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Document 52020DC0732

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS über die Bewertung der Umsetzung der Richtlinie 2013/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG

COM/2020/732 final

Brüssel, den 16.11.2020

COM(2020) 732 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

über die Bewertung der Umsetzung der Richtlinie 2013/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG



{SWD(2020) 269 final}


Zusammenfassung

1Einleitung

2Hintergrund der Maßnahme

3Methode

4Analyse

4.1Die Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten

4.2Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Freigabe neuer Gebiete für die Lizenzerteilung

4.3Benennung der zuständigen Behörde

4.4Unabhängige Überprüfung von Sicherheitsmaßnahmen außerhalb der EU

4.5Vorkehrungen für die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Verhütung schwerer Unfälle, in Bezug auf den Schutz von Informanten und dreigliedrige Beratungsmechanismen

4.6Transparenz bei der Meldung von Vorfällen – die Durchführungsverordnung über die Meldung von Unfällen

4.7Vorkehrungen in Bezug auf Notfallvorsorge und Notfallmaßnahmen

4.8Verfügbarkeit abschreckender Sanktionen für Pflichtverletzungen

4.9Haftung, Schadenersatzforderungen und Deckungsvorsorge von Offshore-Erdöl- und Erdgaserzeugern

4.9.1Haftung

4.9.2Bearbeitung von Schadenersatzforderungen

4.9.3Umsetzung durch die Mitgliedstaaten und Wirksamkeit ihrer Vorschriften

4.10Stilllegung von Anlagen

4.10.1Die Richtlinie und Stilllegungen

4.10.2Übereinkommen von Oslo und Paris zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR)

4.10.3Schlussfolgerungen und Optionen für das weitere Vorgehen

4.11Gegenseitige Anerkennung von beweglichen Bohreinheiten (Mobile Offshore Drilling Units, MODU)

5Fazit und Folgemaßnahmen



Zusammenfassung

Die Offshore-Sicherheitsrichtlinie befasst sich mit der Unfallgefahr bei Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten sowie mit den anschließenden Notfall- und Wiederherstellungsmechanismen, falls die Präventivmaßnahmen versagen sollten. Die Richtlinie betrifft in erster Linie – jedoch nicht nur – die 16 Mitgliedstaaten, in denen lizenzierte Erdöl- und Erdgasaktivitäten stattfinden.

Die vorliegende Bewertung der Umsetzung der Richtlinie basiert auf intensiven Gesprächen mit Interessenträgern, Workshops, einer umfassenden öffentlichen Konsultation sowie auf den eigenen Erkenntnissen und Sachkenntnissen der Kommission. In der Bewertung werden die Bestimmungen der Richtlinie und die von Interessenträgern in der Vorbereitungsphase aufgeworfenen Fragen behandelt. Die Analyse zeigt, dass sich die Richtlinie auf vorhandene internationale bewährte Verfahren für die Beherrschung von Risiken stützt und die Reaktion auf mögliche Notfälle in diesem Sektor verbessert hat.

Für die Mitgliedstaaten endete die Frist für die Umsetzung der Richtlinie im Juli 2015, wobei für die Industrie Übergangsregelungen bis Juli 2018 galten. Aus den Mitteilungen der Mitgliedstaaten über ihre nationalen Regelungen und Rechtsvorschriften geht hervor, dass die meisten Maßnahmen der Richtlinie in Kraft sind. Von überaus grundlegender Bedeutung ist die Übernahme von Risikomanagementaufgaben durch die Industrie, wobei für jede Offshore-Anlage ein ausführlicher Risikobericht erstellt wird. Jeder Mitgliedstaat hat eine sachverständige zuständige Behörde mit weitreichenden Aufsichtsbefugnissen benannt.

Die Kommission hat bereits drei Jahresberichte über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten in der EU veröffentlicht. Diese und andere Daten ermöglichen die Erstellung eines Referenzszenarios für die Risikobilanz, auch wenn es jetzt noch zu früh ist, Trends hinsichtlich der Sicherheitsbilanz im Offshore-Sektor zu erkennen. Es gibt klare Anzeichen dafür, dass die Ziele der Richtlinie durch die Umsetzung ihrer Bestimmungen in den Mitgliedstaaten erreicht werden. Die Industrie und die Mitgliedstaaten befolgen die Anforderungen genau, wenn auch mit einigen Unterschieden in der Auslegung. Die meisten der offenen Fragen können im Rahmen bestehender Kommunikationsverfahren behandelt werden, z. B. durch die EU-Gruppe der für Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten zuständigen Behörden (EUOAG). Einige andere Fragen sollten noch genauer geprüft werden, wobei die Themen finanzielle Haftung und Entschädigungsmechanismen besondere Aufmerksamkeit verdienen.

Die Mitgliedstaaten und die Industrie haben die Einführung der Richtlinie mit ihrem derzeitigen Anwendungsbereich weitgehend begrüßt, während Nichtregierungsorganisationen (NRO) im Umweltbereich sie differenzierter betrachten und eine weitere Verschärfung einiger Maßnahmen fordern. Alle Interessenträger weisen darauf hin, dass aufgrund der durch die Richtlinie herbeigeführten umfassenden und einschneidenden Veränderungen erst zu einem späteren Zeitpunkt und nach weiteren Überwachungsmaßnahmen legislative Änderungen in Betracht gezogen werden sollten.

Alles in allem betrachtet wurden als mögliche Bereiche für weitere Maßnahmen die Themen Haftung und Entschädigung, die gegenseitige Anerkennung beweglicher Bohreinheiten in den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen der Mitgliedstaaten und die Entfernung ortsfester Förderplattformen ermittelt.

1Einleitung

In der Offshore-Sicherheitsrichtlinie sind Mindestanforderungen für Sicherheit, Umweltschutz und Notfallmaßnahmen in der gesamten EU festgelegt. Sie ist am 19. Juli 2013 in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten mussten die Richtlinie bis zum 19. Juli 2015 in nationale Vorschriften und Regelungen umsetzen, während für die Industrie Übergangsfristen bis zum 19. Juli 2018 galten.

 

Alle Mitgliedstaaten haben erklärt, dass sie die Offshore-Sicherheitsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Die Kommission hat eine Überprüfung der nationalen Gesetzgebungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten durchgeführt, um die Vollständigkeit der Umsetzung der Richtlinie zu bewerten.

2Hintergrund der Maßnahme

Nach Artikel 40 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie muss die Kommission unter gebührender Berücksichtigung der Bemühungen und Erfahrungen der zuständigen Behörden die Erfahrungen mit der Umsetzung dieser Richtlinie bewerten. Die Kommission muss beurteilen, ob mit der Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten die Ziele, einen sicheren Betrieb zu gewährleisten sowie schwere Unfälle bzw. eine unangemessene Zahl von Vorfällen zu vermeiden, erreicht wurden. Anschließend muss die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht mit den Ergebnissen der Bewertung vorlegen.

Ausgehend von den Zielen der Richtlinie, insbesondere die Festlegung eines angemessenen Sicherheitsniveaus für Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten und Umweltschutz, wurde von der Kommission geprüft, ob:

 

-    die Hauptziele der Richtlinie erreicht worden sind und ob eine Änderung der Richtlinie oder andere Gesetzesinitiativen angebracht sind, wenn dies nicht der Fall ist,

-    es Lücken in der Gesetzgebung gibt, die geschlossen werden müssen, um das Sicherheitsniveau bei Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten zu verbessern,

-    bestimmte Vorschriften der Richtlinie eine unangemessene Belastung für die Mitgliedstaaten oder die Industrie darstellen und ob ihre Aufhebung in Betracht gezogen werden sollte,

-    mit der Richtlinie die Regulierungsstruktur und das Sicherheitsniveau der Offshore-Tätigkeiten in der EU im Verhältnis zum Aktivitätsniveau der Mitgliedstaaten ausreichend harmonisiert wurde,

-    die Richtlinie wirksam, effizient, kohärent und relevant ist und der EU einen ausreichenden Mehrwert bietet.

3Methode

Die Kommission hat ihre Analyse auf der Grundlage eines breiten Spektrums von Informationskanälen durchgeführt. Zur Erfassung einer Vielzahl von richtlinienbezogenen Erfahrungen wurden sowohl Sachverständige als auch die breite Öffentlichkeit ersucht, zur Wissensbasis beizutragen. Auf der Sachverständigenseite bediente sich die Kommission der EUOAG, die durch einen Kommissionsbeschluss 1 eingerichtet wurde. Die in der EUOAG vertretenen Behörden der Mitgliedstaaten sind für die Regulierungsaufsicht über die Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten und für damit verbundene Grundsatzfragen zuständig.

Zur Vervollständigung der Wissensbasis wurde von der Kommission eine breit angelegte öffentliche Konsultation auf der Grundlage eines umfassenden Fragebogens durchgeführt, die sich sowohl auf die Richtlinie als auch auf die Durchführungsverordnung 2 über die Meldung von Unfällen bezog. Alle interessierten Parteien, einschließlich Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, wurden um Stellungnahmen und Erläuterungen ersucht. Sowohl Mitgliedstaaten als auch Industrieverbände haben der Kommission ausführliche Daten zur Verfügung gestellt, und auch NRO haben sich aktiv an den Gesprächen beteiligt.

Die Kommission hat die Erfahrungen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie, die Erfahrungen der zuständigen Behörden bei der Durchsetzung der Bestimmungen der Richtlinie sowie die Erfahrungen von Eigentümern und Betreibern von Offshore-Anlagen, die innerhalb der einzelstaatlichen Rechtsrahmen tätig sind, zur Kenntnis genommen.

Im vorliegenden Bericht werden die wichtigsten Schlussfolgerungen der Kommission zusammengefasst und mögliche Bereiche für Folgemaßnahmen herausgestellt. Die begleitende Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (SWD) führt den Leser systematisch durch die Bewertung der Artikel der Richtlinie. Bei einigen Bereichen, die im Folgenden erwähnt werden, ist gegebenenfalls eine weitere Analyse zur Erarbeitung möglicher künftiger Änderungen oder neuer Rechtsvorschriften erforderlich.

4Analyse 

4.1Die Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten

Die von der Kommission durchgeführte Bewertung hat gezeigt, dass die Qualität und der Grad der Vollständigkeit der Umsetzung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie in der Europäischen Union insgesamt zufriedenstellend sind. Die Integrität und Qualität der Umsetzung unterscheiden sich zwischen den Mitgliedstaaten jedoch erheblich. Die Mitgliedstaaten haben bei der Umsetzung der Richtlinie unterschiedliche Ansätze verfolgt. Im vorliegenden Bericht liegt der Schwerpunkt auf den Artikeln der Richtlinie, die den größten Einfluss auf die Offshore-Sicherheit haben. Die diesem Bericht beigefügte Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (SWD) enthält zusätzliche Informationen über die Bewertung der Umsetzung der einzelnen Artikel der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten.

4.2Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Freigabe neuer Gebiete für die Lizenzerteilung

Die Kommission schlägt die Veröffentlichung von Leitlinien durch die Mitgliedstaaten vor, um die Beteiligung der Öffentlichkeit an Konsultationen zu erleichtern und zu fördern. Die von den Mitgliedstaaten getroffenen Vorkehrungen sollten sicherstellen, dass die konsultierten Personen darauf vertrauen können, dass ihre Ansichten im Entscheidungsfindungsprozess entsprechend berücksichtigt werden. Die Kommission stellt fest, dass die Bestimmungen der Richtlinie zur Förderung der Öffentlichkeitsbeteiligung geeignet und ausreichend sind.

4.3Benennung der zuständigen Behörde

Die Maßnahmen in der Richtlinie bezüglich der Benennung einer zuständigen Behörde scheinen für den beabsichtigten Zweck angemessen zu sein. Es besteht jedoch ein Mangel an Klarheit darüber, ob in allen Ländern eine ausreichende und angemessene Unabhängigkeit dieser Behörden von den wirtschaftlichen Interessen anderer Abteilungen der Verwaltungen der Mitgliedstaaten erreicht wurde. Angesichts der Bedeutung von Sicherheit und Umweltschutz bei der Bewirtschaftung des Meeresraums ist die Unabhängigkeit des Urteils der zuständigen Offshore-Behörden eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse.

4.4    Unabhängige Überprüfung von Sicherheitsmaßnahmen außerhalb der EU

In Bezug auf die von den Mitgliedstaaten umgesetzten Bestimmungen der Richtlinie über die unabhängige Überprüfung von Anlagen und Bohrlöchern scheinen keine Änderungen erforderlich zu sein. Zur Optimierung bewährter Verfahren wäre es sinnvoll, alle verfügbaren Leitlinien der Industrie und der Regulierungsbehörden zusammenzutragen und diese über die EUOAG zu verbreiten.

Die Kommission stellt fest, dass die Anforderungen der Bestimmungen über Sicherheitsmaßnahmen außerhalb der EU angemessen sind. Zur Gewährleistung der einheitlichen Anwendung der Sicherheitsvorschriften durch in der EU ansässige Betreiber im Rahmen ihrer Auslandsaktivitäten ist jedoch nach wie vor die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten erforderlich. Die Mitgliedstaaten sollten gegebenenfalls in Erwägung ziehen, die Mechanismen zu prüfen, die sie zur Überprüfung der Wirksamkeit des Sicherheitsmanagements der Betreiber im Rahmen ihrer globalen Aktivitäten einsetzen.

4.5Vorkehrungen für die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Verhütung schwerer Unfälle, in Bezug auf den Schutz von Informanten und dreigliedrige Beratungsmechanismen

Die Mechanismen für vertrauliche Meldungen funktionieren insofern angemessen, als sie es Arbeitnehmern erleichtern, sich direkt an die zuständige Behörde in ihrem Gebiet zu wenden. Es werden keine Änderungen an den Vorkehrungen vorgeschlagen, trotzdem sollten die zuständigen Behörden und die EUOAG weiterhin für Empfehlungen von Gewerkschaften und anderen Arbeitnehmervertretern über das Funktionieren der Vorkehrungen in der gesamten EU offen sein.

Die Kommission stellt ferner fest, dass die Maßnahmen im Zusammenhang mit der dreigliedrigen Beratung erhebliche Befürwortung finden und dass sich eine dreigliedrige Kultur entwickelt. Die Kommission hält diesbezüglich keine Änderungen für notwendig.

4.6Transparenz bei der Meldung von Vorfällen – die Durchführungsverordnung über die Meldung von Unfällen

Die Kommission hat auf der Grundlage der Richtlinie einen delegierten Rechtsakt – die Durchführungsverordnung über die Meldung von Unfällen – erlassen. Diese betraf sowohl die Berichterstattung der Betreiber und Eigentümer an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten als auch die Berichterstattung der zuständigen Behörden an die Kommission und die Öffentlichkeit. Dieses System verpflichtet alle Akteure, Pflichteninhaber, Mitgliedstaaten und die Kommission dazu, alle entsprechenden Vorfälle in EU-Gewässern (einschließlich Beinahe-Unfällen) genau zu erfassen. 

Nach der Veröffentlichung der Berichte für die Jahre 2016, 2017 und 2018 ist die Kommission der Ansicht, dass dieses EU-weite Meldesystem für Vorfälle aus globaler Sicht einen bedeutenden Fortschritt für die Transparenz des Sektors darstellt. Wie in den Vorjahren wurden auch im Jahr 2018 keine Todesfälle gemeldet, es gab jedoch 10 Verletzte und 17 Schwerverletzte. Laut den Berichten der zuständigen Behörden ist die Zahl der Unfälle im Vereinigten Königreich deutlich gestiegen – eine Entwicklung, die sowohl eine eingehende Analyse der Ursachen als auch Folgemaßnahmen durch die zuständige Behörde erforderlich macht. Die Kommission wird sich um Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich bemühen, um die Sicherheitsbilanz wieder auf das Niveau der letzten Jahre zurückzuführen.

Alle Akteure müssen weiterhin die Wirksamkeit des Systems sicherstellen, d. h. für eine vollständige, zeitnahe und genaue Berichterstattung sorgen. Die verwendete Taxonomie scheint gegenwärtig angemessen zu sein. Die EUOAG muss das System überwachen, als Ansprechpartner für die Zivilgesellschaft zur Verfügung stehen und dafür sorgen, dass das System im Laufe der Zeit an neue technologische Entwicklungen angepasst wird. Haben Interessenträger Gründe für solche Anpassungen, sollten die EUOAG und die Kommission darüber informiert werden.

4.7Vorkehrungen in Bezug auf Notfallvorsorge und Notfallmaßnahmen

Die Anforderungen an die internen Notfalleinsatzpläne von Betreibern und Eigentümern scheinen wie beabsichtigt zu funktionieren. Die Kommission schlägt keine Änderungen an den derzeitigen Vorkehrungen vor. Es wird erwartet, dass die Regulierungsbehörden und Sozialpartner neben der Erprobung der von ihnen bereits getroffenen Vorkehrungen auch umfassendere Übungen, einschließlich grenzüberschreitender Aspekte, empfehlen werden. Die zuständigen Regulierungsbehörden in den Mitgliedstaaten müssen die Wirksamkeit der anlagenbezogenen Notfalleinsatzpläne genau überwachen.

Die Kommission hat damit begonnen, die Übereinstimmung der nationalen Notfalleinsatzpläne der Mitgliedstaaten mit der Richtlinie zu bewerten und die Mitgliedstaaten bei der Aktualisierung und Verbesserung ihrer externen Notfalleinsatzpläne zu unterstützen. Es ist geplant, grenzüberschreitende Übungen zwischen Nachbarländern mit Küsten zu fördern.

Es wäre hilfreich, wenn die Kommission und die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) Bewertungen der Übungen in den Mitgliedstaaten vornehmen würden, um eine repräsentative regionale Grundlage für die Bewertung der Wirksamkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu schaffen.

4.8Verfügbarkeit abschreckender Sanktionen für Pflichtverletzungen

Die Kommission stellt fest, dass die Mitgliedstaaten viele verschiedene Ansätze zur Verfolgung von Rechtsverstößen und Pflichtverletzungen anwenden. Im Hinblick auf die Politik und das Vorgehen im Bereich des Zivil- und Strafrechts werden keine Empfehlungen für eine mögliche Änderung der Richtlinie ausgesprochen.

Die Mitgliedstaaten sollten jedoch politische Maßnahmen zur Anhebung der finanziellen Sanktionen für Pflichtverletzungen erwägen, damit die Sanktionen sowohl dem öffentlichen Interesse als auch den möglichen Folgen eines schweren Unfalls in EU-Gewässern gerecht werden, unabhängig vom Grad der Eskalation des betreffenden Unfalls.

Die lizenzerteilenden Behörden sind gemäß der Richtlinie bereits verpflichtet, die Leistung der Antragsteller in Bezug auf die Verhütung schwerer Unfälle zu berücksichtigen. Auch wenn die Kommission anerkennt, dass es in der letzten Zeit keine katastrophalen Unfälle gegeben hat, werden die zuständigen Behörden entsprechend der Richtlinie aufgefordert, bei allen Lizenzrunden eine unabhängige kompetente Beratung anzubieten.

4.9Haftung, Schadenersatzforderungen und Deckungsvorsorge von Offshore-Erdöl- und ‑Erdgaserzeugern

4.9.1Haftung

Die Kommission ist nach Artikel 39 der Richtlinie verpflichtet, dem Europäischen Parlament und dem Rat Berichte über die Wirksamkeit der Haftungsregelungen, die Bearbeitung von Schadenersatzforderungen nach Unfällen, die Deckungsvorsorge von Lizenzinhabern, die offshore tätig sind, und die Zweckmäßigkeit der Anwendung des Strafrechts vorzulegen. Im Jahr 2015 legte die Kommission diese Berichte zusammen mit einer Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (SWD) vor, einschließlich einer eingehenden Analyse entsprechend den in der Richtlinie festgelegten Anforderungen.

Ende 2016 nahm das Europäische Parlament unter Berücksichtigung der Berichte der Kommission eine Entschließung 3 zu diesen Themen an. Mit der Forderung nach einer zusätzlichen eingehenden Analyse im Vorfeld möglicher neuer Rechtsvorschriften regte das Europäische Parlament die Überprüfung mehrere Bereiche im Zusammenhang mit der Haftung an, die es auf EU-Ebene für uneinheitlich geregelt hielt.

Unter Bezugnahme auf die Berichtsanforderungen von Artikel 40 forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, die Vorschläge und Anregungen in seiner Entschließung bei der Erstellung des Berichts über die Umsetzung der Richtlinie zu berücksichtigen. Die Kommission erklärte sich hierzu bereit und stellt im Folgenden die wichtigsten Aspekte vor.

Die haftungsbezogenen Regelungen und Rechtsvorschriften unterscheiden sich erheblich und spiegeln die unterschiedlichen kulturellen und historischen Entwicklungen in den Mitgliedstaaten wider. Haftungsbestimmungen können nach einem Unfall große Auswirkungen und Kosten nach sich ziehen sowie die Art und Weise beeinflussen, wie Unternehmen in verschiedenen Hoheitsgebieten tätig sind. Im Allgemeinen wurden von den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie keine spezifischen Bestimmungen zu Haftung, Deckungsvorsorge und Schadenersatzforderungen vorgesehen. Es scheint, dass diese Themen in der Regel durch weiter gefasste zivilrechtliche Bestimmungen geregelt werden.

Es muss zwischen verschuldensunabhängigen und verschuldensabhängigen (deliktischen) Haftungsregelungen unterschieden werden. Verschuldensunabhängige Haftung bedeutet, dass die betreffende haftbare Partei zu Schadenersatzzahlungen verpflichtet sein kann, selbst wenn sie alle Vorschriften und Sicherheitsmaßnahmen angewandt hat. Die verschuldensabhängige Haftung hingegen kann nur dann zu einer finanziellen Entschädigung führen, wenn ein Unfall durch grobe Fahrlässigkeit oder vorsätzlich verursacht wurde.

Die Haftungs- und Entschädigungsregelungen der Mitgliedstaaten können unterschiedlich hohe Kosten für die Betreiber und Eigentümer von Offshore-Anlagen nach sich ziehen. Sie hängen von verschiedenen möglichen Grundsätzen ab:

Allgemeiner Rahmen:

-    Es können Offshore-spezifische, sektorspezifische oder allgemeine Vorschriften gelten.

-    Einige Mitgliedstaaten haben keine eindeutigen Rechtsvorschriften zur Haftung erlassen, die in diesem Fall den Urteilen der nationalen Gerichte unterliegt.

Besonderheiten:

-Die Haftung liegt, wie in der Richtlinie vorgesehen, beim Lizenzinhaber. Die meisten Mitgliedstaaten (wenn auch nicht alle) haben diese wesentliche Bestimmung umgesetzt.

-Verschuldensunabhängige Haftung versus verschuldensabhängige Haftung: Einige Mitgliedstaaten haben eine verschuldensabhängige Haftung eingeführt, wobei die Beweislast für das Verschulden entweder beim Beklagten (z. B. dem Eigentümer der Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasanlage) oder beim Kläger (z. B. der Regierung, die die Reinigung von Gewässern und Stränden fordert) liegt.

-In den meisten Mitgliedstaaten muss ein für einen Unfall haftendes Unternehmen neben der Entschädigung für Personen- und Sachschäden auch für Umweltverschmutzung Schadenersatz leisten.

-In einigen Mitgliedstaaten kann auch eine Entschädigung für rein wirtschaftliche Verluste (z. B. für Fischer) Anwendung finden.

-In bestimmten Mitgliedstaaten unterliegen nur Personen- und Sachschäden einer finanziellen Entschädigung.

Alles in allem unterscheiden sich die geltenden Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander, wobei jeder Mitgliedstaat eine Mischung aus spezifischen und einzigartigen Bestimmungen anwendet. Darüber hinaus wurden die Teile der Richtlinie über die Haftung und die Bearbeitung von Schadenersatzforderungen nicht immer vollständig umgesetzt. Aus diesem Grund hat die Kommission zur Vermeidung eines Vertragsverletzungsverfahrens einen Dialog mit den betreffenden Mitgliedstaaten eingeleitet. So kann die Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten prüfen, ob eine einheitliche Regelung, z. B. in Bezug auf das Prinzip der verschuldensunabhängigen Haftung von Betreibern und Eigentümern von Anlagen, die über die Mindestanforderungen der Richtlinie hinausgeht, für die Sicherheit von Offshore-Aktivitäten und die Weiterverfolgung von Unfällen von Nutzen wäre.

4.9.2Bearbeitung von Schadenersatzforderungen

In Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 4 und 5 heißt es: „Die Mitgliedstaaten legen zumindest Verfahren fest, mit denen die rasche und angemessene Bearbeitung von Schadenersatzforderungen – auch in Bezug auf Schadenersatzzahlungen für grenzübergreifende Vorfälle – sichergestellt wird. Die Mitgliedstaaten verlangen vom Lizenzinhaber, eine ausreichende Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, um seinen finanziellen Verpflichtungen aus der Haftung für die Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten nachzukommen.“

Den eingegangenen Mitteilungen zufolge sehen nur sehr wenige Mitgliedstaaten spezifische Vorschriften über eine Entschädigung für Schäden aufgrund von Offshore-Unfällen vor. In diesen Mitgliedstaaten sind die Lizenzinhaber gesetzlich verpflichtet, ein Verfahren einzurichten, mit dem eine rasche und angemessene Bearbeitung von Schadenersatzforderungen sichergestellt wird. Dieses Verfahren unterliegt der Genehmigung durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die entsprechende Informationen veröffentlichen müssen.

Viele Mitgliedstaaten verfügen über horizontale Rechtsvorschriften, die eine rasche Entschädigung für durch Dritte verursachte Schäden gewährleisten. Wird ein Unfall zu einer nationalen Katastrophe erklärt, können schnellere Verfahren zur Anwendung kommen. Einige Mitgliedstaaten sehen keine spezifischen Vorschriften über die Entschädigung für Schäden aufgrund von Industrieunfällen vor, sondern verfügen über allgemeine Entschädigungsvorschriften in ihrem Zivilrecht.

 

Die meisten Mitgliedstaaten gingen nicht speziell auf die Bestimmungen von Artikel 4 ein; sie wenden stattdessen Vorschriften an, die bereits vor der Annahme der Richtlinie in Kraft waren.

4.9.3Umsetzung durch die Mitgliedstaaten und Wirksamkeit ihrer Vorschriften

Die Mitgliedstaaten hatten Schwierigkeiten, Artikel 4, der Bestimmungen zu Sicherheits- und Umwelterwägungen enthält, ausreichend umzusetzen. Allerdings kann durch horizontale nationale Rechtsvorschriften und mit der von Gerichten erlassenen Rechtsprechung sichergestellt werden, dass die Bestimmungen von Artikel 4 tatsächlich angewandt werden.

Die Mitgliedstaaten müssen zumindest Verfahren festlegen, mit denen die rasche und angemessene Bearbeitung von Schadenersatzforderungen – auch in Bezug auf Schadenersatzzahlungen für grenzübergreifende Vorfälle – sichergestellt wird. Da keine schweren Unfälle mit beträchtlichem Schaden vorliegen, kann die Kommission die Wirksamkeit der Umsetzung dieses Teils von Artikel 4 zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vollständig beurteilen.

Gemäß der Richtlinie ist bei der Prüfung der technischen und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragstellers, der sich um eine Lizenz bemüht, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Antragstellers zur Deckung von Haftungsverbindlichkeiten, die aus den betreffenden Offshore-Aktivitäten entstehen können, gebührend zu berücksichtigen. Trotz der Bedeutung dieser Bestimmung haben jedoch 8 der 16 Mitgliedstaaten, in denen eine Exploration oder Förderung stattfindet, Absatz 2 dieses Artikels nicht vollständig oder korrekt umgesetzt.

Nach Maßgabe von Artikel 4 Absatz 3 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die lizenzerteilende Behörde eine Lizenz nur dann erteilt, wenn sie sich durch Beweise vonseiten des Antragstellers vergewissert hat, dass der Antragsteller angemessen Vorsorge dafür getroffen hat oder treffen wird, dass Haftungsverbindlichkeiten gedeckt sind. Sechs Mitgliedstaaten haben diesen Teil der Richtlinie nicht ausreichend umgesetzt.

Seit die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, der Kommission Unfälle zu melden (seit 2016), hat sich kein schwerer Unfall mit schwerwiegenden Verschmutzungen oder Schäden in Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasanlagen ereignet. Infolgedessen liegen weder praktische Erfahrungen noch Beispiele für die finanzielle Leistungsfähigkeit von Betreibern bzw. Eigentümern zur Bearbeitung umfangreicher und zahlreicher Schadenersatzforderungen vor.

Es wird daran erinnert, dass die Mitgliedstaaten die Richtlinie verspätet umgesetzt haben und für die Industrie Übergangsfristen bis Juli 2018 für die Anwendung der einzelstaatlichen Vorschriften galten. Aufgrund der derzeit fehlenden Erfahrungen, was die Wirksamkeit der Richtlinie in der Praxis betrifft, scheinen Vorschläge für Gesetzesinitiativen gemäß Artikel 40 Absatz 2 der Richtlinie verfrüht zu sein.

4.10Stilllegung von Anlagen

4.10.1Die Richtlinie und Stilllegungen

Eine Offshore-Regelung deckt den gesamten Zyklus der Exploration und Förderung von der Auslegung bis hin zur Stilllegung und dauerhaften Betriebsaufgabe ab (Erwägungsgrund 24 der Richtlinie). Dementsprechend gilt die Richtlinie auch für die erstmalige Stilllegung einer Anlage. 4  

Die Abnahme des von einem Lizenzinhaber für die Offshore-Exploration oder ‑Förderung von Erdöl und Erdgas vorzulegenden Berichts über ernste Gefahren (Artikel 12 und 13 der Richtlinie) setzt voraus, dass beim Risikomanagement alle relevanten Phasen im Lebenszyklus der Anlage und alle vorhersehbaren Situationen berücksichtigt wurden, einschließlich der Frage, wie die Stilllegung der Anlage erfolgen soll (Anhang III Nummer 2 Absatz 3 Buchstabe c Ziffer v der Richtlinie). Die zuständige Behörde sollte daher den Stilllegungsplan bewerten, bevor sie eine Genehmigung zur Aufnahme der Erdöl- und Erdgasförderung erteilt.

Wird die Außerbetriebnahme einer ortsfesten Förderanlage beschlossen, sollte ein geänderter Bericht über ernste Gefahren erstellt werden, wenn keine Erstbewertung durchgeführt wurde oder sich die Bedingungen geändert haben. Dieser Bericht über ernste Gefahren sollte mindestens eine Beschreibung der mit der Stilllegung der Anlage verbundenen Risiken ernster Gefahren enthalten (Anhang I Nummer 6 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie).

Daraus folgt, dass die Stilllegung der Genehmigung der zuständigen Behörden unterliegt, die Maßnahmen und Verfahren zur Gewährleistung einer sicheren Stilllegung verlangen können. In der Richtlinie ist hingegen nicht festgelegt, ob, in welchem Umfang oder auf welche Weise der Betreiber bzw. Eigentümer die Plattform entfernen sollte. Die Richtlinie befasst sich nur mit möglichen Sicherheitsaspekten, die für das Ende des Lebenszyklus relevant sind, aber nicht mit Umweltbelangen, nachdem die Stilllegung erfolgt ist.

4.10.2Übereinkommen von Oslo und Paris zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR)

Da es keine spezifischen EU-Rechtsvorschriften über den Abbau von Offshore-Plattformen gibt, dienen die OSPAR-Bestimmungen 5 zur Stilllegung den Vertragsparteien als Vorlage, um über Anträge von Betreibern bzw. Eigentümern auf Stilllegung zu entscheiden. Diese Bestimmungen gelten für alle Mitgliedstaaten, in denen Offshore-Tätigkeiten stattfinden, nämlich Spanien, die Niederlande, Deutschland, Dänemark, das Vereinigte Königreich und Irland. 6 Die OSPAR-Bestimmungen können den Mitgliedstaaten auch als Vorlage für Genehmigungsentscheidungen dienen. Eine OSPAR-Vertragspartei kann jedoch eine Ausnahme von der Pflicht zum Abbau einer Anlage beantragen. Die OSPAR-Bestimmungen gelten nicht für EU-Mitgliedstaaten mit Offshore-Aktivitäten in der Ostsee, im Mittelmeer oder im Schwarzen Meer. 7

4.10.3Schlussfolgerungen und Optionen für das weitere Vorgehen

Nach Maßgabe der Richtlinie müssen die Betreiber von Anlagen der zuständigen Behörde einen geänderten Bericht über ernste Gefahren vorlegen, in dem alle Aspekte der Stilllegung (z. B. Bohrlöcher, Struktur, Gefahrstoffe) behandelt werden. Der Betreiber darf mit dem Vorhaben nicht fortfahren, bis die zuständige Behörde den geänderten Bericht über ernste Gefahren abgenommen hat. Vor der Stilllegung sind noch viele weitere Zustimmungen und Genehmigungen vom betreffenden Mitgliedstaat erforderlich. Sobald die Stilllegung abgeschlossen ist und die Strukturen entfernt sind, findet die Richtlinie keine Anwendung mehr, da keine Aktivitäten mehr stattfinden, die für den Geltungsbereich der Richtlinie von Relevanz sind. Andere Bedingungen in Bezug auf die Verantwortlichkeiten der Betreiber, einschließlich für Meeresbodenuntersuchungen, gemäß den Lizenzbestimmungen und sonstigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gelten jedoch weiterhin.

Die Richtlinie hat keine Antwort auf die Frage, ob eine ortsfeste Struktur teilweise oder ganz entfernt werden sollte, und überträgt bzw. delegiert die Zuständigkeit für die Bewertung und Entscheidung an die Mitgliedstaaten. Dies steht im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie, Unfälle zu verhüten – auch zugunsten der Umwelt. Es kann beispielsweise nachgewiesen werden, dass die Risiken des Versuchs der vollständigen Entfernung einer Struktur nach dem derzeitigen Kenntnisstand und den derzeitigen technischen Möglichkeiten untragbar sind, oder dass die Risiken wesentlich höher sind als bei einer teilweisen Entfernung.

Die Entscheidung über den Entfernungsumfang wird daher auf andere Teile des Rechtsrahmens der Mitgliedstaaten verlagert, während mit der Anwendung der Richtlinie sichergestellt wird, dass die Risiken schwerer Unfälle für die gewählte Methode so gering wie praktisch möglich sind.

 

Im Hinblick auf die dauerhafte Versiegelung von Bohrlöchern scheint eine weitere Analyse erforderlich. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Öffentlichkeit volles Vertrauen darauf haben kann, dass die zuständige Behörde bei der Ausübung ihrer Funktion, Risikobewertungen für die endgültige Aufgabe von Förderanlagen abzunehmen, völlig frei von Einschränkungen ist. Darüber hinaus wäre es zweckdienlich, wenn die Mitgliedstaaten Verpflichtungen aus den einschlägigen Übereinkommen transparenter in ihre Gesetzgebungspolitik aufnehmen würden.

Nach dem derzeitigen Analysestand sieht die Kommission einen potenziellen Mehrwert in der Untersuchung der Frage, ob es sinnvoll wäre, die Richtlinie zu ändern, um zusätzliche Standards für den Grad der Entfernung sowie für die Zeit nach der Stilllegung festzulegen.

4.11Gegenseitige Anerkennung von beweglichen Bohreinheiten (Mobile Offshore Drilling Units, MODU)

Die Industrie und die Regulierungsbehörden sind, was die gegenseitige Anerkennung mobiler Förderanlagen anbelangt, d. h. die Frage, ob und wie ein Mitgliedstaat von einem anderen Mitgliedstaat abgenommene Risikobewertungen für Anlagen gemäß der Richtlinie akzeptieren sollte, weitgehend unterschiedlicher Ansicht. Die Kommission konnte bisher jedoch keine fachliche Begründung liefern, wonach ein Mitgliedstaat darauf bestehen könnte, innerhalb von fünf Jahren nach der Genehmigung einer beweglichen Bohreinheit durch einen anderen Mitgliedstaat eine zweite eingehende Bewertung durchzuführen.

Diese mangelnde gegenseitige Anerkennung scheint im Widerspruch zu den Grundsätzen des Binnenmarktes zu stehen. Die Kommission wird diesen Sachverhalt weiterverfolgen. Es wäre hilfreich, wenn die betreffenden Mitgliedstaaten eine technische und rechtliche Fallstudie vorlegen würden, um die Stichhaltigkeit ihrer Argumente zu belegen. Die Industrie sollte ebenfalls Informationen über Fälle vorlegen, in denen ihrer Ansicht nach unnötige Verwaltungslasten auferlegt wurden.



5Fazit und Folgemaßnahmen

Die Analyse der Kommission hat die Stärken und Schwächen der von den Mitgliedstaaten umgesetzten und in der Praxis angewendeten Richtlinie aufgezeigt. Die Ergebnisse waren weitgehend positiv. Der potenzielle Nutzen in Form von vermiedenen Unfällen übersteigt bei Weitem die Kosten für die Umsetzung und erforderlichen Anpassungen in den Offshore-Anlagen.

Der Bericht über die Erfahrungen mit der Umsetzung der Richtlinie deckt den Zeitraum vom Beginn der Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten bis zum Ende der Übergangsregelungen für die Industrie ab. Aus der Bewertung geht hervor, dass die Offshore-Sicherheit sowohl in der Richtlinie als auch in den Umsetzungsvorschriften der Mitgliedstaaten angemessen berücksichtigt wird. Die Richtlinie hat die Sicherheit von Offshore-Aktivitäten nicht nur in der Europäischen Union, sondern auch in anderen Teilen der Welt durch eine globale Sicherheitspolitik und ‑kultur in EU-Unternehmen deutlich erhöht.

Zudem wurden durch die Richtlinie die Vorschriften in den Mitgliedstaaten harmonisiert und gleiche Rahmenbedingungen in der gesamten EU geschaffen. Den Konsultationen mit den Mitgliedstaaten und Interessenträgern zufolge befasst sich die Richtlinie in klarer und strukturierter Weise mit allen relevanten Sicherheitsaspekten zur Verhütung von Unfällen und den Mitteln zur Begrenzung ihrer Folgen. Die Mitgliedstaaten haben auf der Grundlage der umgesetzten Richtlinie direkte Kommunikationskanäle zu allen sicherheitsrelevanten Themen eröffnet. Die Mitgliedstaaten führen unter anderem über die EUOAG auch regelmäßig gegenseitige Begutachtungen („Peer-Reviews“) durch und tauschen sich über bewährte Verfahren aus. Sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Interessenträger waren zufrieden mit der Wirksamkeit der Richtlinie, die seit dem 19. Juli 2018 uneingeschränkt auf die gesamte Offshore-Industrie Anwendung findet.

Dem europäischen Grünen Deal zufolge sollten alle Maßnahmen und Strategien der EU zusammen darauf hinwirken, dass der EU ein erfolgreicher und gerechter Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft gelingen kann. Alle Initiativen im Rahmen des Grünen Deals sollten möglichst wirksam und mit dem geringsten Aufwand umgesetzt werden, und alle anderen EU-Initiativen müssen mit dem grünen Gebot „Verursache keine Schäden“ vereinbar sein. Die Offshore-Sicherheitsrichtlinie trägt zur Verwirklichung dieser Ziele bei.

Im Rahmen der Bewertung wurde analysiert, wie die Mitgliedstaaten die Richtlinie umgesetzt haben, und es wurden Schlussfolgerungen über die Stärken, Schwächen, Chancen und Herausforderungen dieses Prozesses gezogen. Die Umsetzung war alles in allem betrachtet von ausreichender Qualität; noch ausstehende Angelegenheiten werden von der Kommission mit den Mitgliedstaaten einzeln weiterverfolgt. 8  

Die Richtlinie gewährleistet in ihrer derzeitigen Form möglicherweise nicht immer eine wirksame Unfallverhütung außerhalb der EU. NRO aus dem Umweltbereich vertraten die Ansicht, dass trotz der positiven Erfahrungen bei der Umsetzung ein größerer Schutz der Umwelt und stärkere finanzielle Verantwortungsmechanismen erforderlich seien. Die Regulierungsbehörden und primären Pflichteninhaber sind der Auffassung, dass sich die neuen Regulierungsmaßnahmen und subjektiven industriebezogenen Regelungen erst stabilisieren müssen, bevor weitere legislative Schritte in Betracht gezogen werden können. Weitere Vorfall- und Informationsberichte auf EU-Ebene werden die grundlegenden Leistungsindikatoren konsolidieren und kritische Trends bei den Risiken schwerer Unfälle erkennen lassen. Die Betriebssicherheitskultur der EU erlebt augenscheinlich einen Aufwärtstrend.

Die Kommission beabsichtigt, in drei Bereichen Folgemaßnahmen zu ergreifen:

(I)Haftung, Deckungsvorsorge und Bearbeitung von Schadenersatzforderungen,

(II)Stilllegung von Anlagen, einschließlich Fragen zu ihrer Entfernung oder ihrem Verbleib an Ort und Stelle („in situ“), und anschließende Folgemaßnahmen,

(III)gegenseitige Anerkennung beweglicher Bohreinheiten in der EU.

Was die Weiterverfolgung der Themen Haftung, Deckungsvorsorge und Bearbeitung von Schadenersatzforderungen anbelangt, scheinen zwei Optionen zur Verfügung zu stehen:

a.Analyse weiterer Erfahrungen mit der Richtlinie, um zu beurteilen, ob ein Bedarf an umfassenderen EU-Rechtsvorschriften und einer stärkeren Harmonisierung besteht,

b.Durchführung weiterer Forschungsarbeiten und einer Folgenabschätzung für harmonisierte Industrievorschriften in Bezug auf Haftung, Deckungsvorsorge und – in einem breiteren Kontext – die Bearbeitung von Schadenersatzforderungen 9 .

Die Richtlinie enthält keine Bestimmungen, die über die Anforderung einer sicheren Stilllegung hinausgehen. 10 Sie enthält weder Vorschriften noch Empfehlungen für bestimmte Verfahren oder Anleitungen zu der Frage, wann und wie eine Anlage abzubauen oder wann eine Anlage in Ausnahmefällen an Ort und Stelle zu belassen ist. Darüber hinaus endet die rechtliche Wirksamkeit der Richtlinie mit der Stilllegung, da die Richtlinie keine Bestimmungen über eine anschließende Überwachung enthält.

Die Kommission berücksichtigte in ihrer Analyse Informationen im Zusammenhang mit der Stilllegung der Brent-Plattformen in der Nordsee. Die britische Regierung bereitete sich offenbar darauf vor, die Pläne von Shell zu genehmigen, Stahlmäntel und Betonsockel, die sich unterhalb drei seiner stillgelegten Brent-Erdölfeldanlagen befinden, an Ort und Stelle zu belassen. Die OSPAR-Mitglieder vertraten sehr unterschiedliche Ansichten, was die beste Option zur Behandlung dieses Falls betrifft.

Für die Stilllegung von Anlagen und die Folgemaßnahmen nach der Stilllegung scheinen die folgenden Optionen zur Verfügung zu stehen:

a.Die Zuständigkeit für Entscheidungen über die Stilllegung verbleibt bei den Mitgliedstaaten, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass die Angelegenheit – unter gebührender Berücksichtigung der internationalen Gesetzgebung (z. B. OSPAR) – mit nationalen Strategien nicht angemessen geregelt werden kann.

b.Die Kommission führt weitere Forschungsarbeiten und eine Folgenabschätzung hinsichtlich zusätzlicher Vorschriften zu diesem Thema durch, die entweder in die Richtlinie oder in die geltende Umweltgesetzgebung aufgenommen werden sollen.

Im Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung beweglicher Bohreinheiten zwischen den Mitgliedstaaten schlägt die Kommission folgendes Vorgehen vor:

a.Überprüfung, ob die vorhandenen EU-Rechtsvorschriften angemessen sind, und Sicherstellung ihrer ordnungsgemäßen Umsetzung und Anwendung,

b.Feststellung, ob zusätzliche Rechtsvorschriften die gegenseitige Anerkennung dieser Anlagen erleichtern können, und Bestimmung der Kosten und des Nutzens, z. B. durch eine Folgenabschätzung.

Die Kommission sieht den Stellungnahmen und Anmerkungen des Europäischen Parlaments, des Rates und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu ihrem Bericht erwartungsvoll entgegen.

(1)      Beschluss der Kommission vom 19. Januar 2012 zur Einsetzung der EU-Gruppe der für Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten zuständigen Behörden (ABl. C 18 vom 21.1.2012, S. 8).
(2)      Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1112/2014 der Kommission (ABl. L 302 vom 22.10.2014, S. 1).
(3)      Entschließung des Europäischen Parlaments vom 1. Dezember 2016 zu Haftung, Schadenersatz und Deckungsvorsorge für Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten (2015/2352(INI)) (ABl. C 224 vom 27.6.2018, S. 157).
(4)

     Die in der Richtlinie enthaltene Definition von „Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten“ bekräftigt dieses Verständnis: Der Ausdruck „Offshore-Erdöl- und ‑Erdgasaktivitäten“ bezeichnet alle die Exploration und Förderung betreffenden Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Anlage oder angebundenen Infrastruktur, einschließlich Konzeption, Planung, Bau, Betrieb und Stilllegung, aber ausschließlich der Durchleitung von Erdöl und Erdgas von einer Küste zu einer anderen.

(5)      OSPAR-Beschluss 98/3 über die Beseitigung stillgelegter Offshore-Anlagen.
(6)      Das Übereinkommen wurde von allen Vertragsparteien der ursprünglichen Übereinkommen von Oslo bzw. Paris (Belgien, Dänemark, Deutschland, der Europäischen Union, Finnland, Frankreich, Irland, Island, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien und dem Vereinigten Königreich) sowie von Luxemburg und der Schweiz unterzeichnet und ratifiziert.
(7)      Es sind noch weitere internationale Abkommen und Übereinkommen, die für Offshore-Anlagen relevant sind, in Kraft. Maßgeblich sind die Genfer Konvention über den Festlandsockel von 1958, das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung von 1989, das Helsinki-Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets von 1992 und das Protokoll zum Schutz des Mittelmeers vor Verschmutzung durch die Erforschung und Nutzung des Festlandsockels, des Meeresbodens und des Meeresuntergrunds von 1994.
(8)      So scheint beispielsweise die Höhe der finanziellen Sanktionen der Mitgliedstaaten für Pflichtverletzungen weder dem Erfordernis der Befriedigung des öffentlichen Interesses noch den potenziellen Folgen eines schweren Unfalls in EU-Gewässern angepasst zu sein, und das unabhängig vom Grad der Eskalation des betreffenden Unfalls. Die derzeitigen Sanktionen dürften weder Investoren noch die Öffentlichkeit sonderlich beeindrucken.
(9) Mehrere Mitgliedstaaten haben die Bestimmungen der Richtlinie zur Haftung, Bearbeitung von Schadenersatzforderungen und Deckungsvorsorge des Lizenzinhabers nicht vollständig umgesetzt. Die Kommission beabsichtigt, diesen Sachverhalt in den jeweiligen betroffenen Mitgliedstaaten weiterzuverfolgen.
(10)      Gemäß der Richtlinie ist die Stilllegung von Anlagen ein inhärenter Bestandteil des Lebenszyklus der Anlagen. Die Befugnisse zur Behandlung dieses Aspekts wurden den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten übertragen, die vor der Genehmigung einen Bericht über ernste Gefahren anfordern und bewerten. Diese Berichte sollten Vorkehrungen für das Ende des Lebenszyklus der Anlage enthalten. Ist eine Stilllegung geplant, sollten die zuständigen Behörden einen aktualisierten Bericht über ernste Gefahren bewerten.
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