Straßburg, den 5.7.2016

JOIN(2016) 31 final

GEMEINSAME MITTEILUNG AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Elemente eines EU-weiten Strategierahmens zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors

{SWD(2016) 221 final}


1.    Begründung und Geltungsbereich

Die Reform des Sicherheitssektors (SSR) bedeutet den Umbau des Sicherheitssystems eines Landes 1 , so dass es dem Einzelnen und dem Staat eine wirksamere und mit mehr Rechenschaft verbundene Sicherheit bietet – unter Achtung der Menschenrechte, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundsätze der verantwortungsvollen Regierungsführung. Die Reform des Sicherheitssektors ist ein langfristiger politischer Prozess, da sie den Kern des Machtgefüges in einem Land betrifft. Sie muss von nationaler Seite gesteuert werden und erfordert politisches Engagement und politische Führung, interinstitutionelle Zusammenarbeit und eine umfassende Beteiligung aller Interessenträger mit dem Ziel, einen größtmöglichen Konsens zu erreichen.

Konflikte, Unsicherheit und Instabilität sind weit verbreitet, auch in Ländern, die unmittelbar an die EU angrenzen 2 . Sie führen zu menschlichem Leid, Flucht und negativen Folgen für die Entwicklung 3 , wie in der Entwicklungspolitik der EU 4 , den Arbeiten in den Bereichen Sicherheit und Entwicklung im Allgemeinen und in der Resolution der Vereinten Nationen „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, einschließlich des Ziels 16 5 und der zugehörigen sicherheitsbezogenen Vorgaben anerkannt.

Unsicherheit und Instabilität werden häufig dadurch verursacht oder verstärkt, dass keine wirksamen und an Rechenschaft gebundenen Sicherheitssysteme vorhanden sind. Die Unterstützung der Partnerländer bei der Reform ihrer Sicherheitssysteme leistet einen Beitrag zu den EU-Zielen Frieden und Stabilität, inklusive und nachhaltige Entwicklung, Staatsbildung und Demokratie sowie Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der Grundsätze des Völkerrechts 6 . In der Europäischen Sicherheitsagenda 7 aus dem Jahr 2015, in der auf die enge Verbindung zwischen der inneren und der äußeren Sicherheit der EU hingewiesen wird, wird anerkannt, dass sich Konflikte und Unsicherheit in den Partnerländern, die mitunter mit gewaltsamen Extremismus verbunden sind, auch auf die innere Sicherheit der EU und ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie auf die Handels- und Investitionsinteressen der EU im Ausland auswirken.

Das Engagement der EU für Reformen des Sicherheitssektors wird in dem dieser Gemeinsamen Mitteilung beigefügten gemeinsamen Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen 8 bewertet, in dem die Ergebnisse verschiedener Evaluierungen, Berichte über gewonnene Erkenntnisse, Studien und Konsultationen mit Interessenträgern aus den letzten 15 Jahren zusammengefasst werden. Fazit der Bewertung ist, dass noch Raum für Verbesserungen der Kohärenz, Komplementarität und Koordinierung der Kapazitäten und Instrumente der EU besteht. Ferner wird darin betont, dass tiefgreifende Reformen des Sicherheitssektors komplex sind und langfristiges Engagement erfordern, ohne jedoch kurzfristige Initiativen auszuschließen, die notwendig sein können, um auf unmittelbare Sicherheitsbedrohungen einzugehen.

Die diplomatischen und finanziellen, militärischen und zivilen kurz- und langfristigen Maßnahmen der EU sollten stärker in einem einzigen EU-weiten Rahmen zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors verankert werden, der den Zusammenhängen zwischen Politik, Sicherheit, Justiz, humanitärer Hilfe 9 , Entwicklung, Konflikten und fragilen Situationen Rechnung trägt. Vor allem in fragilen Ländern, Entwicklungs- und Schwellenländern erfordert die Reform des Sicherheitssektors eine politische, finanzielle und technische Unterstützung seitens der internationalen Partner. Dank des großen Spektrums und der globalen Reichweite ihrer außenpolitischen Konzepte und Instrumente und ihrer langjährigen Präsenz und Erfahrung ist die EU in einer guten Position, um die Partnerländer – in Abstimmung mit anderen internationalen Akteuren einschließlich der Vereinten Nationen – in dieser Hinsicht zu unterstützen.

Diese Gemeinsame Mitteilung 10 enthält Elemente für einen solchen Rahmen, wie sie in den Schlussfolgerungen des Rates vom Mai 2015 11 dargelegt wurden, auch als Orientierungshilfe für die Arbeit der EU im Bereich Kapazitätsaufbau für Sicherheit und Entwicklung 12 . Sie greift das Gesamtkonzept für externe Konflikte und Krisen 13 auf, indem sie die Instrumente der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), alle anderen relevanten Instrumente der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die Instrumente des auswärtigen Handelns und die Akteure des Bereichs Freiheit, Sicherheit und Justiz zusammenführt und so zwei zuvor getrennte politische Konzepte der EU für die Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors 14 miteinander verschmilzt. Sie wird zur Wirksamkeit der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik 15 und der Europäischen Sicherheitsagenda 16 beitragen. Sie berücksichtigt auch die Entscheidungen 17 des OECD-Entwicklungsausschusses (DAC) und gegebenenfalls seine Richtlinien für den Bereich Frieden und Sicherheit.

Dieser Rahmen

gilt für alle EU-Akteure und -Instrumente: Dazu zählen die politischen und diplomatischen Instrumente, die Instrumente des auswärtigen Handelns sowie die Akteure der Krisenbewältigung 18 und die zivilen und militärischen Akteure der GSVP auf allen Ebenen. Die EU-Mitgliedstaaten werden ermutigt, ihre bilateralen Programme für die Reform des Sicherheitssektors in diesen Rahmen einzupassen, u. a. durch eine gemeinsame Programmplanung im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Rates zur Verstärkung der gemeinsamen Programmplanung 19 ;

dient als Grundlage für die Festlegung, Planung und/oder Umsetzung/Durchführung aller SSR-bezogenen Instrumente/ Programme/Projekte im Rahmen des auswärtigen Handelns der EU, einschließlich der GSVP-Instrumente, für die ein spezifisches Mandat oder ein Teilmandat für SSR-bezogene Maßnahmen existiert. Auch wenn der Schwerpunkt dieser Gemeinsamen Mitteilung auf der EU-Unterstützung für den Sicherheitssektor in Drittländern liegt, wird darin auch die Wechselbeziehung zwischen Sicherheit und Justiz in anerkannt. Die hier dargelegten Grundsätze können daher auch auf Akteure des Justizsektors angewandt werden, sofern ihre Aufgaben und Funktionen eindeutig Auswirkungen auf den Sicherheitssektor haben;

gilt in allen Zusammenhängen, nicht nur in Konflikt- und Postkonfliktsituationen 20 , und ist breit genug angelegt, um eine Anpassung an die Erfordernisse der jeweiligen Situation zu ermöglichen.

2.    Angestrebte Ergebnisse

Das übergeordnete Ziel dieses EU-weiten Strategierahmens besteht in einem Beitrag zu mehr Stabilität der Staaten und mehr Sicherheit des Einzelnen. Er soll daher der EU ermöglichen, die Partnerländer bei Folgendem wirksamer zu fördern und zu unterstützen:

A.Gewährleistung der Sicherheit des Einzelnen und des Staates und

B.Sicherstellung der Legitimität, verantwortungsvollen Verwaltung, Integrität und Nachhaltigkeit des Sicherheitssektors.

A.    Gewährleistung der Sicherheit des Einzelnen und des Staates

Um wirksam zu sein, muss der Sicherheitssektor eines Landes

sich auf einen klaren und geeigneten Rechtsrahmen stützen kann,

einer geeigneten Politik und angemessenen Strategien für Sicherheit und Justiz unterliegt und

aus gut koordinierten und zusammenarbeitenden Einrichtungen mit angemessener Struktur und Organisationsweise, klar definierten Aufgaben, geeigneten Verfahren, qualifiziertem Personal und ausreichenden Ressourcen besteht.

Er muss der Existenz informeller oder nichtstaatlicher Sicherheitsdienstleistern Rechnung tragen und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit gewährleisten.

Menschliche Sicherheit

Das erste Ziel eines nationalen Sicherheitssystems muss die Gewährleistung der Sicherheit des Einzelnen sein, wie sie von diesen wahrgenommen und erfahren wird. Dazu gehören die Wahrung der Grundfreiheiten 21 und eine gründliche und partizipatorische Beurteilung des Sicherheitsbedarfs verschiedener Gruppen, einschließlich der schwächsten unter ihnen. Das System sollte den besonderen Sicherheitsbedürfnissen von Frauen, Minderjährigen, älteren Menschen und Minderheiten gerecht werden.

Die Reformbemühungen müssen geschlechtersensibel 22 sein, um sicherzustellen, dass Frauen und Männer über einen wirksamen und gleichberechtigten Zugang zu Justiz- und Sicherheitsdienstleistungen verfügen. Zu diesem Zweck sollten geschlechtsbezogene Analysen in die Formulierung oder Überarbeitung der nationalen Sicherheitspolitik einfließen. Darüber hinaus sollten neben der Unterstützung für die Opfer von Gewalt auch präventive Maßnahmen ergriffen werden (z. B. Rechtsvorschriften, Geschlechtersensibilisierung der Polizei und des Militärs, Bekämpfung der Straflosigkeit der Täter).

Verhütung und Bekämpfung länderübergreifender Sicherheitsbedrohungen

Die nationalen Sicherheitssysteme müssen auch zu einer wirksamen Bekämpfung von länderübergreifenden Sicherheitsbedrohungen wie Terrorismus und organisierter Kriminalität in all ihren Erscheinungsformen in der Lage sein. Die Vorkehrungen müssen ferner eine Einführung oder einen Ausbau internationaler Zusammenarbeit umfassen.

B.    Legitimität 23 , verantwortungsvolle Verwaltung, Integrität und Nachhaltigkeit

Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und demokratische Grundsätze 24

Die Sicherheitsakteure müssen die Menschenrechte der allgemeinen Bevölkerung und ihrer eigenen Mitglieder ohne Diskriminierung wahren. Der Sicherheitssektor muss einer wirksamen demokratischen Kontrolle und Aufsicht 25 unterliegen. Er sollte innerhalb eines klaren und eindeutigen, vom nationalen Gesetzgeber gebilligten Rechtsrahmens operieren, der auch eine wirksame zivile Kontrolle umfasst. Der Haushalt des Sicherheitssektors sollte einen festen Bestandteil des Staatshaushalts bilden und vom Gesetzgeber verabschiedet worden sein, der in der Lage sein muss, eine wirksame Aufsicht auszuüben. Die Konsultation und Einbeziehung der Zivilgesellschaft sollten gängige Praxis bei der Formulierung und Überwachung der Politik und der Tätigkeit in den Bereichen Sicherheit und Justiz sein.

Grundsätze der verantwortungsvollen Verwaltung 26

Es sollten die Grundsätze der Transparenz und Offenheit gelten und rechtliche Garantien eingeführt werden, um willkürliche Entscheidungen zu verhindern. Die Einstellungs- und Beförderungsverfahren und die Ernennung auf leitende Positionen in den Sicherheitsstrukturen sollten auf klar definierten, für die Öffentlichkeit zugänglichen Kriterien beruhen. Amtliche Weisungsketten müssen beachtet werden. Die Einstufung, Verbreitung und Zugänglichkeit von Dokumenten des Sicherheitssektors (einschließlich über Beschaffungsverfahren) sollten offiziell vereinbarten und vorhersehbaren Verfahren unterliegen. Die Informationen sollten für die Öffentlichkeit zugänglich sein, um die Transparenz und das Verständnis zu erhöhen. Einschränkungen der Offenheit und Transparenz können auf der Grundlage einer klar definierten Politik (z. B. Datenschutz) gerechtfertigt sein, sollten jedoch stets auf ein Minimum begrenzt werden.

Die Beteiligung aller Akteure an dem Reformprozess impliziert, dass die Politik und die Strategien für die nationale Sicherheit mithilfe inklusiver Konsultationen entwickelt werden. Insbesondere sollte im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen des VN-Sicherheitsrates die Beteiligung von Frauen sichergestellt werden 27 .

Auch der Sicherheitssektor selbst sollte von Inklusion geprägt sein. Die Sicherheitskräfte sollten keine Gruppe von Menschen ausschließen oder diskriminieren. Zur Vermeidung von Spannungen sollte die Ressourcenzuteilung öffentlich gemacht werden, gerechtfertigt sein und die gesetzlich festgelegten Rollen und Aufgaben widerspiegeln. Frauen müssen gleiche Chancen haben und ihre Stellung innerhalb der Sicherheitskräfte muss gestärkt werden.

In den einzelnen Sicherheitseinrichtungen muss es wirksame interne Rechenschaftssysteme wie interne Kontroll- und Prüfstellen geben, die außerdem einer externen finanziellen und operativen Kontrolle durch die nationalen Rechnungshöfe und andere Aufsichts- oder gleichwertige Behörden unterliegen sollten. Mechanismen wie Überprüfungen, Verhaltenskodizes, unabhängige Beschwerdestellen und eine Kontrolle durch die Zivilgesellschaft tragen ebenfalls zu mehr Rechenschaftspflicht bei. Um Straflosigkeit zu verhindern, ist es wichtig, die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz sicherzustellen, Willkür zu unterbinden und für verfahrenstechnische und rechtliche Transparenz zu sorgen, wenn ein Sicherheitsakteur gerichtlich belangt wird. Der Aufgabenbereich einer gesonderten Militärgerichtsbarkeit sollte klar definiert und eingegrenzt sein und Zivilpersonen sollten stets vor Zivilgerichte gestellt werden.

Integrität und Korruptionsbekämpfung

Das Vertrauen zwischen Bevölkerung und Sicherheitsakteuren ist von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit des Sicherheitssystems. Es wird durch jeglichen Fall von Bestechung, Erpressung, Mittelveruntreuung, Günstlings- und Vetternwirtschaft untergraben. Die für den Sicherheitssektor bereitgestellten Finanzmittel sollten auf der Grundlage derselben Grundsätze der verantwortungsvollen Verwaltung verwaltet werden, die für andere öffentliche Sektoren gelten. Wie alle öffentlichen Beschaffungen sollte die Beschaffung von militärischer und polizeilicher Ausrüstung und zugehörigen Dienstleistungen geeigneten Verfahren, Auflagen und Kontrollen unterliegen. Die nationalen Korruptionsbekämpfungsstrategien sollten auch für die Sicherheitsakteure gelten.

Nachhaltigkeit

Um die Wirksamkeit und Anwendbarkeit der Sicherheitsvorschriften, -einrichtungen und verfahren zu gewährleisten, sollten diese auf der Grundlage von national verantworteten Prozessen im Einklang mit dem „ganzheitlichen gesellschaftlichen Ansatz“ 28 entwickelt werden. Die Unterstützung der wichtigsten Akteure aus den Bereichen Politik, Sicherheit und Justiz sowie die Unterstützung der Zivilgesellschaft ist von entscheidender Bedeutung.

Grundsätzlich müssen Personalausstattung, Investitionen und finanzielle Ressourcen auf einer sachgerechten Planung beruhen und finanziell tragfähig sein, um die Erbringung anderer grundlegender öffentlicher Dienstleistungen nicht zu gefährden.

3.    Wege der Umsetzung 

Das Engagement der EU im Sicherheitssektor beruht auf einer Reihe zentraler Elemente und Grundsätze, einschließlich der Grundsätze für die Wirksamkeit der Hilfe 29 , die für die Sicherheit genauso gelten wie für andere Bereiche der Zusammenarbeit.

Einordnung des Sicherheitssektors in einen breiteren Kontext

Ein Engagement der EU für den Sicherheitssektor der Partnerländer und -regionen erfordert das Verständnis und die Berücksichtigung der formellen und informellen Regeln für die Tätigkeit der Sicherheits- und Justizakteure. Anerkannt werden müssen auch das Zusammenspiel und die Machtverhältnisse zwischen den Akteuren der Bereiche Sicherheit und Justiz und anderer nicht sicherheitsbezogener Bereiche sowie die Dynamik von Konflikten 30 . Ein Bewusstsein für die politischen, sozioökonomischen, kulturellen und historischen Faktoren ist von zentraler Bedeutung.

Die EU sollte sich bei ihrem politischen Dialog und ihren politischen Maßnahmen auf eine vorherige Analyse des Sicherheitssektors des betreffenden Landes und seine Einordnung in einen breiteren Kontext stützen. Die EU-Delegationen wurden angewiesen, Analysen und Berichte zum Sicherheitssektor mithilfe der vorhandenen Berichterstattungsverfahren zu erstellen. Wo eine GSVP-Mission existiert, erfolgen die Analyse und die Berichterstattung gemeinsam im Einklang mit dem „Gesamtkonzept“. Die Botschaften der Mitgliedstaaten, insbesondere diejenigen, die über Attachés für Sicherheit und/oder Verteidigung verfügen, werden ersucht, Beiträge in Form von Informationen und Fachwissen zu leisten.

Wo eine großangelegte Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors geplant ist, wird die EU eine strukturierte Kontextanalyse (z. B. eine Analyse der politischen Ökonomie) unter Einbeziehung aller Interessenträger (Sicherheits- und Justizakteure, einschließlich erwarteter Opponenten, Träger des Wandels und traditionell von den Sicherheits- und Justizeinrichtungen ausgegrenzter Gruppen, wie Frauen, junge Menschen und Minderheiten). Der Schwerpunkt dieser Bewertung sollte auf den von den wichtigsten demografischen Gruppen wahrgenommenen und erlebten Sicherheitserfordernissen und den bisherigen Lösungsansätzen des Sicherheitssektors liegen.

Umfassen sollte die Bewertung auch eine Analyse der nationalen Politikkonzepte/Strategien und Haushaltsmittel, der lokalen Sicherheits- und Justizpraxis, der Quellen von Unsicherheit und Instabilität, der potenziellen Risikofaktoren, der Wahrung der Grundsätze der demokratischen Regierungsführung und der Menschenrechte, der Wirksamkeit der Gewährleistung der Sicherheit des Einzelnen, der bestehenden internationalen Zusammenarbeit und Koordinierung sowie der Möglichkeiten für eine Unterstützung. Außerdem sollten spezifische Sicherheitsprobleme ermittelt werden, die Prioritäten für die EU-Unterstützung darstellen könnten, und die Wandlungsprozesse, zu denen die Unterstützung beitragen kann, identifiziert werden. Die EU sollte gemeinsame Analysen durch die Einbeziehung einschlägiger lokaler und internationaler Akteure und Quellen von Fachwissen fördern. Nach Möglichkeit werden die nationalen Behörden ebenfalls in diese Bewertungen einbezogen und dabei idealerweise die Führungsrolle übernehmen. Es kann auch Fachwissen durch Peer Reviews mobilisiert werden.

Diese Bewertungen werden nicht nur als Grundlage für die Gestaltung der Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors dienen, sondern auch für die Festlegung von Bezugswerten für die Überwachung der Auswirkungen des Engagements der EU. Sie werden regelmäßig aktualisiert, um Änderungen gerecht zu werden und ihre Nützlichkeit für die Umsetzung der Unterstützung dauerhaft zu sichern.

Maßnahmen 

Anweisungsgemäß werden die EU-Delegationen Analysen des Sicherheitssektors in ihre regelmäßige Berichterstattung aufnehmen (die gemeinsam mit etwaigen GSVP-Missionen erstellt wird). Die EU sollte vertiefte Bewertungen des Sicherheitssektors in Fällen einleiten, in denen ein umfassendes Engagement geplant ist.

Aufbauend auf vorhandenen Methodikunterlagen werden die Dienststellen des EAD/der Kommission Anleitungen für die Durchführung der Analysen liefern.

Befähigung zu umfassender nationaler Eigenverantwortung

„Nationale Eigenverantwortung“ heißt nicht einfach, dass eine Regierung den Maßnahmen internationaler Akteure zustimmt. Reformbemühungen können nur dann erfolgreich und nachhaltig sein, wenn sie in den Institutionen eines Landes verankert sind (auch durch Haushaltszusagen), wenn die nationalen Sicherheits- und Justizakteure Verantwortung dafür übernehmen und wenn sie von der Gesellschaft insgesamt als legitim angesehen werden. Dies bedeutet, dass die nationalen Akteure den Prozess steuern und die Gesamtverantwortung für die Ergebnisse der Maßnahmen übernehmen sollten, wobei die externen Partner Beratung und Unterstützung bieten. Es heißt außerdem, dass alle (staatlichen und nichtstaatlichen) Akteure, einschließlich marginalisierter Gruppen, in die Bemühungen einbezogen werden sollten, auf der Grundlage national verantworteter und anerkannter Strategien schrittweise ein Einvernehmen über Maßnahmen im Sicherheitssektor zu erzielen. Dies stellt eine Herausforderung dar, da die Akteure unterschiedliche Interessen haben und einige Reformwiderstand leisten werden.

In Krisensituationen oder unmittelbar nach Konflikten, wenn staatliche Institutionen schwach oder überhaupt nicht vorhanden sind, können die frühen Phasen der EU-Unterstützung den Weg dafür ebnen, dass im Rahmen eines partizipativen Prozesses, der auch die Zivilgesellschaft einschließt, nationale Eigenverantwortung übernommen wird.

Maßnahmen 

Bei Unterstützungsmaßnahmen für die Reform des Sicherheitssektors sollte die EU

-den politischen Reformwillen, die voraussichtlichen Finanzierungsquellen und die Möglichkeiten bewerten, durch ihre Unterstützung bestimmte Gruppen zu gewinnen, die den Wandel mittragen würden,

-sich auf die Politik, Pläne, Strategien und Prioritäten auf nationaler Ebene stützen und gegebenenfalls auf nationalen Prozessen oder laufenden Maßnahmen aufbauen und

-sämtliche Interessenträger, einschließlich nichtstaatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure, bereits in der Identifizierungsphase einbeziehen, um einen größtmöglichen Konsens über die Maßnahmen zu erzielen.

Betrachtung des Gesamtbilds

Die Verwaltungsführung im Sicherheitssektor wird durch die allgemeine Regierungsführungssituation im betreffenden Land beeinflusst und sollte folglich im Rahmen breiter angelegter Initiativen für die verantwortungsvolle Regierungsführung angegangen werden. Die EU sollte die Partnerregierungen und die Zivilgesellschaft ermuntern, Fragen des Sicherheitssektors in mehrjährige landesweite Entwicklungsstrategien einzubetten und sie möglichst mit in anderen Bereichen laufenden oder geplanten Bemühungen um verantwortungsvolle Verwaltung verknüpfen. Ebenso sollte der Sicherheitssektor in den Politikdialog über die Verwaltung und Transparenz der öffentlichen Finanzen bzw. die Haushaltskontrolle einbezogen werden.

Bei der Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors sollten ihre Auswirkungen auf den Sektor selbst und darüber hinaus abgeschätzt werden. Das Strafrechtssystem und der Grenzschutz sind deutliche Beispiele dafür, dass zwischen verschiedenen Sicherheits- und Justizakteuren ausgeprägte Querverbindungen bestehen, die einen ganzheitlichen Ansatz erfordern. Dies bedeutet nicht, dass die EU-Unterstützung sich auf den gesamten Sicherheitssektor des Partnerlandes erstrecken muss; sie ist möglicherweise sogar am wirksamsten, wenn sie gezielt für ausgewählte Teilbereiche bereitgestellt wird, die am ehesten zugänglich sind und eine positive Entwicklung und/oder eine maximale Hebelwirkung versprechen.

Um auf die festgestellten Sicherheitsherausforderungen einzugehen, könnte die EU einen Problemlösungsansatz verfolgen, indem sie Programme entwickelt, die aus verschiedenen Maßnahmenbündeln bestehen. Möglicherweise würden nicht alle davon unmittelbar die Sicherheits- und Justizakteure betreffen – vielmehr würde angestrebt, dass sich eine Vielzahl von Akteuren aus unterschiedlichen Sektoren beteiligt. Beispielweise könnten Programme für urbane Sicherheit auch Unterstützung für lokale Sicherheitsdienste, Städteplanung und berufliche Bildung für junge Menschen umfassen.

Soweit es möglich, wirksam und kosteneffizient ist, sollten Budgethilfemaßnahmen, die sich auf eine nationale Politik oder Strategie sowie klare und erreichbare sicherheitsbezogene Indikatoren stützen, gefördert werden, um im Einklang mit den einschlägigen Leitlinien für die Budgethilfe 31 die nationale Eigenverantwortung und Regierungsführung zu stärken.

Systematischer politischer Dialog und Politikdialog

Die SSR-bezogenen Maßnahmen sollten systematisch durch einen breit angelegten sektoralen Dialog und politisches Engagement auf hoher Ebene flankiert werden. Es muss für Übereinstimmung mit den politischen und Politikdialogen über Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und verantwortungsvolle Verwaltung sowie für die Einhaltung internationaler Verpflichtungen, u. a. im Bereich des humanitären Völkerrechts, gesorgt werden. Die diesbezüglichen Fortschritte werden während des gesamten Durchführungszeitraums überwacht und evaluiert. Der politische Dialog und der Politikdialog können zur Förderung der nationalen Eigenverantwortung dienen.

Maßnahmen

Wo die Zusammenarbeit umfangreich ist, können die EU und das Partnerland Benchmarks und entsprechende Mechanismen für eine regelmäßige Überprüfung erörtern und vereinbaren, um die Fortschritte bei der verantwortungsvollen Verwaltung und Effizienz im Sicherheitssektor zu bewerten. Dies kann in Form eines nicht bindenden Instruments geschehen, das politische Zusagen enthält 32 ; über die einzelnen Regelungen wird von Fall zu Fall entschieden.

Koordinierung der EU-Unterstützung

Im Einklang mit dem „Gesamtkonzept“ für die Bewältigung externer Konflikte und Krisen sollten alle Unterstützungsmaßnahmen der EU im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, der Diplomatie und der GSVP kohärent, gut koordiniert, komplementär und zeitlich aufeinander abgestimmt sein und im Einklang mit dem rechtlichen, politischen und institutionellen Rahmen stehen. Ziel dabei ist es, die Wirksamkeit der EU-Unterstützung bei der Reform des Sicherheitssektors zu erhöhen. In den Fällen, in denen ein erhebliches Engagement der EU im Sicherheitssektor vorgesehen ist, sollte die EU und die Mitgliedstaaten – vorzugsweise gemeinsam mit anderen internationalen Akteuren – eine Bestandsaufnahme der geplanten SSR-bezogenen Maßnahmen vornehmen. Dies wird einen Informationsaustausch ermöglichen und dient dem Ziel, ein gemeinsames Verständnis des Kontexts zu entwickeln und Erkenntnisse und Empfehlungen zu sammeln, die in den politischen Dialog und den Politikdialog, in die Anpassung der laufenden Programme und die Formulierung geplanter Maßnahmen sowie in die Programmierung einfließen.

Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme könnten die EU-Akteure gemeinsame Ziele festlegen und eine „Koordinierungsmatrix“ (für die Koordinierung vor Ort durch die EU- Delegationen) entwickeln, die sie in die Lage versetzt, geeignete Verbindungen zwischen –und die richtige zeitliche Abfolge von – politischem Dialog, Kooperationsmaßnahmen/-instrumenten und möglichen GSVP-Missionen und -Operationen zu ermitteln. Bei der „Koordinierungsmatrix“ würde es sich um ein laufend aktualisiertes Dokument handeln, das gegebenenfalls auf bestehenden politischen Rahmen für einen Ansatz zur Krisenbewältigung (political frameworks for crisis approach – PFCA) und/oder Rahmen oder Strategien für die länderspezifische Programmierung, einschließlich der gemeinsamen Programmierung, beruht.

Die Instrumente der EU unterliegen unterschiedlichen Programmierungs- und Beschlussfassungsverfahren und regulatorischen Zwängen, die sich aus dem jeweils zugrundeliegenden Rechtsakt ergeben. Zweck der EU-Koordinierungsmatrizes auf Länderebene ist nicht, diese Regeln zu ändern, sondern ein gemeinsames Verständnis aller EU-Akteure im Hinblick auf ihre möglichen Rollen und die jeweiligen Prioritäten und Ziele zu fördern.

Diese Koordinierungsmatrizes dienen der Ermittlung von Risiken und der Festlegung von Maßnahmen zur Eindämmung dieser Risiken und – soweit möglich – von Ausstiegsstrategien, die mit der langfristigen nationalen Planung und den finanziellen Kapazitäten der Partnerländer im Einklang stehen. Sie werden die Grundlage für ein Monitoring- und Evaluierungssystem bilden, das die Messung der Fortschritte und der Auswirkungen der EU-Unterstützung ermöglicht. Dort, wo eine einheitliche Unterstützungsstrategie entwickelt wird, werden solche Elemente auf der betreffenden Ebene direkt erörtert und vereinbart werden.

Maßnahmen

Innerhalb von zwei Jahren nach der Annahme dieser Gemeinsamen Mitteilung wird in mindestens zwei Ländern eine umfassende „EU-Koordinierungsmatrix“ entwickelt, die ggf. mit bereits bestehenden Gebermatrizen für die gemeinsame Programmierung im Einklang stehen.

Koordinierung mit anderen internationalen Akteuren

Die EU sollte in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten Synergien und einen Konsens mit anderen internationalen Akteuren im Sinne des Artikels 210 AEUV anstreben. Zu diesem Zweck wird sie eine Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, regionalen und anderen internationalen Organisationen (insbesondere Organisationen mit einem sicherheitsbezogenen Mandat), bilateralen Partnern, die in sicherheitsbezogenen Bereichen tätig sind, sowie gegebenenfalls mit spezialisierten internationalen Nichtregierungsorganisationen (NRO) anvisieren. Der Sicherheitssektor sollte ein fester Bestandteil der landesinternen Koordinierung zwischen den internationalen Akteuren/Gebern sein. Soweit dies möglich und angebracht ist, sollten internationale Akteure erwägen, ihre Maßnahmen auf der Grundlage einer einheitlichen, in nationaler Eigenverantwortung liegenden Unterstützungsstrategie für die Entwicklung des Sicherheitssektors festzulegen.

Maßnahmen

Aufbauend auf der „Koordinierungsmatrix“ wird die EU in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten und anderen internationalen Partnern ein umfassendes internationales Engagement auf der Grundlage einer mit dem jeweiligen Partnerland entwickelten einheitlichen Strategie zur Unterstützung des Sicherheitssektors fördern.

Flexible Abwägung zwischen langfristigen Systemveränderungen und unmittelbaren Sicherheitsbedürfnissen

Die Umwandlung eines Sicherheitssektors ist ein langwieriger Prozess, bei dem spezifische institutionelle Kulturen und eine mögliche Empfindlichkeit gegenüber Veränderungen berücksichtigt werden müssen. Sie erfordert eine langfristige Strategie und langfristiges Engagement. Im jeweiligen spezifischen Kontext muss die EU für ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen langfristigen Bemühungen und der Notwendigkeit sorgen, die dringenden, oft unmittelbaren Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.

Da sich das operative Umfeld vor allem in fragilen Staaten oder in der Zeit nach einem Konflikt rasch ändern kann, kann es zur Einstellung einiger Maßnahmen oder zur Verletzung von Menschenrechten oder rechtstaatlichen Grundsätzen kommen. Programme zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors müssen anpassungsfähig sein.

Maßnahmen

Bei SSR-Unterstützungsmaßnahmen sollte die EU

-abgestufte und erreichbare Ziele festgelegen,

-kurzfristige Maßnahmen durchführen, um bei Akteuren im Sicherheits- und Justizbereich Vertrauen zu bilden, den Weg für eine künftige Zusammenarbeit zu ebnen und den Politikdialog aufrechtzuerhalten,

-sich rasch an veränderte operative Bedingungen, vor allem in fragilen Staaten oder in der Zeit nach einem Konflikt, anpassen. Bei der Durchführung der Maßnahmen wird gegebenenfalls von der durch die Finanzvorschriften und -verfahren der Union geboten Flexibilität Gebrauch gemacht werden und

-bei der Planung für ESVP-Missionen zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors dem Erfordernis eines langfristigen und nachhaltigen Engagements im Sicherheitssektor Rechnung tragen und eine enge Zusammenarbeit mit den EU-Delegationen gewährleisten.

Messung der Fortschritte: Monitoring und Evaluierung

Die allgemeinen Monitoring- und Evaluierungsgrundsätze für Projekte und Programme gelten auch für alle Maßnahmen im Sicherheitssektor. Insbesondere ist es wichtig,

-gleich zu Beginn Basislinien zu definieren,

-klar definierte, realistische und an Fristen gebundene Ziele und Wirkungsindikatoren sowie klare Kriterien zur Messung der Zielerreichung festzulegen und

-ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen für das interne Monitoring bereitzustellen.

Zu den Monitoring- und Evaluierungsmaßnahmen sollten u. a. die Erfassung und Auswertung qualitativer und quantitativer Daten gehören. Dies ermöglicht die Berücksichtigung der individuellen und der gemeinschaftlichen Wahrnehmung von Veränderungen im Einklang mit menschenzentrierten Konzepten der menschlichen Sicherheit.

Ein strenges Monitoring und die regelmäßige Evaluierung der laufenden Maßnahmen wird die EU (und die aktiven Partner der EU) in die Lage versetzen, eine Bilanz der Fortschritte zu ziehen, Erkenntnisse zu gewinnen und die geleistete Arbeit zu überprüfen.

Maßnahmen

Der EAD und die Dienststellen der Kommission erstellen gemeinsame Monitoring- und Evaluierungsleitlinien, einschließlich Indikatoren für den Kapazitätsaufbau im Sicherheitsbereich und für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Reform des Sicherheitssektors, die für sämtliche Instrumente und Missionen im Rahmen des auswärtigen Handelns der EU gelten.

Risikomanagement

Unterstützung für die Reform des Sicherheitssektors ist mit Risiken verbunden, die vorweggenommen und zu deren Eindämmung gezielte Maßnahmen ergriffen werden müssen. Zu diesen Risiken zählen u. a.:

i.    Unzureichendes politisches Engagement für Veränderung auf nationaler Ebene

Das politische Engagement für Reformen kann unzureichend oder oberflächlich sein und mit der Zeit schwinden. Die EU muss in der Lage sein, das wirkliche Engagement auf Seiten des jeweiligen Partnerlands genau einzuschätzen und ihr eigenes Engagement entsprechend zu planen. In manchen Fällen könnte sie mit kleineren Maßnahmen beginnen, mit denen das Vertrauen und das politische Engagement im betreffenden Land gestärkt werden, und anschließend ihr eigenes Engagement verstärken. Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft könnte ein erster Schritt sein.

ii.    Negative unbeabsichtigte Folgen

Keine Intervention ist neutral, und die Unterstützung des Sicherheitssektors erfordert einen Ansatz, der keinen Schaden anrichtet 33 und dem Konfliktpotenzial Rechnung trägt. Eine genaue Kontextanalyse wird den EU-Akteuren dabei helfen, unbeabsichtigte negative Auswirkungen auf die Konfliktdynamik zu vermeiden. Dazu zählen beispielsweise

die versehentliche Verschärfung bestehender Spannungen, z. B. durch Stärkung von Dominanz- und Ausgrenzungsmustern;

Einführung von Reformen, die Partikularinteressen bedienen oder die sich mit Systemen der Korruption und Vetternwirtschaft verwickeln und damit neuen Unmut und neue Instabilität schüren.

iii.    Risiken für das Ansehen der EU

Von der EU unterstützte Sicherheitsakteure können ein parteiisches, diskriminierendes und missbräuchliches Verhalten gegenüber der Bevölkerung an den Tag legen; dies hätte indirekt negative Auswirkungen auf das Ansehen der EU. Darüber hinaus könnten dadurch Ressourcen in die falschen Hände geraten. Die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Akteuren bei der Bewertung der Risiken für das eigene Ansehen und bei der Erarbeitung realistischer Maßnahmen zur Risikominderung wird eine wesentliche Rolle bei der Konzipierung der Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors spielen. Auf der Grundlage einer sorgfältigen Analyse im Einzelfall wird es ggf. möglich sein, Ausnahmen von den Vorschriften über die Sichtbarkeit von Programmen/Instrumenten der EU im Außenbereich zu gestatten.

iv.    Risiko der Untätigkeit

Jeder Staat hat die Pflicht, die eigenen Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Kommt ein Staat dieser Plicht nicht nach, so kann dies in einigen Fällen zu schwerwiegenden Verletzungen der Menschenrechte oder der demokratischen Grundsätze, zu menschlichem Leid oder gar zum Verlust von Menschenleben, u. a. durch Gräueltaten, führen. Dort, wo dies als nützlich erachtet wird, um solch extreme Vorkommnisse zu verhindern oder dagegen vorzugehen, wird die EU auf der Grundlage einer Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen oder eines bilateralen Abkommens mit dem Partnerland möglicherweise beschließen, auch dann Maßnahmen zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors durchführen, wenn dafür wesentliche Voraussetzungen, wie zum Beispiel ein wirkliches Engagement für Veränderungen, fehlen.

Maßnahmen

Der EAD und die Dienststellen der Kommission entwickeln eine eigene Risikomanagementmethode für die EU-Unterstützung bei der Reform des Sicherheitssektors. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Risikominderung u. a. in Anlehnung an den „Rahmen für Risikomanagement bei Budgethilfemaßnahmen“ 34 . 

Gemäß ihrem Aktionsplan 2015-2019 für Menschenrechte und Demokratie 35  muss die EU Richtlinien für die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht entwickeln, mit denen gewährleistet wird, dass die Unterstützung der Union und der Mitgliedstaaten für den Sicherheitssektor mit der Förderung, dem Schutz und der Durchsetzung der internationalen Menschenrechtsnormen und des humanitären Völkerrechts übereinstimmt, dazu beiträgt und mit der Menschenrechtspolitik der EU im Einklang steht. 

Optimale Nutzung des Sachverstands der EU im Bereich der Sicherheitssektorreform

Die EU sollte das Personal mobilisieren, das über einschlägige Fachkenntnisse und Erfahrungen sowie über ein gutes Verständnis der technischen und politischen Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheitssektorreform verfügt. Sie sollte auch den Sachverstand der Mitgliedstaaten und – in bestimmten Bereichen, in denen diese einen echten Mehrwert bieten – relevanter EU-Agenturen (z. B. Frontex, CEPOL, FRONTEX) – vorbehaltlich ihrer jeweiligen Mandate, Prioritäten und Ressourcen – in Anspruch nehmen.

Dieser EU-weite Rahmen für Unterstützung bei der Reform des Sicherheitssektors sieht eine intensive Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den EU-Akteuren und den Mitgliedstaaten vor, um Synergien und Komplementarität zwischen den verschiedenen Instrumenten und Missionen der EU in einem „ganzheitlichen“ EU-Ansatz zu fördern. Auch eine Abstimmung mit den Maßnahmen internationaler und regionaler Organisationen und einschlägiger NRO ist vorgesehen.

Am Sitz der EU

Die Kommission und die Hohe Vertreterin werden eine ständige informelle dienststellenübergreifende Task-Force für Sicherheitssektorreform einrichten, die sich aus Vertretern der einschlägigen thematischen Dienststellen von EAD und Kommission zusammensetzt und die EU-Delegationen, den EAD, die Kommissionsdienststellen und die GSVP-Missionen unterstützt und berät. Diese Task-Force wird zur Gewährleistung der Kohärenz und Komplementarität der Maßnahmen der EU im Bereich SSR beitragen und sowohl die Planung und Konzipierung von SSR-Projekten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit als auch die Erstellung von Planungsdokumenten für GSVP-Missionen unterstützen. Bei der Neufassung der Krisenbewältigungsverfahren sollte dieser Rolle der Task-Force Rechnung getragen werden. Darüber hinaus wird die Task-Force Methoden, Standards, Verfahren und praktische Ansätze für die EU-Maßnahmen im SSR-Bereich entwickeln und auch – unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Sicherheits- und Verteidigungskolleg (ESVK) – Schulungen anbieten. Die Task-Force wird das Monitoring, die Evaluierung und das Risikomanagement beaufsichtigen.

Vor Ort

Die Verantwortung für die Koordinierung der Maßnahmen zur Unterstützung des Sicherheitssektors vor Ort liegt beim Leiter der EU-Delegation im betreffenden Partnerland bzw. in der betreffenden Region. In Fällen, in denen sich eine GSVP-Mission im Land aufhält, wird der Rat ersucht werden, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Mandat auch die Unterstützung der EU-Delegation in SSR-bezogenen Fragen ermöglicht. Dementsprechend wird der Leiter der Mission für die Beratung des Delegationsleiters zur Verfügung stehen.

Die EU-Delegationen und die diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten sollten Informationen und Analysen austauschen, gemeinsame Analysen durchführen und einen Beitrag zur Erstellung von Koordinierungsmatrizen für die Sicherheitssektorreform leisten.

Dort, wo das Engagement des EU im Sicherheitssektor besonders umfassend und diversifiziert ist, es jedoch an einschlägigen Koordinierungsstrukturen fehlt, wird die EU die Einrichtung von Task-Forces für die Koordinierung der Unterstützung des Sicherheitssektors auf nationaler Ebene (u. a. mit politischen und operativen Abteilungen der EU-Delegationen, GSVP-Missionen, Mitgliedstaaten und, soweit möglich, wichtigen Partnern wie den Vereinten Nationen, der Weltbank und im Sicherheitssektor aktiven Drittländern) anstreben.

Maßnahmen

Eine ständige informelle dienststellenübergreifende Task-Force für Sicherheitssektorreform wird eingerichtet, um die Maßnahmen der EU zur Unterstützung der Sicherheitssektorreform zu überwachen.

Die Ausbildungsprogramme des ESVK im Bereich SSR sollten aktualisiert werden, um diesem EU-weiten Strategierahmen Rechnung zu tragen. Auch die Zusammenarbeit zwischen dem ESVK und den für Ausbildung zuständigen Dienststellen der Kommission sollte vor dem Hintergrund des EU-weiten Ansatzes verstärkt werden.

Die Delegationsleiter werden die Aufgabe haben, für die Koordinierung sämtlicher EU-Akteure zu sorgen, die vor Ort am Dialog und an den Unterstützungsmaßnahmen im Sicherheitssektor beteiligt sind. Dies wird keine Auswirkungen auf die Weisungsstruktur von GSVP-Missionen haben.

Das Mandat von GSVP-Missionen sollte auch die technische Beratung von EU-Delegationen umfassen.

In Ländern, in denen sich die EU umfassend bei der Sicherheitssektorreform engagiert, sollte sichergestellt werden, dass die EU-Delegation über angemessenen Sachverstand im Sicherheitsbereich verfügt.

4.    Bereiche des Engagements

Die EU kann innerhalb der vom EU-Recht gesetzten Grenzen alle Komponenten des Sicherheitssektors, einschließlich der militärischen Komponente, u. a. durch folgende Maßnahmen unterstützen:

Institutionelle Unterstützung

Bei der Unterstützung der in den Partnerländern für Sicherheit und Justiz zuständigen Institutionen geht es u. a. um Hilfe bei der Entwicklung von nationalen Verteidigungs-, Sicherheits- und Justizstrategien, von nationalen Koordinierungsmechanismen und Verwaltungs-, Kommunikations- und Arbeitsverfahren, von Mechanismen der internen Rechenschaftslegung sowie von Systemen für die Planung und Verwaltung der Humanressourcen, die Erfassung von Informationen und Daten sowie die Haushaltsplanung und Finanzverwaltung – unter vollständiger Einhaltung der Menschenrechtsgrundsätze und des humanitären Völkerrechts.

Diese institutionelle Unterstützung kann auch Hilfe bei der Planung von Reformen umfassen. Ziel dieser maßgeschneiderten und kontextabhängigen Hilfe sollte es sein, die Partnerländer in die Lage zu versetzen, die eigenen Bedürfnisse zu analysieren und realistische kurz-, mittel- und langfristige Ergebnisse und Ziele festzulegen. Die Partnerländer sollten gegebenenfalls auch bei der Zuweisung personeller, technischer und finanzieller Ressourcen unterstützt werden. Bei ihrer Unterstützung wird die EU auch mit nichtstaatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammenarbeiten.

Die EU sollte sicherstellen, dass ihre Bemühungen um Stärkung dieser Institutionen auch für die Bevölkerung einen direkten konkreten Nutzen in Form erhöhter Sicherheit bringen.

Ausbildung

Die EU wird den Ausbau der Kapazitäten nationaler und regionaler Ausbildungseinrichtungen unterstützen. Diese Unterstützung kann auch technische Hilfe und Mentoringprogramme, die Bewertung des Ausbildungsbedarfs, die Entwicklung neuer Lehrpläne und die „Ausbildung von Ausbildern“ umfassen. Bei ihrer Unterstützung im Ausbildungsbereich wird die EU die Kenntnisse, Fähigkeiten und/oder Einstellungen präzisieren, die es zu vermitteln gilt, um Verhaltensänderungen beim Personal und in den Institutionen des Sicherheitssektors zu fördern. Sie wird sich außerdem darum bemühen, sicherzustellen, dass die Aus- und Weiterbildung als positiver Faktor für die berufliche Laufbahn geschätzt wird und dass das Personal die Aufgaben wahrnimmt, für die es geschult wurde.

Zu dieser Unterstützung können auch ein Dialog über und Hilfe beim Aufbau nationaler System zur Verwaltung der Humanressourcen gehören. Dabei geht um Aspekte wie Festlegung von Profilen für das von Sicherheits- und Justizinstitutionen benötigte Personal, die Entwicklung fairer und transparenter Einstellungs- und Beförderungsverfahren usw.

In den Fällen, in denen funktionierende Grunddienste im Bereich Justiz und Sicherheit rasch wiederhergestellt werden müssen, kann die EU direkt Schulungen anbieten, insbesondere im Rahmen von GSVP-Missionen. Dies sollte soweit möglich in Zusammenarbeit mit nationalen Ausbildungseinrichtungen geschehen, damit diese gestärkt werden und langfristig die Verantwortung für die Ausbildung übernehmen können.

Ausrüstung

Die EU kann nichtletale Ausrüstung 36 für Akteure im Sicherheitssektor bereitstellen. Dies wird im Rahmen eines umfassenderen Rahmens für die Unterstützung des betreffenden Landes im Sicherheitsbereich erfolgen. Die EU muss angemessene Garantien dafür erhalten, dass diese Ausrüstung nicht zur Verletzung von Menschenrechten, Grundfreiheiten oder der Rechtsstaatlichkeit eingesetzt wird. Um die Gefahr zu vermeiden, dass Ausrüstungsgegenstände unbrauchbar werden, verloren gehen oder zurückgelassen oder missbraucht werden, wird das Vorhandensein von Stellen für die logistische Unterstützung und von Registern/Rückverfolgbarkeitsketten bzw. deren Funktionieren bewertet werden, damit erforderlichenfalls Unterstützung geleistet werden kann, um ihre Wirksamkeit zu verbessern. Die Entwicklung grundlegender bewährter Verfahren im Bereich Ausrüstungsmanagement wird einen integralen Bestandteil jedes Ausrüstungspakets bilden, um die ordnungsgemäße Wartung und Entsorgung sowie eventuelle Neulieferungen zu gewährleisten.

Unterstützung von Kontrollmechanismen

Die EU sollte die Einrichtung bzw. Stärkung einer wirksamen zivilen Kontrolle und Aufsicht durch folgende Maßnahmen unterstützen:

Förderung und Unterstützung der Ausarbeitung und Durchsetzung einschlägiger Rechtsvorschriften und Verfahren;

Ausbau der Kapazitäten unabhängiger Beschwerdestellen und von Institutionen und Mechanismen der zivilen Kontrolle.

Bei den Empfängern der Unterstützung kann es sich u. a. um folgende Stellen und Institutionen handeln: nationale Gesetzgebungsorgane und unabhängige oder quasi unabhängige Einrichtungen wie Ombudsstellen, Einrichtungen oder Kommissionen für Menschenrechte, Kommissionen für Korruptionsbekämpfung, unabhängige Kommissionen für Beschwerden über die Polizei, für die Aufsicht über die Polizei zuständige Justizbehörden usw.

Die EU sollte die aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft an diesen Kontrollmechanismen fördern und gegebenenfalls zivilgesellschaftliche Initiativen zur Überwachung des Verhaltens der Sicherheitskräfte unterstützen. Sie wird außerdem die Medienfreiheit fördern und die Fähigkeit der Medien zur verantwortungsbewussten Berichterstattung über den Sicherheitssektor verbessern.

Lokale Sicherheit

Dort, wo Gewalt und Konflikte auf rein lokale politische, soziale und wirtschaftliche Probleme zurückzuführen oder die nationalen Sicherheitskräfte nicht imstande sind, wichtige Sicherheitsfunktionen zu erfüllen, kann die EU Initiativen finanzieren, die der Bevölkerung durch einen gemeindebasierten Ansatz und unter Einbeziehung (amtlicher und/oder traditioneller) kommunaler Instanzen, der Bewohner der betreffenden Gemeinden oder Nachbarschaften sowie der lokalen Sicherheitskräfte Zugang zu Sicherheit und Justiz bieten. Ziel dabei ist es, die Sicherheit der lokalen Bevölkerung zu verbessern, Konflikte beizulegen, die Grundursachen von Gewalt anzugehen und letztlich dafür zu sorgen, dass die nationalen Behörden in der Lage sind, sicherheitsbezogene und konfliktbedingte Probleme auf lokaler Ebene zu lösen.

Verbindungen zwischen der Reform des Sicherheitssektors und anderen Bereichen des Engagements

Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kombattanten

Das Konzept der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kombattanten (disarmament, demobilisation and reintegration of ex-combatants – DD&R) umfasst eine Reihe von Maßnahmen zur Entmilitarisierung offizieller und inoffizieller bewaffneter Gruppen durch Entwaffnung und Auflösung nichtstaatlicher Gruppen oder durch Verkleinerung der Streitkräfte und Wiedereingliederung ihres Personal in das zivile Leben 37 . Diese Prozesse sollten den unmittelbaren Sicherheitsbedürfnissen Rechnung tragen und die Voraussetzungen für längerfristige Stabilität in einem Land oder einer Region schaffen. Sie sollten daher in einem umfassenden Friedensprozess und vorzugsweise in einer breit angelegten Reform des Sicherheitssektors eingebettet sein. Im Verlauf eines Konflikts und in der Zeit danach wird sich die EU bei ihrer Unterstützung in den Bereichen SSR und DD&R um ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit zur Wiederherstellung grundlegender Sicherheitsdienstleistungen als dringender Stabilisierungsmaßnahme einerseits und der Notwendigkeit zur Vermeidung neuer Hindernisse (wie z.B. die Legitimierung nicht-inklusiver Sicherheitskräfte) für die langfristige Stabilität andererseits bemühen.

Übergangsjustiz

Übergangsjustiz umfasst die gesamte Bandbreite der Verfahren und Mechanismen, die mit den Bemühungen einer Gesellschaft zur Bewältigung umfangreicher Verstöße aus der Vergangenheit verbunden sind und zum Ziel haben, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, für Gerechtigkeit zu sorgen und eine Aussöhnung herbeizuführen 38 . Maßnahmen der Übergangsjustiz sollten letztlich dazu beitragen, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen und zu stärken.

In Ländern, die sich in der Postkonfliktphase oder im Übergang befinden kann die Sicherheitssektorreform als Teil einer umfassenderen institutionellen Reform dazu beitragen, einem Wiederaufflammen des Konflikts vorzubeugen, die Rechenschaftspflicht und die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten und weitere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. In den Schlussfolgerungen des Rates zur Unterstützung der Übergangsjustiz 39 wurde die Bedeutung der Reform des Sicherheitssektors bekräftigt.

Kleinwaffen und leichte Waffen

Die Verfügbarkeit von Kleinwaffen und leichten Waffen spielt häufig eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Ausbreitung von Unsicherheit. „Dauerkonflikte“, die durch die unerlaubte Verbreitung von Kleinwaffen und leichten Waffen in Gang gehalten werden, lassen die Grenze zwischen bewaffneten Konflikten und Kriminalität verschwimmen 40 . Die Kontrolle von Kleinwaffen und leichten Waffen steht in engem Zusammenhang mit Maßnahmen zur Reform des Sicherheitssektors, nicht zuletzt wenn es darum geht, das tatsächliche oder empfundene Bedürfnis von Einzelpersonen oder Gruppen nach Selbstverteidigung – bzw. ihre Neigung dazu – zu begrenzen.

5.    Monitoring und Evaluierung der Umsetzung des Strategierahmens

Die Umsetzung dieses Strategierahmens unterliegt einer regelmäßigen Überwachung und Evaluierung. Jedes Jahr wird ein dienststellenübergreifendes Team, das sich aus Vertretern des EAD und der Kommission zusammensetzt, ggf. mit Unterstützung durch externe Berater das allgemeine Engagement der EU im Sicherheitssektor in mindestens einem der Schwerpunktländer überprüfen.

Die Evaluierungskriterien werden sich auf die in dieser Gemeinsamen Mitteilung genannten Grundsätze und Ziele, die gemeinsamen Monitoring- und Evaluierungsleitlinien und die tatsächliche Umsetzung des einschlägigen Risikomanagementrahmens stützen.

Die Relevanz des Engagements der EU wird u. a. anhand folgender Kriterien bewertet werden:

-der Qualität und Vollständigkeit ihrer Analyse des Sicherheitssektors,

-der Reaktion der EU auf dringende Krisen und sich neu abzeichnende Chancen sowie

-der Kohärenz zwischen der EU-Unterstützung, den allgemeinen Zielen der EU in den Bereichen Sicherheit und Entwicklung sowie den Sicherheitszielen der Partnerländer.

Die Evaluierungsergebnisse werden veröffentlicht werden. Auf dieser Grundlage werden Empfehlungen ausgearbeitet und Folgemaßnahmen ergriffen und überwacht werden. Die bei der Evaluierung ermittelten bewährten Verfahren und gewonnenen Erkenntnisse werden in die Schulung des Personals und in die Überlegungen über die Finanzinstrumente der EU einfließen. Dies wird dazu beitragen, die internen Verfahren zu verbessern und die Effizienz der Unterstützung zu erhöhen.

Eine umfassende Leistungsevaluierung dieses Strategierahmens wird innerhalb von fünf Jahren vorgenommen werden.

Die Europäische Kommission und die Hohe Vertreterin ersuchen das Europäische Parlament und den Rat, den in dieser Gemeinsamen Mitteilung dargelegten Ansatz zu billigen und zu unterstützen und sich dem Übergang zu einem kohärenteren und wirksameren Engagement der EU bei der Unterstützung der Sicherheitssektorreform in ihren Partnerländern uneingeschränkt anzuschließen.

(1)

     Nach den Leitlinien der OECD für die Reform der Sicherheitssysteme umfasst der Sicherheitssektor eines Landes die Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Gendarmerie, Zoll, Grenzschutz usw.), das strafrechtliche System (Strafgerichte, Staatsanwaltschaft, Strafvollzug), die Streitkräfte, die Nachrichtendienste, die für die politische, finanzielle und justizielle Kontrolle zuständigen Einrichtungen (Fachministerien, parlamentarische Ausschüsse, Rechnungshof, Gerichte usw.) und die nichtstaatlichen Akteure, einschließlich gewohnheitsrechtlicher Einrichtungen, traditioneller Gerichte, Guerillas und Befreiungsarmeen, privater Militär- und Sicherheitsdienste. Siehe Handbuch der OECD „Reform der Sicherheitssysteme: Unterstützung der Sicherheit und der Justiz“ (OECD Publishing, Paris).

(2)

     JOIN(2015) 50, Überprüfung der Europäischen Nachbarschaftspolitik.

(3)

     43 % der von absoluter Armut betroffenen Menschen leben in fragilen und von Konflikten betroffenen Ländern.

(4)

     COM(2011) 637 und Schlussfolgerungen des Rates, Für eine EU-Entwicklungspolitik mit größerer Wirkung: Agenda für den Wandel, 3166. Tagung des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“, 14. Mai 2012.

(5)

     Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, (Resolution der Generalversammlung vom 25. September 2015; UNGA A/RES/70/1); Ziel 16: „Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen“.

(6)

     Im Einklang mit den Bestimmungen der EU-Verträge über das allgemeine auswärtige Handeln der EU (Art. 21-22 AEUV), die GASP/GSVP (Art. 23-46 AEUV), die Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit (Art. 208-211 AEUV) und die sonstige Kooperationspolitik (Art. 212-213 AEUV).

(7)

     Europäische Sicherheitsagenda, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen (COM(2015) 185).

(8)

     SWD(2016) 221.

(9)

     Im Einklang mit der Mitteilung JOIN(2013) 30 final wird humanitäre Hilfe nach den eigens dafür geschaffenen Verfahren unter Wahrung der Grundsätze der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit und ausschließlich auf der Grundlage des Bedarfs der betroffenen Bevölkerung erbracht.

(10)

     Initiative Nr. 21 in Anhang I des Arbeitsprogramms 2016 der Kommission (COM(2015) 610 final).

(11)

     Schlussfolgerungen des Rates zur GSVP (Rat der Europäischen Union, Dokument Nr. 8971/15, Mai 2015).

(12)

     JOIN(2015) 17 final, Aufbau von Kapazitäten zur Förderung von Sicherheit und Entwicklung – Befähigung unserer Partner zur Krisenprävention und -bewältigung.

(13)

     JOIN(2013) 30 final, EU-Gesamtkonzept für externe Konflikte und Krisen.

(14)

     Ein Konzept für Unterstützungsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft im Bereich Sicherheitssektorreform, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament (SEC(2006) 658) und EU-Konzept zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors im Rahmen der ESVP (Ratsdokument 12566/4/05), erstellt auf der Grundlage der EU-Sicherheitsstrategie „Ein sicheres Europa in einer besseren Welt“, angenommen vom Europäischen Rat im Dezember 2003.

(15)

     Gemeinsame Vision, gemeinsames Handeln: Ein stärkeres Europa - Eine Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Juni 2016.

(16)

     COM(2015) 185 final, Europäische Sicherheitsagenda. 

(17)

     Z. B. die Vereinbarung zur Aktualisierung und Modernisierung der „ODA reporting directives on peace and security expenditures“; siehe Schlusserklärung der hochrangigen Sitzung des DAC der OECD vom 19. Februar 2016.

(18)

     Für die Zwecke dieser Mitteilung umfasst dies nicht die humanitäre Hilfe.

(19)

     Siehe Ratsdokument 8831/16.

(20)

     Die in dieser Gemeinsamen Mitteilung beschriebenen Grundsätze gelten auch für die Erweiterungsländer, doch der Beitrittsprozess beinhaltet andere Maßnahmen und Verfahren, um sicherzustellen, dass die Länder die Beitrittskriterien erfüllen.

(21)

     Beginnend mit der Freiheit von Not und Angst und der Freiheit, eigenverantwortlich zu handeln.

(22)

     Siehe Schlussfolgerungen des Rates zum Aktionsplan für die Gleichstellung (2016-2020), Dok. 13201/15.

(23)

     Für die Zwecke dieses Dokuments wird ein Sicherheitssektor als legitim angesehen, wenn er Folgendes gewährleistet: i) Anerkennung der international anerkannten Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Grundsätze, ii) Anwendung der im Rahmen der verantwortungsvollen Verwaltung geltenden Grundsätze der Transparenz und Offenheit, Teilhabe und Inklusivität sowie der Rechenschaftspflicht und iii) Bekämpfung der Korruption.

(24)

     Dies steht im Einklang mit den Artikeln 3 und 21 EUV, wonach die Union in ihren Beziehungen zur übrigen Welt ihre Werte und Interessen schützen und fördern muss, darunter die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit sowie die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Nach dem Vertrag von Lissabon muss die Politik der EU, einschließlich im Bereich der Außenbeziehungen, im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen.

(25)

     Im besonderen Fall des Justizwesens sollte die Gewaltenteilung sichergestellt sein, damit die Unabhängigkeit der Justiz garantiert ist und die Gerichte keinem unangemessenen Einfluss anderer Regierungsstellen oder Privat- oder Partikularinteressen unterliegen.

(26)

     Siehe Europäisches Regieren – Ein Weißbuch (KOM(2001) 428 endgültig); zwei weitere Grundsätze der verantwortungsvollen Regierungsführung (Wirksamkeit und Kohärenz) werden unter Ziel A und in Abschnitt 3 behandelt.

(27)

     S/RES/1325 (2000); S/RES/2242 (2015) zu Frauen und Frieden und Sicherheit.

(28)

     Gemäß dem Rahmenprogramm „Horizont 2020“ – Arbeitsprogramm 2016-2017, Gesellschaftliche Herausforderung 7: „Sichere Gesellschaften – Schutz der Freiheit und Sicherheit Europas und seiner Bürger“ und Gesellschaftliche Herausforderung 6: „Europa in einer sich verändernden Welt: integrative, innovative und reflektierende Gesellschaften“.

(29)

     Siehe OECD/DAC, Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit (2005) und Aktionsplan von Accra (2008); Partnerschaft von Busan für wirksame Entwicklungszusammenarbeit; Viertes Hochrangiges Forum über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit (Busan, Republik Korea, 29. November bis 1. Dezember 2011).

(30)

     Siehe gemeinsamer Leitfaden der Dienststellen des EAD und der Kommission über die Anwendung der Konfliktanalyse zur Unterstützung des auswärtigen Handelns der EU.

(31)

     Budget Support Guidelines. Programming, Design and Management – A modern approach to Budget Support, Arbeitsdokument, Generaldirektion für Entwicklung und Zusammenarbeit – EuropeAid, Europäische Kommission, September 2012.

(32)

z. B. Absichtserklärungen, gemeinsame Stellungnahmen, Vereinbarungen usw.

(33)

     KOM(2010) 126, Humanitäre Hilfe im Ernährungsbereich.

(34)

     Budget Support Guidelines. Programming, Design and Management – a modern approach to Budget Support, Arbeitspapier der Generaldirektion Entwicklung und internationale Entwicklung - EuropeAid, Europäische Kommission (September 2012).

(35)

     JOIN (2015) 16.

(36)

     JOIN (2015) 17 final.

(37)

     Konzept der Europäischen Union zur Unterstützung von Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung (DD&R), von der Kommission am 14. Dezember 2006 angenommen und am 11. Dezember 2006 vom Rat der Europäischen Union gebilligt.    

(38)

     Dokument S/2004/616 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.

(39)

     Schlussfolgerungen des Rates zur Unterstützung der EU für die Übergangsjustiz, 16. November 2015 (Dok. 13576/15).

(40)

     Strategie der EU zur Bekämpfung der Anhäufung von Kleinwaffen und leichten Waffen und dazugehöriger Munition sowie des unerlaubten Handels damit, Schlussfolgerungen des Rates (5319/06).