51999DC0619

Mitteilung der Kommission an den Rat über "fairen Handel" /* KOM/99/0619 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT über "fairen Handel"

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT

über "fairen Handel"

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Das Konzept des fairen Handels

3. Wie arbeitet der faire Handel in der Praxis-

3.1. Traditionelle Fair-Trade-Bewegung

3.2. Zertifizierung (Gütesiegel)

3.3. Dachverbände für fairen Handel

4. Fairer Handel in der Europäischen Union

4.1. Wirtschaftliche Tätigkeit

4.2. Politische Maßnahmen

4.3. Verbraucherinteresse

5. Maßnahmen der EU zur Förderung des fairen Handels

5.1. Finanzielle Unterstützung von Fair-Trade-Organisationen

5.2. Sonstige finanzielle Unterstützung

5.3. Rechtsvorschriften

5.4. Verwandte Tätigkeiten (ethischer Handel/Verhaltenskode)

6. Fairer Handel, WTO und Wachstum des Welthandels

7. Überlegungen zur weiteren Förderung des fairen Handels durch die EU

1. Einleitung

Nach Artikel 177 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft fördert die Gemeinschaft mit ihrer Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit

- "die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer, insbesondere der am meisten benachteiligten Entwicklungsländer,

- die harmonische, schrittweise Eingliederung der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft,

- die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern."

Fairer Handel ist ein Modell für Entwicklung durch Handelsbeziehungen und verbesserte Wirtschaftsmöglichkeiten, mit denen die Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern überbrückt und eine bessere Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft gefördert werden kann. Fair-Trade-Initiativen geben den Verbrauchern die Möglichkeit, durch ihre Kaufentscheidungen zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Entwicklungsländern beizutragen.

Mit der vorliegenden Mitteilung entspricht die Kommission der Aufforderung des Parlaments (Bericht Fassa) und ihrer Zusage auf der Tagung des Rates vom Juni 1998, einen Bericht über fairen Handel vorzulegen.

Die Mitteilung beschreibt das Konzept des fairen Handels und gibt eine Übersicht über die derzeitige Situation. Sie soll als Diskussionsgrundlage für Überlegungen dienen, wie die EU die Entwicklung des fairen Handels fördern und damit zu den Hauptzielen ihrer Entwicklungspolitik in Artikel 177 des Vertrags beitragen könnte.

Diese Mitteilung bedeutet einen ersten Schritt zur Bestimmung der Position der Kommission in bezug auf fairen Handel und dessen Einbeziehung in die bestehenden Gemeinschaftspolitiken.

2. Das Konzept des fairen Handels

Das Konzept des fairen Handels hat sich in den westlichen Industrieländern seit etwa 40 Jahren aus der wachsenden Erkenntnis entwickelt, daß das Handels- und Wirtschaftswachstum nicht zwangsläufig allen Ländern und Bevölkerungsschichten in der Welt gleichermassen zugute kommt.

Ziel des fairen Handels ist es, den Erzeugern einen Preis zu zahlen und einen Anteil am Gesamtgewinn zu sichern, der einem angemessenen Ertrag für ihre Vorleistungen an fachlicher Kompetenz, Arbeit und Ressourcen entspricht. Dies geschieht normalerweise durch die Vereinbarung eines fairen Preises, der von den jeweiligen Fair-Trade-Teilnehmern fallweise ausgehandelt wird. Soweit es internationale Preis-abkommen gibt (z.B. für Kaffee und Kakao), wird ein Mindestpreis festgelegt, der den Erzeugern für ihre Waren einen höheren Erlös als den Weltmarktpreis gewährleistet. Dies ermöglicht es den Erzeugern wiederum, ihre Produktionsverfahren und Arbeits-bedingungen zugunsten der Bauern und Arbeiter sowie der Umwelt zu verbessern.

Fairer Handel bietet den Erzeugern in Entwicklungsländern bessere Erträge und Absatzmöglichkeiten für ihre Waren. Auf diese Weise kann der faire Handel zur Steigerung des Sozial- und Umweltschutzniveaus in den Entwicklungsländern beitragen. Die Bürger in der EU sind durch europäische und einzelstaatliche Rechtsvorschriften über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Umweltschutz, Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschützt. In vielen Entwicklungsländern gibt es noch keine entsprechenden gesetzlichen Regelungen (z.B. grundlegende Arbeitsnormen, wie sie in der IAO-Erklärung vom 18. Juni 1998 über grundlegende Rechte bei der Arbeit niedergelegt sind), und selbst wenn sie existieren, lassen sie sich unter den gegebenen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Verhältnissen bisweilen nur schwer durchsetzen. Der faire Handel versucht diese Situation zu verbessern, indem er eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung und ein nachhaltiges, basisorientiertes Wachstum fördert. Durch fairen Handel sollen auch einige der Disparitäten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern abgebaut werden, die über die Jahrzehnte durch den relativen Rückgang der Rohstoffpreise, insbesondere bei Agrarerzeugnissen entstanden sind.

Der faire Handel kommt besonders landwirtschaftlichen und handwerklichen Kleinerzeugern in den Entwicklungsländern zugute, denn sie leben oft in abgelegenen ländlichen Gebieten, und ihre eigene Produktion ist für den direkten Export meist nicht groß genug. Dadurch sind sie beim Verkauf ihrer Erzeugnisse wie bei der Aufnahme von Krediten auf Zwischenhändler angewiesen. In manchen Fällen haben sie sich aus dieser Abhängigkeit gelöst und eigene Handelsgenossenschaften gegründet, in denen sie ihre Ressourcen und Betriebsanlagen gemeinsam nutzen können, bisweilen mit gemeinnützigen Einrichtungen wie Kliniken und Schulen. Alternative Handelsorganisationen (siehe Abschnitt 3) können beim erfolgreichen Aufbau solcher Genossenschaften eine entscheidende Hilfestellung leisten, indem sie einen Fair-Trade-Preis zahlen und die Genossenschaft in verschiedener Weise unterstützen, so bei der Anerkennung als Exporteur oder materiell wie durch den Erwerb eines Faxgeräts.

Initiativen für fairen Handel können Vorschußzahlungen an die Produzenten oder längerfristige vertragliche Regelungen umfassen. Dadurch werden die Einkommen stabilisiert, Planungen und Investitionen erleichtert, und die Erzeuger können besser über die Verarbeitung und Vermarktung ihrer Produktion entscheiden. Fair-Trade-Regelungen können ferner die Möglichkeit vorsehen, daß ein Teil der Erlöse für kapazitätsbildende Maßnahmen wie die Gründung von Erzeugergemeinschaften (siehe oben) oder wertsteigernde Einrichtungen (z.B. zur Verarbeitung von Kaffeebohnen) verwendet werden. Dabei ist zu betonen, daß die Gewinne beim fairen Handel der jeweiligen Bevölkerung insgesamt zugute kommen und nicht der Bereicherung Einzelner dienen sollen.

Das Konzept des fairen Handels gilt vornehmlich für den Handel zwischen Entwicklungsländern und industrialisierten Ländern. Es ist nicht direkt relevant für in der EU hergestellte Waren, bei denen soziale und ökologische Standards bereits gesetzlich geregelt sind. Für alle Produkte, Hersteller und Arbeitnehmer in der EU ist das Arbeits- und Umweltschutzniveau mindestens ebenso hoch wie nach den Kriterien für Fair-Trade-Produkte.

Die Fair-Trade-Initiativen gehen auf private Organisationen zurück. Sie sind nachfrageorientiert, indem sie sich auf die Kaufentscheidung der Verbraucher stützen und nicht den Handel zu steuern oder den Marktzugang in bestimmten Ländern zu regulieren versuchen. Dies gibt den Verbrauchern die Möglichkeit, Lebensstandard und Lebensqualität der Produzenten in den Entwicklungsländern durch ein nachhaltiges, marktorientiertes Konzept zu fördern.

Der Begriff des fairen Handels kann als eine Form des ethischen Handels verstanden werden, doch steht er gewöhnlich für Handelsbeziehungen, bei denen die wirtschaftliche Position kleiner Erzeuger und Landbesitzer gestärkt wird, die sonst in normalen Handelsstrukturen marginalisiert würden. Der Begriff des ethischen Handels hingegen gilt eher für Maßnahmen (z.B. Verhaltenskode) von multinationalen Unternehmen in Entwicklungsländern, mit denen sie ihre ethische und soziale Verantwortung gegenüber Arbeitnehmern oder anderen Partnern zeigen wollen.

3. Wie arbeitet der faire Handel in der Praxis-

Fair-Trade-Erzeugnisse werden dem Verbraucher über verschiedene Vertriebswege angeboten, die alle auf private Initiativen zurückgehen. Meistens erfolgt der Absatz durch die traditionelle Fair-Trade-Bewegung (einschl. alternativen Handelsorganisationen) und Zertifizierungsverbände. Doch können auch einzelne Unternehmen oder Einzelhandelsbetriebe, die keiner bestimmten Organisation angehören, Ansprüche des fairen Handels für einige oder alle ihrer Produkte geltend machen.

3.1. Traditionelle Fair-Trade-Bewegung

Das Konzept des fairen Handels wurde ursprünglich von humanitären Organisationen entwickelt, die sich mit Handel und Entwicklung befassen. Die ersten Initiativen waren alternative Handelsorganisationen oder 'Fair-Trade-Geschäfte'. Häufig von Kirchen oder Wohlfahrtsverbänden gegründet, sind manche inzwischen zu eigenständigen Unternehmen herangewachsen.

Der traditionelle Fair-Trade-Vertrieb beruht auf der Anwendung der Kriterien des fairen Handels in den geschäftlichen Beziehungen mit Erzeugern und Lieferanten aus Entwicklungsländern. Die importierenden Organisationen wählen Produkte aus, beziehen sie und vertreiben sie über verschiedene Wege an die Verbraucher, z.B. durch Direktverkauf in 'Weltläden', andere Verbände, kirchliche Gruppierungen oder Versandhandel.

Alle Aspekte ihrer Geschäftstätigkeit richten sich nach den ethischen Grundsätzen des fairen Handels, und vom Endverkaufspreis wird soviel wie möglich an die Erzeuger weitergegeben. In vielen Fällen werden die Gewinne für Entwicklungsprojekte eingesetzt, doch es gibt auch Handelsgeschäfte herkömmlicher Art. Die meisten Produkte, die durch Weltläden vertrieben werden, sind nicht besonders gekennzeichnet, ihr Verkauf erfolgt auf Vertrauensbasis. Dem Verbraucher bietet der 'Markenname' bzw. die Identität dieser Organisationen die Gewähr, daß ihre Produkte und Geschäftspraktiken den Grundsätzen des fairen Handels entsprechen. Die Organisationen haben jedoch auch feste Kriterien und überwachen meist deren Einhaltung selbst oder durch ihre Partner in den Entwicklungsländern.

3.2. Zertifizierung (Gütesiegel)

Ein weiterer Vertriebsweg, der sich seit seinen Anfängen im Jahr 1988 in den Niederlanden stetig entwickelt hat, sind zertifizierte Gütezeichen für fairen Handel. Dabei werden herkömmliche Vertriebsstrukturen genutzt, um Fair-Trade-Produkte einem breiteren Verbraucherkreis zugänglich zu machen. Deshalb gibt es hier keine so enge Vertrauensbeziehung zwischen Produzenten und Vertrieb wie bei der traditionellen Fair-Trade-Bewegung. Die Produkte werden durch herkömmliche Unternehmen importiert und im normalen Einzelhandel verkauft, doch sind sie mit einem Fair-Trade-Siegel gekennzeichnet, das von einer Zertifizierungsstelle vergeben wird und dem Verbraucher signalisiert, daß die Herstellung und Vermarktung nach den Grundsätzen des fairen Handels erfolgt. In der EU gibt es vier Fair-Trade-Siegel: "MaxHavelaar", "Transfair", "FairtradeMark" und "Rättvisemärkt". Die entsprechenden Zertifizierungsorganisationen sind in dem Dachverband FLO (Fair Trade Labelling Organisations International) zusammengeschlossen, der die Koordinierung auf europäischer und internationaler Ebene übernimmt.

Die Zertifizierungsstellen setzen Kriterien fest, die erfuellt sein müssen, damit ein Produkt das Fair-Trade-Siegel tragen kann. Diese Kriterien sind international harmonisiert und beruhen auf völkerrechtlichen Bestimmungen wie den Übereinkommen der IAO (Internationale Arbeitsorganisation) und den Empfehlungen der UN-Agenda 21. Sie umfassen Aspekte wie Beschäftigungsbedingungen, Schutz der Ökosysteme oder Kontrollen zur Verhinderung der Wasserbelastung durch Pestizide. Derzeit werden für jedes Produkt spezifische Kriterien aufgestellt, um die jeweiligen Besonderheiten der Herstellung und Vermarktung zu berücksichtigen.

Produzenten und Händler können bei einer Zertifizierungsstelle beantragen, daß ihre Produkte deren Fair-Trade-Siegel führen dürfen. Dieses wird für Produkte vergeben, die bei Erzeugern in Entwicklungsländern bezogen wurden, nachdem sich die Zertifizierungsstelle davon überzeugt hat, daß ihre Kriterien bei der Herstellung und Vermarktung erfuellt sind. Produzenten und bei ihrer eigenen Geschäftstätigkeit , die den Kriterien für fairen Handel genügen, werden in ein internationales Register aufgenommen. Handelsunternehmen, die Fair-Trade-Produkte vertreiben wollen, müssen diese von zertifizierten Quellen beziehen und bei ihrer Geschäftstätigkeit den betreffenden Kontrollvorschriften nachkommen.

Die Zertifizierungsstellen sind für die laufende Überwachung bei den Produzenten, Importeuren und Händlern verantwortlich, um die strenge Einhaltung der Kriterien des fairen Handels zu gewährleisten.

Das Zertifizierungssystem wird über Lizenzgebühren der vertreibenden Importeure und Händler finanziert, die sich nach dem jeweiligen Umsatz- und Verkaufsvolumen richten. Die Zertifizierungsstellen sollen sich prinzipiell selbst tragen, damit ein zusätzlicher Gewinn für die angeschlossenen Produzenten abfällt. Dies ist jedoch nur gesichert, wenn sie ein ausreichendes Handelsvolumen erreichen, denn die Registrier- und Lizenzgebühren dürfen nicht zu hoch angesetzt werden, damit die Zertifizierung für Importeure und Händler wirtschaftlich tragbar bleibt. Deshalb decken die Einkünfte der Zertifizierungsstellen zunächst oft nicht ihre Betriebskosten, und viele sind auf finanzielle Hilfe von staatlichen Stellen oder humanitären Organisationen angewiesen.

Das Fair-Trade-Siegel erscheint auf der Verpackung der Produkte und bescheinigt, daß die Kriterien des fairen Handels bei der Herstellung und Vermarktung erfuellt sind. Die Auszeichnung mit dem Fair-Trade-Siegel erfolgt zusätzlich zu den generellen Etikettierungsvorschriften über Beschaffenheit oder Herkunft der Erzeugnisse.

3.3. Dachverbände für fairen Handel

NEWS (Network of European World Shops) wurde 1994 als Dachverband der Weltläden aus 13 europäischen Ländern (darunter alle EU-Mitgliedstaaten ausser Luxemburg, Portugal und Griechenland. Die Schweiz ist auch Mitglied) gegründet. Nicht alle Weltläden gehören einem Verband an. Je nach Land gibt es einen oder mehrere Verbände bzw. Einzelgruppierungen, in denen alle oder nur ein Teil der Weltläden zusammengeschlossen sind. Die Weltläden sind nicht nur Verkaufsstellen, sondern fördern auch das Bewusstsein für fairen Handel durch verschiedene Aktivitäten (z.B. Tage des fairen Handels), die von NEWS koordiniert werden.

EFTA (European Fair Trade Association) wurde 1987 als informeller Verband gegründet und 1990 offiziell als Europäische Stiftung eingetragen. Sie vertritt 12 Importeure aus neun europäischen Ländern (acht EU-Mitgliedstaaten: Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Spanien, Vereinigtes Königreich, sowie die Schweiz). Die Weltläden beziehen ihre Produkte meist über Importeure aus ihrem Mitgliedstaat, die mit ihnen verbunden sein können. Auf EFTA entfallen 60% des Umsatzes im Fair-Trade-Geschäft.

IFAT (International Federation for Alternative Trade) wurde 1989 von alternativen Handelsorganisationen in Afrika, Asien, Australien, Japan, Europa, Nord- und Südamerika gegründet. IFAT ist ein gemeinsamer Verband zur Förderung des fairen Handels und des Informationsaustauschs zwischen landwirtschaftlichen und handwerklichen Produzenten in den Entwicklungsländern sowie Handelsorganisationen in Industrie- und Entwicklungsländern.

FLO (Fair Trade Labelling Organisations International) wurde 1997 gegründet und ist verantwortlich für die Koordinierung zwischen den Fair-Trade-Zertifizierungsstellen, die Aufstellung internationaler Standardkriterien für die einzelnen Erzeugnisse und die gemeinsame Überwachung ihrer Einhaltung seitens der Händler und Produzenten. In diesem Dachverband sind die unabhängigen Fair-Trade-Zertifizierungsorgane zusammengeschlossen, die auf einzelstaatlicher Ebene arbeiten. Die bestehenden vier Organe (s.oben) sind in zwölf Mitgliedstaaten vertreten und führen ein gemeinsames Produktregister der Erzeugerorganisationen (300 Erzeuger aus 29 Ländern).

NEWS, EFTA, und IFAT sind mit der traditionellen Fair-Trade-Bewegung verbunden, während FLO nur für die Zertifizierung zuständig ist. Zwischen der traditionellen Fair-Trade-Bewegung und den Zertifizierungsorganen besteht jedoch eine enge Beziehung, denn rund 50% der Produkte mit Fair-Trade-Siegel werden über alternative Vertriebswege (Weltläden oder Versandhandel) vermarktet. Überdies werden durch die koordinierende Tätigkeit des Weltladennetzes auf lokaler Ebene die Fair-Trade-Siegel unterstützt und gefördert, die allein nicht die nötigen Strukturen und Mittel für eine angemessene Verkaufsförderung haben.

1998 schlossen sich diese Organisationen wiederum zu FINE zusammen, einem informellen Verband zum Informationsaustausch, zur Koordination der Tätigkeiten und zur Aufstellung gemeinsamer Kriterien.

4. Fairer Handel in der Europäischen Union

4.1. Wirtschaftliche Tätigkeit

Ursprünglich wurden die in Europa angebotenen Fair-Trade-Produkte überwiegend durch alternative Handelsorganisationen importiert und über besondere Verkaufsstellen wie 'Weltläden' vertrieben. Diese Organisationen sind nach wie vor ein wichtiger Vertriebsweg und stellen einen hohen Anteil des Gesamtumsatzes der Fair-Trade-Produkte. Die meisten Läden werden von freiwilligen Mitarbeitern betreut. In Europa gibt es über 3 000 Weltläden und 70 000 Verkaufsstellen mit etwa 100 000 Mitarbeitern. Sie spielen alle eine bedeutsame Rolle bei der Bewusstseinsbildung über Entwicklungszusammenarbeit und fairen Handel. In allen EU-Mitgliedstaaten, in denen es Fair-Trade-Siegel gibt (d.h. ausser Spanien, Portugal und Griechenland), hat das Konzept auch Eingang in den normalen Einzelhandel gefunden, und Fair-Trade-Produkte werden in Supermärkten angeboten. Manche Produkte unter der 'Hausmarke' von Supermärkten führen das Fair-Trade-Siegel.

In der EU werden im fairen Handel (alternative Handelsorganisationen und Fair-Trade-Siegel) vor allem Kaffee, handwerkliche Produkte (einschließlich Bekleidung und Textilien), Tee, Schokolade, Trockenfrüchte, Honig, Zucker und Bananen verkauft. Fair-Trade-Siegel gibt es bislang für Kaffee, Kakao, Tee, Bananen, Zucker und Honig. Der Gesamtumsatz von Fair-Trade-Produkten in der EU wurde 1997 auf 200 bis 250 Mio. EUR (1994: rund 175 Mio. EUR) geschätzt.

Auf Lebensmittel entfallen etwa 60% des Einzelhandelsumsatzes, davon wiederum knapp die Hälfte auf Kaffee. Am gesamten Kaffeemarkt in der EU macht dies jedoch nur etwa 2% aus. Bei Bananen, einem noch verhältnismässig neuen Fair-Trade-Produkt, beträgt dieser Anteil etwa 0,2%.

4.2. Politische Maßnahmen

Neben der wirtschaftlichen Tätigkeit gab es in den letzten Jahren in der EU zunehmend politische Initiativen zum fairen Handel. Im Januar 1994 verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung zu einem fairen und solidarischen Nord-Süd-Handel [1], in der es Maßnahmen der EG zur Förderung des fairen Handels, eine gezielte Finanzierung und die Einbeziehung des Konzepts des fairen Handels in die Gemeinschaftspolitik zur Entwicklung und Zusammenarbeit forderte. Ebenfalls 1994 befürwortete die Kommission in einer Mitteilung über alternativen Handel die Förderung des fairen Handels im Süden wie im Norden. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß begrüsste im April 1996 in einer Stellungnahme zur Initiative für ein europäisches Fair-Trade-Zeichen [2] die Entwicklung von Fair-Trade-Siegeln und forderte die Kommission auf, eine besondere Haushaltslinie zur Förderung des fairen Handels einzuführen. Dieselbe Forderung stellte im Juli 1998 das Europäische Parlament in seiner Entschließung zum fairen Handel (Bericht Fassa) [3], in der noch einige weitere Maßnahmen der Kommission zur Förderung des fairen Handels vorgeschlagen wurden.

[1] EP A3-0373/93, PE 206.396.

[2] WSA 538/96 E/as.

[3] EP A4-0198/98, PE 225.945.

Über das generelle Interesse am fairen Handel hinaus haben Politiker, Verbände und Interessengruppen dieses Thema speziell für Bananen angesprochen. Die Kommission wurde sowohl vom Europäischen Parlament wie vom Ministerrat über ihre Absichten zur Förderung des fairen Handels bei Bananen befragt und hat die Prüfung entsprechender Maßnahmen zugesagt. Im Oktober 1997 verabschiedete die Paritätische Versammlung AKP-EU eine Entschließung, in der die Kommission aufgefordert wurde, die Vermarktung von Fair-Trade-Bananen in der EU zu fördern.

4.3. Verbraucherinteresse

Das öffentliche Interesse an Fair-Trade-Produkten lässt sich aus einer EUROBAROMETER-Erhebung erkennen, die 1997 im Auftrag der Kommission durchgeführt wurde. Insgesamt hatten 11% der EU-Bevölkerung bereits Fair-Trade-Produkte gekauft, wobei dieser Anteil in den einzelnen Mitgliedstaaten jedoch erheblich schwankte, zwischen nur 3% in Portugal und Griechenland und 49% in den Niederlanden.

Nach der Umfrage könnten sich nahezu drei Viertel (74%) der EU-Bevölkerung für Fair-Trade-Bananen entscheiden, wenn diese neben herkömmlichen Erzeugnissen in den Geschäften angeboten würden. Durchschnittlich 37% der Verbraucher wären bereit, für Bananen gleichwertiger Qualität, die nach den Kriterien des fairen Handels erzeugt wurden, 10% mehr als den normalen Preis zu zahlen.

Eine weitergehende Analyse der Umfrageergebnisse zeigte, daß Verbraucher bei schon vorhandenen Erfahrungen mit Fair-Trade-Produkten noch mehr geneigt sind, Fair-Trade-Bananen zu kaufen und einen höheren Preis zu zahlen. Neun von zehn Verbrauchern (93%), die bereits Fair-Trade-Produkte gekauft hatten, würden sich für Fair-Trade-Bananen entscheiden und sieben von zehn (70%) mindestens 10% mehr als den normalen Preis bezahlen.

Auch im Einzelhandel scheint sich zunehmend die Erkenntnis durchzusetzen, daß der Verbraucher gewisse Garantien über die Produktionsbedingungen der von ihm gekauften Waren wünscht.

5. Maßnahmen der EU zur Förderung des fairen Handels

5.1. Finanzielle Unterstützung von Fair-Trade-Organisationen

Die Kommission hat für Verbände in der EU und Erzeugerorganisationen in den Entwicklungsländern bereits einige Mittel zur Förderung des fairen Handels bewilligt. Diese Mittel wurden überwiegend aus den Haushaltslinien B7-6000 und teilweise B7-6200 bereitgestellt. Zur Zeit werden Maßnahmen für fairen Handel wie für ethischen Handel unter der gleichen Haushaltsbezeichnung (alternativer Handel) geführt.

Aus diesen Haushaltslinien wurden bislang Zuschüsse gewährt für

- Werbemaßnahmen der Fair-Trade-Siegel-Organisationen für neue Produkt-linien wie Kaffee, Kakao, Bananen und Orangensaft, hauptsächlich mit Kampagnen zur Aufklärung der Verbraucher und gezielten Informations-maßnahmen (die Kommission trägt inzwischen zur Finanzierung aller Zertifizierungsorganisationen in den Mitgliedstaaten bei),

- die Tätigkeiten alternativer Handelsorganisationen (Weltläden) je nach deren Bedarf (diese Organisationen befassen sich überwiegend mit dem Vertrieb der Produkte und werden von der Kommission beim Kapazitätsaufbau und bei Werbemaßnahmen unterstützt),

- die Informations-, Forschungs-, und Aufklärungstätigkeiten und Kampagnen von EFTA.

Daneben werden auch andere Organisationen gefördert, die nicht direkt mit Fair-Trade-Organisationen in Verbindung stehen, aber ebenfalls im Bereich des fairen Handels tätig sein können.

Ausser diesen Tätigkeiten in den Mitgliedstaaten unterstützt die Kommission auch Projekte in den Entwicklungsländern.

Die Anträge auf Förderung des fairen Handels und des ethischen Handels und der Anteil diesbezueglicher Projekte an den Gesamtausgaben haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. So wurden in den letzten fünf Jahren 9 Mio. EUR zur Förderung von Informationsmaßnahmen eingesetzt. 1997 bewilligte die Kommission 2 911 511 EUR aus der Haushaltslinie B7-6000 für 15 Projekte zur Sensibilisierung über fairen Handel. Für 1998 sind etwa 3,7 Mio. EUR für Projekte im Bereich des fairen Handels und des ethischen Handels angesetzt.

Die Kriterien für die Bewilligung von Ausgaben aus den obengenannten Haushaltslinien decken nicht das gesamte Spektrum von Maßnahmen für die Vermarktung von Fair-Trade-Produkten in der EU ab. So können generelle Werbemaßnahmen zur Aufklärung der Verbraucher über das Konzept des fairen Handels, nicht aber einzelne Produkte gefördert werden. Dadurch sind diese Haushaltslinien nur von begrenztem Nutzen für Organisationen, die Fair-Trade-Produkte auf dem EU-Markt einführen wollen, da hier ein grosser Teil des Gesamtbudgets auf die Werbung entfällt.

5.2. Sonstige finanzielle Unterstützung

In den letzten vier Jahren wurden drei Projekte für sozial verantwortlichen Verbrauch, u.a. im Rahmen von Faire-Trade-Inititiativen gefördert. Zwei dieser Projekte, die der Förderung des Verbraucherbewusstseins dienten, sind abgeschlossen. Das dritte Projekt, die Ausarbeitung eines Verbraucherleitfadens über "nachhaltiges" Einkaufsverhalten, soll im Jahresverlauf 1999 abgeschlossen sein. Diese Projekte werden mit insgesamt nahezu 140 000 EUR aus den Haushaltslinien B5-1000 und B5-1050 finanziert.

Für ein Programm zur Nahrungsmittelversorgung, medizinischen Betreuung, schulischen oder beruflichen Weiterbildung von Kindern, die in der pakistanischen Teppichindustrie arbeiten, hat die Kommission 990 000 EUR aus der Haushaltslinie B7-3000 bewilligt. Weitere 3 Mio. EUR sind für die künftige Fortschreibung dieses Programms angesetzt.

Für ähnliche Projekte in Nepal und Indien wurden 4 Mio. EUR aus der Haushaltslinie B7-7070 bewilligt.

Speziell für Bananen hat der Rat im April 1999 eine Verordnung zur Unterstützung der traditionellen AKP-Bananenlieferungen erlassen. In dieser Verordnung wird auch die Möglichkeit zur Finanzierung von Fair-Trade-Initiativen eingeräumt [4].

[4] Verordnung (EG) Nr. 856/1999 vom 22.4.1999, ABl. L 108 vom 27.4.1999, S. 2.

5.3. Rechtsvorschriften

Entsprechend dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Entwicklung steht die EU in der Verpflichtung, Umwelterwägungen in alle Bereiche der Gemeinschaftspolitik einzubeziehen. Nach den Leitlinien des Europäischen Rats in Kopenhagen will die EU auch grösseren Nachdruck auf die sozialen Aspekte der Globalisierung des Handels legen. Sie bemüht sich um echte Fortschritte bei der Verwirklichung des Ziels, die weltweiten Unterschiede in grundlegenden Sozialnormen auszugleichen.

Die EU hat diese Zielsetzungen in die Praxis umzusetzen begonnen, indem sie in ihre Aussenhandelsregelungen jetzt grundsätzlich handelspolitische Anreize zur Einhaltung arbeitsrechtlicher und ökologischer Mindeststandards aufnimmt.

Das Schema allgemeiner Zollpräferenzen (APS) der EU nach den Verordnungen (EG) Nr. 3281/94 und 1256/96 des Rates für gewerbliche Waren und landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in Entwicklungsländern sieht besondere Anreize in Form zusätzlicher Präferenzen für solche Länder vor, in denen bestimmte soziale oder ökologische Mindestbedingungen gesetzlich vorgeschrieben sind.

Nach den Bestimmungen dieser Verordnungen unterbreitete die Kommission dem Rat im Juni 1997 einen Bericht mit den Ergebnissen der Untersuchungen verschiedener internationaler Organisationen über die Zusammenhänge zwischen Welthandel, Sozialnormen und Umweltschutz (KOM(97) 260 endg.). Nach der Prüfung durch den Rat auf der Grundlage dieses Berichts unterbreitete die Kommission im Oktober 1997 einen Verordnungsvorschlag über zusätzliche Zollpräferenzen und die Anwendung der Sonderanreize zum Schutz der Arbeitnehmerrechte und der Umwelt. Der Rat hat die entsprechende Verordnung (EG) Nr. 1154/98 am 25. Mai 1998 erlassen.

Die Anreize zum Sozial- und Arbeitsschutz werden nur solchen Ländern gewährt, die den Bestimmungen der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 87, 98 und 138 über die Koalitionsfreiheit, das Recht auf Tarif-verhandlungen und das Beschäftigungsmindestalter nachkommen.

Das Zollpräferenzschema mit den allgemeinen und besonderen Anreizen wurde vom Rat im Dezember 1998 um weitere drei Jahre bis Ende 2001 verlängert [5].

[5] Verordnung (EG) Nr. 2820/98 vom 21.12.1998, ABl. L 357 vom 30.12.1998, S. 1.

Die Anreize zum Umweltschutz gelten für Länder, in denen die Kriterien der Internationalen Tropenholzorganisation (ITTO) erfuellt sind. Sie sind daher nur auf gewerbliche Produkte aus tropischen Hölzern und Agrarerzeugnisse aus Tropenwälder anwendbar, die nach ITTO-Normen bewirtschaftet werden, denn sie sind bislang die einzigen international anerkannten Umweltnormen auf diesem Gebiet.

5.4. Verwandte Tätigkeiten (ethischer Handel/Verhaltenskode)

Im Auftrag der Kommission hat die New Economics Foundation eine Untersuchung über die Verwendung von Sozialgütesiegeln als Kommunikationsmittel für ethischen Handel durchgeführt [6]. Die Ergebnisse wurden im November 1998 veröffentlicht. Die Untersuchung behandelt die verschiedenen Typen verwendeter Sozialsiegel, von Angaben einzelner Hersteller unter eigener Marke über anerkannte unabhängige Gütezeichen wie Fair-Trade-Siegel bis zu staatlich oder öffentlich anerkannten Kennzeichen wie dem EU-Ökosiegel, obgleich dies kein Sozialsiegel ist. Als Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Siegels werden u.a. Klarheit, Vertrauenswürdigkeit und Schlagkraft herausgestellt. Die Untersuchung kommt zu dem Schluß, daß 'Sozialgütesiegel eine von mehreren Möglichkeiten sind, um mit den Mitteln des Marktes einen positiven sozialen Wandel herbeizuführen' und 'eine Palette aus verschiedenen Maßnahmen zur Unterstützung des ethischen Handels einer staatlichen Politik vorzuziehen sei, die ausschließlich (oder überhaupt) auf die Entwicklung eines Sozialgütesiegels ausgerichtet ist'. Dabei wird unterstrichen, 'Sozialgütesiegel verdienten es, von der Europäischen Kommission unterstützt zu werden, insbesondere um das Verständnis für die mit den Gütesiegeln angesprochenen Fragen zu fördern'.

[6] 'Sozialgütesiegel: Werkzeuge für ethischen Handel' - Schlußbericht 1998, New Economics Foundation, Cinnamon House, 6-8 Cole Street, London, SE1 4HY, UK.

Die Unternehmen - insbesondere in den Sektoren Handel, Textilien und Bekleidung, Schuhe, Sportartikel, Spielzeug, aber auch Hersteller von Rohstoffen - sind sich dieser Fragen zunehmend bewusst, und viele haben bereits eigene Verhaltenskode eingeführt.

Zu den Initiativen auf europäischer Ebene seit 1995 zählen auch gemeinsame Erklärungen und Verhaltenskode über grundlegende Arbeitsschutznormen, auf die sich die Sozialpartner im Rahmen des sozialen Dialogs in verschiedenen Sektoren (Handel, Textilien und Bekleidung, Schuhe) geeinigt haben [7]. Am 20. Februar 1998 wurde in Brüssel ein gemeinsames Symposium über Verhaltenskode und Arbeitsschutznormen zwischen der EU und dem US Department of Labour abgehalten, das seinerseits am 10.-11. Dezember 1998 eine Folgeveranstaltung in Washington D.C. organisierte.

[7] 1995: 'Charta zur Kinderarbeit' der Sozialpartner der europäischen Schuhindustrie, CEC und EGV:TBL. Die Charta wurde 1997 aktualisiert und 1998 auf den Schuheinzelhandel im Einvernehmen mit dessen europäischem Dachverband CEDDEC und EURO-FIET ausgedehnt; 1996: 'Gemeinsame Erklärung zur Kinderarbeit' der Sozialpartner des Handels, EURO-COMMERCE und EURO-FIET; 1997: Verhaltenskodex der Sozialpartner des Textil- und Bekleidungssektors, EURATEX und ETUF:TCL, der die Bestimmungen der sechs grundlegenden IAO-Arbeitsübereinkommen übernimmt.

Bei einem Seminar, das die Kommission am 25. November 1998 veranstaltete, wurde die Notwendigkeit unterstrichen, bestehende Verhaltenskode zu überwachen, alle Betroffenen zu beteiligen und grundlegende Kriterien für einen gemeinsamen Verhaltenskodex auszuarbeiten. In einem Bericht des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit des Europäischen Parlaments wurde die Kommission aufgefordert, die Einrichtung einer Europäischen Überwachungsstelle zu prüfen (Bericht Howitt über EU-Standards für in Entwicklungsländern tätige europäische Unternehmen: zu einem Europäischen Verhaltenskodex und seiner Überwachung), deren Aufgaben zunächst vom Europäischen Parlament wahrgenommen werden sollten. Auch der Ausschuß für Aussenbeziehungen richtete die Aufforderung an die Kommission, ein Modell für einen Europäischen Verhaltenskodex auszuarbeiten (Bericht Sainjon). Die Berichte Sainjon und - mit einigen Änderungen und Ergänzungen - Howitt wurden vom Europäischen Parlament am 13. und 15. Januar 1999 angenommen.

6. Fairer Handel, WTO und Wachstum des Welthandels

Schon seit langem wurde erkannt, daß der Handel wesentlich zur Vermögensbildung beiträgt. Durch wachsenden Welthandel erhöht sich der Wohlstand insgesamt. Daher sahen sich die Handelsnationen der Welt seit geraumer Zeit zur Förderung des Welthandels und zum Abbau der Handelsschranken verpflichtet. Dies ermöglichte u.a. einigen ärmeren Ländern einen deutlichen Wirtschaftsaufschwung in verhältnismässig kurzer Zeit. Es ist ein ausdrückliches Ziel des multilateralen Handelssystems, daß die Liberalisierung auch entwicklungsschwächeren Ländern zugute kommt.

Der Abbau der Handelsschranken durch die verschiedenen GATT-Runden mündete 1995 in der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO), deren Vertragsparteien sich unter anderem folgende Ziele gesetzt haben:

"... Erhöhung des Lebensstandards, ... Sicherung der Vollbeschäftigung, ... optimale Nutzung der Hilfsquellen der Welt im Einklang mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung ..., in dem Bestreben, den Schutz und die Erhaltung der Umwelt und gleichzeitig die Steigerung der dafür erforderlichen Mittel zu erreichen, und zwar in einer Weise, die mit den ihrem jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklungsstand entsprechenden Bedürfnissen und Anliegen vereinbar ist,

in der Erkenntnis, daß es positiver Bemühungen bedarf, damit sich die Entwicklungsländer, insbesondere die am wenigsten entwickelten unter ihnen, einen Anteil am Wachstum des internationalen Handels sichern, der den Erfordernissen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung entspricht".

Die Kommission steht voll hinter den Aufgaben und Zielsetzungen der WTO. Offenere multilaterale Handelsbeziehungen bilden die Vorraussetzung, allen Ländern und ihren Bürgern einen wachsenden Wohlstand zu ermöglichen.

Bei der Liberalisierung des Handelssystems gab es jedoch Befürchtungen, daß die offeneren Handelsbedingungen nicht von allen Entwicklungsländern ausreichend genutzt werden könnten. Deshalb bekundeten die Unterzeichner der Erklärung von Marrakesch über die Gründung der WTO ihre Absicht, Handelswachstum und Investitionsmöglichkeiten in den am wenigsten entwickelten Ländern zu unterstützen und zu erleichtern, und die Auswirkungen der Ergebnisse der Uruguay-Runde auf empfindliche Volkswirtschaften zu überwachen.

Das Bestreben, die Produzenten in Entwicklungsländern am wirtschaftlichen Aufschwung und an den Vorteilen des globalen Handels teilhaben zu lassen, liegt auch dem Konzept des fairen Handels zugrunde.

Das Konzept des fairen Handels basiert auf freiwilliger Beteiligung. Die Nachfrage nach Fair-Trade-Produkten entsteht durch die Kaufentscheidungen der Verbraucher, und Produzenten und Händler, die sich dem Konzept anschließen wollen und hierfür die Bedingungen erfuellen, können die entsprechenden Produkte anbieten, woraus wiederum ein Gewinn für die Primärerzeuger entsteht.

Soweit die Fair-Trade-Initiativen privatwirtschaftlich und mit freiwilliger Beteiligung arbeiten, entspricht der faire Handel den Grundsätzen eines nichtdiskriminierenden multilateralen Handelssystems, da er keine Importbeschränkungen oder andere Formen des Protektionismus verlangt. Fair-Trade-Initiativen können als Markt-mechanismus wirken, der Produzenten wie Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten bietet, ihr Erfolg - besonders bei Fair-Trade-Produkten im normalen Einzelhandel - ist von der Marktnachfrage abhängig.

Sollten staatliche Regelungen des fairen Handels eingeführt werden, so müssten dabei die jeweiligen WTO-Verpflichtungen berücksichtigt werden, um insbesondere die Transparenz und Nichtdiskriminierung solcher Regelungen zu gewährleisten.

In nächster Zukunft wird eine neue Runde von Handelsverhandlungen im Rahmen der WTO beginnen. Die EU plädiert für eine umfassende Runde mit breiter und ausgewogener Tagesordnung, die alle WTO-Mitglieder anspricht. Sie wird besonders darauf achten, daß die weitere Handelsliberalisierung voll mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung vereinbar ist und weltweit zur Steigerung des Sozial- und Umweltschutzstandards beiträgt.

7. Überlegungen zur weiteren Förderung des fairen Handels durch die EU

· Wachstum des fairen Handels Obgleich sich die Fair-Trade-Bewegung jetzt unter dem Dach von FINE zusammengeschlossen hat, entwickeln sich die Initiativen für fairen Handel weiter auf verschiedenen Ebenen. Es gibt jedoch auch immer mehr Einzelunternehmen, die nicht mit diesen Organisationen verbunden sind und Ansprüche des fairen Handels mit Eigenangaben oder aufgrund eigener oder zusammen mit anderen Unternehmen entwickelter Verhaltenskode aufstellen. So muß die Entwicklung des fairen Handels und des ethischen Handels zusammenhängend betrachtet werden.

· Definition Manche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit fairem Handel sind darauf zurückzuführen, daß es bislang keine rechtliche Definition gibt, wodurch Mißbräuche nicht ausgeschlossen sind. Überdies einigte sich FINE erst in der Mitte des Jahres 1999 auf eine einheitliche Definition. Darüberhinaus gibt es noch kein einheitliches Gütezeichen oder Siegel zur Identifizierung von Fair-Trade-Produkten.

· Kriterien Die Kriterien für fairen Handel können je nach Produkten, Organisationen oder Unternehmen unterschiedlich sein. Die Fair-Trade-Bewegung, namentlich FINE, ist selbst um die Aufstellung gemeinsamer Kriterien bemüht. In der Entschließung des Europäischen Parlaments (Bericht Fassa) wurden Mindestkriterien für den fairen Handel vorgeschlagen. Mit der Zunahme von Fair-Trade-Ansprüchen und -Siegeln werden gemeinsame Leitlinien über die Kriterien für alle Beteiligten immer notwendiger. Die Kriterien sollten einerseits irreführende und unbegründete Angaben und Siegel verhindern helfen und anderseits die Beteiligung von Kleinerzeugern erleichtern. Als erster Schritt wäre zu erwägen, die Fair-Trade-Organisationen bei ihren Bemühungen um die Entwicklung gemeinsamer Kriterien für die Zertifizierung und Kennzeichnung zu unterstützen, um diese so transparent wie möglich und ihre Einhaltung überprüfbar zu machen.

· Verbraucherangebot: Kriterien und Überwachung Fair-Trade-Siegel und -Aussagen müssen sowohl ihren Zweck für die Produzenten aus den Entwicklungsländern erfuellen als auch die Verbraucher richtig informieren. Deshalb muß untersucht und geprüft werden, wie solche Aussagen und Siegel von den Fair-Trade-Organisationen selbst, von unabhängigen oder staatlichen Stellen belegt, überprüft und kontrolliert werden. Danach sind Möglichkeiten für weitere Verbesserungen bei der Überwachung, Überprüfung und Kontrolle der Aussagen und der Siegel zu erwägen, wobei die Kosten und Nutzen insbesondere in bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit der Fair-Trade-Produkte berücksichtigt werden müssen. So könnte für die nachträgliche Überprüfung und Kontrolle die Richtlinie über irreführende Werbung [8] herangezogen werden, um einen angemessenen Schutz für die Verbraucher zu gewährleisten. Ausserdem wäre ein externes Überwachungs- oder Zulassungssystem zu erwägen.

[8] Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. L 250 vom 19.9.1984.

· Verbraucherinformation Um das Konzept des fairen Handels weiter zu fördern, müssen die Verbraucher über das Angebot von Fair-Trade-Produkten und die Bedeutung der Fair-Trade-Siegel besser informiert werden.

· Freiwillige Beteiligung Die Beteiligung an Fair-Trade-Regelungen muß freiwillig bleiben.

· Vereinbarkeit mit der WTO Bei weiteren Maßnahmen zur Förderung des fairen Handels wird die EU ihre WTO-Verpflichtungen berücksichtigen müssen. Fair-Trade-Regelungen sollten als positiver und freiwilliger Handelsanreiz und als Mechanismus zur Verbesserung der Arbeits- und Umweltbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung wirken.

· Dialog mit der Fair-Trade-Bewegung Zur Diskussion über die in dieser Mitteilung behandelten Fragen und über die Förderung des fairen Handels durch die EU ist die Einrichtung eines Forums für den Dialog mit der Fair-Trade-Bewegung zu erwägen.