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Document 52008XC1018(03)

Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen

OJ C 265, 18.10.2008, p. 6–25 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

18.10.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 265/6


Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen

(2008/C 265/07)

I.   EINLEITUNG

1.

Gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (1) (nachstehend die „Fusionskontrollverordnung“) hat die Kommission Zusammenschlüsse im Hinblick darauf zu bewerten, ob sie mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbaren sind. Hierzu muss die Kommission gemäß Artikel 2 Absätze 2 und 3 ermitteln, ob ein Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung im Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindern würde.

2.

Diese Mitteilung enthält Leitlinien, wie die Kommission Zusammenschlüsse bewertet (2), wenn die betreffenden Unternehmen in unterschiedlichen relevanten Märkten tätig sind (3). Derartige Zusammenschlüsse werden als „nichthorizontale Fusionen“ bezeichnet.

3.

Grundsätzlich kann man nichthorizontale Zusammenschlüsse in vertikale und in konglomerale Fusionen unterteilen.

4.

An vertikalen Fusionen sind Unternehmen beteiligt, die auf verschiedenen Stufen der Lieferkette tätig sind. Wenn sich zum Beispiel der Hersteller eines bestimmten Produkts (das „vorgelagerte Unternehmen“) mit einem Vertriebshändler seines Produkts (dem „nachgeordneten Unternehmen“) zusammenschließt, wird dies als vertikale Fusion bezeichnet (4).

5.

Konglomerale Zusammenschlüsse sind Fusionen zwischen Unternehmen, deren Beziehung weder rein horizontal (Wettbewerber in demselben relevanten Markt) noch vertikal ist (als Lieferanten oder Kunden) (5). Im Mittelpunkt dieser Leitlinien stehen jedoch Fusionen zwischen Unternehmen, die in nahe verwandten Märkten tätig sind (z. B. Fusionen, an denen Anbieter von Komplementärprodukten oder zur selben Produktpalette gehörenden Produkten beteiligt sind).

6.

Die in der Mitteilung über horizontale Fusionen enthaltenen Leitlinien sind auch für nichthorizontale Fusionen von Belang. In dieser Mitteilung sollen die Wettbewerbsaspekte aufgezeigt werden, die für nichthorizontale Fusionen erheblich sind. Außerdem wird dargelegt, wie die Kommission Marktanteile und Konzentrationsschwellen in diesem Zusammenhang einschätzt.

7.

Fusionen können horizontale wie auch nichthorizontale Wirkungen entfalten. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die fusionierenden Unternehmen nicht nur in einer vertikalen oder konglomeralen Beziehung zueinander stehen, sondern auch bestehende oder potenzielle Wettbewerber in den relevanten Märkten sind (6). In einem solchen Fall bewertet die Kommission die horizontalen, vertikalen und/oder konglomeralen Wirkungen gemäß den in den entsprechenden Mitteilungen enthaltenen Leitlinien (7).

8.

Die in dieser Mitteilung enthaltenen Leitlinien ergänzen und stützen sich auf die Erfahrungen der Kommission mit der Bewertung nichthorizontaler Fusionen gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 seit ihrem Inkrafttreten am 21. September 1990, die geltende Fusionskontrollverordnung und die Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichtes erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften. Die darin enthaltenen Grundsätze werden in der Einzelfallpraxis angewandt, fortentwickelt und verfeinert. Die Kommission wird die Mitteilung über nichthorizontale Fusionen im Lichte der zukünftigen Entwicklung und ihrer kontinuierlichen Erfahrungen von Zeit zu Zeit überarbeiten.

9.

Die Auslegung der Fusionskontrollverordnung zur Bewertung nichthorizontaler Fusionen durch die Kommission ergeht unabhängig von der Auslegung, die der Gerichtshof und das Gericht erster Instanz vornehmen und greift dieser nicht vor.

II.   ÜBERBLICK

10.

Ein wirksamer Wettbewerb ist für die Verbraucher von Nutzen, wenn er zu niedrigen Preisen, hochwertigen Produkten, einer breiten Auswahl an Waren und Dienstleistungen und zu Innovationen führt. Durch die Fusionskontrolle verhindert die Kommission Zusammenschlüsse, die geeignet wären, den Kunden diese Vorteile aufgrund einer erhöhten Marktmacht der beteiligten Unternehmen zu entziehen. „Marktmacht“ bezieht sich hier auf die Fähigkeit eines oder mehrerer Unternehmen, die Preise gewinnbringend zu erhöhen, den Ausstoß zu verringern, die Auswahl und Qualität von Waren und Dienstleistungen zu verringern, die Innovation einzuschränken oder die Gegebenheiten des Wettbewerbs auf andere Weise negativ zu beeinflussen (8).

11.

Nichthorizontale Fusionen geben in der Regel weniger Anlass zu Wettbewerbsbedenken als horizontale Fusionen.

12.

Erstens führen vertikale oder konglomerale Fusionen im Gegensatz zu horizontalen Zusammenschlüssen nicht zu einem Verlust an direktem Wettbewerb zwischen den fusionierenden Unternehmen in demselben relevanten Markt (9). Somit ist die Hauptquelle wettbewerbswidriger Wirkungen in horizontalen Zusammenschlüssen bei vertikalen und konglomeralen Fusionen nicht vorhanden.

13.

Zweitens bieten vertikale und konglomerale Fusionen erheblichen Spielraum für Effizienzgewinne. Ein Merkmal vertikaler und bestimmter konglomeraler Fusionen besteht darin, dass sich die Tätigkeiten und/oder Produkte der beteiligten Unternehmen gegenseitig ergänzen (10). Die Integration komplementärer Tätigkeiten und Produkte in einem Unternehmen kann erhebliche Effizienzgewinne mit sich bringen und den Wettbewerb fördern. In vertikalen Beziehungen führt dieser ergänzende Charakter beispielsweise dazu, dass eine Verringerung der Handelsspannen auf der nachgeordneten Ebene eine gesteigerte Nachfrage auch auf der vorgelagerten Ebene zur Folge hat. Ein Teil des Gewinns dieser gestiegenen Nachfrage kommt den vorgelagerten Lieferanten zugute. Ein integriertes Unternehmen wird diesen Gewinn berücksichtigen. Vertikale Integration kann so einen gesteigerten Anreiz für Preissenkungen und Produktionssteigerungen bieten, da sich das integrierte Unternehmen einen größeren Teil des Gewinns sichern kann. Dies wird häufig als „Internalisierung doppelter Margen“ bezeichnet. Entsprechend können sich andere Bemühungen zur Absatzsteigerung auf einer Ebene (z. B. durch eine Verbesserung der Dienstleistungen oder die Beschleunigung der Innovation) für ein integriertes Unternehmen, das die Gewinne berücksichtigt, die ihm auf anderen Ebenen entstehen, als noch lohnender erweisen.

14.

Die Integration kann auch zur Senkung der Transaktionskosten führen und eine bessere Koordinierung hinsichtlich Produktgestaltung, Organisation des Herstellungsprozesses und der Art und Weise des Verkaufs bewirken. Entsprechend können Fusionen, die Produkte einer Produktpalette oder eines Produktportfolios betreffen, die in der Regel an die gleiche Kundengruppe verkauft werden (sowohl komplementäre als auch nicht-komplementäre Produkte), für den Kunden zum Beispiel wegen der einheitlichen Beschaffungsquelle von Vorteil sein.

15.

Unter Umständen können nichthorizontale Fusionen wirksamen Wettbewerb erheblich behindern, insbesondere als Ergebnis der Schaffung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung. Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass eine nichthorizontale Fusion die Wettbewerbsfähigkeit und den Wettbewerbsanreiz für die fusionierenden Unternehmen und ihre Wettbewerber auf eine Weise verändern kann, die für die Verbraucher von Nachteil ist.

16.

Im Wettbewerbsrecht umfasst der Begriff der „Verbraucher“ sowohl Zwischen- als auch Endverbraucher (11). Sind die Zwischenverbraucher bestehende oder potenzielle Wettbewerber der fusionierenden Parteien, konzentriert sich die Kommission auf die Auswirkungen der Fusion auf die Endverbraucher, denen die fusionierende Einheit und deren Wettbewerber ihre Produkte verkaufen. Deshalb ist die Tatsache, dass eine Fusion Wettbewerber beeinträchtigt, an sich noch kein Problem. Ausschlaggebend sind die Auswirkungen auf einen wirksamen Wettbewerb und nicht allein die Auswirkungen auf die Wettbewerber auf einer bestimmten Ebene der Lieferkette (12). Insbesondere die Tatsache, dass Wettbewerber geschädigt werden, weil ein Zusammenschluss Effizienzgewinne mit sich bringt, kann an sich keinen Anlass zu Wettbewerbsbedenken geben.

17.

Nichthorizontale Fusionen können wirksamen Wettbewerb hauptsächlich durch nicht koordinierte und koordinierte Wirkungen erheblich behindern (13).

18.

Nicht koordinierte Wirkungen entstehen im Wesentlichen, wenn nichthorizontale Fusionen zur Abschottung führen. In dieser Mitteilung bezeichnet der Begriff „Abschottung“ die Fälle, in denen der Zugang bestehender oder potenzieller Wettbewerber zu den Lieferungen oder Märkten aufgrund der Fusion behindert oder beseitigt und in der Folge die Wettbewerbsfähigkeit bzw. der Wettbewerbsanreiz der betreffenden Unternehmen geschwächt wird. Die Abschottung bewirkt, dass die fusionierenden Unternehmen — und möglicherweise sogar einige ihrer Wettbewerber — den Preis gegenüber den Endverbrauchern gewinnbringend erhöhen können (14). Diese Fälle werden nachfolgend als „wettbewerbswidrige Abschottung“ bezeichnet.

19.

Koordinierte Wirkungen entstehen, wenn die Fusion die Wettbewerbsstruktur dahingehend ändert, dass Unternehmen, die zuvor ihr Verhalten nicht koordinierten, nun deutlich eher geneigt sind, Preiserhöhungen zu koordinieren oder einen wirksamen Wettbewerb auf andere Weise zu behindern. Zudem kann eine Fusion Koordinierungen für die Unternehmen einfacher, stabiler und wirksamer machen, die sich bereits vor der Fusion koordinierten.

20.

Bei der Bewertung der Auswirkungen einer Fusion auf den Wettbewerb vergleicht die Kommission die sich aus der Fusion ergebenden Wettbewerbsbedingungen mit dem Zustand, wie er ohne die Fusion fortbestanden hätte (15). In den meisten Fällen bilden die zum Zeitpunkt der Fusion bestehenden Wettbewerbsbedingungen den Vergleichsmaßstab für die Bewertung der Auswirkungen der Fusion. Unter bestimmten Gegebenheiten wird die Kommission auch zukünftige Veränderungen im Markt berücksichtigen, die man mit einiger Sicherheit vorhersehen kann. Als Vergleichsmaßstab kann sie insbesondere die Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts oder -austritts zugrunde legen, wenn die Fusion nicht stattfinden würde. Die Kommission kann auch zukünftige Marktentwicklungen berücksichtigen, die sich aus bevorstehenden aufsichtsrechtlichen Änderungen ergeben können (16).

21.

Bei ihrer Bewertung prüft die Kommission sowohl mögliche wettbewerbswidrige Wirkungen der Fusion als auch mögliche wettbewerbsfördernde Wirkungen, die sich aus den von den Parteien nachgewiesenen Effizienzgewinnen ergeben (17). Die Kommission untersucht die verschiedenen Kausalketten im Hinblick darauf, welche davon die wahrscheinlichste ist. Dabei werden umso eher Wettbewerbsbedenken aufgeworfen, je unmittelbarer die wettbewerbswidrigen Wirkungen einer Fusion erkennbar sind. Entsprechend gilt, dass je unmittelbarer die wettbewerbsfördernden Wirkungen einer Fusion sind, umso wahrscheinlicher findet die Kommission, dass sie wettbewerbswidrigen Wirkungen entgegenwirken.

22.

In dieser Mitteilung werden die wichtigsten Szenarien der Schädigungen des Wettbewerbs und der Quellen für Effizienzgewinne im Zusammenhang mit vertikalen und damit auch konglomeralen Fusionen beschrieben.

III.   MARKTANTEIL UND KONZENTRATIONSHÖHE

23.

Nichthorizontale Fusionen bedrohen einen wirksamen Wettbewerb nur, wenn das fusionierte Unternehmen über ein deutliches Maß an Marktmacht (die nicht unbedingt gleichbedeutend mit Beherrschung sein muss) in wenigstens einem der betroffenen Märkte verfügt. Die Kommission untersucht diesen Sachverhalt, bevor sie die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb bewertet.

24.

Marktanteile und Konzentrationshöhen sind erste nützliche Bezugsgrößen für die Marktmacht und die wettbewerbliche Bedeutung der fusionierenden Unternehmen und der übrigen Marktteilnehmer (18).

25.

Wettbewerbsbedenken bei nichthorizontalen Fusionen, seien sie koordiniert oder nicht koordiniert, werden sich kaum stellen, wenn der Marktanteil der neuen Einheit nach der Fusion in jedem der betroffenen Märkte unterhalb von 30 % (19) und der HH-Index unterhalb von 2000 liegt.

26.

In der Praxis werden derartige Fusionen nur dann eingehend untersucht, wenn besondere Umstände vorliegen, die z. B. einige der nachstehenden Merkmale aufweisen:

a)

an der Fusion ist ein Unternehmen beteiligt, das in naher Zukunft z. B. wegen jüngst erfolgter Innovationen wahrscheinlich beträchtlich wachsen wird;

b)

zwischen den Marktteilnehmern bestehen beträchtliche Überkreuz-Beteiligungen oder wechselseitig besetzte Führungsposten;

c)

bei einem der fusionierenden Unternehmen ist davon auszugehen, dass es koordiniertes Marktverhalten stören wird; und

d)

es gibt Anzeichen für eine vergangene oder andauernde Koordinierung oder Praktiken, die ein Koordinierung erleichtern.

27.

Die Kommission legt als erste Anzeichen für das Fehlen von Wettbewerbsbedenken die vorstehende Markanteilsschwelle und den vorstehenden HHI-Wert zugrunde. Diese lösen jedoch noch keine Rechtsvermutung aus. Die Kommission hält es für weniger angebracht, oberhalb dieser Marktanteils- und Konzentrationswerte Größen zu nennen, die Wettbewerbsbedenken veranlassen können. Das Vorhandensein eines deutlichen Maßes an Marktmacht in wenigstens einem der betroffenen Märkte ist eine notwendige, doch keine hinreichende Voraussetzung für eine Schädigung des Wettbewerbs (20).

IV.   VERTIKALE FUSIONEN

28.

In diesem Abschnitt wird der analytische Rahmen der Kommission für die Beurteilung vertikaler Fusionen dargelegt. Bei ihrer Bewertung berücksichtigt die Kommission sowohl mögliche wettbewerbswidrige Wirkungen vertikaler Fusionen als auch deren mögliche wettbewerbsfördernde Wirkungen, die sich aus den von den Parteien nachgewiesenen Effizienzgewinnen ergeben.

A.   Nichtkoordinierte Wirkungen: Abschottung

29.

Einer Fusion werden Abschottungseffekte zugeschrieben, wenn sie den Zugang tatsächlicher oder potentieller Wettbewerber zu Produktionsmitteln oder Märkten behindert oder unmöglich macht und dadurch die Konkurrenzfähigkeit dieser Unternehmen einschränkt. Abschottung kann die Wettbewerber vom Markteintritt oder Wachstum abhalten bzw. sie zum Marktaustritt veranlassen. Abschottung liegt somit selbst dann vor, wenn die Wettbewerber nicht zum Marktaustritt gezwungen werden: Es reicht bereits aus, dass die Wettbewerber benachteiligt werden und ihre Konkurrenzfähigkeit nachlässt. Eine derartige Abschottung wird als wettbewerbswidrig angesehen, wenn sie die fusionierenden Unternehmen — und möglicherweise einige ihrer Wettbewerber — in die Lage versetzt, gegenüber den Verbraucher die Preise zu erhöhen (21).

30.

Es lassen sich zwei Formen der Abschottung unterscheiden. Die erste Form liegt vor, wenn die Fusion bewirkt, dass die Kosten der nachgeordneten Wettbewerber erhöht werden, indem ihr Zugang zu wichtigen Einsatzmitteln beschränkt wird (Abschottung von den Einsatzmitteln). Die zweite Form liegt vor, wenn die Fusion geeignet ist, die vorgelagerten Wettbewerber durch die Beschränkung des Zugangs zu einem ausreichenden Kundenstamm abzuschotten (Abschottung von den Kunden) (22).

1.   Abschottung von den Einsatzmitteln

31.

Eine Abschottung bei den Einsatzmitteln wird dann angenommen, wenn das fusionierte Unternehmen nach der Fusion in die Lage ist, den Zugang zu solchen Produkten oder Dienstleistungen zu beschränken, die es ohne die Fusion geliefert hätte. Dies erhöht die Kosten der nachgeordneten Wettbewerber, indem es diesen erschwert wird, die Einsatzmittel zu ähnlichen Preisen und Bedingungen wie vor der Fusion zu beziehen. Dies kann es dem fusionierten Unternehmen ermöglichen, seinePreise gegenüber den nachgeordneten Kunden gewinnbringend zu erhöhen. Wie oben ausgeführt kann Abschottung bei den Einsatzmitteln somit eine Schädigung der Verbraucher zur Folge haben, ohne dass die Wettbewerber des fusionierten Unternehmens gezwungenermaßen an den Rand gedrängt oder zum Marktaustritt gezwungen werden. Entscheidend ist, ob die gestiegenen Einsatzmittelkosten höhere Verbraucherpreise zur Folge haben. Die sich aus der Fusion ergebenden Effizienzgewinne könnten jedoch bewirken, dass die neue Einheit den Preis senkt, so dass letztendlich die Auswirkungen auf die Verbraucher insgesamt neutral oder sogar positiv wären. Eine graphische Darstellung dieses Mechanismus ist in Schaubild 1 enthalten.

Schaubild 1

Abschottung bei den Einsatzmitteln

Image

32.

Bei der Ermittlung der Wahrscheinlichkeit einer wettbewerbswidrigen Abschottung bei den Einsatzmitteln untersucht die Kommission zuerst, ob das fusionierte Unternehmen die Möglichkeit hätte, den Zugang zu den Einsatzmitteln abzuschotten, zweitens, ob es den Anreiz dazu hätte und drittens, ob eine Abschottungsstrategie spürbare nachteilige Auswirkungen auf den nachgeordneten Wettbewerb hätte (23). In der Praxis werden diese Faktoren häufig gemeinsam untersucht, da sie eng miteinander verflochten sind.

A.   Fähigkeit, den Zugang zu den Einsatzmitteln abzuschotten (24)

33.

Abschottung bei den Einsatzmitteln kann auf verschiedene Weise erfolgen. Die fusionierte Einheit kann beschließen, keine Geschäfte mit ihren bestehenden oder potenziellen Wettbewerbern auf dem vertikal verbundenen Markt zu machen. Das fusionierte Unternehmen kann auch beschließen die Lieferungen zu reduzieren und/oder seine Preise für Lieferungen an die Wettbewerber zu erhöhen bzw. die Lieferbedingungen ungünstiger zu gestalten, als sie ohne die Fusion wären (25). Außerdem könnte sich die fusionierte Einheit auf eine bestimmte Technologie innerhalb des neuen Unternehmens festlegen, die mit den Technologien der Wettbewerber nicht kompatibel ist (26). Die Abschottung kann auch weniger direkte Formen annehmen, wie zum Beispiel die Verschlechterung der Qualität der gelieferten Einsatzmittel (27). Die Kommission kann bei ihrer Bewertung eine Reihe alternativer oder sich ergänzender möglicher Strategien berücksichtigen.

34.

Die Abschottung bei den Einsatzmitteln kann nur dann Wettbewerbsprobleme aufwerfen, wenn sie ein für das nachgeordnete Produkt wichtiges Einsatzmittel betrifft (28). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das betreffende Einsatzmittel einen für den Preis des nachgeordneten Produkts erheblichen Kostenfaktor ausmacht. Abgesehen von seinen Kosten kann das Einsatzmittel auch aus anderen Gründen von erheblicher Bedeutung sein. Es kann sich zum Beispiel um ein unerlässliches Bauteil handeln, ohne das das nachgeordnete Produkt nicht hergestellt oder auf den Markt gebracht werden könnte (29), oder es kann ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für das nachgeordnete Produkt darstellen (30). Es kann auch vorkommen, dass die Kosten einer Umstellung auf alternative Einsatzmittel relativ hoch sind.

35.

Die Abschottung bei den Einsatzmitteln gibt dann Anlass für Bedenken, wenn ein aus der Fusion entstehendes vertikal integriertes Unternehmen im vorgelagerten Bereich ein deutliches Maß an Marktmacht ausübt. Nur unter diesen Umständen kann man davon ausgehen, dass die fusionierte Einheit spürbaren Einfluss auf die Wettbewerbsbedingungen im vorgelagerten Markt und damit möglicherweise auch auf die Preise und Lieferbedingungen im nachgeordneten Markt ausübt.

36.

Die fusionierte Einheit wäre nur dann in der Lage, die nachgeordneten Wettbewerber abzuschotten, wenn sie deren Zugang zu ihren eigenen vorgelagerten Produkten oder Dienstleistungen beschränken und hierdurch die Gesamtverfügbarkeit der Einsatzmitteln für den nachgeordneten Markt hinsichtlich Preisen oder Qualität negativ beeinflussen könnte. Dies kann der Fall sein, wenn die verbleibenden vorgelagerten Anbieter weniger effizient sind, weniger bevorzugte Alternativprodukte anbieten oder nicht in der Lage sind, ihren Ausstoß in Erwiderung auf die Lieferbeschränkungen zu erhöhen, zum Beispiel, weil sie vor Kapazitätsengpässen stehen oder, weil insgesamt ihre Skalenerträge zurückgehen (31). Zudem kann das Bestehen von Alleinbezugsverträgen zwischen der fusionierten Einheit und unabhängigen Lieferanten von Einsatzmitteln die Fähigkeit der nachgeordneten Wettbewerber einschränken, sich einen angemessenen Zugang zu den Einsatzmitteln zu sichern.

37.

Bei der Ermittlung des Umfangs einer möglichen Abschottung bei den Einsatzmitteln ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung der fusionierten Einheit, nur noch auf Lieferungen einer eigenen vorgelagerten Unternehmenseinheit zurückzugreifen, Kapazitäten bei den verbleibenden Anbietern von Einsatzmitteln freisetzen kann, bei denen der nachgeordnete Unternehmensbereich sich bisher eindeckte. Die Fusion hat dann möglicherweise lediglich eine Neuausrichtung der Einkaufsmuster unter den Wettbewerbern zur Folge.

38.

Wenn der Wettbewerb auf dem Einsatzmittelmarkt oligopolistisch geprägt ist, verringert die Beschränkung des Zugangs zu den Einsatzmitteln der fusionierten Einheit den auf die verbleibenden Einsatzmittelanbieter ausgeübten Druck, was sie in die Lage versetzen kann, den Einsatzmittelpreis, den sie den nicht integrierten nachgeordneten Wettbewerbern berechnen, zu erhöhen. So kann eine Abschottung bei den Einsatzmitteln durch die fusionierte Einheit dazu führen, dass die nachgeordneten Wettbewerber nicht vertikal integrierten Anbietern mit erhöhter Marktmacht ausgesetzt sind (32). Diese Zunahme der Marktmacht von Dritten wird umso größer sein, je niedriger das Maß an Produktdifferenzierung zwischen der fusionierten Einheit und anderen vorgelagerten Anbietern und je höher das Ausmaß an Konzentration im vorgelagerten Bereich ist. Der Versuch, die Einsatzmittelpreise zu erhöhen, kann jedoch fehlschlagen, wenn unabhängige Einsatzmittellieferanten auf einen Rückgang der Nachfrage nach ihren Produkten (seitens des nachgeordneten Bereichs der fusionierten Einheit oder seitens unabhängiger nachgeordneter Unternehmen) mit einer aggressiveren Preispolitik reagieren (33).

39.

Bei ihrer Bewertung wird die Kommission auf der Grundlage der verfügbaren Informationen berücksichtigen, ob es wahrscheinlich ist, dass die Wettbewerber wirksame und rechtzeitige Gegenstrategien anwenden würden. Zu diesen Gegenstrategien zählt die Möglichkeit, den Produktionsprozess zu ändern, um von den betreffenden Einsatzmittel weniger abzuhängen oder den Eintritt neuer Anbieter im vorgelagerten Bereich zu fördern.

B.   Anreiz zur Abschottung des Zugangs zu den Einsatzmitteln

40.

Der Abschottungsanreiz hängt davon ab, in welchem Maße eine Abschottung gewinnbringend wäre. Ein vertikal integriertes Unternehmen wird dabei berücksichtigen, wie seine Einsatzmittellieferungen an die nachgeordneten Wettbewerber sich auf die Gewinne ihrer vorgelagerten und nachgeordneten Geschäftsbereiche auswirken würden. Im Wesentlichen steht die fusionierte Einheit vor einer Abwägung zwischen dem Gewinnrückgang im vorgelagerten Markt, der auf den geringeren Einsatzmittelabsatz an (bestehende oder potenzielle) Wettbewerber zurückzuführen ist, und dem kurz- oder längerfristigen Gewinnzuwachs aufgrund des Absatzwachstums im nachgeordneten Bereich bzw. der Möglichkeit, die Preise gegenüber den Endverbrauchern in diesem Markt zu erhöhen.

41.

Maßgeblich sind dabei die Gewinne, die von der fusionierten Einheit im vorgelagerten und nachgeordneten Bereich erzielt werden können (34). Bei ansonsten unveränderten Gegebenheiten wird der Verlust aufgrund der Beschränkung des Einsatzmittelabsatzes umso kleiner sein, je geringer die Gewinnspannen im vorgelagerten Bereich sind. Entsprechend gilt, dass je höher die Gewinnspannen im nachgeordneten Bereich sind, umso höher werden die Gewinne durch die Erhöhung des Marktanteils in diesem Bereich zu Lasten der abgeschotteten Wettbewerber sein (35).

42.

Der Anreiz für das integrierte Unternehmen, die Kosten für die Wettbewerber zu erhöhen, hängt außerdem davon ab, in welchem Maße die Nachfrage im nachgeordneten Bereich von den abgeschotteten Wettbewerbern weggeleitet werden kann und in welchem Maße der nachgeordnete Geschäftsbereich des integrierten Unternehmens diese Nachfrage für sich sichern kann (36). Dieser Anteil wird in der Regel umso höher sein, je geringer die Kapazitätsbeschränkungen der neuen Einheit im Vergleich zu ihren nicht abgeschotteten nachgeordneten Wettbewerbern sind und je mehr die Produkte der fusionierten Einheit und der abgeschotteten Wettbewerber nahe Substitute sind. Die Auswirkung auf die Nachfrage im nachgeordneten Markt wird auch höher sein, wenn das betroffene Einsatzmittel einen bedeutenden Anteil der Kosten für die nachgeordneten Wettbewerber ausmacht oder ein unerlässlicher Bestandteil des nachgeordneten Produkts ist (37).

43.

Der Anreiz zur Abschottung der bestehenden oder potenziellen Wettbewerber kann auch davon abhängen, in welchem Maße der nachgeordnete Geschäftsbereich des integrierten Unternehmens erwarten kann, von steigenden Preisen im nachgeordneten Markt zu profitieren, die sich aus der Strategie, die Kosten für die Wettbewerber zu hochzutreiben, ergeben könnten (38). Mit der Zunahme der Marktanteile der fusionierten Einheit im nachgeordneten Bereich wächst die Absatzbasis des fusionierten Unternehmens, auf der erhöhte Gewinnspannen erwirtschaftet werden können (39).

44.

Ein vorgelagerter Monopolist, der bereits in der Lage ist, auf alle verfügbaren Gewinne in vertikal verbundenen Märkten in vollem Umfang zuzugreifen, hat im Anschluss an einen vertikalen Zusammenschluss nicht unbedingt einen Anreiz, Wettbewerber abzuschotten. Die Fähigkeit, verfügbare Gewinne bei den Verbrauchern zu erzielen, ist keine notwendige Konsequenz eines sehr hohen Marktanteils (40). Für eine solche Schlussfolgerung wäre eine gründlichere Analyse der bestehenden und zukünftigen Einschränkungen, mit denen der Monopolist bei seiner Tätigkeit konfrontiert wäre, notwendig. Wenn nicht alle verfügbaren Gewinne erzielt werden können, kann ein vertikaler Zusammenschluss — auch wenn ein vorgelagerter Monopolist beteiligt ist — der fusionierten Einheit den Anreiz geben, die Kosten für die nachgeordneten Wettbewerber zu erhöhen und dadurch den Wettbewerbsdruck, den sie auf die fusionierte Einheit im nachgeordneten Markt ausüben, zu senken.

45.

Bei der Bewertung der möglichen Anreize für das fusionierte Unternehmen kann die Kommission verschiedene Faktoren berücksichtigen, wie z. B. die Eigentümerstruktur des neuen Unternehmens (41), die in der Vergangenheit auf dem Markt verfolgten Strategien (42) oder den Inhalt interner strategischer Dokumente wie z. B. Geschäftspläne.

46.

Wenn die Festlegung auf eine bestimmte Vorgehensweise durch die fusionierte Einheit ein wesentlicher Schritt bei der Abschottung ist, untersucht die Kommission sowohl die Anreize für ein solches Verhalten als auch die Faktoren, die zu einer Schwächung oder sogar Beseitigung derartiger Anreize führen können, einschließlich der Möglichkeit, dass das Verhalten unrechtmäßig ist. Ein Verhalten kann u. a. im Hinblick auf die Wettbewerbsregeln oder sektorspezifischen Vorschriften auf nationaler oder EU-Ebene unrechtmäßig sein. Bei dieser Bewertung ist jedoch keine erschöpfende und eingehende Prüfung der Vorschriften der verschiedenen anwendbaren Rechtsordnungen und der darin vorherrschenden Durchsetzungssysteme erforderlich (43). Die Unrechtmäßigkeit eines bestimmten Verhaltens dürfte nur unter bestimmten Gegebenheiten die fusionierte Einheit von ihrer Vorgehensweise abhalten. Die Kommission hat dabei zu ermitteln, ob i) anhand einer ersten Analyse festgestellt werden kann, ob dieses Verhalten eindeutig oder höchstwahrscheinlich nach Gemeinschaftsrecht unrechtmäßig wäre (44), ii) das unrechtmäßige Verhalten aufgedeckt werden könnte (45) und iii) welche Strafen festgesetzt werden könnten.

C.   Anzunehmende Gesamtauswirkung auf einen wirksamen Wettbewerb

47.

Ein Zusammenschluss wirft im Allgemeinen dann Wettbewerbsbedenken aufgrund der Abschottung bei den Einsatzmitteln auf, wenn im nachgeordneten Markt zu Preissteigerungen führen und so einen wirksamen Wettbewerb spürbar behindern würde.

48.

Zum einen wäre eine derartige Abschottung möglich, wenn eine vertikale Fusion die Beteiligten in die Lage versetzt, die Kosten für die Wettbewerber in den nachgeordneten Märkten zu erhöhen, was ihre Verkaufspreise in die Höhe treiben würde. Eine erhebliche Schädigung wirksamen Wettbewerbs setzt in der Regel voraus, dass die abgeschotteten Unternehmen eine wichtige Rolle im Wettbewerb auf dem nachgeordneten Markt spielen. Mit der Zunahme des Anteils der auf dem nachgeordneten Markt abgeschotteten Wettbewerber nimmt auch die Möglichkeit zu, dass die Fusion zu einer erheblichen Preiserhöhung auf diesem Markt führt und dadurch wirksamen Wettbewerb spürbar behindert (46). Auch ein Unternehmen mit einem relativ kleinen Marktanteil kann gemessen an den übrigen Anbietern ein wichtiger Wettbewerber sein (47), zum Beispiel, weil es ein naher Wettbewerber des vertikal integrierten Unternehmens oder ein besonders aggressiver Wettbewerber ist.

49.

Zweitens kann wirksamer Wettbewerb durch die Erhöhung der Zutrittsschranken für potenzielle Wettbewerber spürbar behindert werden (48). Eine vertikale Fusion kann potenzielle Wettbewerber auf dem nachgeordneten Markt abschotten, wenn die fusionierte Einheit potenzielle Zugänger am nachgeordneten Markt wahrscheinlich nicht oder nur zu wesentlich ungünstigeren Bedingungen als ohne die Fusion beliefern würde. Allein die Wahrscheinlichkeit, dass die neue Einheit nach der Fusion eine Abschottungsstrategie verfolgen könnte, könnte sich auf potenzielle Marktzugänger bereits abschreckend auswirken (49). Wirksamer Wettbewerb auf dem nachgeordneten Markt könnte auch durch die Erhöhung der Zutrittsschranken erheblich behindert werden, insbesondere, wenn die Abschottung bei den Einsatzmitteln die potenziellen Wettbewerber dazu zwingen würde, sowohl in den vorgelagerten als auch den nachgeordneten Markt einzutreten, um auf beiden Märkten wirksam den Wettbewerb zu bestehen. Die Bedenken hinsichtlich der Erhöhung der Zutrittsschranken sind vor allem in den Wirtschaftszweigen relevant, die sich dem Wettbewerb öffnen oder in naher Zukunft wahrscheinlich öffnen werden (50).

50.

Wenn ausreichend glaubwürdige Wettbewerber im nachgeordneten Bereich verbleiben, für die sich die Kosten voraussichtlich nicht erhöhen werden, zum Beispiel, weil sie selbst vertikal integriert sind (51) oder sie zu gleichwertigen alternativen Einsatzmitteln überwechseln können, kann der von diesen Unternehmen ausgehende Wettbewerb eine ausreichende Gegenmacht zu der fusionierten Einheit bilden und damit verhindern, dass die Produktpreise das Niveau vor der Fusion überschreiten.

51.

Die Auswirkungen auf den Wettbewerb im nachgeordneten Markt müssen auch unter Bezugnahme auf die Gegenkräfte bewertet werden, wie zum Beispiel das Vorhandensein von Nachfragemacht (52) oder die Wahrscheinlichkeit, dass durch Eintritte in den vorgelagerten Markt wirksamer Wettbewerb aufrechterhalten werden könnte (53).

52.

Die Auswirkungen auf den Wettbewerb sind auch im Hinblick auf die von den fusionierenden Parteien nachgewiesenen Effizienzgewinne zu bewerten (54). Die Kommission kann zu dem Ergebnis kommen, dass wegen der durch eine Fusion bewirkten Effizienzgewinne keine Veranlassung besteht, die Fusion gemäß Artikel 2 Absatz 3 der Fusionskontrollverordnung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären. Dies kann der Fall sein, wenn es hinreichend Indizien dafür gibt, dass die mit der Fusion bewirkten Effizienzgewinne die Fähigkeit und den Anreiz für die fusionierte Einheit verstärken können, wettbewerbsfördernd zum Vorteil der Verbraucher zu handeln, wodurch den ansonsten nachteiligen Auswirkungen der Fusion auf den Wettbewerb entgegengewirkt würde.

53.

Bei der Bewertung der Effizienzgewinne aufgrund nichthorizontaler Fusionen wendet die Kommission die Grundsätze an, die bereits in Abschnitt VII der Mitteilung über horizontale Zusammenschlüsse dargelegt sind. Damit behauptete Effizienzvorteile bei der Bewertung einer Fusion berücksichtigt werden können, müssen diese den Verbrauchern zugute kommen, fusionsspezifisch und nachprüfbar sein. Hierbei handelt es sich um kumulative Voraussetzungen (55).

54.

Vertikale Fusionen können bestimmte Quellen für Effizienzgewinne erschließen, die hier nicht erschöpfend aufgezählt sind.

55.

So kann eine vertikale Fusion die neue Einheit in die Lage versetzen, vorhandene doppelte Aufschläge, die auf die getrennte Preisfestsetzung vor der Fusion zurückzuführen sind, nunmehr zu internalisieren (56). Abhängig von den Marktbedingungen kann eine Verringerung des kombinierten Aufschlags (bezogen auf eine Situation, in der die Preisbeschlüsse auf beiden Ebenen nicht in Einklang gebracht werden) das vertikal integrierte Unternehmen in die Lage versetzen, die Produktion auf dem nachgeordneten Markt gewinnbringend zu erweitern (57).

56.

Eine vertikale Fusion kann außerdem die Parteien in die Lage versetzen, die Produktion und den Vertriebsprozess besser zu koordinieren und dadurch Lagerhaltungskosten einzusparen.

57.

Ganz allgemein kann eine vertikale Fusion gemeinsame Anreize für die Parteien hinsichtlich Investitionen in neue Produkte, neue Herstellungsprozesse und Vermarktung des Produkts schaffen. Während zum Beispiel vor einer Fusion eine nachgeordnete Vertriebseinheit gezögert haben könnte, in Werbung und die Information der Verbraucher über die Qualität der Produkte der vorgelagerten Einheit zu investieren, weil derartige Investitionen auch dem Absatz von anderen nachgeordneten Unternehmen zugute gekommen wären, so könnten sich für die fusionierte Einheit derartige Anreizprobleme verringern.

2.   Abschottung des Zugangs für die Kunden

58.

Eine Kundenabschottung kann stattfinden, wenn ein Lieferant mit einem wichtigen Kunden im nachgeordneten Markt fusioniert (58). Mit Hilfe ihrer Präsenz im nachgeordneten Bereich könnte die fusionierte Einheit den Zugang zu einer ausreichenden Anzahl von Kunden für ihre tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerber im vorgelagerten Markt (dem Einsatzmittelmarkt) abschotten und damit deren Fähigkeit oder Anreiz verringern, in Wettbewerb mit der fusionierten Einheit zu treten. Dadurch könnten sich wiederum die Kosten der nachgeordneten Wettbewerber erhöhen, was es diesen erschweren würde, Lieferungen des Einsatzmittels zu ähnlichen Preisen und Bedingungen wie ohne die Fusion zu erhalten. Dies kann die neue Einheit in die Lage versetzen, höhere Preise im nachgeordneten Markt gewinnbringend durchzusetzen. Durch die Fusion entstehende Effizienzgewinne können jedoch die neue Einheit zur Senkung ihrer Preise veranlassen, so dass sich insgesamt keine nachteiligen Auswirkungen für die Verbraucher ergeben. Abschottung der Kunden kann also auch eine Schädigung der Verbraucher zur Folge haben, ohne dass die Wettbewerber des fusionierten Unternehmens gezwungenermaßen an den Rand gedrängt oder zum Marktaustritt gezwungen werden. Entscheidend ist, ob die gestiegenen Einsatzmittelkosten höhere Verbraucherpreise zur Folge haben. Dieser Mechanismus wird im Schaubild 2 dargestellt.

Schaubild 2

Abschottung der Kunden

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59.

Bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer wettbewerbswidrigen Kundenabschottung untersucht die Kommission zuerst, ob die fusionierte Einheit in der Lage wäre, den Zugang zu den nachgeordneten Märkten durch die Verringerung ihrer Käufe bei den vorgelagerten Wettbewerbern abzuschotten, zweitens, ob sie den Anreiz hätte, ihre Bezüge auf der vorgelagerten Ebene zu verringern und drittens, ob eine Abschottungsstrategie spürbare nachteilige Auswirkungen auf die Kunden im nachgeordneten Markt hätte (59).

A.   Fähigkeit, den Zugang zu nachgeordneten Märkten abzuschotten

60.

Ein vertikaler Zusammenschluss kann die vorgelagerten Wettbewerber beeinträchtigen, indem er für sie die Kosten des Zugangs zu den nachgeordneten Kunden erhöht oder den Zugang zu einem beträchtlichen Kundenstamm beschränkt. Die Kundenabschottung kann verschiedene Formen annehmen. So kann zum Beispiel die fusionierte Einheit beschließen, ihren gesamten Bedarf an Waren und Dienstleistungen bei ihrem vorgelagerten Unternehmensbereich zu decken und deshalb keine Waren mehr bei ihren vorgelagerten Wettbewerbern zu beziehen. Außerdem könnte sie ihre Einkäufe bei diesen Wettbewerbern verringern oder bei ihnen zu weniger günstigen Bedingungen als vor der Fusion einkaufen (60).

61.

Um zu ermitteln, ob die fusionierte Einheit in der Lage wäre, den Zugang zu den nachgeordneten Märkten abzuschotten, prüft die Kommission, ob es im nachgeordneten Markt für die vorgelagerten Wettbewerber (tatsächliche oder potenzielle) ausreichende wirtschaftliche Alternativen für den Verkauf ihrer Produktion gibt (61). Eine Kundenabschottung wird dann problematisch, wenn an der vertikalen Fusion ein Unternehmen beteiligt ist, das im nachgeordneten Markt ein wichtiger Abnehmer mit einem deutlichen Maß an Marktmacht ist (62). Wenn hingegen ein ausreichend großer Kundenstamm gegenwärtig oder in Zukunft vorhanden ist, der sich wahrscheinlich an unabhängige Lieferanten wenden würde, wird die Kommission eher keine Wettbewerbsbedenken in dieser Hinsicht geltend machen (63).

62.

Eine Kundenabschottung kann besonders dann zu höheren Einsatzmittelpreisen führen, wenn auf dem Einsatzmittelmarkt spürbare Skalen- oder Verbundvorteile vorhanden sind oder die Nachfrage durch Netzwirkungen gekennzeichnet ist (64). Hauptsächlich unter diesen Voraussetzungen könnte die Wettbewerbsfähigkeit der bestehenden oder potenziellen vorgelagerten Wettbewerber eingeschränkt werden.

63.

Die Kundenabschottung kann auch zu höheren Einsatzmittelpreisen führen, wenn bestehende vorgelagerte Wettbewerber mit oder nahe ihrer wettbewerbsfähigen Mindestgröße operieren. Wenn die Kundenabschottung und der damit einhergehende Produktionsrückgang die variablen Produktionskosten für die vorgelagerten Wettbewerber erhöhen, kann dies zu einem Aufwärtsdruck auf die Preise führen, die sie ihren Kunden im nachgeordneten Markt berechnen.

64.

Sind Skalen- oder Verbundvorteile vorhanden, kann die Kundenabschottung einen Zutritt in den vorgelagerten Markt für potenzielle Zugänger unattraktiv machen, wenn sich deren Profitaussichten erheblich verringert würden. Wenn die Kundenabschottung tatsächlich potentielle Wettbewerber von einem Marktzutritt abhält, können die Einsatzmittelpreise auf einem höheren Niveau bleiben, als es sich anderenfalls einstellen würde, wodurch sich die Kosten für die Belieferung der nachgeordneten Wettbewerber der fusionierten Einheit mit Einsatzmitteln erhöhen.

65.

Wenn sich die Kundenabschottung vor allem auf die Einnahmen der vorgelagerten Wettbewerber auswirkt, kann sie deren Fähigkeit und Anreiz spürbar verringern, in Kostensenkung, Forschung, Entwicklung und Produktqualität zu investieren (65). Dies macht es ihnen schwerer, langfristig im Wettbewerb zu bestehen, wodurch sie aus dem Markt gedrängt werden könnten.

66.

Bei ihrer Bewertung kann die Kommission das Bestehen verschiedener Märkte entsprechend den verschiedenen Verwendungszwecken des Einsatzmittels berücksichtigen. Wenn ein wesentlicher Teil des nachgeordneten Marktes abgeschottet ist, kann der vorgelagerte Lieferant daran gehindert werden, eine wettbewerbsfähige Größe zu erlangen, und er könnte gezwungen sein, in anderen Märkten zu höheren Kosten zu operieren. Umgekehrt kann ein vorgelagerter Lieferant weiterhin wettbewerbsfähig bleiben, wenn er andere Verwendungszwecke oder Zweitmärkte für seine Einsatzmittel findet, ohne wesentlich höhere Kosten gewärtigen zu müssen.

67.

Bei ihrer Bewertung wird die Kommission anhand der vorliegenden Informationen prüfen, ob die rechtzeitige Entwicklung und Umsetzung wirksamer und tragfähiger Gegenstrategien durch die Wettbewerber wahrscheinlich ist. Hierzu zählt die Möglichkeit, dass sich die vorgelagerten Wettbewerber für eine aggressivere Preisgestaltung entscheiden, um ihr Absatzvolumen im nachgeordneten Markt aufrechtzuerhalten, wodurch die Auswirkungen der Abschottung abgeschwächt würden (66).

B.   Anreiz, den Zugang zu den nachgeordneten Märkten abzuschotten

68.

Der Anreiz zur Abschottung hängt davon ab, in welchem Maße diese gewinnbringend wäre. Die fusionierte Einheit muß abwägen zwischen möglichen Kosten, die entstehen würden, wenn sie die Produkte nicht von vorgelagerten Wettbewerbern beziehen würde, und den möglichen Gewinnen aus einer solchen Entscheidung, zum Beispiel, weil sie es der fusionierten Einheit erlauben würde, die Preise in den vorgelagerten oder den nachgeordneten Märkten zu erhöhen.

69.

Die mit der Kürzung der Käufe bei vorgelagerten konkurrierenden Lieferanten verbundenen Kosten sind höher, wenn der vorgelagerte Bereich des integrierten Unternehmens weniger effizient als die abgeschotteten Lieferanten ist. Sie sind auch höher, wenn der vorgelagerte Geschäftsbereich des fusionierten Unternehmens vor Kapazitätsengpässen steht oder die Produkte der Wettbewerber stärker differenziert und damit attraktiver sind.

70.

Der Anreiz zur Kundenabschottung hängt außerdem davon ab, in welchem Maße der vorgelagerte Bereich des fusionierten Unternehmens in den Genuss höherer Preise auf dem vorgelagerten Markt gelangt, die sich aufgrund der Abschottung der vorgelagerten Wettbewerber ergeben können. Der Anreiz zur Kundenabschottung wird auch größer, wenn das fusionierte Unternehmen davon ausgehen kann, dass sein nachgeordneter Geschäftsbereich aufgrund der Abschottungsstrategie in den Genuss höherer Preise im nachgeordneten Bereich gelangen kann. Die Größe des Absatzmarktes, auf dem steigende Spannen erzielt werden können, nimmt dabei mit dem Umfang der Marktanteile der nachgeordneten Tätigkeitsbereiche der fusionierten Einheit zu (67).

71.

Wenn die Festlegung einer bestimmten Vorgehensweise durch die fusionierte Einheit ein wichtiger Schritt bei der Abschottung ist, untersucht die Kommission sowohl die Anreize, ein solches Verhalten einzunehmen, als auch die Faktoren, die derartige Anreize verringern oder sogar beseitigen können, einschließlich der Möglichkeit, dass die Vorgehensweise unrechtmäßig sein könnte (68).

C.   Anzunehmende Auswirkungen auf einen wirksamen Wettbewerb

72.

Die Abschottung der Wettbewerber im vorgelagerten Markt kann nachteilige Auswirkungen auf dem nachgeordneten Markt haben und die Verbraucher schädigen. Wenn für die Produkte der abgeschotteten vorgelagerten Wettbewerber der freie Zugang zu einem großen Kundenstamm verweigert wird, könnte die Fusion bewirken, dass deren Wettbewerbsfähigkeit in absehbarer Zukunft geschwächt wird. Dies kann dazu führen, dass die nachgeordneten Wettbewerber benachteiligt werden, zum Beispiel in Form erhöhter Einsatzmittelkosten. Dadurch könnte wiederum die fusionierte Einheit in die Lage versetzt werden, die Preise gewinnbringend zu erhöhen oder den Gesamtausstoß auf dem nachgeordneten Markt zu verringern.

73.

Es kann einige Zeit dauern, bis die nachteiligen Auswirkungen auf die Kunden zum Tragen kommen, wenn sich die Kundenabschottung hauptsächlich auf die Einnahmeströme der vorgelagerten Wettbewerber auswirkt und deren Anreize schwächt, Investitionen in Kostensenkungen, Produktqualität oder in andere wettbewerbsrelevante Faktoren vorzunehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

74.

Nur wenn ein hinreichend großer Teil des vorgelagerten Ausstoßes infolge der vertikalen Fusion von den Einnahmerückgängen beeinträchtigt wird, kann die Fusion in spürbarem Maße wirksamen Wettbewerb auf dem vorgelagerten Markt behindern. Werden nicht alle vorgelagerten Wettbewerber davon beeinträchtigt, kann von diesen Unternehmen hinreichender Wettbewerb ausgehen, um Preiserhöhungen im vorgelagerten und damit auch im nachgeordneten Markt zu verhindern. Von den nicht abgeschotteten vorgelagerten Unternehmen kann jedoch nur ausreichender Wettbewerb ausgehen, wenn ihr Wachstum nicht z. B. aufgrund von Kapazitätsengpässen oder Produktdifferenzierung blockiert wird (69). Wenn ein Rückgang des vorgelagerten Wettbewerbs einen erheblichen Teil des nachgeordneten Ausstoßes berührt, kann die Fusion ähnlich der Abschottung bei den Einsatzmitteln zu einer spürbaren Zunahme der Preise im nachgeordneten Markt führen und damit wirksamen Wettbewerb erheblich behindern (70).

75.

Wirksamer Wettbewerb im vorgelagerten Markt kann auch spürbar behindert werden, wenn die Zutrittsschranken für potenzielle Wettbewerber erhöht werden. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn aufgrund der Kundenabschottung die potenziellen Wettbewerber gezwungen wären, sowohl in den vorgelagerten als auch in den nachgeordneten Markt einzutreten, um im Wettbewerb auf beiden Märkten bestehen zu können. In einem solchen Fall könnte die Abschottung bei den Kunden und bei den Vorstoffen Bestandteil derselben Strategie sein. Die Erhöhung der Zutrittsschranken wirft in den Industriezweigen besondere Bedenken auf, die sich dem Wettbewerb öffnen oder sich in absehbarer Zukunft öffnen werden (71).

76.

Bei der Ermittlung der Auswirkungen auf den Wettbewerb sind mögliche Gegenkräfte zu bedenken, zum Beispiel das Vorhandensein einer Nachfragemacht der Abnehmer (72) oder die Wahrscheinlichkeit, dass durch einen Marktzutritt wirksamer Wettbewerb auf den vorgelagerten oder nachgeordneten Märkten aufrechterhalten würde (73).

77.

Auch müssen die Auswirkungen auf den Wettbewerb gemäß den von den fusionierenden Parteien nachgewiesenen Effizienzgewinnen bewertet werden (74).

B.   Andere nichtkoordinierte Wirkungen

78.

Durch die vertikale Integration kann die fusionierte Einheit Zugang zu vertraulichen Unternehmensdaten über die vorgelagerten und nachgeordneten Tätigkeiten der Wettbewerber erlangen (75). So kann zum Beispiel ein Unternehmen, das zum Lieferanten eines nachgeordneten Wettbewerbers wird, kritische Informationen erlangen, die es in die Lage versetzen, bei den Preisen im nachgeordneten Markt zum Nachteil der Verbraucher weniger aggressiv vorzugehen (76). Auch könnte es die Wettbewerber benachteiligen und sie davon abhalten, in den Markt einzutreten bzw. dort zu expandieren.

C.   Koordinierte Wirkungen

79.

Wie in Abschnitt IV der Mitteilung über horizontale Zusammenschlüsse dargelegt kann eine Fusion den bestehenden Wettbewerb auf eine Weise verändern, dass Unternehmen, die ihr Verhalten zuvor nicht abgestimmt hatten, nun deutlich eher zu einer Koordinierung neigen und die Preise erhöhen oder einem wirksamen Wettbewerb auf andere Weise schaden. Für Unternehmen, die sich vor einem Zusammenschluss koordinierten, kann die Fusion die Koordinierung einfacher, stabiler oder wirksamer machen (77).

80.

Eine Marktkoordinierung kann sich ergeben, wenn Wettbewerber in der Lage sind, ohne eine Vereinbarung einzugehen oder ihre Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 81 des EG-Vertrags abzustimmen, gemeinsame Ziele festzulegen und zu verfolgen, um durch ein kohärentes System unausgesprochener Androhungen den üblichen gegenseitigen Wettbewerbsdruck zu umgehen. Bei freiem Wettbewerb hat jedes Unternehmen einen beständigen Wettbewerbsanreiz. Dieser Anreiz ist der eigentliche Garant dafür, dass die Preise niedrig bleiben und die Unternehmen daran gehindert werden, gemeinsam ihre Gewinne hochzuschrauben. Die Koordinierung stellt eine Umgehung der Bedingungen des freien Wettbewerbs dar, aufgrund derer die Unternehmen ihre Preise über eine unabhängige, kurzfristige Gewinnmaximierung hinaus dauerhaft erhöhen können. Durch die Koordinierung verzichten die Unternehmen darauf, die hohen Preise ihrer Wettbewerber zu unterbieten, weil sie erwarten, dass ein solches Vorgehen ihre Koordinierung in Zukunft beeinträchtigen könnte. Damit koordinierte Wirkungen entstehen können, muss der Gewinn, den die Unternehmen durch einen aggressiven Wettbewerb kurzfristig erzielen könnten („abweichen“), geringer sein als der erwartete Einnahmerückgang, den ein solches Verhalten langfristig bewirken könnte, da zu erwarten wäre, dass es eine aggressive Erwiderung der Wettbewerber („eine Bestrafung“) herausfordern würde.

81.

Eine Koordinierung in Märkten ist dort wahrscheinlicher, wo es relativ einfach ist, ein Einverständnis über die Bedingungen der Koordinierung zu erzielen. Es sind drei Bedingungen erforderlich, um eine Koordinierung dauerhaft zu machen. Erstens müssen die koordinierenden Unternehmen in der Lage sein, ausreichend zu überwachen, ob die Bedingungen der Koordinierung befolgt werden. Zweitens bedarf es zur Disziplinierung eines Abschreckungsmechanismus, der im Falle eines abweichenden Verhaltens zum Tragen kommt. Drittens sollen Außenstehende, wie zum Beispiel bestehende und zukünftige Wettbewerber, die an der Koordinierung nicht teilnehmen, oder auch die Kunden die mit der Koordinierung erwarteten Ergebnisse nicht gefährden können (78).

Vereinbarung der Bedingungen für die Koordinierung

82.

Eine vertikale Fusion kann es für die Unternehmen im vorgelagerten und nachgeordneten Markt erleichtern, ein Einverständnis über die Bedingungen der Koordinierung zu erzielen (79).

83.

Wenn zum Beispiel eine vertikale Fusion zur Abschottung führt (80), bewirkt sie einen Rückgang der Anzahl der im Markt tätigen Wettbewerber. Ganz allgemein erleichtert ein Rückgang der Anzahl der Marktteilnehmer die Koordinierung zwischen den verbleibenden Anbietern.

84.

Vertikale Fusionen können auch den Grad an Symmetrie zwischen den in einem Markt tätigen Unternehmen erhöhen (81). Dadurch kann sich die Wahrscheinlichkeit einer Koordinierung erhöhen, indem es den Unternehmen erleichtert wird, zu einem Einvernehmen über die Bedingungen der Koordinierung zu gelangen. Außerdem kann die vertikale Integration das Ausmaß an Markttransparenz erhöhen, was eine Koordinierung unter den verbleibenden Marktanbietern ebenfalls erleichtert.

85.

Darüber hinaus kann eine Fusion zur Beseitigung eines Einzelgängers im Markt führen. Ein Einzelgänger ist ein Lieferant, der aus bestimmten Gründen nicht bereit ist, ein Koordinierungsergebnis hinzunehmen, und deshalb ein aggressiver Wettbewerber bleibt. Die vertikale Integration eines Einzelgängers kann seine Interessenlage in einem solchen Maß verändern, dass eine Koordinierung nicht mehr verhindert wird.

Überwachung der Abweichungen

86.

Die vertikale Integration kann die Koordinierung erleichtern, indem sie die Markttransparenz für die Firmen durch den Zugang zu sensiblen Informationen über Wettbewerber erhöht, oder die Überwachung des Preisgeschehens erleichtert. So können Bedenken entstehen, wenn zum Beispiel das Ausmaß an Preistransparenz im nachgeordneten Bereich größer als im vorgelagerten Bereich ist. Dies könnte der Fall sein, wenn die Preise an die Endverbraucher öffentlich bekannt sind, während die Geschäfte auf dem Zwischenmarkt vertraulich sind. Die vertikale Integration kann den vorgelagerten Herstellern Kontrolle über die Endpreise verschaffen und damit Abweichungen wirksamer überwachen.

87.

Eine vertikale Fusion, die zur Abschottung führt, kann auch einen Rückgang der Anzahl der im Markt tätigen Wettbewerber bewirken. Ein Rückgang in der Anzahl der Marktteilnehmer kann die gegenseitige Überwachung des Marktverhaltens erleichtern.

Abschreckungsmechanismen

88.

Vertikale Fusionen können sich auf die Anreize der koordinierenden Unternehmen auswirken, die Bedingungen der Koordinierung zu befolgen. So kann zum Beispiel ein vertikal integriertes Unternehmen in der Lage sein, solche Wettbewerber wirksamer zu bestrafen, die beschließen, von den Bedingungen der Koordinierung abzuweichen, beispielsweise um einem wichtigen Kunden bzw. Lieferanten entgegenzukommen (82).

Reaktionen von Außenstehenden

89.

Vertikale Fusionen können den Spielraum für Außenstehende verringern, die Koordinierung durch die Erhöhung der Marktzutrittsschranken zu destabilisieren oder auf andere Weise die Wettbewerbsfähigkeit der an der Koordinierung nicht beteiligten Außenstehenden zu beschränken.

90.

Eine vertikale Fusion kann auch zum Wegfallen eines störenden Käufers im Markt führen. Wenn die vorgelagerten Unternehmen den Absatz an einen bestimmten Kunden für hinreichend wichtig ansehen, können sie versucht sein, von den Bedingungen der Koordinierung abzuweichen, um sich ihr Geschäft zu sichern. Entsprechend kann ein Großabnehmer in die Lage geraten, die koordinierenden Unternehmen zur Abweichung von diesen Bedingungen zu bewegen, indem er einen großen Teil seines Bedarfs bei einem bestimmten Lieferanten einkauft oder langfristige Verträge anbietet. Die Übernahme eines solchen Käufers kann das Risiko der Koordinierung im Markt erhöhen.

V.   KONGLOMERALE FUSIONEN

91.

Konglomerale Fusionen finden zwischen Unternehmen statt, deren Beziehung zueinander weder rein horizontal (als Wettbewerber in demselben relevanten Markt) noch rein vertikal (als Anbieter und Kunde) ist. In der Praxis liegt der Schwerpunkt auf Fusionen zwischen Unternehmen, die in eng verwandten Märkten tätig sind (83) (z. B. Fusionen, an denen Lieferanten von ergänzenden Produkten oder Produkten beteiligt sind, die einer Produktpalette angehören, die in der Regel von der gleichen Kundengruppe für dieselbe Endverwendung gekauft werden).

92.

Grundsätzlich werfen konglomerale Fusionen in der Mehrzahl der Fälle keine Wettbewerbsprobleme auf, wenngleich sie unter bestimmten Umständen zur Schädigung des Wettbewerbs führen können. Bei ihrer Bewertung prüft die Kommission sowohl mögliche wettbewerbswidrige Wirkungen konglomeraler Fusionen, als auch mögliche wettbewerbsfördernde Wirkungen, die sich aus den von den Parteien nachgewiesenen Effizienzgewinnen ergeben.

A.   Nichtkoordinierte Wirkungen: Abschottung

93.

Die Hauptbedenken bei konglomeralen Fusionen betreffen die Abschottung. Durch die Zusammenführung von Produkten in verwandten Märkten erlangt die fusionierte Einheit die Fähigkeit und den Anreiz, unter Ausnutzung ihrer starken Marktstellung in einem Markt durch Binden oder Koppeln oder andere ausschließende Praktiken eine Hebelwirkung (84) in einem anderen Markt auszuüben (85). Bindung und Kopplung sind weit verbreitete Praktiken, die sich häufig nicht nachteilig auf den Wettbewerb auswirken. Damit sollen den Kunden bessere Produkte oder Angebote in kostenwirksamer Weise angeboten werden. Unter bestimmten Umständen kann Binden und Koppeln jedoch die Wettbewerbsfähigkeit oder den Wettbewerbsanreiz für bestehende oder potenzielle Wettbewerber schwächen. Dadurch kann sich der Wettbewerbsdruck auf die fusionierte Einheit mindern, was ihr Preiserhöhungen ermöglichen kann.

94.

Bei der Ermittlung der Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios untersucht die Kommission zuerst, ob die fusionierte Einheit die Fähigkeit hätte, ihre Wettbewerber abzuschotten, zweitens, ob sie hierfür einen wirtschaftlichen Anreiz hätte und drittens, ob eine Abschottungsstrategie spürbare schädigende Auswirkungen auf den Wettbewerb hätte und damit den Verbrauchern Schaden zufügen würde (86). In der Praxis werden diese Faktoren häufig gemeinsam untersucht, da sie eng miteinander verflochten sind.

A.   Fähigkeit zur Abschottung

95.

Die fusionierte Einheit kann am unmittelbarsten ihre Macht in einem Markt zur Abschottung der Wettbewerber in einem anderen Markt nutzen, indem sie die Produkte in getrennten Märkten für den Absatz miteinander verknüpft. Dies erfolgt am direktesten entweder durch Bindung oder durch Kopplung.

96.

„Kopplung“ bezieht sich auf den Preis und die Form, in der die fusionierte Einheit ein Produkt anbietet. Man kann zwischen reiner Kopplung und gemischter Kopplung unterscheiden. Im Falle der reinen Kopplung werden die Produkte ausschließlich gemeinsam in einem festgelegten Verhältnis zueinander verkauft. Im Falle der gemischten Kopplung werden die Produkte auch getrennt von einander angeboten, aber die Summe der Einzelpreise ist höher als der Paketpreis (87). Rabatte, die für den Kauf weiterer Produkte angeboten werden, können als eine Form der gemischten Kopplung betrachtet werden.

97.

„Bindung“ bezieht sich in der Regel auf Fälle, in denen der Lieferant den Kauf eines Produkts (des bindenden Produktes) nur unter der Bedingung durchführt, dass ein anderes, unterschiedliches Produkt (das gebundene Produkt) ebenfalls beim Lieferanten oder bei einem von ihm bestimmten Unternehmen gekauft wird. Bindung kann auf vertraglichem oder technischem Wege herbeigeführt werden. So findet eine technische Bindung statt, wenn das bindende Produkt in einer Weise gestaltet ist, dass es nur gemeinsam mit dem gebundenen Produkt funktioniert (jedoch nicht mit den von den Wettbewerbern angebotenen Alternativerzeugnissen). Eine vertragliche Bindung bedeutet, dass sich Kunden vertraglich verpflichten, im Falle des Erwerbs des bindenden Produktes auch das gebundene Produkt von dem diesem Anbieter zu beziehen (und nicht etwa von anderen Wettbewerbern). Die gemischte Kopplung kann sich der reinen Kopplung annähern, wenn für die einzeln angebotenen Produkte unerschwingliche Preise verlangt werden; die Unterscheidung zwischen beiden ist daher nicht immer eindeutig.

98.

Anhand der besonderen Merkmale der Produkte kann festgestellt werden, ob der fusionierten Einheit eine dieser Möglichkeiten der Verknüpfung von Verkäufen zwischen getrennten Märkten zur Verfügung steht. So ist zum Beispiel das reine Binden kaum möglich, wenn die Produkte nicht gleichzeitig oder von denselben Kunden gekauft werden (88). Außerdem ist das technische Binden nur in bestimmten Wirtschaftszweigen eine realistische Option.

99.

Um in der Lage zu sein, Wettbewerber abzuschotten, muss die neue Einheit in einem der betroffenen Märkte ein deutliches Maß an Marktmacht ausüben, das nicht unbedingt gleichbedeutend mit Beherrschung sein muss. Von einer Kopplung oder Bindung sind nur erhebliche Wirkungen zu erwarten, wenn zumindest eines der Produkte der fusionierten Einheit von vielen Kunden als besonders wichtig angesehen wird und für dieses Produkt nur wenige Alternativen in Frage kommen, z. B. wegen Produktdifferenzierung (89) oder Kapazitätsengpässen bei den Wettbewerbern.

100.

Damit die Abschottung Anlass für Bedenken geben kann, muss für die einzelnen Produkte ein großer gemeinsamer Kundenstamm vorhanden sein. Je mehr Kunden geneigt sind, beide Produkte zu erwerben, desto mehr kann die Nachfrage nach den einzelnen Produkten durch Koppeln oder Binden beeinträchtigt werden. Dieser Zusammenhang beim Kaufverhalten wird umso wichtiger, wenn sich die betreffenden Produkte ergänzen.

101.

Ganz grundsätzlich sind die Abschottungswirkungen von Kopplung und Bindung in Wirtschaftszweigen ausgeprägter, in denen Skalenvorteile entstehen und das Nachfragemuster jederzeit dynamische Auswirkungen auf die zukünftigen Lieferbedingungen des Marktes haben kann. Wenn zum Beispiel ein Lieferant komplementärer Produkte Marktmacht bei einem der Produkte ausübt (Produkt A), kann die Kopplung oder Bindung zu einem Absatzrückgang bei den nichtintegrierten Anbietern der ergänzenden Ware (Produkt B) haben. Wenn außerdem Netzwerkexternalitäten ins Spiel kommen (90), wird dadurch der Spielraum der Wettbewerber zur Ausweitung ihrer Verkäufe des Produktes B in der Zukunft erheblich eingeschränkt. Wenn umgekehrt potenzielle Marktzugänger das ergänzende Produkt auf den Markt bringen wollen, kann die fusionierte Einheit durch die Kopplung diese potentiellen Konkurrenten vom Markteintritt abhalten. Die begrenzte Verfügbarkeit von sich ergänzenden Produkten, die miteinander kombiniert werden können, kann ebenfalls von einem Eintritt in den Markt A abhalten.

102.

Es ist hinzuzufügen, dass der Spielraum für die Abschottung kleiner wird, wenn sich die fusionierenden Parteien nicht darauf festlegen können, ihre Bindungs- oder Kopplungsstrategie dauerhaft zu gestalten, zum Beispiel beim technischen Binden oder Koppeln, das nur unter Kostenaufwand rückgängig gemacht werden kann.

103.

Bei ihrer Bewertung untersucht die Kommission anhand der vorliegenden Informationen, ob die Wettbewerber wirksame Gegenstrategien rechtzeitig einsetzen könnten. Ein Beispiel wäre das Zunichtemachen einer Kopplungsstrategie durch Einproduktunternehmen, die ihre Produkte zusammenlegen, um ihr Angebot für die Kunden attraktiver zu machen (91). Eine Abschottung durch Kopplung ist unwahrscheinlicher, wenn ein Unternehmen gekoppelte Produkte kaufen und sie ungekoppelt weiterverkaufen könnte. Außerdem könnten die Wettbewerber durch ein aggressiveres Preisgebaren ihren Marktanteil aufrechterhalten und damit die Abschottungswirkung abmildern (92).

104.

Die Kunden können einen starken Anreiz haben, die Palette der betreffenden Produkte bei einer einzigen Quelle und nicht bei mehreren Lieferanten zu beziehen, zum Beispiel, weil sie damit Transaktionskosten einsparen. Die Tatsache, dass die fusionierte Einheit eine breite Produktpalette oder ein breites Produktportfolio anbieten kann, wirft deshalb alleine noch keine Wettbewerbsbedenken auf (93).

B.   Anreiz zur Abschottung

105.

Der Anreiz, die Wettbewerber durch Koppeln oder Binden abzuschotten, hängt davon ab, in welchem Maße eine solche Strategie gewinnbringend wäre. Die fusionierte Einheit steht vor einem Abwägen zwischen den Kosten, die mit einer Kopplung oder Bindung ihrer Produkte verbunden wären und den möglichen Gewinnen aus der Ausweitung der Anteile an den betreffenden Märkten bzw. der Möglichkeit, die Preise in diesen Märkten aufgrund ihrer Marktmacht zu erhöhen.

106.

Die reine Kopplung oder Bindung kann für die fusionierte Einheit mit Verlusten verbunden sein. Wenn zum Beispiel eine beträchtliche Anzahl an Kunden daran interessiert ist, nicht die gekoppelten Produkte, sondern stattdessen nur ein Produkt zu kaufen (z. B. das für die Hebelwirkung verwendete Produkt), kann der Absatz dieses (gekoppelten) Produkts erheblich zurückgehen. Außerdem können Verluste bei dem für die Ausübung der Hebelwirkung verwendeten Produkt entstehen, wenn die Kunden, die vor der Fusion das entsprechende Produkt einer fusionierenden Partei mit dem Produkt eines anderen Unternehmens kombinierten, beschließen, entweder überhaupt keine Produkte mehr oder zumindest die von Wettbewerbern angebotenen Kopplungsprodukte nicht mehr zu erwerben (94).

107.

In diesem Zusammenhang kann es hilfreich sein, den relativen Wert der verschiedenen Erzeugnisse zu ermitteln. So ist es zum Beispiel unwahrscheinlich, dass die fusionierte Einheit bereit wäre, auf den Absatz in einem hoch rentablen Markt zu verzichten, um Anteile an einem anderen Markt zu erlangen, in dem der Umsatz relativ klein und die Gewinne bescheiden sind.

108.

Die Kopplung oder Bindung kann jedoch auch zu einer Gewinnsteigerung durch die Erlangung von Marktmacht auf den gebundenen Warenmärkten, den Schutz der Marktmacht in diesen Märkten oder eine Kombination von Beidem führen (siehe Abschnitt C).

109.

Bei der Bewertung der möglichen Anreize für das fusionierte Unternehmen kann die Kommission andere Faktoren berücksichtigen, wie z. B. die Eigentümerstruktur des neuen Unternehmens (95), früher auf dem Markt verfolgte Strategien oder den Inhalt interner strategischer Dokumente wie z. B. Geschäftspläne.

110.

Wenn ein bestimmtes Vorgehen der fusionierten Einheit ein wesentlicher Schritt der Abstimmung ist, untersucht die Kommission sowohl die Anreize für eine solche Vorgehensweise als auch die Faktoren, die diese Anreize verringern oder sogar beseitigen können, einschließlich der Möglichkeit, dass die Verhaltensweise unrechtmäßig wäre (96).

C.   Wahrscheinliche Gesamtauswirkung auf die Preise und die Auswahl

111.

Die Kopplung oder Bindung kann für die Wettbewerber, die nur einen Bestandteil anbieten, zu einem spürbaren Rückgang der Absatzaussichten führen. Ein Absatzrückgang der Wettbewerber ist an sich noch kein Problem. In einigen Wirtschaftszweigen kann dieser Rückgang jedoch, wenn er einen bestimmten Umfang erreicht, zu einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit oder des Wettbewerbsanreizes der Wettbewerber führen. Dies könnte die fusionierte Einheit in die Lage versetzen, in dem Markt der gebundenen oder gekoppelten Ware Macht zu erwerben und/oder in dem Markt der bindenden oder koppelnden Ware ihre Marktmacht aufrechtzuerhalten.

112.

Abschottungspraktiken können potenzielle Wettbewerber daran hindern, in einen Markt einzutreten. Sie können dazu führen, dass die Absatzaussichten für potenzielle Marktzugänger unter den Mindestabsatz absinken. Im Falle von ergänzenden Produkten kann die Verhinderung des Markteintritts durch Koppeln oder Binden die fusionierte Einheit in die Lage versetzen, vom Eintritt in einen anderen Markt abzuhalten, wenn das Koppeln oder Binden potenzielle Wettbewerber zwingt, gleichzeitig in beide und nicht nur in einen oder in beide Produktmärkte nacheinander einzutreten. Dies kann spürbare Auswirkungen insbesondere in den Wirtschaftszweigen haben, in denen das Nachfragemuster jederzeit dynamische Wirkungen auf die zukünftigen Lieferbedingungen dieses Markts in hat.

113.

Nur wenn ein ausreichend großer Teil des Marktausstoßes von der Abschottung betroffen ist, kann die Fusion wirksamen Wettbewerb erheblich behindern. Wenn in beiden Märkten wirksame Einproduktanbieter verbleiben, ist es unwahrscheinlich, dass der Wettbewerb nach einer konglomeralen Fusion beeinträchtigt wird. Das Gleiche gilt, wenn nur wenige Einproduktwettbewerber fortbestehen, diese jedoch die Fähigkeit und den Anreiz haben, ihre Produktion zu erweitern.

114.

Die Auswirkungen auf den Wettbewerb sind auch vor dem Hintergrund von Gegenkräften zu bewerten, wie zum Beispiel dem Vorhandensein einer Nachfragemacht der Abnehmer (97) oder der Wahrscheinlichkeit, dass durch einen Marktzutritt wirksamer Wettbewerb in den vorgelagerten oder nachgeordneten Märkten aufrechterhalten wird (98).

115.

Außerdem sind die Auswirkungen auf den Wettbewerb im Lichte der von den fusionierenden Parteien nachgewiesenen Effizienzgewinne zu ermitteln (99).

116.

Viele der bei vertikalen Fusionen ausgemachten Effizienzgewinne gelten entsprechend auch für konglomerale Fusionen, die ergänzende Produkte betreffen.

117.

Wenn die Hersteller sich ergänzender Waren ihre Preise unabhängig festsetzen, berücksichtigen sie nicht die positiven Auswirkungen eines Rückgangs des Preises für ihr Produkt auf den Absatz des anderen Produktes. Abhängig von den Marktbedingungen kann das fusionierte Unternehmen diese Auswirkung vereinnahmen und einen gewissen Anreiz zur Senkung seiner Gewinnspannen haben, wenn dies insgesamt zu höheren Gewinnen führt (dieser Anreiz wird häufig als „Cournot-Effekt“ bezeichnet). In den meisten Fällen kann sich das fusionierte Unternehmen diese Auswirkungen am besten durch ein gemischtes Koppeln zunutze machen, d. h., indem es den Preisrückgang davon abhängig macht, ob der Kunde beide Produkte von ihm bezieht (100).

118.

Es ist ein Merkmal der konglomeralen Fusionen, dass sie Kosteneinsparungen in Form von Verbundvorteilen (entweder im Produktions- oder im Verbrauchsbereich) bewirken können, die vorteilhaft sind, wenn man die Waren gemeinsam und nicht getrennt liefert (101). So kann es zum Beispiel effizienter sein, bestimmte Teile gekoppelt und nicht getrennt auf den Markt zu bringen. Für den Kunden können sich Wertsteigerungen in Form einer besseren Kompatibilität und der Qualitätssicherung bei den sich ergänzenden Bestandteilen ergeben. Derartige Verbundvorteile sind notwendige, jedoch keine hinreichenden Voraussetzungen, um ein Koppeln oder Binden mit Effizienzgewinnen zu rechtfertigen. So kann ein Nutzen aufgrund von Verbundvorteilen häufig auch ohne technisches oder vertragliches Koppeln erzielt werden.

B.   Koordinierte Wirkungen

119.

Konglomerale Fusionen können unter bestimmten Umständen eine wettbewerbswidrige Koordinierung erleichtern, selbst wenn keine Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 81 des EG-Vertrags vorliegen. Die Leitlinien in Abschnitt IV der Mitteilung über horizontale Fusionen gelten auch in diesem Zusammenhang. Eine Koordinierung ergibt sich leichter in den Märkten, in denen die Bedingungen für eine andauernde Koordinierung ohne große Umstände festgelegt werden können.

120.

Eine konglomerale Fusion kann unter anderem dann zu einem abgestimmten Ergebnis in einem Markt führen, wenn die Anzahl der Wettbewerber so verringert wird, dass eine stillschweigende Koordinierung zur konkreten Möglichkeit wird. Wettbewerber, die nicht vom Markt ausgeschlossen werden, können sich in einer schwächeren Lage wiederfinden. Deshalb können es abgeschottete Wettbewerber vorziehen, nicht gegen die Koordinierung anzugehen, sondern den Schutz des erhöhten Preisniveaus in Anspruch zu nehmen.

121.

Außerdem kann eine konglomerale Fusion das Ausmaß und die Bedeutung von Situationen erhöhen, in denen sich Unternehmen gleichzeitig in mehreren Märkten als Wettbewerber gegenüber stehen. Der gegenseitige Wettbewerb auf mehreren Märkten kann den Einflussbereich und die Wirksamkeit von Disziplinierungsmechanismen erhöhen, die gewährleisten, dass die Bedingungen der Koordinierung befolgt werden.


(1)  Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 (ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1).

(2)  In der Fusionskontrollverordnung umfasst der Begriff Zusammenschluss verschiedene Arten von Vorgängen wie zum Beispiel Fusionen, Erwerbe, Übernahmen und bestimmte Arten von Gemeinschaftsunternehmen. In dieser Mitteilung umfasst der Begriff „Fusion“, wenn nicht anders vermerkt, gleichbedeutend mit Zusammenschluss die vorstehenden Arten von Transaktionen.

(3)  Leitlinien zur Bewertung der Zusammenschlüsse von Unternehmen, die gegenwärtige oder potenzielle Wettbewerber auf demselben relevanten Markt sind („horizontale Zusammenschlüsse“) sind in der Kommissionsmitteilung „Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen“ enthalten (ABl. C 31 vom 5.2.2004, S. 5) („Mitteilung über horizontale Fusionen“).

(4)  In dieser Mitteilung bezeichnen die Begriffe „nachgeordnet“ und „vorgelagert“ die (potenzielle) Geschäftsbeziehung zwischen den fusionierenden Einheiten. Diese Geschäftsbeziehung ist in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass das „nachgeordnete“ Unternehmen die Produktion des „vorgelagerten“ Unternehmens erwirbt und diese als Vorstoff für seine eigene Produktion verwendet, die es daraufhin an seine Kunden verkauft. Der Markt, auf dem erstere Transaktionen stattfinden, wird als der vorgelagerte Markt, der Markt für letztere Transaktionen als der nachgeordnete Markt bezeichnet.

(5)  Die Unterscheidung zwischen konglomeraten und horizontalen Fusionen kann schwierig sein, z. B. wenn eine konglomerate Fusion Produkte betrifft, die füreinander kaum als Substitute anzusehen sind. Das Gleiche gilt für die Unterscheidung zwischen konglomeraten und vertikalen Fusionen. So können zum Beispiel bei den Produkten einiger Lieferanten die Vorstoffe bereits einbezogen sein (vertikale Beziehung), während andere Anbieter es dem Kunden überlassen, die Vorstoffe selbst auszuwählen und zusammenzusetzen (konglomerate Beziehungen).

(6)  So sind zum Beispiel in bestimmten Märkten vorgelagerte oder nachgeordnete Unternehmen häufig potenzielle Marktzugänger in einer guten Ausgangsposition; siehe z. B. für den Strom- und Gassektor, die Sache COMP/M.3440 — EDP/ENI/GDP (2004). Das Gleiche kann für Hersteller von sich ergänzenden Produkten gelten; siehe z. B. im Flüssigkeitsverpackungssektor Sache COMP/M.2416 — TetraLaval/Sidel (2001).

(7)  Leitlinien zur Bewertung von Fusionen mit einem potenziellen Wettbewerber sind in der Mitteilung über horizontale Fusionen, insbesondere in den Absätzen 58 bis 60 enthalten.

(8)  In dieser Mitteilung wird der Ausdruck „erhöhte Preise“ häufig als Kurzform für die verschiedenen Formen der Schädigung des Wettbewerbs aufgrund einer Fusion verwendet. Er umfasst auch Sachlagen, wenn z. B. die Preise (wahrscheinlich) weniger zurückgehen als dies ohne die Fusion der Fall wäre und sie (wahrscheinlich) stärker zunehmen, als dies ohne die Fusion erfolgt wäre.

(9)  Ein Verlust an direktem Wettbewerb kann dennoch entstehen, wenn zum Beispiel eines der fusionierenden Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber in dem relevanten Markt ist, in dem das andere fusionierende Unternehmen tätig ist; siehe Ziff. 7.

(10)  Produkte oder Dienstleistungen werden in dieser Mitteilung als „ergänzend“ (bzw. „wirtschaftlich ergänzend“) bezeichnet, wenn sie für einen Kunden zusammengenutzt oder zusammenverbraucht wertvoller sind als getrennt genutzt oder verbraucht. Eine Fusion zwischen vorgelagerten und nachgeordneten Tätigkeiten kann auch als eine Zusammenführung von Ergänzungen sein, die in das Endprodukt eingehen. So erfüllen zum Beispiel die Produktion und der Vertrieb eine unerlässliche Rolle bei der Vermarktung eines Produkts.

(11)  Siehe Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Fusionskontrollverordnung und Absatz 84 der Bekanntmachung der Kommission Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des EG-Vertrags (ABl. C 101 vom 27.4.2004, S. 97).

(12)  Ein Beispiel für diesen Ansatz ist der Sache COMP/M.3653 Siemens/VA Tech (2005) zu entnehmen, worin die Kommission die Auswirkungen der Fusion auf die beiden ergänzenden Märkte für elektrische Schienenfahrzeuge und elektrische Traktionssysteme für Schienenfahrzeuge untersuchte, die in ein vollständiges Schienenfahrzeug eingehen. Obwohl durch die Fusion die Anzahl unabhängiger Anbieter von elektrischen Antriebssystemen zurückgehen musste, konnten viele integrierte Anbieter fortbestehen, die das Schienenfahrzeug liefern können. Die Kommission schloss hieraus, dass selbst wenn die Fusion nachteilige Folgen für die unabhängigen Anbieter von elektrischen Schienenfahrzeugen hätte, ein ausreichender Wettbewerb auf dem nachgeordneten Markt der Schienenfahrzeuge fortbestehen würde.

(13)  Siehe Abschnitt II der Mitteilung über horizontale Fusionen.

(14)  Zur Bedeutung des Begriffs „erhöhte Preise“ siehe Fußnote 8.

(15)  Entsprechend bewertet die Kommission eine Fusion, die ohne vorherige Anmeldung durchgeführt worden ist, unter Zugrundelegung der Wettbewerbsbedingungen, die ohne die vollzogene Fusion fortbestanden hätten.

(16)  Dies kann für die Fälle von Bedeutung sein, in denen ein wirksamer Wettbewerb in Zukunft aufgrund einer Marktöffnung zu erwarten ist; siehe z. B. Sache COMP/M.3696 — E.ON/MOL (2005), Ziffern 457 bis 463.

(17)  Siehe Abschnitt VII zu Effizienzgewinnen in der Mitteilung über horizontale Fusionen.

(18)  Siehe auch Abschnitt III der Mitteilung über horizontale Fusionen. Für die Ermittlung der Marktanteile ist die Definition des Marktes ausschlaggebend (siehe Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Markts im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. C 372 vom 9. Dezember 1997)). Besonders zu beachten sind dabei die Fälle, wenn vertikal integrierte Unternehmen Produkte intern liefern.

(19)  Entsprechend den Bezugswerten in der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des EG-Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 336 vom 29.12.1999, S. 21). Insbesondere dort, wo eine neue Einheit einen Marktanteil knapp über der Schwelle von 30 % auf einem Markt erzielen würde, aber einen bedeutend geringeren auf anderen, verwandten, Märkten hätte, werden Wettbewerbsbedenken weniger wahrscheinlich sein.

(20)  Siehe Abschnitte IV und V.

(21)  Zur Bedeutung des Ausdrucks „erhöhte Preise“ siehe Fußnote 8, zur Bedeutung des Begriffs „Verbraucher“, siehe Ziff. 16.

(22)  Siehe Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Fusionskontrollverordnung in Bezug auf „Zugang zu den Lieferungen“ und „Zugang zu den (…) Märkten“.

(23)  Siehe z. B. Sachen COMP/M.4300 — Philips/Intermagnetics, COMP/M.4314 — Johnson & Johnson/Pfizer Consumer Healthcare, CO3 Evraz/Highveld, und COMP/M.4561 — GE/Smiths Aerospace.

(24)  „Vorstoffe“ wird hier als Oberbegriff verwendet, der auch Dienstleistungen, Zugang zu Infrastruktur und Zugang zu geistigen Eigentumsrechten umfasst.

(25)  Siehe z. B. Sache COMP/M.1693 — Alcoa/Reynolds (2000), Sache COMP/M.4403 — Thales/Finmeccanica/Alcatel Alenia Space/Telespazio, Ziffern 257-260.

(26)  Siehe z. B. Sache COMP/M.2861 — Siemens/Drägerwerk/JV (2003), Sache COMP/M.3998 — Axalto, Ziffer 75.

(27)  Siehe z. B. Sache COMP/M.4314 — Johnson & Johnson/Pfizer Consumer Healthcare, Ziffern 127-130.

(28)  Siehe z. B. Sache COMP/M.3868 — Dong/Elsam/Energi E2, Sache COMP/M.4094 — Ineos/BP Dormagen, Ziffern 183-184, Sache COMP/M.4561 — GE/Smiths Aerospace, Ziffern 48-50.

(29)  So kann zum Beispiel der Anlasser als unerlässlicher Bauteil für einen Motor angesehen werden (Rs. T-210/01, General Electric/Kommission (2005), Slg. II-000); siehe auch z. B. Sache COMP/M.3410 — Total/GDF, Ziffern 53-54 und 60-61.

(30)  Personalcomputer werden zum Beispiel häufig mit einer Bezugnahme auf den verwendeten Mikroprozessortyp verkauft.

(31)  Siehe z. B. Sache COMP/M.4494 — Evraz/Highveld, Ziffer 92 und Ziffern 97-112.

(32)  Die Analyse der anzunehmenden Auswirkungen eines Wegfallens des Wettbewerbsdrucks entspricht der Analyse der nichtkoordinierten Auswirkungen bei horizontalen Zusammenschlüssen (Siehe Abschnitt IV der Mitteilung über horizontale Fusionen).

(33)  In diesem Zusammenhang ist auch die Art der Lieferverträge zwischen vorgelagerten Lieferanten und nachgeordneten unabhängigen Unternehmen von Bedeutung. So kann zum Beispiel, wenn in diesen Verträgen ein Preissystem gewählt wird, das einen Festbetrag mit einem Stück-Lieferpreis kombiniert, die Auswirkung auf die Grenzkosten der nachgeordneten Wettbewerber weniger ausgeprägt sein als durch Verträge, die nur Stück-Lieferpreise vorsehen.

(34)  Siehe z. B. Sache COMP/M.4300 — Philips/Intermagnetics, Ziffern 56-62, Sache COMP/M.4576 — AVR/Gansewinkel, Ziffern 33-38.

(35)  Es ist zu bedenken, dass sich die Gewinnspannen im vorgelagerten und nachgeordneten Bereich aufgrund der Fusion ändern können. Dies kann Auswirkungen auf den Anreiz der fusionierten Einheit haben, ihre Wettbewerber abzuschotten.

(36)  Siehe z. B. Sache COMP/M.3943 — Saint-Gobain/BPB (2005), Ziff. 78. Die Kommission hielt es darin für sehr unwahrscheinlich, dass BPB, der Hauptlieferant von Gipsplatten im Vereinigten Königreich, seine Lieferungen an konkurrierende Vertriebshändler von Saint-Gobain zurückschrauben könnte, u. a. weil eine Ausweitung der Vertriebskapazitäten von Saint-Gobain schwierig gewesen wäre.

(37)  Umgekehrt muss, falls der Vorstoff nur einen kleinen Kostenanteil des nachgeordneten Produkts ausmacht und kein unerlässlicher Bestandteil ist, auch ein hoher Anteil am vorgelagerten Markt für die fusionierte Einheit nicht unbedingt ein Anreiz sein, nachgeordnete Wettbewerber abzuschotten, da, wenn überhaupt, nur geringe Absatzmengen an die nachgeordnete Abteilung des integrierten Unternehmens weitergeleitet würden. Siehe z. B. Sache COMP/M.2738 — GEES/Unison; Sache COMP/M.4561, GE/Smiths Aerospace, Ziffern 60-62.

(38)  Siehe z. B. Sache COMP/M.4314 — Johnson & Johnson/Pfizer Consumer Healthcare, Ziffern 131-132.

(39)  Je weniger es dem fusionierten Unternehmen gelingt, in einen bestimmten nachgeordneten Markt zu gehen, desto geringer wird seine Neigung sein, seine Preise für die von ihm gelieferten Vorstoffe zu erhöhen, da es Opportunitätskosten in anderen nachgeordneten Märkten gewärtigen müsste. Hierbei kann berücksichtigt werden, in welchem Ausmaß die fusionierte Einheit bei der Belieferung mehrerer nachgeordneter Märkte und/oder Nebenmärkte (z. B. Ersatzteile) Preisdiskriminierungen ausspielen kann.

(40)  Eine Situation, in der das nicht der Fall wäre, wäre gegeben, wenn der Monopolist ein sogenanntes Verbindlichkeitsproblem hat, das er nicht lösen kann. Ein nachgeordneter Käufer könnte z. B. bereit sein, einem vorgelagerten Monopolisten einen hohen Preis zu bezahlen, falls dieser anschließend vom Verkauf zusätzlicher Mengen an einen Wettbewerber absieht. Sobald die Lieferbedingungen mit einem nachgeordneten Unternehmen aber festgelegt sind, könnte der vorgelagerte Lieferant einen Anreiz haben, seine Lieferungen an andere nachgeordnete Unternehmen zu verstärken und so den ersten Kauf unrentabel machen. Da die nachgeordneten Unternehmen derartiges opportunistisches Verhalten aber vorhersehen, wird der vorgelagerte Lieferant nicht in der Lage sein, seine Marktmacht voll auszunutzen. Die vertikale Integration könnte es dem vorgelagerten Lieferanten wiederum ermöglichen, sich zu verpflichten, den Vorstoffeabsatz nicht zu erweitern, da dies seinen eigenen nachgeordneten Geschäftsbereich schädigen würde. Ein anderer Fall, in dem der Monopolist nicht alle verfügbaren Monopolgewinne erreichen kann, könnte entstehen, wenn das Unternehmen gegenüber den Kunden keine unterschiedlichen Preise erheben kann.

(41)  Wenn z. B. zwei Unternehmen die gemeinsame Kontrolle über ein Unternehmen ausüben, das im vorgelagerten Markt tätig ist, und nur ein Unternehmen im nachgeordneten Bereich tätig ist, kann das Unternehmen ohne Tätigkeiten in diesem Bereich wenig Interesse an einem Verzicht auf Vorstoffeverkäufe haben. In solchen Fällen ist der Anreiz zur Abschottung geringer als in Fällen, wo das vorgelagerte Unternehmen vollständig von einem Unternehmen mit nachgeordneten Tätigkeiten kontrolliert wird; siehe z. B. Sache COMP/M.3440 — EDP/ENI/GDP (2004), Sache COMP/M.4403 — Thales/Finmeccanica Alcatel Alenia Space/Telespazio, Ziffern 121 und 268.

(42)  Die Tatsache, dass ein Wettbewerber in einer ähnlichen Marktstellung wie die fusionierte Einheit seine Lieferungen von Einsatzmitteln eingestellt hat, kann ein Nachweis dafür sein, dass eine solche Strategie geschäftlich sinnvoll wäre (siehe z. B. Sache COMP/M.3225 — Alcan/Pechiney, (2004), Ziff. 40).

(43)  Rs. C-12/03 P, Kommission/Tetra Laval BV (2003), Slg. I-000, Rdnr. 74-76. Rs. T-210/01, General Electric/Kommission (2005), Slg. II-000, Rdnr. 73.

(44)  Rs. T-210/01, General Electric/Kommission (2005), Slg. II-000, insbesondere Rdnrn. 74-75 und 311-312.

(45)  So hat z. B. in dem Sache COMP/M.3696 — E.ON/MOL (2005), Ziff. 433 und 443-446 die Kommission der Tatsache Bedeutung beigemessen, dass die ungarische Aufsichtsbehörde für den Gassektor erklärt hatte, dass sie in einer Reihe von Sachverhalten zwar das Recht hat, die Marktteilnehmer zu kontrollieren und zu einem diskriminierungsfreien Verhalten zu zwingen, sie aber nicht in der Lage wäre, angemessene Informationen über das Geschäftsgebaren der Marktteilnehmer zu erlangen; siehe auch Rs. COMP/M.3440 — EDP/ENI/GDP (2004), Ziff. 424.

(46)  Siehe z. B. Sache COMP/M.4494 — Evraz/Highveld, Ziffern 97-112.

(47)  Siehe z. B. Sache COMP/M.3440 — EDP/ENI/GDP (2004).

(48)  Siehe z. B. Sache COMP/M.4180 — Gaz de France/Suez, Ziffern 876-931, Sache COMP/M.4576 — AVR/Gansewinkel, Ziffern 33-38.

(49)  Siehe Sache COMP/M.3696 — E.ON/MOL (2005), Ziff. 662 ff.

(50)  Siehe Ziff. 20. Es ist wichtig, dass aufsichtsrechtliche Maßnahmen, die eine Marktöffnung bewirken sollen, nicht durch Zusammenschlüsse vertikal verbundener angestammter Unternehmen mit Marktmacht unwirksam gemacht werden, die so den Markt abschotten oder sich als potenzielle Marktzugänger gegenseitig ausschalten könnten.

(51)  Siehe z. B. Sache COMP/M.3653 — Siemens/VA Tech (2005), Ziff. 164.

(52)  Siehe Abschnitt V zu Nachfragemacht in der Mitteilung über horizontale Fusionen.

(53)  Siehe Abschnitt VI zu Marktzutritt in der Mitteilung über horizontale Fusionen.

(54)  Siehe Abschnitt VII zu Leistungsgewinnen in der Mitteilung über horizontale Fusionen.

(55)  Siehe insbesondere Ziffern 79 bis 88 der Mitteilung über horizontale Fusionen.

(56)  Siehe auch Ziff. 13.

(57)  Es ist zu betonen, dass das Problem der doppelten Aufschläge vor einer Fusion nicht immer als erheblich erkannt wird, zum Beispiel, weil die fusionierenden Parteien in einer Liefervereinbarung bereits einen Preismechanismus vereinbart hatten, der die Aufschläge beseitigende Mengenrabatte vorsieht. Die mit der Beseitigung von doppelten Aufschlägen verbundenen Effizienzgewinne müssen also nicht immer fusionsspezifisch sein, weil mit einer vertikalen Zusammenarbeit oder vertikalen Vereinbarungen ähnlich große Vorteile wie mit einer Fusion, jedoch mit geringeren wettbewerbswidrigen Auswirkungen, erzielt werden könnten. Außerdem könnte eine Fusion die doppelten Aufschläge nicht vollständig beseitigen, wenn die Lieferung des Vorstoffes durch Kapazitätsengpässe eingeschränkt ist und der Vorstoff auf andere Weise genauso rentabel verwendet werden kann. Unter diesen Umständen entstehen bei der internen Verwendung des Vorstoffes Opportunitätskosten für das vertikal integrierte Unternehmen, wenn durch die zunehmende interne Nutzung des Vorstoffes zur Erhöhung der nachgeordneten Produktion davon weniger auf dem alternativen Markt verkauft werden kann. Dies bewirkt, dass der Anreiz zur internen Nutzung des Vorstoffes und Erhöhung der nachgeordneten Produktion geringer ist als in dem Fall, dass keine Opportunitätskosten entstehen.

(58)  Siehe Fußnote 4 zur Definition von „vorgelagert“ und „nachgeordnet“.

(59)  Siehe z. B. Sache COMP/M.4389 — WLR/BST.

(60)  So kann die fusionierte Einheit im Vertriebsbereich weniger geneigt sein, Zugang zu ihren Verkaufsstätten zu den Bedingungen zu gewähren, wie sie ohne die Fusion vorherrschen würden.

(61)  Das Wegfallen des integrierten Unternehmens als Kunde ist in der Regel von geringerer Bedeutung, wenn die Einkäufe dieses Unternehmens bei nicht integrierten Unternehmen vor der Fusion nur einen kleinen Anteil an der diesen Unternehmen zur Verfügung stehenden Absatzbasis ausmachten. In einem solchen Fall ist es wahrscheinlicher, dass ausreichend alternative Kunden vorhanden sind. Das Bestehen von Ausschließlichkeitsverträgen zwischen der fusionierten Einheit und anderen nachgeordneten Unternehmen kann die vorgelagerten Unternehmen in ihrer Fähigkeit einschränken, ein ausreichendes Absatzvolumen zu erreichen.

(62)  Siehe z. B. Sache COMP/M.2822 — ENBW/ENI/GVS (2002), Ziffern 54-57.

(63)  Siehe z. B. Sache COMP/M.81 — VIAG/Continental Can (1991), Ziff. 51. Siehe z. B. Sache COMP/M.4389 — WLR/BST, Ziffern 33-35.

(64)  Skalen- oder Verbundvorteile bestehen, wenn eine Erhöhung oder eine Erweiterung der Produktion zu einem Rückgang der durchschnittlichen Stückkosten führt. Netzwirkungen finden statt, wenn der Wert eines Produktes für einen Kunden mit der Anzahl der anderen Kunden, die das Produkt ebenfalls nutzen, steigt. Beispiele hierfür sind Kommunikationsgeräte, bestimmte Softwareprogramme, Produkte, die eine Normierung erfordern und Plattformen, auf denen Käufer und Verkäufer zusammengebracht werden.

(65)  Ein von einem wichtigen Kunden abgeschotteter Vorstoffelieferant mag es vorziehen, dem Markt fernzubleiben, wenn es ihm nach der Investition nicht gelingt, eine mindestrentable Größe zu erreichen. Eine solche Größe kann jedoch erzielt werden, wenn ein potenzieller Marktzugänger Zugang zu einem größeren Kundenstamm auch in anderen relevanten Märkten erhält; siehe Sache COMP/M.1879 — Boeing/Hughes (2000); Sache Nr. COMP/M.2978 — Lagardère/Natexis/VUP (2003).

(66)  So wurde zum Beispiel in der Sache COMP/M.1879 — Boeing/Hughes (2000) in Ziff. 100 unter anderem festgestellt, dass in Anbetracht hoher Fixkosten konkurrierende Bereitsteller von Satellitenstartfahrzeugen, die gegenüber der fusionierten Einheit an Wettbewerbsfähigkeit bei den Kosten verlieren würden, versuchen könnten, die Preise zu senken, um ihr Absatzvolumen aufrechtzuerhalten und zumindest einen Teil ihrer Fixkosten hereinzuholen, damit sie nicht Aufträge verlieren und höhere Verluste gewärtigen müssten. Die wahrscheinlichste Auswirkung wäre deshalb ein größerer Preiswettbewerb und nicht die Monopolisierung des Marktes.

(67)  Wenn das vertikal integrierte Unternehmen die nachgeordneten Wettbewerber teilweise mit Einsatzmitteln beliefert, kann es in die Lage versetzt werden, seinen Absatz zu steigern oder gegebenenfalls die Vorstoffepreise zu erhöhen.

(68)  Die Analyse dieser Anreize wird nach dem Verfahren in Ziff. 46 vorgenommen.

(69)  Die Analyse derartiger nichtkoordinierter Wirkungen ähnelt der Analyse nichtkoordinierter Wirkungen bei horizontalen Fusionen (Siehe Abschnitt IV der Mitteilung über horizontale Fusionen).

(70)  Siehe Ziffern 47-50 dieser Mitteilung.

(71)  Es besteht die Gefahr, dass aufsichtsrechtliche Maßnahmen zur Öffnung eines Marktes unwirksam gemacht werden, wenn vertikal verbundene angestammte Unternehmen sich zusammenschließen und damit den Markt abschotten oder als potenzielle Marktzugänger wegfallen.

(72)  Siehe Abschnitt V zur Nachfragemacht der Abnehmer in der Mitteilung über horizontale Fusionen.

(73)  Siehe Abschnitt VI über Marktzutritt in der Mitteilung über horizontale Fusionen.

(74)  Zur Bewertung der Effizienzgewinne im vertikalen Rahmen siehe Abschnitt V.A.1.

(75)  Siehe Sache COMP/M.1879 — Boeing/Hughes (2000); Sache COMP/M.2510 — Cendant/Galileo, Ziff. 37; Sache COMP/M.2738 —Gees/Unison, Ziff. 21; Sache COMP/M.2925 — Charterhouse/CDC/Telediffusion de France, Ziffern 37-38; Sache COMP/M.3440 — EDP/ENL/GDP (2004).

(76)  Siehe z. B. Sache COMP/M.2822 — ENBW/ENI/GVS (2002) unter Ziff. 56; Sache COMP/M.3440 — EDP/ENI/GDP (2004), Ziffern 368-379; Sache COMP/M.3653 — Siemens/VA Tech (2005) Ziffern 159-164.

(77)  Siehe Sache COMP/M.3101 — Accor/Hilton/Six Continents, Ziffern 23-28.

(78)  Siehe Rs. T-342/99, Airtours/Kommission, (2002) Slg. II-2585, Rdnr. 62.

(79)  Siehe z. B. Sache COMP/M.3314 — Air Liquide/Messer Targets, Ziffern 91-100.

(80)  Die Abschottung wäre von der Kommission gemäß den in Teil A dargelegten Grundzügen nachzuweisen.

(81)  Siehe Sache COMP/M.2389 — Shell/DEA; Sache COMP/M.2533 — BP/EON.

(82)  So betraf zum Beispiel in dem Fall COMP/M.2322 — CRH/Addtek (2001; Fall zurückgezogen) die Fusion einen vorgelagerten marktbeherrschenden Zementhersteller und einen nachgeordneten Hersteller von vorgefertigten Zementprodukten, beide in Finnland. Die Kommission befand, dass die neue Einheit in der Lage wäre, die nachgeordneten Wettbewerber dadurch zu disziplinieren, dass sie von den Zementlieferungen der fusionierten Einheit in hohem Maße abhängen würden. Im Ergebnis wäre die nachgeordnete Einheit in der Lage, den Preis für ihre vorgefertigten Zementprodukte zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, dass die Wettbewerber diese Preiserhöhungen nachvollziehen würden, und nicht auf Zementeinfuhren aus den baltischen Staaten oder Russland zurückgreifen könnten.

(83)  Siehe auch Formblatt CO, Abschnitt IV, 6.3 c.

(84)  Für „Hebelwirkung“ gibt es keine verbindliche Definition, doch grundsätzlich beinhaltet der Begriff die Möglichkeit, den Absatz eines Produktes in einem Markt (dem „gebundenen“ oder „gekoppelten“ Markt) durch die starke Marktstellung des Produkts, an die es gebunden oder gekoppelt ist (der „bindende“ oder „Hebelwirkung ausübende“ Markt) zu erhöhen.

(85)  Diese Begriffe werden nachstehend definiert.

(86)  Siehe Rs. T-210/01, General Electric/Kommission, (2005), Slg. II-000, Ziffern 327, 362-363, 405; Sache COMP/M.3304 — GE/Amersham (2004), Ziff. 37.

(87)  Die Abgrenzung zwischen gemischter und reiner Kopplung ist nicht eindeutig. Die gemischte Kopplung kann sich der reinen Kopplung annähern, wenn für die einzeln angebotenen Produkte sehr hohe Preise verlangt werden.

(88)  Siehe z. B. Sache COMP/M.3304 — GE/Amersham (2004), Ziff. 35.

(89)  So werden zum Beispiel bei Markenerzeugnissen besonders wichtige Erzeugnisse als „Pflichtlagerprodukte“ bezeichnet; siehe z .B. Sache COMP/M.3732 — Procter&Gamble/Gilette (2005), Ziff. 110.

(90)  Netzwerkexternalitäten eines Produktes bedeutet, dass die Kunden oder Hersteller Vorteile aus der Tatsache ziehen können, dass andere Kunden oder Hersteller die gleichen Produkte ebenfalls verwenden. Beispiele hierfür sind Kommunikationsgeräte, bestimmte Softwareprogramme, Produkte, die eine Normierung erfordern und Plattformen, auf denen Käufer und Verkäufer zusammengebracht werden.

(91)  Siehe z. B. Sache COMP/M.3304 — GE/Amersham (2004), Ziff. 39.

(92)  Siehe z. B. Sache COMP/M.1879 — Boeing/Hughes (2000), Ziff. 100; Sache COMP/M.3304 — GE/Amersham (2004), Ziff. 39. Der damit verbundene Einnahmerückgang könnte jedoch unter bestimmten Umständen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenten haben; siehe Abschnitt C.

(93)  Siehe z. B. Sache COMP/M.2608 — INA/FAG, Ziff. 34.

(94)  Siehe z. B. Sache COMP/M.3304 — GE/Amersham (2004), Ziff. 59.

(95)  Wenn z. B. zwei Unternehmen die gemeinsame Kontrolle über ein Unternehmen ausüben, das in einem Markt tätig ist, und nur eines von ihnen im benachbarten Markt tätig ist, kann das Unternehmen ohne Tätigkeiten in letzterem Bereich wenig Interesse an einem Verzicht auf Verkäufe im erstgenannten Markt haben. Siehe z. B. Rs. T-210/01, General Electric/Kommission, Slg. 2005, S. II-000, Ziff. 385 und Sache COMP/M.4561 — GE/Smiths Aerospace, Ziff. 119.

(96)  Die Analyse dieser Anreize wird gemäß den Darlegungen in Ziff. 46 vorgenommen.

(97)  Siehe Abschnitt V zur Nachfragemacht der Abnehmer in der Miteilung über horizontale Fusionen.

(98)  Siehe z. B. Sache COMP/M.3732 — Procter&Gamble/Gillette (2005), Ziff. 131; siehe auch Abschnitt VI über Marktzutritt in der Mitteilung über horizontale Fusionen.

(99)  Siehe Abschnitt VII zu Effizienzgewinnen in der Mitteilung über horizontale Fusionen.

(100)  Es ist jedoch zu bedenken, dass sich das Problem der doppelten Aufschläge vor der Fusion nicht immer stellt. Bei der gemischten Kopplung ist ferner zu bedenken, dass die fusionierte Einheit zwar den Anreiz haben mag, den Preis für die gekoppelten Produkte zu senken, wobei aber die Auswirkung auf die Preise der einzelnen Produkte weniger eindeutig ist. Der Anreiz für die fusionierte Einheit, die Preise für ihre einzeln verkauften Produkte zu erhöhen, kann daherrühren, dass es damit rechnet, an deren Stelle mehr gekoppelte Produkte zu verkaufen. Der Kopplungspreis der fusionierten Einheit und die Preise der eventuell einzeln verkauften Produkte hängen auch davon ab, wie die Wettbewerber mit ihren Preisen darauf reagieren.

(101)  Siehe z. B. Sache COMP/M.3732 — Procter&Gamble/Gillette (2005), Ziff. 131.


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