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Vorübergehender Schutz bei einem Massenzustrom von Vertriebenen

 

ZUSAMMENFASSUNG DES DOKUMENTS:

Richtlinie 2001/55/EG über Vorschriften für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen auf die EU-Mitgliedstaaten

WAS IST DER ZWECK DIESER RICHTLINIE?

  • Diese Richtlinie richtet ein Programm ein zur Bewältigung eines Massenzustroms ausländischer Staatsangehöriger in die Europäische Union (EU), die nicht in ihr Land zurückkehren können – insbesondere wegen Krieg, Gewalt oder Verletzungen der Menschenrechte.
  • Sie richtet einen sofortigen, vorübergehenden Schutz für diese Vertriebenen ein.
  • Sie stellt eine ausgewogene Verteilung der Vertriebenen auf die Mitgliedstaaten der EU sicher. Sie sieht jedoch keine verpflichtende Verteilung von Asylbewerbern auf die Mitgliedstaaten vor.
  • Dänemark beteiligt sich nicht an dieser Richtlinie.

WICHTIGE ECKPUNKTE

Durchführung des vorübergehenden Schutzes

  • Der vorübergehende Schutz wird in allen Mitgliedstaaten durch einen Beschluss des Rates der Europäischen Union eingeführt, der das Bestehen eines Massenzustroms von Vertriebenen in die EU feststellt und darin die Personengruppen aufführt, die Schutz benötigen.
  • Die Dauer beträgt ein Jahr und kann um bis zu zwei Jahre verlängert werden.
  • Der Schutz kann beendet werden, wenn der Rat zu der Ansicht kommt, dass es für die Vertriebenen sicher ist, in ihr Herkunftsland zurückzukehren.
  • Die Mitgliedstaaten müssen sich vergewissern, dass die Vertriebenen bereit sind, in ihrem Land aufgenommen zu werden.

Ausschluss aus dem vorübergehenden Schutz

Einige Personen können vom vorübergehenden Schutz ausgeschlossen werden.

Dazu gehören Menschen,

  • die folgender Sachverhalte verdächtigt werden:
    • Verbrechen gegen den Frieden*,
    • Kriegsverbrechen,
    • Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
    • schwere Verbrechen des gemeinen Rechts;
  • deren Handlungen den Zielen und Grundsätzen der Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen;
  • die eine Gefahr für die Sicherheit des EU-Aufnahmelandes darstellen.

Wirkungen des vorübergehenden Schutzes

  • Die Mitgliedstaaten müssen Personen, denen der vorübergehende Schutz gewährt wurde, einen Aufenthaltstitel ausstellen. Dieser Titel ist für die gesamte Dauer des Schutzes gültig.
  • Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, haben das Recht auf
    • die Ausübung einer abhängigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit;
    • Zugang zu Bildungsangeboten für Erwachsene, beruflicher Fortbildung und praktischen Erfahrungen am Arbeitsplatz;
    • angemessene Unterbringung;
    • Sozialleistungen, finanzielle Unterstützung und medizinische Versorgung.
  • Kinder unter 18 Jahren haben außerdem dasselbe Recht auf Bildung wie die Staatsangehörigen des EU-Aufnahmelandes.
  • Familien, die getrennt wurden und vorübergehenden Schutz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten genießen oder von denen sich noch einige Angehörige nicht im Hoheitsgebiet der EU befinden, müssen in demselben Mitgliedstaat zusammengeführt werden.
  • Diese Vorschriften entsprechen den EU-Vorschriften für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, gemäß Richtlinie 2013/33/EU (siehe Zusammenfassung).

Asylanträge

  • Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, müssen die Möglichkeit haben, einen Asylantrag zu stellen. Für die Prüfung des Asylantrags ist der Mitgliedstaat zuständig, der die Person aufnimmt.
  • Die Mitgliedstaaten können jedoch beschließen, dass eine Person, die vorübergehenden Schutz genießt, nicht gleichzeitig den Status eines Asylbewerbers haben kann.
  • So können die Mitgliedstaaten die Belastung ihres Asylsystems durch die Gewährung vorübergehenden Schutzes abmildern und die Prüfung der Anträge verschieben.
  • Richtlinie 2013/32/EU legt gemeinsame EU-Vorschriften für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes dar (siehe Zusammenfassung).

Ende des vorübergehenden Schutzes

  • Während oder nach Ablauf des vorübergehenden Schutzes treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um die freiwillige Rückkehr geschützter Personen zu ermöglichen.
  • Wenn eine Zwangsrückführung erforderlich ist, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Rückführung unter Wahrung der menschlichen Würde erfolgt und dass keine zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die die Rückkehr unmöglich machen.
  • Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht reisen können, dürfen nicht zur Rückkehr gezwungen werden, bis sich ihr Gesundheitszustand verbessert hat.
  • Familien mit Kindern unter 18 Jahren, die eine Schulausbildung absolvieren, können die Erlaubnis erhalten, bis zum Ende des Schuljahres zu bleiben.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine

  • Nach der groß angelegten Invasion Russlands in der Ukraine im Februar 2022 erließ der Rat einen Durchführungsrechtsakt, Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382, zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes. Dies stellt die erste Anwendung eines Beschlusses im Zusammenhang mit der Richtlinie 2001/55/EG dar.
  • Der Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 gilt für:
    • ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar 2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten;
    • Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen haben, und
    • Familienangehörige der genannten Personen.

Unterstützung der Verwaltungsbehörden

Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen werden aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds unterstützt, der durch die Verordnung (EU) Nr. 516/2014 eingerichtet wurde. Übersteigt die Anzahl der Vertriebenen die angegebene Aufnahmekapazität der Mitgliedstaaten, trifft der Rat geeignete Maßnahmen, besonders die Empfehlung, den betroffenen Mitgliedstaaten zusätzliche Unterstützung zu erteilen.

WANN TRETEN DIE VORSCHRIFTEN IN KRAFT?

Die Richtlinie musste bis 31. Dezember 2002 in nationales Recht umgesetzt werden.

HINTERGRUND

Weiterführende Informationen:

SCHLÜSSELBEGRIFFE

Verbrechen gegen den Frieden. Gemäß dem Völkerrecht bedeutet es Planen, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge, Abkommen oder Zusicherungen oder Beteiligung an einem gemeinsamen Plan oder an einer Verschwörung zur Ausführung einer der vorgenannten Handlungen.

HAUPTDOKUMENT

Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12-23).

VERBUNDENE DOKUMENTE

Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes (ABl. L 71 vom 4.3.2022, S. 1-6).

Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 60-95).

Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 96-116).

Verordnung (EU) Nr. 516/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Einrichtung des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, zur Änderung der Entscheidung 2008/381/EG des Rates und zur Aufhebung der Entscheidungen Nr. 573/2007/EG und Nr. 575/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Entscheidung 2007/435/EG des Rates (ABl. L 150 vom 20.5.2014, S. 168-194).

Nachfolgende Änderungen der Verordnung (EU) Nr. 516/2014 wurden in den Originaltext eingefügt. Diese konsolidierte Fassung hat ausschließlich dokumentarischen Charakter.

Letzte Aktualisierung: 26.07.2022

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