18.3.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 74/1


VERORDNUNG (EU) 2017/458 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 15. März 2017

zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 hinsichtlich einer verstärkten Abfrage von einschlägigen Datenbanken an den Außengrenzen

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe b,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Durchführung von Kontrollen an den Außengrenzen gehört nach wie vor zu den wichtigsten Maßnahmen zum Schutz des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen und trägt erheblich dazu bei, die langfristige Sicherheit der Union und ihrer Bürger zu gewährleisten. Diese Kontrollen werden im Interesse aller Mitgliedstaaten durchgeführt. Ein Ziel dieser Kontrollen ist die Vermeidung jeglicher Bedrohung der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung der Mitgliedstaaten, ungeachtet des Ursprungs der Bedrohung, auch wenn solche Bedrohungen von Unionsbürgern ausgehen.

(2)

Mindestkontrollen auf der Grundlage einer raschen und einfachen Überprüfung der Gültigkeit des Reisedokuments für den Grenzübertritt sind derzeit die Regel für Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben. Das Phänomen der ausländischen terroristischen Kämpfer, die oft Unionsbürger sind, zeigt die Notwendigkeit, dass an den Außengrenzen die Kontrollen von Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, verstärkt werden müssen.

(3)

Die Reisedokumente von Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, sollten daher bei der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder bei der Ausreise aus diesem Gebiet systematisch mit den einschlägigen Datenbanken für gestohlene, unterschlagene, verlorene und für ungültig erklärte Reisedokumente abgeglichen werden, um sicherzustellen, dass solche Personen nicht ihre wahre Identität verschleiern.

(4)

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Daten von Drittstaatsangehörigen bei der Einreise systematisch in allen einschlägigen Datenbanken abzufragen. Es sollte sichergestellt werden, dass solche Kontrollen auch bei der Ausreise systematisch durchgeführt werden.

(5)

Die Grenzschutzbeamten sollten auch die Daten von Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, systematisch im Schengener Informationssystem (SIS) und in anderen einschlägigen Datenbanken der Union abfragen. Dies sollte einer Abfrage von nationalen Datenbanken und Interpol-Datenbanken nicht entgegenstehen.

(6)

Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass ihre Grenzschutzbeamten an den Außengrenzübergangsstellen Zugang zu den einschlägigen nationalen Datenbanken und Datenbanken der Union haben, einschließlich des SIS und der Datenbank für gestohlene und verlorene Reisedokumente (SLTD) von Interpol, um die uneingeschränkte Anwendung dieser Verordnung zu gewährleisten.

(7)

Solche systematischen Kontrollen sollten unter uneingeschränkter Einhaltung des einschlägigen Unionsrechts — einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) — im Einklang mit Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) durchgeführt werden, und die Menschenwürde sollte dabei im Einklang mit Artikel 7 der vorgenannten Verordnung uneingeschränkt gewahrt werden.

(8)

In Einklang mit Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/399 sollten die Mitgliedstaaten für die systematischen Kontrollen geeignetes Personal und geeignete Ressourcen in ausreichendem Umfang einsetzen, um zu verhindern, dass diese Kontrollen unverhältnismäßige Wartezeiten verursachen und den Verkehrsfluss an den Außengrenzen behindern.

(9)

Die Verpflichtung zur Durchführung systematischer Kontrollen bei der Ein- und Ausreise gilt an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten. Zudem gilt sie sowohl bei der Ein- als auch bei der Ausreise an den Binnengrenzen der Mitgliedstaaten, bei denen die Überprüfung nach Maßgabe der geltenden Schengen-Bewertungsverfahren bereits erfolgreich abgeschlossen ist, aber noch nicht beschlossen worden ist, die Kontrollen an ihren Binnengrenzen gemäß den einschlägigen Bestimmungen der jeweiligen Beitrittsakte aufzuheben. Um zu verhindern, dass Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, beim Überschreiten der Landbinnengrenzen dieser Mitgliedstaaten zweimal diesen Kontrollen unterworfen werden, sollte es möglich sein, sie bei der Ausreise in nicht systematischer Weise auf Grundlage einer Risikobewertung zu kontrollieren.

(10)

Technische Entwicklungen haben es grundsätzlich ermöglicht einschlägige Datenbanken in einer Weise abzufragen, dass es nur begrenzte Auswirkungen auf die Dauer der Grenzübertritte gibt, da Dokumente und Personen gleichzeitig kontrolliert werden können. In diesem Zusammenhang könnten automatisierte Grenzkontrollsysteme von Relevanz sein. Auch die Nutzung von im Einklang mit der Richtlinie 2004/82/EG des Rates (3) oder anderen Unions- oder nationalen Rechtsvorschriften übermittelten Angaben über die beförderten Personen könnten zur beschleunigten Durchführung der erforderlichen Kontrollen beim Grenzübertritt beitragen. Es ist daher möglich, Kontrollen an den Außengrenzen ohne unverhältnismäßige negative Auswirkungen auf Bona-fide-Reisende zu verstärken, um diejenigen Personen ausfindig zu machen, die ihre tatsächliche Identität verschleiern wollen oder die aus Sicherheitsgründen oder zur Festnahme ausgeschrieben sind. An allen Außengrenzen sollten systematische Kontrollen durchgeführt werden.

(11)

Sollte die Durchführung systematischer Abfragen von Datenbanken an den Grenzen jedoch unverhältnismäßig große Auswirkungen auf den Verkehrsfluss an der Grenze haben, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, diese systematischen Datenbankabfragen nicht durchzuführen, wenn sich auf der Grundlage einer Risikobewertung die Einschätzung ergibt, dass eine solche Lockerung kein Sicherheitsrisiko birgt. Diese Risikobewertung sollte der durch die Verordnung (EU) 2016/1624 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) errichteten Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (im Folgenden „Agentur“) mitgeteilt werden und Gegenstand regelmäßiger Berichterstattung an die Kommission und an die Agentur sein. Die Möglichkeit, diese systematischen Datenbankabfragen nicht durchzuführen, sollte jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum in Bezug auf Luftgrenzen gelten. An den Grenzübergangsstellen, an denen solche systematischen Datenbankabfragen nicht durchgeführt werden, sollte die Identität der Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, anhand eines vorgelegten oder vorgezeigten für den Grenzübertritt gültigen echten Reisedokuments festgestellt werden. Zu diesem Zweck sollte bei diesen Personen eine rasche und einfache Überprüfung der Gültigkeit des Reisedokuments für den Grenzübertritt vorgenommen werden, und es sollte, gegebenenfalls mithilfe technischer Geräte, nach Fälschungs- oder Verfälschungsmerkmalen gesucht werden, und, im Falle von Zweifeln in Bezug auf das Reisedokument oder wenn es Anzeichen gibt, dass eine solche Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen der Mitgliedstaaten darstellen könnte, sollte der Grenzschutzbeamte alle einschlägigen Datenbanken im Einklang mit dieser Verordnung abfragen.

(12)

Hat ein Mitgliedstaat die Absicht, eine gezielte Abfrage von relevanten Datenbanken in Bezug auf Personen vorzunehmen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, so sollte er dies den anderen Mitgliedstaaten, der Agentur und der Kommission unverzüglich mitteilen. Für eine solche Mitteilung sollte von der Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Leitfaden für Grenzschutzbeamte (Schengen-Handbuch) ein Verfahren entwickelt werden.

(13)

Durch die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates (5) hat die Union die biometrischen Identifikatoren des Gesichtsbilds und der Fingerabdrücke als Sicherheitsmerkmale in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten aufgenommen. Diese Sicherheitsmerkmale wurden eingeführt, um die Pässe und Reisedokumente sicherer zu machen und eine zuverlässige Verbindung zwischen Inhaber und Pass oder Reisedokument herzustellen. Bei Zweifeln an der Echtheit des Reisedokuments für den Grenzübertritt oder an der Identität seines Inhabers sollten die Mitgliedstaaten daher mindestens einen dieser biometrischen Identifikatoren überprüfen. Derselbe Ansatz sollte, wo dies möglich ist, für Kontrollen von Drittstaatsangehörigen gelten.

(14)

Um die systematische Abfrage von Datenbanken zu erleichtern, sollten die Mitgliedstaaten Reisedokumente ohne maschinenlesbare Zonen schrittweise auslaufen lassen.

(15)

Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (6).

(16)

Die Mitgliedstaaten sollten in ihrem eigenen Interesse und im Interesse anderer Mitgliedstaaten Daten in die Datenbanken der Union einspeisen. Sie sollten auch gewährleisten, dass die Daten korrekt und aktuell sind und dass sie rechtmäßig erlangt und eingespeist werden.

(17)

Das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Verstärkung der Datenbankabfragen an den Außengrenzen insbesondere als Reaktion auf die zunehmende terroristische Bedrohung, betrifft eine der Maßnahmen zum Schutz des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen und daher das reibungslose Funktionieren des Schengen-Raums und kann daher von den einzelnen Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden, sondern ist vielmehr auf Unionsebene besser zu verwirklichen. Die Union kann daher im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

(18)

Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung, die daher für Dänemark weder bindend noch Dänemark gegenüber anwendbar ist. Da diese Verordnung auf dem Schengen-Besitzstand aufbaut, beschließt Dänemark gemäß Artikel 4 des genannten Protokolls innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Rat diese Verordnung beschlossen hat, ob es sie in nationales Recht umsetzt.

(19)

Diese Verordnung stellt eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich das Vereinigte Königreich gemäß dem Beschluss 2000/365/EG des Rates (7) nicht beteiligt; das Vereinigte Königreich beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(20)

Diese Verordnung stellt eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich Irland gemäß dem Beschluss 2002/192/EG des Rates (8) nicht beteiligt; Irland beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(21)

Für Island und Norwegen stellt diese Verordnung eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Übereinkommens zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (9) dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe A des Beschlusses 1999/437/EG des Rates (10) genannten Bereich gehören.

(22)

Für die Schweiz stellt diese Verordnung eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (11) dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe A des Beschlusses 1999/437/EG in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2008/146/EG des Rates (12) genannten Bereich gehören.

(23)

Für Liechtenstein stellt diese Verordnung eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (13) dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe A des Beschlusses 1999/437/EG in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2011/350/EU des Rates (14) genannten Bereich gehören.

(24)

Was die Nutzung des SIS betrifft, so stellt diese Verordnung einen auf dem Schengen-Besitzstand aufbauenden oder anderweitig mit ihm zusammenhängenden Rechtsakt im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 der Beitrittsakte von 2003, des Artikels 4 Absatz 2 der Beitrittsakte von 2005 und des Artikels 4 Absatz 2 der Beitrittsakte von 2011 dar. Die Ergebnisse von Abfragen im Rahmen des SIS lassen Artikel 1 Absatz 4 des Beschlusses 2010/365/EU des Rates (15) unberührt.

(25)

Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta anerkannt wurden.

(26)

Die Verordnung (EU) 2016/399 sollte daher entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Artikel 8 der Verordnung (EU) 2016/399 wird wie folgt geändert:

1.

Absatz 2 erhält folgende Fassung:

„(2)   Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, werden bei der Ein- und Ausreise folgenden Kontrollen unterzogen:

a)

Überprüfung der Identität und der Staatsangehörigkeit der Person sowie der Echtheit des Reisedokuments und seiner Gültigkeit für den Grenzübertritt, unter anderem durch Abfrage der einschlägigen Datenbanken, insbesondere

1.

des SIS,

2.

der Interpol-Datenbank für gestohlene und verlorene Reisedokumente (SLTD),

3.

nationaler Datenbanken mit Angaben zu gestohlenen, unterschlagenen, verlorenen oder für ungültig erklärten Reisedokumenten.

Bei Pässen und Reisedokumenten mit einem Speichermedium nach Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates (*1) wird die Authentizität der Daten auf dem Chip geprüft.

b)

Überprüfung, ob eine Person, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr hat, nicht als Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines der Mitgliedstaaten angesehen wird, unter anderem durch Abfrage des SIS und anderer einschlägiger Unionsdatenbanken. Dies steht einer Abfrage von nationalen Datenbanken und Interpol-Datenbanken nicht entgegen.

Bei Zweifeln an der Echtheit des Reisedokuments oder an der Identität des Inhabers soll mindestens einer der biometrischen Identifikatoren, die in die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 ausgestellten Pässe und Reisedokumente integriert sind, überprüft werden. Nach Möglichkeit ist eine solche Überprüfung auch bei Reisedokumenten durchzuführen, die nicht unter jene Verordnung fallen.

(2a)   Würden die Abfragen der Datenbanken nach Absatz 2 Buchstaben a und b zu unverhältnismäßigen Auswirkungen auf den Verkehrsfluss führen, so kann ein Mitgliedstaat beschließen, diese Abfragen in gezielter Weise an einer bestimmten Grenzübergangsstelle nach einer Bewertung der Risiken für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines der Mitgliedstaaten durchzuführen.

Umfang und Dauer der vorübergehenden Begrenzung auf gezielte Abfragen der Datenbanken dürfen nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinausgehen und werden gemäß einer von dem betroffenen Mitgliedstaat durchgeführten Risikobewertung festgelegt. In der Risikobewertung werden die Gründe für die vorübergehende Begrenzung auf gezielte Abfragen der Datenbanken dargelegt und unter anderem die unverhältnismäßigen Auswirkungen auf den Verkehrsfluss berücksichtigt; darüber hinaus enthält die Risikobewertung Statistiken über beförderte Personen und Vorfälle, die im Zusammenhang mit grenzüberscheitender Kriminalität stehen. Die Risikobewertung wird regelmäßig aktualisiert.

Personen, bei denen grundsätzlich keine gezielte Abfrage der Datenbanken durchgeführt wird, werden mindestens einer Kontrolle unterzogen, bei der ihre Identität anhand der vorgelegten oder vorgezeigten Reisedokumente festgestellt wird. Eine solche Kontrolle besteht in einer raschen und einfachen Überprüfung der Gültigkeit des Reisedokuments für den Grenzübertritt, und es sollte, gegebenenfalls mithilfe technischer Geräte, nach Fälschungs- oder Verfälschungsmerkmalen gesucht werden, und, im Falle von Zweifeln in Bezug auf das Reisedokument oder wenn es Anzeichen gibt, dass eine solche Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen der Mitgliedstaaten darstellen könnte, fragt der Grenzschutzbeamte die in Absatz 2 Buchstaben a und b genannten Datenbanken ab.

Der betroffene Mitgliedstaat übermittelt seine Risikobewertung und deren Aktualisierungen unverzüglich an die mit der Verordnung (EU) 2016/1624 des Europäischen Parlamentes und des Rates (*2) errichtete Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (im Folgenden ‚Agentur‘) und erstattet der Kommission und der Agentur alle sechs Monate Bericht über die gezielten Abfragen der Datenbanken. Der betroffene Mitgliedstaat kann beschließen, die Risikobewertung oder Teile davon als Verschlusssache einzustufen.

(2b)   Hat ein Mitgliedstaat die Absicht, gezielte Abfragen der Datenbanken nach Absatz 2a durchzuführen, so teilt er dies den anderen Mitgliedstaaten, der Agentur und der Kommission unverzüglich mit. Der betroffene Mitgliedstaat kann beschließen, die Meldung oder Teile davon als Verschlusssache einzustufen.

Falls die Mitgliedstaaten, die Agentur oder die Kommission Bedenken angesichts der Absicht, gezielte Abfragen der Datenbanken durchzuführen, haben, so unterrichten sie den betreffenden Mitgliedstaat unverzüglich über diese Bedenken. Der betreffende Mitgliedstaat trägt diesen Bedenken Rechnung.

(2c)   Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 8. April 2019 eine Bewertung der Umsetzung und der Auswirkungen des Absatz 2 vor.

(2d)   In Bezug auf Luftgrenzen gelten die Absätze 2a und 2b für eine Übergangsfrist von höchstens sechs Monaten ab dem 7. April 2017.

Bestehen an einem bestimmten Flughafen besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Infrastruktur, die mehr Zeit für die Anpassungen erfordern, mit denen die Durchführung systematischer Abfragen der Datenbanken ohne unverhältnismäßige Auswirkungen auf den Verkehrsfluss ermöglicht wird, so kann die in Unterabsatz 1 genannte Frist von sechs Monaten im Einklang mit dem in Unterabsatz 3 festgelegten Verfahren für diesen bestimmten Flughafen ausnahmsweise um höchstens 18 Monate verlängert werden.

Zu diesem Zweck unterrichtet der Mitgliedstaat die Kommission, die Agentur und die anderen Mitgliedstaaten spätestens drei Monate vor Ablauf des in Unterabsatz 1 genannten Übergangszeitraums über die besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich der Infrastruktur an dem betreffenden Flughafen, über die geplanten Maßnahmen zu deren Behebung und über die Zeit, die für ihre Durchführung benötigt wird.

Bestehen besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Infrastruktur, die mehr Zeit für die Anpassungen erfordern, so erteilt die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb eines Monats nach Eingang der in Unterabsatz 3 genannten Mitteilung und nach Anhörung der Agentur die Genehmigung, den Übergangszeitraum für diesen betreffenden Flughafen zu verlängern, und legt, soweit angezeigt, die Dauer dieser Verlängerung fest.

(2e)   Die Abfragen der Datenbanken nach Absatz 2 Buchstaben a und b können im Voraus auf der Grundlage von Angaben über die beförderten Personen durchgeführt werden, die im Einklang mit der Richtlinie 2004/82/EG des Rates (*3) oder mit anderen Unions- oder nationalen Rechtsvorschriften übermittelt wurden.

Falls diese Abfragen im Voraus auf der Grundlage der Angaben über die beförderten Personen erfolgen, werden die im Voraus erhaltenen Daten mit den im Reisedokument enthaltenen Daten an der Grenzübergangsstelle abgeglichen. Die Identität und die Staatsangehörigkeit der betreffenden Person sowie die Echtheit des Reisedokuments und seine Gültigkeit für den Grenzübertritt wird ebenfalls überprüft.

(2f)   Abweichend von Absatz 2 dürfen Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, beim Überschreiten der Landbinnengrenzen der Mitgliedstaaten, bei denen die Überprüfung nach Maßgabe der geltenden Schengen-Bewertungsverfahren bereits erfolgreich abgeschlossen ist, aber noch nicht beschlossen worden ist, die Kontrollen an ihren Binnengrenzen gemäß den einschlägigen Bestimmungen der jeweiligen Beitrittsakte aufzuheben, den Ausreisekontrollen gemäß Absatz 2 nicht systematisch, sondern nur auf Grundlage einer Risikobewertung unterworfen werden.

(*1)  Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (ABl. L 385 vom 29.12.2004, S. 1)."

(*2)  Verordnung (EU) 2016/1624 des Europäischen Parlaments und Des Rates vom 14. September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates und der Entscheidung des Rates 2005/267/EG (ABl. L 251 vom 16.9.2016, S. 1)."

(*3)  Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln (ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 24).“"

2.

Absatz 3 Buchstabe a Ziffern i und ii erhalten folgende Fassung:

„i)

Überprüfung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Drittstaatsangehörigen sowie der Echtheit des Reisedokuments und seiner Gültigkeit für den Grenzübertritt, unter anderem durch Abfrage der einschlägigen Datenbanken, insbesondere

1.

des SIS,

2.

der Interpol-Datenbank für SLTD,

3.

nationaler Datenbanken mit Angaben zu gestohlenen, unterschlagenen, verlorenen oder für ungültig erklärten Reisedokumenten.

Bei Pässen und Reisedokumenten mit einem Speichermedium wird vorbehaltlich der Verfügbarkeit gültiger Zertifikate die Authentizität der Daten auf dem Chip geprüft.

ii)

Überprüfung, ob dem Reisedokument gegebenenfalls das erforderliche Visum oder der erforderliche Aufenthaltstitel beigefügt ist.“

3.

Absatz 3 Buchstabe a Ziffer vi erhält folgende Fassung:

„vi)

Überprüfung, ob der betreffende Drittstaatsangehörige, sein Fortbewegungsmittel und die mitgeführten Sachen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines der Mitgliedstaaten darstellen. Diese Überprüfung umfasst den unmittelbaren Abruf der Personendaten und -ausschreibungen und — soweit erforderlich — der Sachdaten und -ausschreibungen im SIS und in anderen einschlägigen Unionsdatenbanken sowie gegebenenfalls die Durchführung der aufgrund der Ausschreibung erforderlichen Maßnahmen. Dies steht einer Abfrage von nationalen Datenbanken und Interpol-Datenbanken nicht entgegen.“

4.

Absatz 3 Buchstabe g Ziffern i und ii erhalten folgende Fassung:

„i)

Überprüfung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Drittstaatsangehörigen sowie der Echtheit des Reisedokuments und seiner Gültigkeit für den Grenzübertritt, unter anderem durch Abfrage der einschlägigen Datenbanken, insbesondere

1.

des SIS,

2.

der Interpol-Datenbank für SLTD,

3.

nationaler Datenbanken mit Angaben zu gestohlenen, unterschlagenen, verlorenen oder für ungültig erklärten Reisedokumenten.

Bei Pässen und Reisedokumenten mit einem Speichermedium wird vorbehaltlich der Verfügbarkeit gültiger Zertifikate die Authentizität der Daten auf dem Chip geprüft.“

5.

Absatz 3 Buchstabe g Ziffer iii erhält folgende Fassung:

„ii)

Überprüfung, ob der Drittstaatsangehörige nicht als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines der Mitgliedstaaten angesehen wird, unter anderem durch Abfrage des SIS und anderer einschlägiger Unionsdatenbanken. Dies steht einer Abfrage von nationalen Datenbanken und Interpol-Datenbanken nicht entgegen.“

6.

Absatz 3 Buchstabe h Ziffer iii wird gestrichen.

7.

In Absatz 3 werden die folgenden Buchstaben angefügt:

„ia)

Die Abfrage der Datenbanken nach Buchstabe a Ziffern i und vi und Buchstabe g können im Voraus auf der Grundlage von Angaben über die beförderten Personen durchgeführt werden, die im Einklang mit der Richtlinie 2004/82/EG oder mit anderen Unions- oder nationalen Rechtsvorschriften übermittelt wurden.

Falls diese Abfragen im Voraus auf der Grundlage der Angaben über die beförderten Personen erfolgen, werden die im Voraus erhaltenen Daten mit den im Reisedokument enthaltenen Daten an der Grenzübergangsstelle abgeglichen. Die Identität und Staatsangehörigkeit der betreffenden Person sowie die Echtheit des Reisedokuments und seine Gültigkeit für den Grenzübertritt wird ebenfalls überprüft;

ib)

Bestehen Zweifel an der Echtheit des Reisedokuments oder an der Identität des Drittstaatsangehörigen, so umfassen die Abfragen, wenn möglich, die Überprüfung von mindestens einem der biometrischen Identifikatoren, die in den Reisedokumenten integriert sind.“

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

Geschehen zu Straßburg am 15. März 2017.

Im Namen des Europäischen

Der Präsident

A. TAJANI

Parlaments Im Namen des Rates

Der Präsident

I. BORG


(1)  Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2017 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 7. März 2017.

(2)  Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1).

(3)  Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln (ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 24).

(4)  Verordnung (EU) 2016/1624 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates und der Entscheidung 2005/267/EG des Rates (ABl. L 251 vom 16.9.2016, S. 1).

(5)  Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (ABl. L 385 vom 29.12.2004, S. 1).

(6)  Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77).

(7)  Beschluss 2000/365/EG des Rates vom 29. Mai 2000 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden (ABl. L 131 vom 1.6.2000, S. 43).

(8)  Beschluss 2002/192/EG des Rates vom 28. Februar 2002 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland (ABl. L 64 vom 7.3.2002, S. 20).

(9)  ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 36.

(10)  Beschluss 1999/437/EG des Rates vom 17. Mai 1999 zum Erlass bestimmter Durchführungsvorschriften zu dem Übereinkommen zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 31).

(11)  ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 52.

(12)  Beschluss 2008/146/EG des Rates vom 28. Januar 2008 über den Abschluss — im Namen der Europäischen Gemeinschaft — des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 1).

(13)  ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 21.

(14)  Beschluss 2011/350/EU des Rates vom 7. März 2011 über den Abschluss — im Namen der Europäischen Union — des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands in Bezug auf die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen und den freien Personenverkehr (ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 19).

(15)  Beschluss 2010/365/EU des Rates vom 29. Juni 2010 die Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands über das Schengener Informationssystem in der Republik Bulgarien und Rumänien (ABl. L 166 vom 1.7.2010, S. 17).