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Document 32001H0893

Empfehlung der Kommission vom 7. Dezember 2001 über Grundsätze zur Nutzung von "SOLVIT", dem Problemlösungsnetz für den Binnenmarkt (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2001) 3901)

OJ L 331, 15.12.2001, p. 79–82 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

ELI: http://data.europa.eu/eli/reco/2001/893/oj

32001H0893

Empfehlung der Kommission vom 7. Dezember 2001 über Grundsätze zur Nutzung von "SOLVIT", dem Problemlösungsnetz für den Binnenmarkt (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2001) 3901)

Amtsblatt Nr. L 331 vom 15/12/2001 S. 0079 - 0082


Empfehlung der Kommission

vom 7. Dezember 2001

über Grundsätze zur Nutzung von "SOLVIT", dem Problemlösungsnetz für den Binnenmarkt

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2001) 3901)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2001/893/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 211,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Artikel 3 des EG-Vertrag legt das Ziel der Beseitigung aller Hindernisse des freien Waren-, Kapital-, Personen- und Dienstleistungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes fest. Sowohl Bürger als auch Unternehmen, und besonders kleine Unternehmen, würden davon profitieren, gäbe es einen informellen Lösungsweg für Probleme, die auftreten, wenn Vorschriften, mit denen die dieses Ziel erreicht werden soll, nicht korrekt angewendet werden.

(2) Der Aktionsplan für den Binnenmarkt des Jahres 1997(1) forderte die Mitgliedstaaten auf, sogenannte "Kontaktstellen für Bürger und Unternehmen" einzurichten, an die binnenmarktrelevante Probleme weitergeleitet werden können. Zusätzlich haben die Mitgliedstaaten "Koordinierungsstellen" eingerichtet, die gemeinsam grenzübergreifende Probleme lösen sollen, die durch die falsche Anwendung von Binnenmarktvorschriften durch nationale Behörden entstehen ("das Problemlösungsnetz").

(3) Das Problemlösungsnetz existiert nun seit drei Jahren. Die Mitgliedstaaten und die Kommission haben im Rahmen des Beratenden Ausschusses für den Binnenmarkt seine Wirksamkeit bewertet. Sie kamen zu dem Schluss, dass das System vor allem daran krankt, dass die einzelnen Fälle ungleich behandelt werden und das System für Außenstehende schwer durchschaubar ist.

(4) In ihrer Mitteilung "Eine wirksame Problemlösung im Binnenmarkt ('SOLVIT')"(2) hat die Kommission neue Vorschläge zur Problemlösung gemacht. Durch das vorgeschlagene Modell mit dem Namen "SOLVIT" soll die Funktionsweise des Netzes durch die Schaffung einer gemeinsamen Online-Datenbank verbessert werden. Die Koordinierungsstellen in den einzelnen Mitgliedstaaten sollten die Fälle in die Datenbank eingeben und von dort verfolgen, womit eine wirksamere und für den Bürger leichter nachvollziehbare Bearbeitung gewährleistet wird.

(5) Gemeinsame Grundsätze sollten festgelegt werden, um sicherzustellen, dass SOLVIT den Bedürfnissen der Bürger und Unternehmen entspricht und Bemühungen eines Mitgliedstaats in den anderen Mitgliedstaaten wiedergegeben werden. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass angemessene personelle und finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden, so dass die Koordinierungsstellen einer wachsenden Anzahl von Fällen gerecht werden, den Benutzern eine Dienstleistung von hoher Qualität erbringen und Werbemaßnahmen ergreifen können.

(6) Das Europäische Parlament, der Rat(3), der Wirtschafts- und Sozialausschuss(4) und der Ausschuss der Regionen(5) haben alle betont, wie wichtig eine wirksamere Problemlösung ist.

(7) Das Weißbuch "Europäisches Regieren"(6) reiht sich in die Bemühungen ein, die Union ihren Bürgern und Unternehmen näher zu bringen. Es bekräftigt auch die Verantwortung der nationalen Behörden und Gerichte, das Gemeinschaftsrecht korrekt umzusetzen und anzuwenden.

(8) Da SOLVIT ein Netz zur formlosen Problemlösung ist, soll es nur Fälle behandeln, die nicht Gegenstand nationaler oder gemeinschaftsrechtlicher gerichtlicher Verfahren sind. Es steht dem Antragsteller frei, jederzeit derartige Verfahren einzuleiten. Falls dies geschieht, wird der betreffende Fall jedoch aus der Datenbank entfernt. Zweck von SOLVIT ist nicht, andere effektive, grenzüberschreitende Problemlösungsmechanismen zu ersetzen, es soll vielmehr entsprechende Fälle an diese Mechanismen weiterleiten.

(9) Eine erfolgreiche Problemlösung erfordert die Zusammenarbeit der Koordinierungsstellen der einzelnen Mitgliedstaaten. Die Koordinierungsstelle im Mitgliedstaat des Antragstellers sollte prüfen, ob der Fall schlüssig ist, und sicherstellen, dass die gesamte zur Problemlösung benötigte Information zur Verfügung steht. Danach ist es Sache der Koordinierungsstelle des Mitgliedstaates, in dem das Problem auftritt, die zur Problemlösung nötigen Schritte zu unternehmen.

(10) Beide Koordinierungsstellen sollten bestätigen, dass der Fall schlüssig ist und dass sie sich bemühen, den Fall binnen einer festgesetzten Frist, die unter besonderen Umständen verlängert werden kann, zu lösen.

(11) Die Antragsteller sollten vorab über das Verfahren und die Fristen informiert werden. Sie sollten darauf hingewiesen werden, dass ihnen auch andere, förmlichere, Rechtsbehelfe, wie gerichtliche, Verfahren zur Verfügung stehen können. Im Rahmen derartiger, förmlicher Rechtsbehelfe dürfte ein Fall meist binnen einer bestimmten Frist einzureichen sein, deren Lauf durch die Inanspruchnahme von SOLVIT nicht unterbrochen wird. Die Antragsteller sind nicht verpflichtet, die Lösungsvorschläge zu akzeptieren. Da SOLVIT ein formloser Problemlösungsmechanismus ist, können Lösungsvorschläge nicht angefochten werden.

(12) Alle Lösungsvorschläge müssen mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmen. Die Kommission behält sich das Recht vor, Schritte gegen Mitgliedstaaten zu unternehmen, wann immer sie der Auffassung ist, dass dies nicht der Fall ist.

(13) Alle geeigneten Schritte zum Schutz vertraulicher Informationen sollen unternommen werden.

(14) Die in dieser Empfehlung festgelegten Grundsätze sollten ab dem Zeitpunkt des Betriebsbeginns der Online-Datenbank angewendet werden -

EMPFIEHLT:

I. ALLGEMEINES

A. Anwendungsbereich

Diese Empfehlung legt Grundsätze fest, die von den Koordinierungsstellen der Mitgliedstaaten bei der Behandlung von grenzüberschreitenden Problemen betreffend die Anwendung der Binnenmarktvorschriften im Rahmen des SOLVIT-Netzes anzuwenden sind.

Sie gilt nicht für Probleme, die bereits Gegenstand gerichtlicher Verfahren auf nationaler oder gemeinschaftlicher Ebene sind.

B. Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Empfehlung bedeutet der Ausdruck:

1. "Koordinierungsstelle": Dienststelle in der Verwaltung im jeweiligen Mitgliedstaat, die die Verantwortung für die Behandlung grenzüberschreitender Probleme hat, die von Bürgern oder Unternehmen aufgeworfen werden;

2. "Heimat-Koordinierungsstelle": Die Koordinierungsstelle in dem Mitgliedstaat, in dem das grenzüberschreitende Problem aufgeworfen wurde;

3. "Federführende Koordinierungsstelle": Die Koordinierungsstelle in dem Mitgliedstaat, in dem das grenzüberschreitende Problem aufgetreten ist;

4. "Grenzüberschreitendes Problem": Problem eines Bürgers oder Unternehmens eines Mitgliedstaates, das die Anwendung von Binnenmarktvorschriften durch Behörden eines anderen Mitgliedstaates betrifft; dies schließt Situationen ein, in denen ein Bürger oder ein Unternehmen mit einem verwaltungsmäßigen Bezug zu einem Mitgliedstaat (z. B. Staatsangehörigkeit, Zeugnisse, Niederlassung) sich bereits in dem zweiten Mitgliedstaat, in dem das Problem aufgetreten ist, bereits befindet;

5. "Binnenmarktvorschriften": Vorschriften, die das Funktionieren des Binnenmarktes im Sinne des Artikels 14 Absatz 2 EG-Vertrag regeln;

6. "Gerichtliche Verfahren": Formelle Verfahren, die einen Streit vor Gericht oder einer gerichtsähnlichen Einrichtung lösen;

7. "Antragsteller": Ein Bürger oder ein Unternehmen, der/das ein grenzüberschreitendes Problem bei einer Koordinierungsstelle aufgeworfen hat.

II. GRUNDSÄTZE

A. Heimat-Koordinierungsstelle

1. Die Heimat-Koordinierungsstelle sollte das grenzüberschreitende Problem in die SOLVIT-Datenbank eingeben.

2. Bevor ein Fall in die Datenbank eingegeben wird, sollte die Heimat-Koordinierungsstelle:

a) seine Schlüssigkeit untersuchen;

b) überprüfen, ob der Fall nicht besser durch andere Verfahren gelöst werden kann, beispielsweise durch das Netz der Euro-Info-Center;

c) prüfen, ob gerichtliche Verfahren zur Problemlösung angemessener wären.

Die Heimat-Koordinierungsstelle sollte keine Fälle in die Datenbank eingeben, die bereits Gegenstand gerichtlicher Verfahren sind. Sollte ein Antragsteller sich entschließen, solche Verfahren einzuleiten, so muss der Fall aus der Datenbank entfernt werden.

3. Bei der Eingabe eines Falles in die Datenbank sollte die Heimat-Koordinierungsstelle der federführenden Koordinierungsstelle alle zur Lösung des Falls benötigten Informationen zur Verfügung stellen, so dass der Fall rasch gelöst werden kann; dies hat jedoch unter Einhaltung der Vertraulichkeitsbestimmung in Abschnitt H zu erfolgen.

4. Die Heimat-Koordinierungsstelle sollte in ständigem Kontakt mit dem Antragsteller stehen, bis der Fall abgeschlossen ist.

B. Federführende Koordinierungsstelle

1. Die federführende Koordinierungsstelle sollte innerhalb einer Woche bestätigen, dass sie den Fall annimmt und ihn zur weiteren Bearbeitung an die zuständige Stelle der Verwaltung weiterleitet. Weitere notwendige Informationen sollte sie möglichst rasch bei der Heimat-Koordinierungsstelle anfordern. Weist die federführende Koordinierungsstelle einen Fall zurück, sollte dies unter Angabe der Gründe automatisch in der Datenbank festgehalten werden. Die Heimat-Koordinierungsstelle sollte den Antragsteller davon in Kenntnis setzen, der den Fall in einem förmlicheren Verfahren weiter verfolgen kann.

2. Die federführende Koordinierungsstelle sollte die Verantwortung für die Lösung des grenzüberschreitenden Problems übernehmen.

C. Information des Antragstellers

1. Die Heimat-Koordinierungsstelle sollte den Antragsteller vorab über das Verfahren und die Fristen informieren. Der Antragsteller sollte auch darüber informiert werden, dass ihm unter Umständen weitere, förmliche Rechtsbehelfe auf nationaler und gemeinschaftlicher Ebene zur Problemlösung zur Verfügung stehen. Es sollte auch darauf hingewiesen werden, dass nach nationalem Recht oft die Einhaltung bestimmter Fristen zur Aufrechterhaltung eines Rechtsanspruches erforderlich ist und dass diese Fristen durch die Inanspruchnahme von SOLVIT nicht berührt werden.

2. Der Antragsteller sollte auch darüber informiert werden, dass er den Lösungsvorschlag nicht akzeptieren muss. Die Lösungsvorschläge können jedoch im Rahmen von SOLVIT nicht angefochten werden. Kann ein Problem im Wege von SOLVIT nicht gelöst werden oder ist ein Lösungsvorschlag für den Antragsteller nicht akzeptabel, so kann der Antragsteller förmlichere Verfahren einleiten, wenn er dies wünscht. Werden solche förmlichen Verfahren jedoch bereits im Laufe des Problemlösungsverfahrens eingeleitet, so wird der Fall aus der SOLVIT-Datenbank entfernt.

D. Zugang zur SOLVIT-Datenbank

1. Die Heimat-Koordinierungsstelle und die federführende Koordinierungsstelle sollten Informationen in die Datenbank eingeben sowie einen Fall abschließen können.

2. Alle anderen Koordinierungsstellen sollten Informationen zu den Fällen, die anonymisiert werden, nur lesen können. Die Antragsteller sollten nur Informationen über ihren eigenen Fall lesen können.

E. Fristen

1. Sobald die federführende Koordinierungsstelle die Annahme des Falles bestätigt, sollte die Datenbank das Datum angeben, bis zu dem der Fall gelöst werden muss. Die Frist sollte zehn Wochen betragen.

2. In Ausnahmefällen sollten die Heimat- und die federführende Koordinierungsstelle eine Verlängerung der Frist um maximal vier Wochen vereinbaren können, sofern eine Lösung des Falles innerhalb des verlängerten Zeitraums zu erwarten ist.

F. Informationsaustausch und Kommunikation

1. Die federführende Koordinierungsstelle sollte größtmögliche Anstrengungen unternehmen, um den Fall in enger Zusammenarbeit mit anderen Teilen der Verwaltung zu lösen.

2. Dabei sollten E-Mail und andere schnelle Kommunikationsmittel so weit wie möglich eingesetzt werden.

3. Die federführende Koordinierungsstelle sollte die Heimat-Koordinierungsstelle über die Fortschritte in dem Fall auf dem Laufenden halten. Sie sollte die Daten in der Datenbank je nach Entwicklung der Sachlage, jedoch mindestens einmal im Monat aktualisieren.

4. Die Heimat- und die federführende Koordinierungsstellen sollten vereinbaren, in welcher Sprache sie miteinander kommunizieren, wobei zu berücksichtigen ist, dass das Ziel des Netzes darin besteht, Probleme durch informelle Kontakte so rasch und effizient wie möglich und im Interesse des Antragstellers zu lösen.

5. Die Heimat-Koordinierungsstelle sollte, sofern erforderlich, für die Übersetzung der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen sorgen.

G. Falllösung

1. Alle Lösungsvorschläge müssen mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmen. Die Kommission behält sich das Recht vor, Schritte gegen Mitgliedstaaten zu unternehmen, wann immer sie der Auffassung ist, dass dies nicht der Fall ist.

2. Wird das grenzüberschreitende Probleme binnen der gesetzten Frist gelöst, so sollten die federführende Koordinierungsstelle und die Heimat-Koordinierungsstelle bestätigen, dass der Fall gelöst ist und dies in der Datenbank vermerken. Die federführende Koordinierungsstelle sollte die Heimat-Koordinierungsstelle darüber informieren, wie der Antragsteller von der Lösung des Falles profitieren kann.

3. Kommt die federführende Koordinierungsstelle zu dem Ergebnis, dass der betreffende Mitgliedstaat nicht gegen Binnenmarktvorschriften verstoßen hat und der Fall daher unbegründet ist, sollte sie dies in der Datenbank vermerken. Die Heimat-Koordinierungsstelle sollte den Antragsteller davon in Kenntnis setzen. Der Antragstellers kann, wenn er dies wünscht, den Fall dann in förmlicheren Verfahren weiter verfolgen.

H. Vertraulichkeit

1. Im Regelfall sollte die Heimat-Koordinierungsstelle der federführenden Koordinierungsstelle die Identität des Antragstellers bekannt geben, um die Lösung des Problems zu erleichtern. Die Heimat-Koordinierungsstelle sollte den Antragsteller zu Beginn des Verfahrens darüber in Kenntnis setzen und ihm die Möglichkeit geben, dies abzulehnen; in diesem Fall sollte die Identität des Antragstellers nicht bekannt gegeben werden.

2. Die vom Antragsteller bereitgestellten Informationen sollten von der federführenden Koordinierungsstelle nur für die Lösung des jeweiligen Falles verwendet werden.

3. In allen Phasen des Verfahrens, insbesondere bei der Übermittlung von Daten innerhalb des Netzes, sollten wirtschaftlich sensible beziehungsweise personenbezogene Daten angemessen geschützt werden.

III. ZEITPUNKT DER ANWENDUNG UND ADRESSATEN

Diese Empfehlung sollte ab dem 1. Juni 2002 angewendet werden.

Diese Empfehlung ist an alle Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 7. Dezember 2001

Für die Kommission

Frederik Bolkestein

Mitglied der Kommission

(1) CSE(97) 1 endgültige Version vom 4. Juni 1997.

(2) KOM(2001) 702 endgültig vom 27. November 2001.

(3) Entschließung des Rates vom 31. Mai 2001.

(4) WSA 702/2001 vom 30.-31. Mai 2001.

(5) Adr 200/2001 Rev. 2 vom 14./15. November 2001.

(6) KOM(2001) 428 vom 25. April 2001.

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