15.4.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 111/36


DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) Nr. 382/2014 DER KOMMISSION

vom 7. März 2014

zur Ergänzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Veröffentlichung eines Prospektnachtrags

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (1), insbesondere auf Artikel 16 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Richtlinie 2003/71/EG harmonisiert die Bedingungen für die Erstellung, die Billigung und die Verbreitung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren bzw. bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt, der in einem Mitgliedstaat gelegen ist oder dort funktioniert, zu veröffentlichen ist.

(2)

Die Richtlinie 2003/71/EG sieht auch die Veröffentlichung von Nachträgen zum Prospekt vor, in denen alle wichtigen neuen Umstände, wesentliche Unrichtigkeiten oder Ungenauigkeiten in Bezug auf die im Prospekt enthaltenen Angaben genannt werden, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen könnten und die zwischen der Billigung des Prospekts und dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots bzw. der Eröffnung des Handels an einem geregelten Markt — je nachdem, welches Ereignis später eintritt — auftreten bzw. festgestellt werden.

(3)

Die Bereitstellung vollständiger Informationen über die Wertpapiere und ihre Emittenten dient dem Anlegerschutz. Ein Nachtrag sollte daher auch alle wesentlichen Informationen in Bezug auf die Situationen umfassen, die jeweils zur Erstellung des Nachtrags geführt haben und gemäß der Richtlinie 2003/71/EG und der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission (2) in den Prospekt aufgenommen werden müssen.

(4)

Um eine kohärente Harmonisierung zu gewährleisten, die in der Richtlinie 2003/71/EG festgelegten Anforderungen zu spezifizieren und den technischen Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen, sollte festgelegt werden, welche Situationen die Veröffentlichung eines Nachtrags zum Prospekt erfordern.

(5)

Es ist nicht möglich, alle Situationen zu beschreiben, die die Veröffentlichung eines Nachtrags zum Prospekt erforderlich machen, da dies vom Emittenten und den betreffenden Wertpapieren abhängen kann. Deshalb ist es zweckmäßig, ein Minimum an Situationen festzulegen, in denen ein Nachtrag verlangt wird.

(6)

Die geprüften Jahresabschlüsse spielen für die Anlageentscheidungen der Anleger eine entscheidende Rolle. Um sicherzustellen, dass die Anleger sich bei ihren Anlageentscheidungen auf die aktuellsten Finanzinformationen stützen, muss ein Nachtrag veröffentlicht werden, der neue geprüfte Jahresabschlüsse der Emittenten von Dividendenwerten und im Falle von Hinterlegungsscheinen der Emittenten der zugrunde liegenden Aktien enthält, die nach der Billigung des Prospekts veröffentlicht wurden.

(7)

Da auch Gewinnprognosen und -schätzungen die Anlageentscheidung beeinflussen können, sollten Emittenten von Dividendenwerten sowie im Fall von Hinterlegungsscheinen Emittenten der zugrunde liegenden Aktien einen Nachtrag mit Änderungen impliziter oder expliziter Zahlen von Gewinnprognosen oder -schätzungen, die bereits in den Prospekt aufgenommen wurden, veröffentlichen.

(8)

Angaben zu den Hauptaktionären oder etwaigen beherrschenden Unternehmen des Emittenten sind bei jeder Art von Wertpapier wesentliche Voraussetzung für eine sachkundige Beurteilung des Emittenten. Besonders stark fällt eine Änderung der Kontrollverhältnisse beim Emittenten jedoch ins Gewicht, wenn das Angebot sich auf Dividendenwerte und Hinterlegungsscheine bezieht, da diese Arten von Wertpapieren im Allgemeinen besonders preissensitiv auf solche Situationen reagieren. Deshalb sollte im Falle einer Änderung der Kontrollverhältnisse bei einem Emittenten von Dividendenwerten oder im Falle von Hinterlegungsscheinen bei einem Emittenten der zugrunde liegenden Aktien ein entsprechender Nachtrag veröffentlicht werden.

(9)

Potenzielle Anleger, die ein Angebot für Dividendenwerte oder Hinterlegungsscheine prüfen, müssen die Bedingungen des betreffenden Angebots mit dem Preis bzw. den Umtauschkonditionen eines während der Angebotsfrist angekündigten öffentlichen Übernahmeangebots vergleichen können. Auch das Ergebnis eines öffentlichen Übernahmeangebots spielt eine wichtige Rolle für die Anlegerentscheidung, da die Anleger wissen müssen, ob das Angebot eine Änderung der Kontrollverhältnisse beim Emittenten bewirkt. Deshalb ist in solchen Fällen ein Nachtrag erforderlich.

(10)

Wenn die Erklärung zum Geschäftskapital nicht mehr zutreffend ist, können die Anleger keine sachkundige Anlageentscheidung hinsichtlich der finanziellen Lage des Emittenten in der unmittelbaren Zukunft treffen. Die Anleger sollten ihre Anlageentscheidungen unter Berücksichtigung der neuen Informationen über die Fähigkeit des Emittenten, sich zur Bedienung seiner Verbindlichkeiten Barmittel und andere liquide Mittel zu verschaffen, einer Neubewertung unterziehen können. Deshalb ist in solchen Fällen ein Nachtrag erforderlich.

(11)

Emittenten oder Anbieter können nach Billigung des Prospekts beschließen, die Wertpapiere in anderen als den im Prospekt genannten Mitgliedstaaten anzubieten oder in anderen als den im Prospekt genannten Mitgliedstaaten die Zulassung zum Handel von Wertpapieren an geregelten Märkten zu beantragen. Informationen über solche Angebote in anderen Mitgliedstaaten oder die Zulassung zum Handel an den dortigen geregelten Märkten sind für den Anleger wichtig, um bestimmte Aspekte der Wertpapiere des Emittenten zu bewerten, und erfordern daher einen Nachtrag.

(12)

Bedeutende finanzielle Verpflichtungen werden sich wahrscheinlich auf die finanzielle Lage und die Geschäftstätigkeit von Unternehmen auswirken. Deshalb sollten die Anleger in einen Nachtrag zum Prospekt zusätzliche Informationen über die Folgen solcher Verpflichtungen erhalten.

(13)

Eine Erhöhung des aggregierten Nominalbetrags eines Angebotsprogramms lässt Rückschlüsse auf den Finanzierungsbedarf des Emittenten oder einen Anstieg der Nachfrage nach Wertpapieren des Emittenten zu. Deshalb sollte bei einer Erhöhung des aggregierten Nominalbetrags eines im Prospekt genannten Angebotsprogramms ein Nachtrag zum Prospekt veröffentlicht werden.

(14)

Diese Verordnung stützt sich auf den Entwurf technischer Regulierungsstandards, der der Kommission von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) vorgelegt wurde.

(15)

Die ESMA hat offene öffentliche Konsultationen zu den Entwürfen technischer Regulierungsstandards, auf denen diese Verordnung basiert, durchgeführt, die potenziell damit verbundenen Kosten und den Nutzen analysiert und die Stellungnahme der nach Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) eingesetzten Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte eingeholt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand

In dieser Verordnung werden technische Regulierungsstandards zur Beschreibung der Situationen festgelegt, in denen die Veröffentlichung eines Nachtrags zum Prospekt zwingend vorgeschrieben ist.

Artikel 2

Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Nachtrags

Ein Nachtrag zum Prospekt wird in folgenden Situationen veröffentlicht:

a)

bei Veröffentlichung neuer geprüfter Jahresabschlüsse durch:

(1)

einen Emittenten, wenn der Prospekt sich auf Aktien und andere übertragbare, aktienähnliche Wertpapiere gemäß Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 bezieht;

(2)

einen Emittenten der zugrunde liegenden Aktien oder anderer übertragbarer, aktienähnlicher Wertpapiere im Falle von Dividendenwerten, die die in Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 festgelegten Bedingungen erfüllen;

(3)

einen Emittenten der zugrunde liegenden Aktien, wenn der Prospekt in Einklang mit dem Schema für Hinterlegungsscheine gemäß Anhang X oder Anhang XXVIII der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 erstellt wurde;

b)

bei Veröffentlichung von Änderungen einer bereits in den Prospekt aufgenommenen Gewinnprognose oder -schätzung durch:

(1)

einen Emittenten, wenn der Prospekt sich auf Aktien und andere übertragbare, aktienähnliche Wertpapiere gemäß Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 bezieht;

(2)

einen Emittenten der zugrunde liegenden Aktien oder anderer übertragbarer, aktienähnlicher Wertpapiere, wenn der Prospekt sich auf Dividendenwerte bezieht, die die in Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 festgelegten Bedingungen erfüllen;

(3)

einen Emittenten der zugrunde liegenden Aktien, wenn der Prospekt in Einklang mit dem Schema für Hinterlegungsscheine gemäß Anhang X oder Anhang XXVIII der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 erstellt wird;

c)

bei Veränderungen der Kontrollverhältnisse bei:

(1)

einem Emittenten, wenn der Prospekt sich auf Aktien und andere übertragbare, aktienähnliche Wertpapiere gemäß Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 bezieht;

(2)

einem Emittenten der zugrunde liegenden Aktien oder anderer übertragbarer, aktienähnlicher Wertpapiere, wenn der Prospekt sich auf Dividendenwerte bezieht, die die in Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 festgelegten Bedingungen erfüllen;

(3)

einem Emittenten der zugrunde liegenden Aktien, wenn ein Prospekt in Einklang mit dem Schema für Hinterlegungsscheine gemäß Anhang X oder Anhang XXVIII der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 erstellt wurde;

d)

bei einem neuen öffentlichen Übernahmeangebot von Dritten im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (4) und bei Vorliegen des Ergebnisses eines öffentlichen Übernahmeangebots bezüglich:

(1)

des Eigenkapitals des Emittenten, wenn der Prospekt sich auf Aktien und andere übertragbare, aktienähnliche Wertpapiere gemäß Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 bezieht;

(2)

des Eigenkapitals des Emittenten der zugrunde liegenden Aktien oder anderer übertragbarer, aktienähnlicher Wertpapiere, wenn der Prospekt sich auf Dividendenwerte bezieht, die die in Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 festgelegten Bedingungen erfüllen;

(3)

des Eigenkapitals des Emittenten der zugrunde liegenden Aktien, wenn ein Prospekt in Einklang mit dem Schema für Hinterlegungsscheine gemäß Anhang X oder Anhang XXVIII der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 erstellt wurde;

e)

bei einer Veränderung der in einen Prospekt aufgenommenen Erklärung zum Geschäftskapital in Bezug auf Aktien und andere übertragbare, aktienähnliche Wertpapiere gemäß Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 sowie wandelbare oder austauschbare Schuldtitel, bei denen es sich um Dividendenwerte handelt, die die in Artikel 17 Absatz 2 der genannten Verordnung festgelegten Bedingungen erfüllen, wenn dadurch das Geschäftskapital im Hinblick auf die aktuellen Verpflichtungen des Emittenten eine ausreichende bzw. nicht ausreichende Höhe erreicht;

f)

bei Antrag eines Emittenten auf Zulassung zum Handel an einem zusätzlichen geregelten Markt/zusätzlichen geregelten Märkten eines zusätzlichen Mitgliedstaats/zusätzlicher Mitgliedstaaten oder geplantem öffentlichen Angebot in einem zusätzlichen Mitgliedstaat/zusätzlichen Mitgliedstaaten, der/die noch nicht im Prospekt genannt war/waren;

g)

bei neuen, bedeutenden finanziellen Verpflichtungen, die voraussichtlich eine bedeutende Bruttoveränderung im Sinne von Artikel 4a Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 bewirken, wenn der Prospekt sich auf Aktien und andere übertragbare, aktienähnliche Wertpapiere gemäß Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 der genannten Verordnung und sonstige Dividendenwerte, die die Bedingungen von Artikel 17 Absatz 2 der genannten Verordnung erfüllen, bezieht;

h)

bei Erhöhung des aggregierten Nominalbetrags des Angebotsprogramms.

Artikel 3

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 7. März 2014

Für die Kommission

Der Präsident

José Manuel BARROSO


(1)  ABl. L 345 vom 31.12.2003, S. 64.

(2)  Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung (ABl. L 149 vom 30.4.2004, S. 1).

(3)  Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84).

(4)  Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (ABl. L 142 vom 30.4.2004, S. 12).