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Der Binnenmarkt für Arzneimittel

Die Kommission will die Mechanismen des Binnenmarkts für Arzneimittel untersuchen und Wege zu seiner Vollendung aufzeigen

RECHTSAKT

Mitteilung der Kommission vom 25. November 1998 über den Binnenmarkt für Arzneimittel [COM(1998) 588 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

ZUSAMMENFASSUNG

Die Vollendung des Binnenmarkts auf dem Arzneimittelsektor ist wichtig, um die Gesundheit der Patienten zu schützen, einen raschen Marktzugang sicherzustellen und therapeutische Innovationen zu fördern. Dies haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat in ihren Entschließungen vom 16. bzw. 23. April 1996 unterstrichen. Diese Mitteilung untersucht die Funktionsweise des Binnenmarkts im Arzneimittelsektor sowie Maßnahmen, die zu seiner Verbesserung beitragen können.

Nach Auffassung der Kommission dürften mit der Vollendung des Binnenmarkts für Arzneimittel zwei Ziele erreicht werden:

  • ungehinderter Zugang der Verbraucher zu den notwendigen Arzneimitteln zu erschwinglichen Preisen;
  • angemessene Anreize für Innovationen und industrielle Entwicklungen.

Gleichzeitig müssen diese Prioritäten mit den Zielen der Mitgliedstaaten in bezug auf die Eindämmung ihrer Gesundheitsausgaben in Einklang gebracht werden.

Die Integration der Arzneimittelmärkte wird nicht nur durch die vielfältigen Interessenlagen erschwert, sondern auch durch die Besonderheiten dieses Sektor, d. h. ein auf Forschung basierender Industriezweig, die Aufteilung der Nachfragefunktion auf Patient, verordnendem Arzt und Sozialversicherungsträger, ein wenig privater Markt und die Erwartungshaltung der Verbraucher, dass sie zu erschwinglichen Preisen Zugang zu den Wohltaten des medizinischen Fortschritts erhalten. Darüber hinaus gibt es große Unterschiede zwischen den nationalen Arzneimittelmärkten, sowohl bei der Häufigkeit von Krankheiten als auch zum Beispiel im Hinblick auf den Lebensstandard, die Nachfrage und den Verbrauch von Arzneimitteln, die Vertriebskosten, die Gesundheitssysteme, usw.

Die Mitteilung unterstreicht allerdings, dass diese Besonderheiten es nicht rechtfertigen, Arzneimittel von den Regeln des Binnenmarkts auszunehmen.

Trotz einer Reihe von Entwicklungen in Richtung auf einen Binnenmarkt für Arzneimittel (insbesondere die Einführung eines gemeinschaftlichen Rechtsrahmens für die Arzenimittelzulassung und den Schutz des geistigen Eigentums), sind noch wichtige Fragen zu klären. Vor allem die Zuständigkeit für Finanzierung, Verwaltung und Organisation der Gesundheitssysteme liegt bei den Mitgliedstaaten.

Eine Frage, die nach Auffassung der Kommission besondere Aufmerksamkeit verdient, sind die unterschiedlichen Mechanismen, mit denen die Mitgliedstaaten die finanzielle Lebensfähigkeit der Gesundheitssysteme gewährleisten, vor allem das Ausmaß, in dem die Mitgliedstaaten die Kontrolle der Gesamtkosten über die Preiskontrolle zu erreichen suchen. Solange sich der Parallelhandel sich nicht dynamisch auf die Preise auswirkt, kann die Preiskontrolle den freien Warenverkehr mit Arzneimitteln behindern.

Auch die Frankfurter Rundtischgespräche über die Vollendung des Binnenmarkts für Arzneimittel, an denen seit 1996 Vertreter der Mitgliedstaaten, der Industrie und der Kommission teilnehmen, haben auf die positiven Auswirkungen des Parallelhandels für die Verbraucher und die Gesundheitssysteme hingewiesen, da sie zu einer Senkung der Arzneimittelpreise beitragen. Ferner haben die Rundtischgespräche darauf aufmerksam gemacht, dass der Arzneimittelsektor zunehmend unter Druck gerät, und zwar durch folgende Faktoren:

  • die Anstrengungen der Mitgliedstaaten, die Ausgaben für das Gesundheitswesen zu kürzen;
  • das Fehlen wirksamer Mechanismen, um den Preis neuer Arzneimittel festzulegen;
  • die Verzögerung, mit der neue Arzneimittel einige Teile des europäischen Markts erreichen;
  • die Erträge (der Industrie) aus neuen patentierten Produkten und deren Kosten (für die Mitgliedstaaten);
  • die Erweiterung der Union auf Länder mit relativ niedrigem Pro-Kopf-Einkommen.

In ihrer Mitteilung untersucht die Kommission drei Ansätze zur Lösung der Probleme des Binnenmarkts für Arzneimittel:

  • der Status quo;
  • die vollständige Integration;
  • einen Mittelweg, der darin besteht, in Marktsegmenten, die hinreichend konvergenzgeeignet sind (rezeptfreie Arzneimittel, Produkte, deren Patentschutz ausgelaufen ist, patentgeschützte Arzneimittel), schrittweise normale Marktmechanismen einzuführen, ohne dass der Zugang der Patienten zu erschwinglichen Arzneimitteln, noch die Ziele der Mitgliedstaaten mit Blick auf die Ausgaben im Gesundheitswesen gefährdet werden.

Die erste Lösung (der Status quo) ist nach Ansicht der Kommission weder geeignet, die Integration der Märkte ausreichend zu gewährleisten, noch für genügend Wettbewerb auf dem europäischen Arzneimittelsektor zu sorgen, während der zweite Ansatz, (die vollständige Integration) das Problem aufwirft, für die gesamte Gemeinschaft ein Preisniveau festlegen zu müssen. Die dritte Lösung (schrittweise Integration der Märkte) wäre somit vorzuziehen.

Diese schrittweise Integration der Märkte ließe sich mit mehreren Maßnahmen umsetzen :

  • Lockerung der Preiskontrollen und Entwicklung eines echten Wettbewerbs.
  • Es wäre möglich, alle Preiskontrollen für den freien Verkauf von Arzneimitteln (rezeptfreie Arzneimittel, die in der Regel nicht erstattet werden) sowie, unter bestimmten Umständen, für Produkte aufzuheben, deren Patentschutz ausgelaufen ist. Hingegen müsste in dem Marktsegment für patentgeschützte Produkte der Grad der Liberalisierung von den zur Verfügung stehenden therapeutischen Alternativen abhängig gemacht werden, da die Liberalisierung in den Sektoren, in denen die Hersteller eine beträchtliche Marktmacht besitzen, zu einer Erhöhung der Preise für die Patienten und die Gesundheitssysteme führen kann. Deshalb ist es angezeigt, den echten Wettbewerb auf dem Markt zu verstärken.
  • Übergang von einseitigen Preisfestsetzungsmechanismen zur Vertragspolitik.Ein Dialog zwischen Behörden und Unternehmen könnte geeignet sein, die Preisfreigabe und die Eindämmung der Gesundheitsausgaben miteinander in Einklang zu bringen.
  • Gewinnbeschränkung.Dieses System beruht ebenfalls auf Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten und den Unternehmen über ein Gewinnziel, das vernüftige Preise, eine wettbewerbsfähige Entwicklung und kontinuierliche Forschungsarbeiten ermöglicht.
  • Herausnahme bestimmter Produkte aus der Erstattungspflicht und höhere Zuzahlung zu Arzneimitteln für geringfügige Erkrankungen. Diese Maßnahme dürfte nur dann zu Einsparungen bei den Erstattungen durch die Mitgliedstaaten führen, wenn sich die Ärzte an Verordnungsmodelle halten und keine teureren Arzneimittel für die gleiche Indikation verschreiben.
  • Festsetzung von Höchstwerten oder Erstattungssätzen nach therapeutischen Kategorien (Referenzpreise);
  • Förderung der Verwendung von Generika und Anregung des Wettbewerbs in diesem Marktsegment;
  • Beteiligung der Verordner an der Eindämmung der Gesundheitsausgaben. Maßnahmen, wie die Budgetierung der Ausgaben der Verordner sind im Verein mit vergleichenden Informationen über die Kosten von Arzneimitteln geeignet, das Preisbewusstsein der Verordner zu schärfen.
  • Beschleunigung der Markteinführung von Arzneimitteln.Für das Jahr 2000 ist eine Überprüfung des gemeinschaftlichen Zulassungssystems für Generika geplant.
  • Größere Markttransparenz. Der mit der Richtlinie betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch eingesetzte Ausschuss könnte als Forum zur Förderung der Preistransparenz dienen. Auch die Forschung und der Informationsaustausch über die Wirksamkeit von Arzneimitteln müssten verbessert werden.

In ihrer Mitteilung geht die Kommission auch auf folgende Fragen ein:

  • Der Fernabsatz von Arzneimitteln, genauer die Entwicklung des elektronischen Handels;Betroffen vom elektronischen Handel sind wahrscheinlich der Arzneimittelgroßhandel und der Direktverkauf der Arzneimittel an Patienten. Diese Frage sowie die unmittelbar an den Patienten gerichtete Werbung müssen in ihrem Gesamtkontext geprüft werden.
  • Erweitung der Union um die Länder Mittel- und Osteuropas.Die Kommission beabsichtigt, eine Konferenz darüber abzuhalten, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, dass in den Bewerberländern nur geringere Summen für Arzneimittel ausgegeben werden können.

Die Anhänge enthalten Basisdaten zum Arzneimittelmarkt der Länder der Europäischen Union sowie der Beitrittskandidaten und der OECD (Gesundheits- und Arzneimittelausgaben, Ein- und Ausfuhren von Arzneimitteln, Produktions- und Beschäftigungsentwicklung, Nachfrage- und Preisstruktur, usw.).

VERBUNDENE RECHTSAKTE

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 21. Dezember 2008 - „Sichere, innovative und erschwingliche Arzneimittel: eine neue Vision für die Arzneimittelindustrie“ [KOM(2008) 666 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

Diese Mitteilung legt die drei langfristige Ziele fest:

  • der dauerhafte Binnenmarkt für Arzneimittel soll vollendet werden;
  • die Chancen der Globalisierung sollen genutzt und ihre Herausforderungen angenommen werden;
  • die Wissenschaft soll in den Dienst der europäischen Patienten gestellt werden.

In diesem Zusammenhang schlägt die Kommission eine Reihe von Maßnahmen vor, die bis spätestens 2012 umgesetzt werden sollen:

  • in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten sollen kleinere Märkte entwickelt werden, um den Zugang bedürftiger Patienten zu Arzneimitteln zu verbessern;
  • das Funktionieren des Netzes der Arzneimittelzulassungsbehörden der Europäischen Union soll verbessert werden;
  • die Transparenz soll erhöht werden;
  • der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit in Fragen der Preisgestaltung und Erstattung sollen verbessert werden;
  • es sollen Daten über die relative Wirksamkeit ausgetauscht werden, damit die Markteinführung neuartiger Arzneimittel nicht verzögert wird;
  • die Verfügbarkeit und der Marktzutritt von Generika und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sollen gewährleistet werden;
  • das Funktionieren des Arzneimittelmarktes soll gründlich untersucht werden;
  • eine Untersuchung der Anwendung der Richtlinie für klinische Prüfungen soll vorgelegt werden;
  • der Gemeinschaftsrahmen für die Pharmakovigilanz soll gestärkt werden;
  • die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Arzneimittelforums zur Patienteninformation über Krankheiten und Therapien sollen umgesetzt werden;
  • schädliche Auswirkungen von Arzneimitteln auf die Umwelt und die öffentliche Gesundheit sollen gemindert werden;
  • die bilaterale Zusammenarbeit mit den USA, Japan und Kanada soll hinsichtlich der Sicherheitsüberwachung intensiviert werden, indem Verfahren für Inspektionen und zur Nutzung von Informationen vorgeschlagen werden;
  • die Anwendung internationaler Normen durch Drittländer soll vorangetrieben werden;
  • die Nutzung der Bereiche des Transatlantischen Wirtschaftsrates soll zur Vereinfachung und Konvergenz der Regelungen in den USA und in Europa vorangetrieben werden;
  • die Regeln der Welthandelsorganisation sollen angewendet werden;
  • die Auswirkungen der Verordnung über neuartige Therapien sollen beurteilt werden;
  • ein Bericht über den Einsatz der „omik“-Technologien in der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung soll vorgelegt werden.

Letzte Änderung: 18.12.2008

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