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/* KOM/2011/0381 endgültig */ BERICHT DER KOMMISSION über die Umsetzung der EU-Strategie für den Ostseeraum


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EU-Strategie für den Ostseeraum – Bericht 2011

1. Einleitung

Der EU-Ostseeraum mit seinen knapp 85 Millionen Einwohnern (17 Prozent der EU-Bevölkerung) hat die zahlreichen Chancen der Erweiterung aktiv genutzt, um die europäische Integration voranzubringen und den regionalen Zusammenhalt zu verbessern. Das Bewusstsein für die gemeinsamen natürlichen Ressourcen und die empfindliche Umwelt des Ostseeraums nimmt infolgedessen zu. Darüber hinaus hat die jüngste Wirtschaftskrise gezeigt, wie wichtig Zusammenarbeit ist, und die Länder des Ostseeraums haben sich erfolgreich dieser Herausforderung gestellt.

Die von der Europäischen Kommission im Juni 2009 angenommene EU-Strategie für den Ostseeraum [1], die vom Europäischen Rat im Oktober 2009 [2] gebilligt wurde, hat ihren Teil dazu beigetragen. Darin werden die wichtigsten Herausforderungen und ungenutzten Potenziale dieses riesigen Gebiets angesprochen, das rund ein Drittel der Gesamtfläche der EU ausmacht. Die Strategie liefert einen umfassenden Rahmen für die Verbesserung der Umweltbedingungen dieses flachen, nahezu abgeschlossenen Meeres, für die Beseitigung der Verkehrsengpässe und für den Ausbau des Energieverbundnetzes. Sie erleichtert die Entwicklung grenzübergreifender Märkte sowie gemeinsamer Forschungs-, Innovations- und Unternehmensnetze. Durch diese konkreten Schritte leistet die Strategie einen signifikanten Beitrag zu wichtigen EU-Politikbereichen wie der Strategie Europa 2020 und der integrierten Meerespolitik und stärkt darüber hinaus die europäische Integration des Ostseeraums nach der Erweiterung.

Die Strategie zeigt, dass durch gemeinsame Maßnahmen die Herausforderungen – Förderung einer nachhaltigen Umwelt, Steigerung des Wohlstands der Region, Verbesserung der Zugänglichkeit und Attraktivität sowie Gewährleistung der Sicherheit – erfolgreich bewältigt werden können. Die Strategie unterstützt die Bemühungen, gemeinsame EU-Ziele zu erreichen, und umfasst territoriale und sektorale Themen, die auf gemeinsamen Herausforderungen basieren. Die Nördliche Dimension, eine gemeinsame politische Initiative der EU, Russlands, Norwegens und Islands, bildet die Grundlage für die externe Zusammenarbeit.

Die Strategie, deren Umsetzung inzwischen weit fortgeschritten ist, veranschaulicht den Nutzen einer neuen Art der Zusammenarbeit. Sie ist Ausdruck des Engagements der Partner auf nationaler, regionaler und zivilgesellschaftlicher Ebene, das insbesondere auf der Arbeit des Europäischen Parlaments und der breiten lokalen Beteiligung an der offenen Konsultationsphase basiert [3]. Zwar zeigt sich bei der Durchführung, dass in bestimmten Punkten Verbesserungen notwendig sind, wie bei der Abstimmung der Finanzierung und der Organisationsstruktur; allerdings wirkt sich nach Einschätzung der Kommission die Strategie bereits jetzt positiv auf die Zusammenarbeit im Ostseeraum aus.

Der Rat hat die Kommission aufgefordert, „dem Rat spätestens im Juni 2011 über die erreichten Fortschritte und die bereits erzielten Ergebnisse zu berichten“ [4]. Der vorliegende Bericht folgt auf den Zwischenbericht 2010, der mit zahlreichen Akteuren auf dem Jahresforum in Tallinn am 14./15. Oktober 2010 erörtert wurde. Da die Strategie ein dynamischer, innovativer Prozess ist, der Zeit braucht, enthält dieser Bericht auch Empfehlungen für Verbesserungen in den kommenden Jahren. Er dient ferner als Inspirationsquelle für die EU-Strategie für den Donauraum und für andere mögliche künftige Initiativen, darunter auch solche mit ähnlicher oder noch umfangreicherer maritimer Dimension.

2. Wichtigste Errungenschaften

Dank der Strategie kam es zu konkreten Maßnahmen und einer gezielteren Verwendung von Mitteln. Neue Arbeitsmethoden und Netze wurden aufgebaut, zahlreiche Initiativen wurden entwickelt. Dazu gehören:

2.1 Neue Projekte

Zahlreiche neue Projekte wurden entwickelt und finanziert [5], um die Ziele der 15 Schwerpunktbereiche des Aktionsplans zur Strategie zu erreichen, z. B.:

- Baltic Deal: Zusammenarbeit mit Landwirten des gesamten Ostseeraums zur Verringerung von Nährstoffeinträgen und Eutrophierung

- CleanShip: Verringerung der Umweltverschmutzung durch Schiffe und Verleihung einer „Clean Baltic Sea Shipping“-Flagge

- LNG-Machbarkeitsstudie: Entwicklung eines nachhaltigen Kurzstreckenseeverkehrs

- BaltAdapt: Ausarbeitung eines regionalen Plans zur Anpassung an den Klimawandel

- BSR Stars: Unterstützung eines Programms für Innovation, Cluster und KMU-Netze, das die gemeinsame Innovationskapazität des Ostseeraum verbessert, die vorhandenen Netze und Cluster beträchtlich ausweitet und neue Netze von auf Innovation spezialisierten Fachleuten, Unternehmen, FuE-Einrichtungen und politischen Entscheidungsträgern schafft

- ScanBalt Health Port: Förderung des Ostseeraums als weltweit führende und wohlhabende „Gesundheitsregion“

- Baltic Transport Outlook: Strukturierte Unterstützung bei der Planung der Verkehrsinfrastruktur des Ostseeraums auf der Grundlage von Analysen der Personen- und Güterströme

Die hier aufgelisteten Projekte sind lediglich einige Beispiele für die mehr als 80 Vorzeigeprojekte, die im Rahmen des Aktionsplans durchgeführt werden. Einige Projekte befassen sich mit dem gesamten Spektrum der miteinander zusammenhängenden Herausforderungen des Ostseeraums, z. B. mit der Entwicklung mariner Schutzgebiete (so dass die Ostsee als weltweit erster Meeresraum das Ziel des Übereinkommens über die biologische Vielfalt erreicht, mindestens zehn Prozent seiner Fläche zum Schutzgebiet zu erklären). Andere Projekte betreffen weitere verschiedene Themen der Zusammenarbeit im Ostseeraum, wie die Kontrolle der Verwendung gefährlicher Stoffe, die Beseitigung von Binnenmarkthemmnissen und die Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen rund 200 regionalen Universitäten.

Diese frühen Initiativen haben Beispielcharakter für andere Projektträger.

2.2 Neuer Schwung für laufende Projekte

Die Strategie baut auf den Erfahrungen von früheren Kooperationsprojekten und laufenden Projekten auf. Sie sorgt für eine größere Sichtbarkeit, eine Ausweitung der Netze und klarere direkte Verbindungen zur nationalen und europäischen politischen Entscheidungsebene. Beispiele:

- Die Integration der drei baltischen Staaten in den europäischen Energiemarkt wird durch den Verbundplan für den baltischen Energiemarkt bewerkstelligt, der auf den in der Strategie ermittelten makroregionalen Energieprioritäten basiert.

- Bessere Technologien wie Schlammlaster und Entsorgungsfahrzeuge für ölhaltiges Wasser wurden im Rahmen des Projekts Baltic Master II entwickelt, um Schiffen in den Häfen die Entsorgung ihrer Abfälle zu erleichtern. An diesem Projekt sind inzwischen rund 15 Häfen des Ostseeraums beteiligt.

Die Strategie sorgt außerdem für Ergebnisorientierung und Größenvorteile, z. B. durch die Zusammenfassung von Projekten mit ähnlichen Inhalten:

- Projekte zur nachhaltigen Landwirtschaft: Baltic Compass als Anlaufstelle für politische Fragen, Baltic Manure, das sich mit dem Problem tierischer Ausscheidungen als Hauptverschmutzungsquelle der Ostsee befasst, und Baltic Deal zur Beratung von Landwirten

- Die drei Verkehrsprojekte TransBaltic, East West Transport Corridor II und Scandria vereinbaren gemeinsame Aktivitäten, die Aufteilung der Arbeiten und Harmonisierungsmaßnahmen zur Errichtung grüner Korridore

Viele andere laufende Projekte haben von dem verbesserten strategischen Rahmen profitiert, Verbindungen untereinander aufgebaut und dadurch ihren Wirkungsgrad verbessert.

2.3 Neue und entstehende Netze

Die Strategie fördert den Aufbau neuer integrativer Netze sowie eine stärkere Zusammenarbeit und bessere Arbeitsteilung in bereits existierenden Netzen. Sie bietet einen gemeinsamen Bezugspunkt für die zahlreichen Organisationen des Ostseeraums. Akteure und Einrichtungen richten ihre Arbeit immer mehr auf die Prioritäten des Aktionsplans aus.

So bietet die Strategie

- einen neuen Rahmen für die Zusammenarbeit der maritimen Gemeinschaft. Die Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes (HELCOM) ist eng in die Umweltmaßnahmen eingebunden. Sie ist in mehreren Schwerpunktbereichen federführender Partner von Vorzeigeprojekten, und ihr Ostsee-Aktionsplan und die Strategie unterstützen sich gegenseitig dabei, den in der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie geforderten guten Umweltzustand zu verwirklichen. Regionale Organisationen, wie der Rat der Ostseestaaten (CBSS), die Parlamentarische Konferenz der Ostseeanrainerstaaten und die subregionale Zusammenarbeit der Ostseeanrainerstaaten haben für mehr Zusammenarbeit und bessere Governance in maritimen Angelegenheiten gesorgt.

- Im Hinblick auf Fragen der Nachhaltigkeit wurden Verbindungen mit der CBSS-Expertengruppe Baltic 21 aufgebaut.

- Aufgrund der Strategie für den Ostseeraum hat der Nordische Ministerrat seine Netze auf den gesamten Ostseeraum ausgeweitet.

- Die Taskforce zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Ostseeraum hat vorhandene Strukturen auf neue Art genutzt, um den Schaden durch grenzübergreifende Kriminalität weiter zu verringern, was besonders wichtig ist, da lokale und regionale Behörden mit größeren Entscheidungs- und Haushaltsbefugnisse zielgerichteter arbeiten können.

- Die Verkehrsministerien im Ostseeraum koordinieren inzwischen die Planung ihrer Infrastrukturinvestitionen.

- Im Rahmen der Nördlichen Dimension hat die Partnerschaft für Gesundheit und soziales Wohlergehen (NDPHS, federführender Partner des Schwerpunktbereichs Gesundheit) Verbindungen zu neuen Partnern geknüpft, z. B. dem Netz „e-Health for Regions“.

- Im Kontext der EU-Strategie wurde das gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprogramm für die Ostsee BONUS entwickelt, das durch einen europäischen Beschluss vom September 2010 mit einem Budget von 100 Mio. EUR ausgestattet wurde. Ziel von BONUS ist die Unterstützung gemeinsamer Programmplanung und gezielter Forschung über die wichtigsten Probleme, mit denen die Ostsee konfrontiert ist. Die Durchführungsphase beginnt im November 2011.

Dieser neue, verknüpfte Ansatz zur Lösung von Problemen des Ostseeraums stellt in der Tat einen sehr wichtigen Fortschritt dar. Es gibt noch viele andere Beispiele für neu entstehende Netze – zur Förderung eines umweltgerechten öffentlichen Beschaffungswesens, zur Zusammenarbeit im Hinblick auf die vollständige Verwirklichung des Binnenmarktes, zur Förderung von Forschung und Innovation, und sogar in Bereichen wie Tourismus, die traditionell von Konkurrenz geprägt sind. Angesichts der entscheidenden Bedeutung der Ostsee selbst wurde ein neues Netz für maritime Ausbildung eingerichtet, das regionale Exzellenzzentren zusammenführen soll.

2.4 Entwicklung und Kohärenz politischer Strategien

Bei der Strategie für den Ostseeraum geht es nicht nur um Projekte. Die integrierte Vorgehensweise fördert auch eine bessere Entwicklung und Anpassung politischer Strategien sowie eine effizientere Umsetzung vorhandener Ansätze. Es bedeutet außerdem, dass sektorale politische Maßnahmen – in den Bereichen Verkehr, Bildung, Energie und Klima, Umwelt, Fischerei, Industrie, Innovation, Gesundheit und Landwirtschaft – kohärent und auf die Bedürfnisse des Ostseeraums als Ganzes abgestimmt sind. So müssen Umweltaspekte in alle politischen Überlegungen auf allen Ebenen – auch in Gespräche auf lokaler zivilgesellschaftlicher Ebene – einbezogen werden, damit tatsächlich positive Umweltauswirkungen erzielt werden können.

Weitere Beispiele:

- Das Vorzeigeprojekt „Abschaffung von Phosphaten in Detergenzien“ informiert politische Entscheidungsträger über nationale rechtliche Maßnahmen, die notwendig sind, um die Verwendung von Phosphaten in Waschmitteln und Geschirrspülmitteln zu verringern.

- Das Projekt Baltic Sea Labour Network veröffentlicht strategische Arbeitsmarktempfehlungen im Hinblick auf eine nachhaltige Mobilität.

- Das Projekt MARSUNO verbessert die Integration der maritime Überwachungssysteme und liefert ein Modell für politische Entscheidungsträger EU-weit.

- Das Forum BaltFish bietet dem Ostseeraum und der EU eine gute Gelegenheit, einen neuen, stärker regional ausgerichteten Ansatz für die Fischbestandsbewirtschaftung zu entwickeln und zu testen [6].

Die starke maritime Komponente der Strategie umfasst die regionale Umsetzung der integrierten EU-Meerespolitik [7]. Mit bereichsübergreifenden Maßnahmen in der maritimer Raumplanung werden Entscheidungsfindungsprozesse verbessert und sektorale Interessen, die um Meeresraum konkurrieren, gegen die nachhaltige Nutzung der Meeresgebiete abgewogen. Durch die Integration der maritimen Überwachungssysteme erfolgt eine bessere Abstimmung zwischen verschiedenen Politikbereichen, und die Akteure können Informationen austauschen und so ihre Reaktionsmöglichkeiten verbessern. Darüber hinaus bringen Initiativen in der Ostsee, die auf einen sauberen und energieeffizienten Schiffsverkehr abzielen, und neue Technologien wie Offshore-Windanlagen neue Arbeitsplätze und neue wirtschaftliche Chancen.

2.5 Abstimmung der Finanzierung und anderer finanzieller Initiativen

Die Abstimmung der verfügbaren Finanzierungsmittel mit der Strategie ist für eine erfolgreiche Umsetzung von entscheidender Bedeutung. Die Konzentration der kohäsionspolitischen Anstrengungen – allein für den Ostseeraum stehen rund 50 Mrd. EUR zur Verfügung – sowie anderer wichtiger EU- und nationaler Finanzierungsquellen stellt immer noch eine Herausforderung dar. Wichtige Fortschritte wurden erzielt:

- Für mehrere Programme des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), wie die schwedischen Programme zum Ziel Wettbewerbsfähigkeit, wurden neue Auswahlkriterien festgelegt. Das transnationale Programm für den Ostseeraum steuerte 88 Mio. EUR zu den Vorzeigeprojekten bei und richtete ihre vierte Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen auf die gezielte Förderung der Strategie für den Ostseeraum aus. Im Rahmen der grenzübergreifenden Kooperationsprogramme wurden die Projektträger ermuntert, das Konzept der Strategie zu unterstützen. Es wurden Listen erstellt, die zeigen, wo und wie bestehende Kohäsionsprojekte zur Strategie beitragen; diese Listen werden von verschiedenen Programmbehörden zur Verfügung gestellt.

- Mit Unterstützung des Europäischen Fischereifonds (EFF) unterstützt das neu eingerichtete Ostseenetz der Verwaltungsbehörden und der Lokalen Aktionsgruppen im Fischereisektor (FLAG) die transnationale Zusammenarbeit bei der nachhaltigen Entwicklung der Fischereigebiete im Ostseeraum. Diese Zusammenarbeit dürfte in gemeinsame Projekte münden, die einen Beitrag zur Durchführung der EU-Strategie für den Ostseeraum leisten. Die Mitgliedstaaten haben in die jährlichen Durchführungsberichte 2010 außerdem ein spezielles Kapitel aufgenommen, in dem erläutert wird, wie ihre Programme zur Durchführung der Strategie beitragen.

- Einige Länder haben die Strategie auch durch Programme des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. So räumt die schwedische ESF-Verwaltungsbehörde den Anforderungen für transnationale Aktivitäten in den Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen höheren Stellenwert ein. Dänemark und Estland haben ebenfalls den transnationalen Beitrag ihrer ESF-Projekte hervorgehoben. Auf dieser Grundlage arbeitet die schwedische Verwaltungsbehörde mit den Verwaltungsbehörden in anderen Ostseeländern im Rahmen des informellen „ESF-Ostseenetzes“ zusammen, das im Rahmen eines speziellen Projektes in den Jahren 2011 und 2012 gerade entwickelt und konsolidiert wird.

- Andere EU-Finanzierungsprogramme entscheiden sich für einen strategieorientierten Ansatz. Das Vorzeigeprojekt „Nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums“ wurde als transnationales Projekt der vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) geförderten Programme zur ländlichen Entwicklung finanziert.

- Im Bereich Forschung und Entwicklung wurden die Verbindungen zwischen BONUS und der Strategie verstärkt. Es wurden Schritte eingeleitet, um Innovationsfinanzierungsagenturen einzubeziehen und das Vorzeigeprojekt „BSR Stars“ stärker zu nutzen.

- Auf Initiative des Europäischen Parlaments wurden im EU-Haushaltsplan 2011 hauptsächlich für die Unterstützung der Arbeit der Schwerpunktbereichskoordinatoren 2,5 Mio. EUR zweckgebunden.

- Darüber hinaus haben die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Nordische Investitionsbank (NIB) Darlehen an zahlreiche Vorzeigeprojekte vergeben. Beispiele hierfür sind das Wasser- und Abwasserprojekt Wrocław (Projektkosten 158 Mio. EUR) und Teile der „Rail Baltica“ in Lettland (Projektkosten 80 Mio. EUR), die beide durch Darlehen der EIB unterstützt werden.

Die Kommission und die Europäische Investitionsbank (EIB) prüfen die Möglichkeit einer gemeinsamen Durchführungsfazilität. So fiele die Ausarbeitung „bankfähiger Projekte“ mit einer Kombination von Finanzhilfen und Darlehen sowie die Überwachung und Förderung einer effizienten Projektdurchführung leichter.

Auch andere Organisationen haben einen Beitrag geleistet. So haben der Nordische Ministerrat und die Schwedischen Agentur für Internationale Entwicklungszusammenarbeit (SIDA) Startkapital bereitgestellt. Ferner wurden nationale, regionale, lokale und private Finanzierungsmittel aufgeboten.

2.6 Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Ostseeraum

Da es sich bei der Strategie um eine EU-Initiative handelt, ist sie für Drittstaaten nicht verbindlich. Allerdings haben die drei am stärksten betroffenen Länder – Russland, Norwegen und Belarus – allesamt ihre Unterstützung angekündigt. Die Zusammenarbeit mit Russland, einem unverzichtbaren Partner im Ostseeraum, wird auf mehreren Ebenen gepflegt:

- Die Nördliche Dimension hat Diskussionen und gemeinsame Maßnahmen ermöglicht. So beschäftigt sich die Partnerschaft Verkehr und Logistik aktiv mit geografischen Fragen des Ostseeraums, wie den großen Entfernungen und strukturellen Engpässen.

- Vorhandene Gremien und Partnerschaften wie CBSS und HELCOM haben die gemeinsame Planung mit allen Partnern der Region angeregt.

- Die Europäische Kommission und die Russische Förderation haben die Arbeiten zu bestimmten Aspekten der Zusammenarbeit verstärkt, insbesondere bei Projekten von gemeinsamem Interesse; gute Beispiele hierfür finden sich im Kontext der Modernisierungspartnerschaft EU-Russland, die im Juni 2010 eingeläutet wurde.

- Auch die Regionen haben auf bilateraler Ebene konkrete Initiativen und Projekte entwickelt.

Für die Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Rahmen der Strategie wurden im EU-Haushaltsplan 2010 mit 20 Mio. EUR bereitgestellt, wiederum auf Initiative des Europäischen Parlaments. Diese Mittel sind vor allem für Umweltprojekte vorgesehen, die über die Umweltpartnerschaft für die Nördliche Dimension und HELCOM durchgeführt werden sollen.

3. Organisationsstruktur

Die Governancestruktur wurde weiterentwickelt, um den Beitrag der zahlreichen an der Strategie beteiligten Akteure und Organisationen zu maximieren. Zu der Vielzahl beteiligter Akteure zählen EU-Einrichtungen, internationale Finanzinstitute, politische Einrichtungen und Organisationen, makroregionale, auf unterschiedliche Politikbereiche spezialisierte Organisationen, regionale Organisationen und nichtstaatliche Organisationen sowie einzelne Regionen und Städte. Diese Vielfalt von Fachkompetenz kann in der Praxis nur durch eine Verteilung der Governance auf verschiedene Ebenen genutzt werden. Daraus ergibt sich Folgendes:

- Auf subnationaler Ebene legen einzelne Europaregionen, Regionen, Länder und Städte großes Engagement an den Tag; viele sind federführende Partner von Schwerpunktbereichen, horizontalen Maßnahmen und/oder Vorzeigeprojekten. Lokale Partner und Experten wurden eingebunden.

- Grundlage der Strategie ist die Einbeziehung der Schwerpunktbereichskoordinatoren (in der Regel nationale Ministerien, Agenturen oder Regionen) auf, die für alle größeren Bereiche des Aktionsplans verantwortlich sind.

- Die acht EU-Mitgliedstaaten der Region sind politisch auf höchster Ebene eingebunden, und die nationalen Kontaktstellen (NKS) sorgen für Kohärenz zwischen den verschiedenen Akteuren der Verwaltungen. Die entscheidende Aufgabe der NKP besteht darin, eine starke und koordinierte nationale Beteiligung, insbesondere aller relevanter Fachministerien, sicherzustellen.

- Die Ebene des Ostseeraums wird u. a. vertreten durch das Baltic Development Forum (BDF), HELCOM und VASAB (Visions and Strategies around the Baltic Sea – Leitbild und Strategien für den Ostseeraum), die direkt für die Durchführung mehrerer im Aktionsplan aufgeführten Projekte und Maßnahmen verantwortlich sind. Der Nordische Ministerrat, der Baltische Ministerrat und der CBSS räumen der Strategie auf ihrer politischen Agenda einen hohen Stellenwert ein, organisieren gemeinsame Veranstaltungen und beteiligen sich an Vorzeigeprojekten.

- Die europäische Ebene ist vertreten durch den fortlaufenden Kontakt mit den EU-Institutionen und beratenden Gremien, insbesondere durch eine für die Strategie zuständige hochrangige Beratergruppe, deren Mitglieder von allen Mitgliedstaaten benannt werden. Die Europäische Kommission stellt ihr unabhängige EU-Fachwissen zur Verfügung.

- Die Öffentlichkeit spielt eine entscheidende Rolle. Der Beitrag der Baltic Intergroup und des Ausschusses für Regionalpolitik des Europäischen Parlaments sowie des Ausschusses der Regionen und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses ist in diesem Zusammenhang sehr wertvoll.

- Der Aktionsplan hat sich als äußerst nützlich für die Organisation der Arbeiten herausgestellt. Er hat ermöglicht, die politischen Prioritäten zu bündeln, konkrete Aufgaben zu ermitteln und einer guten Planung Priorität einzuräumen. Er hat das Konzept der Strategie leicht verständlich gemacht und die Kommunikation erleichtert. Seine „fortlaufende“ Natur ist für die Arbeiten von zentraler Bedeutung, und er sollte regelmäßig aktualisiert werden.

Auf technischer Ebene stellt die Unterstützung durch das EU-INTERACT-Programmbüro in Turku eine wichtige Ressource dar. Bei der Strategie wurde außerdem pragmatisch auf andere vorhandene Strukturen zurückgegriffen. Ein Ansatz, bei dem die Grenzen des Ostseeraums flexibel sind, stellt sich als hilfreich bei der Bewältigung von Problemen heraus, da keine künstlichen geografischen Grenzen gezogen werden müssen.

4. Erfahrungen

Der Beitrag der Strategie zur Zusammenarbeit im Ostseeraum muss nun konsolidiert werden. Wichtige Punkte dabei sind:

· Erhaltung der politischen Dynamik

Der politische Wille ist weiterhin unabdingbar für den Erfolg der Strategie. Damit diese Dynamik nicht verloren geht, muss die Strategie einen Bezugspunkt für alle einschlägigen Sitzungen und Gipfeltreffen darstellen. Sie sollte auch regelmäßig auf die Tagesordnung aller einschlägigen Ministerratstagungen gesetzt werden und einen selbstverständlichen Bezugspunkt für europäische und nationale parlamentarische Debatten bilden. Bei einschlägigen künftigen politischen Planungen auf allen Ebenen sollte sie Berücksichtigung finden. Daher muss expliziter dargelegt werden, wie die Strategie auf die dringenden Bedürfnisse des Ostseeraums eingehen kann, z. B. durch Festlegung klarer Ziele.

· Engagement

Die Strategie muss stärker in politische und verwaltungstechnische Strukturen eingebettet werden. Sie ist noch immer sehr anfällig für organisatorische Veränderungen oder Änderungen der politischen Prioritäten. Für eine nachhaltige Wirkung sind institutionelle Stabilität und ausreichende personelle Ressourcen (auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene) erforderlich. Damit die Ziele erreicht werden können, müssen die Schwerpunktbereichskoordinatoren, aber auch die entsprechenden Akteure in den anderen beteiligten Mitgliedstaaten umfassend einbezogen werden. Die Fachministerien müssen daher eine aktivere Rolle übernehmen und für angemessenes Personal und angemessene Unterstützung sorgen.

· Ziele und Bewertung

Aufgrund der Bedeutung, die der Strategie bei der Entwicklung und Durchführung der Politik zukommt, müssen die erzielten Fortschritte bewertet werden. Die Strategie umfasste zu Beginn keine spezifischen Ziele. Die Kommission und die anderen Akteure sollten daher unter Berücksichtigung der derzeitigen und gegebenenfalls der in Entwicklung befindlichen Ziele quantitative und qualitative Ziele und Indikatoren für die Überwachung der Strategie festlegen. In einigen Schwerpunktbereichen wie Wasser und maritime Umwelt gibt es bereits solche Ziele (Wasserrahmenrichtlinie, HELCOM-Ostseeaktionsplan, Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie), die als Anhaltspunkt dienen könnten. Die vorgeschlagenen Ziele und Indikatoren sollten Gegenstand umfangreicher Konsultationen sein.

· Kommunikation und Unterstützung

Die Bekanntheit der Strategie und ihrer Ergebnisse ist ein äußerst wichtiger Punkt. Die Strategie muss sichtbarer werden. Wichtige Gruppen wie lokale und regionale Behörden, nichtstaatliche Organisationen und der Privatsektor sollten eingebunden werden. Die informelle Ostseegruppe der EU-Regionalbüros oder die Verbindungen der BDF zu wichtigen Unternehmen des Ostseeraums sind Beispiele für Maßnahmen, die stärker gefördert werden sollten.

· Bereichsübergreifende Verbindungen

Der Ausbau der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit bringt einen hohen Mehrwert mit sich. Die Kommission und andere Gremien unterstützen Workshops und neue Netze. Das Jahresforum 2010 hat sich insbesondere mit dem Nutzen stärker integrierter Ansätze befasst.

Dies spiegelt sich in der Aufnahme einer neuen horizontalen Maßnahme zur Stärkung der Governance auf mehreren Ebenen in den Aktionsplan wider. Zwei Demonstrationsprojekte – „Wassermanagement“ und „Raumplanung“ – zeigen, wie die derzeitige Zusammenarbeit im Ostseeraum funktioniert und wie durch die Strategie die Kontakte auf allen Ebenen verbessert werden können. Diese Zusammenarbeit muss weiter gefördert werden.

· Entwicklung politischer Strategien

Bei der Überprüfung einschlägiger Politikbereiche (z. B. Verkehr, Innovation, Meeres- und Umweltpolitik) sollte deren kombinierter Wirkung auf die Makroregion Rechnung getragen werden. Im Ostseeraum ist der Bedeutung des territorialen Zusammenhalts – auf der Grundlage einer „ortsbezogenen“ oder „raumbezogenen“ Perspektive – ganz besonderes Augenmerk zu widmen. Einzelne Projekte sollten als Beitrag zur Strategie und als Beispiele für das Gesamtkonzept angesehen werden. Mit der Strategie Europa 2020 und mit anderen Strategien und Politikbereichen wie der Strategie der inneren Sicherheit, der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Gemeinsamen Fischereipolitik sollte eine engere Verbindung aufgebaut werden.

Dadurch wird das Potenzial der Strategie als Instrument für die Umsetzung allgemeiner europäischer Prioritäten unterstrichen. Makroregionen können als Grundpfeiler der allgemeinen EU-Politik dienen. Der Rat hat auch darauf hingewiesen, dass klare Synergien zwischen dem Ostsee- und dem Donauraum existieren sollten [8]. Die makroregionalen Erfahrungen mit der Entwicklung politischer Strategien sollten in die Ratsgespräche auf EU-Ebene einfließen. Die Fachministerräte könnten makroregionale Diskussionen auf ihre Tagesordnungen setzen.

· Weitere Abstimmung der Finanzierung und technischen Hilfe

Eine bessere Koordinierung durch den gemeinsamen strategischen Rahmen für die Zeit nach 2013 ist notwendig, um sicherzustellen, dass sich die makroregionalen Prioritäten in künftigen EU-Programmen widerspiegeln. Dies ist von entscheidender Bedeutung. Die Strategie für den Ostseeraum ist ein Präzedenzfall, der im neuen Finanz- und Programmplanungszeitraum den Weg für einen besseren Einsatz aller Finanzierungsinstrumente ebnet. Und dies nicht nur innerhalb und zwischen den EU-Mitgliedstaaten: Auch die strategische Koordinierung bilateraler Kooperationsprogramme mit Drittländern auf EU-Ebene sowie nationaler und regionaler Ebene sollte verbessert werden. Als wichtig herausgestellt hat sich ferner die Unterstützung transnationaler Kooperationsprogramme, die dasselbe geografische Gebiet wie eine makroregionale Strategie betreffen. Solche Programme sollten unterstützt und stärker mit diesen Tätigkeiten verknüpft werden.

Auch zwischen den Schwerpunktbereichskoordinatoren und den Verwaltungsbehörden der EU-Programme muss eine engere Verbindung hergestellt werden. Nationale und internationale Finanzierungsquellen im Ostseeraum sollten die Strategie umfassend berücksichtigen. Die Beiträge anderer Partner wie dem Nordischen Ministerrat und der Schwedischen Agentur für Internationale Entwicklungszusammenarbeit (SIDA) sind willkommen. Innovative Finanzierungskonzepte sollten gefördert werden. Die Durchführungsfazilität, die gerade mit der EIB konzipiert wird, wäre ein gutes Beispiel hierfür. Verschiedene nationale EU-Programme sollten gemeinsame Projekte finanzieren, und dies sollte von institutioneller Seite ermöglicht werden.

Finanzmittel für die Betriebskosten sind wichtig. Der EU-Haushalt sieht im Jahr 2011 hierfür 2,5 Mio. EUR vor. Da solche Finanzhilfen jedoch in Zukunft nicht gesichert sind, sollte nach anderen Formen der technischen Hilfe gesucht werden, insbesondere durch vorhandene und künftige Programme.

Alternative Methoden der Zusammenarbeit wie der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit könnten ebenfalls hilfreich sein, entweder auf Ebene der Gesamtstrategie oder für spezifische Schwerpunktbereiche, Maßnahmen oder Vorzeigeprojekte. Diese würden zur Folge haben, dass Kooperationsstrukturen gefestigt und nachhaltiger werden und Doppelarbeiten mit vorhandenen Strukturen vermieden werden.

5. Empfehlungen

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Strategie für den Ostseeraum ein neues Instrument ist, das zahlreiche Partner und Politikbereiche zusammenbringt, die gemeinsam mehr erreichen als jeder einzelne für sich. Ausgehend von den in diesem Bericht dargelegten Erfahrungen formuliert die Kommission folgende Empfehlungen:

- Stärkung des umfassenden Charakters der Strategie durch engere Abstimmung mit den Themen und Leitinitiativen der Strategie Europa 2020

- Sicherstellung der europäischen Natur der Strategie durch regelmäßige Diskussion der Strategie auf den entsprechenden Ratstagungen

- Vorrang für Arbeiten zur Festlegung von Zielen, um die Strategie stärker auf ihre Hauptziele auszurichten und konkreter zu formulieren

- Intensivierung der Anstrengungen zur Abstimmung der Kohäsionspolitik und anderer Finanzierungsquellen im Ostseeraum auf die Ziele der Strategie

- Finanzielle und personelle Stärkung der Durchführungsstrukturen (insbesondere der Schwerpunktbereichskoordinatoren und deren Lenkungsgruppen). Es sollten nationale Koordinierungsausschüsse eingerichtet und nationale Anlaufstellen für jeden Schwerpunktbereich geschaffen werden. Die Strukturen müssen fest in Ministerien und/oder anderen einschlägigen Stellen verankert sein.

- Ausarbeitung einer „Kommunikationsinitiative“, um für breiter gefächerte Beteiligung an der Strategie zu sorgen und die Errungenschaften besser zu vermitteln

Darüber hinaus wird die Kommission ihre Arbeiten zur Ermittlung des Mehrwerts dieses neuen makroregionalen Ansatzes weiterführen, was durch eine externe Bewertung der Wirkung der Strategie unterstützt werden könnte. Die Schlussfolgerungen daraus werden in den Bericht über das makroregionale Strategiekonzept aufgenommen, der dem Rat wie von ihm gewünscht im Juni 2013 vorgelegt werden soll; hierfür werden die gesammelten Erfahrung möglichst eingehend analysiert.

In diesen Empfehlungen wird eine stärkere Mitarbeit aller Akteure gefordert. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Errungenschaften und die bisherige Akzeptanz der Strategie diese zusätzlichen Bemühungen rechtfertigen.

[1] KOM(2009) 248 vom 10.6.2009.

[2] Der Europäische Rat vom 29./30. Oktober 2009 billigte die EU-Strategie für den Ostseeraum und rief alle einschlägigen Akteure auf, rasch zu handeln und für eine uneingeschränkte Umsetzung der Strategie zu sorgen.

[3] Ein kommentierter Aktionsplan kann auf der Website der Strategie für den Ostseeraum abgerufen werden: http://ec.europa.eu/regional_policy/cooperation/baltic/index_en.htm.

[4] Schlussfolgerungen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ vom 26. Oktober 2009.

[5] Weitere Informationen zu den Projekten können auf der Website der Strategie abgerufen werden.

[6] „Grünbuch: Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik“, KOM(2009) 163 endg. vom 22.4.2009.

[7] „Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union“, KOM(2007) 575 endg. vom 10.10.2007 und SEK(2007) 1278,10 vom 10.10.2007, 16616/1/07 REV 1.

[8] Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ zur Strategie für den Donauraum: (April 2011).

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