Sachverständigen weniger zeitaufwendige Vorbereitungsarbeiten verlangt würden.

Die gemeinschaftliche Risikobewertung für Schädlingsbekämpfungsmittel, Biozide und Chemikalien wird bereits durch Netze von Instituten in den Mitgliedstaaten unterstützt, die gemäß den sektoralen Rechtsvorschriften eingerichtet wurden. Dies hat die Arbeit und Leistungsfähigkeit der jeweiligen Fachausschüsse in hohem Maße verbessert. Es ermöglicht einen wirksamen Peer Review und bietet damit die Möglichkeit, das in den Mitgliedstaaten vorhandene Fachwissen optimal auszunutzen, ohne die Unabhängigkeit der Ausschüsse zu beeinträchtigen. Netze bieten außerdem umfassende Möglichkeiten der Datenerhebung. Dieser Ansatz muß noch erweitert werden, und es ist zu überlegen, wie die bestehenden Netze noch besser genutzt werden können.

Schlußfolgerungen

28. Angesichts der in diesem Kapitel skizzierten Mängel ist klar, daß es einer Verstärkung der Systeme bedarf, die dem allgemeinen Ziel eines verbesserten Schutzes der Verbrauchergesundheit dienen und das Vertrauen in die EU-Lebensmittelsicherheitspolitik wiederherstellen. Daher werden in den Bereichen Überwachung, Schnellwarnsystem, Forschung auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit, wissenschaftliche Zusammenarbeit, Analysetätigkeiten und wissenschaftliche Beratung Verbesserungen durchgeführt. Das folgende Kapitel behandelt die Errichtung einer Europäischen Lebensmittelbehörde, die unter anderem für diese Bereiche zuständig sein wird. Bei der Errichtung dieser Behörde und der Verbesserung des derzeitigen Systems in der Übergangsphase wird dem Bericht der Professoren Pascal, James und Kemper mit dem Titel "Die Zukunft der wissenschaftlichen Beratung in der EU" Rechnung getragen.

KAPITEL 4: DIE EINRICHTUNG EINER EUROPÄISCHEN LEBENSMITTELBEHÖRDE

Die Kommission faßt die Einrichtung einer unabhängigen Europäischen Lebensmittelbehörde ins Auge, die insbesondere für Risikobewertung und Risiko kommunikation in Fragen der Lebensmittelsicherheit zuständig ist.

29. Als eine ihrer wichtigsten Prioritäten beabsichtigt die Kommission, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und auf diese Weise das Vertrauen der Verbraucher wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Diese Aufgabe hat zahlreiche Facetten. Erstens die Frage des Vertrauens an sich - wie läßt es sich gewinnen- Zweitens müssen wir dafür sorgen, daß das Vertrauen nicht nur wiederhergestellt, sondern - was noch wichtiger ist - aufrechterhalten wird. Mit anderen Worten: Das System, das eingerichtet wird, um das Vertrauen wiederherzustellen, muß hinreichend beständig und flexibel sein, damit das Vertrauen der Verbraucher auch längerfristig aufrechterhalten wird.

Zusätzlich zu dem in diesem Weißbuch vorgeschlagenen Maßnahmenpaket ist nach Ansicht der Kommission die Einrichtung einer Europäischen Lebens mittelbehörde erforderlich. Die wichtigsten Kriterien hierfür sind Gegenstand dieses Kapitels. Angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre und der allgemein anerkannten Notwendigkeit, die Funktionen "Risikobewertung" und "Risiko management" voneinander zu trennen, hält die Kommission durchgreifende strukturelle Veränderungen bei der Behandlung von Fragen der Lebensmittel sicherheit für geboten. Mit einer neuen Behörde wird das wirksamste Instrument zur Herbeiführung der zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zur Wieder herstellung des Vertrauens notwendigen Veränderungen geschaffen. Daher liegt es auf der Hand, daß eine solche Behörde vor allem das öffentliche Interesse im Auge haben muß.

Mit diesem Kapitel wird bezweckt, eine öffentliche Diskussion und sachkundige Kommentare anzuregen. Die Kommission möchte möglichst viele Betroffene zu der Einrichtung einer Europäischen Lebens mittelbehörde anhören. Daher werden alle Interessenten aufgefordert, ihre Kommentare bis Ende April 2000 vorzulegen.

Möglicher Tätigkeitsbereich der Behörde

30. Die Rolle der fraglichen Behörde muß mit Blick auf den Prozeß der Risikoanalyse definiert werden, der seinerseits die Risikobewertung, das Risikomanagement und die Risikokommunikation umfaßt.

31. Zweck der Risikobewertung ist die wissenschaftliche Beratung. Fundierte und aktuelle Gutachten setzen wiederum eine umfangreiche Informationserhebung und -analyse voraus. Netze für Überwachung und Monitoring im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der Tiergesundheit, Informationssysteme für die Landwirtschaft, Schnellwarnsysteme sowie FuE-Programme spielen eine wichtige Rolle bei der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

32. Das Risikomanagement zerfällt in die beiden Teile Rechtsetzung und Überwachung.

Bei der Rechtsetzung unterscheidet man zwischen primären Vorschriften, die vom Rat allein oder im Mitentscheidungsverfahren mit dem Europäischen Parlament erlassen werden, und Durchführungsvorschriften, die die Kommission im Rahmen der ihr übertragenen Befugnisse erläßt. Der Rechtsetzung liegt eine politische Entscheidung zugrunde; sie stützt sich nicht ausschließlich auf wissenschaftliche Urteile, sondern auf eine umfassendere Einschätzung der in der Gesellschaft vorherrschenden Wünsche und Bedürfnisse. Zwischen Risikomanage ment und Risikobewertung muß eine deutliche Trennung bestehen.

In ihrer Rolle als Hüterin des Vertrages ist die Kommission dafür verantwortlich, daß die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt und von den nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten ordnungsgemäß angewandt und durchgesetzt werden. Diese Überwachungsfunktion wird vom Lebensmittel- und Veterinäramt der Kommission wahrgenommen, das über seine Arbeiten Bericht erstattet und Empfehlungen ausspricht. Seine Berichte zählen für die Kommission zu den wichtigsten Entscheidungshilfen, wenn es darum geht, ob Schutzmaßnahmen innerhalb der Gemeinschaft oder gegenüber Einfuhren aus Drittländern ergriffen werden oder Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitglied staaten eingeleitet werden sollen. Auch wenn durch den Abschluß von Überein kommen mit Drittländern die Gleichwertigkeit der Lebensmittelsicher heits kontrollen im Rahmen des WTO/SPS-Übereinkommens anerkannt werden soll, zieht die Kommission das Lebensmittel- und Veterinäramt zu Rate, das die gesundheitliche Situation in den betreffenden Drittländern bewertet.

33. Die Einbeziehung des Risikomanagements in das Mandat der Behörde würde drei schwerwiegende Probleme aufwerfen:

Erstens besteht die ernste Besorgnis, daß eine Übertragung der Rechtsetzungs befugnisse an eine unabhängige Behörde zu einer ungerechtfertigten Verwässerung der demokratischen Verantwortung führen könnte. Der derzeitige Beschlußfassungs prozeß weist ein hohes Maß an Rechenschaftslegung und Transparenz auf, das sich möglicherweise auf dezentraler Ebene nur schwer reproduzieren läßt.

Zweitens muß die Überwachungsfunktion im Zentrum des Risikomanagement prozesses der Kommission stehen, wenn sie im Sinne des Verbrauchers wirksam werden soll, dies vor allem durch die Gewährleistung, daß die aufgrund der Überwachungs tätigkeit abgegebenen Empfehlungen angemessen befolgt werden. Wenn die Kommission die ihr in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten wahrnehmen soll, müssen sowohl Rechtsetzung als auch Überwachung bei ihr verbleiben.

Drittens lassen die geltenden Bestimmungen über die Organe und Einrichtungen der Europäischen Union eine Behörde mit Rechtsetzungsbefugnis nicht zu; deren Einrichtung würde eine Änderung des EG-Vertrags erforderlich machen.

Aus diesen Gründen wird eine Übertragung der Zuständigkeit für das Risikomanage ment an die Behörde nicht vorgeschlagen.

34. Die Risikokommunikation ist ausschlaggebend dafür, daß die Verbraucher auf dem laufenden gehalten werden und daß das Risiko unberechtigter Befürchtungen hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit eingedämmt wird. Voraussetzung ist, daß die einschlägigen wissenschaftlichen Gutachten der breiten Öffentlichkeit rasch zur Verfügung gestellt werden - gegebenenfalls unter Wahrung von Geschäfts geheimnissen. Außerdem müssen die Verbraucher leicht zugängliche und verständliche Informationen erhalten, die über diese Gutachten hinaus auch andere Fragestellungen in Zusammenhang mit dem Gesundheitsschutz betreffen.

Der Vorteil einer Behörde

Damit Maßnahmen wirksam und angemessen sind und rasch ergriffen werden können, ist eine breitestmögliche Akzeptanz der wissenschaftlichen Risikobewertung erforderlich.

35. Die Behörde wäre zuständig für die Vorbereitung und Durchführung der wissenschaftlichen Beratung, die Erhebung und Analyse von Informationen zur Untermauerung ihrer Gutachten wie auch des Beschlußfassungsprozesses der Gemeinschaft, die Überwachung und das Monitoring von Entwicklungen in Bereichen, die die Lebensmittelsicherheit berühren, sowie die Kommunikation ihrer Resultate an alle betroffenen Parteien.

In der Art und Weise, wie sie ihre Aufgaben wahrnimmt, müßte die Behörde ein Hoechstmaß an Unabhängigkeit, wissenschaftlicher Kompetenz und Transparenz ihrer Tätigkeiten demonstrieren. Dadurch dürfte sie in der Lage sein, sich rasch als maßgebliche Autorität für Verbraucher, Lebensmittelindustrie, einzelstaatliche Behörden und sonstige Akteure der internationalen Ebene zu profilieren.

36. Eine Behörde wäre das ideale Forum für die Konzipierung der erforderlichen flexiblen und raschen Reaktionen auf die neuen Herausforderungen. Sie würde einen einzigartigen und im Blickpunkt stehenden Ansprechpartner für alle Betroffenen darstellen. Sie könnte nicht nur als ein Zentrum von höchster wissenschaftlicher Kompetenz agieren, sondern auch den Verbrauchern zur Verfügung stehen, um sie bei wichtigen Neuerungen der Lebensmittelsicherheit zu beraten. Sie würde Auf klärungs maßnahmen durchführen, damit die Verbraucher ihre Entscheidungen in Kenntnis der Sachlage treffen können und besser über Fragen der Lebens mittelsicherheit informiert sind.

37. Die Behörde muß eng mit den nationalen wissenschaftlichen Gremien und Einrichtungen zusammenarbeiten, die sich mit der Sicherheit von Lebensmitteln befassen. Es soll ein Netz wissenschaftlicher Kontakte inner- und außerhalb Europas geschaffen werden, dessen Zentrum die Behörde ist und das gewährleisten soll, daß alle betroffenen Akteure an dem analytischen Prozeß beteiligt werden und daß die Grundlage der abgegebenen Gutachten auf größeres Verständnis und erhöhte Akzeptanz stößt.

Die Kommission und die übrigen Organe der Gemeinschaft werden eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Behörde spielen und dafür sorgen, daß sie mit ausreichenden finanziellen und personellen Mitteln ausgestattet wird; ferner haben sie die von der Behörde erstellen Gutachten in vollem Umfang zu berücksichtigen.

Zweck einer Europäischen Lebensmittelbehörde

Der Hauptzweck einer Europäischen Lebensmittelbehörde ist es, im Bereich der Lebensmittelsicher heit zu einem hohen Maß an Gesundheitsschutz für die Verbraucher beizutragen, damit deren Vertrauen wiederhergestellt und aufrecht erhalten wird.

38. Um ihre Aufgaben erfolgreich zu erfuellen, muß die Behörde den Grundsatz der Unabhängigkeit, der höchsten Fachkompetenz und der Transparenz wahren. Hiermit ist unabdingbar die Forderung verbunden, daß die Behörde bei ihrer Tätigkeit in hohem Maße ihrer Verantwortung gegenüber den europäischen Einrichtungen und Bürgern Rechnung trägt.

Daher muß die Behörde

- sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen höchster Qualität orientieren,

- von wirtschaftlichen und politischen Interessen unabhängig sein,

- mit gründlichen öffentlichen Untersuchungen einverstanden sein,

- eine wissenschaftliche Autorität darstellen und

- eng mit nationalen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammenarbeiten.

39. Das vorliegende Weißbuch greift auf die Erfahrungen zurück, die die Kommission mit der Heranziehung wissenschaftlicher Berater gemacht hat; es stützt sich ferner auf die Prüfung einer Reihe bestehender Modelle, wie die Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) und die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA). Berücksichtigung fand auch der Bericht der Professoren James, Kemper und Pascal über die Zukunft der wissenschaftlichen Beratung in der Europäischen Union.

Die Kommission ist der Auffassung, daß eine Europäische Lebensmittelbehörde Rechtspersönlichkeit besitzen und gegenüber den derzeitigen EG-Organen eigenständig sein sollte, damit sie ihren Aufgaben der Risikobewertung und -kommunikation unabhängig nachkommen und die größtmögliche Wirkung für Gesundheitsschutz und Vertrauensbildung erzielen kann.

40. Wie oben bereits dargelegt, ergibt sich aus den geltenden Bestimmungen des Vertrags eine Einschränkung hinsichtlich der Aufgaben, die der Behörde übertragen werden können; dies soll jedoch nicht heißen, daß eine mögliche künftige Ausweitung ihres Zuständigkeitsbereichs nicht in Betracht käme. Diese Frage sollte erst geprüft werden, wenn Erfahrungen mit der Behörde gesammelt wurden und sie sich durch ihre Arbeit Vertrauen erworben hat; ferner ist dabei eine etwa erforderliche Änderung des Vertrags zu erwägen.

41. Unabhängigkeit: Die derzeitige Praxis, wonach von den an der Beratung beteiligten Wissenschaftlern verlangt wird, sich hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit strengen Regeln zu unterwerfen, muß auch von der neuen Behörde übernommen werden. Um das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen, muß die Behörde nicht nur unabhängig von äußerem Druck handeln, sondern dies muß auch von allen Betroffenen akzeptiert werden. Gleichwohl muß die Behörde repräsentativ und verantwortlich sein. Die Kommission wird prüfen, auf welche Weise sichergestellt werden kann, daß die Behörde das rechte Verhältnis zwischen Unabhängigkeit und Rechenschaftslegung findet, und dabei die Standpunkte der anderen Organe und der Interessenvertreter berücksichtigen. Besonders sorgfältig ist bei der Auswahl des Leiters der Behörde vorzugehen.

42. Hoechste Fachkompetenz: Damit die Behörde als maßgebliches Zentrum höchster wissenschaftlicher Kompetenz fungieren und in wissenschaftlichen Streitigkeiten entscheiden kann, muß sie sich rasch auf internationaler Ebene profilieren. Dies setzt nicht nur hervorragende und unabhängige Wissenschaftler voraus, sondern auch die Identifizierung und Rekrutierung der höchstqualifizierten Mitarbeiter sowie die bestmögliche Nutzung der verfügbaren Informationssysteme. Besondere Aufmerk samkeit ist der Auswahl des Personals zu schenken, damit hinreichend qualifizierte Fachleute beschäftigt werden, die den für die Erstellung der wissenschaftlichen Gutachten verantwortlichen unabhängigen Wissenschaftlern zuarbeiten und relevante Daten erheben und analysieren können. Außerdem müssen Systeme eingerichtet werden, mit denen man die besten Wissenschaftler der verschiedenen Disziplinen ausfindig machen und bei Bedarf ansprechen kann.

Wichtig ist ferner, daß die Behörde hinreichend rasch reagieren kann und flexibel genug ist, um bei alarmierenden Situationen in Zusammenhang mit der Lebensmittel sicherheit tätig zu werden, andererseits aber auch an längerfristigen Projekten zu arbeiten.

43. Transparenz bedeutet nicht nur die rasche und offene Präsentation der Arbeits ergeb nisse und Empfehlungen der Behörde, sondern auch, daß die zu diesen führenden Prozesse so offen wie möglich ablaufen, damit die Bürger in den Genuß des im Vertrag festgeschriebenen Grundrechts auf Zugang kommen. Dies setzt voraus, daß die Tätigkeit der Behörde klaren und öffentlich bekanntgemachten Verfahren folgt. Darüber hinaus ist das Arbeitsprogramm der Behörde in allen Einzelheiten öffentlich zugänglich zu machen.

Zwar sind bei den Erörterungen, die der Erstellung wissenschaftlicher Gutachten vorausgehen, Regeln der Vertraulichkeit zu beachten, ihre Präsentation und Erläuterung muß jedoch so offen wie möglich erfolgen. Die Gutachten wird die Behörde auch weiterhin an Kommission und Parlament übermitteln, sobald sie verfügbar sind; gleichzeitig werden sie über das Internet veröffentlicht, damit alle Betroffenen lückenlos informiert sind.

Die Aufgaben der Behörde

44. Es ist geplant, daß die Behörde für die wissenschaftliche Beratung, die Erhebung und Analyse von Informationen und die Risikokommunikation zuständig ist. Diese Themen werden in den Kapiteln 3 und 7 behandelt.

45. Wissenschaftliche Beratung: Aufgabe der Behörde sollte die wissen schaft liche Bera tung und Information der Kommission in allen Fragen sein, die unmittelbar oder mittelbar für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher beim Verzehr von Lebensmitteln von Bedeutung sind. Somit wird ihr Arbeitsgebiet die Primär produk tion (landwirtschaftliche und veterinärmedizinische Aspekte), industrielle Verfahren, Lagerung, Vertrieb und Einzelhandel umfassen. Sowohl Risiken als auch Ernährungs fragen sollen behandelt werden. Ferner wird sich die Behörde mit Fragen der Tiergesundheit und des Tierschutzes befassen und auch Risikobewertungen aus anderen Bereichen berücksichtigen, insbesondere aus den Bereichen Umwelt und Chemie, sofern diese sich mit Risikobewertungen in bezug auf Lebensmittel überschneiden.

Die Kommission ist der Meinung, daß die Arbeit, die derzeit von den mit Fragen der Lebensmittelsicherheit befaßten wissenschaftlichen Ausschüssen durchgeführt wird, ein Kernstück der vorgeschlagenen Behörde bilden sollte. In diesem Zusammenhang sind Struktur und Mandat der bestehenden wissenschaftlichen Ausschüsse zu überprüfen, damit sichergestellt ist, daß die wissenschaftliche Beratung den gesamten Zuständigkeitsbereich der Behörde abdeckt. Die Ausschüsse [3] werden auf Verlangen der Kommission Gutachten abgeben. Sie sollten ferner vorausschauend tätig werden und neu auftretende gesundheitliche Gefährdungen oder Probleme signali sieren; in diesen Fällen wäre es Aufgabe der Behörde, diesen Hinweisen nach zugehen.

[3] Im folgenden deckt die Formulierung "die Ausschüsse" auch die Möglichkeit ab, daß es nur einen einzigen Ausschuß geben wird (Anm. d. Ü.).

46. Die Behörde hat Mechanismen einzurichten, um wissenschaftliche Sachverständige inner- und außerhalb der Europäischen Union rasch ausfindig zu machen. Zu diesem Zweck muß die Behörde Zugang zu einem weltweiten Netz höchster wissenschaft licher Kompetenzen haben und genügend Flexibilität besitzen, um rasch auf veränderte Situationen zu reagieren.

47. Die Behörde muß in der Lage sein, die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen kontinuierlich zu verfolgen und Lücken in laufenden Forschungsarbeiten oder -themen aufzudecken, wo ihrer Einschätzung nach rasch gezielte Arbeit geleistet werden muß. Ihr stände ein eigenes Budget zur Verfügung, damit sie ad hoc gezielte Forschungsarbeiten in Auftrag geben kann, die als Reaktion auf das Auftreten unvorhersehbarer gesundheitlicher Gefährdungen umgehend erforderlich sind. Dabei sollte sie mit der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission, nationalen wissen schaftlichen Einrichtungen und internationalen Organisationen zusammen arbeiten. Auch die Tätigkeiten der im Rahmen der gemeinschaftlichen Forschungs programme etablierten Netze müßten Berücksichtigung finden; zu diesem Zweck sind Mechanismen zu schaffen für einen in beiden Richtungen verlaufenden Austausch zwischen diesen Programmen und der Behörde.

48. Die wissenschaftlichen Ausschüsse müssen in der Lage sein, sich auf ihre Hauptaufgabe, die Erstellung wissenschaftlicher Gutachten, zu konzentrieren. Ihnen soll ein wissenschaftliches Sekretariat zur Seite stehen, das als Schnittstelle zwischen ihnen und den Risikomanagern fungiert. Ferner ist es erforderlich, für eine hausinterne wissenschaftliche Unterstützung zu sorgen, die einen Großteil der vorbereitenden Arbeiten für die Ausschüsse übernimmt.

49. Informationserhebung und -analyse: Es besteht ein dringender Bedarf, die derzeit innerhalb der Gemeinschaft und weltweit verfügbaren Informationen über Fragen der Lebensmittelsicherheit ausfindig zu machen und zu nutzen. Dies wäre eine der wichtigsten Aufgaben der Behörde, und in diesem Bereich sind noch zahlreiche Verbesserungen möglich. Wenn die Informationen zweckgemäß aufbereitet werden, können sie viel dazu beitragen, daß potentielle Probleme schnellstmöglich erkannt werden und daß im Zuge der wissenschaftlichen Beratung auch weiterreichende gesundheitliche Konsequenzen behandelt werden.

50. Von der Behörde wird erwartet, daß sie vorausschauend agiert, Programme zur Über wachung und zum Monitoring der Lebensmittelsicherheit entwickelt und diese durchführt. Zu diesem Zweck muß sie ein Netz von Kontakten mit vergleichbaren Einrich tungen, Laboratorien und Verbraucherverbänden innerhalb der Europäischen Union und in Drittländern schaffen.

Die Behörde muß in der Lage sein, eine Realzeit-Bewertung der Programm ergeb nisse und eine umgehende Reaktion zu garantieren, damit tatsächliche oder poten tielle Gefährdungen rasch identifiziert werden. Außerdem soll die Behörde ein Vorher sage system zur Früherkennung neu auftretender Gefährdungen entwickeln, damit Krisen nach Möglichkeit vermieden werden können.

51. Kommunikation: Ihre Fähigkeit, unmittelbar und offen mit den Verbrauchern über Lebensmittelfragen zu kommunizieren, wird der Behörde einen hohen Bekannt heitsgrad verschaffen. Sie wird geeignete Wege finden müssen, um sämt liche Betroffenen über ihre Arbeiten zu informieren, nicht nur über die wissen schaft lichen Gutachten, sondern auch über die Ergebnisse ihrer Überwachungs- und Monitoring programme.

Die Behörde muß zur unbestrittenen ersten Anlaufstelle werden, wenn wissen schaftliche Informationen über Lebensmittelsicherheit und Ernährungsfragen benötigt werden oder diesbezügliche Probleme aufgetreten sind. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, das Vertrauen der Verbraucher wiederherzustellen, muß sie ferner gewährleisten, daß angemessene Informationen über diese Themen veröffentlicht werden. Natürlich wird die Verantwortung für die Mitteilung von Entscheidungen zum Risikomanagement weiterhin bei der Kommission liegen.

Reaktion auf Krisen

52. Tritt eine alarmierende Situation in Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit ein, so erhebt und analysiert die Behörde die relevanten Informationen, übermittelt diese an die Kommission und die Mitgliedstaaten und mobilisiert die benötigten wissenschaftlichen Fachkenntnisse, um die bestmögliche wissenschaftliche Beratung anzubieten. Die Behörde muß rasch und wirksam auf Krisen reagieren und liefert die wesentliche Grundlage für die Reaktion der Gemeinschaft. Dadurch wird eine verbesserte Beherrschung von Krisensituationen auf europäischer Ebene ermöglicht, und den Verbrauchern wird vor Augen geführt, daß man Probleme in vorausschauender Weise angeht.

53. Die Behörde wird das Schnellwarnsystem betreiben, mit dem dringende Probleme der Lebensmittelsicherheit erkannt und rasch gemeldet werden. Da die Kommission Teil des Netzes ist, wird sie die betreffenden Informationen in Realzeit erhalten. Je nach Art der Krise kann die Behörde beauftragt werden, die weitere Beobachtung zu übernehmen, wozu auch das Monitoring und die epidemiologische Überwachung zählen.

Vernetzung mit nationalen Stellen und wissenschaftlichen Einrichtungen

54. Die Europäische Lebensmittelbehörde muß eine Einrichtung mit "Mehrwert" sein: sie sollte eng mit nationalen wissenschaftlichen Gremien und Einrichtungen zusam menarbeiten, die für Lebensmittelsicherheit zuständig sind, und sich deren Kompetenz zunutze machen. Dies könnte zur Schaffung eines Netzes führen, mit dessen Hilfe bereits bestehende Einrichtungen und Ressourcen möglichst wirksam genutzt werden können. Daher wird eine der Aufgaben der Europäischen Lebens mittel behörde darin bestehen, Kontakte zu Spitzenforschungszentren herzustellen, die es ihrem hauseigenen Personal ermöglichen, die führende wissenschaftliche Kompetenz in allen relevanten Disziplinen auf europäischer und internationaler Ebene zu Rate zu ziehen. Ebenso erhalten die einschlägigen nationalen Stellen Zugang zu wissenschaftlichen Kenntnissen auf höchstem Niveau. Durch den dynamischen Austausch in beiden Richtungen wird die Behörde zunehmend größeres Gewicht erhalten. Dies wird im Laufe der Zeit dazu führen, daß sie gemeinschafts weit als höchste Autorität in Fragen der Lebensmittelsicherheit anerkannt wird.

55. Es ist dafür zu sorgen, daß die bestehenden wissenschaftlichen und technischen Kapazitäten und Infrastrukturen der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Kommission im Rahmen dieses Netzes bestmöglich genutzt werden.

Interaktion mit den zuständigen Kommissionsstellen

56. Die Behörde und die Kommission müssen von Anfang an sehr eng zusammen arbeiten. Dies betrifft insbesondere die mit der Ausarbeitung und Durch setzung von Rechtsvorschriften sowie mit der Durchführung von Kontrollen und Inspektionen (Lebensmittel- und Veterinäramt) befaßten Stellen sowie die Gemein same Forschungsstelle und die mit Forschung und Entwicklung befaßten Abteilun gen. Damit wird sichergestellt, daß die Arbeitsergebnisse der Behörde auf bestmög liche Weise genutzt werden und daß die Behörde ihrerseits über alle Fragen auf dem laufenden gehalten wird, die für ihre eigene Tätigkeit von unmittelbarer Bedeutung sind. Gleichzeitig ist auch dafür gesorgt, daß die Behörde den Bedürfnissen der Kommissionsstellen Rechnung trägt. Diese Interaktion darf natürlich nicht die beson dere Rolle der Behörde verwässern.

Mittelausstattung

57. Die für die Einrichtung und Betreibung der wissenschaftlichen Beratungssysteme, für die Informationserhebung und -analyse und die effektive Vernetzung mit wissenschaftlichen Einrichtungen in den Mitgliedstaaten erforderlichen Mittel dürfen nicht unterschätzt werden. Abgesehen von der wissenschaftlichen Beratung und der Kommunikation wird die Behörde auch in beträchtlichem Umfang administrative und finanzielle Tätigkeiten wahrnehmen müssen. Sie wird Informations- und Kommunikationstechnologien in großem Umfang einsetzen und deren Verwendung in den für Lebensmittelsicherheit zuständigen nationalen Stellen und Einrichtungen propagieren. Die Effizienz der Behörde wird letzten Endes davon abhängen, ob sie in quantitativer und qualitativer Hinsicht über ausreichende personelle, finanzielle und materielle Ressourcen verfügt. Die erforderlichen Mittel können erst nach Abschluß der Konsultation und Vorlage detaillierter Machbarkeitsstudien festgelegt werden. Die genauen Zahlen werden zusammen mit dem endgültigen Vorschlag der Kommission zur Einrichtung der Behörde vorgelegt; dabei werden die bevorstehenden Gespräche in der Kommission über politische Prioritäten und die daraus sich ergebenden Mittelzuweisungen Berücksichtigung finden.

Sitz der Behörde

58. Wenn die Behörde ihre Funktionen effizient wahrnehmen und für rasche Konsultationen in Krisensituationen zur Verfügung stehen soll, wird sie sehr eng mit den für Lebensmittelsicherheit zuständigen Kommissionsstellen und mit den übrigen Organen der Gemeinschaft zusammenarbeiten müssen. Ferner sollte die Behörde leicht zugänglich sein, nicht nur für die Wissenschaftler, die um Ausarbeitung der wissenschaftlichen Gutachten gebeten werden, sondern auch für sämtliche Inter essenten, die eine Stellungnahme der Behörde benötigen. Dies ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt eines möglichst effizienten Ressourceneinsatzes von Bedeutung, sondern auch, um die Offenheit und Verfügbarkeit der Behörde zu demonstrieren, insbesondere hinsichtlich ihrer Kommunikationsaufgabe. Angesichts dieser Überlegungen ist die Kommission der Meinung, daß die Behörde ihren Sitz an einem leicht zugänglichen Ort haben sollte.

Beitrittsländer

59. Die Beitrittsländer sind an der Arbeit der Behörde zu beteiligen; dies steht im Ein klang mit den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Luxemburg, der hervorhob, wie wichtig es für diese Länder sei, sich mit den Arbeitsmethoden und Politiken der Union vertraut zu machen. Entsprechende Vorkehrungen sollen im Zuge der bevorstehenden Arbeiten zur Einrichtung der Behörde getroffen werden.

Zeitplan

Nach Ansicht der Kommission ist bei der Einrichtung der Behörde nach einem Zeitplan vorzugehen, der eine zügige Umsetzung vorsieht.

60. Für die formelle Einrichtung der neuen Behörde ist folgender Zeitplan vorgesehen:

- Veröffentlichung des Weißbuchs: Januar 2000

- Konsultationsfrist: bis Ende April 2000

- Kommissionsvorschlag: September 2000

- Ermächtigende Rechtsvorschrift: Dezember 2001

- Beginn der Tätigkeit der Behörde: 2002

61. Dieser Zeitplan ist zwar ehrgeizig, vor allem angesichts der Größe des Unterfangens, die Kommission ist jedoch aufgrund ihrer Erfahrung mit der Einrichtung der EMEA der Ansicht, daß er eingehalten werden kann. Es muß nicht nur dafür gesorgt werden, daß die neue Behörde ihre Arbeit baldmöglichst aufnimmt, vielmehr ist gleichzeitig auch das bestehende System zu verbessern. Die Kommission wird eigens ein Team einsetzen, damit alle in diesem Kapitel umrissenen Aufgaben rasch in Angriff genom men werden.

62. Der Ausbau des gegenwärtigen Systems der Risikobewertung und -kommunikation steht im Zentrum der Maßnahmen, die getroffen werden müssen, damit die Behörde tatsächlich in zwei Jahren funktionsfähig ist. Unter Berücksichtigung der für die beiden nächsten Jahre verfügbaren Mittel wird die Kommission die Möglichkeit prüfen, bereits in der Phase vor der Einrichtung der Behörde die derzeitigen Strukturen für wissenschaftliche Unterstützung und Beratung auszubauen.

KAPITEL 5: RECHTLICHE ASPEKTE

63. In Kapitel 4 hat die Kommission hervorgehoben, warum das Risikomanagement in einem institutionellen Rahmen mit voller politischer Verantwortlichkeit erfolgen muß. Unbeschadet der vorgeschlagenen Schaffung einer Europäischen Lebensmittelbehörde bleiben die Erarbeitung und Erstellung von Rechtsvorschriften Aufgabe der Kommission, des Europäischen Parlaments und des Rates.

64. Die Europäische Union hat eine Vielzahl von Rechtsvorschriften erlassen, die die Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die industrielle Herstellung verarbeiteter Lebensmittel betreffen. Diese Rechtsvorschriften sind im Laufe der letzten 30 Jahre erarbeitet worden und spiegeln eine Mischung wissenschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Kräfte wider, die insbesondere bei der Schaffung des Binnenmarkts wirksam wurden; diese Entwicklung wies jedoch keine allgemeine Kohärenz auf. Aus diesem Grund wurde bereits im Grünbuch "Allgemeine Grundsätze des Lebensmittelrechts in der Europäischen Union (KOM(97) 176 endg.) darauf hingewiesen, daß eine umfassende Überprüfung des Lebensmittelrechts erforderlich ist.

65. Die Lebensmittelproduktion ist äußerst komplex. Erzeugnisse tierischen und pflanzlichen Ursprungs bringen inhärente Gefährdungen durch mikrobiologische und chemische Kontamination mit sich. Dennoch konnten der derzeitige Rechtsrahmen und seine operative Umsetzung im allgemeinen ein hohes Gesundheitsschutzniveau für den Verbraucher in der EU gewährleisten. Das wirkliche Problem besteht nicht so sehr in einem Mangel an Rechtsinstrumenten, sondern eher in der großen Diskrepanz der Mittel, mit denen auf bestimmte Situtionen in verschiedenen Sektoren reagiert wird, oder in der Vielzahl der Maßnahmen, die eingeleitet werden müssen, wenn ein Problem von einem Sektor auf einen anderen übergreift. Die schwächste Stelle im System ist das Fehlen einer klaren Verpflichtung aller Beteiligten, angesichts eines möglichen Risikos eine Frühwarnung zu geben, so daß die erforderliche wissenschaftliche Evaluation und nötige Schutzmaßnahmen früh genug eingeleitet werden können, um auf EU-Ebene proaktive statt reaktive Handlungsfähigkeit zu ermöglichen.

Im Anhang sind sämtliche vorgeschlagenen Maßnahmen unter Angabe der Prioritäten und des voraussichtlichen Zeitplans aufgeführt. Gleichwohl kann die abschließende Erarbeitung einiger Initiativen durch etwaige Ressourcenprobleme beeinträchtigt werden.

Ein neuer Rechtsrahmen für die Lebensmittelsicherheit

Es muß ein kohärenter und transparenter Verbund von Regelungen für die Lebensmittelsicherheit geschaffen werden.

66. Die Kommission beabsichtigt, Vorschläge für einen neuen Rechtsrahmen vorzulegen, der die Grundsätze für die Sicherstellung eines kohärenten Vorgehens und die Prinzipien, Verpflichtungen und Definitionen, die in diesem Bereich gelten, festlegt. Diese Vorschläge sollen den Ergebnissen der ausführlichen Konsultationen Rechnung tragen, die die Kommission 1997 mit der Veröffentlichung ihres Grünbuchs über das Lebensmittelrecht begonnen hat, sie sollen ferner die gemeinsamen Grundsätze des Lebensmittelrechts festlegen und die Lebensmittelsicherheit zum primären Ziel des EU-Lebensmittelrechts erklären.

67. Die Vorschläge der Kommission werden auch ein allgemeines Lebensmittelrecht umfassen, das die in Kapitel 2 genannten Grundsätze der Lebensmittelsicherheit enthält. Zu diesen Vorschlägen sollen alle Beteiligten so früh und so umfassend wie möglich gehört werden, und - soweit erforderlich - wird eine Folgenabschätzung der Vorschläge für Rechtsvorschriften durchgeführt. Die einzelnen Rechtsvorschriften müssen klar und leicht verständlich sein, damit sie von allen Beteiligten angewendet werden können. Außerdem ist eine enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden auf den entsprechenden Ebenen in den Mitgliedstaaten erforderlich, um sicherzustellen, daß die Vorschriften ordnungsgemäß und konsequent eingehalten und durchgesetzt werden und unnötiger Verwaltungsaufwand vermieden wird.

68. Diese Vorschläge werden auch den allgemeinen Rahmen für diejenigen Bereiche bilden, die nicht von spezifischen harmonisierten Regelungen abgedeckt werden, mit denen - wie vom Europäischen Gerichtshof in der "Cassis de Dijon"-Rechtsprechung ausgearbeitet - durch gegenseitige Anerkennung sichergestellt wird, daß der Binnenmarkt reibungslos funktioniert. Nach diesem Prinzip können die Mitgliedstaaten bei fehlender gemeinschaftlicher Harmonisierung die Markteinführung eines Produktes, das in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden ist, nur dann einschränken, wenn dies durch ein legitimes Allgemeininteresse wie den Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt ist und die getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig sind. In diesem Zusammenhang wird die Kommission weiterhin alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen - sowohl formelle (Vertragsverletzungverfahren) als auch informelle (Netze und Zusammenkünfte von Vertretern der Mitgliedstaaten usw.) -, um Meinungsverschiedenheiten über Handelshemmnisse beizulegen. Auf Gemeinschaftsebene werden Maßnahmen ergriffen, wenn eine Handelseinschränkung aus Gründen der Lebensmittelsicherheit als gerechtfertigt erscheint.

Ein neuer Rechtsrahmen für Futtermittel

Die Sicherheit von Lebensmitteln tierischen Ursprungs beginnt mit sicheren Futtermitteln für Tiere.

69. Auch wenn die Rechtsetzung nicht alle Vorkommnisse, die die Lebensmittel- und Futtermittelkette betreffen, verhindern kann, so kann sie doch durch geeignete Bestimmungen und Kontrollen die Früherkennung von Problemen und rasche Korrekturmaßnahmen ermöglichen. Zur Veranschaulichung seien die im Futtermittelsektor nötigen Maßnahmen genannt. Die in Kapitel 2 erwähnten Grundsätze der Lebensmittelsicherheit sollten auch für den Futtermittelsektor gelten, insbesondere, damit geklärt wird, welche Verantwortung die Futtermittelhersteller tragen, und damit eine umfassende Schutzklausel sichergestellt wird. Genauer gesagt muß eindeutig festgelegt werden, welche Ausgangserzeugnisse, einschließlich der Schlachtnebenprodukte, in der Futtermittelproduktion verwendet werden dürfen oder nicht. Eine Positivliste der Futtermittel-Ausgangserzeugnisse wäre die eindeutigste Reaktion auf das derzeitige Fehlen einer solchen Festlegung; diese Aufgabe ist jedoch komplex und zeitaufwendig. Kurzfristig muß die geltende Negativliste schnell erweitert werden. Die Kommission hat sich jedoch verpflichtet, mittelfristig eine Positivliste zu erstellen. Darüber hinaus soll eine Überprüfung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften vorgeschlagen werden, um Falltiere (Tierkörper) und Konfiskate aus der Futtermittelkette auszuschließen. Einzig Ausgangserzeugnisse von Tieren mit einer Genußtauglichkeitsbescheinigung dürften dann in Futtermitteln verwendet werden.

Ferner soll ein Vorschlag für Rechtsvorschriften über die Evaluation, Zulassung und Kennzeichnung von neuartigen Futtermitteln, insbesondere von gentechnisch veränderten Organismen und daraus hergestellten Futtermitteln, vorgelegt werden.

Es bedarf einer Klärung der verschiedenen Produktkategorien, die in der Tierernährung verwendet werden (Zusatzstoffe, Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel), um Grauzonen zu vermeiden und klarzustellen, welche Bestimmungen in welchem Fall anwendbar sind. Die Kommission wird außerdem im Rahmen ihrer breit angelegten Strategie zur Bekämpfung und Eindämmung der Antibiotikaresistenz das Verbot bzw. die schrittweise Einstellung der Verwendung von Antibiotika als Wachstumsförderer in der EU je nach deren möglichem Einsatz in der Human- und Veterinärmedizin verfolgen.

Da nun die Ursachen und Folgen der Dioxinkrise klarer werden, ist deutlich geworden, daß die Futtermittelindustrie den gleichen strengen Bestimmungen und Kontrollen unterzogen werden sollte wie die Lebensmittelhersteller. Die Dioxinkrise konnte entstehen und sich über die gesamte Lebensmittelkette ausbreiten, weil interne Kontrollen (Gute Herstellungpraxis, Eigenkontrollen, Krisenpläne) und Möglichkeiten zur Rückverfolgung der Lebensmittel fehlten. Es sollen Rechtsvorschriften vorgeschlagen werden, um diese Mißstände zu beheben; dies schließt auch die amtliche Zulassung aller Futtermittelbetriebe sowie amtliche Kontrollen auf einzelstaatlicher und gemeinschaftlicher Ebene ein. Um den Rechtsrahmen für den Futtermittelsektor auf den des Lebensmittelsektors abzustimmen, soll in das Schnellwarnsystem für Lebensmittel ein Schnellwarnsystem für Futtermittel integriert werden.

Tiergesundheit und artgerechte Tierhaltung

Die Gesundheit und die artgerechte Haltung der für die Lebensmittelerzeugung bestimmten Tiere sind für die öffentliche Gesundheit und den Verbraucherschutz von entscheidender Bedeutung.

70. Die Tiergesundheit ist auch ein wichtiger Faktor für die Lebensmittelsicherheit. Einige Erkrankungen, die sogenannten Zoonosen wie Tuberkulose, Salmonellose und Listeriose, sind durch kontaminierte Lebensmittel auf den Menschen übertragbar. Diese Erkrankungen können für bestimmte Teile der Bevölkerung besonders schwerwiegend sein. Die Listeriose kann Enzephalitis und Fehlgeburten hervorrufen; auch die Salmonellose stellt die öffentliche Gesundheit vor ein neues Problem. Nur wenn ein genaues Bild der Situation vorliegt, ist die Handlungsfähigkeit gesichert. Daher sind eine gemeinschaftliche Überwachung der durch Lebensmittel übertragbaren Krankheiten und Zoonosen sowie die Einführung einheitlicher Meldebestimmungen erforderlich. Die daraus abgeleiteten Informationen werden es der Kommission erleichtern, Ziele festzulegen und wirksamere Maßnahmen zur Verringerung der Prävalenz von Zoonosen zu treffen.

Bestehende Seuchentilgungs- und Kontrollprogramme wie die für Tuberkulose und Brucellose sind fortzusetzen und, wenn möglich, zu verstärken, insbesondere in denjenigen Mitgliedstaaten, in denen die Situation bei diesen Krankheiten noch problematisch ist. Besondere Aufmerksamkeit sollte auf die Bekämpfung der Hydatiose und der Brucella melitensis in den Mittelmeerregionen gerichtet werden. Die Informationen über die Zoonose-Überwachung müssen besser genutzt werden, um bessere Programme auf EU-Ebene festlegen zu können.

In diesem Weißbuch werden Vorschläge vorgelegt, die speziell darauf abzielen, die Tiergesundheit und die artgerechte Tierhaltung lediglich insoweit zu fördern, als die Politik der Lebensmittelsicherheit unmittelbar betroffen ist. Die Kommission ist sich der Tatsache bewußt, daß Fragen der Tiergesundheit und der artgerechten Tierhaltung in einem größeren Zusammenhang von Bedeutung sind. Im Rahmen dieses Weißbuchs wird anerkannt, daß Fragen der artgerechten Tierhaltung in der Lebensmittelpolitik stärkere Berücksichtigung finden müssen. Insbesondere die Auswirkungen auf Qualität und Sicherheit der zum Verzehr bestimmten Erzeugnisse tierischen Ursprungs müssen in den Rechtsvorschriften ihren Niederschlag finden.

71. Die meisten Rechtsvorschriften betreffend BSE/TSE sind auf Ad-hoc-Basis in Form von Schutzmaßnahmen erlassen worden. Die Annahme solcher Maßnahmen bedarf definitionsgemäß nicht der Beteiligung aller Gemeinschaftsorgane. Diese Maßnahmen gewähren auch kein völlig kohärentes Vorgehen. Die Kommission hat dieses Problem zur Sprache gebracht, indem sie dem Europäischen Parlament und dem Rat einen umfassenden Vorschlag gemäß Artikel 152 EG-Vertrag vorgelegt hat. Dieser Vorschlag umfaßt alle Maßnahmen zur Bekämpfung von BSE und anderen transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE). Bis zur Annahme dieses Vorschlags werden Dringlichkeitsmaßnahmen getroffen, um in der Zwischenzeit ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören dabei Vorschriften über die unschädliche Beseitigung von spezifiziertem Risikomaterial zusammen mit einer vorläufigen Klassifzierung gemäß dem BSE-Status, eine stärkere epidemiologische Überwachung durch das Testen bestimmter Tiere mit erhöhtem Risiko (Falltiere, Notschlachtungen) sowie eine Aktualisierung der Futtermittel- und Ausfuhrverbote unter Heranziehung der jüngsten wissenschaftlichen Gutachten.

Darüber hinaus ist die Kommission der Auffassung, daß weitere Tests zur Feststellung der BSE-Inzidenz in der gesamten Union wünschenswert sind. Dies hängt natürlich von der Verfügbarkeit geeigneter Schlachtkörper-Tests ab. Die Kommission wird dies aktiv verfolgen und im Lichte der Entwicklungen Vorschläge für geeignete Testprogramme unterbreiten.

Hygiene

Ein koordinierter und ganzheitlicher Ansatz im Bereich der Hygiene ist ein wesentliches Element der Lebensmittelsicherheit.

72. Die Gemeinschaft hat im Laufe der Zeit umfassende Bestimmungen über die Lebensmittelhygiene erlassen. Hierzu gehören mehr als 20 Rechtsakte, die die Unbedenklichkeit der erzeugten und in Verkehr gebrachten Lebensmittel sicherstellen sollen. Diese Bestimmungen wurden allerdings als vereinzelte Reaktionen auf die Erfordernisse des Binnenmarkts unter Berücksichtigung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus angenommen. Dies hat zu einer Reihe unterschiedlicher Hygieneregelungen geführt - je nachdem, ob die Lebensmittel tierischen oder pflanzlichen Ursprungs sind - , die nur aus historischen Gründen zu rechtfertigen sind. Dabei blieben auch einige Bereiche von den Bestimmungen unberücksichtigt, wie die Erzeugung von Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs im landwirtschaftlichen Betrieb (Primärproduktion). Es soll eine neue umfassende Verordnung vorgeschlagen werden, mit der die geltenden Rechtsvorschriften so neugefaßt werden, daß sie in der gesamten Lebensmittelherstellungskette für Klarheit und Kohärenz sorgen. Das Leitmotiv bei der Neufassung der Hygienevorschriften ist die Tatsache, daß die Betreiber von Lebensmittelunternehmen die volle Verantwortung für die Unbedenklichkeit der von ihnen erzeugten Lebensmittel tragen. Gefahrenanalysen, die Anwendung der Kontrollgrundsätze sowie die Einhaltung der Hygienevorschriften auf allen Ebenen der Lebensmittelkette müssen diese Unbedenklichkeit gewährleisten. Die Kommission wird prüfen, wie kleinen und mittleren Unternehmen am besten geholfen werden kann, diese Vorschriften anzuwenden, insbesondere durch die Förderung der Leitlinienerarbeitung. Zudem soll ein Verfahren für die Festlegung mikrobiologischer Kriterien und, falls erforderlich, von Zielen für die Lebensmittelsicherheit eingeführt werden.

Kontaminanten und Rückstände

Für Kontaminanten und Rückstände sind Grenzwerte festzulegen und zu überwachen.

73. Unter den Begriff "Kontaminanten" fallen herkömmlicherweise Stoffe, die Lebensmitteln nicht absichtlich zugesetzt werden. Sie können aus einer Umweltkontamination stammen oder auf landwirtschaftliche Verfahren sowie die Produktion, Verarbeitung, Lagerung, Verpackung und Beförderung oder auf betrügerische Praktiken zurückzuführen sein. Spezielle EU-Vorschriften existieren nur für eine Reihe von Kontaminanten, obwohl es auf einzelstaatlicher Ebene viele Maßnahmen gibt. Dies führt de facto zu einer Diskrepanz der Maßnahmen zum Schutz der Verbrauchergesundheit in der EU, aber auch zu praktischen Problemen für Kontrollbehörden und die Industrie. Wie schwerwiegend diese Diskrepanz ist, hat sich in der Dioxin-Krise gezeigt, bei der im Rahmen der Schutzmaßnahmen Ad-hoc-Grenzwerte festgelegt wurden, die nur für Erzeugnisse belgischen Ursprungs galten. Daher ist es offenkundig erforderlich, gemeinsame Grenzwerte für Kontaminanten über die gesamte Lebensmittelherstellungskette hinweg vom Futtermittel bis zum Lebensmittel festzulegen. Vorrang kommt dabei der Schaffung der wissenschaftlichen Grundlage für die Festlegung dieser Grenzwerte zu.

74. Manche Stoffe, die in Lebensmitteln enthalten sind, wurden absichtlich verwendet. Dies gilt zum Beispiel für Schädlingsbekämpfungsmittel, deren Rückstände in Lebensmitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs zu finden sind, und für Tierarzneimittel, deren Rückstände in Lebensmitteln tierischen Ursprungs zu finden sind. Die Gemeinschaft hat Rechtsvorschriften zur Festsetzung von Hoechstgrenzen für Rückstände solcher Stoffe in Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen erlassen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Einhaltung dieser Grenzwerte zu überwachen; die entsprechenden Auflagen sind jedoch nicht einheitlich, und die Überwachung wird unterschiedlich gehandhabt. Außerdem gibt es eine begrenzte Zahl von zugelassenen Laboratorien, die die Überwachung in den Mitgliedstaaten durchführen. Was Schädlingsbekämpfungsmittel angeht, strebt die Kommission an, schrittweise Grenzwerte für alle Verbindungen von Schädlingsbekämpfungsmitteln mit Grunderzeugnissen festzusetzen. Es sollen Maßnahmen zur Behebung von Mängeln bei der Überwachung und der Laboruntersuchung getroffen werden.

Zur Zeit ist eine große Zahl von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf dem Markt, die auf Gemeinschaftsebene noch nicht evaluiert worden sind. Bis zur Evaluation wird für immer neue Schädlingsbekämpfungsmittel die Marktzulassung beantragt. Das Zulassungsverfahren für Schädlingsbekämpfungsmittel muß daher beschleunigt werden. Gleichzeitig ist die Überprüfung der Zulassung vorhandener Schädlingsbekämpfungsmittel zu rationalisieren, damit Produkte, über deren Unbedenklichkeit keine Daten vorliegen oder Zweifel bestehen, beseitigt werden. Auf diese Weise wird der Einsatz unbedenklicherer Schädlingsbekämpfungsmittel gefördert.

Allerdings wird die Durchführung der Risikobewertung für die Zulassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln dadurch beeinträchtigt, daß ausreichende, genaue Daten über die Ernährungsgewohnheiten fehlen. Um diese Lücke zu fuellen, wird eine größere Studie zur Errichtung einer Datenbank über die Ernährungsgewohnheiten durchgeführt; diese Datenbank wird auch ein wesentliches Instrument für die Risikobewertung anderer Schadstoffe, Zusatzstoffe usw. darstellen.

75. Rechtsvorschriften über die radioaktive Kontamination von Futter- und Lebensmitteln werden gemäß Artikel 31 Euratom-Vertrag und im Falle von Einfuhren gemäß Artikel 133 des Vertrags erlassen. In diesem Zusammenhang werden die nach Tschernobyl erlassenen Rechtsvorschriften ständig überprüft.

Neuartige Lebensmittel (Novel Food)

Die gemeinschaftlichen Bestimmungen über neuartige Lebensmittel müssen verschärft und rationeller gestaltet werden.

76. Die Verfahren für die Marktzulassung neuartiger Lebensmittel (d.h. Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die noch nicht zum Verzehr verwendet worden sind, insbesondere solche, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus diesen hergestellt worden sind), sollten klarer und transparenter gestaltet werden. Ausnahmen von diesen Bestimmungen sind zu überprüfen. Deshalb wird die Kommission eine Durchführungsverordnung annehmen, mit der die in der Novel-Food-Verordnung (EG) Nr. 258/97 festgelegten Verfahren klargestellt werden, und zu gegebener Zeit wird sie auch einen Vorschlag zur Verbesserung dieser Verordnung im Einklang mit dem überprüften Rechtsrahmen für die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen gemäß der Richtlinie 90/220/EWG vorlegen. Darüber hinaus müssen die Kennzeichnungsvorschriften ergänzt und harmonisiert werden.

Zusatzstoffe, Aromastoffe, Verpackung und Bestrahlung

Die geltenden gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über Zusatzstoffe, Aromastoffe, Verpackung und Bestrahlung müssen aktualisiert und ergänzt werden.

77. Die Rechtsvorschriften über Lebensmittelzusatzstoffe und Aromen sind in mehrerlei Hinsicht abzuändern. Erstens sollten der Kommission die Durchführungsbefugnisse übertragen werden, damit sie die gemeinschaftlichen Verzeichnisse zulässiger Lebensmittelzusatzstoffe beibehält, und der Status der Enzyme sollte geklärt werden. Zweitens sind die gemeinschaftlichen Verzeichnisse der Farbstoffe, Süßungsmittel und anderer Zusatzstoffe zu aktualisieren. Drittens müssen die Reinheitskriterien für Süßungsmittel, Farbstoffe und andere Zusatzstoffe ergänzt und geeignete Reinheitskriterien für Lebensmittelzusatzstoffe neuartigen Ursprungs festgelegt werden. Zudem wird die Kommission einen Bericht über die Aufnahme von Lebensmittelzusatzstoffen veröffentlichen. Spezifische Maßnahmen in bezug auf Aromen haben sich bisher auf chemisch definierte Stoffe konzentriert. Es bedarf weiterer Arbeiten zur Berücksichtigung der Innovationen in diesem Bereich und der neuen Erkenntnisse über toxikologische Auswirkungen von in Aromen naturgemäß enthaltenen Stoffen. Die Kommission wird das Verzeichnis der Aromen aktualisieren, ein Programm für ihre Evaluation aufstellen und ein Verzeichnis der für die Verwendung in Aromen zulässigen Zusatzstoffe festlegen.

78. Die Kommission wird auch in Erwägung ziehen, den Gemeinschaftsrahmen für Stoffe, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, zu ändern, um die Verwaltung dieses Bereichs und die Kennzeichnungsvorschriften zu verbessern. Gliederung und Transparenz der Richtlinien über Kunststoffe sollen verbessert werden, und es wird erwogen, diese Bestimmungen auf Oberflächenbeschichtungen auszuweiten. Was Materialen angeht, für die noch keine Harmonisierung erfolgt ist (Papier, Gummi, Metalle, Holz, Kork), wird die Kommission weiterhin mit den anderen europäischen Institutionen zusammenarbeiten, die auf diesem Gebiet tätig sind (CEN, Europarat).

79. Außerdem wird die Kommission eine Richtlinie zur Ergänzung des Verzeichnisses der Lebensmittel vorschlagen, die zur Bestrahlung zugelassen sind, und nähere Angaben über die in den Mitgliedstaaten betriebenen Bestrahlungs- einrichtungen sowie ein Verzeichnis der als gleichwertig anerkannten Einrichtungen in Drittländern veröffentlichen. Sie wird darüber hinaus eine Richtlinie über Bestandteile natürlicher Mineralwässer und über die Bedingungen für die Behandlung bestimmter natürlicher Mineralwässer mit ozonangereicherter Luft ausarbeiten.

Sofortmaßnahmen

Die Möglichkeit, Schutzmaßnahmen zu treffen, ist ein wesentliches Instrument bei der Bewältigung von alarmierenden Situationen im Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit.

80. Die Dioxinkrise hat gezeigt, daß der derzeitige Rahmen nicht konsistent genug ist, um Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn ein Risiko für die Verbrauchergesundheit erkannt wird. Die Kommission hat zur Zeit kein Rechtsinstrument, mit dessen Hilfe sie auf eigene Initiative eine Schutzmaßnahme im Bereich der Futtermittel oder der Verarbeitungserzeugnisse nichttierischen Ursprungs, die aus einem der Mitgliedstaaten stammen, treffen könnte. Die Verfahrensweisen für die Annahme von Schutzmaßnahmen sind je nach Sektor unterschiedlich. Die einzige Möglichkeit, Diskrepanzen zu beheben und Lücken zu schließen, besteht darin, ein einziges Dringlichkeitsverfahren für alle Arten von Futter- und Lebensmitteln, ungeachtet ihres geographischen Ursprungs, anzunehmen. Hierzu wird die Kommission einen umfassenden Vorschlag für Rechtsvorschriften vorlegen.

Der Entscheidungsprozeß

Der Entscheidungsprozeß muß vereinfacht und rationeller gestaltet werden, um Wirksamkeit, Transparenz und Schnelligkeit sicherzustellen.

81. Die EU-Rechtsvorschriften im Lebensmittelbereich stützen sich auf verschiedene Bestimmungen des EG-Vertrags: Artikel 95 bei Maßnahmen, die sich auf die Vollendung oder das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken (ausgehend von einem hohen Gesundheits- und Verbraucherschutzniveau), Artikel 152 bei Maßnahmen im Bereich Veterinärwesen und Pflanzenschutz, die unmittelbar den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zum Ziel haben, Artikel 153 in bezug auf den Verbraucherschutz und Artikel 37, in dem landwirtschaftliche Aspekte vorherrschen. Je nach Rechtsgrundlage werden die Maßnahmen vom Rat im Mitentscheidungsverfahren zusammen mit dem Europäischen Parlament oder auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung des Europäischen Parlaments angenommen.

Gemäß Artikel 202 EG-Vertrag überträgt der Rat der Kommission in den von ihm angenommenen Rechtsakten die Befugnisse zur Durchführung der Vorschriften, die er erläßt, außer in spezifischen Fällen, in denen er sich vorbehalten kann, Durchführungsbefugnisse selbst auszuüben. Eine solche Übertragung der Zuständigkeit sollte es der Kommission in der Regel ermöglichen, die bei ihr eingegangenen wissenschaftlichen Gutachten rasch umzusetzen, indem sie die entsprechenden Rechtsvorschriften ändert oder entsprechende Entscheidungen erläßt. In einigen Fällen (insbesondere bei Lebensmittelzusatzstoffen) sind der Kommission noch nicht die Durchführungsbefugnisse übertragen worden, was leider dazu geführt hat, daß die Aktualisierung von Positivlisten zulässiger Stoffe (erforderlich für die Zulassung eines neuen Stoffs, für das Verbot der Verwendung eines zugelassenen Stoffs oder für die Änderung der Verwendungsbedingungen für einen zugelassenen Stoff) nach Erstellung des wissenschaftlichen Gutachtens mehrere Jahre dauern kann.

82. In den Fällen, in denen der Kommission die Durchführungsbefugnisse übertragen worden sind (beispielsweise bei Aromen, Extraktionslösungsmitteln, Kontaminanten, Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln, Stoffen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, diätetischen, bestrahlten oder tiefgefrorenen Lebensmitteln), ist der gegenwärtige Entscheidungsprozeß für die Umsetzung der wissenschaftlichen Gutachten in Rechtsvorschriften oder Entscheidungen in einigen Fällen unbefriedigend: die Verfahren sind uneinheitlich und langwierig, es sind unterschiedliche Ausschüsse beteiligt, es gelten unterschiedliche Verfahrensweisen, und die Ressourcen sind knapp und unregelmäßig verteilt.

83. Alle Verfahren, die das EU-Lebensmittelrecht zur Durchführung und Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt vorsieht, müssen überprüft werden. Zu diesem Zweck ist die Zahl der Ausschüsse, die mit der der Kommission übertragenen Rechtsetzung und der Annahme einzelner Entscheidungen beauftragt sind, zu reduzieren und die Ausschußarbeit zu rationalisieren. Es sollte eine bessere Koordinierung eingeführt werden, um sicherzustellen, daß die Aspekte der Lebensmittelsicherheit als Kontinuum über die ganze Herstellungskette vom Erzeuger bis zum Verbraucher behandelt werden, indem ein einziges Regelungsverfahren für delegierte Rechtsetzung, ein einziges Verwaltungsverfahren für den Erlaß einzelner Entscheidungen und ein Dringlichkeitsverfahren für alle dringenden Fragen der Lebensmittelsicherheit angewendet werden. Die neuen Verfahren sollten mit dem jüngsten Komitologie-Beschluß im Einklang stehen.

84. Es sollten klare und strenge Fristen für die Erarbeitung von Änderungen oder Entscheidungen durch die Kommission, für die Entscheidungsfindung im Ständigen Ausschuß und für die Fertigstellung einer Änderung oder Entscheidung durch die Kommission gesetzt werden. Auf allen Ebenen des Regelungsverfahrens ist für größere Transparenz zu sorgen. Informations- und Kommunikationstechnologien sollten in großem Umfange eingesetzt werden, um die Erstellung und die Verfolgung von Änderungen und Entscheidungen zu automatisieren und ihre Verteilung an alle Betroffenen zu beschleunigen.

KAPITEL 6: KONTROLLEN

Es werden umfassende Rechtsvorschriften vorgeschlagen, um die verschiedenen Kontrollbestimmungen neuzufassen. Dabei wird der allgemeine Grundsatz berücksichtigt, daß alle Glieder der Lebensmittelkette amtlichen Kontrollen unterzogen werden müssen.

Entwicklung der EU-Rechtsvorschriften

85. In verschiedenen Teilen der EU-Rechtsetzung wurden über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren Rechtsvorschriften über amtliche Kontrollen auf einzelstaatlicher wie auf gemeinschaftlicher Ebene erarbeitet. Auch wenn diese Rechtsakte die gleichen Ziele verfolgen, sind ihre Ansätze im Hinblick auf die Durchführung der Kontrollen unterschiedlich. Sie enthalten auch Abweichungen, die eine unvollständige Rechtsgrundlage für die Durchführung amtlicher Kontrollen sowohl in den Mitgliedstaaten als auch in Drittländern zur Folge haben. Die geltenden Rechtsvorschriften für Lebensmittelkontrollen müssen klargestellt und aktualisiert werden, um sicherzustellen, daß sie alle Stufen der Produktion abdecken. Außerdem müssen bestimmte detaillierte Bestimmungen über die Fleischbeschau überprüft werden, da sie den modernen Lebensmittelsicherheitsverfahren nicht mehr entsprechen.

86. Die geltenden Rechtsvorschriften umfassen ein System, in dem die Mitgliedstaaten Gebühren erheben können, um die Kosten für die Kontrollen von Erzeugnissen tierischen Ursprungs zu decken. Die Mitgliedstaaten können die Einführer für die Kontrolle einer Reihe von Erzeugnissen tierischen und nichttierischen Ursprungs auf die Einhaltung der im Zuge des Tschernobyl-Unfalls erlassenen Rechtsvorschriften mit Abgaben belegen. Die Höhe der zwischen und innerhalb der Mitgliedstaaten erhobenen Gebühren ist unterschiedlich. Zudem gibt es keine Rechtsgrundlage für ein vergleichbares System, das auf Kontrollen von Futtermitteln und Lebensmitteln nichttierischen Ursprungs anzuwenden wäre.

87. Bei der Überprüfung dieser Rechtsvorschriften wird auch diese fehlende Einheitlichkeit bei der Festsetzung und Erhebung von Gebühren und Abgaben für Kontrollen berücksichtigt werden. Was die Vorschriften für das Personal und die Ausstattung betrifft, sollten auf EU-Ebene gemeinsame Ziele festgelegt werden; gleichzeitig sollte gewährleistet sein, daß die Gebühren ausschließlich zur Finanzierung der Kontrollen verwendet werden.

Kontrollen der Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften durch die Betriebe

88. Die Verantwortung für eine sichere Lebensmittelproduktion liegt gleichermaßen bei den Betreibern der Lebensmittelunternehmen, den einzelstaatlichen Behörden und der Europäischen Kommission. Die Betreiber der Lebensmittelunternehmen tragen die Verantwortung für die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen und für die Minimierung des Risikos auf eigene Initiative. Die einzelstaatlichen Behörden sind dafür verantwortlich, sicherzustellen, daß die Standards der Lebensmittelsicherheit von den Betreibern der Lebensmittelunternehmen eingehalten werden. Sie müssen Kontrollsysteme schaffen, die sicherstellen, daß die gemeinschaftlichen Regelungen beachtet und erforderlichenfalls durchgesetzt werden. Diese Systeme sind auf Gemeinschaftsebene zu entwickeln, um ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten.

89. Um die Wirksamkeit dieser Kontrollsysteme sicherzustellen, führt die Kommission mit Hilfe des Lebensmittel- und Veterinäramts ein Kontroll- und Inspektionsprogramm durch. Bei diesen Inspektionen wird die Leistung der einzelstaatlichen Behörden anhand ihrer Fähigkeit bewertet, wirksame Kontrollsysteme anzubieten und zu betreiben. Dies wird durch Besuche in den einzelnen Betrieben unterstützt, bei denen überprüft wird, ob tatsächlich akzeptable Standards eingehalten werden.

90. Die jüngsten Krisen im Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit haben Mängel in den einzelstaatlichen Kontrollsystemen deutlich gemacht. Kern des Problems ist das Fehlen eines harmonisierten gemeinschaftlichen Vorgehens bei der Konzipierung und Entwicklung einzelstaatlicher Kontrollsysteme.

91. Somit besteht ein eindeutiger Bedarf an einem Gemeinschaftsrahmen für einzelstaatliche Kontrollsysteme, mit dem die Qualität der Kontrollen auf Gemeinschaftsebene verbessert und folglich die Standards der Lebensmittelsicherheit in der gesamten Europäischen Union angehoben werden. Die operative Durchführung solcher Kontrollsysteme bliebe in einzelstaatlicher Verantwortung. Dieser Gemeinschaftsrahmen hätte drei Kernelemente:

- Das erste Element bilden auf Gemeinschaftsebene festgelegte operationelle Kriterien, die die einzelstaatlichen Behörden erfuellen müßten. Vor allem anhand dieser Kriterien würden die zuständigen Behörden vom Lebensmittel- und Veterinäramt überprüft, wodurch ein konsistenter, vollständiger Ansatz zur Überprüfung der einzelstaatlichen Systeme entwickelt werden könnte.

- Das zweite Element bestände in der Erarbeitung von gemeinschaftlichen Kontroll-Leitlinien. Diese würden dazu dienen, kohärente einzelstaatliche Strategien zu fördern und risikobasierte Prioritäten sowie die wirksamsten Kontrollverfahren zu ermitteln. Eine Gemeinschaftsstrategie würde einen umfassenden, integrierten Ansatz bei der Durchführung von Kontrollen ermöglichen. Diese Leitlinien wären auch hilfreich bei der Entwicklung von Systemen zur Erfassung der Leistungsfähigkeit und der Ergebnisse der Kontrollmaßnahmen sowie bei der Festsetzung von gemeinschaftlichen Leistungsindikatoren.

- Das dritte Element wäre eine stärkere administrative Zusammenarbeit bei der Entwicklung und der operativen Durchführung von Kontrollsystemen. Es gäbe eine stärkere Gemeinschaftsdimension beim Austausch bewährter Verfahren zwischen den einzelstaatlichen Behörden. Dazu würde auch die Förderung gegenseitiger Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten durch die Integration und Vervollständigung des bestehenden Rechtsrahmens gehören. Des weiteren würden dabei Fragen wie Aus- und Fortbildung, Informationsaustausch und längerfristiges strategisches Denken auf Gemeinschaftsebene abgedeckt.

92. Die Entwicklung dieses allgemeinen Gemeinschaftsrahmens für einzelstaatliche Kontrollsysteme wäre eindeutig eine Aufgabe, die die Kommission und die Mitgliedstaaten gemeinsam angehen sollten. Dabei werden die Erfahrungen des Lebensmittel- und Veterinäramtes von entscheidender Bedeutung sein.

93. Seit der Schaffung des Binnenmarkts ist die Bedeutung wirksamer und harmonisierter Gesundheitskontrollen an den Außengrenzen der Europäischen Union deutlich geworden. Das derzeitige System auf der Grundlage der Grenzkontrollstellen, die einzelnen Behörden der Mitgliedstaaten unterstehen, erstreckt sich nur auf Erzeugnisse tierischen Ursprungs. Außerdem gibt es in diesem System kein ausreichend koordiniertes Vorgehen bei Grenzkontrollen. Die Rechtsgrundlage für derartige Kontrollen muß alle Erzeugnisse erfassen und ein wirkungsvolleres Kontrollsystem auf Gemeinschaftsebene ermöglichen.

94. Es ist zu erwägen, ob der Kommission zusätzliche Befugnisse übertragen werden müssen, um die Verstoßverfahren zu erleichtern, wenn Kontrollen eine signifikante Nichteinhaltung der EU-Vorschriften ergeben haben. Dies muß angesichts unmittelbarer Risiken für die Verbrauchergesundheit insbesondere eine rasche Handlungsfähigkeit ermöglichen und auf wirksamen und transparenten Folgemaßnahmen im Anschluß an die Inspektionsbesuche beruhen. Erforderlichenfalls sollte es ebenso möglich sein, eine gemeinschaftliche finanzielle Unterstützung zurückzustellen oder bereits gezahlte Fördermittel zurückzuverlangen.

KAPITEL 7: VERBRAUCHERAUFKLÄRUNG

Risikokommunikation

Die Risikokommunikation sollte keine passive Weitergabe von Informationen sein, sondern interaktiv in Form eines Dialogs mit allen Beteiligten erfolgen und deren Feedback umfassen.

95. Risikokommunikation besteht in einem Informationsaustausch zwischen den Beteiligten über die Art des Risikos und die Maßnahmen zu dessen Beherrschung. Es handelt sich dabei um einen grundlegenden Zuständigkeitsbereich des öffentlichen Sektors beim Umgang mit Risiken für die öffentliche Gesundheit. Er kann nur dann richtig funktionieren, wenn Entscheidungen zur Risikobewertung und zum Risikomanagement transparent und öffentlich zugänglich sind. Seit 1997 verfolgt die Kommission einen neuen Ansatz, um Transparenz sicherzustellen, indem sie der Öffentlichkeit alle Informationen über die wissenschaftlichen Gutachten und über Inspektionen und Kontrollbesuche zugänglich macht. Diese Politik ist ein Kernelement der Risikokommunikation und entscheidend für das Vertrauen der Öffentlichkeit; sie muß daher aktiv verfolgt werden.

96. Bei allen Aspekten der Lebensmittelsicherheit ist es von wesentlicher Bedeutung, daß der Verbraucher in vollem Umfange beteiligt wird und man seinen Interessen Rechnung trägt durch

- die Anhörung der Öffentlichkeit zu allen Aspekten der Lebensmittelsicherheit,

- die Schaffung eines Diskussionsforums (öffentliche Anhörungen) für wissenschaftliche Sachverständige und Verbraucher,

- die Erleichterung des länderübergreifenden Verbraucherdialogs sowohl auf europäischer als auch auf globaler Ebene.

97. Es ist wichtig, alle Schritte der politischen Entscheidung in uneingeschränkter Offenheit zu unternehmen. Wie gut ein neues System auch immer sein mag, ohne diese Transparenz werden die Verbraucher nicht in der Lage sein, die Erarbeitung neuer Maßnahmen zu verfolgen und die mit ihnen verbundenen Verbesserungen voll zu würdigen. Transparenz wird die nötige sorgfältige Prüfung durch die Öffentlichkeit zur Folge haben und demokratische Kontrolle sowie Verantwortlichkeit sicherstellen.

98. Schließlich ist ein proaktiverer Ansatz bei der Information über unvermeidbare Risiken für bestimmte Bevölkerungsgruppen erforderlich. Frauen im gebärfähigen Alter, Schwangere, Kleinkinder, ältere und immungeschädigte Menschen sollten aktiver vor den möglichen Risiken bestimmter Lebensmittel gewarnt werden.

Etikettierung und Werbung

Den Verbrauchern sind wesentliche, korrekte und genaue Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie Entscheidungen in Kenntnis der Sachlage treffen können.

99. Verbindliche Etikettierungsvorschriften müssen daher sicherstellen, daß der Verbraucher Kenntnis der Produkteigenschaften erhält, die die Wahl, Zusammensetzung, Lagerung und Verwendung eines Produkts bestimmen. Die Betreiber von Lebensmittelunternehmen sollten weitere Informationen auf dem Etikett angeben dürfen, sofern diese Informationen korrekt und nicht irreführend sind.

Innerhalb der WTO ist die Etikettierung in vielen verschiedenen Bereichen, einschließlich der Lebensmittelsicherheit, in bezug auf die TBT- und SPS-Übereinkommen zu einem handelspolitischen Thema geworden. Die Gemeinschaft hat angegeben, daß sie multilaterale Leitlinien für die Etikettierung erarbeiten will. Diese Leitlinien sollten dazu dienen, unnötigen Rechtsstreit zu vermeiden. Dies ist für die Gemeinschaft von besonderem Interesse angesichts unseres Standpunkts zum Recht des Verbrauchers auf Information.

100. Im Anschluß an die laufende Kodifizierung der Etikettierungs-Richtlinie beabsichtigt die Kommission, eine neue Änderung vorzuschlagen, mit der die derzeitige Möglichkeit abgeschafft würde, die Bestandteile von zusammengesetzten Lebensmittelzutaten nicht anzugeben, wenn sie weniger als 25% des Endprodukts ausmachen. Die vollständige Angabe der Zutaten auf dem Etikett wird nicht nur die optimale Information des Verbrauchers über die Zusammensetzung eines Lebensmittelerzeugnisses gewährleisten, sondern gleichzeitig auch die erforderliche Information derjenigen Verbraucher sicherstellen, die aus gesundheitlichen oder ethischen Gründen bestimmte Zutaten meiden müssen oder wollen. In diesem Zusammenhang ist das Problem der Rückstände von Zusatzstoffen noch zu erwägen. Darüber hinaus wird die Angabe von Zutaten, die als Allergene bekannt sind, bei denen jedoch nur die Bezeichnung der Kategorie anzugeben ist, als zulässig betrachtet, um es Allergikern zu ermöglichen, dieses Erzeugnis zu meiden.

101. Gemäß der Etikettierungs-Richtlinie ist es untersagt, einem Lebensmittel die Eigenschaft zuzuschreiben, einer Erkrankung vorzubeugen, sie zu behandeln oder zu heilen, bzw. auf eine solche Eigenschaft zu verweisen. Die Kommission ist weiterhin der Auffassung, daß die Etikettierung und die Werbung für Lebensmittel keine derartigen Behauptungen über gesundheitliche Wirkungen enthalten dürfen. Es ist natürlich richtig, daß eine ausgewogene Ernährung eine Voraussetzung für die Gesundheit darstellt, jedoch könnten Behauptungen, denen zufolge der Verzehr eines Lebensmittels einer Krankheit vorbeugen, sie behandeln oder heilen könnte, den Verbraucher in Wirklichkeit zu einer einseitigen Ernährung verleiten. Die Kommission wird jedoch prüfen, ob spezifische Bestimmungen in das EU-Recht aufgenommen werden sollten, die "wirkungsbezogene Behauptungen" regeln (beispielsweise Behauptungen über positive Auswirkungen eines Nährstoffs auf bestimmte normale Körperfunktionen) und "närhwertbezogene Behauptungen" (beispielsweise solche über das Vorhandensein, Fehlen oder die Menge eines in einem Lebensmittel enthaltenen Nährstoffs oder über seinen Wert im Vergleich zu ähnlichen Lebensmitteln). Des weiteren wird die Kommission prüfen, ob es notwendig ist, die Bestimmungen der Richtlinie über die Etikettierung von Lebensmitteln den Verbraucherbedürfnissen und -erwartungen anzupassen.

102. Ergänzend zum Ansatz bei der Etikettierung von Lebensmitteln sollten die dem Verbraucher zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe gegen irreführende Werbeaussagen auf die obengenannten Arten von Behauptungen erweitert werden. Die Kommission wird hierzu einen Vorschlag unterbreiten, um die Richtlinie über irreführende Werbung abzuändern, und sie wird dafür sorgen, daß die Vorschriften für Werbung und Etikettierung in bezug auf Behauptungen einen kohärenten legislativen Rahmen bilden.

103. Ferner wird die Kommission prüfen, ob bei dieser Gelegenheit spezifische Etikettierungsvorschriften für bestimmte Arten von Lebensmitteln zu ändern oder einzuführen sind. Spezifischen Regelungen, wie der obligatorischen Angabe des Ursprungs von frischem Obst, die den Verbraucher besser über diese Produkte informieren, stehen die allgemeinen Regelungen nicht entgegen. Die Kommission wird auch die Vorschriften für die Kennzeichnung neuartiger Lebensmittel (Novel Food) klarer fassen, insbesondere, was aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellte Produkte betrifft, und eine Initiative bezüglich der Kennzeichnung von Zusatzstoffen ergreifen, die gentechnisch hergestellt wurden, sowie zur Kennzeichnung von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten, die nicht gentechnisch hergestellt wurden.

Ernährung

Der Verbraucher interessiert sich zunehmend für den Nährwert der von ihm erworbenen Lebensmittel, und es erweist sich als immer notwendiger, dem Verbraucher korrekte Informationen über die von ihm verzehrten Lebensmittel an die Hand zu geben.

104. Die Sicherstellung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit beschränkt sich nicht auf die chemische, biologische und physikalische Sicherheit der Lebensmittel. Sie sollte auch darauf abzielen, die Aufnahme essentieller Nährstoffe sicherzustellen und gleichzeitig die Aufnahme anderer Stoffe, einschließlich Nährstoffantagonisten, zu begrenzen, um unerwünschte gesundheitliche Auswirkungen zu vermeiden. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist eine angemessene und abwechslungsreiche Ernährung ein sehr wichtiger Faktor für die Erhaltung der Gesundheit und des allgemeinen Wohlbefindens. Dies trifft wohl insbesondere heute zu, da neue Arten von Produkten mit modifiziertem Nährwert auf den Markt gebracht werden, die das Verhalten und Wohlbefinden der Verbraucher positiv oder negativ beeinflussen können. Darüber hinaus sind dem Verbraucher klare Informationen, die ihm eine korrekte Auswahl ermöglichen würden, nicht systematisch zugänglich.

105. Was diätetische Lebensmittel betrifft (d. h. Lebensmittel, die die besonderen Ernährungsanforderungen bestimmter Bevölkerungsgruppen erfuellen sollen), wird die Kommission eine spezifische Richtlinie über Lebensmittel für intensive Muskelanstrengungen ("Sportlernahrung") ausarbeiten. Ferner wird sie einen Bericht über Lebensmittel für Diabetiker erarbeiten und die Voraussetzungen für die Angaben "natriumarm", "natriumfrei" und "glutenfrei" festlegen. Die Kommission wird dem Europäischen Parlament und dem Rat zudem zwei Vorschläge für Richtlinien über Nahrungsergänzungsmittel (d. h. konzentrierte Nährstoffquellen wie Vitamine und Mineralien) und angereicherte Lebensmittel (d. h. Lebensmittel, die mit Nährstoffen angereichert worden sind) vorlegen. Schließlich sind noch Reinheitskriterien für Nährstoffe festzulegen, die Lebensmitteln zu bestimmten Ernährungszwecken zugesetzt werden oder die in Nahrungsergänzungsmitteln und mit Nährstoffen angereicherten Lebensmitteln enthalten sind.

106. Eine Reihe von Gemeinschaftsmaßnahmen wurden im Zuge des Vierten und Fünften Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung durchgeführt. Diese Maßnahmen könnten Anhaltspunkte für die Ernährungspolitik liefern. Die Kommission erwägt die Konzeption einer umfassenden und kohärenten Ernährungspolitik und wird zu diesem Zweck einen Aktionsplan vorlegen.

107. Einige Aspekte, auf die in diesem Weißbuch eingegangen wird, gelten auch für die Erarbeitung einer Ernährungspolitik. Die erfolgreiche Umsetzung einer Ernährungspolitik erfordert insbesondere eine leistungsfähige Überwachung, Datenerhebung und -analyse. Daher sollten die Informationen über die Nahrungsaufnahme, Ernährungsgewohnheiten und Nährwerte in einzelstaatliche und gemeinschaftliche Datenerhebungssysteme aufgenommen werden. Zudem sollten Studien und Forschungsarbeiten zur Ernährung gefördert werden, wissenschaftliche Gutachten sollten aktiv in Auftrag gegeben und deren Ergebnisse transparent zugänglich gemacht werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Ernährungspolitik ist die effiziente und korrekte Verbraucherinformation. In dieser Hinsicht spielt die Richtlinie über die Nährwertkennzeichnung eine Rolle. Es sollten besondere Anstrengungen zur Schaffung von geeigneten Informationsinstrumenten, einschließlich der Nährwertkennzeichnung, aber auch Informationskampagnen unternommen werden. Es sollen Empfehlungen des Rates für Ernährungsleitlinien vorgeschlagen werden. Schließlich ist eine angemessene Information der Verbraucher sicherzustellen.

Kapitel 8: Die internationale Dimension

Zentraler Grundsatz für die Einfuhr von Lebens- und Futtermitteln ist, daß sie mindestens denselben Gesundheitsschutzanforderungen genügen müssen, wie die Gemeinschaft sie für ihre eigene Produktion festgelegt hat.

108. Die Gemeinschaft ist weltweit der größte Importeur und Exporteur von Lebensmitteln, wobei der Handel mit Ländern rund um den Globus eine immer größere Vielfalt von Lebensmitteln umfaßt. Folglich kann die Lebensmittelsicherheit nicht mehr nur als ein Aspekt interner Politik angesehen werden. Genau die gleichen Überlegungen wie bei Zoonosen, Kontaminationen und anderen Problemen gelten auch für den internationalen Handel mit Lebensmitteln, ob diese nun in die Gemeinschaft eingeführt oder aus der Gemeinschaft ausgeführt werden. Um diese Anforderungen zu erfuellen, müssen wir gemäß unseren Verpflichtungen im Rahmen der Welthandelsorganisation unsere Maßnahmen auf internationale Normen gründen oder, soweit wir dies nicht tun, diese wissenschaftlich rechtfertigen. Ist der wissenschaftliche Kenntnisstand unzureichend, sind vorläufige Maßnahmen auf der Grundlage der verfügbaren einschlägigen Informationen möglich.

109. Der internationale Regelungsrahmen für Lebensmittelsicherheit hat mit der stärkeren Rolle internationaler Organisationen und Übereinkommen ein hohes Niveau erreicht - Codex Alimentarius, Internationales Tierseuchenamt, WTO-Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS-Übereinkommen), Weltgesundheitsorganisation (WHO), Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) .

110. Die Gemeinschaft beteiligt sich aktiv im SPS-Ausschuß und in anderen WTO-Ausschüssen, um dafür Sorge zu tragen, daß der internationale Rahmen das Recht der Länder fördert und verteidigt, ein hohes Gesundheitsschutzniveau in bezug auf die Lebensmittelsicherheit zu wahren. In diesem Zusammenhang strebt die Gemeinschaft an, den bestehenden WTO-Rahmen für die Anwendung des Vorsorgeprinzips bei der Lebensmittelsicherheit klarer zu gestalten und zu stärken, insbesondere im Hinblick darauf, ein gemeinsames Konzept für das Vorgehen nach diesem Grundsatz zu finden. Die Festlegung eines globalen Ansatzes im Bereich der Lebensmittelsicherheit gemäß dem vorliegenden Weißbuch wird die Rolle der Gemeinschaft in der WTO stärken helfen.

Einige Drittländer arbeiten mit Argumenten des Gesundheits- und Pflanzenschutzes ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage, um Lebensmitteln aus der Gemeinschaft den Zugang zu ihren Märkten zu verwehren. Das SPS-Übereinkommen sieht das Recht vor, die Risikobewertung anzufordern, auf die sich eine solche Drittlandmaßnahme stützt. Solche Risikobewertungen sollten umgehend sorgfältig analysiert, Fehler und Schwächen aufgedeckt und das Konsultationsverfahren gemäß dem SPS-Übereinkommen eingeleitet werden.

111. Der Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Codex Alimentarius und zum Internationalen Tierseuchenamt wird mit Nachdruck vorangetrieben.

112. Die Verbraucher in aller Welt haben einen Anspruch darauf, daß aus der Gemeinschaft ausgeführte Lebensmittel denselben hohen Standards entsprechen, wie sie innerhalb der Gemeinschaft gelten. Das für aus der Gemeinschaft ausgeführte Produkte geltende Niveau der Lebensmittelsicherheit muß daher mindestens dem für innerhalb der Gemeinschaft auf den Markt gebrachte Produkte entsprechen. Ob hierzu die Einführung von Exportbescheinigungen der Gemeinschaft erforderlich ist, wird geprüft werden.

113. Die Gemeinschaft hat bereits eine Reihe bilateraler internationaler Abkommen über Gesundheitsschutzmaßnahmen abgeschlossen, in denen auch die Gleichwertigkeit der Gesundheitsschutzmaßnahmen der Drittländer anerkannt wird. Die Möglichkeit weiterer Abkommen wird geprüft. Dazu gehört auch die Notwendigkeit der technischen Zusammenarbeit und der Kooperation bei FTE mit Drittländern. Um die Verpflichtungen aus dem SPS-Übereinkommen erfuellen zu können, muß die Gemeinschaft sicherstellen, daß alle Rechtsakte zu SPS-Maßnahmen die Möglichkeit vorsehen, die Gleichwertigkeit auch auf Einzelfallbasis anzuerkennen.

114. Weitere Abkommen mit Nachbarländern, beispielsweise Norwegen, der Schweiz und Andorra, in denen diese den gemeinschaftlichen Besitzstand hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit und anderer Forderungen des Gesundheits- und Pflanzenschutzes übernehmen, werden ausgehandelt werden.

115. Im Hinblick auf künftige Erweiterungen der Gemeinschaft ist es von wesentlicher Bedeutung, daß die Beitrittskandidaten die wichtigsten Grundsätze des Vertrags umsetzen und Rechtsvorschriften für Lebensmittelsicherheit sowie entsprechende Kontrollsysteme schaffen, die den in der Gemeinschaft geltenden gleichwertig sind. Dies bedeutet für diese Länder eine große Herausforderung, sowohl hinsichtlich der Modernisierung ihrer Produktions- und Verarbeitungskapazitäten als auch bei der Einführung der erforderlichen Rechtsvorschriften und Überwachungsregelungen. Die bestehenden Unterstützungsregelungen der Gemeinschaft werden den Kandidatenländern, soweit erforderlich, Hilfe bei der Ausarbeitung der erforderlichen Rechtsvorschriften leisten, einschließlich der Schaffung einschlägiger Institutionen zur Umsetzung und Durchsetzung dieser Vorschriften, in Übereinstimmung mit den in der Beitrittspartnerschaft festgelegten Prioritäten.

Kapitel 9: Schlussfolgerungen

116. Die Durchführung der in diesem Weißbuch vorgeschlagenen Maßnahmen wird es erlauben, die Lebensmittelsicherheit in einer stärker koordinierten und integrierten Weise zu organisieren, um ein Hoechstmaß an Gesundheitsschutz zu erreichen.

Die einschlägigen Rechtsvorschriften werden überprüft und angepaßt, soweit dies notwendig ist, um sie kohärenter, umfassender und zeitgemäßer zu gestalten. Die Durchsetzung dieser Vorschriften auf allen Ebenen wird gefördert.

Die Kommission ist der Ansicht, daß die Schaffung einer neuen Behörde, die als wissenschaftliche Zentralstelle für die gesamte Union fungieren soll, zu einem hohen Schutzniveau der Verbrauchergesundheit beitragen und damit letztlich auch das Vertrauen der Verbraucher wiederherstellen wird.

117. Der Erfolg der in diesem Weißbuch vorgeschlagenen Maßnahmen ist unmittelbar abhängig von der Unterstützung durch das Europäische Parlament und den Rat. Für die Umsetzung ist das Engagement der Mitgliedstaaten erforderlich. Das Weißbuch ruft auch dazu auf, die Betreiber der Lebensmittelunternehmen in hohem Maße einzubinden, da es in erster Linie ihre Aufgabe ist, im täglichen Betrieb die Bestimmungen der Lebensmittelsicherheit anzuwenden.

Größere Transparenz auf allen Ebenen der Lebensmittelsicherheitspolitik ist die Leitidee, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Weißbuch zieht; sie wird in entscheidender Weise dazu beitragen, das Vertrauen der Verbraucher in die EU-Politik im Bereich Lebensmittelsicherheit zu stärken.

ANHANG

Aktionsplan "Lebensmittelsicherheit" [4]

[4] Dieser Aktionsplan umfaßt nicht alle laufenden Maßnahmen, die sich aus den gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen ergeben.

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