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Verbesserung der Effizienz der europäischen Datenbanken und Steigerung ihrer Interoperabilität

Im Mittelpunkt der hier vorgestellten Mitteilung stehen die drei Hauptinformationssysteme, über die die Europäische Union zurzeit verfügt: SIS II, VIS, Eurodac. An eine kurze Beschreibung der Besonderheiten und Ziele dieser Systeme schließt sich die Bilanz ihrer jeweiligen Nutzung an. Danach werden verschiedene mögliche Szenarien für eine effizientere Nutzung dieser Systeme und für die eventuelle Schaffung neuer Systeme vorgestellt. Da der Schutz der Rechte des Einzelnen nach wie vor Vorrang hat, wird anschließend untersucht, ob die in Betracht kommenden Maßnahmen verhältnismäßig und mit dem Schutz der Rechte des Einzelnen vereinbar sind.

RECHTSAKT

Mitteilung der Europäischen Kommission vom 24. November 2005 über die Verbesserung der Effizienz der europäischen Datenbanken im Bereich Justiz und Inneres und die Steigerung ihrer Interoperabilität sowie der Synergien zwischen ihnen [KOM(2005) 597 endg.- Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]

ZUSAMMENFASSUNG

Die Kommission legt die genannte Mitteilung als Reaktion auf die wiederholten Aufforderungen des Europäischen Rats und des Rats der Europäischen Union vor, Vorschläge zur Verbesserung der Effizienz der europäischen Datenbanken und zur Steigerung ihrer Interoperabilität sowie der Synergien zwischen ihnen zu unterbreiten. Außerdem wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, in diesem Bereich in stärkerem Maße biometrische Merkmale zu verwenden.

Diese Mitteilung verfolgt hauptsächlich die Ziele,

  • die technische Interoperabilität und die Synergien zwischen den bestehenden Informationssystemen (SIS II, VIS, Eurodac) im Bereich Justiz und Inneres (JAI) zu verbessern;
  • herauszuarbeiten, wie diese Systeme die Politiken im Bereich des freien Personenverkehrs und der Bekämpfung des Terrorismus' und der Kriminalität unter gleichzeitiger Wahrung des Schutzes der Grundrechte unterstützen können;
  • eine ausführliche Debatte über die auf lange Sicht angelegte Gestaltung und Architektur von Informationssystemen einzuleiten.

Begriffsbestimmung

Der Ausdruck „Interoperabilität" bezeichnet die „Fähigkeit von Informationssystemen und von ihnen unterstützten operativen Prozessen, Daten miteinander auszutauschen und die gemeinsame Nutzung von Informationen und Wissen zu ermöglichen".

Der Ausdruck „Vernetzung" bezeichnet die Verbindung von Geräten mit dem Ziel der Datenübertragung.

Der Ausdruck „Synergie" wird in technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Kontexten jeweils anders definiert. In technischer Hinsicht ist unter Synergie eine Verbindung mehrerer Elemente, die sich gegenseitig positiv beeinflussen, zu verstehen. In wirtschaftlicher Hinsicht bezeichnet der Ausdruck eine Wertsteigerung des Vermögens oder größenbedingte Kosteneinsparungen. In organisatorischer Hinsicht schließlich bezeichnet Synergie die Bündelung von zuvor getrennten Ressourcen oder die Straffung der bestehenden Organisationsstruktur mit dem Ziel der Effizienzsteigerung.

Der Ausdruck „Verfügbarkeit" bezieht sich auf das Prinzip, dass die für die Sicherheit in einem Mitgliedstaat zuständigen Behörden oder Europol-Bedienstete die zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigten Informationen von einem anderen Mitgliedstaat erhalten sollten, wenn sie dort verfügbar sind.

SIS II, VIS, Eurodac: Verwendung und Zweck

Das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II)soll dazu beitragen, Freizügigkeit und Sicherheit der Europäischen Union gleichzeitig zu gewährleisten und außerdem den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern. Die Informationen in diesem System werden für die Kontrolle von Personen (an den Außengrenzen der Union oder im jeweiligen nationalen Hoheitsgebiet), für die Ausstellung von Visa und Aufenthaltstiteln sowie für die Zusammenarbeit der Polizei- und der Justizbehörden in Strafsachen verwendet.

Das Visa-Informationssystem (VIS) soll hauptsächlich dabei helfen,

  • die Verfahren für die Visumerteilung zu verbessern;
  • die Durchführung der gemeinsamen Visumpolitik sicherzustellen;
  • die konsularische Zusammenarbeit im Hinblick auf die Abwehr von Gefahren für die innere Sicherheit und die Verhinderung des so genannten „Visa-Shopping" * zu verbessern;
  • die Betrugsbekämpfung zu erleichtern;
  • die Identifizierung und Rückführung illegaler Einwanderer zu erleichtern;
  • die Anwendung der Dublin II -Verordnung zu erleichtern.

Eurodac soll als Eckpfeiler des europäischen Asylsystems bei der Bestimmung des Mitgliedstaats helfen, der nach der Dublin-II-Verordnung für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, und die Anwendung der Verordnung erleichtern.

Bekämpfung des Terrorismus' und der Kriminalität: Festgestellte Mängel

Zunächst ist festzustellen, dass die Gesamtheit der Möglichkeiten, die die bestehenden Systeme bieten, nicht in vollem Umfang genutzt wird. Dies gilt insbesondere für die Verarbeitung und den Austausch von Daten.

Die Beschränkungen der alphanumerischen Suche *, die mit zunehmender Datenmenge in der Datenbank immer ungenauer wird, erfordern eine personalintensive Ex-post-Überprüfung, was im Rahmen einer Grenzkontrolle oft nicht zu leisten ist.

Bei der Beantragung von Schengen-Visa sind die Möglichkeiten für häufig reisende Bona-fide-Personen, die Bearbeitung ihrer Anträge zu beschleunigen, generell beschränkt. Darüber hinaus müssen sie bei Verlust oder Diebstahl ihrer Reisedokumente oft komplizierte Verfahren durchlaufen, um neue Reisedokumente zu erhalten.

Auch die Identifizierung illegaler Einwanderer ist nach wie vor schwierig. Sie führen in der Regel keinerlei Identitätsdokument mit sich oder benutzen gefälschte oder verfälschte Dokumente, was den Prozess der Identifizierung oft zeitraubend und kostspielig macht. Wenn Reisedokumente vernichtet wurden, steht den Behörden zurzeit kein System zur Verfügung, mit dem die Identität überprüft werden könnte.

Außerdem scheint die Anwendung der Dublin II -Verordnung insofern ineffizient zu sein, als den Mitgliedstaaten zurzeit keine wirksamen Mittel zu Gebote stehen, um zu prüfen, ob ein Asylbewerber im Besitz eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Visums ist, um die Identität des Betreffenden zu überprüfen und um die Gültigkeit des Visums festzustellen.

Die Tatsache, dass es nicht möglich ist, asyl-, einwanderungs- und visabezogene Daten für die Belange der inneren Sicherheit zu nutzen, stellt ein Hindernis für das gute Funktionieren der bestehenden Informationssysteme dar.

Es scheint notwendig zu sein, die Überprüfung der Identität und der Rechtmäßigkeit der Einreise auf alle Kategorien von Drittstaatsangehörigen auszuweiten. Zurzeit wird sie nur bei Drittstaatsangehörigen durchgeführt, die der Visumpflicht unterworfen sind.

Die Überwachung der Ein- und Ausreise von Drittstaatsangehörigen ist unvollständig. Da die Ein- und Ausreise im VIS (wie auch im SIS II) nicht verzeichnet wird, ist es nicht möglich, Personen zu ermitteln, die illegal in der EU verbleiben.

Das Fehlen von Instrumenten zur biometrischen Identifizierung ist im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus' und der Kriminalität ein ernstzunehmendes Versäumnis.

In Anbetracht des Identitätsdiebstahls sind die durch das Fehlen von Instrumenten für die Registrierung von EU-Bürgern auf europäischer Ebene gesetzten Grenzen des derzeit bestehenden Systems deutlich geworden.

Schließlich gibt es keine umfassende Datenbank, die die Identifizierung von Katastrophenopfern und unbekannten Leichen ermöglicht. Es wurde in Erwägung gezogen, zu diesem Zweck auf eine Datenbank von Interpol zurückzugreifen, die allerdings nicht alle Fälle abdecken kann.

Weitere mögliche Entwicklungen

Um den geschilderten Mängeln in wirksamer Weise abzuhelfen scheint es unerlässlich zu sein, die Nutzung der bestehenden Systeme zu verbessern, und zwar durch:

  • eine bessere Qualitätskontrolle bei der Datenerfassung;
  • ein kohärenteres Vorgehen in Bezug auf die Erfassung von Datenkategorien sowie die Nutzung der Daten;
  • eine erhöhte Benutzerfreundlichkeit;
  • die Einleitung einer umfassenderen und unmittelbareren Konsultation der Mitgliedstaaten;
  • den Austausch vorbildlicher Verfahren.

Außerdem sollten die bestehenden und geplanten Systeme in effizienter Weise weiterentwickelt werden, und zwar in Bezug auf drei verschiedene Aspekte:

  • SIS-II-Abfrage nach biometrischen Merkmalen;
  • Ausweitung des Zugangs der Asyl- und Einwanderungsbehörden zu den Informationssystemen VIS und SIS II;
  • Ausweitung des Zugangs der für die innere Sicherheit zuständigen Behörden zu den verschiedenen Informationssystemen.

Längerfristig sind ebenfalls vorgesehen:

  • die Einrichtung eines europäischen automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungssystems (AFIS);
  • die Einrichtung eines Einreise-/Ausreise-Erfassungssystems und Einführung einer Regelung zur Erleichterung des Grenzübergangs für häufig die Grenze überschreitende Personen;
  • die Einrichtung eines oder mehrerer europäischer Register für Reisedokumente und Personalausweise.

Diese verschiedenen Entwicklungen ziehen zwangsläufig Änderungen an der Architektur und organisatorische Änderungen der europäischen Informationssysteme nach sich. Was zunächst die Änderungen an der Architektur anbelangt, sollte die Entwicklung einer serviceorientierten Architektur aus den folgenden beiden Gründen angestrebt werden:

  • Erzielung größtmöglicher Synergien und Beschränkung der Investitionen auf ein realistisches Niveau;
  • flexible und kosteneffiziente gemeinsame Nutzung von Funktionen ohne die Notwendigkeit einer Verschmelzung der bestehenden Systeme.

Um Synergieeffekte zu erzielen, bietet sich in organisatorischer Hinsicht die Zusammenführung des Routinemanagements dieser Systeme zu einer einzigen organisatorischen Einheit an.

Menschenrechte: Datenschutz

Um das Ziel einer besseren Identifizierung gesuchter Personen mit dem Schutz personenbezogener Daten in Einklang zu bringen, gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Datenbanken der verschiedenen Informationssysteme (Eurodac, einwanderungsbezogene Daten des SIS II, VIS) von den für die innere Sicherheit zuständigen Behörden nur abgefragt werden dürfen, wenn die von einem Straftäter oder Terroristen begangene Straftat so verwerflich ist, dass die Abfrage einer Datenbank, in der Personen ohne kriminelle Vergangenheit registriert sind, gerechtfertigt ist.

Was den Abgleich von DNA-Profilen anbelangt, so ermöglicht die Beschränkung auf eine Überprüfung der Art „Treffer/kein Treffer", bei der das bloße DNA-Profil (ohne sonstige personenbezogene Informationen) verglichen wird, die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Einrichtung eines europäischen Registers für Reisedokumente und Personalausweise sollte nur erwogen werden, wenn der Zugang streng begrenzt wird und die Abfrage des Registers durch ein übergeordnetes Interesse der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Schließlich ist bei allen Maßnahmen darauf hinzuweisen, dass eine strikte Überwachung durch die zuständigen Datenschutzstellen unerlässlich sein wird.

Bei allen Maßnahmen ist darauf hinzuweisen, dass eine strikte Überwachung durch die zuständigen Datenschutzstellen unerlässlich sein wird. Auf jeden Fall wird die Kommission bei möglichen zukünftigen Rechtsetzungsvorschlägen gemäß der Mitteilung KOM(2005) 172 eine Grundrechtsverträglichkeitsprüfung durchführen.

VERBUNDENE RECHTSAKTE

Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates vom 4. Oktober 2005 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden [KOM(2005) 475 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht - CNS/2005/0202]

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 16. Juni 2004 - Betreffend den verbesserten Zugang zu Informationen für Strafverfolgungsbehörden [KOM(2004) 429 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 16. Dezember 2003 - Übermittlung von Fluggastdatensätzen (PNR): Ein sektorübergreifendes EU-Konzept [KOM(2003) 826 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]

Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) [Amtsblatt L 201 vom 31. Juli 2002]

Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr

Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr [Amtsblatt L 281 vom 23.11.1995]

Schlüsselwörter des Rechtsakts

  • Visa-shopping: gleichzeitige Einreichung mehrerer Anträge auf Erteilung eines Visums in verschiedenen Mitgliedstaten
  • Alphanumerisch: aus Ziffern (von 0 bis 9) und Buchstaben (von a bis z und A bis Z) und seltener aus Symbolen bestehend

See also

Weitere Informationen können auf folgender Website aufgerufen werden:

Webseite „Freiheit, Sicherheit und Recht" der Generaldirektion JLS der Europäischen Kommission:

„Informationsgesellschaft":

Datenschutz

Letzte Änderung: 08.05.2006

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