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Document 52021DC0050

GRÜNBUCH ZUM THEMA ALTERN Förderung von Solidarität und Verantwortung zwischen den Generationen

COM/2021/50 final

Brüssel, den 27.1.2021

COM(2021) 50 final

GRÜNBUCH

ZUM THEMA ALTERN
















Förderung von Solidarität und Verantwortung zwischen den Generationen







































































1.    Einleitung    

2.    Die Grundlagen schaffen    

2.1.    Gesundes und aktives Altern    

2.2.    Allgemeine und berufliche Bildung unter Gesichtspunkten des lebenslangen Lernens    

2.3.    Territoriale Aspekte beim Zugang zur Bildung    

3.    Unser Erwerbsleben bestmöglich nutzen    

3.1.    Mehr Menschen in die Erwerbsbevölkerung eingliedern    7

3.2.    Produktivität, Innovationen und Geschäftsmöglichkeiten    9

3.3.    Beschäftigung und Produktivität – eine territoriale Perspektive    10

4.    Neue Chancen und Herausforderungen im Ruhestand    12

4.1.    Aktiv bleiben    13

4.2.    Altersarmut    13

4.3.    Angemessene, faire und nachhaltige Altersversorgungssysteme    15

5.    Die wachsenden Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung decken    18

5.1.    Den Bedarf einer alternden Bevölkerung an Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege decken    19

5.2.    Mobilität, Konnektivität und Barrierefreiheit    21

5.3.    Territoriale Unterschiede beim Zugang zu Versorgung und Diensten    22

5.4.    Das Wohlbefinden durch Solidarität zwischen den Generationen verbessern    25

6.    Ausblick    26



1.Einleitung

Das Altern wirkt sich im gesamten Lebensverlauf auf alle Aspekte unseres Lebens aus. Während die derzeitige Pandemie uns weiterhin vor Herausforderungen stellt und wir um den Schutz von Menschenleben und Lebensgrundlagen kämpfen, dürfen wir eine bemerkenswerte Entwicklung nicht aus den Augen verlieren: Nie zuvor haben so viele Europäerinnen und Europäer ein so hohes Lebensalter erreicht. Das ist ein großer Erfolg auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft der EU.

In den letzten fünf Jahrzehnten ist die Lebenserwartung bei der Geburt sowohl bei Männern als auch bei Frauen um etwa 10 Jahre gestiegen. Die demografischen Profile der Regionen in der EU unterscheiden sich stark, insbesondere zwischen städtischen und ländlichen Gebieten, wobei einige eine erhebliche Bevölkerungsalterung und andere eine Zunahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter verzeichnen. Europa ist keineswegs der einzige Kontinent mit einer alternden Bevölkerung, aber der Prozess ist hier am weitesten fortgeschritten. Zur Veranschaulichung: Das heutige Medianalter 1 in Europa von 42,5 Jahren ist mehr als doppelt so hoch wie in Afrika. Diese Kluft wird auch in den kommenden Jahrzehnten groß bleiben.

Dieser Trend hat erhebliche Auswirkungen auf den Alltag der Menschen und unsere Gesellschaften. Er hat Folgen für das Wirtschaftswachstum, die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, die Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege, das Wohlbefinden sowie den sozialen Zusammenhalt. Darüber hinaus haben die unverhältnismäßigen Auswirkungen der Pandemie auf ältere Menschen – in Bezug auf Krankenhausaufenthalte und Todesfälle – einige der Herausforderungen beleuchtet, die eine alternde Bevölkerung für die Gesundheits- und Sozialfürsorge mit sich bringt. Das Altern bietet aber auch neue Chancen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Förderung der sozialen Gerechtigkeit und die Steigerung des Wohlstands, beispielsweise in der Senioren- und Pflegewirtschaft.

Die Mitgliedstaaten setzen sich mit den Auswirkungen des Alterns auseinander, indem sie die Bildungs- und Qualifikationssysteme verbessern, ein längeres und erfüllteres Erwerbsleben fördern und Reformen des Sozialschutzes und der Altersversorgungssysteme vorantreiben. Angesichts des Umfangs, der Geschwindigkeit und der Auswirkungen, die dieser Trend in der Gesellschaft haben wird, müssen wir jedoch auch neue Ansätze prüfen und sicherstellen, dass unsere politischen Maßnahmen in einer Zeit großer Veränderungen, vom zweifachen – ökologischen und digitalen – Wandel bis hin zu neuen Arbeitsformen und der Bedrohung durch Pandemien, ihren Zweck erfüllen.

Ziel dieses Grünbuchs ist es, eine breit angelegte Grundsatzdebatte über das Altern anzustoßen, um Möglichkeiten zu erörtern, wie die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen antizipiert und beachtet werden können. Dabei sollen vor allem die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und das „Jahrzehnt des gesunden Alterns“ der Vereinten Nationen berücksichtigt werden. Die Kompetenzen für die Bewältigung der Auswirkungen des Alterns liegen weitgehend in den Händen der Mitgliedstaaten, und die EU befindet sich in guter Position, um Schlüsselfragen und -trends zu ermitteln und Maßnahmen im Bereich des Alterns auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu unterstützen. Sie kann den Mitgliedstaaten und Regionen dabei helfen, ihre eigenen, maßgeschneiderten politischen Maßnahmen in Bezug auf das Altern zu entwickeln.

Die europäische Säule sozialer Rechte 2 enthält eine Reihe von Grundsätzen, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die von der Bevölkerungsalterung betroffenen Bereiche beziehen, wie beispielsweise Alterseinkünfte und Renten, Langzeitpflege, Gesundheitsversorgung, Inklusion von Menschen mit Behinderungen, Sozialschutz, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen. Die Kommission wird in Kürze einen Aktionsplan vorlegen, um die vollständige Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte zu unterstützen.

In diesem Grünbuch wird ein Lebensverlaufansatz verfolgt, der die universellen Auswirkungen des Alterns berücksichtigt und gezielt an den individuellen und breiteren gesellschaftlichen Folgen des Alterns ansetzt. Dazu gehören alle Fragen wie lebenslanges Lernen und eine gesunde Lebensführung, die Finanzierung angemessener Renten oder die Notwendigkeit einer höheren Produktivität sowie eine ausreichende Zahl von Arbeitskräften, um die Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege älterer Menschen aufrechtzuerhalten.

Der Lebensverlaufansatz trägt dem Umstand Rechnung, dass die traditionellen Phasen der allgemeinen und beruflichen Bildung, der Berufstätigkeit und des Ruhestands weniger streng abgrenzbar und flexibler werden. Er spiegelt auch die Tatsache wider, dass die Reaktion auf die Alterung der Bevölkerung die Frage beinhaltet, wie das richtige Gleichgewicht zwischen nachhaltigen Lösungen für unser Sozialsystem und der Stärkung der Generationengerechtigkeit und der Fairness zwischen Alt und Jung gefunden werden kann. Es gibt viele Wechselbeziehungen zwischen den Generationen, die Herausforderungen, Chancen und Fragen für unsere Gesellschaften mit sich bringen. Aus diesem Grund sollten junge Menschen – und alle Altersgruppen – eine aktive Rolle bei der Gestaltung unserer politischen Antworten spielen.

Diese Kommission hat die Demografie ganz oben auf die politische Agenda der EU gesetzt. Im Juni 2020 legte sie einen Bericht 3 vor, in dem sie die wichtigsten Fakten zum demografischen Wandel und seinen voraussichtlichen Auswirkungen darlegte. Das vorliegende Grünbuch ist das erste Ergebnis dieses Berichts und leitet eine Debatte über eine der entscheidenden demografischen Umwälzungen in Europa ein. Die Debatte wird inklusiv sein und auf der Arbeit anderer Organe und Einrichtungen der EU 4 aufbauen, die aktiv an der Debatte über die demografischen Herausforderungen beteiligt sind.

2.Die Grundlagen schaffen

Die Jahre von der frühen Kindheit bis zum jungen Erwachsenenalter wirken sich auf uns für den Rest unseres Lebens aus. Was wir erleben, was wir lernen und die Gewohnheiten, die wir annehmen, all das sind Faktoren, die unsere Zukunftsperspektiven, unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden prägen. Frühzeitig die richtigen Grundlagen zu schaffen kann dazu beitragen, einige der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Altern zu vermeiden, zu begrenzen und hinauszuschieben.

Es gibt insbesondere zwei politische Konzepte, die eine florierende alternde Gesellschaft ermöglichen können: gesundes und aktives Altern sowie lebenslanges Lernen. Beide Ansätze funktionieren am besten, wenn sie bereits in jungen Jahren beginnen, da sie für den gesamten Lebensverlauf relevant sind. Wichtig ist, dass sich ein hohes Bildungsniveau und eine gute Gesundheit gegenseitig verstärken.

2.1.Gesundes und aktives Altern

Gesundes und aktives Altern bedeutet, im gesamten Lebensverlauf eine gesunde Lebensweise zu fördern, und umfasst unsere Konsum- und Ernährungsgewohnheiten sowie den Umfang unserer körperlichen und sozialen Aktivität. Es trägt dazu bei, das Risiko von Fettleibigkeit, Diabetes und anderen nicht übertragbaren Krankheiten, die auf dem Vormarsch sind, zu verringern. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs sind die Hauptursachen für vermeidbare Todesfälle bei Menschen unter 75 Jahren in Europa. 5 Gesundes und aktives Altern wirkt sich positiv auf den Arbeitsmarkt, die Beschäftigungsquoten und unsere Sozialschutzsysteme und damit auf das Wachstum und die Produktivität der Wirtschaft aus.

Gesundes und aktives Altern ist eine persönliche Entscheidung und Verantwortung, hängt aber in hohem Maße von dem Umfeld ab, in dem die Menschen leben, arbeiten und soziale Kontakte pflegen. Staatliche Maßnahmen können eine wichtige unterstützende Rolle spielen. Proaktive Maßnahmen können dazu beitragen, Krankheiten zu verhüten und zu erkennen und Menschen vor den Folgen von Gesundheitsproblemen zu schützen. Sie können mit dafür sorgen, dass die Entscheidung für ein gesundes und aktives Altern – auch für Menschen in prekären Situationen – leichter fällt. Es gibt innovative Möglichkeiten zur Förderung einer gesunden Lebensweise bei Kindern und Jugendlichen, darunter sichere digitale Technologien, Spiele, Lernplattformen und Apps. Personalisierte Medizin kann dazu beitragen, frühzeitig Menschen zu identifizieren, die Gefahr laufen, im späteren Leben bestimmte Krankheiten zu bekommen.

Zwar sind die Mitgliedstaaten für ihre Gesundheitspolitik zuständig, doch kann die EU ihre Maßnahmen unterstützen, unter anderem durch das neue Programm EU4Health, beispielsweise bei der Bekämpfung von Krebs, Demenz und psychischen Erkrankungen und bei der Förderung von gesunder Ernährung und gesunden Essgewohnheiten sowie regelmäßiger körperlicher Betätigung. Dazu wird der europäische Plan zur Krebsbekämpfung ins Leben gerufen, der den gesamten Krankheitsverlauf von der Prävention bis zum Überleben umfassen soll. Mit der Überwachung und dem Austausch von Informationen über nationale Gesundheitsinitiativen können die Unterschiede bei den Konzepten und Angeboten zwischen und in den Ländern möglicherweise verringert werden.

2.2.Allgemeine und berufliche Bildung unter Gesichtspunkten des lebenslangen Lernens

Lebenslanges Lernen – in das Wissen, die Fähigkeiten und die Kompetenzen der Menschen während ihres gesamten Lebens investieren – ist Teil der Antwort auf die Herausforderungen des Alterns. Fortlaufende Investitionen in das Lernen haben viele positive Auswirkungen: Der Erwerb und die Aktualisierung von Kompetenzen tragen dazu bei, dass die Menschen beschäftigungsfähig bleiben, Erfolg beim Arbeitsplatzwechsel haben und sich beruflich weiterentwickeln. Dies hält sie im Erwerbsleben und trägt zur Zufriedenheit am Arbeitsplatz bei. In einer sich rasch wandelnden Welt ist lebenslanges Lernen eine Notwendigkeit, da sich berufliche Laufbahnen und Bildungsmöglichkeiten in rasantem Tempo ändern. Kontinuierliches Lernen kann auch dazu beitragen, den Ausbruch einer Demenz zu verzögern und den Abbau kognitiver Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem Alter zu verhindern. Zudem ist es eine Möglichkeit für ältere Menschen, eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu spielen. Die Entwicklung staatsbürgerlicher Kompetenzen ist wichtig für eine lebenslange demokratische Teilhabe.

Lebenslanges Lernen ist am wirksamsten, wenn es früh im Leben beginnt. Die ersten Lebensjahre sind für die Entwicklung kognitiver und sozialer Kompetenzen von entscheidender Bedeutung. Daten weisen darauf hin, dass sich der Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung dauerhaft auf die Leistungen in der Schule und darüber hinaus auswirkt. Trotz Verbesserungen in der schulischen und beruflichen Bildung gehen noch immer zu viele junge Menschen frühzeitig von der Schule ab und haben große Probleme mit grundlegenden Kompetenzen wie Lesen, Naturwissenschaften und Mathematik. Gleiches gilt für Erwachsene. Es ist besorgniserregend, dass jeder fünfte junge Mensch in Europa nicht über grundlegende digitale Kompetenzen verfügt. Schülerinnen und Schüler aus benachteiligten Verhältnissen sind unter den Lernenden mit unterdurchschnittlichen Leistungen überrepräsentiert. Die Daten deuten auch auf das Risiko einer „Niedrigqualifikationsfalle“ hin, bei der Menschen mit mehr Kompetenzen tendenziell häufiger an Lernaktivitäten teilnehmen, Menschen mit geringeren Grundfertigkeiten dagegen nicht.

Es gibt ein großes Potenzial für die Entwicklung der Kompetenzen älterer Menschen sowie für die Verbesserung ihrer Validierung und der Bereitstellung von Berufsberatung. Die allgemeine und berufliche Bildung von Erwachsenen trägt dazu bei, die Beschäftigungsfähigkeit in einer sich verändernden Arbeitswelt zu verbessern, da der sich wandelnde Qualifikationsbedarf, insbesondere aufgrund des ökologischen und digitalen Wandels, Potenzial für neue Arbeitsplätze birgt.

Dies steht im Mittelpunkt der Umsetzung der kürzlich von der Kommission angenommenen Europäischen Kompetenzagenda. 6 Darüber hinaus arbeiten wir mit der Schaffung eines europäischen Bildungsraums 7 bis 2025 auf den Zugang zu hochwertiger Bildung für alle hin, wobei insbesondere die Menschen mit einem höheren Risiko unterdurchschnittlicher Leistungen und sozialer Ausgrenzung berücksichtigt werden. 

2.3.Territoriale Aspekte beim Zugang zur Bildung

Der Zugang zu hochwertiger allgemeiner und beruflicher Bildung kann nicht als selbstverständlich angesehen werden, insbesondere in gering besiedelten Regionen, in denen die Menschen möglicherweise große Entfernungen zu den entsprechenden Einrichtungen zurücklegen müssen. Niedrige Geburtenraten können in Verbindung mit der Abwanderung junger Menschen für eine rückläufige Nachfrage nach Schulbildung in ländlichen und abgelegenen Gebieten sorgen.

Daraus kann ein Teufelskreis entstehen: Die Zahl der Kinder kann auf ein so niedriges Niveau fallen, dass es schwierig ist, den Erhalt einer Schule zu rechtfertigen. Dadurch wiederum ist es für Familien mit Kindern weniger attraktiv, in eine solche Region zu ziehen oder dort zu verbleiben.

Der Übergang zum Fernunterricht infolge des COVID-19-Ausbruchs hat einige Erkenntnisse für den Einsatz digitaler Technologien in der allgemeinen und beruflichen Bildung geliefert. Er hat jedoch noch weitere Ungleichheiten ans Licht gebracht, denen ländliche Gemeinden beim Zugang zu digitalen Diensten ausgesetzt sind. Ländliche und abgelegene Gebiete benötigen eher Investitionen in die Konnektivität und haben mit geringerer Wahrscheinlichkeit Zugang zu erschwinglichen und hochwertigen Breitbandnetzen sowie zu den Geräten und Fähigkeiten, die für deren Nutzung erforderlich sind. Für einige Kinder bedeutete dies, dass ihr Unterricht während der Pandemie nicht weitergeführt werden konnte, wodurch die bereits bestehenden Ungleichheiten mit Gleichaltrigen in besser ausgestatteten Regionen vergrößert wurden. Durch neue Konzepte kann der Präsenzunterricht mit hochwertigem digitalem Lernen kombiniert werden, um den Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten zu verbessern. Im Aktionsplan für digitale Bildung 8 wird ein umfassendes Konzept für digitales Lernen und digitale Bildung auf EU-Ebene vorgeschlagen. 

1.Wie können Maßnahmen für ein gesundes und aktives Altern für alle von frühester Kindheit an und während des gesamten Lebens gefördert werden? Wie können Kinder und Jugendliche dabei unterstützt werden, besser für die Perspektive einer höheren Lebenserwartung gerüstet zu sein? Welche Art von Unterstützung kann die EU gegenüber den Mitgliedstaaten leisten?

2.Worin bestehen die größten Hindernisse für das lebenslange Lernen während des gesamten Lebensverlaufs? In welcher Lebensphase könnte die Beseitigung dieser Hindernisse den größten Unterschied machen? Wie sollte dieses Problem speziell in ländlichen und abgelegenen Gebieten bewältigt werden?

3.Unser Erwerbsleben bestmöglich nutzen

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in der EU ist seit einem Jahrzehnt rückläufig, und dieser Trend dürfte weiterhin anhalten. 9 Da die Gesamtbevölkerung konstant bleibt, steigt das Risiko eines Arbeitskräftemangels. Dies wiederum erschwert es, die Produktion und die Erbringung von Dienstleistungen aufrechtzuerhalten, und wirkt sich letztlich auf unseren Wohlstand und unser Wohlergehen aus. Als Ausgleich für die schrumpfende Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sollten die EU und ihre Mitgliedstaaten politische Maßnahmen fördern, um mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ein längeres Erwerbsleben zu ermöglichen und die Produktivität zu steigern. Das Potenzial weniger entwickelter Regionen, d. h. Regionen mit einem Pro-Kopf-BIP von weniger als 75 % des EU-Durchschnitts, könnte auch durch angemessene Investitionen zugunsten der regionalen Anpassung besser genutzt werden.

3.1.Mehr Menschen in die Erwerbsbevölkerung eingliedern 

Eine hohe Erwerbsbeteiligung und ein längeres Erwerbsleben können das Problem einer alternden Gesellschaft mit einer schrumpfenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter abmildern. 10  Diskriminierung am Arbeitsplatz – oder bei der Arbeitssuche – ist jedoch weit verbreitet und kann sich auf bestimmte Gruppen stärker auswirken. Es Angehörigen ethnischer Minderheiten zu ermöglichen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen, wird zu besseren sozialen und wirtschaftlichen Ergebnissen für alle führen. In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Arbeit am Aufbau einer Union der Gleichheit und der vollständigen Umsetzung der bestehenden Rechtsinstrumente fortgesetzt wird.

Die Beschäftigungsquote von Frauen (im Alter von 20 bis 64 Jahren) in der EU ist nach wie vor um 11,7 Prozentpunkte niedriger als die der Männer, und mehr Frauen arbeiten tendenziell in Teilzeit, obwohl mehr Frauen einen Hochschulabschluss erwerben als Männer. 11

Maßnahmen zur Förderung der gleichberechtigten Beteiligung von Frauen und Männern an bezahlter wie unbezahlter Arbeit können dazu beitragen, die Beschäftigungsquote von Frauen zu erhöhen, auch durch die Unterstützung von Menschen und Familien im Hinblick auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Maßnahmen zur Verbesserung der Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt und zur Beseitigung des geschlechtsspezifischen Gefälles könnten die Beteiligung von Männern an der Arbeit im Haushalt und an der Familienbetreuung erhöhen, sofern sie mit strukturellen Maßnahmen zur Reform der Steuer- und Sozialsysteme einhergehen. Die EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025 12 enthält bereits eine Reihe von Schlüsselmaßnahmen in diesem Bereich.

Aktuelle Daten 13 zeigen, dass 5,4 % der Frauen (und 2,2 % der Männer) im Alter von 18 bis 64 Jahren ihre Arbeitszeit verkürzt oder eine Beschäftigungsunterbrechung von mehr als einem Monat in Anspruch genommen haben, um kranke und/oder ältere Angehörige mit Behinderungen zu betreuen. Eine bessere Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung, formaler Angebote der Langzeitpflege und Unterstützung für informelle Pflegekräfte würde nicht nur dazu beitragen, den wachsenden Bedürfnissen älterer Menschen gerecht zu werden, sondern auch mehr Arbeitnehmern – insbesondere Frauen – ermöglichen, in den Arbeitsmarkt einzutreten und dort zu verbleiben.

Wenn Menschen mit Migrationshintergrund in die Lage versetzt werden, einen Beruf auszuüben, der ihren Qualifikationen und Kompetenzen entspricht, könnten sie besser integriert werden. Dies würde zu einem besseren sozialen Zusammenhalt, Wirtschaftswachstum und dem Abbau von Ungleichheiten beitragen.

Die legale Migration kann dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu beheben und somit den Bedarf des Arbeitsmarktes zu decken. Hochqualifizierte Migranteninnen und Migranten sind für die Arbeit, die sie ausüben, im Durchschnitt eher überqualifiziert. Die Nutzung des Potenzials von Migrantinnen ist aufgrund struktureller Hindernisse, wie etwa des Zugangs zu hochwertiger und erschwinglicher Kinderbetreuung, besonders schwierig. Im November 2020 legte die Kommission einen neuen Aktionsplan für Integration und Inklusion 2021-2027 14 vor, der der unterschiedlichen Situation der Migrantenpopulationen Rechnung trägt und die Mitgliedstaaten und andere relevante Interessengruppen bei der Suche nach angemessenen Antworten für ihre Integrations- bzw. Inklusionspolitik. Als Folgemaßnahme zum neuen Migrations- und Asylpaket 15 hat die Kommission kürzlich eine öffentliche Konsultation zur Zukunft der legalen Migration in der EU abgeschlossen und wird eine Reihe von Maßnahmen vorschlagen, darunter ein Paket zu Talenten und Kompetenzen mit Optionen für die Entwicklung eines EU-Talentpools.

Möglichkeiten für die Behebung des Arbeitskräftemangels bestehen auch, indem die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen erhöht wird. Dafür müssen die entsprechenden Voraussetzungen und ein barrierefreies Arbeitsumfeld geschaffen werden.

Auch wenn sich die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU in letzter Zeit mehrfach erhöht hat, liegt sie nach wie vor unter dem Durchschnitt. 2019 waren nur 59,1 % der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig, gegenüber 73,1 % aller 20- bis 64-Jährigen. 16 Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steigt das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit. 17  Viele ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Schwierigkeiten bei der Einstellung, beim Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten, beim Arbeitsplatzwechsel und bei altersgerechten Aufgaben. Die Förderung der Erwerbsbeteiligung älterer Menschen könnte besser unterstützt werden, beispielsweise durch steuerliche Anreize für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzustellen.

In einigen Sektoren, etwa in der Landwirtschaft, arbeiten Menschen nach Erreichen des Rentenalters weiter, entweder aus eigener Entscheidung oder aufgrund ihrer Lebensbedingungen, des Fehlens eines potenziellen Nachfolgers oder einer geringen Altersversorgung. Physische Aspekte – ob ergonomischer Art oder im Zusammenhang mit der Barrierefreiheit – und flexible Arbeitsbedingungen würden es älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ermöglichen, ihren Ruhestand hinauszuschieben, falls sie sich dafür entscheiden. Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind mit zunehmendem Alter gefährlicher. Gute Arbeitsbedingungen, darunter ein solider Arbeitsschutz, tragen dazu bei, die Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern jeden Alters zu schützen und so das Wohlbefinden zu fördern und die Vorruhestandsquoten zu senken. Digitale Technologien können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstützen und besser angepasste Arbeitsumgebungen mit IKT-gestützten personalisierten Systemen, tragbaren Geräten und mobilen Gesundheitsanwendungen bieten.

Unternehmergeist bei Seniorinnen und Senioren kann das Erwerbsleben verlängern, die Altersarbeitslosigkeit senken, die soziale Inklusion älterer Menschen verbessern und die Innovation durch Start-ups fördern. Er kann das generationenübergreifende Lernen fördern und den Wissenstransfer sicherstellen. Die Sensibilisierung für Unternehmertum als späte Karriereoption kann dazu beitragen, der Altersdiskriminierung als potenzieller Hürde für eine solche Tätigkeit entgegenzuwirken. Die Politikgestaltung kann ältere Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützen, und zwar durch die Beseitigung von Negativanreizen in den Steuer- und Sozialversicherungssystemen, die zielgerichtete Bereitstellung von Beratung und die Sicherung des Zugangs zu Finanzmitteln.

3.2.Produktivität, Innovationen und Geschäftsmöglichkeiten

Das Produktivitätswachstum hat sich in den letzten Jahrzehnten in allen hochentwickelten Volkswirtschaften verlangsamt. Vor dem Hintergrund einer schrumpfenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist eine höhere Produktivität der Schlüssel zu einem nachhaltigen und inklusiven Wirtschaftswachstum und einem höheren Lebensstandard in der EU. Der ökologische und der digitale Wandel bieten die Gelegenheit, das Produktivitätswachstum durch die Förderung von Innovationen in Form neuer Technologien und Geschäftsmodelle wieder anzukurbeln. Innovationen können auch zur Verbesserung der Ressourceneffizienz beitragen, während arbeitssparende Technologien die Herausforderungen einer schrumpfenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter abmildern können.

Angemessene und effiziente Investitionen in die Forschung und Entwicklung sowie in immaterielle Vermögenswerte im Allgemeinen sind von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, Innovationen zu stimulieren und die Einführung neuer Technologien zu fördern. Eine effiziente öffentliche Verwaltung und Justiz, ein günstiges Unternehmensumfeld, eine wirksame Wettbewerbspolitik sowie ein faires, transparentes und effizientes Subventions- und Steuersystem, das mit den langfristigen Zielen der sozioökonomischen Nachhaltigkeit im Einklang steht, spielen ebenfalls eine Rolle bei der Förderung von Produktivität und Innovation.

Eine der Chancen für die EU ist die „Seniorenwirtschaft“ – damit wird eine allgemeine Verlagerung der Nachfrage zu Produkten und Dienstleistungen bezeichnet, die den besonderen Bedürfnissen und Präferenzen älterer Menschen entsprechen. Die Seniorenwirtschaft dürfte jährlich um rund 5 % wachsen, und zwar von 3,7 Billionen EUR im Jahr 2015 auf 5,7 Billionen EUR im Jahr 2025. 18  

Die Seniorenwirtschaft kann neue Beschäftigungsmöglichkeiten in Branchen wie Tourismus, intelligentes Wohnen, das ein unabhängiges Leben unterstützt, unterstützende Technologien, barrierefreie Produkte und Dienstleistungen, Servicerobotik, Wellness, Kosmetika und Mode, Sicherheit, Kultur, persönliche und automatisierte Mobilität und Bankwesen eröffnen. Wissenschaftliche und medizinische Innovationen werden auch Technologieentwicklern sowie hochqualifizierten Gesundheitsfachkräften und Pflegekräften zusätzliche Chancen bieten und gleichzeitig den Durchbruch ermöglichen, der für die Antwort auf eine alternde Gesellschaft erforderlich ist.

Telemedizin, Smartphone-Apps und Biosensoren für die Ferndiagnose und -überwachung können die Ergebnisse für die Patienten verbessern. Neue unterstützende Technologien können die Autonomie, Unabhängigkeit und Teilhabe älterer Menschen mit Behinderungen vergrößern. Ein entwickelter Markt für Produkte und Dienstleistungen für ein gesundes und aktives Altern könnte die Effizienz der Gesundheits- und Sozialfürsorgesysteme verbessern und sie möglicherweise nachhaltiger machen.

3.3.Beschäftigung und Produktivität – eine territoriale Perspektive 

Die nachstehende Karte zeigt, inwiefern die Verlängerung des Erwerbslebens benötigt wird, um der Bevölkerungsalterung in den EU-Regionen entgegenzuwirken. Voraussichtlich wird nur in jeder fünften EU-Region zwischen 2020 und 2040 eine wachsende Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu verzeichnen sein. Zu diesen Regionen zählen häufig die Hauptstadt, eine weitere Großstadt und/oder ihre Vorstädte. Unternehmen in den wenigen Regionen mit einer wachsenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter werden es leichter haben, freie Stellen zu besetzen und ihre Geschäftstätigkeit auszuweiten. Unternehmen in Regionen mit schrumpfender Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter müssen dagegen angesichts des Mangels an erhöhter beruflicher Mobilität eher mit einem Arbeitskräftemangel rechnen. Folglich werden sie gezwungen sein, mehr in arbeitssparende Technologien und Innovationen zu investieren, nur um die gleiche Menge an Waren oder Dienstleistungen zu produzieren.



Karte 1. Voraussichtliches maximales Erwerbsalter, das die Größe der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter konstant hält, 2040

Das Potenzial weniger entwickelter Regionen und ländlicher Gebiete kann weiter erkundet werden, beispielsweise in Bezug auf die Nutzung der Chancen, die aus der Seniorenwirtschaft erwachsen. Die Kohäsionspolitik spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung ihrer Entwicklung. Die ländlichen Gebiete in Europa weisen große Unterschiede auf: Einige schneiden wirtschaftlich und sozial gut ab, während andere einen wirtschaftlichen und/oder sozialen Niedergang erleben. Ihre Lebensqualität wird häufig besser eingeschätzt als die von Städten. Aufgrund ihrer Nähe zur Natur, der sauberen Luft, des Gemeinschaftsgefühls und des kostengünstigeren Wohnens haben sie Anziehungskraft auf Stadtbewohner. Wenn sie mit ausreichenden grundlegenden Infrastrukturen, Verkehrsmöglichkeiten und Bedingungen für eine Wirtschaftstätigkeit ausgestattet sind, können sie sowohl für Menschen im erwerbsfähigen Alter als auch für eine alternde Bevölkerung attraktiv sein.

Die digitale Konnektivität kann auch in abgelegenen Gebieten den Zugang zu hochwertigen Bildungs- und Beschäftigungsangeboten erleichtern, wie sich während der COVID-19-Krise gezeigt hat. Zudem hat die Krise deutlich gemacht, welches Potenzial Telearbeit bei einigen Berufen als Mittel zur Vermeidung des Pendelns mit all seinen Folgen für Luftverschmutzung und Zeitverwendung hat.

Die Infrastruktur – vom Verkehr über Schulen oder Konnektivität bis hin zu Wohnen oder Postdiensten und Gesundheitsversorgung – sowie die Bereitstellung von Dienstleistungen wie allgemeine und berufliche Bildung, Gesundheit und Langzeitpflege können bessere Entwicklungsmöglichkeiten bieten, sofern sie an die lokalen Bedürfnisse angepasst werden.

3. Welche innovativen politischen Maßnahmen zur Verbesserung der Erwerbsbeteiligung, insbesondere älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sollten genauer in Betracht gezogen werden?

4. Besteht Bedarf an mehr Strategien und Maßnahmen auf EU-Ebene zur Förderung des Unternehmertums von Seniorinnen und Senioren? Welche Art von Unterstützung ist auf EU-Ebene erforderlich, und wie können wir auf erfolgreichen Beispielen für soziale Innovation in Form eines Mentoring zwischen jungen und älteren Unternehmerinnen und Unternehmern aufbauen?

5. Wie kann die EU-Politik den weniger entwickelten Regionen und ländlichen Gebieten helfen, Alterung und Abwanderung zu bewältigen? Wie können EU-Gebiete, die vom zweifachen Problem der Entvölkerung und der Bevölkerungsalterung betroffen sind, die Seniorenwirtschaft besser nutzen?

4. Neue Chancen und Herausforderungen im Ruhestand

Nie zuvor in der europäischen Geschichte haben so viele Menschen ein so langes und gesundes Leben genossen. Mehr Menschen als je zuvor bleiben länger aktiv, verlängern ihre berufliche Laufbahn und nehmen nach ihrem Eintritt in den Ruhestand an sozialen Aktivitäten teil. Dank einer gesünderen Lebensweise und des medizinischen Fortschritts (verbesserte Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten) sind die meisten Rentnerinnen und Rentner fit und können entscheiden, wie sie ihre Zeit verbringen wollen. 19 Diese neuen Gegebenheiten verändern unsere Wahrnehmung des Alterns und machen deutlich, welchen wichtigen Beitrag ältere Menschen durch generationenübergreifendes Lernen und Zusammenhalt zu Gesellschaft und Wirtschaft leisten.

Gleichzeitig ist der Ruhestand mit Herausforderungen für die einzelnen Menschen, aber auch für die sie unterstützenden Sozialschutzsysteme verbunden. Um die Angemessenheit, Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit von Altersversorgungssystemen zu gewährleisten, müssen wir kritisch bewerten, wie geeignet die derzeitigen Systeme für den Umgang mit einer rasch alternden Bevölkerung sind.

4.1.Aktiv bleiben

Freiwilligentätigkeiten können die Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den Generationen fördern, einen Mehrwert schaffen und jungen wie alten Menschen in Bezug auf Wissen, Erfahrung und Selbstwertgefühl gleichermaßen zugutekommen. Zugleich hat Freiwilligentätigkeit einen wichtigen wirtschaftlichen Wert. Aus den Daten geht hervor, dass etwa ein Fünftel der 65- bis 74-Jährigen an formalen Freiwilligentätigkeiten teilnimmt, während Personen im Alter von über 75 Jahren ebenfalls weiter aktiv sind, wenn ihr Gesundheitszustand dies zulässt. 20  Während der COVID-19-Pandemie haben Rentnerinnen und Rentner der Gemeinschaft geholfen, indem sie als medizinisches oder pflegendes Personal zurückkehrten oder Freiwilligendienste leisteten, um andere im Alltag zu entlasten.

Viele, insbesondere ältere Frauen, arbeiten unentgeltlich als Pflegepersonen, hauptsächlich innerhalb der eigenen Familie (Betreuung von Eltern, Partnern, Kindern oder Enkelkindern), und unterstützen somit die Generation im Kernarbeitsalter dabei, Beruf und Familie miteinander in Einklang zu bringen.

Das generationenübergreifende Lernen, einschließlich Mentoring oder Erfahrungsaustausch, ermöglicht jungen und alten Menschen den Austausch von Wissen und Kompetenzen. Ein Großteil des generationenübergreifenden Lernens findet informell in der Gemeinschaft statt, und zwar bei Aktivitäten rund um Bibliotheken und Museen, Kultur, Sport oder andere Vereinigungen, religiöse Einrichtungen usw.

Aktive Mobilität unterstützt auch aktives Altern. Spazierengehen und Radfahren sind in vielen Mitgliedstaaten beliebt, auch bei Menschen über 65 Jahren. Neue Formen der Elektromobilität, vor allem Elektrofahrräder, bieten bereits eine flexible Antwort auf die Mobilitätsbedürfnisse älterer Menschen und ermöglichen es ihnen, einen aktiven Verkehrsträger zu nutzen und gleichzeitig ihre verkehrsbedingten Emissionen zu senken.

4.2.Altersarmut

Für die meisten Menschen geht der Ruhestand mit einem Einkommensrückgang und bei einigen mit der Gefahr von Altersarmut einher. Mit zunehmendem Alter sind sie wachsenden finanziellen Risiken ausgesetzt, die beispielsweise mit dem Bedarf an Gesundheitsversorgung und insbesondere Langzeitpflege zusammenhängen.

Renten sind für die meisten Rentnerinnen und Rentner die wichtigste Einkommensquelle. Um sicherzustellen, dass sie angesichts der gestiegenen Lebenserwartung angemessen bleiben, müssen die Menschen in Zukunft länger arbeiten. Dennoch sind einige von ihnen nach wie vor stärker von Altersarmut bedroht als andere, wozu auch Energiearmut gehört. Dies gilt insbesondere für Personen, die ein geringes Einkommen erzielt haben, ihre berufliche Laufbahn unterbrochen haben oder in Berufen tätig waren, die nur einen begrenzten Schutz boten (z. B. Personen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen sowie Selbstständige).

Das Risiko für spezifische Gruppen ist nach wie vor höher. Frauen verdienen tendenziell weniger, haben kürzere, weniger lineare Karrieren, arbeiten in Teilzeit und übernehmen mehr unbezahlte Betreuungs- und Pflegeaufgaben. Die Renten von Frauen in der EU sind im Durchschnitt um 29,5 % niedriger als die der Männer. 21 Im Jahr 2019 waren 37 % der Migrantinnen und Migranten aus Drittländern von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht, gegenüber 22 % der mobilen EU-Bürgerinnen und -Bürger. 22 In den kommenden Jahren könnten sie aufgrund von kürzeren Karrieren innerhalb der EU vermehrt von Altersarmut bedroht sein.

Ältere Menschen mit Behinderungen können mit besonderen Problemen konfrontiert sein. Menschen im erwerbsfähigen Alter, die eine Behinderung entwickeln, erhalten häufig arbeitsmarktbezogene Unterstützung als Ausgleich für Einkommensverluste und zusätzliche Ausgaben. Wenngleich diese Leistungen in vielen Fällen unzureichend sind, haben Menschen, die nach dem Eintritt in den Ruhestand eine Behinderung entwickeln, häufig keinen Anspruch darauf.

Kasten 1. Autonomie, Teilhabe und Rechte älterer Menschen

Die europäische Säule sozialer Rechte dient als Kompass auf dem Weg zu besseren Arbeits- und Lebensbedingungen für alle, unabhängig vom Alter, und zu wirklichen sozialen Rechten. Sie enthält eine Reihe von Grundsätzen, die speziell die Herausforderungen des Alterns betreffen.

Ältere Menschen befinden sich häufig in einer prekären Lage; manche mehr als andere, beispielsweise diejenigen mit Gesundheitsproblemen oder einer Behinderung 23 , Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten oder LGBTIQ-Personen. Einige benötigen möglicherweise Hilfe, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem eigenen Schutz oder dem ihres Vermögens steht, wie z. B. finanzielle Betreuung oder die Steuerung medizinischer Behandlungen. Dies wurde auch in der jüngsten neuen Verbraucheragenda hervorgehoben. 24 Darüber hinaus können schutzbedürftige ältere Menschen auch der Gefahr von Missbrauch ausgesetzt sein, z. B. durch Vernachlässigung oder durch körperliche oder psychische Gewalt. Die hohe Belastung gefährdeter älterer Menschen während der Pandemie macht deutlich, wie wichtig es ist, ihre Autonomie sowie ihre Gesundheit und Lebensbedingungen zu schützen.

Für den Zugang zu Waren und (öffentlichen) Dienstleistungen und die Teilhabe am politischen, sozialen und kulturellen Leben werden zunehmend digitale Kompetenzen benötigt. Technologische Entwicklungen können die Schutzbedürftigkeit älterer Menschen verstärken, z. B. wenn sie weniger vertraut mit digitalen Instrumenten sind oder damit nicht so gut zurechtkommen oder beschränkten Zugang zu digitaler Technologie haben. Dies könnte sie anfälliger für Betrugsdelikte und unlautere Handelspraktiken machen, wie wir während der Pandemie und der Ausgangsbeschränkungen gesehen haben. Ältere Menschen, die im Ausland leben oder Vermögen im Ausland besitzen, können auch aufgrund von Sprachbarrieren und unbekannten Verwaltungs- und Rechtssystemen besonders gefährdet sein, und es können spezifische Schutzmaßnahmen in grenzüberschreitenden Situationen erforderlich sein.

Die Zunahme der Zahl älterer Menschen in der EU wirft spezielle Sicherheitsbedenken auf, da sie Zielscheibe der organisierten Kriminalität sein können, z. B. in Form von Hausbesuchen, Straßenkriminalität, Einbrüchen, Taschendiebstählen oder anderen Betrügereien und Delikten.

Um ältere Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Rechte und ihre Autonomie wahrzunehmen und möglichst umfassend an der Gesellschaft teilzuhaben, müssen solche Situationen der Schutzbedürftigkeit berücksichtigt und erforderlichenfalls von den politischen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen gezielt angegangen werden.

4.3.Angemessene, faire und nachhaltige Altersversorgungssysteme

Die Herausforderung, angemessene, gerechte und nachhaltige Renten in einer alternden Gesellschaft aufrechtzuerhalten, und die Notwendigkeit zusätzlicher Ersparnisse, wurden wiederholt hervorgehoben, insbesondere in den gemeinsam von Rat und Kommission veröffentlichten Berichten zur Angemessenheit der Renten- und Pensionshöhe. 25 Ohne weitere Reformen dürften eine höhere Zahl von Rentnerinnen und Rentnern und eine geringere Zahl von Menschen im erwerbsfähigen Alter jedoch dazu führen, dass die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen nur durch höhere Beitragssätze und niedrigere Rentenersatzquoten gewährleistet werden kann. Diese Entwicklungen können eine doppelte Belastung für die jüngeren Generationen bewirken und somit Fragen der Generationengerechtigkeit aufwerfen.

Ein längeres Erwerbsleben ist eine wichtige Antwort darauf. Der jüngsten Bevölkerungsprognose von Eurostat zufolge würde der Altenquotient 26 der EU im Jahr 2040 nur dann auf dem Niveau von 2020 bleiben, wenn das Erwerbsleben auf das Alter von 70 Jahren ausgedehnt würde. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die die unterschiedlichen Herausforderungen in Europa offenbaren. Um den nationalen Altenquotienten im Jahr 2040 im Vergleich zu 2020 konstant zu halten, so legen Prognosen nahe, müssten Malta, Schweden und Ungarn das Erwerbsleben nur bis 68 verlängern, Litauen und Luxemburg dagegen bis 72. Bereits 2019 schwankte der Altenquotient erheblich und reichte von 22 in Luxemburg bis 39 in Italien und 38 in Finnland. 27

Die Altersversorgungssysteme könnten die Verlängerung des Erwerbslebens unterstützen, indem sie das Renteneintrittsalter oder die Anforderungen an die berufliche Laufbahn, die Steigerungssätze oder die Leistungen automatisch anpassen, um der höheren Lebenserwartung Rechnung zu tragen. Die Begrenzung des Vorruhestands auf objektiv gerechtfertigte Fälle, die Einführung eines allgemeinen Rechts auf Arbeit über das Rentenalter hinaus und flexible Ruhestandsregelungen können dazu beitragen, die Altersversorgungssysteme sowohl angemessen als auch nachhaltig zu gestalten.

Reformen zur Modernisierung von Altersversorgungssystemen müssen dem ihnen zugrunde liegenden Gedanken der Umverteilung und Fairnesssorgfältig Rechnung tragen. Zu den Faktoren, die berücksichtigt werden könnten, zählen die zunehmende demografische Belastung künftiger Generationen, eine faire Behandlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die frühzeitig in den Arbeitsmarkt eintreten, die Umverteilungskapazitäten zwischen Einkommensgruppen, der Schutz familienbezogener Berufsunterbrechungen und der schrittweise Ausstieg aus präferenziellen Altersversorgungssystemen.

Renten, die einen menschenwürdigen Lebensstandard im Alter ermöglichen, sollten denjenigen zur Verfügung stehen, die in Zukunft kein längeres Erwerbsleben erwarten können. Dies könnte beispielsweise durch Rentenpunkte, Mindestrenten, wohnsitzabhängige Renten und Sozialhilfe gezielt auch für ältere Menschen erreicht werden.

Wenn sichergestellt würde, dass die Altersversorgungssysteme verschiedene Arten von Wirtschaftstätigkeiten abdecken, beispielsweise durch die Ausweitung des Zugangs auf mehr Kategorien von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie auf Selbstständige, könnte dies dazu beitragen, ihre Angemessenheit und Beitragsbasis zu sichern und Ungleichheiten innerhalb des Arbeitsmarkts zu verringern. Da sich Veränderungen in der Wirtschaft und Arbeitswelt auf die Beitragsbasis auswirken könnten, müssen die Mitgliedstaaten möglicherweise überdenken, wie ihre Sozialschutzsysteme mit Ressourcen ausgestattet sind.

Die Bürgerinnen und Bürger müssen auf den Status ihrer Altersversorgungsansprüche aufmerksam gemacht werden. Hochwertige, sichere und kostengünstige Zusatzrenten, einschließlich des Paneuropäischen Privaten Pensionsprodukts (PEPP) 28 , die die gesetzlichen Altersversorgungssysteme ergänzen, können zusätzliche Altersvorsorge bieten. Politische Maßnahmen zur Erleichterung und Förderung der Teilnahme an Zusatzrentensystemen sollten deren Haushaltskosten und Verteilungseffekte berücksichtigen und ein Gleichgewicht zwischen einer breiten und inklusiven Abdeckung und Schutzmaßnahmen gegen die Auswirkungen der Marktvolatilität einerseits und der Kostenwirksamkeit andererseits herstellen.

6.Wie könnten Freiwilligentätigkeiten älterer Menschen und das generationenübergreifende Lernen – auch grenzüberschreitend – besser unterstützt werden, um Wissensaustausch und Bürgerbeteiligung zu fördern? Welche Rolle könnten eine digitale Plattform oder andere Initiativen auf EU-Ebene spielen, und an wen sollten sie sich richten? Wie könnte die Freiwilligentätigkeit junger Menschen zusammen mit und gegenüber älteren Menschen in generationenübergreifenden Initiativen kombiniert werden? 

7. Welche Dienste und günstige Rahmenbedingungen müssten geschaffen oder verbessert werden, um die Autonomie, Unabhängigkeit und Rechte älterer Menschen zu gewährleisten und ihre Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen?

8.Wie kann die EU schutzbedürftige ältere Menschen unterstützen, die nicht in der Lage sind, ihre eigenen finanziellen und persönlichen Interessen zu schützen, insbesondere in grenzüberschreitenden Situationen?

9.Wie kann die EU die Bemühungen der Mitgliedstaaten unterstützen, über Generationen, Geschlecht, Alter und Einkommensgruppen hinweg für mehr Fairness in den Sozialschutzsystemen zu sorgen und sicherzustellen, dass diese Systeme ihre finanzielle Solidität wahren?

10.Wie können die Risiken der Altersarmut verringert und angegangen werden?

11.Wie können wir angemessene Renten für diejenigen (vor allem Frauen) sicherstellen, die während ihres Erwerbslebens über lange Zeiträume unbezahlte Arbeit leisten (oft Pflegeleistungen)?

12.Welche Rolle könnten Zusatzrenten spielen, wenn es darum geht, ein angemessenes Ruhestandseinkommen zu gewährleisten? Wie könnten sie in der gesamten EU ausgeweitet werden, und welche Rolle würde die EU in diesem Prozess spielen?


5.Die wachsenden Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung decken

Trotz einer verbesserten gesunden Lebenserwartung steigt mit dem Alter die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung oder Behinderung. Nach und nach werden viele ältere Menschen gebrechlich und pflegebedürftig.

Abbildung 1.    EU-Abhängigkeitsquoten 29 steigen mit zunehmendem Alter (2015-2019)

Quelle: Berechnung der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der Kommission auf der Grundlage der Eurostat-Online-Datentabelle hlth_silc_06

Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention in Form einer gesunden Lebensweise und von Arbeitsschutz sowie aktivem Sozialleben können dazu beitragen, diese Probleme zu begrenzen oder hinauszuschieben. Auch unterstützende Maßnahmen wie die städtische Erneuerung, die Wiederbelebung ländlicher Gebiete und Barrierefreiheit in Gebäuden und im Verkehr können das Leben erleichtern, insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

Zwar können diese Maßnahmen dazu beitragen, die Herausforderung allgemein zu mildern, doch werden Altern und die höhere Lebenserwartung unweigerlich zu einem strukturellen Anstieg der Gesamtnachfrage nach Gesundheits- und Langzeitpflegediensten führen. 30 Dies wird in einigen abgelegenen und ländlichen Gebieten, die in der Regel mit Herausforderungen in Bezug auf die Qualität und den Umfang der bereitgestellten sozialen Dienste konfrontiert sind, noch verschärft.

Die Art und Weise, wie sich Gesellschaften auf das Altern vorbereiten, muss über wirtschaftliche Fragen und hochwertige, erschwingliche Dienstleistungen hinausgehen. Wir müssen darüber nachdenken, wie Generationen zusammenleben. Ein Problem ist die zunehmende Gefahr der Einsamkeit und sozialen Isolation sowohl bei jüngeren als auch bei älteren Menschen, wie es bei vielen nicht zuletzt während der COVID-19-Pandemie zu beobachten ist. Diese Gefahr ist zwar weniger sichtbar, hat aber reale Auswirkungen auf unsere Wirtschafts-, Sozial- und Gesundheitssysteme und verdient die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger.

5.1.Den Bedarf einer alternden Bevölkerung an Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege decken

Infolge des demografischen Wandels wird es mehr ältere Patientinnen und Patienten geben, die an chronischen und in vielen Fällen Mehrfacherkrankungen leiden. Darüber hinaus hat nahezu die Hälfte aller Personen ab 65 Jahren nach eigenen Angaben eine Behinderung oder langfristige Bewegungseinschränkung. Darüber hinaus erhöhen die Auswirkungen des Klimawandels, Naturkatastrophen, Umweltschäden und Umweltverschmutzung tendenziell den Druck auf die Gesundheit älterer Menschen unverhältnismäßig. Dies wird den Bedarf an Gesundheitsversorgung und anderen Betreuungs- und Unterstützungsdiensten erhöhen.

Obwohl sowohl die Gesundheits- als auch die Langzeitpflegesysteme auf die gestiegene Nachfrage reagieren müssen, stehen sie vor unterschiedlichen Herausforderungen, z. B. in Bezug auf ihr Personal, den Umfang des Sozialschutzes oder ihre Qualitätsstandards.

Zu einer umfassenden politischen Reaktion kann gehören, in hochwertige Dienstleistungen und Infrastrukturen sowie in Forschung und Innovation im Gesundheitswesen zu investieren, Zugang zur Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, attraktive Arbeitsbedingungen zur Behebung des Personalmangels zu bieten und innovative Technologien zur Effizienzsteigerung zu nutzen. Dank des technologischen Fortschritts ist es möglich, bestimmte Dienstleistungen und Therapien anstatt in Krankenhäusern auf neue Weise bereitzustellen. Ein größeres Angebot an ambulanter und gemeindenaher Betreuungsinfrastruktur bietet nicht nur eine bessere Gesundheits- und Sozialfürsorge, sondern gestattet älteren Menschen auch die Teilnahme an sozialen und ihrem Wohlbefinden dienenden Aktivitäten.

In den nächsten 10 Jahren werden im Gesundheits- und Sozialwesen potenziell 8 Millionen Stellen zur Verfügung stehen. Dies erfordert mehr Fachkräfte sowie Weiterbildungen und Umschulungen der Beschäftigten, was insbesondere im Rahmen des im November 2020 lancierten Kompetenzpakts angegangen werden wird. Um dem Mangel an Gesundheitspersonal entgegenzuwirken, könnte auch die grenzüberschreitende Mobilität von Personal eine Rolle spielen. 2018 machten EU-Bürgerinnen und -Bürger, die in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem eigenen arbeiteten, fast 5 % der Beschäftigten im Gesundheits- und Langzeitpflegebereich aus, Zuwandererinnen und Zuwanderer aus Drittstaaten dagegen 9,1 %. 31  Durch die Einbeziehung von Aspekten der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege in bestehende legale Migrationskanäle könnte auch die Nutzung der Kompetenzen der Migrantinnen und Migranten in der EU verbessert werden.

Die Zahl der potenziell langfristig pflegebedürftigen Menschen wird in der EU-27 voraussichtlich von 19,5 Millionen im Jahr 2016 auf 23,6 Millionen im Jahr 2030 und 30,5 Millionen im Jahr 2050 ansteigen. 32 Der Rückgriff auf informelle Pflegekräfte ist nicht länger nachhaltig, da die Unterstützung durch Familienangehörige insofern immer schwieriger zu gewährleisten ist, als Familien weniger Kinder haben, weiter voneinander entfernt leben und Frauen stärker am Arbeitsmarkt teilnehmen.

Die Mitgliedstaaten stehen im Bereich der Langzeitpflege vor gemeinsamen Herausforderungen, zu denen die Sicherung des Zugangs, der Erschwinglichkeit und der Qualität der Langzeitpflege sowie ein angemessener Personalbestand gehören. Viele pflegebedürftige Personen haben aufgrund von Versorgungsengpässen, hohen Kosten und mangelndem Sozial- oder Versicherungsschutz, der die Bezahlbarkeit gewährleistet, keinen Zugang dazu. Ohne angemessenen Sozialschutz können Menschen aufgrund ihres Bedarfs an Langzeitpflege in Armut abgedrängt werden. Dieses Risiko muss durch die Aufrechterhaltung der finanziellen Tragfähigkeit der Systeme in einer alternden Gesellschaft ausgeglichen werden.

Eine hochwertige Langzeitpflege ist wichtig, um die persönliche Würde, Entscheidungsfreiheit und das Wohlbefinden zu gewährleisten und unnötige Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Derzeit bestehen in der EU unterschiedliche Qualitätsstandards und Auslegungen, und die Mitgliedstaaten befinden sich in unterschiedlichen Phasen der Qualitätssicherung. Es sei darauf hingewiesen, dass es verschiedene Möglichkeiten für eine hochwertige Langzeitpflege gibt. Das Angebot an gemeindenahen Dienstleistungen für ältere pflegebedürftige Menschen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, kann deren Recht auf eine unabhängige Lebensführung in der Gemeinschaft unterstützen, solange dies möglich ist. Auf der anderen Seite können häusliche oder andere Dienste die Bereitstellung von Betreuungsdiensten gewährleisten, die über die Kapazitäten von gemeindenahen Einrichtungen hinausgehen.

Angesichts der geringen Entlohnung und der anspruchsvollen Arbeitsbedingungen ist es schwierig, qualifiziertes Personal für die Langzeitpflege einzustellen und zu halten. Dies erhöht den Druck auf informelle Pflegekräfte – in der Regel Frauen – die Schwierigkeiten haben, Betreuungs- und bezahlte Arbeit miteinander in Einklang zu bringen, was häufig mit Kosten für die Gesellschaft verbunden ist, etwa negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden, geringerer Erwerbsbeteiligung und geringerem Einkommen.

Wie in der Mitteilung „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“ 33 betont wurde, wird die Entwicklung leistungsfähiger Langzeitpflegesysteme den Zugang zu bezahlbarer und hochwertiger Langzeitpflege verbessern, ein menschenwürdiges Leben im Alter gewährleisten und die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Pflegewirtschaft gewährleisten. Ein gemeinsamer Bericht der Europäischen Kommission und des Ausschusses für Sozialschutz, der 2021 veröffentlicht werden soll, wird Aufschluss über den aktuellen Stand der Langzeitpflege in der EU sowie über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geben.

Die breit angelegte Einführung sozialer und technologischer Innovationen wie e-Gesundheit, mobile Gesundheit, Telekommunikation, integrierte Pflege oder unabhängiges Wohnen könnte die Effizienz der Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme erheblich verbessern. Modelle zur gesundheitlichen Fernüberwachung, insbesondere diejenigen, die Patienten und Familienangehörige im Pflegeteam einbeziehen, haben deutliche Vorteile für Patienten mit chronischen Erkrankungen erkennen lassen. 34  

Die Integration der Pflege durch enge Zusammenarbeit und Informationsaustausch zwischen Fachkräften, Patientinnen und Patienten sowie ihren Betreuern (einschließlich informeller Pflegekräfte) kann die steigenden Gesundheits- und Sozialfürsorgekosten begrenzen und gleichzeitig älteren Menschen helfen, länger unabhängig zu bleiben und ihr Wohlergehen zu verbessern.

Sozialunternehmen und gemeinnützige Organisationen (insbesondere Gegenseitigkeitsgesellschaften) werden zunehmend zur Erbringung von Gesundheits- und Sozialdienstleistungen, auch für ältere Menschen, in Anspruch genommen. Sie können aufgrund ihrer lokalen Verankerung und Kenntnisse und ihrer expliziten sozialen Ziele Wirkung entfalten.

Die EU unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Förderung von Langzeitpflegesystemen und -reformen durch Analysen, gegenseitigen Austausch, politische Leitlinien und EU-Mittel. Die Herausforderungen in den Bereichen Langzeitpflege und Gesundheitsversorgung schlagen sich auch im Europäischen Semester nieder. Die EU erleichtert die Koordinierung der nationalen Sozialversicherungssysteme und schützt die Rechte von Personen, die innerhalb Europas zu- und abwandern, einschließlich ihres Zugangs zu Leistungen bei Pflegebedürftigkeit. 35 Mehrere Initiativen, wie die Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben oder der Vorschlag für eine Richtlinie über angemessene Mindestlöhne, werden dazu beitragen, die Situation informeller Pflegekräfte zu verbessern und eine angemessene Entlohnung zu gewährleisten. 36 Im Zusammenhang mit COVID-19 zeigen die Analyse der Auswirkungen der Pandemie auf die Langzeitpflege 37 und die Leitlinien zu ihrer Bewältigung im Rahmen der Langzeitpflege 38 , welche strukturellen Schwächen bestehen.

5.2.Mobilität, Konnektivität und Barrierefreiheit 

Alternde Gesellschaften in Europa stellen einen demografischen Trend dar, der die Mobilitätsmuster in Zukunft prägen dürfte. Die Anbieter öffentlicher Verkehrsmittel müssen sich auf eine steigende Zahl von Fahrgästen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität einstellen und in barrierefreie intelligente Verkehrsinfrastrukturen und Fahrzeuge investieren. Bei einer überwiegend weiblichen älteren Bevölkerung muss sich die Mobilität möglicherweise stärker auf die besonderen Bedürfnisse von Frauen in Bezug auf Zeit und Zweck der Reise, Route und Entfernung sowie Sicherheit konzentrieren.

Die Automatisierung und Digitalisierung des Verkehrs kann dazu beitragen, die Zahl der Unfälle zu senken, den Reise- und Verkehrsbetrieb zu verbessern, die Multimodalität, einen geringeren Energieverbrauch und weniger Umweltverschmutzung zu fördern und die Ressourcen- und Infrastrukturnutzung zu optimieren. Andererseits stellen sie auch ältere Menschen vor Herausforderungen, die nicht über grundlegende digitale Kompetenzen oder nur über einen eingeschränkten Internetzugang verfügen. Diese Herausforderungen sind für ältere Menschen, die in ländlichen Gebieten leben, besonders wichtig.

Bei der Organisation städtischer Infrastrukturen und Dienstleistungen sollten die unterschiedlichen Bedürfnisse und Kapazitäten älterer Menschen berücksichtigt werden. Viele Städte beziehen Gesundheit, Gleichstellung der Geschlechter und andere Aspekte bereits in ihre Pläne für urbane Mobilität ein. Barrierefreiheit trägt zur sozialen Inklusion bei. Angepasste Wohnlösungen und „intelligente Wohnungen“ mit Sensoren und automatisierten Systemen für Elektrogeräte, Beleuchtung und Heizung können die Sicherheit allein lebender älterer Menschen verbessern.

5.3.Territoriale Unterschiede beim Zugang zu Versorgung und Diensten

Obwohl die meisten EU-Länder eine universelle Versorgung mit Kerngesundheitsleistungen erreicht haben, unterscheiden sich die Bandbreite der Leistungen und der Umfang der Kostenbeteiligung von Land zu Land erheblich. Der wirksame Zugang zur Gesundheitsversorgung kann aus finanziellen Gründen, Personalmangel, langen Wartezeiten und übermäßiger Entfernung zur nächstgelegenen Gesundheitseinrichtung eingeschränkt werden. Einige Mitgliedstaaten verzeichnet Probleme beim Zugang zur Gesundheitsversorgung in ländlichen und Randgebieten. Diese Gebiete werden als „medizinische Wüsten“ bezeichnet. 39 Die regionalen Unterschiede beim Zugang zur Gesundheitsversorgung haben sich während der COVID-19-Pandemie erneut verschärft. In gleichem Maße gilt dies für den Zugang zu Langzeitpflegediensten und -infrastrukturen.



Karte 2. Fahrzeit zur nächstgelegenen Gesundheitseinrichtung

Technologie kann dazu beitragen, den Zugang älterer Menschen zur Gesundheitsversorgung zu verbessern, insbesondere in abgelegenen Gebieten. Digitale Lösungen spielen eine wichtige Rolle bei der Schließung der Lücken und finden zunehmend Verbreitung, beispielsweise im Bereich der Telekommunikation. Der Einsatz solcher Instrumente setzt eine angemessene Schulung und Unterstützung voraus.

Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte ist es für ländliche Gemeinden schwierig, kosteneffiziente, regelmäßige und bequeme öffentliche Verkehrsmittel anzubieten, die auch für ältere Menschen zugänglich und erschwinglich sind. Wenn lokale Einrichtungen wie Geschäfte, Banken, Gesundheitseinrichtungen usw. geschlossen werden, müssen die Menschen weiter fahren, um Zugang zu diesen Diensten zu erhalten, was ältere Landbewohner unverhältnismäßig stark treffen kann. Innovative, gemeindenahe und bisweilen mobile Service-Lösungen können dazu beitragen, die Lücken zu schließen und den Zugang zu Diensten in dünn besiedelten Gebieten aufrechtzuerhalten.

Kasten 2. Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Generationen

Eines der wichtigsten Themen in der Debatte darüber, wie auf das Altern reagiert werden kann, ist die Generationengerechtigkeit. Die Herausforderung besteht darin, ein angemessenes Sozialschutzniveau aufrechtzuerhalten, ohne die schrumpfende Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, deren Beiträge die größte Finanzierungsquelle für die Sozialsysteme darstellen, übermäßig zu belasten. Die Verlagerung der Steuerlast vom Faktor Arbeit auf die Umweltverschmutzung, wie im europäischen Grünen Deal vorgeschlagen, könnte neue Lösungen bieten. Ohne weitere Reformen gibt es aufgrund der zunehmenden Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt weniger Menschen, die von den Sozialschutzsystemen erfasst werden und zu ihnen beitragen.

Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen muss genau überwacht werden, insbesondere in Ländern mit hoher Staatsverschuldung. Derzeit übersteigen die Gesamtkosten der alterungsbedingten öffentlichen Ausgaben in der EU insgesamt 25 % des BIP. Im Bericht über die demografische Alterung 2018 wurde prognostiziert, dass diese Kosten bis 2070 um 1,1 Prozentpunkte steigen werden, in 11 Mitgliedstaaten gar um 3 Prozentpunkte oder mehr. Der Anstieg ist in erster Linie auf die Ausgaben für Langzeitpflege und Gesundheitsversorgung zurückzuführen, die der Notwendigkeit entsprechen, den Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung angemessen gerecht zu werden. Darüber hinaus stellen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen der Ausgangsbeschränkungen weitere Herausforderungen dar.

In der Praxis könnte sich der Anstieg der alterungsbedingten Ausgaben jedoch als noch höher erweisen, beispielsweise wenn frühere Rentenreformen rückgängig gemacht oder neue Reformen verabschiedet werden, die mit Ausgabensteigerungen einhergehen. Im Bereich Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege könnte der technologische Fortschritt dazu beitragen, die Qualität der Dienstleistungen zu verbessern, aber auch zu höheren Ausgaben führen; ebenso kann ein besserer Zugang zu Langzeitpflege eine zusätzliche öffentliche Finanzierung erfordern.

Die Tragfähigkeit und Angemessenheit der öffentlichen Finanzen sind zwei Gesichter derselben Medaille, da sich Europa nachdrücklich für die Einhaltung seiner hohen Sozialstandards einsetzt. Politische Maßnahmen können dazu beitragen, die soziale und finanzielle Tragfähigkeit miteinander in Einklang zu bringen, indem die Lebensarbeitszeit verlängert, die Abdeckung erhöht und die Sozialschutzsysteme überdacht werden.

5.4.Das Wohlbefinden durch Solidarität zwischen den Generationen verbessern

Aufgrund des wachsenden Anteils älterer Menschen sind möglicherweise politische Maßnahmen erforderlich, die den sozialen und emotionalen Bedürfnissen wie Sicherheit und soziale Interaktion gerecht werden. Die soziale Durchmischung wird dadurch begrenzt, dass Altersgruppen sich je nach Wohnpräferenzen, die von ihrem Lebensstil abhängen, in verschiedenen Stadtvierteln und Regionen häufen. Junge Studierende neigen zu Stadtzentren, junge Familien lassen sich in Vorstädten nieder, während ältere Menschen in weniger dicht besiedelte und weiter von Stadtzentren entfernte Gebiete ziehen. Diese altersabhängigen Bewegungsmuster 40 können Auswirkungen auf den Zusammenhalt zwischen den Generationen haben.

Schätzungen zufolge fühlen sich etwa 30 Millionen Erwachsene in der EU häufig einsam. 41 Einsamkeit betrifft alle Altersgruppen. Faktoren wie mangelhafte Gesundheit, ungünstige wirtschaftliche Bedingungen und ein Leben allein sind mit einer höheren Einsamkeit verbunden.

Die COVID-19-Krise hat die allgemeine Bedeutung der psychischen Gesundheit ins Blickfeld gerückt. Ausgangsbeschränkungen haben erhebliche Auswirkungen auf sehr alte, gebrechliche Menschen, die in Heimen leben, welche häufig keinen Zugang zu digitaler Kommunikation haben oder nicht über die dafür erforderlichen Kompetenzen verfügen. Investitionen in digitale Kompetenzen, die Entwicklung von Gemeinschaften und den Zusammenhalt zwischen den Generationen können eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit und des seelischen Wohlbefindens verhindern und Ungleichheiten verringern.

Gesunde ältere Menschen können einen wesentlichen Beitrag zur Produktion von sozialem und wirtschaftlichem Wert in unseren Gesellschaften leisten. Die Verschwendung ihrer kognitiven Fähigkeiten ist nicht nur schädlich für ihre geistige und körperliche Gesundheit und ihr Wohlbefinden, sondern auch eine verpasste Chance für die Gemeinschaft.

Es gibt eine wachsende, aber noch junge Tendenz, „Mehrgenerationenwohnungen“ zu bilden, manchmal in Form von Wohnungsgenossenschaften, die Alltagsbegleitung für ältere Bewohner, den Transfer von Fähigkeiten und Wissen für jüngere Bewohner und wertvolle soziale Interaktionen für alle bieten können.

13.Wie kann die EU die Bemühungen der Mitgliedstaaten unterstützen, eine angemessene und erschwingliche Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege mit haushaltspolitischer und finanzieller Tragfähigkeit in Einklang zu bringen?

14.Wie könnte die EU die Mitgliedstaaten bei der Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen im Bereich der Langzeitpflege unterstützen? Welche Ziele und Maßnahmen sollten durch einen politischen Rahmen der EU verfolgt werden, der sich mit Herausforderungen wie Barrierefreiheit, Qualität, Erschwinglichkeit oder Arbeitsbedingungen befasst? Welche Überlegungen sind für Gebiete mit geringer Bevölkerungsdichte anzustellen?

15.Wie können ältere Menschen die Vorteile der Digitalisierung der Mobilitäts- und Gesundheitsdienste nutzen? Wie können die Zugänglichkeit, Verfügbarkeit, Erschwinglichkeit und Sicherheit öffentlicher Verkehrsmittel für ältere Menschen, insbesondere in ländlichen und abgelegenen Gebieten, verbessert werden?

16.Sind wir uns bei unserer Politikgestaltung der Ursachen und Auswirkungen der Einsamkeit hinreichend bewusst? Welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um Einsamkeit und soziale Isolation älterer Menschen zu verhindern? Welche Unterstützung kann die EU leisten?

17.Welche Rolle kann das Mehrgenerationenleben und -wohnen bei der städtischen und ländlichen Raumplanung spielen, wenn es darum geht, die Herausforderungen einer alternden Bevölkerung zu bewältigen? Wie könnte dieses Konzept besser genutzt werden?

6.Ausblick

Das Altern und die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen sind in unserem gesamten Leben präsent, aber unsere Perspektiven ändern sich. Viele junge Menschen haben heute Schwierigkeiten, in den Arbeitsmarkt einzutreten, und die derzeitige COVID-19-Krise hat die Lage verschlechtert. Langfristig ist für junge Menschen die Aussicht auf eine höhere Lebenserwartung als die ihrer Großeltern heutzutage ein wichtiger Faktor für die von ihnen getroffenen Entscheidungen, unter anderem in Bezug auf Bildung, Erwerbsleben und Unterbrechungen der beruflichen Laufbahn. Dies wiederum wirkt sich auf ihre Gesundheit und ihre Stellung in der Wirtschaft und Gesellschaft aus. Gleichzeitig bringt die ältere Generation von heute die Beiträge, Bedürfnisse und Erwartungen ihres gesamten Lebens mit sich. Alle zusammen sind sie Teil einer Gesellschaft und Wirtschaft, die Wohlstand, Erfolg und Wohlbefinden aller ihrer Mitglieder gewährleisten muss. Die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und Chancen des Alterns ist daher eine individuelle und kollektive Verantwortung.

Wie in diesem Grünbuch erörtert wird, gibt es viele Möglichkeiten, die negativen Auswirkungen des Alterns auf unsere Gesellschaft zu verhindern oder zu begrenzen. Dazu gehören die Förderung eines gesunden und aktiven Alterns, die Steigerung der Widerstandsfähigkeit unserer Gesundheits- und Pflegesysteme, die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Arbeitsmarktes, die Modernisierung des Sozialschutzes sowie die Förderung der legalen Migration und Integration als Teil eines politischen Instrumentariums, mit dem generell eine höhere Produktivität und Effizienz angestrebt wird.

Die EU kann sich diesen Herausforderungen stellen, indem sie sich den Willen und das Engagement junger und älterer Menschen zunutze macht, Solidarität und Verantwortung zwischen den Generationen mit unterstützenden politischen Maßnahmen fördert und gleichzeitig den Weg bei der Entwicklung einer unterstützenden, dynamischen Gesellschaft weist.

Die Aufbau- und Resilienzfazilität, das wichtigste Aufbauinstrument und Kernstück von NextGenerationEU, soll die Mitgliedstaaten bei diesen Maßnahmen unterstützen und sie in die Lage versetzen, ihr wirtschaftliches Wachstumspotenzial zu steigern, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und ihre wirtschaftliche und soziale Resilienz bei der Überwindung der derzeitigen Krise zu erhöhen. Zugleich ist NextGenerationEU ein Instrument der generationenübergreifenden Unterstützung und Fairness, das durch eine Kombination ambitionierter Reformen und Investitionen der Mitgliedstaaten eine mittel- und langfristige nachhaltige wirtschaftliche Erholung erleichtert, von der die kommenden Generationen profitieren dürften.

Altern ist allerdings nicht nur eine Frage des nachhaltigen Wachstums und des Sozialstaates. Vielmehr geht es auch um unsere Gesellschaften als Ganzes und darum, wie wir über Generationen hinweg interagieren. Parallel zu unserer politischen Antwort auf die sozioökonomischen Auswirkungen des Alterns müssen wir darüber sprechen, wie wir die Teilhabe aller an unseren Gesellschaften gewährleisten können. Dies erfordert eine aktive Beteiligung sowohl junger als auch alter Menschen an der Diskussion.

Letztendlich ist die Debatte über politische Maßnahmen, mit denen wir die Herausforderungen und Chancen des Alterns angehen können, eine Debatte über sofortige ebenso wie langfristige Lösungen. Sie erfordert zukunftsorientierte Überlegungen zu den Auswirkungen und Alternativen dieses demografischen Wandels innerhalb der EU sowie zu seinen Folgen für die Rolle Europas in der Welt. Derartige vorausschauende Erwägungen könnten in die Debatte einfließen und langfristige nachhaltige politische Entscheidungen zum Nutzen aller Altersgruppen unterstützen.

So können Sie an der Konsultation teilnehmen

Mit diesem Grünbuch wird eine öffentliche Konsultation über einen Zeitraum von 12 Wochen eröffnet. Die Kommission wird bei ihren künftigen Arbeiten alle Beiträge berücksichtigen und Rückmeldungen zu den Ergebnissen geben. Wir bitten Sie, Ihren Beitrag unter Verwendung des elektronischen Formulars einzureichen, das Sie unter folgender Adresse finden:    
https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12722-Green-Paper-on-Ageing  

Die Verwendung des elektronischen Antwortformulars erleichtert die Bearbeitung Ihrer Stellungnahmen. Sie können jedoch auch einen schriftlichen Beitrag an folgende Adresse senden:

Grünbuch zum Altern

SG.E.3.

BERL 06/270

Europäische Kommission

1049 Brüssel

Belgien

(1)

Europa bezieht sich hier auf den gesamten Kontinent. Quelle: 2019 Revision of UN World Population Prospects . In der Online-Datentabelle demo_pjanind von Eurostat werden für das Jahr 2019 für die EU-27 43,7 Jahre als Medianalter angegeben.

(2)

      https://ec.europa.eu/commission/priorities/deeper-and-fairer-economic-and-monetary-union/european-pillar-social-rights/european-pillar-social-rights-20-principles_de

(3)

  Bericht über die Auswirkungen des demografischen Wandels in Europa (COM(2020) 241 final vom 17.6.2020).

(4)

Beispielsweise Schlussfolgerungen des Rates zum Thema „Demografische Herausforderungen – der künftige Ansatz“ (8668/20 vom 8.6.2020); Schlussfolgerungen des Rates zum Thema „Menschenrechte, Teilhabe und Wohlergehen älterer Menschen im Zeitalter der Digitalisierung“ (11717/2/20 vom 9.10.2020); Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Demografische Herausforderungen in der EU unter dem Blickwinkel des Wirtschafts- und Entwicklungsgefälles“ vom 5. Mai 2020 und Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema „Demografischer Wandel: Vorschläge zur Messung und Bewältigung der negativen Auswirkungen in den Regionen der EU“ vom 14. Oktober 2020. Darüber hinaus arbeitet das Europäische Parlament derzeit an einem Bericht zum Thema „Das Altern des Alten Kontinents – Chancen und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Politik betreffend das Altern in der Zeit nach 2020“.

(5)

 Quelle: Eurostat, Online-Datentabelle: HLTH_CD_APR und Statistiken zur vermeidbaren und veränderbaren Mortalität .

(6)

COM(2020) 274 final vom 1.7.2020.

(7)

COM(2020) 625 final vom 30.9.2020.

(8)

COM(2020) 624 final vom 30.9.2020.

(9)

Quelle: Eurostat, Online-Tabellen demo_pjan und proj_19np.

(10)

 JRC, Demografische Szenarios für die EU: Migration, Bevölkerung und Bildung , 2019.

(11)

Quelle: Eurostat, Online-Tabelle lfsi_emp_a.

(12)

COM(2020) 152 final vom 5.3.2020.

(13)

     Arbeitskräfteerhebung, Betreuung erwerbsunfähiger Angehöriger .

(14)

COM(2020) 758 final vom 24.11.2020.

(15)

COM(2020) 609 final vom 23.9.2020.

(16)

Quelle: Eurostat, Online-Tabelle lfsi_emp_a.

(17)

     Quelle: lfsa_upgan.

(18)

      https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/silver-economy-study-how-stimulate-economy-hundreds-millions-euros-year . 

(19)

     Quelle: Eurostat-Veröffentlichung Ageing Europe – Ausgabe 2020 . 

(20)

Weitere Informationen siehe Eurostat, Online-Tabelle ilc_scp19.

(21)

     Quelle: Eurostat, Online-Tabelle ilc_pnp13.

(22)

Quelle: Eurostat, Online-Tabelle ilc_peps05.

(23)

Die EU setzt sich für das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein, um die Rechte und die Würde von Menschen mit Behinderungen zu schützen.

(24)

COM(2020) 696 final vom 13.11.2020.

(25)

Alle drei Jahre veröffentlichen der Rat und die Kommission gemeinsam den Bericht über die demografische Alterung und den Bericht zur Angemessenheit der Renten- und Pensionshöhe (die nächsten Ausgaben werden 2021 veröffentlicht).

(26)

Der Altenquotient beschreibt das Verhältnis der Anzahl der Personen ab 65 Jahren pro 100 Personen im erwerbsfähigen Alter (20-64 Jahre).

(27)

Quelle: Eurostat, Online-Tabelle proj_19np, und Berechnungen der Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung der Kommission; weitere Informationen hier .

(28)

PEPP ist ein freiwilliges privates Altersvorsorgeprogramm, das 2022 eingeführt werden soll und den Verbrauchern ein neues europaweites Produkt zur Altersvorsorge bieten wird. Siehe Verordnung (EU) 2019/1238 vom 20. Juni 2019.

(29)

Anmerkung: Die Abhängigkeitsquoten werden als Fünfjahresdurchschnitt der selbst wahrgenommenen, seit langem bestehenden gravierenden Einschränkungen bei den üblichen Tätigkeiten aufgrund von Gesundheitsproblemen berechnet.

(30)

     In den Grundsätzen 16 und 18 der europäischen Säule sozialer Rechte sind „das Recht auf rechtzeitige, hochwertige und bezahlbare Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung“ und „das Recht auf bezahlbare und hochwertige Langzeitpflegedienste, insbesondere häusliche Pflege und wohnortnahe Dienstleistungen“ festgelegt.

(31)

     JRC, Health care and long-term care workforce: Demographic challenges and potential contribution of migration and digital technology (Beschäftigte in der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege: Demografische Herausforderungen und potenzieller Beitrag von Migration und digitaler Technologie) https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC121698

(32)

Prognosen aus dem Bericht über die demografische Alterung 2018.

(33)

COM(2020) 14 final vom 14.1.2020.

(34)

     Transformation the future of ageing, SAPEA (2019) https://www.sapea.info/wp-content/uploads/tfa-report.pdf .

(35)

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom 29. April 2004.

(36)

Richtlinie (EU) 2019/1158 vom 20. Juni 2019 und COM(2020) 682 final vom 28.10.2020.

(37)

Gemeinsamer Bericht der Europäischen Kommission und des Ausschusses für Sozialschutz; soll im Jahr 2021 veröffentlicht werden.

(38)

  https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/surveillance-COVID-19-long-term-care-facilities-EU-EEA . 

(39)

     Quelle: Eurostat, Online-Datencode: hlth_silc_21. Siehe auch die Standorte von Gesundheitseinrichtungen in der EU .

(40)

     JRC, Demographic landscape of EU territories — challenges and opportunities in diversely ageing regions (Demografisches Landschaftsbild der Gebiete der EU – Herausforderungen und Chancen in unterschiedlich alternden Regionen) https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC123046

(41)

JRC, Policy brief: Loneliness – an unequally shared burden in Europe (Einsamkeit – eine ungleiche Verteilung der Lasten in Europa), 2019

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