31983D0668

83/668/EWG: Entscheidung der Kommission vom 5. Dezember 1983 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG- Vertrag (IV/29.329 - VW-MAN) (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 376 vom 31/12/1983 S. 0011 - 0016


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 5. Dezember 1983

betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag

(IV/29.329 - VW-MAN)

(Nur der deutsche Text ist verbindlich)

(83/668/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPAISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 - Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrags [1] -, zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Griechenlands, insbesondere auf die Artikel 4, 6 und 8,

gestützt auf die Anmeldungen, die die Volkswagenwerk Aktiengesellschaft in Wolfsburg und die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg Aktiengesellschaft in München am 4. November 1976 und am 5. September 1977 gemeinsam an die Kommission richteten und die sich auf eine Zusammenarbeit im Bereich der Nutzfahrzeuge beziehen,

gestützt auf den Beschluß der Kommission vom 10. Dezember 1982, das Verfahren einzuleiten,

nach Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts der Anmeldung [2] gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. SACHVERHALT

(1) Die Volkswagenwerk AG (VW) und die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN) haben am 25. August 1977 einen sich auf Nutzfahrzeuge der Gewichtsklasse 6 bis 9 Tonnen und Komponenten für Nutzfahrzeuge beziehenden Kooperationsvertrag geschlossen und am 5. September 1977 nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 17 bei der Kommission angemeldet. Der am 14. Oktober 1976 geschlossene Vorvertrag zum Kooperationsvertrag war am 4. November 1976 ebenfalls angemeldet worden. Am 29. November 1982 schränkten die Parteien die Kooperation im Bereich des Vertriebs ein und teilten der Kommission die Änderungsvereinbarung am 3. Februar 1983 mit.

Die Anmelder beantragen, Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auf die angemeldeten Verträge nach Absatz 3 dieser Vorschrift für nicht anwendbar zu erklären.

(2) Mit der Kooperation in dem ab 29. November 1982 vereinbarten Umfang streben VW und MAN an, ihr jeweiliges Verkaufsprogramm um Nutzfahrzeuge der Gewichtsklasse 6 bis 9 Tonnen zu ergänzen. VW lag mit ihrem Nutzfahrzeugprogramm (Transporter, LT-Reihe) bisher unter dieser Gewichtsklasse, MAN mit ihrem Nutzfahrzeugprogramm (10 bis 40 t) darüber.

Durch den Kooperationsvertrag verpflichten sich die Partner,

- eine Nutzfahrzeugreihe mit zulässigem Gesamtgewicht von 6 bis 9 Tonnen (Gemeinschaftsreihe) zu entwickeln, zu fertigen, zu vertreiben und sich dabei zu spezialisieren sowie

- sich gegenseitig mit Baugruppen, Aggregaten und Teilen zur Verwendung in den jeweils eigenen Nutzfahrzeugreihen zu beliefern.

(3) Arbeitsteilige Entwicklung, Fertigung und Vertrieb der Gemeinschaftsreihe beziehen sich auf Lastkraftwagen (LKW) in Frontlenker-Bauweise in den Gewichtsklassen

- 6/6,5 Tonnen mit 4-Zylinder-MAN-Die-selmotor,

- 7,5/8 Tonnen mit 4-Zylinder-MAN-Die-selmotor,

- 7,5/8 Tonnen mit 6-Zylinder-MAN-Die-selmotor,

- 9 Tonnen mit 6-Zylinder-MAN-Diesel-motor.

Jeder Vertragspartner verpflichtet sich, den anderen Partner aus eigener Produktion mit Baugruppen, Aggregaten und Teilen für die Fertigung der Gemeinschaftsreihe und den dazu gehörenden Ersatzteilbedarf zu beliefern sowie dritte Hersteller im Falle der Gewährung von Nachbaurechten mit den genannten Erzeugnissen zu beliefern (siehe Ziffer 10).

(4) Außerdem verpflichtet sich jeder Vertragspartner, den anderen Partner aus eigener Produktion mit Baugruppen, Aggregaten und Teilen der Gemeinschaftsreihe zur Verwendung für die eigenen Nutzfahrzeugreihen und für den Ersatzteilbedarf zu beliefern sowie dritte Hersteller im Falle der Gewährung von Nachbaurechten mit den genannten Erzeugnissen zu beliefern (siehe Ziffer 10).

(5) Für die Entwicklung der Gemeinschaftsreihe ist folgende Arbeitsteilung der Vertragspartner vorgesehen:

- VW entwickelt Fahrerhaus, Kupplung, Getriebe, Hinterachse, Kardanwellen, Elektrik und Pritschen in Standardausführung;

- MAN entwickelt Motor, Vorderachse, Rahmen, Bremsen, Räder und Bereifung sowie Pritschen in Sonderausführung und für Kipper.

(6) Die Endmontage erfolgt durch beide Vertragspartner in eigenen Werken, wobei sie sich gegenseitig mit den Baugruppen, Aggregaten und Teilen beliefern, für deren Produktion und Beschaffung sie zuständig sind. Bei der Produktion der Gemeinschaftsreihe dürfen keine anderen Baugruppen, Aggregate und Teile verwendet werden als diejenigen, die der jeweils zuständige Partner produziert oder beschafft hat.

(7) Die Fahrzeuge der Gemeinschaftsreihe tragen die beiden Marken "VW" und "MAN".

(8) Den Vertrieb besorgt MAN in eigener Verantwortung und unter der Aufsicht eines von VW und MAN gebildeten gemeinsamen Kooperationskomitees. In Deutschland ist fast ausschließlich die MAN-Vertriebsorganisation mit dem Vertrieb der Gemeinschaftsreihe betraut.

(9) Im Ausland wird der Vertrieb der Gemeinschaftsreihe von Importeuren abgewickelt, die MAN für ihr Nutzfahrzeugprogramm einsetzt. Darüber hinaus ist VW berechtigt, den Importeuren auch den Vertrieb ihrer eigenen Nutzfahrzeugreihen zu übertragen. Diese Importeure tragen in der Regel den Namen "VW-MAN Truck and Bus" oder ein Äquivalent in der jeweiligen Landessprache. VW ist am Kapital dieser Importeurgesellschaften mit geringen Anteilen (weniger als 15 %) beteiligt. Die übrigen Anteile liegen in der Hand von MAN sowie weiteren Personen und Gesellschaften, darunter VW- und MAN-Importeuren.

(10) Jeder Vertragspartner verpflichtet sich, unmittelbar oder mittelbar jeden Wettbewerb gegenüber den Fahrzeugen der Gemeinschaftsreihe mit Nutzfahrzeugen der Gewichtsklasse von 6 Tonnen bis 9 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht zu unterlassen. Außerdem sind die Partner nicht frei, die im Rahmen des Gemeinschaftsprogramms anfallenden Entwicklungsergebnisse in Form von gewerblichen Schutzrechten, Nachbaurechten und Know-how außerhalb der Kooperation zu verwerten. Denn die Lizenzierung dieser Rechte und die Übertragung des Know-how auf Dritte sind nur mit Zustimmung des anderen Partners möglich, wenn der Dritte diese Rechte und das Know-how für Fahrzeuge im Bereich der Gewichtsklasse der Gemeinschaftsreihe verwendet. Dies gilt unabhängig davon, ob die Schutzrechte schon vor Beginn der Kooperation bestanden oder erst später - sei es einzeln oder gemeinsam - erworben wurden.

(11) Für Streitigkeiten aus den Verträgen besteht eine Schiedsgerichtsvereinbarung mit der Möglichkeit, den ordentlichen Rechtsweg zu beschreiten. Der Kooperationsvertrag ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann mit einer Frist von 36 Monaten zu jedem Jahresende gekündigt werden, erstmals zum 31. Dezember 1987.

(12) Im Jahr 1981 erreichten die Vertragspartner im Gemeinsamen Markt folgende geschätzte Marktanteile, bezogen auf Neuzulassungen:

VW LT-Reihe: 10,8%

VW-MAN Gemeinschaftsreihe: 4,5%

MAN-LKW: 10,5 %.

Die wichtigsten Wettbewerber der Vertragspartner sind die Unternehmen Daimler Benz, Ford, IVECO und Renault VI. Deren Marktanteile im Gemeinsamen Markt liegen jeweils über denen von Volkswagen und MAN.

Die Marktverhältnisse sind durch außerordentlich hohe Marktanteile einiger Hersteller in ihren Heimatmärkten gekennzeichnet. So erreichte beispielsweise IVECO in Italien 1981 einen Marktanteil von 77,5% (LKW ab 3,5 t), Daimler Benz in Deutschland 71,2% (LKW von 6 bis unter 8 t), Renault in Frankreich 45 % (LKW über 5 t) und Ford in Großbritannien über 35 % (LKW von 3,5 bis 7,5 t). Im Vergleich dazu lagen die Marktanteile von VW und MAN in Deutschland erheblich niedriger. Bezogen auf Neuzulassungen betrugen sie im Jahr 1981:

VW LT-Reihe: 19,1%

VW-MAN Gemeinschaftsreihe: 8,4 %

MAN-LKW: 23,1 %.

(13) Der Kommission sind im Anschluß an die Bekanntmachung der Anmeldung nach Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 keine Bemerkungen Dritter zugegangen.

(14) Die ebenfalls angemeldeten Musterverträge, nach denen mit Importeuren, Händlern und Werkstätten Vereinbarungen geschlossen werden, welche den Vertrieb von Nutzfahrzeugen der Gemeinschaftsreihe von VW und MAN sowie den Kundendienst für sie betreffen, sind nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

(15) Die Anmelder haben erklärt, daß sie gegenwärtig auf eine förmliche Entscheidung der Kommission nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages für den Zeitraum von der ersten Anmeldung am 4. November 1976 bis zum 3. Februar 1983 verzichten.

II. RECHTLICHE BEURTEILUNG

(16) Die Vereinbarungen der Vertragspartner bezwecken oder bewirken zwar eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes und sind geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen; das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 kann jedoch im vorliegenden Fall gemäß Artikel 85 Absatz 3 für nicht anwendbar erklärt werden.

(17) Die Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 ergibt sich aus dem im Kooperationsvertrag enthaltenen Wettbewerbsverbot, dem zufolge keiner der Partner selbständig Nutzfahrzeuge in der Gewichtsklasse 6 bis 9 Tonnen entwickeln oder produzieren darf. Da beide Partner bereits vor Beginn der Kooperation Nutzfahrzeughersteller waren (VW in der Klasse bis 5 Tonnen, MAN in der Klasse ab 10 Tonnen aufwärts), bestand beiderseits die Möglichkeit, in die Klasse von 6 bis 9 Tonnen zu expandieren.

(18) Die arbeitsteilige Entwicklung und Herstellung der Bauteile bezweckt und bewirkt eine Spezialisierung der Partner. Diese kann sich über die Gemeinschaftsreihe hinaus auch auf die eigenen Nutzfahrzeugreihen der Partner auswirken und zu einer graduellen Angleichung dieser Nutzfahrzeugreihen führen. Es wird in der Regel kostengünstiger sein, standardisierte Bauteile der Gemeinschaftsreihe zu verwenden, als eigenständige Entwicklungen durchzuführen (siehe Ziffer 4). Der Innovationswettbewerb zwischen VW und MAN wird dadurch beschränkt. Die Wahlmöglichkeiten für den Verbraucher zwischen Fahrzeugen mit unterschiedlichen technischen Merkmalen werden verringert.

(19) Das Verbot, bei der Produktion der Gemeinschaftsreihe andere Baugruppen, Aggregate und Teile zu verwenden als diejenigen, die der jeweils zuständige Partner produziert oder beschafft hat, beschränkt die Möglichkeit dritter Unternehmer, derartige Teile zu liefern. Damit wird der Nachfragewettbewerb zu Lasten der Zulieferer eingeschränkt.

(20) Der gemeinsame Vertrieb der Gemeinschaftsreihe bringt eine Einschränkung des Wettbewerbs auf der Absatzstufe mit sich. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Gemeinschaftsreihe gemeinsam mit der eigenen Nutzfahrzeugreihe von MAN vertrieben. Dies ist auch im Ausland der Fall, doch kommt dort hinzu, daß VW berechtigt ist, den Importeuren auch den Vertrieb ihrer eigenen Nutzfahrzeugreihen zu übertragen. Der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Nutzfahrzeugreihen der Vertragspartner wird dadurch beschränkt.

(21) Auf der Händler- und Kundendienststufe sind wettbewerbseinschränkende Wirkungen geringeren Ausmaßes festzustellen. In der Bundesrepublik Deutschland vertreiben nur wenige Händler und Werkstätten des VW-Netzes neben den VW-Nutzfahrzeugen bis zu 6 Tonnen auch die Gemeinschaftsreihe. Im Ausland, insbesondere in Ländern, in denen die Kooperationspartner im Nutzfahrzeugbereich bisher nur Marktstellungen von geringer Bedeutung erlangt haben, bieten häufiger dieselben Händler und Werkstätten neben dem Gemeinschaftsprogramm nicht nur Nutzfahrzeuge von MAN, sondern auch von VW an.

(22) Eine weitere Wettbewerbseinschränkung ergibt sich aus den Beschränkungen, denen die Partner hinsichtlich der gewerblichen Schutzrechte, der Nachbaurechte und des Know-how unterliegen (siehe Ziffer 10). Diese die Verwertungsmöglichkeiten einschränkenden Bestimmungen sind jedoch auf die Laufzeit des Vertrages begrenzt. Nach Vertragsbeendigung können Erfindungen und Schutzrechte des einen Partners vom anderen Partner gegen eine angemessene Lizenzgebühr weiterbenutzt werden. Außerdem kann jeder Partner bezüglich der vom anderen Partner entwickelten und/oder produzierten Baugruppen, Aggregate und Teile die Einräumung von nicht ausschließlichen Nachbaurechten zu angemessenen Bedingungen verlangen.

(23) Die Vereinbarungen zwischen VW und MAN sind geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, denn beide Unternehmen sind im gesamten Gemeinsamen Markt tätig. Durch die Kooperation wird die Position von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten verändert. Dies gilt sowohl für andere Anbieter von Nutzfahrzeugen - auf dem deutschen Markt ebenso wie in ihren Heimatländern - als auch bezüglich der Zulieferer, die Aggregate und Teile anbieten oder nachfragen. Die Warenströme zwischen den Mitgliedstaaten werden sich daher anders entwickeln als ohne diese Kooperation.

(24) Die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 sind jedoch aus mehreren Gründen erfüllt.

(25) Die Kooperation trägt zur Verbesserung der Warenerzeugung bei. Die Partner bringen ein neues Produkt auf den Markt, das sie unter weitgehender Spezialisierung beim Bau von Komponenten herstellen und das in Konkurrenz zu den Nutzfahrzeugen anderer Hersteller tritt.

(26) Da einer der Partner ohne Zustimmung des anderen außerhalb der Kooperationsvereinbarung keine anderen Fahrzeuge der gleichen Gewichtsklasse entwickeln oder produzieren darf und bei der Produktion der Gemeinschaftsreihe keine anderen Baugruppen, Aggregate und Teile als diejenigen, die der jeweils zuständige Partner produziert oder beschafft hat, verwenden darf (Ziffern 17 bis 19), kommt es zu erhöhter Serienfertigung und damit zu einer Produktivitätssteigerung bei jedem Partner. Dies gilt umso mehr, als die Baugruppen, Aggregate und Teile über die Gemeinschaftsreihe hinaus nach dem Baukastenprinzip auch in den eigenen Nutzfahrzeugreihen Verwendung finden.

(27) Die gemeinsame Entwicklung des Fahrzeugs und die arbeitsteilige Entwicklung der Bauteile (Ziffer 18) verringern die Entwicklungskosten und erleichtern den Marktzutritt der Partner in der Gewichtsklasse der Gemeinschaftsreihe.

(28) Der Vertrieb der Gemeinschaftsreihe gemeinsam mit der Nutzfahrzeugreihe von MAN (Ziffern 20 und 21) führt auch zu Verbesserungen der Warenverteilung im Sinne des Artikels 85 Absatz 3 des Vertrages, weil MAN über ein geeignetes Vertriebsnetz verfügt, während der überwiegende Teil des VW-Vertriebsnetzes zur Wartung von Lastkraftwagen technisch nicht in der Lage ist. Der Aufbau eines eigenständigen Vertriebsnetzes für die Gemeinschaftsreihe wäre angesichts der relativ geringen Stückzahlen nicht rentabel.

(29) Zwar bringt die Kooperation eine Einschränkung des Wettbewerbs zwischen VW und MAN mit sich, die von einigem Gewicht ist; sie erstreckt sich nämlich nicht nur auf Bauteile, sondern auch auf das Endprodukt und den Vertrieb. Dem stehen jedoch erhebliche Vorteile gegenüber, die die Nachteile der Wettbewerbsbeschränkungen zwischen VW und MAN überwiegen. Die Kooperation schränkt zum überwiegenden Teil lediglich potentiellen Wettbewerb ein. Aktueller Wettbewerb bestand vor Beginn der Kooperation zwischen VW und MAN nur in geringem Maße, denn die eigenen Nutzfahrzeugreihen der Partner waren und sind kaum untereinander substituierbar.

(30) Die Kooperation bezieht sich nicht auf Fahrzeuge, die bei einem Partner bereits vorhanden sind, sondern führt zur Markteinführung neuer Fahrzeuge und zur Erweiterung der Produktpalette der Partner. Dadurch sind die Partner in der Lage, ein vollständiges Programm an Nutzfahrzeugen anzubieten. Dies ist erforderlich, um mit den großen Nutzfahrzeugherstellern in Wettbewerb zu treten, die bereits seit Jahren ein vollständiges Programm an Nutzfahrzeugen anbieten und in Teilbereichen des Gemeinsamen Marktes eine überragende Marktstellung haben (siehe Ziffer 12). Durch die Zusammenarbeit zwischen VW und MAN im Bereich der Gemeinschaftsreihe wird die Angebotsstruktur verbessert und der Wettbewerb verstärkt.

Die wettbewerbsbeschränkenden Bestimmungen des Kooperationsvertrags (siehe Ziffern 17 bis 22) sind für die Verwirklichung der Kooperation auch unerläßlich. Das gilt für das Konkurrenzverbot und das Verwendungsgebot (Ziffern 17 bis 19, 22 und 26), weil anzunehmen ist, daß die Partner anderenfalls ihre Bemühungen bei Entwicklung und Herstellung nicht in gleicher Weise auf das Gemeinschaftsprogramm konzentrieren würden. Unerläßlich ist auch die Anlehnung des Vertriebs der Gemeinschaftsreihe an den Vertrieb der MAN-Produkte (Ziffern 20, 21 und 28), weil sowohl die Errichtung eines selbständigen Vertriebs- und Servicenetzes für einen schmalen Programmausschnitt von 6 bis 9 Tonnen als auch das parallele Angebot der Gemeinschaftsreihe über das VW-Netz einerseits und das MAN-Netz andererseits unwirtschaftlich bzw. technisch nicht möglich wäre.

(32) Die Beschränkungen auf dem Gebiet der gewerblichen Schutzrechte, Nachbaurechte und des Know-how (Ziffer 22) zielen darauf ab, die Ergebnisse der Entwicklungsarbeiten in erster Linie auf die Kooperation zu konzentrieren und Dritte, die in der Gewichtsklasse 6 bis 9 Tonnen aktiv sind, davon auszuschließen. Dieses Vorgehen ist unerläßlich, um den Erfolg der Fahrzeuge der Gemeinschaftsreihe im Wettbewerb mit Fahrzeugen anderer Hersteller zu gewährleisten. Die Beschränkungen verhindern, daß etwaige Vorteile, die die Partner aufgrund neuer technischer Lösungen bei der Entwicklung oder Produktion der Gemeinschaftsreihe gegenüber Konkurrenzfahrzeugen erzielen, einseitig von einem der Partner verwässert und damit beseitigt werden.

(33) Diese Beschränkungen gehen nicht über das Erforderliche hinaus, da jeder Partner frei ist, Nachbaurechte und Lizenzen für Teile, die er selbst entwickelt bzw. produziert hat, an dritte Hersteller zu vergeben, sofern diese die Nachbaurechte und Lizenzen für eine Produktion außerhalb der Gewichtsklasse der Gemeinschaftsreihe verwenden. Außerdem ist gewährleistet, daß die Partner nach Vertragsablauf die erworbenen technischen Kenntnisse uneingeschränkt weiterbenutzen können, da die bestehenden Benutzungsrechte zeitlich unbegrenzt sind, die Einräumung von Nachbaurechten verlangt werden kann und die Vereinbarung angemessener Lizenzgebühren und Bedingungen für den Nachbau vorgesehen ist.

(34) Es ist zu erwarten, daß die Verbraucher angemessen an dem entstehenden Gewinn beteiligt werden, da der intensivierte Wettbewerbsdruck für eine teilweise Weitergabe entstehender Gewinne an die Verbraucher sorgen wird.

(35) Die Kooperation ermöglicht es den Partnern nicht, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. Sie führt vielmehr zum Marktzutritt eines weiteren Anbieters in der Gewichtsklasse 6 bis 9 Tonnen. Angesichts der starken Marktstellung der anderen großen Nutzfahrzeughersteller (siehe Ziffer 12) ist nicht damit zu rechnen, daß VW und MAN in absehbarer Zeit so hohe Marktanteile erreichen, daß eine Ausschaltung des Wettbewerbs für einen Teil der Waren möglich wäre.

(36) Die Freistellung der zwischen VW und MAN vereinbarten Kooperation von der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 erfolgt gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 mit Wirkung ab 3. Februar 1983, dem Datum, an dem die Vertragspartner der Kommission die Änderungsvereinbarung mitgeteilt haben, mit der sie die ursprünglich vereinbarte, weitergehende Kooperation aufgegeben haben (siehe Ziffern 1 und 15).

(37) Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 wird die Freistellungserklärung wegen der Besonderheit des Falles für 15 Jahre gewährt, d. h. bis zum 31. Dezember 1998. Die für die Entwicklung eines Fahrzeugmodells erforderliche Zeit und die Zeit, während derer ein Fahrzeugmodell produziert und vertrieben wird (Abstand zwischen Modelländerungen), sind bei Lastkraftwagen besonders lang. Die erheblichen Investitionen der Partner in Entwicklung und Produktion der Gemeinschaftsreihe erfordern daher einen langen Zeitraum, um sich rentieren zu können. Gleiches gilt für die Durchsetzung des neuen Produkts am Markt gegenüber den großen Nutzfahrzeugherstellern. Während dieser Zeit müssen die Partner mit der Wirksamkeit und dem Fortbestand des Kooperationsvertrags rechnen können. Ein Zeitraum von 15 Jahren erscheint daher angemessen.

(38) Damit die Kommission sich vergewissern kann, daß die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 während des Freistellungszeitraums weiterhin erfüllt sind, muß es den Vertragspartnern zur Auflage gemacht werden, die Kommission von jeder wesentlichen Änderung der angemeldeten Vereinbarung sowie jeder Erweiterung ihrer Zusammenarbeit zu unterrichten (Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17). Eine solche Erweiterung liegt insbesondere auch dann vor, wenn VW diejenigen Importeure im Gemeinsamen Markt, die die Gemeinschaftsreihe oder die MAN-Nutzfahrzeugreihe vertreiben, mit dem Absatz von VW-Nutzfahrzeugen betraut -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

(1) Gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft werden die Bestimmungen von Artikel 85 Absatz 1 auf den Kooperationsvertrag vom 25. August 1977 zwischen der Volkswagenwerk AG und der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG in der durch die Vereinbarung vom 29. November 1982 geänderten Form für nicht anwendbar erklärt.

(2) Die Freistellung gemäß Absatz 1 erfolgt für die Zeit vom 3. Februar 1983 bis 31. Dezember 1998.

Artikel 2

Die Unternehmen, an welche diese Entscheidung gerichtet ist, unterrichten die Kommission unverzüglich, falls

1. die angemeldeten Vereinbarungen wesentlich geändert oder ergänzt werden oder

2. die Volkswagenwerk AG Importeure im Gemeinsamen Markt, die Nutzfahrzeuge der Gemeinschaftsreihe oder der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG vertreiben, mit dem Absatz von VW-Nutzfahrzeugen betraut.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an folgende Unternehmen gerichtet:

1. Volkswagenwerk Aktiengesellschaft, Postfach, D-3180 Wolfsburg 1;

2. Maschinenfabrik Augsburg:Nürnberg Aktiengesellschaft, Postfach 500620, D-8000 München 50.

Brüssel, den 5. Dezember 1983

Für die Kommission

Frans ANDRIESSEN

Mitglied der Kommission

[1] ABl. Nr. 13 vom 21. 2. 1962, S. 204/62.

[2] ABl. Nr. C 337 vom 23. 12. 1982, S. 3.

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