16.5.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 120/47


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Zukunftsperspektiven der Landwirtschaft in Gebieten mit bestimmten naturbedingten Nachteilen (Berg- und Inselgebiete sowie Regionen in äußerster Randlage)“

(2008/C 120/11)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung am 27. September 2007 gemäß Artikel 29 A der Durchführungsbestimmungen eine ergänzende Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

„Zukunftsperspektiven der Landwirtschaft in Gebieten mit bestimmten naturbedingten Nachteilen (Berg- und Inselgebiete sowie Regionen in äußerster Randlage)“

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 27. November 2007 an. Berichterstatter war Herr BROS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 440. Plenartagung am 12./13. Dezember 2007 (Sitzung vom 12. Dezember) mit 127 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Am 13. September 2006 verabschiedete der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Initiativstellungnahme zum Thema „Zukunftsperspektiven der Landwirtschaft in Gebieten mit bestimmten naturbedingten Nachteilen (Berg- und Inselgebiete sowie Regionen in äußerster Randlage)“ (1).

1.1.1

In dieser Stellungnahme widmet der EWSA den Problemen in den Bergregionen ein ganzes Kapitel (Kapitel 4), in dem insbesondere gefordert wird,

dass die Europäische Union über eine spezifische Politik zugunsten der Berggebiete verfolgt;

dass es in der Europäischen Union eine einheitliche Definition der Berggebiete gibt;

dass Berggebiete bei der Zuweisung der Mittel der zweiten Säule vorrangig behandelt werden;

dass eine Konsolidierung der Ausgleichsmaßnahmen für Landwirte in Bergregionen erfolgt;

dass die Agrar- und Regionalpolitik zur besseren Berücksichtigung der Berggebiete aufeinander abgestimmt werden.

1.2

Anlässlich eines politischen Dialogs zum Abschluss der Plenartagung des Ausschusses der Regionen am 7. Dezember 2006 hat sich der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel BARROSO, dafür ausgesprochen, ein Grünbuch über die künftigen Maßnahmen zugunsten der Bergregionen zu erstellen.

1.3

Aus diesem Grunde hält es der EWSA für angemessen, eine ergänzende Stellungnahme zu erarbeiten, um seinen Standpunkt im Hinblick auf die Erstellung eines derartigen Grünbuchs darzulegen.

1.4

Alle Bürger Europas profitieren von zahlreichen öffentlichen Gütern und wirtschaftlichen Erzeugnissen aus den Berggebieten sowie von den Dienstleistungen, die dort erbracht werden. In erster Linie zählen dazu:

die Verminderung der Gefahr von Naturkatastrophen (wovon gleichzeitig die Bewohner der Berggebiete und die übrigen Einwohner des Landes profitieren, beispielsweise durch den Schutz der Verkehrskorridore),

die Erholungs- und Tourismusgebiete (lebenswichtig für die Bewohner eines urbanisierten Kontinents, aber auch für die europäische Wettbewerbsfähigkeit),

eine große Artenvielfalt,

einzigartige Wasserreservoirs

qualitativ hochwertige Erzeugnisse, insbesondere Lebensmittel.

1.5

Ohne eine angemessene Pflege der Bergregionen durch ihre Bewohner wären die Produktion dieser Güter und die Erbringung dieser Dienstleistungen gefährdet.

1.6

Heute und in Zukunft steht Europa vor neuen, großen Herausforderungen wie dem Anstieg des wirtschaftlichen Wettbewerbs, dem demographischen Wandel, dem Klimawandel etc. Zwar sind alle Gebiete mit diesen Herausforderungen konfrontiert, doch sind ihre Auswirkungen in den Bergregionen viel deutlicher spürbar und erfordern demnach eine besondere Herangehensweise.

1.7

Die Politik in den Bergregionen ist mehrheitlich sektoriell geprägt und wird häufig außerhalb dieser Gebiete festgelegt, ohne dabei die örtlichen Besonderheiten gebührend zu berücksichtigen. Die Politik bezüglich der Berggebiete ihrerseits weist die Tendenz auf, verwässert zu werden: Sie wird immer häufiger auch auf andere Territorien ausgeweitet und trägt den Besonderheiten der Bergregionen nicht genügend Rechnung. Gleichzeitig zielt die europäische und einzelstaatliche Politik immer stärker auf die komparativen Vorteile der einzelnen Territorien ab, die es zu fördern oder zu entwickeln gilt.

1.8

Ungeachtet ihrer Bedeutung auf europäischer Ebene fühlen sich doch die Berggebiete in der europäischen Politik in gewisser Weise an den Rand gedrängt. Sie leiden darunter, dass ihr bedeutendes Potenzial, der Beitrag, den sie — vor allem dank innovativer Ansätze — zum Wachstum und zur Vielfalt Europas leisten können, nicht genügend Beachtung findet.

1.9

Aus diesem Grunde spricht sich der EWSA für einen viel kohärenteren und stärker integrierten politischen Ansatz aus. Die Bergregionen brauchen im Hinblick auf ihre nachhaltige Entwicklung einen transversalen und regionalen Ansatz.

1.10

Ein europäisches Grünbuch über die künftigen Maßnahmen zugunsten der Bergregionen kann dazu beitragen, die auf europäischer Ebene bestehenden Politiken und Initiativen zu rationalisieren und zu konsolidieren, damit sie im spezifischen Kontext der Bergregionen effizienter sind. Dies gilt insbesondere für die Landwirtschaft in den Bergregionen. In den meisten europäischen Bergregionen ist die Landwirtschaft die Basis, auf der die übrigen sozioökonomischen, agroindustriellen, touristischen u. a. Aktivitäten sich entwickeln und die die Attraktivität der Regionen ausmacht. Die Gemeinsame Agrarpolitik spielt demnach eine große Rolle und muss entsprechend berücksichtigt werden, wenn die europäischen Politiken in den Berggebieten bei der Erarbeitung des Grünbuchs analysiert werden.

1.11

Der EWSA fordert demnach, dass das Grünbuch über die künftige Politik bezüglich der Berggebiete möglichst schnell in das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission aufgenommen wird. Dann können die Themen, die für die Bergregionen in den EU-Mitgliedstaaten von strategischer Bedeutung sind, festgelegt und die Aufgabengebiete der einzelnen Regierungsebenen und Wirtschaftssektoren abgesteckt sowie ihre Koordinierung geplant werden. Die spezifischen statistischen Daten, auf denen sich die Politik in diesen Gebieten stützt, sollten konsolidiert, die begleitenden und unterstützenden Maßnahmen, die vor dem Hintergrund der von der Europäischen Union festgelegten strategischen Zielsetzungen in diesen Gebieten umzusetzen sind, näher beleuchtet und die Möglichkeiten zur weiteren Entwicklung der europäischen und einzelstaatlichen Politik ausgelotet werden.

1.12

Um die Nutzung der komparativen Vorteile der Bergregionen zu erleichtern, wird das Grünbuch über die künftigen Maßnahmen zugunsten der Bergregionen des Weiteren der überarbeiteten Lissabon-Strategie sowie der Strategie von Göteborg verpflichtet sein. Es zielt demnach auf Wachstum und Beschäftigung ab und wird dazu beitragen, die Europäische Union als eine wissensbasierte, in Zukunft weltweit wettbewerbsfähigere Wirtschaft zu konsolidieren. Die Bergregionen können einen wesentlichen Beitrag für ganz Europa leisten, und daher sollte ihr Innovations- und Wachstumspotenzial optimal genutzt werden.

1.13

Danuta HÜBNER, für Regionalpolitik zuständiges Kommissionsmitglied, sprach auf der Plenartagung des EWSA am 11./12. Juli 2007 über die „Territoriale Agenda der EU“ und kündigte für das Jahr 2008 einen Bericht über den territorialen Zusammenhalt an, in dem untersucht werden soll, welche Folgen die künftigen großen Herausforderungen für die Regionen haben werden und wie am besten auf sie reagiert werden kann. Der EWSA fordert, dass die territorialen Besonderheiten der Bergregionen wie auch die der Inselregionen und der Gebiete in äußerster Randlage in der laufenden Debatte um die Definition der Kohäsionspolitik der Europäischen Union sowie bei der Umsetzung der Territorialen Agenda in angemessener Weise berücksichtigt werden.

Brüssel, den 12. Dezember 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  ABl. C 318 vom 23.12.2006, S. 93.