32000Q1219(01)

Änderungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofes vom 28. November 2000

Amtsblatt Nr. L 322 vom 19/12/2000 S. 0001 - 0003


Änderungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofes

vom 28. November 2000

DER GERICHTSHOF -

aufgrund des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere des Artikels 245 Absatz 3,

aufgrund des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, insbesondere des Artikels 55,

aufgrund des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere des Artikels 160 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Bei bestimmten besonders dringlichen Klagen ist wünschenswert, dass der Gerichtshof rasch endgültig entscheiden kann. Für diese Klagen ist ein beschleunigtes Verfahren vorzusehen.

(2) Zur Verkürzung der Verfahrensdauer bei Direktklagen ist die Frist für den Beitritt als Streithelfer zu verkürzen.

(3) Um die Kommunikation zwischen dem Gerichtshof und den Parteien und anderen Beteiligten den modernen Kommunikationstechniken anzupassen, empfiehlt es sich, die Nutzung der Übermittlung von Dokumenten insbesondere durch Fernkopie zu regeln und damit einhergehend die Vorschriften über die Entfernungsfristen zu ändern.

(4) Aufgrund der Erfahrung ist es angezeigt, die Vorschrift über die Erwiderung und Gegenerwiderung im Rahmen von Rechtsmitteln klarer zu fassen.

mit einstimmiger Genehmigung des Rates, die am 16. November 2000 erteilt worden ist -

ERLÄSST FOLGENDE ÄNDERUNGEN SEINER VERFAHRENSORDNUNG:

Artikel 1

Die am 19. Juni 1991 erlassene Verfahrensordnung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften(1), geändert am 21. Februar 1995(2), am 11. März 1997(3) und am 16. Mai 2000(4), wird wie folgt geändert:

1. Dem Artikel 37 wird folgender Paragraph angefügt:

"6. Unbeschadet der §§ 1 bis 5 ist der Tag, an dem eine Kopie der unterzeichneten Urschrift eines Schriftsatzes einschließlich des in § 4 genannten Urkundenverzeichnisses mittels Fernkopierer oder sonstiger beim Gerichtshof vorhandener technischer Kommunikationsmittel bei der Kanzlei eingeht, für die Wahrung der Verfahrensfristen maßgebend, sofern die unterzeichnete Urschrift des Schriftsatzes und die in § 1 Absatz 2 genannten Anlagen und Abschriften spätestens zehn Tage danach bei der Kanzlei eingereicht werden."

2. In Artikel 38 § 2 wird folgender Absatz 2 eingefügt:"Zusätzlich zu oder statt der in Absatz 1 genannten Zustellungsanschrift kann in der Klageschrift angegeben werden, dass sich der Anwalt oder Bevollmächtigte damit einverstanden erklärt, dass Zustellungen an ihn mittels Fernkopierer oder sonstiger technischer Kommunikationsmittel erfolgen."

Der bisherige Absatz 2 des Paragraphen wird zu Absatz 3.

In Absatz 3 werden die Worte "diesen Voraussetzungen" durch die Worte "den Voraussetzungen der Absätze 1 und 2" ersetzt und nach der Angabe "Artikel 79" die Angabe "§ 1" eingefügt.

3. Artikel 44 erhält folgende Fassung:

"Artikel 44

1. Der Präsident bestimmt den Zeitpunkt, bis zu dem der Berichterstatter einen Vorbericht abzugeben hat, je nach Lage des Falles

a) nach Eingang der Gegenerwiderung;

b) wenn die Erwiderung oder Gegenerwiderung nicht bis zum Ablauf der nach Artikel 41 § 2 festgesetzten Frist eingereicht worden ist;

c) nachdem die betreffende Partei erklärt hat, dass sie auf die Einreichung einer Erwiderung oder Gegenerwiderung verzichtet;

d) bei Durchführung des beschleunigten Verfahrens gemäß Artikel 62a, wenn der Präsident den Termin für die mündliche Verhandlung bestimmt.

2. Der Vorbericht enthält Vorschläge zu der Frage, ob Beweiserhebungen oder andere vorbereitende Maßnahmen erforderlich sind, sowie zur etwaigen Verweisung der Rechtssache an eine Kammer. Der Vorbericht enthält ferner den Vorschlag des Berichterstatters zu der Frage, ob die mündliche Verhandlung gemäß Artikel 44a entfallen kann.

Der Gerichtshof entscheidet über die Vorschläge des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts.

3. Ordnet der Gerichtshof eine Beweisaufnahme an, die nicht vor ihm selbst stattfinden soll, so beauftragt er die Kammer mit ihrer Durchführung.

Beschließt der Gerichtshof, von einer Beweisaufnahme abzusehen, so bestimmt der Präsident den Termin für die Eröffnung der mündlichen Verhandlung."

4. Nach Artikel 62 wird folgendes Kapitel eingefügt:

"KAPITEL 3a

BESCHLEUNIGTE VERFAHREN

Artikel 62a

1. Auf Antrag des Klägers oder des Beklagten kann der Präsident auf Vorschlag des Berichterstatters nach Anhörung der anderen Partei und des Generalanwalts ausnahmsweise beschließen, eine Rechtssache einem beschleunigten Verfahren unter Abweichung von den Bestimmungen dieser Verfahrensordnung zu unterwerfen, wenn die besondere Dringlichkeit der Rechtssache es erforderlich macht, dass der Gerichtshof innerhalb kürzester Zeit entscheidet.

Der Antrag, eine Rechtssache dem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, ist mit besonderem Schriftsatz gleichzeitig mit der Klageschrift oder der Klagebeantwortung einzureichen.

2. Wird ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt, so können die Klageschrift und die Klagebeantwortung nur dann durch eine Erwiderung und eine Gegenerwiderung ergänzt werden, wenn der Präsident dies für erforderlich hält.

Streithelfer können einen Streithilfeschriftsatz nur einreichen, wenn der Präsident dies für erforderlich hält.

3. Unmittelbar nach Eingang der Klagebeantwortung oder, wenn erst nach Eingang dieses Schriftsatzes beschlossen wird, die Rechtssache einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, unmittelbar nach diesem Beschluss bestimmt der Präsident den Termin für die mündliche Verhandlung, der sofort den Parteien mitgeteilt wird. Er kann den Termin für die mündliche Verhandlung verschieben, wenn die Durchführung von Beweiserhebungen oder sonstigen vorbereitenden Maßnahmen dies verlangt.

Unbeschadet des Artikels 42 können die Parteien in der mündlichen Verhandlung ihr Vorbringen ergänzen und Beweismittel benennen. Sie haben die verspätete Benennung ihrer Beweismittel zu begründen.

4. Der Gerichtshof entscheidet nach Anhörung des Generalanwalts."

5. In Artikel 79 werden die bisherigen Absätze 1 und 2 zu § 1, und es wird folgender Paragraph angefügt:

"2. Hat sich der Empfänger gemäß Artikel 38 § 2 Absatz 2 damit einverstanden erklärt, dass Zustellungen an ihn mittels Fernkopierer oder sonstiger technischer Kommunikationsmittel erfolgen, so kann jedes Schriftstück mit Ausnahme der Urteile und Beschlüsse des Gerichtshofes durch Übermittlung einer Kopie auf diesem Wege zugestellt werden.

Ist eine solche Übermittlung aus technischen Gründen oder wegen der Art oder des Umfangs des Schriftstücks nicht möglich, so wird dieses dem Empfänger, wenn dieser keine Zustellungsanschrift angegeben hat, gemäß dem Verfahren des § 1 zugestellt. Der Empfänger wird davon mittels Fernkopierer oder sonstiger technischer Kommunikationsmittel benachrichtigt. Ein Einschreiben gilt am zehnten Tag nach der Aufgabe zur Post am Ort des Gerichtssitzes als dem Empfänger zugestellt, sofern nicht durch den Rückschein nachgewiesen wird, dass der Zugang zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt ist, oder der Empfänger dem Kanzler binnen drei Wochen nach der Benachrichtigung mittels Fernkopierer oder sonstiger technischer Kommunikationsmittel mitteilt, dass ihm das Einschreiben nicht zugegangen ist."

6. Artikel 81 § 2 erhält folgende Fassung:

"2. Die Verfahrensfristen werden um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert."

7. Artikel 93 wird wie folgt geändert:

a) In § 1 Absatz 1 werden die Worte "drei Monaten" durch die Worte "sechs Wochen" ersetzt.

b) Folgender Paragraph wird angefügt:

"7. Ein Antrag auf Zulassung als Streithelfer, der nach Ablauf der in § 1 bezeichneten Frist, aber vor dem in Artikel 44 § 3 vorgesehenen Beschluss zur Eröffnung der mündlichen Verhandlung gestellt wird, kann berücksichtigt werden. In diesem Fall kann der Streithelfer, wenn der Präsident dem Antrag stattgibt, auf der Grundlage des ihm übermittelten Sitzungsberichts in der mündlichen Verhandlung Stellung nehmen, wenn eine solche stattfindet."

8. Artikel 115 § 2 Absatz 2 erhält folgende Fassung:"'Die Artikel 37 und 38 §§ 2 und 3 finden entsprechende Anwendung.'"

9. Artikel 117 wird wie folgt geändert:

a) § 1 erhält folgende Fassung:

"1. Rechtsmittelschrift und Rechtsmittelbeantwortung können durch eine Erwiderung und eine Gegenerwiderung ergänzt werden, wenn der Präsident dies auf einen dahin gehenden Antrag des Rechtsmittelführers, der binnen sieben Tagen nach Zustellung der Rechtsmittelbeantwortung gestellt wird, für erforderlich hält und ausdrücklich die Einreichung einer Erwiderung gestattet, um dem Rechtsmittelführer zu ermöglichen, seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen, oder um die Entscheidung über das Rechtsmittel vorzubereiten. Der Präsident bestimmt die Frist für die Einreichung der Erwiderung und bei der Zustellung dieses Schriftsatzes die Frist für die Einreichung der Gegenerwiderung."

b) § 3 wird aufgehoben.

10. Artikel 121 erhält folgende Fassung:

"Artikel 121

Der Bericht gemäß Artikel 44 § 2 ist dem Gerichtshof nach Einreichung der in Artikel 115 § 1 und gegebenenfalls der in Artikel 117 §§ 1 und 2 bezeichneten Schriftsätze vorzulegen. Werden die vorgenannten Schriftsätze nicht eingereicht, so findet nach Ablauf der für ihre Einreichung vorgesehenen Frist das gleiche Verfahren Anwendung."

Artikel 2

Diese Änderungen der Verfahrensordnung sind in den in Artikel 29 § 1 der Verfahrensordnung genannten Sprachen verbindlich und werden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Sie treten am ersten Tag des zweiten Monats nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Geschehen zu Luxemburg am 28. November 2000.

(1) ABl. L 176 vom 4.7.1991, S. 7, und Berichtigung im ABl. L 383 vom 29.12.1992, S. 117.

(2) ABl. L 44 vom 28.2.1995, S. 61.

(3) ABl. L 103 vom 19.4.1997, S. 1, und Berichtigung im ABl. L 351 vom 23.12.1997, S. 72.

(4) ABl. L 122 vom 24.5.2000, S. 43.