6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/153


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Grüne Infrastruktur (GI) — Aufwertung des europäischen Naturkapitals

COM(2013) 249 final

2014/C 67/31

Berichterstatter: Adalbert KIENLE

Die Europäische Kommission beschloss am 3. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Grüne Infrastruktur (GI) – Aufwertung des europäischen Naturkapitals

COM(2013) 249 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 1. Oktober an 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 134 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme.

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Kommission zur Grünen Infrastruktur (GI) und ihre Absicht, GI-Projekte durch ein Bündel von Maßnahmen zu fördern.

1.2

Der Ausschuss empfiehlt, die Erfahrungen bei der Umsetzung dieses Maßnahmenpaketes zu nutzen, um es zu der in der Biodiversitätsstrategie 2020 angekündigten Strategie für GI fortzuentwickeln.

1.3

Der EWSA unterstützt das Ziel, über Projekte zur GI ökologischen mit wirtschaftlichem und sozialem Nutzen zu verbinden. Angestrebt wird eine Infrastruktur mit natürlichen, naturnahen, genutzten oder urbanen Landschaftsstrukturen, die zur Erhaltung von Biodiversität und anderer Umweltfaktorenbeiträgt und zugleich kostengünstige und nachhaltige Leistungen für die Gesellschaft erbringt. Im Unterschied zu Natura 2000 handelt es sich bei der Förderung von GI nicht um ein Rechtsinstrument; es ist nicht Ziel der GI-Initiative, ein zusätzliches Naturschutz-Netzwerk über Natura 2000 hinaus zu schaffen.

1.4

Der EWSA stellt fest, dass die maßgebliche Verantwortung für GI Projekte bei den Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Trägern der regionalen und lokalen Planung liegt. Der EU kommt bei der Förderung von GI in erster Linie eine unterstützende Rolle zu. Insbesondere ist das Konzept der GI in Politikbereiche wie Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Gewässer-, Meeres-, Fischerei-, Regional- und Kohäsionspolitik, Stadtplanung, Klimapolitik, Verkehrs- und Energiepolitik, Katastrophenschutz und Landnutzung sowie in die entsprechenden EU-Finanzierungsinstrumente unverzüglich wirkungsvoll zu integrieren.

1.5

Bei GI-Projekten von europaweiter Bedeutung muss die EU unmittelbar Verantwortung übernehmen. Der EWSA unterstützt den Vorschlag, analog zu den Transeuropäischen Netzwerken Verkehr, Energie und Telekommunikation – ein TEN-G zur Finanzierung grüner Infrastruktur einzuführen, mit einer Liste kartografisch dargestellter GI-Projekte von europaweiter Bedeutung.

1.6

Bei GI Projekten auf regionaler und lokaler Ebene sind Hauptakteure die Träger regionaler und lokaler Planung, die Städte und Gemeinden, die Träger von Infrastrukturprojekten in Bereichen wie Straßenbau, Bahn, Wasserbau und Hochwasserschutz, Land- und Forstwirte, Unternehmen und Bauherren, zivilgesellschaftliche Umweltschutzorganisationen und Gewerkschaften. Diese Akteure gilt es zu stärken. Denn der Erfolg von GI-Projekten hängt entscheidend davon ab, dass sie von diesen Akteuren initiiert, akzeptiert und getragen werden.

1.7

Der EWSA hält es für unabdingbar, der frühzeitigen Beteiligung der Zivilgesellschaft in GI-Projekte deutlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen, als dies in der Mitteilung der Kommission der Fall ist. Partizipative Planungsprozesse mit frühzeitiger Beteiligung der Bürger und zivilgesellschaftlichen Organisationen haben entscheidende Bedeutung.

1.8

Dabei ist zu beachten, dass GI-Projekte auch Konflikte zwischen den legitimen Interessen verschiedener Beteiligter hervorrufen können und daher geeignete Mechanismen zur Lösung von Konflikten, zum Interessenausgleich und zur Projektoptimierung vorgesehen werden müssen. Richtig gehandhabt, könnte GI dazu beitragen, die traditionellen Konfliktlinien im Naturschutz zwischen Schutz und Nutzung zu entschärfen oder zu überwinden. Der EWSA betont, dass zur Mobilisierung der erforderlichen privaten Investitionen ausreichende Anreize geschaffen werden müssen.

2.   Einleitung

2.1

Die Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt ist aufgrund des Eigenwertes der Biodiversität sowie aufgrund der von ihr – als Naturkapital – erbrachten Dienstleistungen von grundlegender Bedeutung für das menschliche Wohlergehen, den wirtschaftlichen Wohlstand und humane Lebensbedingungen. In ihrer Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 (1) hat sich die Europäische Kommission daher das Ziel gesetzt, bis 2020 den Verlust an biologischer Vielfalt und die Verschlechterung der Ökosystemleistungen in der EU aufzuhalten und sie weitest möglich wiederherzustellen. Insbesondere sollen durch eine europäische GI-Strategie grüne Infrastrukturen gefördert werden.

2.2

Die von der Kommission am 6. Mai 2013 angenommene Mitteilung "Grüne Infrastruktur (GI) – Aufwertung des europäischen Naturkapitals" umfasst folgende Schwerpunkte:

Förderung von GI in wesentlichen Politikbereichen wie Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Gewässer-, Meeres-, Fischerei-, Regional- und Kohäsionspolitik, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, Verkehrs- und Energiepolitik, Katastrophenschutz und Landnutzung durch die Veröffentlichung von Leitlinien zur Integration des GI-Konzeptes in die Durchführung dieser Politiken im Zeitraum 2014 bis 2020;

Verbesserung der Forschung zu GI, der Daten- und Wissensgrundlage und Förderung innovativer Technologien;

Verbesserung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln für grüne Infrastrukturprojekte - bis 2014 Errichtung einer speziellen Fazilität der EU zur Unterstützung grüner Infrastrukturprojekte gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank;

Förderung grüner Infrastrukturprojekte auf EU-Ebene – bis Ende 2015 Prüfung der Entwicklung eines Netzes von Projekten grüner Infrastruktur mit EU-weiter Bedeutung im Rahmen einer TEN-G Initiative durch die Kommission.

2.3

In seiner Stellungnahme zur Biodiversitätsstrategie vom 26. Oktober 2011 (2) hatte der EWSA die Biodiversitätsstrategie im Grundsatz begrüßt, aber das Fehlen einer Analyse der Ursachen für die Verfehlung der Biodiversitätsziele kritisiert. Insbesondere der mangelnde politische Wille in den Mitgliedstaaten verhindere deren effektive Umsetzung.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Eine anschauliche Definition von GI wird von David Rose in "Green Infrastructure. A Landscape Approach" verwendet: "Als Grüne Infrastruktur werden Elemente bezeichnet, die die natürliche mit der baulichen Umwelt verbinden und Städte lebenswerter machen, wie z.B. Parks, Fußwege, begrünte Dächer, begrünte Straßen und der städtische Baumbestand. Auf der regionalen Ebene umfasst die grüne Infrastruktur das Netz aus natürlichen Gebieten, Grünflächen, grünen Wegen, (forst- und landwirtschaftlichen) Nutzflächen und weiteren Elementen, die allesamt einen vielfältigen Nutzen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen und der Ökosysteme erbringen, (…)".

3.2

Beispiele für GI sind:

Die Schaffung oder Erhaltung natürlicher Überschwemmungsgebiete: Während ein Deich allein Überschwemmungen vorbeugt, filtern Überschwemmungsgebiete darüber hinaus das Wasser, stabilisieren den Grundwasserspiegel, bieten Erholungsmöglichkeiten, speichern CO2, liefern Nutzholz und tragen zur Vernetzung natürlicher Lebensräume bei.

Wälder, die eine gute Mischung von Art, Alter und Struktur aufweisen, absorbieren große Mengen Wasser und schützen den Boden, vermeiden Überschwemmungen und Erdrutsche bzw. verringern deren Folgen.

GI als integraler Bestandteil der Entwicklung von Siedlungsräumen: Richtig gestaltete Parks, Alleen, Wanderwege, begrünte Dächer und Wände stellen eine kosteneffiziente Verbesserung des Stadtklimas dar und steigern generell die städtische Lebensqualität. Überdies tragen sie zur biologischen Vielfalt und Bekämpfung des Klimawandels bei.

3.3

82 % der Flächen in der EU befinden sich außerhalb des Natura-2000-Netzes. Damit liegt es auf der Hand, dass die Erhaltung und Wiederherstellung von biologischer Vielfalt durch Förderung grüner Infrastruktur auch außerhalb von Natura 2000 sowohl für die Funktionsfähigkeit des Schutzgebietsnetzes als auch für die Bereitstellung von Ökosystemleistungen insgesamt unentbehrlich ist. Im Unterschied zu Natura 2000 handelt es sich bei der Förderung von GI nicht um ein Rechtsinstrument. Sie kann daher nicht die Umsetzung von Natura 2000 ersetzen, sondern ergänzt sie um eine weitere Komponente. Auf der anderen Seite ist es nicht Ziel der GI-Initiative, ein zusätzliches Naturschutz-Netzwerk über Natura 2000 hinaus zu schaffen. Der EWSA plädiert dafür, die GI-Initiative insbesondere auch dazu zu nutzen, den kooperativen Natur- bzw. Umweltschutz zu fördern und in allen Mitgliedstaaten deutlich voranzubringen.

3.4

Der EWSA unterstreicht die Dringlichkeit einer frühzeitigen und aktiven Beteiligung der Zivilgesellschaft an GI-Projekten, wie sie auch in dem Aarhus-Übereinkommen zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten vorgesehen ist. Zahlreiche Beispiele belegen, wie sehr der Erfolg von Projekten von der Zustimmung oder Ablehnung der Zivilgesellschaft abhängt. Deshalb sollte der Bottom-up-Ansatz sowie der Aufbau von Partnerschaften mit Beteiligten der Kommunen, Trägern von Infrastrukturprojekten, der Wirtschaft und Gewerkschaften, der Land- und Forstwirtschaft, der Wasserwirtschaft und des Küstenschutzes sowie von Umwelt-NGO in der Strategie der Europäischen Kommission sehr viel deutlicher zum Ausdruck kommen.

3.5

Der EWSA stellt mit Bedauern fest, dass es sich bei der Mitteilung der Kommission zur GI nicht um die in der Strategie zur Biodiversität 2020 angekündigte Europäische Strategie zur GI handelt. Der EWSA begrüßt gleichwohl die in der Mitteilung angekündigten Aktionen als Schritte in die richtige Richtung. Die Erfahrungen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen sollten genutzt werden, um diese zu einer Strategie für GI fortzuentwickeln.

3.6

Der EWSA hält es für notwendig, noch mehr als in der Mitteilung geschehen Schwerpunkte bei der Umsetzung der GI zu setzen. Wie in der Biodiversitätsstrategie fehlt auch in der Mitteilung eine klare Analyse der Ursachen, warum sich grüne Infrastruktur nicht in ausreichendem Maße durchsetzt. Einem Mangel an politischem Willen in einzelnen Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Konzepte wird mit den vorgesehenen technischen Leitlinien und der Verbesserung der Informations- und Wissensgrundlage allein nicht beizukommen sein. Eine wirksame GI-Strategie setzt nach Meinung des EWSA ein stringentes Monitoring, eine kritische Analyse der Maßnahmen in den Mitgliedstaaten sowie erforderlichenfalls gezielte Folgemaßnahmen zur Unterstützung von Mitgliedstaaten oder Regionen mit deutlichen Defiziten voraus.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Rolle der EU bei der Förderung von GI

4.1.1

Die maßgebliche Verantwortung für GI Projekte liegt bei den Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Trägern der regionalen und lokalen Planung. Der EU kommt hier in erster Linie eine unterstützende Rolle zu durch die öffentliche Verbreitung des Konzepts der GI sowie, wie in der Mitteilung der Kommission vorgesehen, durch die Bereitstellung geeigneter und gut zugänglicher Informations- und Wissensgrundlagen. Darüber hinaus haben die EU-Finanzierungsinstrumente erheblichen Einfluss auf die regionale und lokale Planung, weshalb die Integration des GI Konzeptes in diese Finanzierungsinstrumente hohe Priorität haben muss.

4.1.2

Bei bestimmten GI-Projekten von europaweiter Bedeutung muss die EU unmittelbar Verantwortung übernehmen. Solche Projekte beruhen typischerweise auf grenzüberschreitenden Landschaftseinheiten wie Gebirgszügen, Flüssen oder Waldgebieten. Als gelungenes Beispiel wird in der Mitteilung das europäische Grüne Band erwähnt. Besonderes Augenmerk sollte auch grenzüberschreitenden Flusstälern als Basis einer europäischen GI gewidmet werden. Gerade bei Flüssen wie der Donau oder Elbe, die in diesem Jahr erneut ernste Hochwasserschäden zu beklagen hatten, kann über GI Konzepte eine Verbesserung des Hochwasserschutzes mit der Erhaltung sensibler, für die Biodiversität europaweit bedeutsamer Gewässerzonen sowie der wirtschaftlichen und touristischen Entwicklung verbunden werden.

4.1.3

Der EWSA befürwortet die Förderung eines strategisch geplanten europäischen Netzwerks von GI-Projekten europaweiter Bedeutung mit einer Liste kartographisch dargestellter Projekte. Diesem Vorhaben muss im Rahmen einer TEN-G Initiative ein ähnlicher Stellenwert wie den europäischen Infrastrukturinitiativen in den Bereichen Verkehr, Energie und Telekommunikation eingeräumt werden.

4.2   Verbreitung des Konzepts der GI

Eine wesentliche Ursache für die unzureichende Verbreitung und Förderung von GI sieht der EWSA in dem mangelnden Wissen um das Konzept der GI und seine praktischen Vorteile, einschließlich möglicher Kostenvorteile. Richtigerweise setzt sich die Kommission daher zum Ziel, wichtige Interessenträger stärker für GI zu sensibilisieren, den Informationsaustausch zu bewährten Praktiken zu fördern und die Wissensgrundlage zur GI zu verbessern. Hierfür bieten insbesondere die sozialen Medien eine gute Plattform. Der EWSA hält den Gebrauch einer anschaulichen und für die Öffentlichkeit verständlichen Definition von GI für eine wesentliche Voraussetzung dieser Öffentlichkeitsarbeit. Die von der Kommission verwendete Definition erfüllt diese Anforderung nicht (3).

4.3   Berücksichtigung der spezifischen Situation in den jeweiligen Mitgliedstaaten

4.3.1

Die Situation in Bezug auf die Verfügbarkeit naturbelassener, naturnaher oder urbaner Flächen ist in den einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen sehr unterschiedlich. Während in einigen dichtbesiedelten Regionen und Städten die Flächennutzung mit "grauer Infrastruktur" extrem hoch ist, verfügen andere Regionen über große naturbelassene Flächen. Bei europäischen Maßnahmen zur Förderung von GI muss differenziert werden zwischen solchen Regionen, in denen es um die Schaffung neuer GI geht, und anderen Gebieten, wo der Schwerpunkt eher bei der Erhaltung und Pflege der Landschaften liegt.

4.4   Integration in Schlüsselpolitikbereiche und deren Finanzierungsinstrumente

4.4.1

Richtigerweise wird der effektiven Integration von GI-Aspekten in eine große Brandbreite von Politikbereichen in der Mitteilung oberste Priorität eingeräumt.

4.4.2

Der EWSA begrüßt die Erarbeitung technischer Leitlinien mit Grundsätzen und Rahmenbedingungen für die Einbeziehung von GI-Aspekten in die Regional- und Kohäsionspolitik, die Klima- und Umweltpolitik, die Gesundheits- und Verbraucherpolitik sowie die Gemeinsame Agrarpolitik, einschließlich der dazugehörigen Finanzierungsmechanismen. Diese sollten rasch veröffentlicht werden, damit die Mitgliedstaaten, die schon jetzt an den operationellen Plänen arbeiten, die Leitlinien für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 nutzen können.

4.4.3

GI ist nicht nur auf öffentliche, sondern auch auf private Investitionen angewiesen. Der EWSA betont, dass private Investitionen in GI ausreichender Anreize bedürfen. Der EWSA begrüßt das Vorhaben der Errichtung einer speziellen EU-Finanzierungsfazilität gemeinsam mit der EIB.

4.5   Effektive Beteiligung der Zivilgesellschaft in der regionalen und lokalen Planung

4.5.1

Die Notwendigkeit der Integration von GI in die regionale Raumplanung und lokale Planung wird in der Mitteilung zwar erkannt, der EWSA vermisst aber diesbezüglich konkrete Maßnahmen im Aktionsplan. Gerade die Raum-, Landschafts- und Bauleitplanung vor Ort hat erhebliche Auswirkungen auf die Umsetzung der GI, kann aber aufgrund des Subsidiaritätsprinzips nur begrenzt von der europäischen Ebene beeinflusst werden.

4.5.2

Der EWSA fordert, besonders die frühzeitige Beteiligung der regionalen und lokalen zivilgesellschaftlichen Akteure sicherzustellen, ohne die Projekte zur GI nicht zu realisieren sein bzw. mangels Akzeptanz scheitern werden. Erforderlich sind partizipative Planungsprozesse, die diesen Akteuren eine aktive und gestaltende Rolle geben. Dabei sollte beachtet werden, dass es auch bei der Entscheidung über GI nicht nur Win-win-Konstellationen gibt, sondern einzelne Beteiligte gegebenenfalls auch Nachteile in Kauf nehmen müssen (z.B. wenn die Erhaltung von GI an Fluss- oder Seeufern Bauverbote zur Folge hat). Zielkonflikte aus konkurrierenden Nutzungsansprüchen (z.B. Nahrungsmittelerzeugung, Siedlungs- und Infrastruktur, Biotopverbund, Biodiversität) müssen klar angesprochen und Lösungswege aufgezeigt werden.

4.6   GI in urbanen Gebieten

4.6.1

Der EWSA sieht ein enormes Potenzial für GI-Maßnahmen in den städtischen Räumen. Dort bringen sie gesundheitliche Vorteile, verbessern das Stadtklima, schaffen Arbeitsplätze und erhöhen die Attraktivität der Städte. Gerade in den Städten kommt es darauf an, das Verständnis für GI-Lösungen – angefangen in den Schulen – zu verbessern und die aktive Mitarbeit der Zivilgesellschaft zu verstärken. Das derzeit große Interesse an urbanem Gartenbau und urbaner Landwirtschaft sieht der EWSA als starkes Zeichen für die Bereitschaft vieler Bürger, selbst zu intakten Ökosystemen beizutragen und neue Formen von Gemeinschaft und Gemeinsinn zu erproben.

4.7   Integration in Landwirtschaft und ländliche Entwicklung

4.7.1

Art und Umfang der Integration von GI hängen hier wesentlich von den Ergebnissen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und des mehrjährigen Finanzrahmens der EU für 2014-2020 (MFR) ab. Für beide Bereiche sind politische Übereinkommen erzielt worden. Der EWSA hat sich wiederholt für eine multifunktionale Landwirtschaft sowie für funktionsorientierte Direktzahlungen eingesetzt. Bei der jetzt anstehenden Agrarreform wurde im Sinne einer stärkeren Ökologisierung der europäischen Landwirtschaft u.a. die Gewährung der Direktzahlungen an die Erfüllung höherer Umweltstandards und an die Ausweisung ökologischer Vorrangflächen gebunden. Der EWSA wird die Beschlüsse zur GAP-Reform eingehend prüfen und mit seinen Positionen abgleichen.

4.7.2

Der EWSA erwartet, dass im Rahmen des Europäischen Fonds für die ländliche Entwicklung und insbesondere bei den Agrarumweltmaßnahmen weitere Leistungen im Sinne einer ökologischen Konnektivität erbracht werden. Wiederholt hat der EWSA darauf verwiesen, dass bei einem Großteil der Land- und Forstwirte eine positive Affinität zum Natur- und Biotopschutz besteht. Viele Modellprojekte belegen eindrucksvoll, dass in einem partnerschaftlichen Miteinander Positives bewirkt werden kann. Der EWSA regt an, dass sowohl extensiv als auch intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen, die ressourcenschonend bewirtschaftet werden, in GI-Projekte einbezogen werden. Freiwillige, produktionsintegrierte Maßnahmen sollten hier bevorzugt werden. Auch gilt es, die Potenziale von GI für die ländliche Entwicklung in sozialer und demografischer Hinsicht zu erschließen.

4.8   Verbindung GI zu anderen Politikbereichen

4.8.1

Integriertes Management von Gewässern und Küsten sollte die Potenziale der GI möglichst effektiv nutzen (4).

4.8.2

Die Verschlechterung der Ökosysteme in der EU ist vor allem eine Folge des zunehmenden Flächenverbrauchs, der Flächenfragmentierung und intensiveren Flächennutzung. GI kann dieser Entwicklung begegnen. Sie sollte durch verstärkte Maßnahmen in der europäischen Bodenschutzpolitik zur Reduktion des Flächenverbrauchs, einschließlich legislativer Schritte, unterstützt werden (5).

4.8.3

GI fungiert insbesondere durch den Schutz natürlicher Böden als CO2-Senke. Angesichts des generellen Ziels der Klimapoltik, die europäische Wirtschaft in Richtung einer kohlenstoffarmen und bio-basierten Wirtschaft zu entwickeln, werden gut funktionierende Ökosysteme umso wichtiger. Der vielfältige Nutzen von GI sollte in den Strategien der Mitgliedstaaten zur Anpassung an den Klimawandel besonders berücksichtigt werden.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2011) 0244 final.

(2)  Stellungnahme des EWSA "Eine Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020". ABI. C 24 vom 28.1.2012 S. 111-116.

(3)  COM(2013) 249 final, S. 3.

(4)  EWSA Stellungnahme zur "maritimen Raumplanung und zum integrierten Küstenzonenmanagement" (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(5)  EWSA Stellungnahme zum "7. Umweltaktionsprogramm" (Punkt 4.2.2) ABI. C 161 vom 6.6.2013, S. 77-81.