32003D0026

2003/26/EG: Entscheidung der Kommission vom 20. Dezember 2001 zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.2389 Shell/DEA) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2001) 4526) (Text von Bedeutung für den EWR)

Amtsblatt Nr. L 015 vom 21/01/2003 S. 0035 - 0061


Entscheidung der Kommission

vom 20. Dezember 2001

zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen

(Sache COMP/M.2389 Shell/DEA)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2001) 4526)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2003/26/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2 Buchstabe a),

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen(1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97(2), insbesondere auf Artikel 8 Absatz 2,

gestützt auf den Beschluss der Kommission vom 23. August 2001 zur Einleitung eines Verfahrens in dieser Sache,

nach Aufforderung der beteiligten Unternehmen, sich zu den Beschwerdepunkten der Kommission zu äußern,

gestützt auf die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses für Unternehmenszusammenschlüsse(3),

gestützt auf den Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten in dieser Sache(4) -

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. EINFÜHRUNG

(1) Am 10.7.2001 meldeten die Unternehmen Deutsche Shell GmbH ("Deutsche Shell") und RWE Aktiengesellschaft ("RWE") der Kommission gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 ("Fusionskontrollverordnung") ein Vorhaben an, mit dem die Deutsche Shell und RWE im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) dieser Verordnung die gemeinsame Kontrolle über ein neu zu gründendes Gemeinschaftsunternehmen ("Shell/DEA" oder "GU") erwerben, in dem sie ihr nachgelagertes Öl- und Petrochemiegeschäft zusammenlegen. Nach einer Interimsfrist, die spätestens am 1. Juli 2004 endet, wird Shell die Alleinkontrolle über das zusammengelegte Geschäft erwerben.

(2) Nach Prüfung der Anmeldung stellte die Kommission mit Beschluss vom 23. August 2001 fest, dass dieses Vorhaben in den Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung in ihrer geänderten Form fällt; gleichzeitig machte sie ernste Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Gemeinsamen Markt und der Funktionsweise des EWR-Abkommens geltend. Sie leitete daraufhin ein Verfahren in dieser Sache nach Artikel 6 Absatz 1 c) der Fusionskontrollverordnung und Artikel 57 EWR-Abkommen ein.

II. DIE PARTEIEN UND DAS VORHABEN

(3) Die deutsch-britische Royal Dutch/Shell group of companies ("Shell") ist weltweit in der Erschließung und Produktion und dem Vertrieb von Öl und Erdgas, der Produktion und dem Vertrieb von Chemikalien, der Energieerzeugung und der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen tätig. Die hundertprozentige Tochtergesellschaft Deutsche Shell GmbH ist vor allem im Raffinieren von Rohöl sowie im Vertrieb und Verkauf von Raffinerieprodukten in Deutschland und in Produktion, Vertrieb und Verkauf von Chemikalien, Erdgas und Rohöl sowie im Bereich Sonnenenergie tätig.

(4) RWE ist das Mutterunternehmen eines Mischkonzerns von Versorgungs- und Dienstleistungsunternehmen mit Tätigkeiten in den Bereichen Energie, Wasserversorgung und -behandlung, Bergbau und Rohstoffe, Umweltdienstleistungen, Petrochemie, Industriesysteme und Bauwirtschaft. Das vor- und nachgelagerte Öl- und Petrochemiegeschäft wird über die Tochtergesellschaft RWE-DEA Aktiengesellschaft für Mineralöl und Chemie ("RWE-DEA") abgewickelt. Die betroffenen nachgelagerten Öl- und Chemietätigkeiten obliegen der DEA Mineralöl AG, einer 100 %igen Tochtergesellschaft von RWE-DEA.

(5) Die beteiligten Unternehmen wollen die bestehende DEA Mineralöl in das geplante Gemeinschaftsunternehmen umwandeln und in Shell/DEA umbenennen. Shell wird sein nachgelagertes deutsches Mineralölgeschäft, das derzeit von der Deutschen Shell abgewickelt wird, einschließlich einiger Petrochemie-Anlagen - vor allem der Aromatika-Produktion in Godorf - in Shell/DEA einbringen. Damit wird Shell/DEA das gesamte nachgelagerte Öl- und Petrochemiegeschäft von Shell und RWE-DEA in Deutschland übernehmen. Das Gemeinschaftsunternehmen wird für sein Geschäft beide Markennamen - Shell und DEA - beibehalten. Eine Ausweitung der Tätigkeiten auf das vorgelagerte Öl- und Erdgasgeschäft der beteiligten Unternehmen ist nicht vorgesehen.

(6) Shell und RWE-DEA unterzeichneten am 5. Juli 2001 eine GU-Vereinbarung, derzufolge beide Gesellschaften zu Beginn einen Anteil von 50 % an Shell/DEA halten werden. RWE-DEA erhält eine Option, seine Beteiligung zwischen dem [...]*(5) und dem [...]* an Shell zu verkaufen. Wird die Option nicht wahrgenommen, ist RWE-DEA verpflichtet, mit Wirkung vom [...]* [...]* % seiner Anteile an Shell/DEA an Shell zu veräußern; Shell wiederum ist zum Kauf dieser Anteile verpflichtet. Außerdem wird Shell RWE-DEA für die Zeit vom [...]* bis [...]* ein Optionsrecht einräumen, die verbleibenden Anteile am GU ebenfalls mit Wirkung vom [...]* an Shell zu verkaufen. Damit wird Shell ab 1. Juli 2004 auf jeden Fall über [...]* % an Shell-DEA verfügen, falls es bis dahin nicht ohnehin das gesamte Kapital übernommen haben sollte.

III. DER ZUSAMMENSCHLUSS

(7) Das Vorhaben wird in zwei Stufen durchgeführt; die erste endet entweder mit der Wahrnehmung des Optionsrechts durch RWE-DEA oder spätestens mit der am 1. Juli 2004 wirksam werdenden Übernahme des zusätzlichen [...]*-%-Anteils durch Shell, die zweite Stufe endet nach diesem Termin.

(8) Während der ersten Stufe wird der für die Geschäftsführung verantwortliche Vorstand von Shell/DEA, in dem beide Muttergesellschaften personell gleich stark vertreten sein sollen, vom GU-Ausschuss der beiden Aktionäre und dem Aufsichtsrat von Shell/DEA ernannt. Der Vorstandsvorsitzende entscheidet bei Stimmengleichheit; er wird von Shell ernannt. Die Aktionärsversammlung beschließt mit einfacher Mehrheit. Somit verfügen beide Seiten de facto über ein Vetorecht. Während des Übergangszeitraums werden bestimmte Entscheidungen betreffend Shell/DEA von einem sechsköpfigen GU-Ausschuss getroffen, in den beide Aktionäre je drei Mitglieder entsenden. Für diese Entscheidungen ist Einstimmigkeit erforderlich. Der GU-Ausschuss ist alleine zu strategischen Entscheidungen wie den Geschäftsplan, die Jahresfinanzplanung, strukturelle Veränderungen im GU, Investitionsvorhaben ab einer bestimmten Größe und die Ernennung der Vorstandsmitglieder befugt. Da beide beteiligten Unternehmen dank ihrer Vetorechte somit einen entscheidenden Einfluss auf das GU behalten, üben sie während der ersten Stufe die gemeinsame Kontrolle über Shell/DEA aus.

(9) Ab dem 1. Juli 2004 wird - sofern nicht aufgrund der Ausübung des ersten Optionsrechts durch RWE-DEA die alleinige Kontrolle schon früher auf Shell übergeht - Shell im Besitz von [...]* % der Anteile an Shell/DEA sein. Dann wird Shell sowohl die Beschlüsse der Aktionärsversammlung, soweit sie mit einfacher Mehrheit gefällt werden können, als auch über den Vorstand die Alltagsgeschäfte von Shell/DEA kontrollieren. Die Shell-Mehrheit in der Aktionärsversammlung in dieser Stufe soll auch dazu führen, dass Shell seine Vertreter in den Vorstand entsendet. Der GU-Ausschuss bleibt bestehen, aber die Entscheidungen, für die Einstimmigkeit erforderlich ist, werden auf Kernbereiche wie Veränderungen in den GU-Vereinbarungen, Umstrukturierungen mit ganz erheblichen finanziellen Aufwendungen, Dividendenpolitik und Bareinforderungen an die Aktionäre beschränkt. Die Vetorechte in diesen Bereichen scheinen RWE-DEA nicht in die Lage zu versetzen, einen entscheidenden Einfluss auf Shell/DEA auszuüben. Sie beschränken sich anscheinend auf Entscheidungen, bei denen sie zum Schutz der finanziellen Interessen von RWE-DEA als Minderheitsaktionär notwendig sind. Shell wird daher spätestens ab 1. Juli 2004 die alleinige Kontrolle über Shell/DEA übernehmen, weshalb es sich um einen Zusammenschluss im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) FKVO handelt.

(10) Es handelt sich um einen Zusammenschluss in Form der alleinigen Übernahme der Kontrolle über Shell/DEA durch Shell, auch wenn er in zwei Stufen durchgeführt wird und für eine Anlaufzeit die Kontrolle von beiden Muttergesellschaften gemeinsam ausgeübt wird. Gemäß Ziffer 38 der Mitteilung der Kommission über den Begriff des Zusammenschlusses der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen(6) gilt das ganze Vorhaben in der Regel als Erwerb der alleinigen Kontrolle durch ein Unternehmen, wenn ein Vorhaben dazu führt, dass zwar für eine Anlaufzeit von bis zu drei Jahren eine gemeinsame Kontrolle entsteht, die aber aufgrund einer rechtsverbindlichen Vereinbarung so umgewandelt werden wird, dass nur ein Aktionär die Kontrolle übernimmt.

(11) Im vorliegenden Fall ist die Übernahme der alleinigen Kontrolle durch Shell innerhalb von weniger als drei Jahren als rechtlich gesichert anzusehen. [Shell wird auch eine starke Einflussnahme auf die Geschäftsleitung des GUs ausüben]*.

IV. GEMEINSCHAFTSWEITE BEDEUTUNG

(12) Die beteiligten Unternehmen haben einen gemeinsamen weltweiten Umsatz von zusammen mehr als 5 Mrd. EUR(7). Sowohl Shell als auch RWE und DEA erzielen einen gemeinschaftsweiten Umsatz von mehr als 250 Mio. EUR. Nicht alle diese Unternehmen erzielen mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat. Das angemeldete Vorhaben ist somit von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung.

V. VERFAHREN

(13) Am 3. August 2001 unterrichtete das Bundeskartellamt die Kommission von der drohenden Begründung bzw. Stärkung einer beherrschenden Stellung, durch die der wirksame Wettbewerb in Deutschland, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes i. S. v. Artikel 9 Absatz 2 FKVO aufweist, erheblich behindert würde, und ersuchte sie um teilweise Verweisung dieses Falles. Das Ersuchen betraf die Märkte der nachgeordneten Mineralölerzeugnisse in Deutschland einschließlich Groß- und Einzelhandel mit Motorenbenzin, Dieselkraftstoff und leichtes Heizöl, Flugzeugtreibstoffe, schweres Heizöl, Teer und Schmierstoffe. Es betraf nicht die Märkte für petrochemische Stoffe, der vorgelagerten Öltätigkeiten sowie der nachgeordneten Ölerzeugnisse außerhalb Deutschlands. Mit Beschluss vom 23.8.2001 verwies die Kommission einen Teil des Vorgangs wie beantragt an das Bundeskartellamt.

(14) Am 24. Oktober 2001 wurden Beschwerdepunkte an Shell und RWE versandt, die am 5. November 2001 eine gemeinsame Erwiderung vorlegten. Wie von den Parteien beantragt, fand am 6. November 2001 eine Anhörung statt.

VI. BEWERTUNG GEMÄSS ARTIKEL 2 DER FUSIONSKONTROLLVERORDNUNG

TEIL 1: ETHYLEN

A. SACHLICH RELEVANTER MARKT

(15) Ethylen, einer der wichtigsten chemischen Grundstoffe, gehört der Olefin-Gruppe bestehend aus Ethylen, Propylen und Butadien an. In Westeuropa wird Ethylen überwiegend aus Naphta (ein Produkt des Raffinierens von Rohöl) hergestellt. Es wird als Rohstoff für die Herstellung von Ethylenderivaten wie z. B. Polyethylen und PVC verwendet und kann durch kein anderes Erzeugnis ersetzt werden. Im Einklang mit vorangehenden Ethylen betreffenden Entscheidungen(8) hat die Marktuntersuchung bestätigt, dass Ethylen einen getrennten Produktmarkt bildet.

B. RÄUMLICH RELEVANTER MARKT

(16) In Einklang mit ihren vorangehenden Entscheidungen ist sie der Auffassung, dass der räumlich relevante Markt für die Belieferung mit Ethylen vom Umfang des verfügbaren Rohrleitungsnetzes abhängt(9). Ethylen ist ein gefährliches, hochentzündliches Gas, bei dem eine Beförderung auf Straße oder Schiene weder rentabel noch praktisch wäre. Hierzu wäre in Deutschland auch eine Sondergenehmigung erforderlich; hinzu kommt, dass die Schiffsbeförderung auf dem Rhein verboten ist. Über weite Entfernungen wird Ethylen entweder in komprimierter Form durch Rohrleitungen oder in fluessiger Form auf Kühlschiffen befördert. Diese Arten der Beförderung erfordern jedoch umfangreiche Investitionen in logistische Ausrüstungen wie z. B. Rohrleitungen und besonders ausgestattete Schiffsterminals, die wiederum an Rohrleitungen oder an Ethylenabnehmer angeschlossen sind. Um die Transportkosten und die logistischen Schwierigkeiten gering zu halten, sind die Ethylenabnehmer häufig in der Nähe der Produktionsstätten angesiedelt. In der Praxis können große Ethylenmengen nur von einem Produktionsstandort zu einem inländischen Verbrauchsstandort befördert werden, wenn beide Standorte an dasselbe Rohrleitungsnetz angeschlossen sind. Angesichts dieser Sachzwänge bei der Ethylenbeförderung sind die Standorte für die Herstellung und den Verbrauch von Ethylen so ausgelegt, dass die Erzeuger und Verbraucher an Ort und Stelle durch eine Rohrleitung und/oder den Zugang zu Tiefseeverladestellen verbunden sind. Der räumlich relevante Markt wird somit durch das vorhandene Rohrleitungsnetz umgrenzt.

(17) Für die Definition des räumlich relevanten Marktes für Ethylen ist das Rohrleitungsnetz zugrunde zu legen, das der Aethylenrohrleitungsgesellschaft mbH & Co. KG gehört und von ihr betrieben wird, gemeinsam mit den angeschlossenen Rohrleitungen (das als "ARG+" bezeichnete Leitungsnetz), die überwiegend im Eigentum von angeschlossenen Ethylenverbrauchern oder -herstellern sind. ARG+ verbindet verschiedene Produktionsstätten und Ethylenabnehmer in Belgien, den Niederlanden und Westdeutschland.

(18) Der begrenzte Umfang der Einfuhren und deren eingeschränkte Verfügbarkeit für die Verbraucher macht eine breitere Definition des räumlichen Marktes unmöglich. An das ARG+ sind fünf Seeterminals angeschlossen, wo mit dem Schiff beförderte Ethyleneinfuhren von Produktionsstätten außerhalb des ARG+-Gebiets umgeschlagen werden können. Von dem gesamten Ethylenverbrauch der ARG+-Abnehmer entfielen im Jahr 2000 rd. 15 % auf Einfuhren von außerhalb des ARG-Gebiets, einem Spitzenjahr aufgrund mehrerer ungeplanter Ausfallzeiten in den ARG-Produktionsanlagen (den sog. "Krackanlagen"). In der Regel entfallen auf die Einfuhren rd. 10 % der Gesamtnachfrage (Eigenverbrauch und Handelsware). Der weitaus größte Anteil der Einfuhren entfällt auf die Eigentümer der Terminals, während die Einfuhren von Dritten lediglich 10 bis 20 % der Gesamteinfuhren ausmachen. Der Zugang zu den Ethyleneinfuhren im ARG+-Versorgungsgebiet ist für Dritte erheblich eingeschränkt, weil erstens neben den Terminals der Ethylenhersteller keine öffentlichen Verladestellen Dritten einen freien Zugang gewährleisten und zweitens die vorhandenen Terminals in erster Linie für den Ethylenbedarf ihrer Eigentümer ausgelegt sind. Hierbei handelt es sich um Anlagen, die zusätzlich zu den Einfuhren für die Aufbewahrung der Überschüsse der an den Terminal angeschlossenen Krackproduktion genutzt werden, die dem offenen Markt keine ausreichenden langfristigen Kapazitäten bieten. Von Dritten mit Zugang zu diesen Terminals wurden eine Reihe von vertraglichen und praktischen Schwierigkeiten vorgebracht, die sie an einer fortdauernden Nutzung dieser Terminals hindern. Terminalnutzungsverträge sind offenbar häufig an das Vorhandensein und die Dauer einer Liefervereinbarung mit dem Terminaleigentümer gebunden, wobei der Terminal nur für einen bestimmten Prozentsatz der Mengen zur Verfügung steht, die von dem Eigentümer direkt geliefert werden. Außerdem räumen diese Verträge den Eigentümern teilweise bestimmte Rechte ein, die den Ethylenabnehmer verpflichten, mit dem Eigentümer zu verhandeln, ob er anstelle der Nutzung des Terminals eine direkte Lieferung akzeptieren würde. Drittens müssen die nicht an den Terminal direkt angeschlossenen Abnehmer die Schiffsfrachten, Terminalgebühren und Beförderungskosten bezahlen, die von der ARG für die Rohrleitungsbeförderung berechnet werden, wodurch Einfuhren größeren Umfangs keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu dem mit ARG+ herangeführten Ethylen sind.

(19) Die beteiligten Unternehmen haben die Definition des geografischen Marktes durch die Kommission nicht bestritten.

(20) Hieraus kann geschlossen werden, dass der räumlich relevante Markt von dem Rohrleitungssystem ARG+ umgrenzt wird.

C. VEREINBARKEIT MIT DEM GEMEINSAMEN MARKT

(21) Am 27. Juli 2001 meldeten BP plc ("BP") und E.ON AG ("E.ON") der Kommission ihre Vereinbarung, mit der BP und E.ON die gemeinsame Kontrolle über Veba Oel AG ("Veba") zu erwerben (Fall COMP/M. 2533 - BP/E.ON). Dieses Vorhaben wird auch den Ethylenmarkt auf dem ARG+ berühren. Es wurde für beide Fälle eine einzige Marktanalyse durchgeführt, die zu der vorliegenden Entscheidung sowie der gleichzeitig angenommenen Parallelentscheidung in der Sache M. 2533 - BP/E.ON führt.

1. Gegenwärtige Marktstruktur

1.1. Ein bereits hohes Maß an Konzentration im Ethylen-Markt

(22) In Einklang mit vorangehenden Entscheidungen der Kommission(10) und der Auffassung von Shell und RWE werden die Marktanteile der Parteien und der übrigen Marktteilnehmer ausschließlich in Bezug auf den Handelsmarkt berechnet und berücksichtigt. Der Handelsmarkt umfasst die Verkäufe an Dritte und schließt die Produktionsmengen aus, die intern innerhalb einer Gruppe für die Weiterverarbeitung in nachgeordnete Produkte verbraucht werden (Eigenverbrauch).

(23) Die Marktanteile der Ethylenanbieter und der Umfang des Handelsmarktes können auf Nettobasis anhand der Käufe und Verkäufe auf dem ARG+ errechnet werden. Wenn ein Hersteller Ethylen auf dem Handelsmarkt gleichzeitig kauft und verkauft, erscheint es angemessen, die Käufe und Verkäufe zu verrechnen, um zu einer Nettoposition als Käufer oder Verkäufer zu gelangen. Die Untersuchung der Kommission hat ergeben, dass Tauschgeschäfte zwischen den Herstellern sowie Käufe und Verkäufe auf dem Spot-Markt in der Regel aus betrieblichen Gründen vorgenommen werden und keine systematischen, umfangreichen Weiterverkäufe bewirken. Außerdem geben Tauschgeschäfte nicht die unabhängige Marktmacht des teilnehmenden Unternehmens wieder und können einem Verkauf nicht gleichgestellt werden. Die besondere Lage der Erdölchemie wird unter Randnummer 40 erörtert.

(24) Die Einfuhren von Herstellern, die von außerhalb an das ARG+ angeschlossen sind, werden ebenso behandelt wie das auf dem ARG+ befindliche Ethylen, unabhängig davon, ob sie von demselben Unternehmen/derselben Unternehmensgruppe geliefert oder bei Dritten bezogen werden. Wenn man unangemessener Weise die auf dem ARG+ befindlichen Einfuhren als Käufe ansehen würde, würde dies die Stellung des Einführers als Nettoverkäufer und seinen Marktanteil verringern. Nicht allen Ethylenabnehmern stehen beständige Einfuhren zur Verfügung, außerdem werden Großeinfuhren in der Regel nicht als Tauschgeschäfte oder aus anderen betrieblichen Gründen ohne Marktfolgen getätigt. Somit kann über die Einfuhren eine beträchtliche Marktstellung erzielt werden, und die Verrechnung der Einfuhren gegen die Verkäufe auf dem Handelsmarkt würde ein verzerrtes Bild der Marktanteile der einzelnen Unternehmen ergeben. Hinzu kommt, dass gemäß den Anmeldern ein Teil des ARG+-Ethylengesamtmarktes auf die Einfuhren entfällt. Der Vollständigkeit halber muss auch der sich aus diesen Einfuhren ergebende Marktanteil dem Unternehmen angerechnet werden, das diese Einfuhren innerhalb des ARG+-Versorgungsgebiets verkauft.

(25) Die beteiligten Unternehmen führen aus, dass an Drittunternehmen im Rahmen langfristiger auf Formeln beruhender Verträge verkaufte Mengen nicht dem Handelsmarkt zugerechnet und in die Marktanteilsberechnung einbezogen werden sollten, da sie der unternehmensinternen Verwendung gleichzustellen und dementsprechend zu behandeln, d. h. auszuschließen seien. Die von diesen Verträgen betroffenen Mengen werden über einen extrem langen Zeitraum (mehr als 15 Jahre) gebunden und stehen dem Markt daher mittelfristig nicht zur Verfügung. Der Preis wird automatisch ohne weitere Verhandlungen festgesetzt, in denen die tatsächliche Marktlage berücksichtigt werden könnte. Die Preise für diese Mengen stehen in keinerlei Relation zum Handelsmarkt und sind für diesen nicht relevant. Würden diese Verträge nicht dem relevanten Markt zugerechnet, beliefe sich der gemeinsame Marktanteil der Parteien auf ungefähr [5-15]* %.

(26) Die Kommission teilt die Auffassung der Parteien, wonach die langfristigen Lieferverträge mit fester Preisformel von der Marktanteilsberechnung ausgeschlossen werden sollten, nicht. Generell würde eine unterschiedliche Behandlung von Verträgen alleine aufgrund ihrer Preisformel zu widersprüchlichen und willkürlichen Ergebnissen führen. [Es gibt auch Verträge, in denen beide Preisformeln zur Anwendung kommen. Es erscheint somit ausgesprochen künstlich und willkürlich, die Vertragsmengen bei der Marktanteilsberechnung zu teilen.]*

(27) Die lange Laufzeit als solche rechtfertigt noch nicht die Nichtberücksichtigung dieser Verträge. Auf dem Ethylenmarkt sind langfristige Verträge die Regel und nicht die Ausnahme. Bei einer Momentaufnahme des Marktes könnte es in der Tat so aussehen, als wären diese Mengen nicht sofort verfügbar. Bei einer vorwärtsschauenden Marktanalyse, wie sie die FKVO vorschreibt, ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Mengen bei Ablauf oder Neuverhandlung der Verträge dem Markt zur Verfügung stehen und damit die mittel- und langfristige Marktmacht des Erzeuger widerspiegeln. Außerdem laufen auf diesem Markt ständig Verträge aus oder werden neu verhandelt. Diese langfristigen Verträge sind daher nicht vom Wettbewerb unter den Anbietern ausgeschlossen und bieten regelmäßig bei Ablauf Anlass für ein Tätigwerden der Marktkräfte.

(28) Auch der Formelcharakter der Preise rechtfertigt nicht den Ausschluss von der Marktanteilsberechnung. Die Marktanteile werden als Indikator für die Beurteilung der Marktmacht herangezogen, weil sie den Markterfolg in der Vergangenheit wiedergeben und dieser mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch kurz- bis mittelfristig relativ unverändert Bestand haben wird. Deswegen sind auch Marktanteile, die auf Verträgen mit festen Preisformeln beruhen, aussagekräftig. Verträge mit Preisformeln sind oftmals Folge einer Entflechtung früherer konzerninterner Lieferbeziehungen, bei denen zwischen Anbieter und Abnehmer eine physische Verbindung bestand. Deswegen ist es zwar nicht sicher, aber doch ziemlich wahrscheinlich, dass der Anbieter den mit diesen Lieferungen verbundenen Marktanteil auch künftig behält.

(29) Auch der Wegfall vierteljährlicher marktnaher Preisverhandlungen während der Vertragslaufzeit ist kein Grund, diese Verträge nicht in die Würdigung der Marktmacht der beteiligten Unternehmen einzubeziehen. Preisformeln gelten nicht unbedingt und uneingeschränkt für die gesamte Vertragslaufzeit. Oft ist eine Anpassung bei Entwicklungen auf der Angebotsseite oder anderen Ereignissen vorgesehen, so dass ein Wirksamwerden der Wettbewerbskräfte während der Vertragslaufzeit keineswegs auszuschließen ist. Im Vertrag der DEA mit CPO (bei dem die beteiligten Unternehmen die von der festen Preisformel erfassten Mengen von der Marktanteilsberechnung ausschließen wollen) [...]*. Zudem haben die Vertragspartner [...]* einen Rabatt vom Formelpreis von zusätzlichen [...]DEM/t* vereinbart. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass auch die Formelpreise nicht vollautomatisch zur Anwendung gelangen, sondern aufgrund der allgemeinen Marktentwicklung neu verhandelt und geändert werden können. Der Vertrag enthält noch einen anderen starken Bezug zum Marktpreis [...]*. Verträge mit Preisformeln sind folglich nicht gänzlich von Marktentwicklungen und Verhandlungen abgeschottet.

(30) Deswegen erscheint es nicht gerechtfertigt, langfristige Verträge mit Preisformeln im vorliegenden Fall bei der Marktanteilsermittlung unberücksichtigt zu lassen.

(31) Das obige Konzept der Handelsmarktdefinition und der Marktanteilsberechnung entbindet natürlich nicht von der Pflicht, Umstrukturierungen, die zu einer Erhöhung von Marktanteilen führen können, ohne sich in einer entsprechenden unmittelbaren und sofortigen Erhöhung von Marktmacht niederzuschlagen, einzeln zu bewerten. Das gilt insbesondere für eine Ersetzung konzerninterner Ethylenlieferungen bei einer Veräußerung nachgelagerter Produktionstätigkeiten durch langfristige Lieferverträge mit Dritten, in deren Folge der frühere Eigenverbrauch dem Handelsmarkt zugerechnet werden muss und dort zu einer Erhöhung des Marktanteils führt, die nicht zwingend als Ausdruck neuer Marktmacht anzusehen sind. Dies ist im Einzelfall zu ermessen.

(32) Somit ergeben sich auf dem ARG+-Handelsmarkt für das Jahr 2000 folgende Marktanteile, Kapazitäten der Ethylenverkäufer und Einfuhren durch Dritte:

Tabelle 1

Marktanteile

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

(33) Grundsätzlich lassen sich die Anbieter im ARG+-Versorgungsgebiet in folgende drei Gruppen unterteilen:

i) Anbieter, die im nachgeordneten Markt nicht vertikal integriert sind und ihre gesamte Ethylenproduktion auf dem Handelsmarkt verkaufen;

ii) Ethylenhersteller, die im nachgeordneten Markt vertikal integriert sind und ihre Produktion teilweise selbst verbrauchen und teilweise auf dem Handelsmarkt verkaufen und

iii) vertikal integrierte Ethylenhersteller, die ihre gesamte Produktion selbst verbrauchen.

(34) Veba Oel wird vom Markt der ersten Gruppe zugeordnet. Im Jahr 2000 war die Kapazität seiner beiden Krackanlagen in Gelsenkirchen von jährlich [900-1000]kt* vollständig ausgelastet, außerdem gelangte die gesamte Produktion (wie auch in den Jahren 1998 bis 1999) auf den Handelsmarkt. Mit einem Marktanteil von [25-35]* % ist Veba Oel der bei weitem größte Anbieter auf dem Handelsmarkt im ARG+-Versorgungsgebiet.

(35) Ein weiterer Anbieter in dieser Gruppe ist DEA. Im ARG+-Gebiet gehören DEA zwei Krackanlagen in Wesseling mit einer Ethylen-Kapazität von [400-500]* kt jährlich, die im Jahr 2000 [stark]* ausgelastet war. Seine gesamte Produktion wurde, wie auch in den Jahren 1998 und 1999, auf dem Handelsmarkt verkauft(11). Der Marktanteil von DEA liegt bei rd. [10-20]* %. Die beteiligten Unternehmen bringen vor, dass DEA nur einen Kunden hat, CPO, den es seit den 70er Jahren beliefert, weshalb der Marktanteil von DEA seine Marktstellung nicht angemessen wiedergibt. CPO ist allerdings weder Verbraucher, noch unabhängiger Händler, sondern handelt die Lieferungen für Basell, Clariant, Celanese, Vinnolit and Vintron aus. [...]*. Diese Vereinbarungen sind das Ergebnis der Veräußerung von vormaligen Teilen der Farbwerke Hoechst, für die zu jener Zeit günstige Lieferungen gesichert wurden. Die Verträge mit den Kunden sind auf die Dauer der Lieferverträge zwischen CPO und DEA (Veba) beschränkt. Ferner wird [ein Großteil]* der Nachfrage von CPO an Basell weitergegeben, dem Gemeinschaftsunternehmen von Shell und BASF, zwei Nettoabnehmer auf dem Handelsmarkt. Basell betreibt seine eigene Ethylen-Krackanlage und wird in der Lage sein, seine restliche Nachfrage zu günstigen Bedingungen über seine Muttergesellschaften decken zu können. Vor diesem Hintergrund geht CPO davon aus, dass es nach dem Auslaufen seiner Lieferverträge mit DEA und Veba wohl kaum in seiner jetzigen Form fortbestehen wird.

(36) DEA und Veba haben somit [einen erheblichen Teil]* des Handelsmarkts im ARG+-Gebiet im Jahr 2000 beliefert.

(37) Shell wird vom Markt der zweiten Gruppe zugeordnet. Seine Ethylen-Krackanlage in Moerdijk (Niederlande) ist an das ARG über eine firmeneigene Rohrleitung verbunden. Shell führt an, dass es Nettokäufer von Ethylen sei, weil die Nachfrage seines Gemeinschaftsunternehmens Basell (gemeinsame Kontrolle und gemeinsames Eigentum mit BASF) als Eigenverbrauch einzustufen sei. Diesem Argument kann nicht zugestimmt werden. Als Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen im Sinne der Fusionskontrollverordnung ist Basell eine eigenständige Wirtschaftseinheit, die nur in der Anfangsphase kleinere Teile ihres Ethylenbedarfs von den Muttergesellschaften beziehen wird(12). Da zumindest auf mittlere Sicht Basell die Freiheit der Wahl seines Ethylenlieferanten hat, kann seine gegenwärtige Nachfrage nicht in die Berechnung der Ethylen-Nettoposition von Shell einbezogen werden. Diese Bewertung stimmt mit der Markteinschätzung überein, wonach Shell ein wichtiger Anbieter auf dem Ethylen-Handelsmarkt im ARG+-Gebiet ist. Außerdem ist die auf das ARG+ gelangende Produktion von Shell seinen Einfuhren auf dem ARG+ hinzuzuzählen. Gemäß dieser Berechnung belief sich der Marktanteil von Shell im Jahr 2000 auf [10-20]* %.

(38) Diese Zahl spiegelt das tatsächliche Marktpotenzial von Shell nur unzureichend wieder. Im Jahr 2000 wurde die Kapazität seiner Ethylen-Krackanlage in Moerdijk von [600-700]* kt auf [800-900]* kt erhöht. Die Erweiterung der Krackkapazität, die in dem Marktanteilszahl für das Jahr 2000 nicht zum Ausdruck kommt, wird die zukünftige Marktstellung von Shell stärken und seinen Marktanteil erhöhen.

(39) Weitere der zweiten Gruppe angehörende Anbieter sind BASF mit einem Anteil am Handelsmarkt von [10-20]* %, Atofina mit einem erheblich geringeren Anteil von [5-15]* % und Exxon mit einem Marktanteil von [5-15]* %. Der Marktanteil von Exxon ergibt sich weitgehend aus den Einfuhren seines im Vereinigten Königreich hergestellten und auf dem ARG+ befindlichen Ethylens. Die übrigen Marktanteile entfallen auf die von anderen Unternehmen getätigten Einfuhren.

(40) BP gehört hinsichtlich seiner Nettoposition bei Ethylen der dritten Gruppe an, da es seine gesamte Produktion netto selbst verbraucht (siehe Randnummer 23), selbst wenn man seine umfangreichen Einfuhren des Jahres 2000 berücksichtigt. Dies gilt auch nach dem im April 2001 erfolgten Erwerb der alleinigen Kontrolle über Erdölchemie, das seine Kunden aber weiterhin mit Ethylen im Rahmen langfristiger Verträge beliefert. Wenn sich auch gemäß der Marktuntersuchung der Kommission bereits jetzt absehen lässt, dass nach dem Erwerb der alleinigen Kontrolle durch BP die Ethylenverkäufe von Erdölchemie (von [...]* kt im Jahr 2000 auf erwartete [...]* kt im Jahr 2001) zurückgehen, gibt der Absatz von Erdölchemie BP dennoch eine Marktperspektive und ein Marktwissen auch aus der Sichtweise des Verkäufers.

(41) Andere der dritten Gruppe angehörende Anbieter sind DOW, DSM und Basell, deren gesamte Ethylenproduktion (bezogen auf ihre Nettostellung) selbst verbraucht wird, und die zusätzliche Mengen im Markt kaufen.

(42) Neben diesen Ethylenabnehmern, die Ethylen selbst herstellen, gibt es noch freie, nicht integrierte Abnehmer wie Sasol, Celanese, Solvay/Solvin, LVM, Ineos und Borealis, die für ihren Ethylenbedarf vollständig von den Lieferungen dritter Hersteller auf dem ARG+ abhängen.

1.2. DEA und Veba als alleinige nicht integrierte Anbieter und hauptsächliche Preisermittler auf dem Ethylen-Markt - deren entscheidende Rolle für die Funktionsweise des Marktes

(43) Die große Mehrzahl der Ethylenlieferungen erfolgt im Rahmen langfristiger Verträge zwischen Lieferanten und Abnehmern. Gemäß der Preisgestaltung gibt es drei verschiedene Arten von Verträgen.

(44) Erstens wird bei großen Liefermengen in den Verträgen häufig auf einen Grundpreis Bezug genommen, der daraufhin um Einzelrabatte angepasst wird. Während der Einzelrabatt für die gesamte Vertragsdauer unverändert bleibt, wird der Grundpreis vierteljährlich zwischen den Partnern neu ausgehandelt. Ein Großteil dieser Verträge sieht vor, dass der in dem Industriebericht ICIS-LOR veröffentlichte Preis zum Bezugspreis erklärt wird, wenn die Parteien in ihren Verhandlungen keine Einigung erzielen können.

(45) Zweitens gibt es Verträge überwiegend für kleinere Liefermengen, die keine vierteljährlichen Preisverhandlungen vorsehen, sondern sich auf den veröffentlichten Bezugspreis beziehen, der um die gewährten Einzelrabatte angepasst wird, die für die gesamte Laufzeit des Vertrags vereinbart werden. Der tatsächlich zu zahlende Preis passt sich automatisch den Bewegungen des veröffentlichten Bezugspreises an. Der gemäß dieser Art von Verträgen zu zahlende Preis folgt somit dem Preis des ersten Vertragstyps. Um zu diesem Bezugspreis zu gelangen, legen die wichtigsten Anbieter im Markt (mit einem Vertrag des ersten Typs), deren auszuhandelnde Mengen mindestens rd. 200 kt betragen, die vierteljährlich einzeln ausgehandelten Vertragspreise (ohne Rabatte) Einrichtungen wie ICIS-LOR oder CMAI vor, von denen diese Preise veröffentlicht werden. Wenn andere Unternehmen bei ihren Verhandlungen diesen Preis befolgen oder davon abweichen, wird dies ebenfalls weitergegeben und veröffentlicht. Wenn einige Verträge zu demselben Preis abgeschlossen wurden, wird dieser Preis als der geltende Vertragspreis und von ICIS als nordwesteuropäischer Bezugspreis (NWECP) veröffentlicht. Wird ein Bezugspreis jedoch nicht allgemein befolgt, so wird ein gewichteter Durchschnittspreis als vierteljährlicher Bezugspreis veröffentlicht. Alle übrigen Verträge, in denen auf diesen Preis ohne weitere Neuverhandlungen Bezug genommen wird, werden entsprechend angepasst.

(46) Dieser Preismechanismus bewirkt, dass der Einfluss auf große Ethylenmengen Auswirkungen auf Einzelverträge, aber auch umfassendere Folgen für die allgemeine Preishöhe auf dem Ethylenmarkt hat. Veba und DEA sind die wichtigsten Anbieter auf dem Handelsmarkt und spielen deshalb wegen ihrer Verkaufsmengen eine große Rolle in dem beschriebenen Preisfindungsmechanismus. Diese Rolle erhält noch dadurch besondere Bedeutung, dass Veba und DEA die einzigen Anbieter sind, die bei den Ethylen nachgeordneten Erzeugnissen nicht integriert sind. Die von ihnen festgesetzten Preise werden deshalb als völlig frei von Eigeninteressen in den nachgeordneten Märkten, von Erwägungen des Eigenverbrauchs und somit als ausschließlich durch objektive Gesichtspunkte des Ethylenmarkts wie z. B. Kosten der Vorstoffe, Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, Entwicklung der Gewinnspannen usw. motiviert angesehen. Obwohl in der Vergangenheit auch über die Verträge der anderen Anbieter berichtet wurde, sehen alle Marktteilnehmer, die den Fragebogen der Kommission beantwortet haben, Veba und DEA auf dem ARG-Ethylenmarkt als die Preisführer an, die eine vom Markt weitgehend anerkannte, an Angebot und Nachfrage orientierte Preisfindung gewährleisten.

(47) Die Parteien machen geltend, dass die Rolle von DEA (und Veba) für den Preisfindungsmechanismus und die Funktionsweise des Marktes übertrieben dargestellt werde, da DEA lediglich einen Liefervertrag mit einem Kunden eingegangen sei. DEA war bis April 2001 - Veba bis 1998 - bei nachgeordneten Ethylenderivaten teilweise integriert, was aber nicht ihre Rolle als unabhängige Preisermittler beeinflusst hätte. Einige andere in der Vergangenheit an der Entstehung des ICIS-Preises beteiligte Anbieter und selbst nicht an ARG+ angeschlossene Anbieter könnten an der Ermittlung der ICIS-Preise teilnehmen. Es bestuenden auch andere Mechanismen, die den ICIS-Bezugspreis ersetzen könnten. Schließlich wäre die Verhandlungsposition der fusionierten Shell/DEA-Einheit und ihr Anreiz, von CPO den höchstmöglichen Preis für Ethylen zu beziehen, der gleiche wie für DEA alleine.

(48) Die Kommission kann diesen Argumenten nicht zustimmen. Die Lage des erwähnten einzigen Abnehmers von DEA (CPO) wird in Randnummer 138 eingehend geschildert. Das Ausmaß der vormaligen Integration von DEA und Veba im nachgeordneten Markt war beschränkt und beeinflusste deshalb nicht ihre Stellung als unabhängige Anbieter. Die wichtigsten Derivateanlagen von DEA lagen außerhalb des ARG+, und seine eigenen Anlagen auf dem ARG+ wurden von diesen Derivatewerken nicht beliefert. Deshalb war, sogar zu jener Zeit, als DEA noch im nachgeordneten Markt tätig war, seine gesamte Ethylenproduktion auf dem ARG+ für den Handelsmarkt bestimmt. Auch machte der vormalige Ethylen-Eigenverbrauch von DEA lediglich [einen geringen Teil]* seiner Gesamtproduktion aus, während die übrigen [...]* % für den Handelsmarkt bestimmt waren, der auch der Schwerpunkt seiner Tätigkeiten war. Für Veba ist der Anteil seines vormaligen Eigenverbrauchs auf 25 bis 50 % seiner Produktion anzusetzen. Der überwiegende Teil seiner Produktionsmenge war damit auch für den offenen Markt bestimmt. Nachdem Veba im Jahr 1998 seine nachgeordneten Tätigkeiten veräußert hat, ist es nunmehr schon seit einiger Zeit als unabhängiger, ausschließlicher Verkäufer auf dem Handelsmarkt tätig.

(49) Zum Einfluss anderer Hersteller auf den Preisermittlungsmechanismus brachten die Parteien vor, dass in den vergangenen fünf Jahren der vierteljährliche ICIS-Bezugspreis weniger als zehn Mal auf anderen als den zwischen DEA und Veba (überwiegend mit CPO) getroffenen Vereinbarungen beruhte. Außerdem haben die Anbieter außerhalb des ARG+ offenbar nie als Grundlage für den ICIS-Bezugspreis gedient, was darauf zurückzuführen ist, dass sich das ARG+-Gebiet aus der Zusammenballung einer ausreichenden Anzahl an Ethylenherstellern und -abnehmern zusammensetzt, die einen Marktplatz bilden, während es an den meisten anderen Produktionsstandorten in Westeuropa im Wesentlichen nur einen Anbieter und sehr wenige Kunden gibt, die über Rohrleitungen miteinander verbunden sind und keine Wahl ihrer Vertragspartner haben. Es mag zwar andere Preisfindungsmechanismen als den ICIS-Bezugspreis geben, wie z. B. Bezugnahmen auf die Rohstoffkosten oder Vereinbarungen über die Teilung von Gewinnspannen, diese spiegeln aber die Bedingungen auf dem Ethylenmarkt nicht so gut wider und würden deshalb von den Marktteilnehmern wohl kaum angewandt werden.

(50) Schließlich wird, wie nachstehend näher beschrieben (Randnummern 84-104), das Interesse von DEA, das sich bisher ausschließlich am Ethylen-Handelsmarkt ausrichtete, nach ihrer Fusion mit dem vertikal voll integrierten Anbieter Shell erheblich verändert und durch die nachgelagerten Tätigkeiten von Shell umgelenkt werden und damit ihr Verhandlungsverhalten beeinflussen.

(51) Drittens gibt es auf Formeln beruhende Verträge, bei denen in der Regel die Kosten der Lieferanten, die Preise der Rohstoffe, die Ertragslage der Krackanlagen und die Gewinnspannen bei den nachgeordneten Derivaten berücksichtigt werden. Es gibt hierbei keine regulären Preisverhandlungen, da die Preise das Ergebnis objektiver Daten sind, die sich aufgrund der Formelberechnung ergeben. Auf diese Art Verträge wird überwiegend zurückgegriffen, wenn vormals integrierte Produktionsstandorte einer Gruppe aufgeteilt und die nachgeordnete Derivateproduktion an Dritte verkauft werden. Auf diesen Vertragstyp entfällt offenbar [ein geringer Teil]* der auf den Handelsmarkt gelangenden Gesamtmengen.

2. Gemeinsame Marktbeherrschung

(52) Die Kommission ist der Auffassung, dass nach Vollzug dieses Zusammenschlussvorhabens und des Vorhabens zwischen BP und E.ON eine gemeinsame Marktbeherrschung der beiden neuen Einheiten auf dem ARG+-Markt für Ethylen entstehen wird. In vorangehenden Fällen hat sich die Kommission auf folgende Elemente gestützt, um das Vorhandensein einer gemeinsamen marktbeherrschenden Stellung zu ermitteln(13): i) Konzentration beim Angebot, ii) Gleichartigkeit des Produkts iii) Symmetrie der Marktanteile, Kosten und Interessen, iv) Preistransparenz, v) Vergeltungsmöglichkeiten, vi) hohe Zutrittsschranken und Fehlen eines potenziellen Wettbewerbs sowie vii) inelastische Nachfrage ohne Gegenmacht der Käufer. Diese Liste ist nicht verbindlich, insbesondere weil nicht alle Elemente vorhanden sein müssen, um auf eine gemeinsame marktbeherrschende Stellung zu schließen, und auch nicht erschöpfend, vielmehr soll sie eine Reihe nützlicher Bezugsgrößen an die Hand geben. Unter den gegebenen Umständen ist der vorliegende Fall wie folgt zu bewerten:

2.1. Gemeinsamer Marktanteil von Shell und BP von rund [55-65]* % nach dem Zusammenschluss - keine vergleichbar starken Wettbewerber

(53) Die offensichtlichste und wichtigste Auswirkung der beiden Vorhaben auf den Wettbewerb im Ethylen-Handelsmarkt wäre das Wegfallen von DEA und Veba als unabhängige Wettbewerber und nicht integrierte Anbieter auf dem Handelsmarkt. Die schwerwiegendste Folge für die Marktstruktur würde sich aus dem Verlust der Unabhängigkeit der wichtigsten Verkäufer auf dem Handelsmarkt ergeben, was noch dadurch verschärft würde, dass die fusionierten Einheiten nicht in der Lage sein würden, die gegenwärtige Rolle von DEA und Veba als unabhängige Preisermittler des Ethylenmarkts auf dem ARG+ zu spielen, und dass auf dem ARG+ kein anderer unabhängiger Ethylenhersteller - ohne Interessen in der nachgeordneten Produktion - verbleiben würde.

(54) Nach Vollzug der Zusammenschlüsse würden die Ethylenanbieter auf dem ARG+ folgende Marktanteile haben:

Tabelle 2

Marktanteile nach der Fusion

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

(55) Zusammengerechnet hätten Shell und BP einen Marktanteil von [55-65]* % (Shell/DEA [25-35]* % und BP/Veba [25-35]* %). Dieser Sachverhalt würde sich nicht spürbar ändern, wenn nach Vollzug des Zusammenschlusses die Nettonachfrage von BP angerechnet auf den Überschuss von Veba ausgeglichen wäre. Auch wenn man das Nettodefizit von BP vom Umfang des Handelsmarktes abzieht, hätten die beiden Einheiten einen gemeinsamen Anteil von [55-65]* % (Shell/DEA [25-35]* % und BP/Veba [25-35]* %). Wenn man die Nettoposition direkt für die nahe Zukunft berechnet, ergibt sich eine sehr vorsichtige Darstellung der Marktstellung von BP/Veba, da die Marktverkäufe von Veba nach Vollzug des Zusammenschlusses - wie im Falle von Erdölchemie - nicht unverzüglich zurückgehen werden.

(56) Der Zunahme an Marktanteil entspricht auch eine Zunahme an Marktmacht von Shell/DEA und BP/Veba nach dem Vollzug der beiden Vorhaben. Da die Ethylenproduktion von DEA und Veba gegenwärtig vollständig für den Verkauf auf dem Handelsmarkt bestimmt ist, würde den Marktanteilen auch eine Marktmacht der neuen Einheiten Shell/DEA und BP/E.ON auf dem Handelsmarkt entsprechen. Die Zunahme an Marktmacht könnte sogar größer sein als die Zunahme an Marktanteilen, da DEA und Veba in ihrer Funktion als Ethylenhersteller ohne nachgeordnete Interessen und als unabhängige Preisermittler für den Markt von besonderer Bedeutung waren. Die Vorhaben würden somit nicht nur förmliche Änderungen an den Marktanteilszahlen bewirken, sondern auch die Marktstruktur in erheblichem Maße verändern.

(57) Die Anteile der beiden neuen Einheiten an der Ethylenproduktionskapazität im ARG+-Gebiet lägen bei ungefähr [10-20]* % für Shell/DEA (mit einer Kapazität von jährlich [1300-1500]* kt) und bei etwa [15-25]* % für BP/Veba (mit einer Kapazität von jährlich [1800-2000]* kt). Die Marktanteile der übrigen Hersteller würden [10-20]* % für BASF, [5-15]* % für Atofina und [2-7]* % für Exxon betragen. Die beiden neuen Einheiten wären die beiden größten Ethylenhersteller auf dem ARG+.

(58) Neben den beiden neuen Einheiten blieben im ARG+-Gebiet lediglich BASF, Atofina und Exxon als Ethylen-Nettoanbieter übrig. Die Marktuntersuchung der Kommission hat ergeben, dass DOW kein Ethylen auf dem ARG+ verkauft. Diese Ethylenanbieter sind in der gleichen Weise wie die neuen Unternehmenseinheiten, jedoch nicht unbedingt bei denselben Produkten, auf dem nachgeordneten Markt vertikal integriert und haben die gleichen Anreize bei den Ethylenlieferungen an Kunden, mit denen diese Unternehmen auf dem nachgeordneten Markt der Ethylenderivate miteinander im Wettbewerb stehen.

(59) Der nächstfolgende Wettbewerber wäre BASF, dessen Marktanteil mit [10-20]* % im Jahr 2000 jedoch wesentlich kleiner war. Eine strukturelle Beziehung zwischen BASF und Shell besteht durch das Gemeinschaftsunternehmen Basell, in das BASF und Shell ihre gesamten Polypropylen- und Polyethyleninteressen zusammengelegt haben. Durch das gemeinsame Eigentum an Basell hat BASF keinen Anreiz, die Wettbewerber auf dem nachgeordneten Polyethylenmarkt durch günstige Ethylenlieferungen zu unterstützen (siehe auch nachstehende Bemerkungen zu Shell in Randnummern 84-104), und einen nur geringen Anreiz, über Preissenkungen den Wettbewerb mit Shell und BP auf dem Ethylenmarkt im ARG+ aufzunehmen. Außerdem ist BASF auch auf anderen nachgeordneten Märkten wie z. B. Ethylenoxyd oder Monoethylenglykol tätig. Daraus entstehen wiederum Anreize, keinen Wettbewerb mit den beiden neuen Unternehmenseinheiten auf dem vorgelagerten Ethylenmarkt aufzunehmen, wie in den Bemerkungen zu Shell und BP näher ausgeführt (Randnummern 84-104). Es ist deshalb zu erwarten, dass BASF eher den beiden neuen Marktführern folgen als die Rolle des Störenfrieds spielen wird.

(60) Außerdem ist BASF im Gegensatz zu den fusionierten Einheiten, die auch im vorgelagerten Geschäft tätig sein werden, in diesem Bereich nicht vertikal über Raffinerien integriert, und hat somit nicht aus eigenen Quellen die erforderlichen Rohbenzinlieferungen für seine Dampfkrackanlagen. Die Parteien halten dies nicht für einen spürbaren Nachteil, da Naphta auf dem Markt frei verfügbar sei. Dies mag zwar für die Belieferung der Krackanlage von BASF in Antwerpen zutreffen, für die Anlagen in Ludwigshafen stellt sich die Lage offenbar jedoch anders dar. Der Kostennachteil dieses Standorts ergibt sich nicht nur aus der nötigen Beförderung von Naphta nach Ludwigshafen, BASF hängt auch in gewissem Maße von den Naphta-Lieferungen auf der Rhein-Main-Rohrleitungstransport-Leitung (RMR) ab, einer Mehrproduktrohrleitung, die von der Amsterdam-Rotterdam-Antwerpen ("ARA")-Region in das Rhein-Main-Neckar-Gebiet führt. [...]*. Für die Beförderung über die RMR-Rohrleitung hängt BASF von deren Aktionären, nämlich BP, Veba und insbesondere Shell, ab. Diese Sachzwänge engen die Möglichkeiten und Anreize für BASF ein, Druck auf die beiden neuen Einheiten im ARG+-Ethylenmarkt auszuüben.

(61) Nach dem Zusammenschluss würde der Marktanteil von Atofina [5-15]* % betragen. Dieser begrenzte Anteil am Handelsmarkt und seine fehlenden [...]* verleihen Atofina keine ausreichende Marktmacht, um den Wettbewerbsdruck auf die beiden fusionierten Einheiten zu erhöhen; auch sind seine Anreize, den Wettbewerb mit BP und Shell aufzunehmen, durch die umfangreichen Interessen von Atofina im nachgeordneten Markt eingeschränkt.

(62) Die Ethylenproduktionskapazität von Exxon im ARG+ wird durch seine 35 %-Minderheitsbeteiligung an dem Gemeinschaftsunternehmen Fina Olefins Antwerp (FAO) in Antwerpen eingeschränkt. Die Marktverkäufe an Dritte hängen weitgehend von seinen Einfuhren ab, und der Marktanteil von Exxon von [5-15]* % ist wesentlich kleiner als die Anteile der neuen Unternehmenseinheiten. Die Kapazität des Gemeinschaftsunternehmens FAO war im Jahr 2000 [sehr]* ausgelastet, außerdem gibt es nach der Marktuntersuchung der Kommission Anzeichen dafür, dass Exxon [...]*. Schließlich wird sein Anreiz, die Hersteller von Ethylenderivaten mit billigem Ethylen zu versorgen, durch seine eigene umfangreiche Produktion von Ethylenderivaten eingeschränkt. Damit wird Exxon höchstwahrscheinlich der Strategie der beiden Marktführer folgen und sowohl aus Unvermögen als auch aus fehlendem Anreiz keinen ausreichenden Wettbewerbsdruck auf die Parteien der beiden Vorhaben ausüben.

2.2. Privilegierte Stellung der beiden neuen Marktführer bei den wesentlichen Infrastrukturen

2.2.1. Vorrangiger Zugang von BP/Veba zur ARG-Rohrleitung und starker Einfluss auf die Unternehmensstruktur von ARG

(63) Die Bedeutung der ARG-Leitung als dem in dieser Region einzigen wirtschaftlichen Beförderungsmittel für Ethylen wurde bereits beschrieben (Randnummern 16 f.). Im ARG-Gebiet wird Ethylen auf keinem anderen Weg befördert. Deshalb hängt der Zugang zum Ethylen und der Wettbewerb zwischen den an diese Rohrleitung angeschlossenen Anbieter für die Belieferung der Kunden in hohem Maße vom Zugang zu der Rohrleitung zu wettbewerblich angemessenen Bedingungen ab. Die Ethylenanbieter sind überwiegend am westlichen und östlichen Ende des Rohrleitungssystems angesiedelt. Ohne die Möglichkeit, Ethylen über die ARG-Rohrleitung zu befördern, schränkt sich die Fähigkeit und der Anreiz für diese Hersteller ein, sich um Verträge entlang des gesamten ARG-Systems zu bewerben, wodurch auch die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher und ihre Fähigkeit, angemessene Ethylenpreise zu erzielen, eingeschränkt wird. Dies gilt auch für die Wettbewerbsfähigkeit der Einfuhren. Die Terminals zur Umladung der Hochseeschiffe befinden sich alle an der Nordseeküste. Damit sind die Einfuhren den Abnehmern am östlichen Abschnitt des ARG nicht einfach zugänglich, die ohne die Verfügbarkeit der ARG-Beförderungsrohrleitung zu niedrigen Preisen nicht als Gegenmacht zu den ARG-Anbietern wirken können.

(64) Die Stellung der neuen Unternehmenseinheit BP/Veba Oel auf dem ARG-Ethylenmarkt wird durch ihren größeren Anteil an der Aethylen-Rohrleitungs-Gesellschaft mbh & Co. KG (die ARG-Gesellschaft), der Eigentümerin des Kernstücks des ARG-Rohrleitungssystems, noch verstärkt. Gegenwärtig sind die Anteile am Aktienkapital der ARG-Gesellschaft wie folgt aufgeteilt:

Tabelle 3

ARG

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

(65) BP/Veba als Aktionär der ARG-Gesellschaft [...]*.

(66) Außerdem werden BP/Veba über ihren gemeinsamen Kapitalanteil erheblichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik von ARG und insbesondere [...]* ausüben. Gemäß der ARG-Geschäftsordnung ist Einstimmigkeit für Entscheidungen von ausschlaggebender Bedeutung wie [...]*. Eine [besondere Mehrheit]* ist für [strategische Entscheidungen]* vorgeschrieben.

(67) Nach dem Zusammenschluss werden BP/Veba zusammen 50 % des Kapitals halten, was ihnen die Sperrmöglichkeit für sämtliche Beschlüsse einräumt, die einer [besonderen Mehrheit]* bedürfen. BP/Veba wären damit in der Lage, insbesondere [...]* zu blockieren. Außerdem könnten sie einen erheblichen Einfluss auf [strategische Entscheidungen]* ausüben.

(68) Bis Juli 2001 ernannten die Aktionäre DSM, Veba und Erdölchemie (BP) jeweils einen Betriebsdirektor. Dieses System wird sich bis Ende 2001 ändern, wenn ein außenstehender, nicht von den einzelnen Aktionären direkt ernannter Betriebsdirektor bestellt wird. Es gibt bereits einschlägige Entschließungen des Unterausschusses, und es wird erwartet, dass die Aktionäre bis Ende diesen Jahres dem neuen Konzept zustimmen werden. Im Vorgriff auf diese Veränderung wurde bereits seit Juli 2001 ein einziger Betriebsdirektor für die ARG ernannt [...]*. Mit seiner Sperrminorität wird BP/Veba in der Lage sein, [die Ernennung des geschäftsführenden Direktors zu beeinflussen]*.

(69) Es kann nicht geltend gemacht werden, dass BP bereits vor der Zusammenlegung mit Veba über eine Sperrminorität bei Entscheidungen verfügte, die eine [besondere Mehrheit]* benötigten, weshalb das Vorhaben keine erheblichen Änderungen in Bezug auf das ARG bringen werde. Mit dem Zusammenschluss werden sich die Interessen von BP an der Nutzung der Rohrleitung und bei der Ausübung seiner Rechte aufgrund seiner Anteile an der Rohrleitungsgesellschaft grundlegend ändern. BP ist gegenwärtig Nettoabnehmer von Ethylen auf dem ARG+ und hat ein Interesse an der Öffnung des Zugangs des ARG für dritte Hersteller, um die ständige Belieferung mit Ethylen zu gewährleisten. Es bildete bei jeglicher Strategie der E.ON-Gruppe in Bezug auf die ARG-Gesellschaft ein Gegengewicht zu E.ON, das die Anteile von Veba - dem größten Nettoverkäufer - und Degussa kontrollierte. BP stand jedoch der E.ON-Block einer vergleichbaren Stärke gegenüber, der bei jeglicher Strategie für die ARG-Gesellschaft berücksichtigt werden musste. Nach dem Zusammenschluss werden BP/Veba gemeinsam zum wichtigsten Ethylenverkäufer auf dem ARG+, und nicht mehr daran interessiert sein, die Interessen von Ethylenabnehmern in der ARG-Rohrleitungsgesellschaft wie z. B. den offenen Zugang zu niedrigen Preisen für die Anbieter und Verbraucher, zu unterstützen und zu verteidigen. BP/Veba könnten ihre Sperrminorität in dem Unternehmen dazu nutzen, [...]* zu blockieren. Außerdem werden BP/Veba der einzige Aktionär mit einer Sparminorität sein, dem kein anderer gleich starker Aktionär gegenüberstehen wird. Dies verschafft der neuen Einheit eine besonders starke Stellung.

(70) Hieraus ist zu schließen, dass BP/Veba in Bezug auf die ARG-Rohrleitung, der wesentlichen Infrastruktur des Ethylenmarktes, [...]* und entscheidenden Einfluss haben werden.

(71) Die Stellung von BP/Veba bei der Infrastruktur wird durch das Eigentum an oder den Einfluss über Zuleitungen weiter gestärkt. So gehört Veba die Rohrleitung, die einige Ethylenabnehmer [an einem Standort im Rhein/Ruhr-Gebiet]* mit der ARG-Rohrleitung über die Krackanlage von Veba in Gelsenkirchen verbindet(14). Die Belieferung dieser Abnehmer, auf die ein beträchtlicher Teil des Handelsmarkt-Umsatzes entfällt, hängt völlig vom Zugang zu dieser Leitung ab. Da keiner der an diese Leitung angeschlossenen Abnehmer vertikal integriert ist, hängen sie völlig von Lieferungen Dritter auf dem offenen Handelsmarkt ab. Eine Belieferung durch Konkurrenten der Veba wäre nur möglich, wenn Veba der Nutzung der Pipeline zustimmt. Damit verfügt Veba über beträchtliche Möglichkeiten, die Wahl des Anbieters durch diese Abnehmer zu beeinflussen und den etwaigen Wettbewerbsdruck alternativer Anbieter zu kontrollieren.

2.2.2. Privilegierter Zugang von Shell/DEA zur Einfuhrinfrastruktur und Kontrolle über wichtige Verbindungsleitungen

(72) Angesichts der extrem hohen Investitionskosten stimmten die Markteilnehmer darin überein, dass der Zutritt eines neuen Anbieters zum ARG-Ethylenmarkt auf der Grundlage einer neuen Krackanlage kurz- bis mittelfristig ausgeschlossen werden kann. Zusätzliche Kapazitäten sind nur mit der Beseitigung der Engpässe bei den Anlagen der bestehenden Hersteller zu erwarten, was aber keine neuen unabhängigen Wettbewerber dem Markt hinzufügen würde. Deshalb wären Ethyleneinfuhren die einzige zusätzliche unabhängige Lieferquelle, die der Stellung der gegenwärtigen Anbieter im Markt entgegenwirken könnte. Ethyleneinfuhren können nur über die bestehenden Terminals auf das ARG gelangen, was man als Engpass ansehen kann, dessen Kontrolle einen erheblichen Einfluss auf den Wettbewerb im ARG-Ethylenmarkt verschafft.

(73) Shell gehört gegenwärtig einer der fünf an das ARG(15) angeschlossenen Seeverkehrsterminals für Ethylen, mit der die bereits starke Stellung von Shell/DEA im Markt spürbar gestärkt wird. Dieser erlaubt es Shell/DEA, zusätzliche Mengen für das ARG einzuführen und damit flexibel auf Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage zu reagieren, die sich aus den Ausfallzeiten der Krackanlagen oder den Nachfrageschwankungen ergeben. Shell/DEA werden in der Lage sein, den Marktbewegungen genau zu folgen und beständig eine hohe Auslastungsrate ihrer Krackanlagen zu gewährleisten, was für eine wirtschaftliche Ethylenproduktion von ausschlaggebender Bedeutung ist. Diese Flexibilität erlaubt es auch Shell/DEA, zusätzliche Mengen in Zeiten einer vollen Kapazitätsauslastung seiner ARG-Produktionsstätten auf den Markt zu bringen.

(74) Zweitens kontrolliert es den Zugang von dritten Ethylenabnehmern zu seinem Terminal und damit deren Möglichkeit des Zugangs zu dem Wettbewerb offen stehenden Ethylenquellen von außerhalb des ARG-Gebiets. Die für den Durchsatz von Dritten bereitgestellte Kapazität und die entsprechenden Nutzungsgebühren und -konditionen werden es Shell/DEA ermöglichen, die für Dritte über Einfuhren verfügbaren Mengen und die Bedingungen und Konditionen für diese Einfuhren in hohem Maße zu beeinflussen und die Einfuhren durch hohe Nutzungsgebühren und Kapazitätsbegrenzungen zumindest unwirtschaftlich zu machen.

(75) Die beteiligten Unternehmen machen geltend, dass mit dem Eigentum an dem Terminal keine privilegierte Stellung für Shell/DEA verbunden sei. Dies sei nur einer von fünf an das ARG angeschlossenen Terminals, was ausreichende Alternativen für Dritte gewährleiste, die Einfuhrkapazitäten benötigten. Außerdem seien gegenwärtig ausreichende Kapazitäten an dem Shell-Terminal vorhanden, die für den Eigenbedarf von Shell nicht genutzt werden und deshalb Dritten zu angemessenen Bedingungen verfügbar gemacht werden könnten.

(76) Hierauf ist zu erwidern, dass die anderen Einfuhrterminals Ethylenherstellern gehören, und dass es keine unabhängigen Terminal- und Lagerungsanbieter ohne eigene Interessen an der Produktion und dem Vertrieb von Ethylen gibt. Damit haben alle Terminaleigner die gleichen Interessen in Bezug auf ihre eigenen Ethylentätigkeiten, und keine umfassenderen Interessen an der Bereitstellung von Einfuhrkapazitäten an Wettbewerber. So nutzt Exxon als größter Ethyleneinführer seinen Terminal vollständig selbst, so dass der Zugang von Dritten auf die übrigen vier Terminals beschränkt ist. Shell räumt gegenwärtig Dritten zwar den Zugang zu seinem Terminal ein, jedoch nur für sehr begrenzte Mengen. Im Jahr 2000 machten die Einfuhren für Dritte über Moerdijk lediglich [10-80]* kt aus (ein Spitzenjahr wegen Ausfallzeiten bei der Krackanlage auf dem ARG), gegenüber [5-75]* kt im Jahr 1999. In diesem Zeitraum waren die Einfuhren von Shell [mehrere]* Mal höher. Die Begrenzung der für Dritte zugänglichen Kapazitäten geht auch darauf zurück, dass die Terminaleigner sich einen Kapazitätsspielraum für ihren Eigenbedarf vorbehalten, um die oben beschriebene Flexibilität nutzen zu können (Randnummer 18). So erhöhte Shell im Jahr 2000 seine eigenen Einfuhren über Moerdijk um [ein Vielfaches]*, um der gestiegenen Nachfrage von außerhalb aufgrund der Ausfallzeiten wegen der Erweiterungsarbeiten in Moerdijk nachkommen zu können. Hieraus kann geschlossen werden, dass das Eigentum an einem Einfuhrterminal ein wichtiger Vorteil für einen Ethylenhersteller ist, der seine Wettbewerbsstellung auf dem ARG erheblich stärkt.

(77) Außerdem gehört Shell eine Verbindungsleitung zwischen der ARG-Rohrleitung, seiner Krackanlage mit Seeverkehrsterminal in Moerdijk und Standorten um Rotterdam. Die Hafenverwaltung von Rotterdam beabsichtigt, den Anschluss an die ARG-Rohrleitung durch [...]* herzustellen, wodurch sich die Marktkenntnisse von Shell und sein Einfluss auf den Ethylenmarkt verstärken würden. Außerdem würde diese Leitung Shell den Zugang zur Region Antwerpen mit ihren zahlreichen Ethylenabnehmern verschaffen, ohne auf die ARG-Kernleitung zurückgreifen zu müssen.

2.3. Ethylen - homogenes Produkt ohne spürbare Innovation in einem ausgereiften Markt

(78) Das auf der ARG-Rohrleitung beförderte Ethylen unterliegt einer gemeinsamen verbindlichen Spezifizierung, weshalb keine Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Anbietern bestehen. Es gab bei Ethylen in den letzten zwanzig Jahren keine größeren Fortschritte in den Bereichen Forschung und Entwicklung.

(79) Die Parteien machen geltend, dass zwar das Produkt vollständig homogen sei, der Ethylenmarkt wegen der unterschiedlichen Verträge jedoch nicht. Da nach ihrer Auffassung diese Verträge hinsichtlich Mengen, Laufzeiten und Preismechanismen erheblich voneinander abweichen, erlaubten sie kein abgestimmtes Verhalten in dieser Hinsicht. Hierauf ist zu erwidern, dass wegen der Bedeutung der Rohrleitungen als einzigem Beförderungsweg für Ethylen die Vertriebsbedingungen [...]* einander ähneln. Zweitens weisen die vertraglich vereinbarten Mengen und Laufzeiten keine so erheblichen Unterschiede auf, dass eine stillschweigende Abstimmung unmöglich wäre. Dies gilt auch für die Unterschiede bei den Preismechanismen. In der großen Mehrzahl der Ethylenlieferverträge wird auf einen vierteljährlichen Vertragspreis oder direkt auf den jeweils veröffentlichten Bezugspreis vorbehaltlich eines Rabatts innerhalb eines beschränkten Spielraums Bezug genommen. Unterschiede könnten hinsichtlich der auf den wirtschaftlichen Bedingungen der Krackanlagen beruhenden Preismechanismen, der Teilung der Gewinnspannen oder anderer kostenbezogener Formen bestehen. Diese Verträge sind gemessen an den Gesamtverkäufen auf dem ARG-Handelsmarkt von nur beschränkter Bedeutung. Außerdem ist absehbar, dass sich nach dem Auslaufen dieser Art von Verträgen der Preismechanismus, der die Ablösung der vormals gruppeninternen Tätigkeiten widerspiegelt, einem der beiden anderen Vertragstypen angleicht. Außerdem sind auch die formelgestützten Verträge nicht vollständig von der Preisbildung im Markt unabhängig, da sie die Aushandlung von Rabatten bei den sich aus der Formel ergebenden Preisen erlauben und in einigen Fällen Bezugnahmen auf die veröffentlichten Preise als Hoechst- bzw. Mindestpreise vorsehen (s. o. Randnummer 29).

(80) Der Ethylenmarkt ist ein ausgereifter Markt, bei dem die Wachstumsraten an das BIP geknüpft sind und ein Grundwachstum von 2,5 % angenommen werden kann.

2.4. Große Ähnlichkeiten zwischen Shell und BP bei Marktanteilen, Kapazitäten und Kosten

(81) Die Marktanteile der fusionierten Einheiten BP/Veba und Shell/DEA werden mit jeweils [25-35]* % gleich groß sein. Nach Vollzug der Vorhaben werden sich die Unternehmensstrukturen beider Einheiten einander angleichen, da beide Unternehmen sowohl im vorgelagerten Markt der Belieferung mit Rohstoffen als auch auf dem nachgeordneten Markt der Ethylenderivate vertikal integriert sind. Sie sind auch die Ethylenhersteller mit den größten Krackkapazitäten im ARG+-Versorgungsgebiet. Ihnen gehören nicht nur Krackanlagen einer sehr ähnlichen Kapazität ([1300-1500]* bzw. [1800-2000]*), sondern auch die beiden größten an das ARG+-Gebiet angeschlossenen Produktionskapazitäten. Diese Ähnlichkeiten bei der Unternehmens- und Produktionsstruktur werden zu ähnlichen Kostenstrukturen ihres jeweiligen Geschäfts im ARG+-Gebiet führen.

(82) Die beteiligten Unternehmen führen aus, dass bei der von ihnen vorgeschlagenen Marktanteilsberechnung ohne Einbeziehung der langfristigen formelgestützten Verträge die Marktanteile der beiden neuen Unternehmen erheblich anders aussähen ([...]* % bzw. [...]* %). Da die Kommission dem Argument der beteiligten Unternehmen bezüglich der Marktanteilsberechnung nicht folgt, ist dieser Einwand auch im Hinblick auf die angebliche Asymmetrie der Marktanteile unbegründet.

(83) Die Parteien bringen ferner vor, dass bei den Kosten keine Symmetrie gegeben sei, da sich die Produktionskosten je nach Krackanlage und die Beförderungskosten je nach Standort der Lieferanten und Kunden voneinander unterschieden. Diese Schwankungsbreite ist jedoch insgesamt beschränkt, selbst wenn die Leistungsfähigkeit und damit die Produktionskosten der einzelnen Krackanlagen unterschiedlicher Kapazitäten voneinander abweichen mögen. Gemäß den Aussagen von Beratern beträgt der größte Unterschied bei den Produktionskosten zwischen der wirtschaftlichsten und unwirtschaftlichsten Anlage weniger als 25 %. [...]*. Außerdem ist zu bedenken, dass die Größe der Krackanlagen von Shell/DEA sich jeweils am äußersten Ende der Schwankungsbreite (eine Krackanlage von über [...]* kt und zwei relativ kleine Anlagen von jeweils [...]* kt) befinden, während BP/Veba vier etwa gleich große Krackanlagen von rd. [...]* kt gehören. Da die Produktionskosten in einem engen Zusammenhang zum Kapazitätsumfang der Krackanlage stehen, kann man annehmen, dass die durchschnittlichen Produktionskosten beider Einheiten sich im gleichen Schwankungsbereich befinden. Außerdem befinden sich die kleineren Krackanlagen von DEA, BP und Veba jeweils an demselben Standort, was hinsichtlich der Rohstofflieferungen und Logistik gemeinsame Größeneinsparungen ermöglicht. Schließlich sind unterschiedliche Beförderungskosten zwischen jeweils einem Lieferanten und einem Kunden ein allgemeines Merkmal in den meisten Märkten, in denen Produkte physisch geliefert werden. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass eine der beiden neuen Einheiten hinsichtlich der Transportkosten sich in einer grundlegend anderen Lage als die jeweils andere Einheit befinden würde. Der Vorteil der niedrigeren Kosten von BP/Veba und ihres vorrangigen Zugangs zur Rohrleitung aufgrund der Anteile an der ARG-Gesellschaft wird durch die Tatsache aufgewogen, dass Shell/DEA nach dem Zusammenschluss Produktionsstätten an beiden Enden der ARG unterhalten und damit eine gewisse Fähigkeit haben werden, Transporte auf dem ARG über weite Strecken zu vermeiden.

2.5. Ähnliche vertikale Integration beider Gruppen und damit ähnliche Interessen auf dem vorgelagerten Ethylenmarkt

(84) Ethylen ist Rohstoff für eine Reihe von nachgeordneten Produkten. BP und Shell sind - anders als gegenwärtig DEA und Veba - im nachgeordneten Markt der Ethylenderivate vertikal integriert, ebenso wie die nach dem Zusammenschluss verbleibenden Ethylenanbieter. Wegen ihrer vertikalen Integration werden die neuen Einheiten Shell/DEA und BP/Veba ähnliche Anreize in Bezug auf den Ethylenabsatz an Hersteller von Ethylenderivaten haben, insbesondere an diejenigen nachgeordneten Hersteller, die Ethylen nicht oder nur teilweise aus eigenen Quellen beziehen. Verkäufe an diese Abnehmer könnten den Parteien dieses Vorhabens Anreize geben, ihre Ethylenpreise zu erhöhen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller von Ethylenderivaten zu beeinträchtigen. Da die meisten in den Ethylenlieferverträgen enthaltenen Preisformeln an die veröffentlichten Bezugspreise gekoppelt sind, könnte sich eine solche Preiserhöhung nicht nur auf die unmittelbaren Vertragspartner der fusionierten Einheit, sondern auch in allgemein höheren Marktpreisen auswirken. Außerdem wird der von NWECP veröffentlichte ausschließlich für das ARG+ festgesetzte Bezugspreis auch für Ethylenverkäufe außerhalb des ARG+-Gebiets angewandt. Eine Erhöhung des ARG+-Ethylenpreises kann sich somit in einer Preiserhöhung außerhalb des ARG+ niederschlagen.

(85) Die Ähnlichkeit der Anreize der beiden fusionierten Einheiten bedingt nicht, dass sie bei den gleichen nachgeordneten Produkten tätig sein müssen. Ähnliche Anreize entstehen bereits dadurch, dass sie bei einigen der gleichen nachgeordneten Märkte wie die an das ARG+ angeschlossenen Ethylenabnehmer und Hersteller von Derivaten tätig sind, die zum Teil auch direkte Ethylenabnehmer der Parteien dieser beiden Vorhaben sind. Solche Anreize gibt es insbesondere bei den verschiedenen Formen von Polyethylen, Ethylenoxid und seinen Derivaten sowie Ethanol.

2.5.1. Polyethylen

(86) 55 % des auf dem ARG+-Netz hergestellten Ethylens wird für die Produktion der verschiedenen Polyethylenarten verwendet (rd. 9 % für Polyethylen niedriger Dichte ("LDPE"), ungefähr 23 % für lineares Polyethylen niedriger Dichte ("LLDPE"), und etwa 23 % für Polyethylen hoher Dichte ("HDPE")). 42 % der LDPE-Kapazität in Westeuropa, rd. 34 % der LLDPE-Kapazität und rd. 45 % der HDPE-Kapazität beruhen auf dem ARG+. Die Ethylenkosten machen 67 % des HDPE-Preises aus.

(87) In vorangehenden Entscheidungen(16) definierte die Kommission den Markt wie folgt: 1. HDPE einzeln und entweder 2. C4 LLDPE, C6 LLDPE und LDPE zusammen oder 3. C4 LLDPE und C6 LLDPE zusammen und 4. LDPE einzeln. Um die Anreize der Parteien hinsichtlich der Ethylenlieferung zu ermitteln, genügt es, die Analyse auf die drei PE-Hauptfamilien zu beschränken: LDPE, HDPE und LLDPE (definiert als C4 LLDPE und C6 LLDPE).

(88) Shell ist auf dem Polyethylenmarkt über das gemeinsam mit BASF kontrollierte Gemeinschaftsunternehmen Basell tätig. Basell produziert LDPE, HDPE und LLDPE zum Teil in verschiedenen an das ARG-Versorgungsgebiet angeschlossenen Produktionsstätten und teilweise außerhalb des ARG-Gebiets überwiegend in Westeuropa. Seine Anteile am westeuropäischen Polyethylenmarkt liegen zwischen [15-25]* % bei diesen drei Chemikalien.

(89) BP stellt alle drei Polyethylenarten in Westeuropa her. Seine Marktanteile betragen [zwischen 5-15]* % bei LDPE und [10-20]* % bei LLDPE. Wenn die Zusammenlegung der HDPE-Herstellungs- und Vertriebsbereiche von BP und Solvay in Westeuropa wirksam wird(17), wird sich der Anteil von BP am HDPE-Markt in Westeuropa (einschließlich GU) [ungefähr verdoppeln]*.

(90) An das ARG+ angeschlossene, der Gruppe der Ethylen-Nettoabnehmer angehörende Hersteller von Polyethylen auf dem nachgeordneten Markt sind Borealis, das in der Ethylenherstellung auf dem ARG+ nicht vertikal integriert ist, und DSM, das Ethylen in hohem Maße von Dritten auf dem ARG+ beziehen muss und dessen Produktionsstätten von den Parteien dieses Vorhabens direkt beliefert werden. Der Anteil von Borealis am westeuropäischen Markt beträgt rd. [10-20]* % bei LDPE, rund [2-8]* % bei LLDPE und [10-20]* % bei HDPE. Ein Teil dieser Mengen wird in dem an das ARG+ angeschlossenen Polyethylenwerk von Borealis hergestellt. Die Marktanteile von DSM betragen [zwischen 10-20]* % bei LDPE, LLDPE und HDPE. DSM ist nur bei seinem Werk in Geleen vertikal integriert, während sein Produktionsstandort in Deutschland für LLDPE und HDPE in erheblichem Umfang mit Ethylen vom Handelsmarkt beliefert wird. Ein weiterer an das ARG+ angeschlossener und im ARG+-Gebiet nicht vertikal integrierter Hersteller ist Polimeri mit einem Produktionsstandort in Oberhausen.

(91) Diese Unternehmen stuenden damit in direktem Wettbewerb zu dem Polyethylengeschäft von Shell und BP einerseits und wären andererseits von Ethylenlieferungen auf dem ARG+ abhängig und zwar entweder als nicht vertikal integrierte Unternehmen auf dem vorgelagerten Ethylenmarkt oder als Ethylen-Nettoabnehmer auf dem ARG+. Diese Wettbewerber auf dem nachgeordneten Markt werden [inter alia von den Parteien der Vorhaben beliefert]*. In Bezug auf diese Unternehmen hätten die beiden Einheiten die gleichen Anreize, ihre direkten nachgeordneten Wettbewerber nicht durch die Lieferung von preisgünstigem Ethylen zu unterstützen. Die Interessen der fusionierenden Einheiten ähneln sich bereits jetzt, selbst wenn die Stellung von Shell (über Basell) gegenwärtig geringfügig stärker sein mag als die Stellung von BP in den Märkten der verschiedenen PE-Sorten. Die Ähnlichkeiten bei den Marktanteilen und Strukturen wurden durch das Gemeinschaftsunternehmen Solvay/BP bei HDPE-Chemikalien erheblich verstärkt, da dies zu gleich großen Marktanteilen von Shell und BP im Bereich von HDPE führen wird. Der Beitrag des HDPE-Werks von Solvay auf dem ARG+ zum Gemeinschaftsunternehmen kann als eine Folge der mangelnden vorgelagerten Ethylen-Integration in einem Markt angesehen werden, der bereits spürbar konzentriert ist.

(92) Die starke Stellung der Parteien dieses Vorhabens bei der Belieferung nachgeordneter Polyethylenwettbewerber mit Ethylen wird durch die Stellung von BP und Shell bei linearen Alphaolefinen ("LAO") noch weiter gefestigt. LAO ist ein weiteres Ethylenprodukt auf dem nachgeordneten Markt, für das 3 % des auf dem ARG+ produzierten Ethylens verwendet wird, und ein für die Herstellung von HDPE notwendiges Kopolymer. BP und Shell sind die einzigen LAO-Hersteller in Westeuropa mit Marktanteilen von 30 % bis 40 % im Jahr 2000, wenn man den Erfassungsbereich auf Westeuropa beschränkt (der verbleibende Anteil bezieht sich auf Einfuhren). Die starke Stellung in diesem Bereich verschafft BP und Shell einen weiteren Vorteil gegenüber den nachgeordneten HDPE-Wettbewerbern und stärkt die Ähnlichkeit ihrer Anreize bei der Ethylenlieferung auf dem ARG+.

2.5.2. Ethylenoxid/Ethylenoxidderivate

(93) Ethylenoxid ist ein hoch reaktives nachgeordnetes Ethylenprodukt, das durch die katalytische Oxidierung von Ethylen bei hohen Temperaturen unter Hochdruck hergestellt wird. 15 % des auf dem ARG+ erzeugten Ethylens wird für die Herstellung von Ethylenoxid verwendet, 73 % der westeuropäischen Kapazitäten für Ethylenoxid und seine Derivate sind an das ARG+ angeschlossen. Die Ethylenkosten als Prozentsatz der gesamten Ethylenoxidkosten betragen rund 70 %. Nach BASF, das auf dem Handelsmarkt nicht tätig ist, sind BP mit einer Kapazität von [400-500]* kt einschließlich Erdölchemie und Shell mit einer Kapazität von [300-400]* kt die größten Ethylenoxidhersteller in Westeuropa. Ethylenoxid wird überwiegend zur Herstellung von Ethylenglykol verwendet, das Monoethylenglykol (MEG) (Ethylenkosten von rund 63 % der gesamten Produktionskosten) und die Nebenerzeugnisse Ethylenglykol und Triethylenglukol umfasst. Andere Ethylenoxidderivate sind Ethoxilate, Ethanolamine, Glykoläther und Akoxilate (Ethylenkosten von rund 63 % der gesamten Produktionskosten). Bezogen auf die Gesamtkapazität von rund 2600 kt in Westeuropa gibt es auch einen relativ kleinen Handelsmarkt für den Absatz von Ethylenoxid von [weniger als 1000]* kt.

(94) Die Anteile von Shell und BP am westeuropäischen Handelsmarkt für Ethylenoxid betragen [25-35]* % für Shell und [40-50]* % für BP einschließlich Erdölchemie. Die nächstfolgenden Wettbewerber auf diesem Markt sind Ineos und Sasol mit Marktanteilen im Bereich von [5-15]* %. Beide Unternehmen erzeugen Ethylenoxid in Anlagen, die an das ARG+ angeschlossen sind. Sie sind damit direkte Wettbewerber von Shell und BP, jedoch abhängig von den Ethylenlieferungen aus dem ARG+-Netz.

(95) Shell/DEA und BP/Veba sind auch in der Herstellung von MEG als dem wichtigsten nachgeordneten Produkt von Ethylenoxid tätig. Nach den Marktuntersuchungen der Kommission liegen ihre Anteile jeweils bei [5-15]* % auf dem westeuropäischen Handelsmarkt für MEG, wo sie direkte Wettbewerber von Ineos (mit einem Marktanteil von rund [15-25]* %) sind, der MEG in einem Werk im ARG+-Versorgungsgebiet herstellt und u. a. von den Parteien dieses Vorhabens beliefert wird. Das Gleiche gilt für Biethylen- und Triethylenglykol, da sämtliche MEG-Hersteller diese Petrochemikalien als Nebenprodukte herstellen und verkaufen.

(96) Gemäß den Marktuntersuchungen der Kommission sind Shell und BP auch in weiteren Märkten der Ethylenoxydderivate tätig und dort Wettbewerber von den an das ARG angeschlossenen, nicht integrierten Ethylenabnehmern. Dies trifft z. B. für den Absatz von bestimmten Arten von Akoxilaten zu, wo sie Wettbewerber von Ineos, Clariant und Sasol sind, die ihre entsprechenden Produktionsstätten an das ARG+ angeschlossen haben.

2.5.3. Ethanol

(97) Der für Ethanol, ein weiteres nachgeordnetes Ethylenerzeugnis, verwendete Anteil an der Ethylenproduktion auf dem ARG+ ist etwas niedriger als der von Polyethylenoxid. BP ist in der Herstellung von Ethanol tätig und hat bei synthetischem Ethanol einen Marktanteil von rund [35-45]* % auf dem westeuropäischen Markt, gefolgt von Sasol mit einem Marktanteil von rund [15-25]* %, das synthetisches Ethanol in einem an das ARG+ angeschlossenen Werk herstellt. Wenn man, wie von den Parteien vorgebracht, landwirtschaftliches Ethanol in den allgemeinen Ethanolmarkt einbezieht, würden sich die strukturelle Lage und die entsprechenden Anreize nicht ändern. In einem solchen Fall würde der Marktanteil von BP rund [10-20]* % betragen.

2.5.4. Argumente der Parteien, Schlussfolgerungen

(98) Die Parteien haben geltend gemacht, dass die sich aus den Zusammenschlüssen ergebende vertikale Integration keine Anreize schaffen würde, die Ethylenpreise zum Nachteil der nachgeordneten Wettbewerber zu erhöhen. Gemäß den Parteien gibt es keine spürbaren Anreize, die Kosten der nachgeordneten Wettbewerber zu erhöhen, da der Vorteil für Shell/DEA und BP/Veba nur sehr klein wäre, da sich diese Anreize nur für die nachgeordneten Märkte ergeben, in denen sie selbst tätig sind, und im Hinblick auf Mengen, die auf dem ARG+-Handelsmarkt geliefert werden.

(99) Erstens sei klargestellt, dass die Kommission nicht untersucht hat, ob die Parteien nach dem Zusammenschluss eine beherrschende Stellung auf den nachgeordneten Märkten erzielen würden, die sie in die Lage versetzen könnte, die Preise in den Märkten der Ethylenderivate zu erhöhen. Die Ermittlung der gemeinsamen Marktbeherrschung beider Einheiten auf dem Ethylenmarkt bezieht sich auf die Angleichung der Anreize der fusionierten Einheiten im vorgelagerten Ethylenmarkt, die sich aus ihren Tätigkeiten im Markt der Ethylenderivate ergibt. Dieser Anreiz bedingt nicht, dass die fusionierten Einheiten in der Lage wären, die Preise in den nachgeordneten Märkten zu erhöhen. Sie ergeben sich vielmehr bereits aus der Möglichkeit, eine Strategie durchzuführen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wettbewerber bei Ethylenderivaten durch die Erhöhung der Ethylenlieferkosten und damit deren Gewinnspannen zu verringern.

(100) Zweitens entfällt auf das ARG+ 42 % der Ethylenproduktionskapazität in Westeuropa und damit ein wesentlicher Teil der Produktionskapazität für Ethylenderivate. Auf die nachgeordneten Wettbewerber der fusionierten Einheiten, die bei Ethylen nicht vertikal integriert auf dem ARG+ sind, entfallen erhebliche Anteile an den Märkten der Ethylenderivate.

(101) Auch wenn die Lage bei anderen Produkten wie z. B. Ethylendichloride/VCM anders sein sollte, ändert dies nichts an der Schlussfolgerung, dass BP und Shell in ähnlichem Maße vertikal integriert sind und ähnliche Anreize hinsichtlich der Belieferung von Ethylenherstellern auf dem ARG+ haben.

(102) Somit steht für verschiedene nachgeordnete Ethylenprodukte fest, dass wegen eines ähnlichen Maßes an vertikaler Integration von Shell und BP die fusionierten Einheiten ähnliche Anreize hinsichtlich der Lieferung von Ethylen im ARG+-Gebiet hätten. Ein Vergleich der Marktanteile der Parteien und ihrer jeweiligen Wettbewerber zeigt, dass die neuen Einheiten in einer Lage wären, bei der es plausibel und machbar wäre, auf die nachgeordneten Wettbewerber Druck auszuüben, um deren Wettbewerbspotenzial zu schwächen und langfristig zusätzliche Marktanteile zu gewinnen. Ein solcher Druck wäre überdies mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich.

2.6. Keine Beschränkung der Fähigkeit der neuen Einheiten für eine gemeinsame Preisstrategie durch die Wettbewerbslage auf den nachgeordneten Märkten für Ethylenderivate

(103) Die Parteien machen geltend, dass eine Obergrenze für die Möglichkeit einer Erhöhung der Ethylenpreise auf dem ARG+ bestehe, da die meisten Märkte der Ethylenderivate als Westeuropa wenn nicht gar die gesamte Welt umfassend angesehen werden könnten. Aus diesem Grund wären die an das ARG+ angeschlossenen Hersteller von Ethylenderivaten nicht in der Lage, die gestiegenen Kosten für Rohstoffe an ihre Kunden weiterzugeben, da sie dem Wettbewerb von Herstellern ausgesetzt wären, die ihre Produktionsstätten außerhalb des ARG+ haben und dabei insbesondere von Seiten der Einfuhren aus Westeuropa. Dies würde wiederum die Möglichkeiten einer Erhöhung der Ethylenpreise auf dem ARG+ durch die Ethylenhersteller einschränken.

(104) Gemäß den Marktuntersuchungen der Kommission könnte es sein, dass die Hersteller von Ethylenarten bei einer bestimmten Marktlage nicht in der Lage wären, die erhöhten Rohstoffkosten an ihre Kunden weiterzugeben, weil sie dem Wettbewerb von Herstellern von außerhalb des ARG+ und den Einfuhren von nachgeordneten Ethylenprodukten ausgesetzt sind. Wie bereits erwähnt, ändert diese Obergrenze für die Erhöhung der Ethylenpreise jedoch nicht die allgemeinen Anreize der fusionierten Einheiten. Selbst wenn die Ethylenpreise nicht jenseits einer bestimmten Obergrenze erhöht werden können, hätten die fusionierten Einheiten den gemeinsamen Anreiz, die Preise bis zu dieser Grenze zu erhöhen, die Gewinne der nachgeordneten Derivatehersteller zu erlangen und deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ihren eigenen Ethylenderivateeinheiten zu schwächen.

2.7. Gefahr des Einstellens des Wettbewerbs zwischen den beiden neuen Einheiten wegen einer stillschweigenden Zuteilung von Verträgen

(105) Angesichts der vertraglichen und räumlichen Lage auf dem ARG-Ethylenmarkt gibt es für die neuen Einheiten einen klaren und leicht zu handhabenden Mechanismus, um den Markt untereinander gemäß zwei eng miteinander verbundenen Kriterien aufzuteilen, nämlich i) Beständigkeit bei den langfristigen Verträgen und ii) räumliche Nähe.

(106) Ethylen wird ganz überwiegend im Rahmen langfristiger Verträge geliefert, so dass Spotverkäufe in diesem Markt keine Rolle spielen. Wie nachstehend erläutert (Randnummern 112-115), zeichnet sich der Markt durch eine hohe Transparenz hinsichtlich der Parteien an den einzelnen Verträgen und der jeweiligen Liefermengen und Referenzpreise aus. Die Ethylenproduktionskapazität wird in Zeitschriften wie dem CMAI veröffentlicht, die Mengen und der entsprechende Ethylenbedarf der jeweiligen Derivateanlagen sind bekannt und die Infrastruktureigentümer können den jeweiligen Durchsatz zu einzelnen Kunden in Erfahrung bringen.

(107) Die Marktuntersuchung der Kommission hat ergeben, dass die Beförderungskosten auf dem ARG-Kernnetz ein nicht unerheblicher Faktor sind. Deshalb werden die Verträge vor allem von denjenigen Ethylenherstellern und -abnehmern geschlossen, die nahe beieinander angesiedelt sind. Dieses enge Verhältnis wird in vielen Fällen durch die Beförderung der Liefermengen über private oder im Eigentum der Hersteller befindliche Zuleitungen zu der ARG-Rohrleitung unterstützt, um bei den Beförderungskosten aufgrund der Nutzung des ARG-Kernnetzes Einsparungen vorzunehmen. Die Zuteilung der Kundenlieferverträge unter den Herstellern gemäß der Nähe der Abnehmer zu den jeweils eigenen Ethylenproduktionsstandorten kann auch auf neue Kunden angewandt werden. Eine solche Strategie wird durch die nach den Fusionen entstehende Marktstruktur erheblich erleichtert. Während bisher die Abnehmer im Rhein-Ruhr-Gebiet in der Regel ihre Lieferungen sowohl von Veba (mit seiner Krackanlage in Gelsenkirchen) als auch von BP (mit der Krackanlage von Erdölchemie in Köln) bezogen haben, wird BP/Veba nach dem Zusammenschluss die gesamte Belieferung dieser Kunden kontrollieren, die zum Teil von Rohrleitungen beliefert werden, die der neuen Einheit gehören oder von ihr kontrolliert werden. Der beliefert wiederum überwiegend die Anlagen um Wesseling und in Süddeutschland, die direkt durch eine Zuleitung mit der Produktionsstätte Wesseling verbunden sind, während Shell einen natürlichen Zugang zu Abnehmerstandorten in Rotterdam mit seiner Ethylenkrackanlage und seinem Seeverkehrsterminal in Moerdijk hat.

(108) Nach Auffassung der beteiligten Unternehmen stellen die Kontinuität der bestehenden langfristigen Verträge und die Bevorzugung nahe gelegener Anbieter bereits jetzt das Abbild der generellen wirtschaftlichen Gegebenheiten auf dem Ethylenmarkt wie der hohen Transportkosten und der physischen Verbindungen zwischen bestimmten Anbietern und Abnehmern dar. Diese Umstände würden sich durch die Fusionen nicht ändern.

(109) Die Tatsache, dass bereits gegenwärtig der Wettbewerb für bestimmte Kunden aus räumlichen und zeitlichen Gründen beschränkt ist, bedeutet jedoch nicht, dass sich diese Lage nicht verschlechtern wird. Es gibt gegenwärtig einen gewissen Wettbewerb um Verträge auf dem gesamten ARG, wobei auch langfristige Verträge in andere Hände übergehen. [...]*. Verschiedene Parteien und Dritte erklärten auf der Anhörung, dass sie Lieferanten/Abnehmer im gesamten ARG-Gebiet und nicht nur die in der Nähe ihrer Standorte angesiedelten in Erwägung ziehen. Außerdem erwähnte BASF z. B. eine erhebliche Anzahl von Verträgen, die es in den vergangenen Jahren hinzugewonnen oder verloren hatte. Es trifft zu, dass die Produktionsstandorte von Shell und DEA an den beiden Enden des ARG-Gebiets angesiedelt sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie nach Beendigung des CPO-Vertrag von DEA keine Wettbewerber um Verträge auf dem gesamten ARG+ waren. Außerdem setzt die Möglichkeit von Tauschgeschäften die Anbieter in die Lage, auch weiter entfernte Kunden zu erreichen, ohne spürbare Transportkosten gewärtigen zu müssen. Deshalb gibt es weiterhin ein erhebliches Maß an Wettbewerb, um auslaufende und neue Verträge auf dem gesamten ARG, der beendet werden könnte und beendet werden würde.

(110) Neben und zusätzlich zu der stillschweigenden Zuteilung von Verträgen, die den Wettbewerb um neue Verträge beeinträchtigt, ist davon auszugehen, dass auch eine stillschweigende Angleichung des Verhaltens der Duopolisten bei den vierteljährlichen Verhandlungen über die Vertragspreise mit ihren gegenwärtigen Kunden auftreten wird. In Anbetracht der Ähnlichkeit der Anreize, das Potenzial der nachgeordneten Wettbewerber nicht durch preisgünstige Ethylenlieferungen zu stärken, wird jeglicher Vorstoß zur Senkung der Preise, um die benannten Mengen am oberen Ende der möglichen Preisbereiche zu halten, nach dem Zusammenschluss unwahrscheinlich werden.

(111) Es kann deshalb gefolgert werden, dass der Markt anhand der beschriebenen Mechanismen stillschweigend aufgeteilt wird.

2.8. Ausreichende Transparenz des Ethylenmarktes für eine stillschweigende Abstimmung zwischen den beiden Marktführern

(112) Die Parteien machen geltend, dass keine ausreichende Transparenz im Markt bestuende. Wenn auch die große Mehrheit der Verträge eine Bezugnahme auf den von ICIS vierteljährlich veröffentlichten Vertragspreis enthalte, seien die tatsächlich gezahlten Preise geheim, da die von den einzelnen Vertragspreisen gewährten Rabatte nicht bekannt gegeben würden.

(113) Die Kommission ist hingegen der Auffassung, dass der Ethylenmarkt im ARG+ transparent genug ist, um eine stillschweigende Abstimmung und ein Ausbleiben des Wettbewerbs zwischen den beiden neuen Marktführern zu ermöglichen. Wenn auch die genauen Bedingungen der einzelnen Verträge nicht öffentlich zugänglich sind, gibt es doch hinsichtlich der Preisentwicklungen und Vertragspartner eine erhebliche Transparenz. Die Bedenken der Kommission beziehen sich hauptsächlich darauf, dass die beiden neuen Einheiten sich nicht aktiv um die gegenwärtigen Kunden des jeweils anderen bewerben könnten, die im Wesentlichen durch langfristige Verträge gebunden sind, und dass sie vielmehr eine auf Kontinuität und räumliche Nähe beruhende Marktaufteilung vornehmen könnten. Für diese Art stillschweigender Marktaufteilung sind weder im Einzelnen angegebene Vertragsdaten noch eine Transparenz erforderlich. Es wurde von mehreren Dritten bestätigt, dass angesichts der sehr geringen Anzahl von Marktteilnehmern die veröffentlichten Daten gemeinsam mit den allgemeinen Marktkenntnissen es ermöglichen, festzustellen, in welchen Verträgen zu welchen Lieferanten übergewechselt wurde.

(114) Das Gleiche gilt für das Ausbleiben jeglicher Bemühungen in den vierteljährlichen Preisverhandlungen, die Preise nach unten zu drücken. Spezialisierte Agenturen veröffentlichen Bezugspreise für Spot- und Langfristverkäufe vierteljährlich bis wöchentlich. Diese Preise geben die einzelnen Verhandlungsergebnisse genau wieder und umfassen die Mehrzahl der Verträge. So kann z. B. ein erfahrener Marktteilnehmer aus den wöchentlichen Marktübersichtsberichten von ICIS-LOR wegen der hohen Konzentration des Handelsmarktes und der begrenzten Zahl der Teilnehmer sogar die Vertragspartner der jeweiligen Verhandlungen herauslesen: "Ein großer deutscher Hersteller vereinbarte mit einem wichtigen deutschen Abnehmer einen Preis von 705 EUR, d. h. eine Zunahme von 20 EUR je Tonne über Q3(18); in diesen Verträgen geht es um große Mengen, deren Preise mittels herkömmlicher Methoden festgesetzt werden. Zusätzliche Unterstützung wurde diese Woche für den Q2-Vertragspreis festgestellt, der anfänglich zwischen einem deutschen Hersteller und einem Benelux/Med-Abnehmer bei 640 EUR FD letzte Woche vereinbart wurde; Berichte am heutigen Tag über eine Vereinbarung in Deutschland zwischen mehreren wichtigen Marktteilnehmern für eine Senkung des Q1-Preises um 40 EUR/t auf 665 EUR FD; ein deutscher Hersteller gab an, dass er seinen sämtlichen Kunden eine Preissenkung von 30 EUR/t angeboten hatte, dass diese jedoch bis Freitag nicht günstig reagiert hätten". Von Marktteilnehmern wurde erklärt, dass diese Informationen ohne Umstände so ausgelegt werden könnten, dass die jeweiligen Vertragspartner bekannt würden. Da diese Art von Informationen über die Veröffentlichungen allen Marktteilnehmern bekannt werden, sind die Tätigkeiten der Wettbewerber und die Preisentwicklungen im Ethylenmarkt transparent.

(115) Es ist zu bedenken, dass eine stillschweigende Abstimmung und das Ausbleiben von Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern keine vollständige Transparenz bei sämtlichen Vertragseinzelheiten erfordert. Die von ICIS veröffentlichten Daten reichen offenbar aus, um festzustellen, ob die andere Gruppe der allgemeinen Preisentwicklung und der stillschweigenden Übereinkunft folgt, keinen Wettbewerb durch Preissenkungen aufzunehmen. Die Parteien machen geltend, dass bei einer "missbräuchlichen" Nutzung der ICIS-Preise und -Berichte in Form einer Abstimmung der Preisstrategien durch die Parteien, und wenn die Vertragspartner der Auffassung wären, dass ihr Preis die Marktbedingungen nicht länger widerspiegelt, auf dieses System nicht mehr zurückgegriffen würde, so dass es als Element der Transparenz wegfallen würde. Hierauf ist zu erwidern, dass die große Mehrzahl der Verträge eine Bezugnahme auf den ICIS-Preis enthält, und für einen langen Zeitraum geschlossen wird. Eine Änderung an der Preisbezugnahme wäre jedoch nur bei Ablauf eines Vertrags möglich. Die meisten Verträge enthalten die Bestimmung, dass eine Änderung an dem ICIS-Bezugspreis während der Laufzeit eines Vertrags nur möglich ist, wenn ICIS diesen Preis nicht mehr veröffentlicht, jedoch nicht, wenn dieser Preis nicht mehr als glaubwürdig angesehen werden sollte.

2.9. Ausreichende Mittel der Vergeltung in den Händen beider Parteien

(116) Die Parteien machen geltend, dass die beiden neuen Einheiten keine glaubwürdigen und wirksamen Mittel der Vergeltung zur Verfügung hätten, um sich gegenseitig davon abzuhalten, von einem gemeinsamen Preis- und Marktaufteilungsmuster abzuweichen. Da im Ethylenmarkt langfristige Vertragsbeziehungen herrschen, ergeben sich Möglichkeiten eines Gegenschlags nur unregelmäßig und mit erheblicher Verzögerung. Nach Auffassung der Parteien würde jeglicher Versuch eines Gegenschlags über ein aggressives Preisgebaren dem Herausforderer einen teuren langfristigen Vertrag mit niedriger oder keiner Gewinnspanne vermachen, was diese Maßnahme in Bezug auf den Vorteil eines Abhaltens des Wettbewerbers von einem abweichenden Verhalten unangemessen schädlich macht. Die Kosten eines Gegenschlags und seine Unangemessenheit würde noch bei hohen Transportkosten zunehmen, falls dieser Gegenschlag auf einen weiter entfernt angesiedelten Kunden abzielen müsste.

(117) Die Kommission ist der Auffassung, dass die beiden fusionierten Einheiten über ausreichende Mittel eines Gegenschlags verfügen, um den jeweils anderen davon abzuhalten, sowohl bei der stillschweigenden Zuteilung von Verträgen als auch beim Absehen von Preisdrückungsversuchen bei den vierteljährlichen Verhandlungen von einem gleichgerichteten Verhalten abzugehen.

(118) Durch die von ICIS oder CMAI veröffentlichten eingehenden Angaben über Preise und Verhandlungen entsteht ein hohes Maß an Transparenz bei den Preis- und Vertragsverhandlungen der anderen Wettbewerber im Markt. Dies ermöglicht es beiden Parteien, genau zu überwachen, ob der jeweils andere die Bemühungen um Preiserhöhungen nachvollzieht oder nicht, und ob das duopolistische Verhalten gemäß den in den Randnummern 105-111 beschriebenen Kriterien befolgt wird.

(119) Beide neuen Einheiten haben Zugang zu ausreichenden Mengen, um den Wettbewerb um die Kunden des jeweils anderen aufnehmen zu können. Neben seinen Kapazitäten auf dem ARG hat Shell einen vorrangigen Zugang zu Einfuhren von außerhalb des ARG-Gebiets über seinen Einfuhrterminal. Außerdem könnte Shell die von Dritten genutzten Kapazitäten auf seine eigenen Einfuhren umstellen. Als Ethylenhersteller hat BP vorrangigen Zugang zu den Einfuhrterminals der anderen Hersteller, da es Austauschvereinbarungen zwischen dem Gebiet Antwerpen und seinen Produktionsstätten anbieten kann, die sich am östlichen Ende des ARG-Gebiets befinden. Außerdem plant BP, die Kapazität der Krackanlagen von Erdölchemie in den Jahren 2001 und 2002 zu steigern.

(120) Obwohl die Verträge zur Lieferung von Ethylen überwiegend langfristig sind, gibt es ausreichend Spielraum für unverzügliches Reagieren bei jeglichem Abweichen von einem gleichgerichteten Handeln. Es gibt im Markt eine große Anzahl von Verträgen, die sich zeitlich überschneiden und an aufeinander folgenden Zeitpunkten auslaufen. Deshalb gibt es neben den Verträgen für neue Liefermengen und mit neuen Marktteilnehmern eine beständige Anzahl von Verträgen, die auslaufen oder neu ausgehandelt werden müssen, und bei denen einer der beiden neuen Marktführer als Vergeltung wegen Abweichens von einem gleichgerichteten Verhalten angreifen könnte.

(121) Grundsätzlich können die Notwendigkeit und Schlagkraft eines Vergeltungsmechanismus nicht ohne die Berücksichtigung der Anreize und Fähigkeiten zum Abweichen von einem Verhaltensmuster untersucht werden. Der Vergeltungsmechanismus muss hinreichend plausibel und wirksam sein, um das vorhandene Maß an Wahrscheinlichkeit und die Anreize für ein Abweichen in der Marktlage des Einzelfalls aufwiegen zu können. Im vorliegenden Fall gelten die Argumente der Parteien hinsichtlich der langen Dauer der Verträge auch für die Möglichkeiten eines Abweichens. Die Möglichkeiten zum Gegenschlag bestehen genauso häufig wie die Möglichkeiten zum Abweichen, und sind damit ausreichend häufig und wirksam. Außerdem, wenn wie gemäß der Auffassung der Parteien die Marktkräfte relativ langsam und unregelmäßig gegenüber anderen Märkten wirksam werden, verhalten sich die Möglichkeiten für ein Abweichen ebenso, was die Wahrscheinlichkeit und Stabilität des Marktaufteilungsmusters bestärkt. Das Gleiche gilt für das Kostenargument. Wenn die Parteien der Auffassung sind, dass eine Vergeltung kostenaufwendig ist, dann sind auch die Kosten eines Abweichens durch das Eingehen eines Vertrags in Abweichung von einem abgestimmten Muster ebenfalls sehr hoch und verringern die Wahrscheinlichkeit eines solchen Vorgehens. Dies gilt insbesondere angesichts eines auf Kontinuität und Nähe beruhenden wahrscheinlichen Marktaufteilungsmusters, wenn es von den beiden neuen Einheiten befolgt wird. Jegliches Abweichen von diesem Muster würde bedeuten, dass sich die abweichende Einheit um einen Vertrag bewirbt, der sich über einen langen Zeitraum in den Händen des anderen Wettbewerbers befand, der dem günstigeren Angebot den Vorzug gegeben hat. Somit müsste der Abweichler, der in einer ungünstigeren Liefersituation ist, erheblich investieren, um sich für diesen Vertrag zu bewerben, was seine Anreize für ein solches Verhalten verringert.

(122) Eine Vergeltung ist auch bei den vierteljährlichen Verhandlungen über den Vertragspreis in langfristigen Verträgen möglich. In diesem Stadium ist ein Wechsel des Lieferanten und damit ein Versuch, den entsprechenden Vertrag zu gewinnen, nicht möglich. Angesichts des starken Einflusses der beiden neuen Parteien bei dem Mechanismus der Ermittlung des zu veröffentlichenden Preises ist eine Vergeltung in Form der Vereinbarung und Veröffentlichung eines niedrigeren vierteljährlichen Vertragspreises möglich, was sich in einem erheblichen Druck auf die andere Partei auswirkt, diese Entwicklung nachzuvollziehen, da sich die Kunden auf den zwischen der anderen Partei und ihren Kunden vereinbarten niedrigeren Preis beziehen werden.

(123) Außerdem werden BP/Veba in der Lage sein, ihren Einfluss über die ARG-Gesellschaft als abschreckenden Faktor gegenüber Shell/DEA zu nutzen. Da BP/Veba in der Lage sind, wichtige Entscheidungen über die Verwendung des ARG zu blockieren, können sie sich auch [...]*, was die Wettbewerbsstellung von Shell/DEA schädigen könnte. Shell greift gegenwärtig intensiv auf die ARG-Rohrleitung zurück, und DEA ist als potenzieller Nutzer der Rohrleitung nach dem Auslaufen seines Vertrags mit CPO anzusehen.

(124) Andererseits kontrolliert Shell einen der an das ARG angeschlossenen Einfuhrterminals. [...]*. Damit könnten Shell/DEA auf jegliches Abweichen seitens BP/Veba durch die Beschränkung des Zugangs zu seinem Terminal und der Blockierung des Umladens hereinkommender BP-Frachten reagieren, was unverzügliche Auswirkungen auf die Marktstellung von BP/Veba hätte.

(125) Abschließend ist festzustellen, dass eine Vielzahl von Vergeltungsmechanismen den zukünftigen Duopolisten zur Verfügung steht, die getrennt und in verschiedenen Kombinationen eingesetzt werden könnten. Sie sind ausreichend, um ein stillschweigendes gleichgerichtetes Verhalten der beiden neuen Einheiten zu überwachen und zu fördern und jegliche Abweichung zu bestrafen.

2.10. Hohe Zutrittsschranken angesichts begrenzter Einfuhrmöglichkeiten und der Kontrolle über die erforderlichen Einrichtungen

(126) Die Einfuhren können kaum als Gegengewicht zu der Marktstellung der beiden neuen Einheiten wirken. Die Einfuhren erreichten im Jahr 2000 einen Spitzenwert von etwa 15 % des Gesamtverbrauches wegen unvorhergesehener Ausfallzeiten bei den Krackanlagen - in normalen Zeiten machen sie nur rd. 10 % der Gesamtnachfrage für den Eigenverbrauch und den Handelsmarkt aus. Ein großer Anteil dieser Einfuhren ist für die Hersteller auf dem ARG bestimmt und für Abnehmer wie z. B. Exxon, BP und Borealis, die Ethylen von ihren eigenen Produktionsstätten außerhalb des ARG für den Eigenverbrauch einführen. Die Ethyleneinfuhren für die ARG-Rohrleitung müssen auf einem der fünf Einfuhrterminals an der Nordseeküste umgeschlagen werden. Für eine Belieferung von an die ARG-Rohrleitung angeschlossene Verbraucher gibt es keine anderen wirtschaftlich tragfähigen Transportmittel. Alle fünf Einfuhrterminals gehören den Ethylherstellern Shell, BASF, Exxon, Atofina (über FAO) und Dow. Es gibt keine unabhängigen Terminal- und Lagerbetreiber, die für Dritte freie Kapazitäten vorhalten könnten. Von der bestehenden Gesamtkapazität ist nur ein kleiner Anteil für Dritte verfügbar, während der überwiegende Teil der Terminalkapazität für die Einfuhren der Eigentümer genutzt wird. Von den über die Terminals eingeführten Gesamtmengen waren nur 10 bis 20 % für Dritte bestimmt.

(127) Die für den Eigenbedarf der Eigentümer nicht genutzte Terminalkapazität ist darüber hinaus vorrangig den Tauschgeschäften mit anderen Terminaleignern vorbehalten. Durch entsprechende Austauschvereinbarungen räumen sich die Eigentümer die gegenseitige Nutzung ihrer Terminals im Falle von Kapazitätsengpässen ein und erwerben damit das Recht, einen anderen Terminal zu nutzen, wenn sie keine ausreichenden Kapazitäten haben, um hereinkommende Einfuhrmengen umschlagen zu können. [...]*. Wegen dieser Vereinbarungen verringert sich die für Dritte verfügbare Kapazität noch weiter.

(128) Außerdem wird ein großer Teil der Lagereinrichtungen bei den meisten Einfuhrterminals für die Vorhaltung der Ethylenproduktion der Eigentümer auf den nahegelegenen Krackanlagen und nur in geringem Maße für die Lagerung eingeführten Ethylens verwendet. Offenbar wurde die Lagerungskapazität nicht im Gleichklang mit der Erhöhung der Produktionskapazitäten erweitert, was dazu führt, dass zunehmend weniger Kapazität für die Einfuhren von Dritten zur Verfügung steht. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Terminalkapazität in der nahen Zukunft erheblich erweitert würde. Neben den mit 30 Mio. EUR angesetzten erheblichen Kosten für eine Terminalgroßanlage beschränken die Umweltvorschriften die Errichtung zusätzlicher Kapazitäten entlang der Küste.

(129) Außerdem haben Ethylenabnehmer, die im vorgelagerten Ethylenmarkt nicht vertikal integriert sind und damit keine Austauschmengen anbieten können, angegeben, dass ihre Vereinbarungen mit den Terminaleignern es nicht erlauben, ihre Ethylennachfrage langfristig durch Einfuhren zu decken. Diese Abnehmer haben zwar Terminalnutzungsverträge geschlossen, können aber aus vertraglichen und praktischen Gründen keine entsprechenden langfristigen Lieferverträge eingehen. Praktische Probleme können insbesondere durch die Reihenfolge der Liegeplätze der Schiffe und deren Zuteilung entstehen. In der Praxis kommt es wohl häufig vor, dass Terminalverträge an das Vorhandensein und die Dauer einer Liefervereinbarung mit dem Terminaleigner geknüpft sind, und dass die Mengen, für die ein Terminal verfügbar gemacht wird, in einem bestimmten Verhältnis zu den von dem Terminaleigner unmittelbar gelieferten Mengen steht. Außerdem räumen derartige Verträge den Terminaleignern zum Teil bestimmte Rechte ein, mit denen der Ethylenabnehmer verpflichtet wird, mit dem Terminaleigner direkt zu verhandeln ohne den Terminal zu nutzen. Deshalb können diese Abnehmer nur auf Einfuhren im Einzelfall für Mengen auf dem Spotmarkt zurückgreifen, selbst wenn sie Terminalnutzungsvereinbarungen eingegangen sind. Die Mehrzahl der Ethylenabnehmer teilt die Auffassung, dass es nicht möglich ist, erhebliche Ethylenmengen langfristig für das ARG einzuführen. Die Einfuhren werden nur als Puffer für zusätzliche Mengen auf dem Spotmarkt angesehen, jedoch nicht als Alternative, um einen großen Anteil der Grundnachfrage befriedigen zu können.

(130) Neben den Engpässen bei der Verfügbarkeit der Terminalkapazitäten, sind die Terminalnutzungs- und Beförderungskosten ein weiteres spürbares Hindernis für die Einfuhren. Die Transportkosten wurden mit 15-55 EUR/t für Einfuhren aus europäischen Quellen und bis zu 150 EUR/t aus mittelöstlichen Quellen angegeben. Nach den Aussagen von Dritten können diese Transportkosten teilweise durch die niedrigeren Einkaufspreise für Ethylen ausgeglichen werden, das aus Gebieten mit niedrigeren Rohstoff- und Produktionskosten geliefert wird, was für die zusätzlichen Kosten für den Weitertransport dieser Einfuhren ab dem Hafen offenbar nicht möglich ist. Zu den Beförderungskosten müssen Terminalnutzungsgebühren zwischen [rund 25 und 45 EUR/t]* hinzugezählt werden. Bei Abnehmern, die nicht in der Nähe des Einfuhrterminals angesiedelt sind, müssen auch die Beförderungskosten auf der ARG-Rohrleitung berücksichtigt werden, die gemäß den veröffentlichten ARG-Durchsatztarifen für Dritte(19) bis 70 EUR/t bei den längsten Transporten erreichen können. Zahlreiche Ethylenabnehmer einschließlich der wichtigsten Käufer auf dem Handelsmarkt stuften diese Kosten als unangemessen hoch ein und erklärten, dass sie Einfuhren nicht als wirtschaftliche tragfähige Alternative ansehen. Die übrigen Abnehmer stimmten darin überein, dass, abgesehen von kleineren Mengen auf dem Spotmarkt die Einfuhren keine wirtschaftliche Alternative für große Mengen seien.

(131) Hieraus kann man schließen, dass mit den Einfuhren kein ausreichender Wettbewerbsdruck auf die beiden neuen Einheiten ausgeübt werden kann.

2.11. Neuer Markteintritt größeren Umfangs durch den Aufbau neuer Kapazitäten nicht zu erwarten

(132) Die Auslastungsrate der Ethylen-Produktionskapazitäten beträgt rund 96 % in Westeuropa und sogar mehr im ARG-Gebiet. Ausreichende Mengen, um Wettbewerbsdruck auf dem Markt ausüben zu können, könnten deshalb nur von neuen in naher Zukunft auf den Markt gelangenden Kapazitäten stammen, die nicht durch erhöhten Eigenverbrauch aufgesogen würden, sondern dem Handelsmarkt zur Verfügung stuenden. Damit ist im ARG-Gebiet jedoch nicht zu rechnen.

(133) Wegen der äußerst hohen Investitionskosten, die mit [500] Mio. EUR* für eine wirtschaftlich tragfähige [...]kt*-Ethylenkrackanlage angegeben werden, wäre der Bau einer neuen Krackanlage auf der ARG-Rohrleitung, sei es durch einen neuen Marktzugänger oder einen bestehenden Anbieter, höchst unwahrscheinlich. Die Parteien stimmen darin überein, dass für die nahe Zukunft nicht mit einem umfangreichen Markteintritt zu rechnen ist.

(134) Die Parteien fügen jedoch hinzu, dass die Kapazitäten der bestehenden Anlagen beständig erweitert und die Engpässe beseitigt werden, was erheblichen Druck im Markt ausübe. Ein großer Teil dieser Kapazitätserweiterungen werde zwar mittel- bis langfristig dem Eigenverbrauch vorbehalten sein, würde jedoch die Marktmacht der vorhandenen Anbieter während des Zeitraums zwischen der Erweiterung der Ethylenkapazität und der entsprechenden Steigerung der Derivateproduktion beschränken.

(135) Grundsätzlich erhöht eine Beseitigung der Engpässe bei den bestehenden Anlagen nicht die Anzahl der vorhandenen Anbieter im Markt und fügt auch keine neue unabhängige Kraft dem Handelsmarkt hinzu. Außerdem erfolgen, wie auch von den Parteien eingeräumt, die Ethylenlieferungen überwiegend im Rahmen langfristiger Verträge. Deshalb können Liefermengen, die nur für eine beschränkte Zeit auf dem Markt sind, bis sich die Nachfrage des Anbieters auf dem nachgeordneten Markt entsprechend erhöht, nicht als Gegenkraft zu den üblichen langfristigen Lieferbeziehungen angesehen werden.

(136) Die wichtigste vorhersehbare Steigerung der vorhandenen Kapazität sind die zusätzlichen 6oo kt in der Anlage Terneuzen von Dow, die Ende 2001 fertiggestellt sein soll. Gemäß der Marktuntersuchung der Kommission sind diese neuen Mengen jedoch für den Eigenverbrauch in der nachgeordneten Derivateproduktion von Dow bestimmt, und es wird erwartet, [...]*. Außerdem ist die begrenzte Anzahl der anderen Erweiterungsprojekte für den erhöhten Eigenbedarf der jeweiligen Unternehmen bestimmt. Dies ist der Fall bei dem Vorhaben der Nettoabnehmer [...]* sowie bei den Kapazitätssteigerungen der integrierten Hersteller [...]* mit Eigenverbrauch. Die letzteren beiden Vorhaben betreffen ausschließlich kleinere Mengen.

(137) Da die große Mehrzahl dieser zusätzlichen Ethylenmengen zumindest mittelfristig für den Eigenverbrauch bestimmt sind und nicht auf dem Handelsmarkt verkauft werden, wird von den vorgesehenen Kapazitätserweiterungen keine Gegenkraft zur gemeinsamen Marktbeherrschung der fusionierten Einheiten ausgehen. Außerdem gibt es einige neue Projekte nicht integrierter Hersteller, mit denen die Ethylennachfrage zunehmen wird, wie z. B. das neue Propylenoxid-/Styrolmonomerwerk in Rotterdam, das Bayer über ein Gemeinschaftsunternehmen mit Lyondell betreiben wird, und das in der zweiten Hälfte des Jahres 2003 fertiggestellt sein soll(20). Deshalb werden die nach der Kapazitätserweiterung verbleibenden Mengen von den neuen nachgeordneten Ethylenproduktionsstätten abgenommen und nicht geeignet sein, die Wettbewerbslage auf dem Markt kurz- und mittelfristig spürbar zu verändern.

2.12. Keine ausreichende Gegenmacht der Nachfrageseite

(138) An die ARG-Rohrleitung ist eine Reihe von Ethylennettoabnehmern angeschlossen. Die Nachfrage der fünf führenden Nettoabnehmer Solvay, Borealis, Basell, Celanese und LVM macht [50-60]* % des gesamten Handelsmarkts aus. Die gemeinsamen Einkaufsvereinbarungen sind auf CPO beschränkt, das die Ethylenlieferungen für Celanese, Clariant und Basell aushandelt, und auf die Abwicklung des Bedarfs von Vestolit und Sasol durch Degussa. Die Degussa-Vereinbarungen laufen [...]* aus. Zu CPO ist zu bemerken, dass die entsprechenden Vereinbarungen ein Ergebnis der Veräußerung der vormaligen Teile der Farbwerke Hoechst sind, für die zu jener Zeit günstige Lieferungen vereinbart werden konnten. Die Verträge von CPO mit seinen Kunden [...]*. Beinahe die Hälfte der Nachfrage von CPO [...]*. Basell betreibt seine eigene Ethylen-Krackanlage und wird in der Lage sein, seine restliche Nachfrage zu günstigen Bedingungen über seine Muttergesellschaften decken zu können. Vor diesem Hintergrund geht CPO davon aus, dass es nach dem Auslaufen seiner Lieferverträge mit DEA und Veba wohl kaum in seiner jetzigen Form fortbestehen wird.

(139) Die Parteien haben auf die erhebliche Flexibilität bei der Nachfrage der Ethylenabnehmer hingewiesen, während die Ethylenanbieter wegen der beschränkten Lagerkapazitäten und der erforderlichen hohen Kapazitätsauslastungsraten als Folge der hohen Investitionskosten gezwungen seien, ihre Produktionsmengen auf den Markt zu bringen. Deshalb könnten sich die Ethylenabnehmer einer Preiserhöhung widersetzen, indem sie ihre Abnahmemengen verkleinern, mit ihren Lagerbeständen ihre Derivateverträge erfuellen und die Ethylenhersteller unter erheblichen Druck setzen, ihr Ethylen zu verkaufen, für das sie keine Lagerkapazitäten haben. Die Abnehmer sind jedoch nicht in einer Lage, wo sie der Marktmacht der neuen Einheiten entgegenwirken könnten.

(140) Erstens laufen die Ethylen-Krackanlagen auf dem ARG mit äußerst hohen Auslastungsraten von 97 % und darüber. Angesichts dieser hohen Auslastung müssen die Hersteller nicht um jeden Preis eine betriebliche Auslastung sichern, um spürbare Verluste zu vermeiden. Die Abnehmer sind ihrerseits an einer hohen Auslastung ihrer Ethylenverarbeitungsanlagen interessiert, um ihre Durchschnittskosten je Einheit gegenüber den Herstellern möglichst niedrig zu halten. Die Hersteller von Derivaten haben bestätigt, dass die Kapazitäten ihrer Anlagen zu 90 % oder mehr ausgelastet sein müssen, um Gewinne zu erwirtschaften. Somit sind die Abnehmer in dieser Hinsicht ebenso wenig flexibel wie die Ethylenhersteller, die immerhin bei ihrem Ausstoß eine bestimmte Flexibilität genießen, wenn sie ihre Kapazitäten hoch auslasten. Die Einfuhren ermöglichen auch eine gewisse Flexibilität, da sie kurzfristig als Reaktion auf einen Rückgang der Nachfrage gekürzt werden können. Ein weiteres Mittel des Ausgleichs der Nachfragebewegungen ist der Tausch auf Zeit. Wegen geplanter oder ungeplanter Wartungsarbeiten sind stets einige Krackanlagen stillgelegt. Die Lieferanten könnten vereinbaren, während dieser Ausfallzeiten die Kunden des jeweils anderen zu beliefern und das Ethylen zu einem späteren Zeitpunkt zurückzuerhalten.

(141) Zweitens erlauben die üblichen Langzeitverträge nur eine begrenzte Kürzung der Vertragsmengen. Allgemein gibt es Schwankungen bei den tatsächlich gekauften Mengen gegenüber den vertraglich vereinbarten Mengen im Bereich von etwa [...]* %, und einige Verträge sehen Härteklauseln vor, die Anpassungen nur in außergewöhnlichen Umständen erlauben. Das Potenzial der Ethylenabnehmer, auf eine gemeinsame Preiserhöhungsstrategie der neuen Einheiten mit der Drohung eines Nachfragerückgangs zu antworten, ist somit begrenzt.

(142) Auch schafft die behauptete größere Schwierigkeit, Ethylen anstelle der von den Ethylenkunden hergestellten Derivate zu lagern, keine ausreichende Nachfrageflexibilität. Diesem Argument liegt die Annahme zugrunde, dass die Ethylenabnehmer ihre Produktion und damit ihre Nachfrage nach Ethylen verringern würden und ihre Lieferverpflichtungen gegenüber den Derivatekunden aus ihren Lagerbeständen erfuellen. Es gibt jedoch verschiedene Erwägungen, die dieser Annahme widersprechen. Erstens ist es auch für die Derivatehersteller kostspielig und unwirtschaftlich, größere Lagerbestände zu führen als für die eigenen betrieblichen Zwecke erforderlich wäre und um die Bewegungen bei der Derivatenachfrage auszugleichen. Investitionen in umfangreiche zusätzliche Lagerkapazitäten, um auf Versuche der Ethylenhersteller reagieren zu können, ihre Preise zu erhöhen (die zu unbekannten Zeitpunkten erfolgen können), wären somit eine machbare und wirtschaftliche Option für die Derivatehersteller. Um einem Versuch entgegenzuwirken, bei der vierteljährlichen Neuaushandlung des Vertragspreises die Ethylenpreise zu erhöhen, wäre es erforderlich, über drei Monate mit den Beständen zu arbeiten. Die Ethylenderivatehersteller halten zurzeit jedoch nur Bestände für höchstens 30 Tage. Selbst höhere Lagerbestände müssten beim Zeitpunkt der Aushandlung eines langfristigen Vertrags über mehrere Jahre den Preiserhöhungen widerstehen können. Außerdem können die Derivatehersteller nicht den Zeitpunkt voraussehen, zu dem die Ethylenhersteller versuchen würden, ihre Preise zu erhöhen. Andererseits benötigen sie ihre Lagerbestände für eigene betriebliche Zwecke, um unerwartete Bewegungen bei der Produktion und der Nachfrage ausgleichen zu können. Deshalb könnte der Versuch, die Preise zu erhöhen, in einer Zeit niedriger Lagerbestände der Derivatehersteller erfolgen, die z. B. auf unerwartete Nachfragesteigerungen oder nicht geplante Ausfallzeiten bei der Produktion zurückzuführen sind. In einer solchen Lage ist die Fähigkeit noch beschränkter, die Ethylennachfrage und die Produktion der Derivate zu verringern. Hieraus ist zu schließen, dass die Anreize und Möglichkeiten einer andauernden Verringerung der Nachfrage begrenzt sind und sich deshalb nicht dafür eignen, einer versuchten Preiserhöhung entgegenzuwirken.

2.13. Schlussfolgerung zur gemeinsamen Marktbeherrschung

(143) Deswegen ist zu schließen, dass die beiden Zusammenschlussvorhaben eine gemeinsame beherrschende Stellung der beiden neuen Einheiten Shell/DEA und BP/E.ON im Markt der Lieferung von Ethylen auf dem ARG+-Rohrleitungsnetz begründen würden.

3. Verpflichtungsermächtigungen

(144) Am 28. November 2001 machten sowohl die Parteien in dieser Sache und in der Sache M.2533 BP/E.ON Zusagen, um die Wettbewerbsbedenken auszuräumen, die von der Kommission mit ihren Beschwerdepunkten vom 24. Oktober 2001 geltend gemacht wurden. Die Zusagen werden in den folgenden Absätzen zusammengefasst und bewertet.

(145) Der vollständige Wortlaut ist im Anhang enthalten.

3.1. Zusagen von Shell/DEA

(146) Shell und DEA verpflichten sich, einem oder mehreren Nutzern Zugang zu den Terminalanlagen von Shell im niederländischen und zur Rohrleitung der Ethyleen Pijpleiding Maatschappij BV ("EPM") von Moerdijk nach Lillo (Antwerpen) für eine Ethylen-Gesamtmenge bis zu 250000 metrischen Tonnen pro Jahr zu gewähren. Die Konditionen sind im beigefügten Mustervertrag ("Ethylene Terminalling Agreement") enthalten. Dieser Zugang wird einem oder mehreren bestehenden oder künftigen Wettbewerbern oder Abnehmern für Ethylen auf dem ARG+ ab 1. Januar 2003 bis mindestens 31. Dezember 2012 gewährt. Den Vorzug erhalten jene Wettbewerber und Abnehmer, die nicht im Besitz eines an die ARG-Rohrleitung angeschlossenen Terminals sind.

3.2. Zusagen von BP/E.ON

(147) BP und E.ON verpflichten sich, zwei der drei Beteiligungen von BP/Veba Oel an der ARG gemeinsam mit den damit verbundenen Vermögenswerten und Stimmrechten an einen von der Kommission genehmigten geeigneten unabhängigen Bewerber zu veräußern.

(148) Für einen Übergangszeitraum bis zur Veräußerung der erwähnten Beteiligung an dem ARG verpflichten sich die Parteien, ihre Sperrminorität bei Entscheidungen nicht auszuüben, die einer [besonderen]*-Mehrheit bedürfen. Die Parteien verpflichten sich, für zwei ihrer Beteiligungen an dem ARG im Einklang mit den einstimmigen Beschlüssen der übrigen Anteilseigner bei sämtlichen Entscheidungen zu stimmen, die einer [besonderen]*-Mehrheit bedürfen. Die Parteien sagen weiter verbindlich zu, dass BP und/oder E.ON die Stimmrechte für sämtliche drei Beteiligungen von BP/Veba Oel im Einklang mit den einstimmigen Beschlüssen der übrigen Anteilseigner bei Entscheidungen ausüben, die einer [besonderen]*-Mehrheit bedürfen, solange E.ON eine Kontrollbeteiligung an Degussa hält.

(149) BP/E.ON verpflichten sich, dass sie [einem Ethylen-Abnehmer]* erlauben werden, das über die ARG-Rohrleitung nach Gelsenkirchen gelieferte Ethylen dem Werk [dieses Abnehmers]* verfügbar zu machen, falls der Liefervertrag zwischen [...]* mit Wirkung vom [...]* oder danach beendet wird. Diese Garantie ergeht ungeachtet der Entscheidung von [diesem Abnehmer]* in Bezug auf die Wahl seiner Ethylenlieferquelle. Sie gilt für einen Zeitraum von [...]*, wobei [dieser Abnehmer]* seine Option ausüben kann, sie für weitere [...]* zu verlängern.

3.3. Würdigung des Zusammenschlussvorhabens

(150) Die hauptsächlichen Wettbewerbsbedenken der Kommission gehen dahin, dass mit dem Wegfallen von zwei unabhängigen Ethylenanbietern im Handelsmarkt eine gemeinsame beherrschende Stellung der beiden neuen Einheiten entsteht. Die Infrastruktur im ARG+-Gebiet, d. h. Einfuhrterminals und Rohrleitungen, ist hierfür in zweierlei Hinsicht wesentlich. Der Zugang zu und Einfluss in der Infrastruktur verstärkt die Marktmacht der beiden neuen Einheiten, [...]*. Somit ist die Infrastruktur ein entscheidender Faktor für das Wirken der Wettbewerbskräfte im Ethylenmarkt, deren Ausmaß erheblich vom offenen Zugang zu den Infrastruktureinrichtungen abhängt. Beide Zusagen verschaffen und gewährleisten zusammengenommen die Zugänglichkeit dieser wesentlichen Infrastruktur.

(151) Die Öffnung des Einfuhrterminals von Shell für Einfuhrmengen von Dritten eines Jahresumfangs von bis zu 250 kt wird die Verfügbarkeit von Ethylen auf dem ARG-Markt aus wettbewerbsfähigen und unabhängigen Quellen erheblich vergrößern. Von dritter Seite wurde als wesentliches Hindernis für die Einfuhren genannt, dass keine Einfuhrterminals langfristig für größere Mengen und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen. Angesichts der sehr hohen Investitionskosten ist der Eintritt eines neuen Anbieters im Markt in absehbarer Zukunft höchst unwahrscheinlich, weshalb die Einfuhren die einzige Quelle zusätzlicher, unabhängiger Ethylenlieferungen in den ARG+-Markt sind. Die von der Zusage erfassten Mengen haben einen Umfang, der geeignet ist, das Wettbewerbspotenzial der neuen Einheiten erheblich einzuengen. 250 kt entspricht der Jahreskapazität einer kleineren Krackanlage, wie sie von DEA betrieben wird. Wenn man sämtliche Mengen vertraglich über Einfuhren bezieht, würde dies der Errichtung einer neuen unabhängigen Ethylenproduktionsstätte im ARG entsprechen. Es würde auch die gegenwärtigen Einfuhren von Dritten um beinahe 400 % steigern. Die von Shell vorgeschlagenen Bedingungen ermöglichen einen nicht diskriminierenden, langfristigen Zugang zum Terminal zu angemessenen Preisen und räumen den Nichteigentümern Vorrang ein, da die Terminaleigner über ihre eigenen Einfuhreinrichtungen verfügen.

(152) Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese Mengen eingeführt werden, da verschiedene dritte Abnehmer an langfristigen Einfuhren interessiert sind, und ausreichende Ethylenmengen insbesondere aus saudi-arabischen Quellen vorhanden sind.

(153) Eine Veräußerung des Einfuhrterminals an einen Dritten, die theoretisch die Kontrolle von Shell/DEA über diese Infrastruktureinrichtung vollständig beseitigen würde, erscheint nicht als eine machbare Option. Erstens kann ein Terminal nicht ohne angeschlossene Lagerungseinrichtungen funktionieren, da die Ethylentanks in die Krackanlagen betrieblich integriert sind. Ein großer Teil der Lager wird am Terminal deshalb für unvorhersehbare Schwankungen bei der Krackerproduktion und der Nachfrage verwendet.

(154) Zweitens könnte der offene und nicht diskriminierende Zugang zum Terminal nur einem Käufer gewährleistet werden, der weder mit Ethylen noch mit Ethylenderivaten tätig ist und deshalb keine eigenen Geschäftsinteressen in Bezug auf den Terminal hat. Angesichts der hohen Terminalkosten und der erforderlichen Kenntnisse im Ethylenmarkt, um einen Terminal wirtschaftlich betreiben zu können, wäre es unwahrscheinlich, einen unabhängigen Käufer hierfür zu finden.

(155) Der Einfluss von BP/Veba auf die ARG-Kernleitung über die Beteiligung und die Sperrminorität in der Betriebsgesellschaft ist ein weiteres Element, das den offenen Zugang zur Infrastruktur einschränkt und damit die Marktmacht der Parteien stärkt. Außerdem beschränken diese Beteiligungen das Wettbewerbspotenzial der anderen Anbieter, die keine Beteiligung halten. Die Veräußerung von zwei der drei Beteiligungen von BP/E.ON wird den ausschlaggebenden Einfluss dieser Gruppe auf die ARG-Gesellschaft beseitigen. Nach dieser Veräußerung wird BP/Veba keine Vorzugs-Sperrminorität mehr halten, und es wird den anderen Eigentümern gleichgestellt sein. Außerdem wird sich mit dem Eintritt neuer Anteilseigner in die ARG-Gesellschaft das Spektrum der von den Aktionären vertretenen Interessen an der Gesellschaft erweitern und damit gewährleisten, dass die ARG sämtlichen Interessen dient, ohne bestimmte Anbieter oder Kunden zu bevorzugen. Die von BP/Veba angebotene Übergangszusage müsste seine Vetorechte bei wesentlichen Entscheidungen über [...]* unverzüglich beseitigen. Dadurch erlangt BP die Stellung eines normalen Anteilseigners bis zum Abschluss des Veräußerungsverfahrens, wodurch die erheblichen Bedenken hinsichtlich der gemeinsamen Beteiligung von BP/Veba an der ARG-Gesellschaft unverzüglich beseitigt werden. Die Zusage beseitigt auch jegliche Bedenken hinsichtlich der Beteiligung von Degussa, das der Gruppe E.ON angehört, jedoch nicht in dieses Vorhaben einbezogen ist.

(156) Die Wiederherstellung des ARG als gemeinsamer Träger wird nicht nur die stärkere Stellung von BP/Veba bei der Infrastruktur als stützendes Element seiner Marktmacht beseitigen, sie wird auch zwei wichtige Wirkungen haben, mit denen die Lage des Wettbewerbs im ARG-Gebiet erheblich verbessert und damit der Marktstellung der neuen Einheiten entgegengewirkt wird. Erstens wird sie den Wettbewerb der vorhandenen Anbieter auf dem ARG stärken. Der offene Zugang zur Rohrleitung zu angemessenen Kosten müsste die vorhandenen Anbieter in die Lage versetzen, sich um Kunden im gesamten ARG-Gebiet aktiv zu bewerben, die Auswahl der Kunden zwischen Anbietern vergrößern und die Möglichkeiten der beiden neuen Einheiten verringern, sich die Kunden gemäß den beschriebenen Kriterien aufzuteilen. Zweitens kann das Wettbewerbspotenzial der Zusage von Shell, die Einfuhrinfrastruktur zu öffnen, nur voll wirksam werden, wenn gewährleistet ist, dass die von unabhängigen außenstehenden Quellen erhaltenen zusätzlichen Mengen zu wirtschaftlichen Kosten nach sämtlichen Standorten innerhalb des ARG bis zu seinem östlichen Ende befördert werden können.

(157) Die Zusage von BP/Veba, den Ethylenabnehmern im [Rhein-Ruhr-Gebiet]* (derzeit [...]*) Zugang zu den ARG-Lieferungen zu gewähren, beseitigt den verbleibenden gegenwärtig von BP/Veba kontrollierten Engpass auf der Infrastruktur. Damit entfällt jegliche Möglichkeit, dass BP/Veba in Bezug auf diese Kunden vor den Wettbewerbskräften geschützt bleiben, die von anderen ARG-Anbietern ausgehen. BP/Veba werden nicht mehr in der Lage sein, über die Verweigerung des Zugangs zu den Eigentümerleitungen diese Kunden vom ARG abzuschneiden, mit denen sie an das ARG verbunden sind. Dies wird auch diesen Kunden den Wettbewerb zu gleichen Bedingungen gewährleisten und ein weiteres Instrument beseitigen, das die stillschweigende Marktaufteilung zwischen den beiden neuen Einheiten zu erleichtern würde. Es gibt keine anderen ARG+-Zuleitungen unter Kontrolle der zukünftigen duopolistischen Einheiten, die verwendet werden könnten, um die Ethylenabnehmer von wettbewerbsfähigen Lieferungen auf dem ARG abzuschneiden.

3.4. Fazit

(158) Die Kommission ist abschließend der Auffassung, dass die gemeinsam gewürdigten Zusagen der Parteien eine der tragenden Grundlagen ihrer Marktmacht beseitigen werden. Sie ermöglichen eine ausreichende neue Wettbewerbskraft, die i) der Marktstellung der neuen Einheiten entgegenwirken und ii) ihnen die Möglichkeit nehmen wird, sich eines aktiven Wettbewerbs im Markt zu enthalten, um iii) den Markt stillschweigend aufzuteilen. Unter diesen Voraussetzungen entsteht keine gemeinsame beherrschende Stellung auf dem Ethylenmarkt im ARG+-Netz, und die in den Beschwerdepunkten mitgeteilten Wettbewerbsbedenken sind ausgeräumt.

TEIL 2: TOLUOL

A. RELEVANTER PRODUKTMARKT

(159) Bei Toluol handelt es sich um eines von drei so genannten Aromatika (neben Benzol und Xylol), das aus reformiertem Schwerbenzin oder Pygas gewonnen wird. Aus dieser Flüssigkeit wird anschließend Toluol D-Isocyanat (TDI) produziert, das wiederum für die Erzeugung von Polyurethan für Güter wie Schaumstoffe, Beschichtungen und wasserfeste Kleidung verwendet wird. Zudem dient es der Herstellung von Nylon und als Lösungsmittel für Farben und Fette in der Chemie- und Pharmaindustrie. Toluol wird ferner in die anderen Aromatika Benzol und Xylol umgewandelt. Schließlich wird es wegen seiner oktanverstärkenden Eigenschaften auch mit Benzin vermischt, das einen Toluolgehalt zwischen 1,5 % und 25 % aufweisen kann.

(160) Je nach Anwendung wird Toluol mit verschiedenen Reinheitsgraden produziert. Auf dem Markt werden für typische Reinheitsgrade verschiedene Bezeichnungen verwendet. Das häufigste ist das sehr reine "TDI-Toluol" zur Herstellung von TDI. Einen geringeren Reinheitsgrad weisen "Industrie-" oder "DSM-Toluol" (benannt nach einem Großabnehmer, der diese Spezifizierung eingeführt hat) und "Nitrations-Toluol" zur Produktion von Nylon, Lösungsmitteln und Benzin-Beimischungen auf. Nachstehend wird der Begriff "TDI-Toluol" für Toluol verwendet, das den zur TDI-Produktion erforderlichen Reinheitsgrad von 99,80 % aufweist.

(161) In ihren Beschwerdepunkten war die Kommission zu der vorläufigen Schlussfolgerung gelangt, dass "TDI-Toluol" einen eigenständigen Produktmarkt darstellt. Die beteiligten Unternehmen bestreiten diese Feststellung mit folgenden Argumenten: TDI-Toluol sei keine feste Norm, sondern die Abnehmer hätten oft ihre eigenen Spezifizierungen. Nur ein kleiner Teil des TDI-Toluols wird an Abnehmer verkauft, die diesen Reinheitsgrad benötigen, wohingegen mehr als zwei Drittel der Produktion an Kunden gehen, die auch auf niedrigere Reinheitsgrade umsteigen könnten. Ferner weise TDI-Toluol auf der Angebotsseite eine hochgradige Substituierbarkeit auf, da die Erzeuger anderer Toluol-Sorten mit geringen Investitionen in ihre Anlagen in der Lage wären, TDI-fähige Reinheitsgrade herzustellen. Dass TDI-Toluol kaum oder überhaupt nicht teurer ist als niedrigere Reinheitsgrade, mag den Ausschlag gegeben haben, dass die meisten Produzenten, die der Kommission geantwortet haben, einen solchen Umstieg für unrentabel hielten. Nach Berechnung der beteiligten Unternehmen reiche ein [geringer]* Aufpreis aus, um die Kosten für die Umstellung der Anlagen auf die TDI-Toluol-Produktion wieder hereinzuholen. Nur eine der vielen Organisationen, die Preise veröffentlichen, gibt einen Spot-Preis für TDI-Toluol an; Vertragspreise werden nicht veröffentlicht. Auch dieser Umstand deutet darauf hin, dass für TDI-Toluol kein separater Markt existiert. Ferner machen die beteiligten Unternehmen geltend, dass die gegenseitige Abhängigkeit der Preise für die verschiedenen Reinheitsgrade sehr hoch ist (0,91-0,99). Auch wenn aus dem Spotpreis zwischenzeitliche Aufpreise für TDI-Toluol abgelesen werden können, spiegelt das nicht die Realität des Marktes wider. Auf dem ziemlich illiquiden TDI-Toluol-Spotmarkt werden nur geringe Mengen gehandelt. Die Verkaufspreise der beteiligten Unternehmen zeigen, dass TDI-Erzeuger u. a. wegen der größeren abgenommenen Mengen einen niedrigeren Preis für TDI-Toluol zahlen als die übrigen Abnehmer.

(162) Die Argumente der Parteien und die eingehendere Prüfung durch die Kommission weisen darauf hin, dass es möglicherweise nur einen Markt gibt, dem sämtliche Reinheitsgrade von Toluol zuzurechnen wären. Ein Großteil des TDI-Toluols scheint an Hersteller z. B. von Lösungsmitteln verkauft zu werden, die auf diesen hohen Reinheitsgrad nicht angewiesen sind und auf anderes Toluol umschwenken könnten. Mehrere Hersteller haben angegeben, dass es wegen der geringen Preisdifferenzen unwirtschaftlich wäre, Toluol in verschiedenen Reinheitsgraden zu produzieren und zu lagern. DEA produziert beispielsweise ausschließlich TDI-Toluol, ebenso wie Shell in seinem Werk in Godorf. Sie verkaufen [einen großen Teil]* ihres Ausstoßes an Unternehmen, die kein TDI produzieren. Ein anderer Hersteller verkauft seine gesamte Produktion an die Hersteller von Lösungsmitteln, für die ein so hoher Reinheitsgrad nicht erforderlich ist. Einige Hersteller verkaufen TDI-Toluol wegen mangelnder Lagermöglichkeiten gar als Toluol mit geringerem Reinheitsgrad, ohne auf die höhere Qualität hinzuweisen.

(163) Auch dieser Umstand deutet darauf hin, dass für höherwertiges Toluol nur ein geringer oder gar kein Aufpreis gezahlt wird. Die Verkaufspreise der beteiligten Unternehmen zeigen, dass die TDI-Produzenten weniger zahlen als jene Abnehmer, die auf den hohen Reinheitsgrad nicht angewiesen sind. Wegen der augenscheinlich geringen Mengen, die auf dem Spotmarkt gehandelt werden, sind die veröffentlichten Preise, die von Zeit zu Zeit höher liegen, von geringer Aussagekraft. Auf der anderen Seite kann ein enger Zusammenhang zwischen den Preisen für die verschiedenen Reinheitsgrade beobachtet werden.

(164) Die beteiligten Unternehmen schätzen die Kosten für die Umstellung der Anlagen auf die Produktion von höheren Reinheitsgraden auf [weniger als 15 Mio. EUR]*. Dieser moderate Betrag weist auf eine nachfrageseitige Substituierbarkeit hin, die im Falle eines Anstiegs des Preises für TDI-Toluol zunehmen würde.

(165) Ob der relevante Produktmarkt nur TDI-Toluol oder sämtliche Reinheitsgrade umfasst, kann jedoch offen gelassen werden. TDI-Toluol müsste als für die TDI-Produktion geeignetes Toluol definiert werden. Ein Reinheitsgrad von 99,80 % (oder mehr) reicht hierfür aus. Wenn sämtliche Anbieter, die Toluol mit diesem Reinheitsgrad produzieren, in Betracht gezogen werden, entstehen weder in Bezug auf den Markt für TDI-Toluol noch in Bezug auf den umfassenderen Markt für sämtliches Toluol Wettbewerbsbedenken. Es kann auch offen gelassen werden, ob die niedrigeren Reinheitsgrade einen gemeinsamen Markt bilden oder jeder Reinheitsgrad für sich zu betrachten ist, da DEA ausschließlich TDI-Toluol herstellt und es bei anderen Reinheitsgraden somit nicht zu Überschneidungen kommt.

B. RÄUMLICH RELEVANTER MARKT

(166) Die beteiligten Unternehmen bezeichnen Westeuropa (EWR und Schweiz) als den räumlich relevanten Markt. Toluol wird innerhalb dieses Gebiets aktiv gehandelt. Die Flüssigkeit kann per Schiff, auf der Schiene oder auf der Straße befördert werden. Die Transportkosten machen rund 5-10 % des Verkaufspreises, höchstens aber 15-20 % im Falle eines Seetransports von südeuropäischen Produktionsstandorten (Iberische Halbinsel) nach Nordeuropa aus. Die Transportkosten scheinen aber kein Handelshindernis zwischen diesen Gebieten darzustellen, da die iberischen Hersteller einen erheblichen Teil ihrer Produktion (bis zu 30 %) in Nordeuropa absetzen. Deswegen kann gefolgert werden, dass der relevante geografische Markt mindestens Westeuropa umfasst. Da die beteiligten Unternehmen kein von ihnen produziertes Toluol aus Westeuropa ausführen, kann offen gelassen werden, ob der geografische Markt u. U. größer ist als Westeuropa.

C. WETTBEWERBSRECHTLICHE WÜRDIGUNG

(167) Auf dem Markt für TDI-fähiges Toluol sind neben den beteiligten Unternehmen derzeit BP, Atofina, Exxon, Petrogal, Enichem und Aral Aromatics vertreten(21). Atofina und Exxon produzieren TDI-Toluol in [...]*. Enichem hat bis letztes Jahr TDI-Toluol nur konzernintern verwendet, wurde aber nach der Veräußerung einer TDI-Produktionsanlage an ein drittes Unternehmen auf dem Handelsmarkt tätig. Aral Aromatics gehörte früher zum E.ON-Konzern, ist aber seit Januar 2001 eine Tochtergesellschaft der Redestillationsgemeinschaft GmbH(22). Die von Aral Aromatics verkauften Mengen werden [...]* bezogen.

(168) Nachstehend werden die Marktanteile anhand der Absatzdaten des Jahres 2000 wiedergegeben. Enichem wird dabei als Konkurrent auf dem Handelsmarkt angesehen, da dies die aktuelle und künftige Marktlage wiedergibt. Der Marktanteil beruht auf den im Jahr 2000 an das vor kurzem veräußerte TDI-Werk gelieferten Mengen. Auch Aral Aromatics wird im Einklang mit der jetzigen Marktlage im Jahr 2001 als eigenständiger Wettbewerber auf dem Handelsmarkt betrachtet. Demnach kämen die beteiligten Unternehmen gemeinsam auf [25-35]* % (DEA [15-25]* %, Shell [5-15]* %). Starke Wettbewerber sind Exxon [15-25]* %, Petrogal [10-15]* %, BP, Enichem, Atofina [alle 5-10]* % und Aral Aromatics [weniger als 5]* %. Auf einem Gesamtmarkt für sämtliche Reinheitsgrade wäre der gemeinsame Marktanteil der Parteien noch niedriger, da weitere Anbieter wie Cepsa und Huntsman hinzukämen.

(169) Daher werden die beteiligten Unternehmen dem Wettbewerb starker anderer Toluol-Anbieter ausgesetzt sein. Auch wenn [ein Großteil]* der Enichem-Produktion und [ein Großteil]* der BP-Produktion unter langfristige Lieferverträge an einen Abnehmer fallen, stehen sie mittelfristig dem Markt zur Verfügung und können das Marktverhalten der Parteien einschränken. Außerdem scheint der Umstand, dass einige Produzenten auf dem Markt für TDI-Toluol nicht vertreten sind, an dem geringen Aufpreis für höherwertiges Toluol zu liegen. Der Versuch einer Preiserhöhung würde folglich weiter Anbieter auf den Markt ziehen, da der Aufpreis die Umstellung der Produktionsanlagen rentabel machen würde. Schließlich wird Toluol wie erwähnt für Benzinmischungen mit unterschiedlichen Toluolanteilen und für die Umwandlung in andere Aromatika verwendet. Ein höherer TDI-Toluol-Preis würde Mengen aus diesen Anwendungen abziehen und ebenfalls auf den Toluol-Handelsmarkt bringen.

(170) Da ferner ein Großteil des TDI-Toluols an andere Abnehmer als TDI-Produzenten verkauft wird, oftmals ohne den höheren Reinheitsgrad anzugeben, weist auf ein gewisses Überangebot im Verhältnis zur Nachfrage durch jene Unternehmen hin, die tatsächlich auf diese hochwertige Sorte angewiesen sind. Zudem gibt es in Westeuropa lediglich fünf große TDI-Produzenten (Lyondell, Bayer, BASF, Dow und BSI), die mit ihrer Nachfragemacht in der Lage sein dürften, die Marktstellung der beteiligten Unternehmen auszugleichen. Dies geht gegenüber den Parteien auch aus dem Umstand hervor, dass die TDI-Produzenten augenscheinlich für die gleiche Produktqualität einen geringeren Preis zahlen als manche Abnehmer, die gar kein TDI produzieren.

(171) Folglich entstehen durch das Vorhaben weder auf dem Markt für TDI-Toluol noch auf dem Toluolmarkt insgesamt wettbewerbsrechtliche Probleme.

VII. BEDINGUNGEN UND AUFLAGEN

(172) Dieser Abschnitt betrifft die Verpflichtungszusagen der beteiligten Unternehmen in Bezug auf Ethylen (s. o. Randnummer 143).

(173) Gemäß Artikel 8 Absatz 2 Unterabsatz 2 erster Satz der Fusionskontrollverordnung kann die Kommission ihre Entscheidung mit Bedingungen und Auflagen versehen, um zu gewährleisten, dass die betreffenden Unternehmen ihre der Kommission gemachte Zusagen erfuellen, um den Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu machen.

(174) Der Vollzug der Maßnahmen, die eine strukturelle Veränderung des Marktes bewirken, ist eine Bedingung, während die Schritte bei der Durchführung zur Erzielung dieses Ergebnisses in der Regel den Auflagen an die Parteien entsprechen. Wird eine Bedingung nicht erfuellt, ist die Entscheidung der Kommission zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt hinfällig; verstoßen die Unternehmen gegen eine Auflage, kann die Kommission ihre Freistellungsentscheidung gemäß Artikel 8 Absatz 5 Buchstabe b) der Fusionskontrollverordnung widerrufen und gegen die Parteien Geldbußen und Zwangsgelder gemäß Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe a) und Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe a) der Fusionskontrollverordnung festsetzen(23).

(175) Somit ist diese Entscheidung davon abhängig zu machen, dass Shell die Zusagen über die Gewährung des Terminal-Zugangs für Dritte, wie in den Absätzen 1 und 3 der Verpflichtungserklärung im Anhang zu dieser Entscheidung vorgesehen, vollständig einhält. Diese Verpflichtungszusagen dienen der Abhilfe gegenüber der gemeinsamen beherrschenden Stellung von Shell/DEA und BP/E.ON auf dem Ethylenmarkt auf dem ARG+ und der Herstellung des Wettbewerbs auf diesem Markt. Die Konditionen für die Nutzung des Terminals gemäß den Absätzen 2 und 4-7 des Anhangs und dem beigefügten Muster für einen Terminal-Nutzungsvertrag ("terminalling agreement") stellen Auflagen für Shell dar, die auf die Umsetzung der strukturellen Marktänderung abzielen.

VIII. SCHLUSSFOLGERUNG

(176) Aus diesen Gründen ist vorbehaltlich der vollständigen Erfuellung der von den Parteien eingegangenen Verpflichtungen festzustellen, dass der geplante Zusammenschluss keine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, mit der wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil davon erheblich behindert würde. Der Zusammenschluss wird somit gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung bzw. Artikel 57 EWRA vorbehaltlich der vollständigen Erfuellung der im Anhang aufgeführten Zusagen für mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Das angemeldete Vorhaben, mit dem Deutsche Shell GmbH die alleinige Kontrolle über die DEA Mineralöl AG im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 b) der Fusionskontrollverordnung erwirbt, wird für mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt.

Artikel 2

Artikel 1 ergeht vorbehaltlich der Erfuellung der Bedingungen gemäß den Absätzen 1 und 3 des Anhangs.

Artikel 3

Artikel 1 ergeht vorbehaltlich der Erfuellung der Auflagen in den Absätzen 2 und 4 bis 7 des Anhangs und des dieser Entscheidung angefügten Mustervertrags über den Zugang zum Seeterminal.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist gerichtet an:

Deutsche Shell GmbH Suhrenkamp 71-77 D - 20355 Hamburg

RWE Aktiengesellschaft Opernplatz 1 D - 45128 Essen.

Brüssel, den 20. Dezember 2001

Für die Kommission

Mario Monti

Mitglied der Kommission

(1) ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1, berichtigte Fassung ABl. L 257 vom 21.9.1990, S. 13.

(2) ABl. L 180 vom 9.7.1997, S. 1.

(3) ABl. C ... vom ...

(4) ABl. C ... vom ...

(5) Dieser Fassung wurden die vertraulichen Angaben entnommen; die geänderten Textstellen sind durch eckige Klammern und einen Stern kenntlich gemacht.

(6) ABl. C 66 vom 2.3.1998, S. 5.

(7) Berechnung des Umsatzes nach Maßgabe von Artikel 5 Absatz 1 der Fusionskontrollverordnung und der Mitteilung der Kommission über die Berechnung des Umsatzes (ABl. C 66 vom 2.3.1998, S. 25). Soweit in den Zahlen der Umsatz vor dem 1. Januar 1999 berücksichtigt wurde, erfolgte die Berechnung anhand der durchschnittlichen Wechselkurse in ECU, die im Verhältnis 1:1 in EUR umgerechnet wurden.

(8) Sachen COMP/M.1628 - Totalfina/Elf, ABl. L 143 vom 29.5.2001, S. 1-73; COMP/M.2345 - BP/Erdölchemie, 26.4.2001; IV/M.361 - Neste/Statoil, 17.2.1994; IV/M.550 - Union Carbide/Enichem, 13.3.1995.

(9) Sachen COMP/M.1628 - Totalfina/Elf, IV/M.361 - Neste/Statoil, IV/M.550 - Union Carbide/Enichem. In der Sache M.2092 Repsol Chimica/Borealis (19.12.2000) ließ die Kommission offen, ob der relevante Markt örtlich beschränkt oder umfassender war, weil es auf der Iberischen Halbinsel keine Ethylen-Leitungen gab. Auch in der Sache COMP/M.2345 - BP/Erdölchemie war der räumliche Umfang des Äthylenmarktes offen gelassen worden.

(10) Sache IV/M.361 - Neste/Statoil vom 17.2.1994.

(11) Obwohl DEA bis Anfang des Jahres 2001 in begrenztem Maße in der nachgeordneten Produktion von Ethylenderivaten tätig war, stand seine gesamte auf dem ARG befindliche Produktion dem Handelsmarkt offen. Die nachgelagerten Tätigkeiten von DEA waren vor allem in Heide/Brunsbüttel ausgelagert und wurden somit nicht über das ARG geleitet.

(12) Sache COMP/M.1751 Shell/BASF/JV - Projekt Nicole vom 29.3.2001.

(13) Z. B. Sache IV/M.1383 - Exxon/Mobil vom 29.9.1999.

(14) Die Rohrleitung gehört gegenwärtig der Ruhr Öl GmbH (ROG), einem 50:50-Gemeinschaftsunternehmen zwischen Veba und dem venezolanischen Ölunternehmen PdVSA. [...]*.

(15) Die übrigen gehören Exxon, FAO (65/35-GU zwischen Atofina and Exxon), BASF und Dow.

(16) Sache COMP/M.1671 - DOW Chemical/Union Carbide, ABl. L 245 vom 14.9.2001, S. 1-25.

(17) Sache COMP/M.2299 - BP Chemicals/Solvay/HDPE JV vom 29.10.2001.

(18) D. h. der veröffentlichte Vertragspreis für das dritte Quartal.

(19) Dritte, [...]* können [...]* gegenüber diesen Tarifen aushandeln. [...]*.

(20) Die Rotterdamer Hafenbehörde baut gegenwärtig eine Rohrleitung von Rotterdam zum ARG auf der Grundlage der Moerdijk-Leitung von Shell; s. dazu den Artikel "Investing in pipelines" in ACN/CMR/ECN, Port of Rotterdam supplement, September 2001, S. 21-22.

(21) Die Unterschiede in Bezug auf Marktteilnehmer und Marktanteile gegenüber den Beschwerdepunkten beruhen auf augenscheinlich unterschiedlichen Auslegungen des Begriffs "TDI-Toluol". Mehrere Unternehmen, die auf diesem Markt angeblich nicht vertreten waren, verkaufen zurzeit, wie eingehendere Untersuchungen ergeben haben, Toluol an TDI-Hersteller für die TDI-Produktion oder haben dies in der Vergangenheit getan und verkaufen noch heute Toluol mit einem TDI-fähigen Reinheitsgrad.

(22) Redestillationsgemeinschaft ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Thyssen KruppStahl, RAG AG, EBV AG, Rüttgers AG, Salzgitter AG und Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH.

(23) Siehe Mitteilung der Kommission über Abhilfen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission (ABl. C 68 vom 2.3.2001, S. 3-11).

ANHANG

Die vollständige Fassung der in Artikel 2 und 3 genannten Bedingungen und Auflagen ist in der rechtsverbindlichen Sprachfassung auf folgender Internetadresse der EU-Kommission erhältlich:

http://europa.eu.int/comm/competition/index_en.html