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Document 52011AE1379

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur europäischen Normung und zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/105/EG und 2009/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates“ KOM(2011) 315 endg. — 2011/0150 (COD)

OJ C 376, 22.12.2011, p. 69–73 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

22.12.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 376/69


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur europäischen Normung und zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/105/EG und 2009/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates“

KOM(2011) 315 endg. — 2011/0150 (COD)

2011/C 376/13

Berichterstatter: Antonello PEZZINI

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 24. Juni 2011 bzw. am 23. Juni 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur europäischen Normung und zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/105/EG und 2009/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

KOM(2011) 315 endg. — 2011/0150 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 30. August 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 474. Plenartagung am 21./22. September 2011 (Sitzung vom 21. September) mit 121 gegen 2 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt die Initiative der Kommission zur Überarbeitung des europäischen Normungssystems mit dem Ziel, dessen zahlreiche Vorzüge beizubehalten, die Mängel zu beseitigen, den richtigen Ausgleich zwischen der internationalen, der europäischen und der nationalen Dimension zu schaffen und im weltweiten Vergleich Spitzenqualität zu gewährleisten.

1.2   Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass ein flexibler und dynamischer EU-Rechts- und Regelungsrahmen geschaffen werden muss, um den Mehrwert der technischen Normung in Europa zu optimieren und so Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Wachstum zu fördern.

1.3   Der Ausschuss weist auf die Bedeutung der europäischen Normung für das Funktionieren und die Konsolidierung des Binnenmarktes hin. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Gesundheit, Sicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Interoperabilität, in denen heutzutage die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eine immer größere Rolle spielen.

1.4   Der Ausschuss hält es für sehr wichtig, die Ausarbeitung der Normen zu beschleunigen und die Maßnahmen auf die Dienstleistungen und die Informations- und Kommunikationstechnologien auszuweiten. Dabei muss der Qualität und Sicherheit sowie dem Volumen der entwickelten Normen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, indem Internetplattformen für die Konsultation und den Informationsaustausch genutzt werden.

1.5   Nach Ansicht des EWSA sollten die von internationalen Foren und/oder Industrievereinigungen im IKT-Bereich angenommenen Spezifikationen erst nach einem Prüfungsverfahren durch die europäischen Normungsgremien zugelassen werden, an dem Vertreter der KMU, der Verbraucher- und Umweltschutzverbände, der Arbeitnehmer sowie der wichtige soziale Interessen vertretenden Organisationen beteiligt werden.

1.6   Der EWSA begrüßt die Vereinfachung der Systeme für die Finanzierung, die den europäischen und nationalen Normungsgremien und anderen mit Normungstätigkeit betrauten Gremien sowie den europäischen Vertretungsorganisationen der interessierten Parteien gemäß einer geeigneten Rechtsgrundlage gewährt wird.

1.7   Der EWSA empfiehlt, ein gemeinsames Planungsdokument auszuarbeiten, um Kohärenz, Koordinierung und Berücksichtigung der künftigen Ziele des Marktes zu gewährleisten. Aus diesem Grund müssten alle von der Jahresplanung betroffenen Parteien an der Aufstellung der Arbeitsprogramme der europäischen Normungsgremien und anderer mit der Entwicklung sektoraler technischer Spezifikationen im IKT-Bereich befasster Instanzen, der zuständigen Kommissionsdienststellen sowie der nationalen Normungsgremien beteiligt werden.

1.8   Der Ausschuss unterstreicht außerdem, dass schnellstens aktualisierte technische Normen im Dienstleistungsbereich erforderlich sind, der sich bis 2020 zu einem tragenden innovativen Wirtschaftssektor weiterentwickeln wird. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass der besondere Charakter der Dienstleistungen zu berücksichtigen ist, weshalb die Normung von Waren nicht automatisch übertragbar ist. Bei der weiteren Erarbeitung von Normen für Dienstleistungen ist von den Bedürfnissen des Marktes und der Gesellschaft auszugehen.

1.9   Der EWSA hält es für wichtig, dass ein stabiler mehrjähriger Finanzrahmen für das europäische Normungssystem gewährleistet wird. Er nimmt besorgt zur Kenntnis, dass die Kommission lediglich für 2013 Mittelzuweisungen für diese Maßnahme vorschlägt.

1.10   Der Ausschuss empfiehlt ein Höchstmaß an Interaktion zwischen der technischen Normung und den europäischen Forschungs- und Innovationsprogrammen, um eine rasche Nutzung neuer Technologien und der sich daraus ergebenden Wettbewerbsvorteile für die europäische Wirtschaft auf dem Weltmarkt zu ermöglichen.

1.11   Der EWSA rät zu engen Verbindungen zwischen den europäischen Normungsgremien und den für den Schutz des geistigen Eigentums zuständigen Patentämtern.

1.12   Der Ausschuss fordert, dass in den neuen Regelungen ausdrücklich die Stärkung der europäischen Position im Rahmen der internationalen Normung vorgesehen wird, um den Handel zu erleichtern und die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

2.   Einleitung

2.1   Der Ausschuss hat stets betont, dass die technische Normung eine wichtige Rolle spielt, da sie beiträgt:

zur Qualität der europäischen Produkte und Dienstleistungen;

zu ihrer Wettbewerbsfähigkeit sowohl im Binnenmarkt als auch auf dem Weltmarkt;

zum Schutz der Verbraucher;

zur Verbesserung der Sozial- und Umweltstandards.

2.2   Der Ausschuss hat sich stets „für einen stärkeren Einsatz der europäischen Normung in den Politiken und der Rechtsetzung der EU ausgesprochen, um entsprechend den gesellschaftlichen wie auch unternehmerischen Bedürfnissen die technische Normung in neuen Bereichen wie folgenden auszuweiten: Dienstleistungen, Informations- und Kommunikationstechnologien, Verkehr, Verbraucher- und Umweltschutz (1)“.

2.3   Der Ausschuss hat außerdem unterstrichen, dass „die europäische Normung für das Funktionieren und die Konsolidierung des Binnenmarktes wesentlich ist, insbesondere dank den Richtlinien nach dem ‚neuen Ansatz‘ in den Bereichen …“ (2).

2.4   In seiner kürzlich verabschiedeten Stellungnahme Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte bekräftigt der Ausschuss, dass „Normen […] ein wichtiger Baustein des Binnenmarkts [sind]“. Gleichzeitig hat er darauf hingewiesen, „wie wichtig es ist, Verbraucher und KMU stärker einzubinden und dabei unablässig und in nachhaltiger Weise zu gewährleisten, dass die Kostenfaktoren, die ihrer Teilnahme an diesem Prozess im Wege stehen, gesenkt werden. Es darf nicht sein, dass Normen von Einzelakteuren diktiert werden. Die EU-Normen müssen im weltweiten Handel eine größere Rolle spielen und sollten deshalb in den anstehenden Handelsverhandlungen auf bilateraler und multilateraler Ebene nachdrücklicher vertreten werden“ (3).

2.5   Die technische Normung ist für das Funktionieren des Binnenmarktes und die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Produkten und Dienstleistungen insofern von entscheidender Bedeutung. Denn sie ist ein strategisches Instrument, um die Qualität von Waren und Dienstleistungen, die Interoperabilität von Netzen und Systemen, ein hohes Verbraucher- und Umweltschutzniveau sowie ein höheres Maß an Innovation und sozialer Inklusion zu gewährleisten.

2.6   Damit diese Rolle wirksam ausgefüllt werden kann, ist u.a. Folgendes erforderlich:

das europäische Verfahren der technischen Normung muss es erlauben, schnell zu reagieren - zum einen auf die Vorgaben des Gesetzgebers auf Vorschlag der Kommission und zum andern auf ein sich rasch wandelndes Produktionsumfeld, in dem die Lebensdauer und der Entwicklungszyklus der Produkte immer kürzer werden, woraus sich die Notwendigkeit ergibt, schneller und flexibler zu werden, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein;

die technischen Normen müssen mit der schnellen technologischen Entwicklung Schritt halten können, da sie ansonsten nutzlos werden, und immer weitere Bereiche - insbesondere die Informationstechnologien und die Dienstleistungen - abdecken, wobei Quantität, Schnelligkeit und Qualität bei der Ausarbeitung der Normen zu gewährleisten ist, auch über Internet-Plattformen für die Konsultation;

die Ausarbeitung und Anwendung der Normen muss an die Erfordernisse der kleinen mittleren Unternehmen angepasst werden und nicht umgekehrt, indem ein hohes Maß an Vertretung und Beteiligung bei der Normungstätigkeit insbesondere auf europäischer Ebene und unter Wahrung der Ausgewogenheit der nationalen Delegationen gewährleistet wird, da die Beziehung der KMU zu technischen Normen im Allgemeinen schwierig und komplex ist;

durch eine freiwillige, offene und transparente Zusammenarbeit, an der sich Industrie, KMU, Behörden und interessierte Kreise der Zivilgesellschaft gleichermaßen beteiligen können, muss ein möglichst hohes Maß an Legitimation und ein möglichst breiter Konsens sichergestellt werden: Da Normen oft die Sicherheit und das Wohlergehen der Bürger, die Effizienz von Netzen, die Umwelt sowie andere Bereiche staatlicher Politik zum Gegenstand haben, müssen die betroffenen Kreise über eine angemessene Vertretung und über entsprechenden Einfluss verfügen;

das europäische Normungssystem muss mithilfe geprüfter europäischer Referenznormen den Erfordernissen der vollen Interoperabilität und Kompatibilität mit den Anwendungen und Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) entsprechen;

für das europäische Normungssystem muss eine angemessene vereinfachte Finanzierung verfügbar gemacht werden, um die umfassende Beteiligung aller interessierten Kreise an der Ausarbeitung der Normen zu gewährleisten, wobei die Normung zur Unterstützung der Strategie Europa 2020 automatisch in die öffentlichen Forschungs- und Innovationsprogramme aufgenommen werden sollte;

sofern ein angemessener Grad der Transparenz, Offenheit und eine ausgewogene Beteiligung aller interessierten Kreise gewährleistet ist, sind die Normen weltweit anerkannter und durch die europäischen Normungsgremien wie CEN, CENELEC und ETSI  (4) bestätigter IKT-Foren und -Vereinigungen aufzunehmen, damit in den EU-Rechtsvorschriften für die Auftragsvergabe darauf verwiesen werden kann;

das System für den Informationsaustausch zwischen sämtlichen Normungsorganisationen und -einrichtungen in Europa muss angemessen gestärkt werden, und für alle interessierten Kreise muss ein fairer Zugang zu den Normen gewährleistet werden.

2.7   Hinsichtlich der finanziellen Unterstützung sei daran erinnert, dass mit dem Beschluss Nr. 1673/2006/EG, zu dem der Ausschuss eine Stellungnahme abgegeben hat, der Beitrag der Europäischen Union zur Finanzierung des europäischen Normungssystems geregelt wird, um sicherzustellen, dass europäische Normen und andere europäische Normungsprodukte zur Unterstützung der Ziele, Rechtsvorschriften und Politiken der Europäischen Union entwickelt und überprüft werden. Dieselben Bestimmungen sollten auch für diejenigen Einrichtungen gelten, die zwar im Rahmen dieser Regelung nicht als europäische Normungsgremien anerkannt sind, jedoch mit der Durchführung von Vorarbeiten für die europäische Normung beauftragt wurden.

2.8   Da das Tätigkeitsfeld der europäischen Normung zur Unterstützung der politischen und rechtsetzenden Maßnahmen der Europäischen Union sehr groß ist und da es unterschiedliche Arten der Normungstätigkeit gibt, sind unterschiedliche Finanzierungsmodalitäten notwendig.

3.   Die Vorschläge der Kommission

3.1   Mit dem Verordnungsvorschlag soll folgenden Erfordernissen Rechnung getragen werden:

um den Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen spürbar zu unterstützen und das Entstehen von Handelshemmnissen innerhalb der EU zu verhindern, müssen die von den Normungsgremien verabschiedeten europäischen Normen sowohl Waren als auch Dienstleistungen betreffen und durch die EU kofinanziert werden; die Erstellung europäischer Normen sollte beschleunigt werden und mit den immer schnelleren Entwicklungszyklen der Produkte und Dienstleistungen Schritt halten;

da eine Norm aus dem Konsens der an ihrer Erstellung Beteiligten hervorgeht, muss der Normungsprozess durch die Beteiligung der interessierten zivilgesellschaftlichen Gruppen wie der Sozialpartner, der kleinen und mittleren Unternehmen, der Verbraucher und der Umweltschützer legitimiert werden;

um über Normen zu verfügen, die die Interoperabilität zwischen Diensten und Anwendungen im Informations- und Kommunikationssektor gewährleisten, müssen IKT-Normen auch dann offiziell anerkannt werden können, wenn sie außerhalb der europäischen Normungsgremien von Fachforen und -vereinigungen ausgearbeitet wurden.

3.2   Daher ist in dem Vorschlag - neben der Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG, 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/105/EG und 2009/23/EG - die Überarbeitung und Zusammenführung von Richtlinien und Beschlüssen vorgesehen.

3.3   Mit der neuen Regelung wird mittels einer Verordnung, um die einheitliche Anwendung sicherzustellen, Folgendes angestrebt:

mehr Transparenz und Zusammenarbeit zwischen den nationalen Normungsgremien, den europäischen Normungsgremien und der Kommission;

Anerkennung der Verwendung von IKT-Normen (Hardware, Software und IT-Dienstleistungen), die von anderen Organisationen entwickelt wurden, sofern sie mit den Grundsätzen des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse (TBT) und der Welthandelsorganisation (WTO) übereinstimmen und die Voraussetzung einer europäischen Interoperabilität erfüllen;

jährliche Planung der Prioritäten für die europäischen Normungstätigkeiten und der erforderlichen Mandate der Kommission;

stärkere Vertretung nicht nur der KMU mit finanzieller Unterstützung der EU, sondern auch der Verbraucher, Umweltschützer und sozialer Interessengruppen, u.a. auch bei Tätigkeiten zur Begleitung und Vorbereitung;

Maßnahmen zur Beschleunigung der Ausarbeitung technischer europäischer Normen auf Ersuchen der Kommission mit finanzieller Unterstützung für die Bemühungen um Konsensfindung in den europäischen Normungsgremien;

Anreize auch für die Förderung technischer europäischer Normen auf internationaler Ebene und Programme zur technischen Unterstützung von und zur technischen Zusammenarbeit mit Drittländern;

Förderung der Normung auf europäischer und internationaler Ebene auch durch Erleichterungen für die Unternehmen bezüglich der Übersetzung der Normen in die Amtssprachen der EU, um den Zusammenhalt und den Zugang zu verbessern;

Verstärkung der Normungstätigkeit im Dienstleistungsbereich im Auftrag der Kommission, um eine Vielzahl nationaler Normen zu vermeiden;

Verringerung des Verwaltungsaufwands durch Pauschalfinanzierungen ohne Überprüfung der tatsächlichen Kosten;

Einführung eines leistungsbezogenen Systems, das sich auf gemeinsame Indikatoren und Ziele in Bezug auf die Ergebnisse und Leistungen stützt, um die Effizienz und die Geschwindigkeit der Ergebnisse und der dafür angewandten Verfahren zu verbessern;

Übermittlung eines Jahresberichts der europäischen Normungsgremien an die Kommission, insbesondere über finanzielle Aspekte sowie Transparenz, Schnelligkeit, Vereinfachung, Beteiligungsmöglichkeiten und Qualität der Normungstätigkeit.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1   Der Ausschuss unterstützt die Zielsetzungen des Kommissionsvorschlags, da ein rasches, wirksames und partizipatives europäisches Normungsverfahren nicht nur ein tragendes Element der Architektur des Binnenmarktes darstellt, der im Mittelpunkt der europäischen Integration und der ihrer Verwirklichung dienenden Strategie Europa 2020 steht, sondern auch und vor allem eine Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und ein Motor für die Innovation ist.

4.2   Nach Auffassung des EWSA müssen die Normungsgremien dazu angehalten werden, in ihren Arbeitsprogrammen ihre Politik hinsichtlich der Rechte an geistigem Eigentum zu bewerten, und dabei der Förderung der Innovation und der Intensivierung der Beziehungen zu den Patentämtern - insbesondere dem Europäischen Patentamt in München - mehr Beachtung zu schenken. Fragen des geistigen Eigentums sollten von Anfang an berücksichtigt werden, damit die Qualität sowohl der Patente als auch der Normen selbst verbessert wird.

4.3   Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, das europäische Normungssystem mit dem Ziel zu überarbeiten, seine zahlreichen Vorzüge beizubehalten, seine Mängel zu beseitigen, das richtige Gleichgewicht zwischen der europäischen und der nationalen Dimension anzustreben und den neuen Erfordernissen und Erwartungen der Unternehmen, Verbraucher, Sozialpartner sowie der europäischen Gesellschaft insgesamt gerecht zu werden.

4.4   Nach Auffassung des Ausschusses müssen die Zeiträume für die Entwicklung der Normen verkürzt und die Maßnahmen auf die Dienstleistungen und die Informations- und Kommunikationstechnologien ausgeweitet werden. Dies unter der Bedingung, dass dabei die Qualitätsziele der Normen eingehalten werden und die Ausweitung auf Einrichtungen außerhalb der europäischen Normungsgremien mit den gleichen Garantien hinsichtlich Transparenz und Beteiligung einhergeht, die für letztere gelten.

4.4.1   Der Ausschuss hält es daher für unverzichtbar, dass die europäischen Normungsgremien und die Kommission im Rahmen einer präventiven Kontrolle bestätigen, dass die von internationalen Foren und/oder Branchenvereinigungen festgelegten Spezifikationen, die in öffentlichen Ausschreibungsverfahren als Referenz angegeben werden sollen, in einem unparteiischen, fairen und transparenten Verfahren ausgearbeitet wurden. An diesem müssen die Vertreter der kleinen und mittleren Unternehmen, Verbraucher, Umweltschützer, Arbeitnehmer sowie der wichtige soziale Interessen vertretenden Organisationen angemessen beteiligt werden.

4.4.2   Durch diese notwendige verstärkte Beteiligung darf nach Ansicht des Ausschusses das Verfahren für die Ausarbeitung der Normen im Konsensweg nicht schwerfälliger und langwieriger werden; es sollte im Gegenteil deutlich beschleunigt werden, indem Internetplattformen für die Konsultation, die Ausarbeitung und den Informationsaustausch genutzt werden (5).

4.5   Desgleichen fordert der Ausschuss, in der Verordnung die Ausarbeitung einer mehrjährigen Vorausplanung für die Normung in Europa vorzusehen, um effizienter und koordinierter auf globale politische Maßnahmen reagieren zu können. Diese sind notwendig, um neben den dringlichen ökologischen und sozialen Herausforderungen Fragen des Klimawandels, der Entwicklung der intelligenten Netze, der erneuerbaren Energien und deren Einspeisung zu bewältigen.

4.6   Um die wirksame Beteiligung aller interessierten Parteien am Normungsverfahren sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zu fördern und zu erleichtern, ist es nach Ansicht des EWSA notwendig, Ausbildungsprogramme zu unterstützen. Für die schwächsten nationalen Normungsgremien, die gegenwärtig keine Sekretariate für Fachausschüsse besitzen, müssen entsprechende Maßnahmen vorgesehen werden, die ihnen eine aktivere Rolle im Normungsverfahren ermöglichen.

4.7   Die Erstellung jährlicher Arbeitsprogramme durch die europäischen Normungsgremien, durch andere, mit der Entwicklung sektoraler technischer Spezifikationen im IKT-Bereich befasste Strukturen sowie durch die zuständigen Kommissionsdienststellen und die nationalen Normungsgremien könnte wirkungsvoll dazu beitragen, dass innerhalb angemessener Zeit ein adäquates Volumen an hochwertigen Normen zustande kommt, wobei Kohärenz und Koordinierung sowie eine wirksame Beteiligung aller an der Jahresplanung interessierten Kreise gewährleistet werden müssen.

4.8   Der EWSA begrüßt die Vereinfachung der Mechanismen für die auf einer geeigneten Rechtsgrundlage basierende Finanzierung, die den europäischen und nationalen Normungsgremien und anderen mit Normungstätigkeit betrauten Gremien sowie den europäischen Vertretungsorganisationen der Interessengruppen gemäß Anhang III gewährt wird.

4.8.1   Der EWSA stellt besorgt fest, dass die Kommission lediglich für 2013 Mittelzuweisungen für diese Maßnahme vorschlägt, und hält es für wichtig, einen stabilen mehrjährigen Finanzierungsrahmen vorzusehen, der so bald wie möglich greift.

4.9   Bezüglich harmonisierter europäischer Normen, durch die gewährleistet wird, dass die Produkte grundlegende Bestimmungen der EU-Rechtsvorschriften erfüllen, wirkt sich das Fehlen harmonisierter Normen so aus, dass Unternehmen nicht die entsprechende Norm heranziehen können, um eine Vermutung der Konformität zu begründen; stattdessen müssen sie die Konformität mit den wesentlichen Anforderungen im Einklang mit dem in der jeweils geltenden EU-Rechtsvorschrift enthaltenen Konformitätsbewertungsmodul nachweisen. In beiden Fällen werden Unternehmen daran gehindert, Kosten, die aufgrund der Zersplitterung des Binnenmarktes oder aufgrund von Konformitätsbewertungsverfahren anfallen, zu vermeiden (6).

4.9.1   In dieser Hinsicht müssen nach Ansicht des Ausschusses stärkere Anreize für ihre freiwillige Festlegung und Anwendung gesetzt werden, um immer höhere Sicherheitsniveaus der Produkte zu gewährleisten.

4.10   Nach Auffassung des Ausschusses muss die vorgeschlagene Verordnung entsprechende Bestimmungen enthalten, um die Umsetzung der im europäischen Normungssystem angenommenen technischen Normen zu fördern und die Rolle der nationalen und europäischen Normungsgremien in den internationalen Normungsorganisationen zu stärken. Dies könnte durch koordinierte europäische Initiativen zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Innovation erreicht werden.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1   Es wäre zweckmäßig gewesen, in Anhang I auch die anerkannten nationalen Normungsgremien aufzuführen.

5.2   Es muss zwischen „technischen Spezifikationen“ und offiziellen Normen unterschieden werden: Der Ausschuss schlägt vor, in Erwägungsgrund 19„Normen und technische Spezifikationen“ zu ergänzen und den Begriff „Normen“ in Erwägungsgrund 20 und 22 in „technische Spezifikationen“ abzuändern.

5.3   In Artikel 2 muss „eine technische Spezifikation“ präzisiert werden durch „eine durch ein anerkanntes Normungsgremium festgelegte technische Spezifikation zur wiederholten oder ständigen Anwendung …“ und ein neuer Absatz aufgenommen werden: 9. „Nationales Normungsgremium“: ein in Anhang I aufgeführtes Gremium.

5.4   In Artikel 3 muss nach Auffassung des EWSA den nationalen Normungsgremien die Möglichkeit eingeräumt werden, Einwände selbst dann geltend zu machen, wenn sie gegen die europäischen Arbeitsprogramme keinen Widerspruch einlegen können. Er schlägt daher vor, Absatz 5 wie folgt zu ändern: „Die nationalen Normungsgremien stellen sich nicht dagegen, dass ein in ihrem Arbeitsprogramm enthaltener Normungsgegenstand auf europäischer Ebene nach den Regeln der europäischen Normungsgremien behandelt wird, und ergreifen keine Maßnahme, die einer Entscheidung hierüber vorgreifen könnte“.

5.4.1   Der EWSA schlägt außerdem vor, einen neuen Absatz 6 folgenden Wortlauts einzufügen:Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit ihre Normungsgremien während der Ausarbeitung einer europäischen Norm nach Artikel 7 nichts unternehmen, was die angestrebte Harmonisierung beeinträchtigen könnte, und insbesondere in dem betreffenden Bereich keine neue oder überarbeitete nationale Norm veröffentlichen, die nicht vollständig mit einer bestehenden europäischen Norm übereinstimmt“.

5.5   In Artikel 7 schlägt der EWSA in Absatz 3 die Aufnahme eines neuen Unterabsatzes (3.1) folgenden Wortlauts vor: „Im Falle der Anforderung einer harmonisierten Norm muss diese durch ein Mandat der Kommission an das betreffende europäische Normungsgremium förmlich geregelt werden“.

5.5.1   Nach Auffassung des EWSA könnte der Vorschlag, den europäischen Normungsgremien nur einen Monat Zeit für ihre Reaktion auf den Auftrag der Kommission einzuräumen, die Anhörung von Interessengruppen eventuell einschränken. Der EWSA empfiehlt eine Frist von drei Monaten.

5.6   In Artikel 9 schlägt der EWSA vor, den Untertitel in „Anerkennung technischer Spezifikationen im IKT-Bereich für öffentliche Aufträge“ abzuändern und den Artikel am Anfang folgendermaßen zu ergänzen: „Im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien [kann] die Kommission […] entweder …“.

5.7   In Artikel 16 schlägt der EWSA nach Buchstabe a) die Aufnahme eines Absatzes a) i) (a1) wie folgt vor:

a) i)

die in Anhang I enthaltene Liste nationaler Normungsgremien auf Grundlage der von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 21 übermittelten Informationen zu aktualisieren;

und Buchstabe b) durch folgenden Wortlaut zu ersetzen:

b)

die in Anhang II enthaltenen Kriterien für die Anerkennung von technischen Spezifikationen im Bereich der IKT in öffentlichen Aufträgen an technische Entwicklungen anzupassen;

5.8   In Artikel 17 schlägt der EWSA die Ergänzung von Absatz 2 wie folgt vor:

Die in Artikel 16 genannte Befugnisübertragung an die Kommission ist unbefristet und tritt am 1. Januar 2013 in Kraft. „Die Kommission erstellt einen Bericht über die im Bereich übertragene Befugnisse ergriffenen Maßnahmen, der zusammen mit dem in Artikel 19 Absatz 3 vorgesehenen Bericht vorzulegen ist“.

Brüssel, den 21. September 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Vgl. ABl. C 110 vom 9. Mai 2006, S. 14.

(2)  Vgl. Fußnote 1.

(3)  Vgl. ABl. C 132 vom 3. Mai 2011, S. 47.

(4)  ETSI: Das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) ist eine unabhängige, nicht gewinnorientierte EU-Normungsorganisation in der Telekommunikationsbranche.

(5)  Wie im Falle der ISO und der IEC sind die technischen Spezifikationen Vorgaben, bei denen kein ausreichender Konsens für den Status einer internationalen Norm erzielt wurde.

(6)  KOM(2011) 315 endg., Begründung, Ziffer 1, und Erwägungsgründe 18 und 36.


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