EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52017DC0751

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens

COM/2017/0751 final

Brüssel, den15.11.2017

COM(2017) 751 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens

{SWD(2017) 701 final}


1.    EINLEITUNG

Das Kooperations- und Kontrollverfahren (Cooperation and Verification Mechanism – CVM) wurde beim Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union im Jahr 2007 1 eingeführt, um Unzulänglichkeiten bei der Justizreform und der Korruptionsbekämpfung zu beseitigen. Seither haben die CVM-Berichte die Fortschritte der rumänischen Behörden nachgezeichnet und ihnen mittels spezifischer Empfehlungen Hilfestellung bei der Schwerpunktsetzung ihrer Reformen geleistet. Wie der Rat 2 betont hat, wird das Kooperations- und Kontrollverfahren beendet, wenn Rumänien alle vier Vorgaben zufriedenstellend erfüllt hat.

In ihrem CVM-Bericht vom Januar 2017 3 zog die Kommission Bilanz und gab einen Überblick über die erzielten Fortschritte, die verbleibenden Herausforderungen und die noch nötigen Schritte zur Verwirklichung der CVM-Ziele. Zu diesem Zweck gab die Kommission zwölf wesentliche Empfehlungen ab. Wenn diese erfüllt sind, wird das Kooperations- und Kontrollverfahren beendet. Bis wann dies geschieht, hängt allerdings davon ab, wie schnell Rumänien in der Lage sein wird, die Empfehlungen in unumkehrbarer Weise zu erfüllen, sowie davon, dass negative Schritte, die die in den vergangenen zehn Jahren erzielten Fortschritte infrage stellen, vermieden werden.

Daher zeigt der vorliegende Bericht in dieser Phase des CVM-Prozesses die Fortschritte auf, die im Nachgang zu den Empfehlungen aus dem Bericht vom Januar 2017 erzielt wurden. Wie in den Vorjahren ist er das Ergebnis einer sorgfältigen Analyse, bei der sich die Kommission auf die enge Zusammenarbeit mit rumänischen Institutionen sowie auf Informationen vonseiten der Zivilgesellschaft und sonstiger Beteiligter, auch anderer Mitgliedstaaten, gestützt hat.

In seiner Rede zur Lage der Union vom September 2017 betonte Kommissionspräsident Juncker die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit der Justiz. 4  Dieses Gebot gilt nicht nur für die CVM-Staaten, sondern für alle Mitgliedstaaten der EU gleichermaßen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, ein Klima der Konfrontation zwischen den Staatsgewalten mit nachteiligen Folgen für die Unabhängigkeit der Justiz zu vermeiden, doch dieses bereits im Januar-Bericht aufgezeigte Problem bestand auch im Berichtszeitraum des vorliegenden Berichts noch.

Ausgehend von ihrer Analyse der seit Beginn des CVM-Prozesses im Jahr 2007 und seit Januar 2017 in Rumänien erzielten Fortschritte ist die Kommission nach wie vor der Auffassung, dass das Land, wenn die staatlichen Institutionen loyal zusammenarbeiten, die Politik entschlossen an den bereits erzielten Fortschritten festhält und die Unabhängigkeit der Justiz gewahrt wird, die verbleibenden CVM-Empfehlungen in naher Zukunft umsetzen kann.

Die Kommission beabsichtigt, die Fortschritte Ende 2018 erneut zu bewerten, und ist bereit, Rumänien bei der Umsetzung der verbleibenden Empfehlungen weiter zu unterstützen, um zur Unumkehrbarkeit der Fortschritte beizutragen und das Verfahren somit zum Abschluss zu bringen.

2.    ALLGEMEINE LAGE

Der im Januar-Bericht vorgenommene Rückblick auf die Entwicklungen in den letzten zehn Jahren zeigte, dass Rumänien bedeutende Fortschritte auf dem Weg zur Erfüllung der CVM-Vorgaben erzielt hat. Das Land hat eine Reihe wichtiger Institutionen eingerichtet und viele wichtige Rechtsvorschriften verabschiedet. Die Reform des Straf- und Zivilrechts stand kurz vor dem Abschluss. Der Bericht bestätigte, dass die rumänische Justiz eine tief greifende Reform durchlaufen und wiederholt ihre Professionalität, Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht unter Beweis gestellt hat. Ferner wurde festgestellt, dass eine Reihe interner Sicherungsmaßnahmen ergriffen wurden, um eine abrupte Umkehr der bisher erzielten Fortschritte zu verhindern. Zur Beseitigung der verbleibenden Unzulänglichkeiten wurden im Bericht vom Januar 2017 zwölf wesentliche Empfehlungen abgegeben. Ihr Schwerpunkt liegt größtenteils auf der notwendigen Verantwortung und Rechenschaftspflicht der rumänischen Behörden sowie auf den internen Sicherungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um die Unumkehrbarkeit der Reformergebnisse zu gewährleisten.

Die rumänische Regierung begrüßte diesen Ansatz und bekräftigte wiederholt ihre Zusage, die Empfehlungen aus dem Kooperations- und Kontrollverfahren umzusetzen. Im Parlament zeigten sich Mehrheit und Opposition bereit, einen konstruktiven Dialog zu führen, und reagierten positiv auf bestimmte Empfehlungen.

Doch trotz der Zusage der Regierung, auf einen möglichst raschen Abschluss des Kooperations- und Kontrollverfahrens hinzuarbeiten, wurden Fortschritte bei der Umsetzung der verbleibenden CVM-Empfehlungen vom Januar 2017 durch die politische Lage beeinträchtigt. In den neun Monaten seit Vorlage des Januar-Berichts waren in Rumänien zwei Regierungen im Amt, während die zunehmenden Spannungen zwischen den Staatsgewalten (Parlament, Exekutive und Justiz) deren Zusammenarbeit mehr und mehr erschwerten.

Außerdem wurden die positiven Fortschritte und die weiterhin guten Ergebnisse der Justiz bei der Korruptionsbekämpfung durch verschiedene Ereignisse infrage gestellt, z. B. durch die Verabschiedung einer Eilverordnung der Vorgängerregierung im Januar 2017 zur Entkriminalisierung von Korruptionsdelikten wie Amtsmissbrauch und durch den Vorschlag für ein Amnestiegesetz. 5 Gegen diese Maßnahmen wurde in ganz Rumänien auf breiter Front Protest erhoben. Obwohl die Eilverordnung von der Regierung und auch vom Parlament aufgehoben wurde, blieben in der Öffentlichkeit nach diesen Ereignissen Bedenken zurück.

Als ab Ende August die vorgeschlagenen Änderungen der Justizgesetze erörtert wurden, entzündete sich eine weitere Kontroverse. Der Oberste Richterrat wies zweimal Entwürfe, zu denen er konsultiert wurde, zurück und machte auf Probleme hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz aufmerksam. 6 Auch der rumänische Präsident und die Zivilgesellschaft äußerten Bedenken. In einer von einer Mehrheit der rumänischen Richter und Staatsanwälte unterzeichneten Petition wurde gefordert, der Stellungnahme des Obersten Richterrates zu folgen. Die drei Rechtsvorschriften aus dem Jahr 2004 regeln den Status von Richtern und Staatsanwälten sowie die Struktur und Arbeitsweise der Gerichte, der Staatsanwaltschaften und des Obersten Richterrats. Sie haben direkte Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz und das Justizwesen im weiteren Sinne, und waren ein wichtiges Element in der positiven Bewertung der Kommission vom vergangenen Januar. Einige der vorgeschlagenen Änderungen betrafen beispielsweise die Rolle der Justizaufsichtsbehörde und die persönliche Verantwortlichkeit von Richtern sowie die Ernennung leitender Staatsanwälte, also Fragen, bei denen es um die Unabhängigkeit der Justiz geht. Änderungen in diesen Bereichen warfen die Frage auf, ob die im Bericht vom Januar 2017 vorgenommene Bewertung der Fortschritte bei der Unabhängigkeit der Justiz überdacht werden muss. Die Justiz und Teile der Zivilgesellschaft reagierten sehr negativ auf die Änderungsvorschläge und maßen vor allem der richterlichen Unabhängigkeit große Bedeutung bei.

Jetzt kommt es auf die Fähigkeit des Justizministeriums, der Regierung und des Parlaments an, ein offenes, transparentes und konstruktives Gesetzgebungsverfahren für die Justizgesetze zu gewährleisten. Allgemein ist festzuhalten, dass ein Verfahren, bei dem die Unabhängigkeit der Justiz und die Stellungnahme der Justizbehörden gebührend berücksichtigt werden 7 und das sich auch auf die Stellungnahme der Venedig-Kommission stützt, ist für die Nachhaltigkeit der Reform unabdingbar und für die Erfüllung der CVM-Vorgaben wichtig.

Die Kritik an der Justiz und den Entscheidungen der Gerichte bleibt ein problematischer Aspekt der öffentlichen Debatte. 8 Sie steht im Widerspruch zu den positiven Erkenntnissen der Kommission hinsichtlich der Rolle der Richter- und Staatsanwaltschaft bei den Reformbemühungen 9 , denen der Rat 10 beigepflichtet hat, und zu der Notwendigkeit, die Unabhängigkeit der Justiz zu wahren. Rechtskräftige Gerichtsurteile müssen akzeptiert und geachtet werden und die Richter müssen ungehindert ihre Pflicht erfüllen können. Dies ist auch für die Erfüllung der Vorgaben des Januar-Berichts von wesentlicher Bedeutung.

3.    BEWERTUNG DER FORTSCHRITTE BEI DER ERFÜLLUNG DER CVM-VORGABEN ANHAND DER EMPFEHLUNGEN AUS DEM CVM-BERICHT VOM JANUAR 2017

3.1.    Vorgabe 1: Unabhängigkeit der Justiz und Justizreform

3.1.1.    Unabhängigkeit der Justiz

Empfehlung 1: Einrichtung eines robusten, unabhängigen und auf klaren und transparenten Kriterien beruhenden Systems für die Ernennung der obersten Staatsanwälte mit Unterstützung der Venedig-Kommission.

Empfehlung 2: Sicherstellung, dass der Verhaltenskodex für Parlamentarier, der derzeit im Parlament erarbeitet wird, klare Bestimmungen über die gegenseitige Achtung zwischen den Institutionen enthält und gewährleistet, dass die Parlamentsmitglieder und der parlamentarische Prozess die richterliche Unabhängigkeit respektieren. Auch für Minister könnte ein vergleichbarer Verhaltenskodex verabschiedet werden.

Ernennungen

Im Januar bekräftigte die Kommission ihre Empfehlung, ein System für die transparente und leistungsbasierte Ernennung der obersten Staatsanwälte einzurichten, das hinreichende Sicherheitsvorkehrungen gegen eine Politisierung umfasst. Das Verfahren zur Ernennung der obersten Staatsanwälte ist auch in der seit August geführten Debatte über die vorgeschlagenen Änderungen der Justizgesetze ein wichtiges Thema. Der Oberste Richterrat hatte sich in seiner ersten negativen Stellungnahme im September zu diesem Verfahren geäußert, das im aktuellen Entwurf weiter geändert wurde.

Die Venedig-Kommission hat anerkannt, dass es verschiedene Modelle für die Ernennung des Generalstaatsanwalts (oder für vergleichbare Positionen) gibt. Sie hat jedoch betont, dass in ausgewogenem Maße darauf zu achten ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen und die Achtung der Justiz und der Rechtsberufe sicherzustellen. 11 Die Debatte im rumänischen Parlament betraf insbesondere die Rolle des Präsidenten und den Umfang des Ermessens des Justizministers bei der Auswahl der Bewerber sowie die Frage, inwieweit dieses Ernennungs- und Entlassungsverfahren auch auf niedrigeren Managementebenen innerhalb der Staatsanwaltschaft angewendet würde.

In der Empfehlung vom Januar wurde erklärt, dass die Unterstützung der Venedig-Kommission in Anspruch genommen werden müsse, um diese seit Langem geführte Debatte abzuschließen. 12 Es ist nach wie vor eine Anforderung der Empfehlung, dass Rumänien den Rat der Venedig-Kommission einholen muss.

Zur Umsetzung dieser Empfehlung müssen ausreichende Vorkehrungen getroffen werden, um sogar wenn die endgültige Entscheidung auf der politischen Ebene verbleiben sollte, Transparenz, Unabhängigkeit und Kontrollen sicherzustellen.

Verhaltenskodizes

Seit dem letzten CVM-Bericht wird in den Medien besonders stark Kritik an der Justiz und den Richtern geübt. Dies bestätigt die Stichhaltigkeit der Empfehlung, Maßnahmen zu treffen, die von Verhaltensweisen abhalten, mit denen die Unabhängigkeit der Justiz und die Autorität von Gerichtsurteilen offen infrage gestellt werden. Der Oberste Richterrat und einzelne Richter und Staatsanwälte haben versucht, Abhilfe zu schaffen, indem sie ihren eigenen Fall vor Gericht gebracht haben. Die Empfehlung der Kommission zielte jedoch auf eine institutionelle Anerkennung des Problems und eine Entscheidung ab, Maßnahmen zur Lösung des Problems treffen. Daher wurde die Empfehlung abgegeben, einen Verhaltenskodex für Parlamentsmitglieder aufzustellen, der Bestimmungen über die Achtung der Unabhängigkeit der Justiz enthalten solle.

Das Parlament verabschiedete am 11. Oktober 2017 einen Verhaltenskodex. Die Aufnahme einer umfassenden Bestimmung über die Achtung der Gewaltenteilung ist ein positiver Schritt. Selbst wenn der Empfehlung der Kommission, konkret auf die Unabhängigkeit der Justiz zu verweisen, nicht nachgekommen wurde, könnte durch die Umsetzung des Verhaltenskodex dieselbe Wirkung auf andere Weise erzielt werden. Der nächste Schritt wird deshalb darin bestehen festzustellen, wie sich der Kodex in der Praxis auswirkt, d. h. wie bestimmt wird, bei welchen Handlungen die im Kodex festgelegten Grenzen überschritten werden, und welche Maßnahmen getroffen werden, wenn das geschieht. So könnte durch begleitende Leitlinien zum Verhaltenskodex sowie durch Beispiele und eine Sensibilisierung für den Umgang mit konkreten Situationen 13 dazu beigetragen werden, dass dieser ein wirksames Instrument für die Verringerung der öffentlichen Kritik an Richtern wird und der Justiz und Gerichtsentscheidungen mehr Achtung entgegengebracht werden. Wenn der Oberste Richterrat Äußerungen eines Parlamentsmitglieds verurteilt, in denen ein Richter oder die Justiz kritisiert wird, wäre beispielsweise zu erwarten, dass das Parlament dem nachgeht und prüft, ob gegen den Kodex verstoßen wurde.

Im Januar-Bericht wurde auch ein Verhaltenskodex für Minister angeregt. Im Juli 2017 verabschiedete die neu gewählte Regierung einen Kodex für Minister mit einer ähnlichen Bestimmung über die Achtung der Gewaltenteilung.

Nun kommt es auch auf die praktische Anwendung des Verhaltenskodex an, d. h. auf die Reaktion auf Äußerungen von Parlaments- und Regierungsmitgliedern, in denen die Justiz kritisiert wird.

3.1.2.    Justizreform

Empfehlung 3: Abschluss der gegenwärtigen Phase der Reform der rumänischen Strafgesetzbücher, wobei das Parlament seine Pläne weiter voranbringen sollte, die von der Regierung im Jahr 2016 nach Rücksprache mit den Justizbehörden vorgelegten Änderungen zu verabschieden. Der Justizminister, der Oberste Richterrat und der Oberste Gerichts- und Kassationshof sollten einen Aktionsplan aufstellen, der gewährleistet, dass die neue Frist für die Umsetzung der restlichen Bestimmungen der Zivilprozessordnung eingehalten wird.

Empfehlung 4: Zur weiteren Verbesserung der Transparenz und Vorhersehbarkeit des Gesetzgebungsverfahrens und zur Stärkung der internen Sicherungsmaßnahmen im Interesse der Unumkehrbarkeit der Reformen sollten Regierung und Parlament bei der Entscheidungsfindung und Gesetzgebung im Zusammenhang mit dem Strafgesetzbuch und der Strafprozessordnung, den Korruptionsbekämpfungsgesetzen, den Integritätsgesetzen (Gesetze über Unvereinbarkeiten, Interessenkonflikte und unrechtmäßig erworbenes Vermögen), den Justizgesetzen (bezüglich der Organisation des Justizsystems) sowie dem Zivilgesetzbuch und der Zivilprozessordnung für uneingeschränkte Transparenz sorgen und den Ergebnissen der Konsultationen mit den einschlägigen Behörden und Interessenträgern in vollem Umfang Rechnung tragen. Sie sollten sich dabei an der 2016 von der Regierung eingeführten Regelung für eine transparente Entscheidungsfindung orientieren.

Neue Gesetzbücher

Im Jahr 2017 gab es eine Reihe von Entwicklungen bezüglich des Strafrechts und der Strafprozessordnung. Während einige dieser Entwicklungen den Zielen dienen, die den Empfehlungen der Kommission zugrunde liegen, behinderten andere Fortschritte bei der Verwirklichung des Ziels, größere Sicherheit und Stabilität bei der Reform der Gesetzbücher zu erreichen. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die viele Debatten über die Strafgesetzbücher in erster Linie Bestimmungen über Korruption auf hoher Ebene betreffen.

Die Empfehlung zum Abschluss der gegenwärtigen Phase der Reform der rumänischen Strafgesetzbücher ist noch nicht umgesetzt. Das Parlament hat bislang keinen der von der Regierung im Jahr 2016 vorgeschlagenen Änderungsentwürfe angenommen, die das Ergebnis breit angelegter Konsultationen mit der Justiz waren. 14 Es hat jedoch andere Änderungen des Strafgesetzbuchs verabschiedet, insbesondere jene zur Entkriminalisierung von Interessenkonflikten. 15

Die schnelle Abfolge der Entscheidungen des Verfassungsgerichts, in denen Bestimmungen der Strafgesetzbücher für verfassungswidrig erklärt wurden, macht die Gewährleistung der Stabilität noch schwieriger. Das Justizministerium hat inzwischen begonnen, Konsultationen mit den Justizbehörden, Angehörigen der Rechtsberufe und der Zivilgesellschaft durchzuführen, und die Regierung hat angekündigt, dass sie diesbezüglich Änderungen verabschieden wolle. Allerdings ist noch keine der vorgeschlagenen Änderungen in Form einer Gesetzesänderung verankert worden und solche Verzögerungen können zu unterschiedlichen Auslegungen führen. Rasche und konsequente Maßnahmen zur Verabschiedung von Rechtsvorschriften, die den Urteilen des Verfassungsgerichts Rechnung tragen, sollten eine wichtige Priorität sein; daraus dürfen jedoch keine qualitativen Einbußen bei der Vorbereitung der Änderungen resultieren. Die Regierung hat erklärt, dass sie auf der Grundlage der Entscheidungen des Verfassungsgerichts ein neues Paket von Änderungen erarbeiten wolle.

Die Empfehlung bezieht sich auch auf den Abschluss der Reform der Zivilprozessordnung. Im Dezember 2016 wurde der Januar 2019 als neue Frist für das Inkrafttreten der übrigen Bestimmungen der Zivilprozessordnung festgelegt. Gespräche zwischen dem Justizminister, dem Obersten Richterrat und dem Obersten Gerichts- und Kassationshof über dieses Thema sind im Gange. Die ersten Schritte zur Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur für die neuen Beratungszimmer wurden unternommen, und der Justizminister stellt derzeit einen Plan für die Annahme durch die Regierung auf. Hinsichtlich der Stabilität des Zivilrechts werfen die Entscheidungen des Verfassungsgerichts auch Probleme auf. Insbesondere ein neueres Urteil des Verfassungsgerichts über die frühere Schwelle zur Begrenzung der Möglichkeit, in zweiter Instanz Rechtsmittel einzulegen, könnte zu einer erheblichen zusätzlichen Arbeitsbelastung für den Obersten Gerichts- und Kassationshof führen. 16 Der Justizminister prüft nun, wie die Auswirkungen des Urteils auf die Arbeitsbelastung des Obersten Gerichtshofs gemildert und mehr Fälle von den unteren Gerichten behandelt werden könnten. Der Oberste Gerichtshof muss bereits eine sehr große Arbeitsbelastung bewältigen. Im Januar-Bericht wurde die Bedeutung seiner Arbeit im Bereich der Aufhebung und Auslegung von Rechtsvorschriften unterstrichen. 17

Transparenz und Berechenbarkeit des Gesetzgebungsverfahrens für die Rechtsvorschriften zur Justizreform und Korruptionsbekämpfung

Seit dem Januar-Bericht gab es eine Reihe von Fällen, die Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Transparenz und Berechenbarkeit des Gesetzgebungsverfahrens gaben. Diese betrafen sowohl Initiativen der Regierung als auch des Parlaments. Das Parlament hat vor der Verabschiedung einiger Maßnahmen und Änderungen wenig oder keine Gelegenheit zur Konsultation und öffentlichen Debatte geboten. 18 Zudem wurden problematische und unkoordinierte Vorschläge eingebracht, die – selbst wenn viele davon im parlamentarischen Verfahren nie weiterkommen werden – allein dadurch, dass sie im Parlament auf dem Tisch bleiben, ein erhebliches Maß an Unsicherheit mit sich bringen. Dazu zählen beispielsweise das Amnestiegesetz oder das Gesetz über die Haftung der Richter und Staatsanwälte.

Auch die Zivilgesellschaft hat ihre Stimme erhoben und auf mögliche Folgen für die Justizreform und die Bekämpfung der Korruption hingewiesen. Die aktuelle Auseinandersetzung über die Justizgesetze wird ein wichtiger Test dafür sein, in welchem Umfang die Justiz und andere Interessenträger Gelegenheit haben werden, ihre berechtigten Interessen zu Gehör zu bringen, und in welchem Maße diese bei den endgültigen Entscheidungen berücksichtigt werden.

Eine Initiative zur Lösung dieser Probleme ging vom Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Senats aus. Er forderte den Justizminister und den Obersten Richterrat auf, einen ständigen interinstitutionellen Dialog über Änderungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung sowie anderer wichtiger Rechtsvorschriften einzurichten. Auf diesem Wege sollte ein berechenbares Verfahren für Änderungen festgelegt werden, das gewährleistet, dass Debatten geführt und öffentliche Konsultationen veranstaltet werden. Das Parlament hat das Konzept aufgegriffen und Anfang Oktober einen parlamentarischen Sonderausschuss zur Systematisierung, Vereinheitlichung und Gewährleistung der Stabilität der Rechtsvorschriften in der Justiz eingerichtet.

Zur Umsetzung der Empfehlung 4 muss dieser Ausschuss seine Fähigkeit unter Beweis stellen, Vertrauen zwischen dem Parlament, der Regierung und der Justiz aufzubauen und eine konstruktive Zusammenarbeit bei wichtigen Rechtsvorschriften zu erleichtern. Dieser Ausschuss hat die Möglichkeit, die Unsicherheit in Bezug auf die Gesetzbücher und die ihnen zugrunde liegende Empfehlung 3 durch eine einvernehmliche Verabschiedung von Änderungen zu beseitigen, mit denen die durch die Reform dieser vier Gesetzbücher erzielten Fortschritte gewahrt werden. Der Ausschuss könnte auch zur Kohärenz der Verfahren beitragen, um Rechtssicherheit nach Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu gewährleisten.

Empfehlung 5: Die Regierung sollte einen angemessenen Aktionsplan vorlegen, um die Frage der Umsetzung von Gerichtsentscheidungen und die Anwendung der Rechtsprechung der Gerichte durch die öffentliche Verwaltung anzugehen. Der Plan sollte u. a. einen Mechanismus für die Erstellung genauer Statistiken vorsehen, um künftig ein besseres Monitoring zu ermöglichen. Die Regierung sollte außerdem ein System des internen Monitorings – unter Beteiligung des Obersten Richterrates und des Rechnungshofs – einrichten, um die wirksame Umsetzung des Aktionsplans zu gewährleisten.

Empfehlung 6: Die Spitzen der Justizverwaltung – der Justizminister, der Oberste Richterrat, der Oberste Gerichts- und Kassationshof und der Generalstaatsanwalt – sollten die Umsetzung des Aktionsplans gewährleisten und gemeinsam öffentlich und regelmäßig darüber berichten. Dabei sollten sie u. a. auf Themen wie den Mangel an Gerichtsbediensteten, die übermäßige Arbeitsbelastung und Verzögerungen bei der Begründung von Gerichtsentscheidungen eingehen.

Achtung von Gerichtsentscheidungen

Diese Empfehlung betrifft die Vollstreckung von Entscheidungen gegen den Staat, wenn eine öffentliche Einrichtung nach einer gerichtlichen Entscheidung einen Geldbetrag zahlen oder eine Maßnahme treffen muss. Der Justizminister hat anerkannt, dass die wirksame Umsetzung aller Gerichtsentscheidungen gegen den Staat von wesentlicher Bedeutung ist.

Ende August aktualisierte Rumänien den Aktionsplan 2016, den es für den Europarat vorbereitet hatte, um die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellten strukturellen Probleme bei der Nichtvollstreckung von Gerichtsentscheidungen gegen den Staat anzugehen. 19

Mit der Umsetzung dieses Aktionsplans würde Empfehlung 5 weitgehend Rechnung getragen. Die Kommission wartet auf die Übermittlung konkreter Lösungen für die festgestellten Probleme mit einem detaillierten Zeitplan, um die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Empfehlung zu bewerten.

Außerdem muss die öffentliche Verwaltung Verfahren entwickeln, die sicherstellen, dass die Behörden die Lösung, zu der Gerichte in ähnlich gelagerten Fällen gelangt sind, kohärent anwenden, wenn eine rechtskräftige Rechtsmittel- oder Auslegungsentscheidung des Obersten Gerichts- und Kassationshofs vorliegt. Ein solches Verfahren würde das Risiko verringern, dass die Gerichte mit repetitiven Fällen befasst werden, und würde das Vertrauen der Bürger und Unternehmen in Verwaltungsbeschlüsse erhöhen.

Strukturreformen in der Justiz

Nach einer Verzögerung zu Beginn des Jahres trat der Rat für strategisches Management in der Justiz im Juni und September 2017 zusammen. Auf der letzten Sitzung wurde beschlossen, die Durchführung des Aktionsplans zur Umsetzung der Strategie für die Entwicklung des Justizwesens (2015-2020) mittels vierteljährlicher Berichte laufend zu kontrollieren. Einzelne Justizbehörden geben an, dass sie den Aktionsplan umsetzen, und das Justizministerium hat erfolgreich EU-Strukturfondsmittel zur Finanzierung des Aktionsplans beantragt. Diese Schritte müssten mit einer klaren Aufsicht einhergehen und der Rat müsste regelmäßig als echte Koordinierungsstelle zur Förderung des Dialogs und der Zusammenarbeit in allgemeinen Fragen, die das Funktionieren des Justizwesens betreffen, genutzt werden.

Empfehlung 7: Der neue Oberste Richterrat sollte ein gemeinsames Programm für seine Amtszeit vorbereiten, das u. a. Maßnahmen zur Förderung von Transparenz und Rechenschaftspflicht umfasst. Dazu sollte auch eine Strategie für die Öffentlichkeitsarbeit gehören, die neben regelmäßigen offenen Sitzungen mit Versammlungen von Richtern und Staatsanwälten auf allen Ebenen sowie mit der Zivilgesellschaft und Berufsverbänden auch eine jährliche Berichterstattung mit anschließender Erörterung in den Generalversammlungen der Richter und Staatsanwaltschaften vorsieht.

Transparenz und Rechenschaftspflicht des Obersten Richterrates 

Der neue Oberste Richterrat hat am 6. Januar 2017 seine Arbeit Unternehmen unter schwierigen Umständen aufgenommen. 20 Mit seinen negativen Stellungnahmen vom Februar bzw. September und November zur Eilverordnung der Regierung und den Änderungen an den Justizgesetzen stellte der neue Rat stellte jedoch seine Bereitschaft unter Beweis, schwierige Entscheidungen zu treffen. Zudem musste er die Unabhängigkeit und das Ansehen der Richter und insbesondere der Staatsanwälte verteidigen und mit der schwierigen Situation umgehen, dass Angehörige der anderen Staatsgewalten gegen bestimmte Richter und Staatsanwälte wiederholt disziplinar- oder verwaltungsrechtliche Beschwerden einreichten. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Rat seine Aufgaben erfüllt und Stärke und Durchhaltevermögen bewiesen hat.

Im Einklang mit der Empfehlung legte der Oberste Richterrat Ende Februar 2017 seine Prioritäten für seine Amtszeit (2017–2022) fest. Diese bieten eine erste Grundlage für die Förderung der Rechenschaftspflicht des Richterrats. Zur Förderung von Transparenz und Offenheit hat der Rat beispielsweise eine neue Website eingerichtet und ermöglicht nun die direkte Beteiligung der Vertreter von Gerichten, Berufsverbänden der Richter und Staatsanwälte und von NRO an seinen Sitzungen. Er hat die derzeit laufenden Konsultationen von Gerichten und Staatsanwaltschaften auf den Weg gebracht, die sich als wichtiges Kommunikations- und Konsultationsinstrument erwiesen haben. Außerdem erarbeitet er ein gemeinsames Programm und eine gemeinsame Strategie, die unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit, Maßnahmen zur Verbesserung des Bilds der Justiz in der Öffentlichkeit, die Beziehungen zu den Medien sowie die Zusammenarbeit mit Regierung und Parlament betreffen.

Der Rat sollte weiterhin seine Anstrengungen zur kohärenten und wirksamen Verteidigung des Ansehens der Justiz konsolidieren und einen Beitrag zu einem konstruktiven und transparenten Dialog mit Regierung und Parlament leisten. Er sollte auch eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Justizorganen bei den wichtigsten noch offenen Fragen, einschließlich des Funktionierens der Justizaufsicht, fördern.

Auf der Grundlage einer Analyse der Empfehlungen 1 bis 7 ist die Kommission der Auffassung, dass weitere Bemühungen erforderlich sind, um Vorgabe 1 zu erfüllen. Es sind einige positive Entwicklungen zu verzeichnen, insbesondere hinsichtlich der Verhaltenskodizes, der Zivilgesetzbücher und der Maßnahmen, die zur Umsetzung der Strategie für die Entwicklung des Justizwesens ergriffen wurden, wie auch der Tätigkeit des neuen Obersten Richterrats. Gleichwohl wurden Fortschritte durch die politische Lage und Gesetzgebungsvorschläge, die sich negativ auf die Reform auswirken könnten, gebremst. Im Rahmen der Analyse der Empfehlungen wurden verschiedene vielversprechende Initiativen und Prozesse ermittelt, die – wenn sie denn umgesetzt würden – Rumänien die Möglichkeit bieten dürften, bei Vorgabe 1 rasch wieder Fortschritte zu erzielen.

3.2.    Vorgabe 2: Integritätsrahmen und Nationale Integritätsbehörde

Empfehlung 8: Inbetriebnahme des Systems PREVENT. Die Nationale Integritätsbehörde und die Nationale Agentur für das öffentliche Auftragswesen sollten über die Ergebnisse der Ex-ante-Überprüfung der öffentlichen Vergabeverfahren und die Folgemaßnahmen dazu, einschließlich Ex-post-Kontrollen, sowie über dabei festgestellte Interessenkonflikte oder Korruptionsfälle berichten und öffentliche Debatten organisieren, damit die Regierung, die Kommunalbehörden, die Justiz und die Zivilgesellschaft dazu Stellung nehmen können.

Empfehlung 9: Das Parlament sollte seine Entscheidungsfindung in Bezug auf die Folgemaßnahmen zu rechtskräftigen und unwiderruflichen an Parlamentsmitglieder gerichteten Entscheidungen über Unvereinbarkeiten, Interessenkonflikte und ungerechtfertigte Bereicherungen transparent gestalten.

Das System PREVENT soll Interessenkonflikte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge verhindern. Zu diesem Zweck wurde ein Mechanismus der Ex-ante-Überprüfung eingerichtet und den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit geboten, solche Konflikte vor der Vergabe des Auftrags auszuräumen. Das System ging Ende Juni in Betrieb. Es ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen der Nationalen Integritätsbehörde, der Nationalen Agentur für das öffentliche Auftragswesen und der Nationalen Agentur für die Umsetzung der Digitalen Agenda sowie der Regierung. PREVENT ist nun seit vier Monaten in Betrieb und liefert erste Ergebnisse.

In mehreren CVM-Berichten wurde auf die verzögerte und inkohärente Sanktionspraxis gegenüber Parlamentsmitgliedern hingewiesen, bei denen in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zu einem Bericht der Nationalen Integritätsbehörde die Unvereinbarkeit von Ämtern oder Interessenkonflikte festgestellt worden waren. Die Kommission hatte deshalb empfohlen, dass das Parlament seine Entscheidungsfindung in Bezug auf die Folgemaßnahmen zu rechtskräftigen und unwiderruflichen an Parlamentsmitglieder gerichteten Entscheidungen über Unvereinbarkeiten, Interessenkonflikte und ungerechtfertigte Bereicherungen transparent gestalten sollte. Die Kommission wurde über die anwendbaren Verfahren und über den Zugang der Öffentlichkeit zu Parlamentsdebatten unterrichtet. Ihr wurde jedoch noch nicht mitgeteilt, ob tatsächlich über anhängige Fälle debattiert und entschieden wurde. Obwohl die Regeln und Verfahren für die Anwendung von Sanktionen im Parlament klar zu sein scheinen, wurden nach Angaben der Nationalen Integritätsbehörde in drei gegen Parlamentsmitglieder anhängigen Integritätsfällen die rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen 2017 noch nicht umgesetzt. Es ist nicht klar, ob das Parlament Fristen für die Vollstreckung der Sanktionen einhalten muss. Darüber hinaus gibt es drei Fälle, in denen das Mandat von Parlamentsmitgliedern nach den Wahlen Ende 2016 bestätigt wurde, obwohl sie laut einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung drei Jahr lang kein gewähltes Amt ausüben durften. Die Nationale Integritätsbehörde setzte das Parlament im Februar 2017 davon in Kenntnis, doch das Parlament hat noch keine Schritte zur Lösung dieser drei Fälle unternommen.

Konkrete Maßnahmen, die im Einklang mit der Empfehlung echte Transparenz ermöglichen würden, wären zum Beispiel, dass der Präsident der betreffenden Kammer des Parlaments öffentlich den Eingang der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung (oder eines nicht vor Gericht angefochtenen Berichts der Nationalen Integritätsbehörde) bestätigt, einen Zeitplan für die Entscheidung ankündigt und die Öffentlichkeit und die Nationale Integritätsbehörde informiert, sobald dieser Entscheidungsprozess abgeschlossen ist. Würde das Parlament in diesen sechs Fällen tätig werden, so wären rasche Fortschritte in Bezug auf diese Empfehlung möglich.

Auf der Grundlage einer Analyse der Empfehlungen 8 und 9 ist die Kommission der Auffassung, dass Rumänien bei Vorgabe 2 insgesamt erhebliche Fortschritte erzielt hat. Die Umsetzung der Empfehlung 8 ist zufriedenstellend. Rasche Entscheidungen über alle noch nicht abgeschlossenen Integritätsfälle, in denen rechtskräftige Entscheidungen vorliegen, würden rasche Fortschritte bei Vorgabe 2 ermöglichen.

3.3    Vorgabe 3: Bekämpfung der Korruption auf höchster Ebene

Empfehlung 10: Annahme objektiver Kriterien für die Begründung von Entscheidungen zur Aufhebung der Immunität von Abgeordneten als Gewähr dafür, dass diese Immunität nicht in Anspruch genommen wird, um der Ermittlung und Strafverfolgung bei Korruptionsdelikten zu entgehen. Die Regierung könnte auch eine Gesetzesänderung in Betracht ziehen, um die Immunität von Ministern auf deren Amtszeit zu beschränken. Sie könnte dabei von der Venedig-Kommission und der GRECO unterstützt werden. 21 Das Parlament sollte ein System zur regelmäßigen Berichterstattung über Entscheidungen seiner Kammern zu Anträgen auf Aufhebung der Immunität einrichten und könnte eine öffentliche Debatte organisieren, damit der Oberste Richterrat und die Zivilgesellschaft dazu Stellung nehmen können.

Empfehlung 10 betrifft die Rechenschaftspflicht des Parlaments für seine Entscheidungen über die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Genehmigung von Präventivmaßnahmen (z. B. Durchsuchungen oder Festnahmen) und auf Genehmigung von Ermittlungen gegen Parlamentsmitglieder, die Minister sind oder waren (Aufhebung der Immunität). In früheren CVM-Berichten wurde hervorgehoben, dass diese Entscheidungen von der Öffentlichkeit als Versuche zur Einschränkung oder Vermeidung der Ermittlungen und der Strafverfolgung bei Korruptionsdelikten wahrgenommen wurden. Durch die Festlegung von Kriterien für die Entscheidung über solche Anträge der Staatsanwaltschaft kann gezeigt werden, dass die betreffenden Entscheidungen auf einer objektiven Grundlage getroffen wurden. 22  

Drei vor Kurzem gestellte Anträge auf Aufhebung der Immunität von Parlamentsmitgliedern wurden abgelehnt. Mit Blick auf eine größere Transparenz hat die Abgeordnetenkammer begonnen, vor der Abstimmung im Plenum die Argumente des Rechtsausschusses für die Ablehnung oder die Annahme solcher Anträge bekannt zu geben. In zwei Fällen führte der Rechtsausschuss als Argumente für die Ablehnung an, dass es keine Rechtsgrundlage gebe. Die Oppositionsparteien verwarfen dieses Argument mit der Begründung, dass nur Richter prüfen können, ob eine Person eine Straftat begangen hat. Die Kommission begrüßt, dass die Notwendigkeit, bezüglich der Entscheidungen über die Anträge der Strafverfolgungsbehörden für mehr Transparenz zu sorgen, berücksichtigt wird, vertritt aber die Auffassung, dass für die Umsetzung der Empfehlung 10 weitere Anstrengungen erforderlich sind. Sie rät erneut, die Unterstützung der Venedig-Kommission und der GRECO einzuholen, die hilfreiche Sachkenntnis in Bezug auf die Praktiken in diesem Bereich bereitstellen können.

Im Januar-Bericht hat die Kommission deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Schwächung oder Einschränkung des Straftatbestands der Korruption oder eine Beschneidung der Unabhängigkeit oder der Befugnisse der Nationalen Direktion für Korruptionsbekämpfung (dann) Rückschritte wären.

Die Kommission ist der Auffassung, dass zur Umsetzung der Empfehlung 10 weitere Bemühungen erforderlich sind. Generell hängt eine positive Bewertung der Fortschritte in Bezug auf Vorgabe 3 davon ab, ob eine unabhängige Antikorruptionsbehörde mit allen ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten tätig sein und ihre Erfolgsbilanz aufrechterhalten kann. In früheren Berichten wurde die Tatsache, dass die Nationale Direktion für Korruptionsbekämpfung ihre gute Bilanz trotz des großen Drucks aufrechterhielt, als Zeichen der Nachhaltigkeit gewertet. Aus diesem Grund gab die Kommission nur eine Empfehlung zu Vorgabe 3 ab. Sollte dieser Druck die Bekämpfung der Korruption beeinträchtigen, muss die Kommission diese Schlussfolgerung möglicherweise neu bewerten.

3.4    Vorgabe 4: Bekämpfung der Korruption auf allen Ebenen

Empfehlung 11: Weitere Umsetzung aller Aspekte der nationalen Korruptionsbekämpfungsstrategie unter Einhaltung der im August 2016 von der Regierung festgelegten Fristen. Der Justizminister sollte ein System zur Berichterstattung über die Umsetzung der nationalen Korruptionsbekämpfungsstrategie (einschließlich Statistiken über Integritätsverletzungen in der öffentlichen Verwaltung, Angaben zu Disziplinarverfahren und Sanktionen sowie Informationen über strukturelle Maßnahmen in korruptionsanfälligen Bereichen) einrichten.

Empfehlung 12: Gewährleistung der vollen Funktions- und Leistungsfähigkeit der Nationalen Agentur für die Verwaltung sichergestellter Vermögenswerte gewährleisten, damit diese einen ersten Jahresbericht mit zuverlässigen statistischen Informationen über die Einziehung von Vermögen aus Straftaten vorlegen kann. Die Agentur sollte ein System zur regelmäßigen Berichterstattung über den Ausbau ihrer Verwaltungskapazitäten und über den Stand der Einziehung und Verwaltung von Erträgen aus Straftaten einrichten. 

Nationale Strategie zur Korruptionsbekämpfung

Die nationale Antikorruptionsstrategie (NAS), die im August 2016 von der Regierung vorgelegt wurde, könnte sich bei ordnungsgemäßer Umsetzung als wirksames Instrument zur Korruptionsprävention erweisen. Die Strategie richtet sich an nationale und lokale staatliche Einrichtungen. Auf technischer Ebene wurde die Strategie von dem für sie zuständigen technischen Sekretariat des Justizministeriums umgesetzt. Eine positive Entwicklung ist, dass viele staatliche Einrichtungen sich für eine Teilnahme an Maßnahmen zur Umsetzung der Korruptionsbekämpfungsstrategie entschieden haben. Während eines großen Teils des Jahres wurden in jeder staatlichen Einrichtung Integritätspläne entwickelt und eine erste Runde mit Peer-Reviews angesetzt. Ferner sind auch Institutionen wie die Nationale Integritätsbehörde und die Korruptionsbekämpfungspolizei des Innenministeriums an Präventionsmaßnahmen beteiligt. 23 Die Strategie wird auch mit EU-Mitteln gefördert werden. Anfang 2018 wird erstmals über die Umsetzung der Maßnahmen berichtet, wodurch ein umfassender Überblick über die Fortschritte gegeben wird.

Da die Umsetzung der Korruptionsbekämpfungsstrategie auf technischer Ebene eingeleitet wurde, muss die Strategie nun von der Regierung und den Kommunalbehörden sichtbare Unterstützung erhalten, um den Fortschritt unter Beweis zu stellen. Dies geschah auch, als die ursprüngliche Strategie umgesetzt wurde und Anstrengungen unternommen wurden, um bewährte Verfahren zu verbreiten und staatliche Einrichtungen dazu zu bewegen, Ressourcen für die Korruptionsbekämpfung bereitzustellen und diesem Bereich Aufmerksamkeit zu schenken. Die für die zentrale und die öffentliche Verwaltung zuständigen Minister und die für Schlüsselbereiche wie Bildung oder Gesundheit zuständigen Minister könnten eine besonders wichtige Rolle spielen. Im Juni haben die Justizminister die beiden Kammern des Parlaments ersucht, eine gemeinsame Erklärung zur Unterstützung der nationalen Strategie zur Korruptionsbekämpfung für den Zeitraum 2016-2020 zu unterzeichnen. Dies ist noch nicht geschehen. Generell sollte die Korruptionsprävention politische Priorität erhalten. In diesem Zusammenhang sollten insbesondere die erforderlichen Maßnahmen zur uneingeschränkten Unterstützung der Umsetzung der nationalen Antikorruptionsstrategie auf nationaler und lokaler Ebene ergriffen werden. Zudem sollte die Stabilität der einschlägigen Rechtsvorschriften gewährleistet und die positive Bilanz der Generalstaatsanwaltschaft aufrechterhalten werden.

Nationale Agentur für die Verwaltung sichergestellter Vermögenswerte

Die Nationale Agentur für die Verwaltung sichergestellter Vermögenswerte (ANABI) ist nun voll einsatzfähig. Die Agentur veröffentlichte ihren ersten Jahresbericht im Februar 2017 und konnte mit Unterstützung der Finanzverwaltung einen Überblick über die Gesamtbeträge geben, die 2016 beim Verkauf der beschlagnahmten Vermögenswerte erzielt wurden (rund 5 Mio. EUR). Ein Teil davon wird umverteilt und für soziale und öffentliche Zwecke verwendet. Die erste Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen wird 2018 lanciert werden.

Im Bericht vom Januar 2017 wurde hervorgehoben, dass die Agentur letztlich zur Steigerung des Anteils der tatsächlich eingezogenen Vermögenswerte beitragen sollte. Zu diesem Zweck sammelt sie Daten von allen Gerichten und lanciert ein Projekt zur Erfassung aller Gerichtsentscheidungen, die die Beschlagnahme von Erträgen aus Straftaten betreffen, und zur Verknüpfung dieser Daten mit der Datenbank der Finanzverwaltung für die vollstreckten Fälle. Dieses Projekt sollte Ende 2018 abgeschlossen sein und ein klareres Bild vermitteln, damit geeignete Maßnahmen ergriffen werden können, um den Anteil der tatsächlich eingezogenen Vermögenswerte zu steigern.

2018 sollte der nächste Jahresbericht der nationalen Agentur für die Verwaltung sichergestellter Vermögenswerte Aufschluss über die Ergebnisse der Agentur im Jahr 2017 geben.

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass weitere Bemühungen erforderlich sind, um Vorgabe 4 zu erfüllen. So sollte der Förderung der Korruptionsprävention und der Unterstützung der Umsetzung der Nationalen Strategie für die Korruptionsbekämpfung mehr politische Priorität beigemessen werden. Ferner sind für die Umsetzung der Empfehlung 11 konkrete Anzeichen dafür, dass die Korruptionsprävention Fuß fasst, erforderlich. Empfehlung 12 könnte von der Kommission als umgesetzt erachtet werden, wenn gute operative Ergebnisse bestätigt werden.

4. SCHLUSSFOLGERUNG

In den neun Monaten, die seit der Darlegung der wesentlichen Empfehlungen zur Erfüllung aller CVM-Vorgaben im Bericht vom Januar 2017 verstrichen sind, wurden bei einer Reihe von Empfehlungen Fortschritte erzielt. Dies gilt insbesondere für Empfehlung 8, die zufriedenstellend umgesetzt wurde, und, vorbehaltlich der Anwendung in der Praxis, für die Empfehlungen 2, 7 und 12. Obwohl Rumänien bei der Erfüllung einiger Empfehlungen gut vorankam, ließ die Reformdynamik im Laufe des Jahres 2017 insgesamt nach, sodass die verbleibenden Empfehlungen langsamer umgesetzt wurden und die Gefahr bestand, dass Vorgaben, die im Bericht vom Januar 2017 bereits als erfüllt erachtet wurden, wieder geprüft werden müssten. Die Infragestellung der Unabhängigkeit der Justiz gibt weiterhin Anlass zu ernsten Bedenken.

Die Kommission kann deshalb derzeit nicht zu dem Schluss gelangen, dass die Vorgaben zufriedenstellend erfüllt sind, selbst wenn dieses Ziel bei einigen Vorgaben angesichts der erzielten Fortschritte näher rückt. Die Kommission ist nach wie vor der Auffassung, dass Rumänien, wenn die staatlichen Institutionen loyal zusammenarbeiten, die Politik entschlossen an den bisher erzielten Ergebnissen festhält und die Unabhängigkeit der Justiz gewahrt wird, die verbleibenden Empfehlungen aus dem Kooperations- und Kontrollverfahren in naher Zukunft umsetzen kann.

Die Kommission fordert Rumänien auf, die notwendigen Maßnahmen zu treffen und alle Empfehlungen umzusetzen. Ende 2018 wird sie die Fortschritte erneut bewerten.

(1)

     Schlussfolgerungen des Ministerrats vom 17. Oktober 2006 (13339/06); Entscheidung der Kommission zur Einrichtung eines Verfahrens für die Zusammenarbeit und die Überprüfung der Fortschritte Rumäniens bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben in den Bereichen Justizreform und Korruptionsbekämpfung, 13. Dezember 2006 (K(2006) 6569 endg.).

(2)

     Schlussfolgerungen des Rates zum Kooperations- und Kontrollverfahren.

(3)

     COM(2017) 44.

(4)

     http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-17-3165_de.htm

(5)

     Eilverordnung  13/2017 zur Änderung des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung.

(6)

     Am 9. November gab der Oberste Richterrat eine zweite ablehnende Stellungnahme zur den derzeit im Parlament erörterten Entwürfen für die Justizgesetze ab, für die er aber noch keine Begründung vorgelegt hat.

(7)

     Der Beirat Europäischer Richter des Europarats (CCJE) empfahl in früheren Stellungnahmen, dass „die Richterschaft bei der Vorbereitung sämtlicher Gesetzgebung, die ihre Stellung und die Arbeitsweise des Justizsystems betrifft, konsultiert und aktiv einbezogen werden“ sollte. „Die Stellung der Judikative und ihr Verhältnis zu den anderen Staatsgewalten in einer modernen Demokratie“, Stellungnahme Nr. 18 (2015).

(8)

     So haben Behörden z. B. öffentlich erklärt, dass das Justizsystem schlecht funktioniere oder dass eine „Rückkehr zur Normalität“ erfolgen müsse.

(9)

     CVM-Bericht vom Januar 2017 (COM(2017) 44 final).

(10)

     Schlussfolgerungen des Rates vom März 2017 zum Kooperations- und Kontrollverfahren: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-7048-2017-INIT/de/pdf

(11)

     Report on European standards as regards the independence of the judicial system – Part II: The prosecution service, CDL-AD(2010)040.

(12)

     Die Venedig-Kommission hat eine Liste europäischer Standards aufgestellt: http://www.venice.coe.int/webforms/documents/default.aspx?pdffile=CDL-AD(2010)040-e  

(13)

     Eine ähnliche Analyse wurde im Rahmen der 4. Evaluierungsrunde der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) angestellt: http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/evaluations/round4/Eval%20IV/GrecoEval4%282015%294_Romania_EN.pdf

(14)

     In den Fortschrittsberichten der Regierung und des Parlaments werden keine Fortschritte bei diesen noch nicht verabschiedeten Rechtsetzungsvorschlägen aufgezeigt.

(15)

     Drei Viertel der Taten wurden entkriminalisiert. Siehe auch den technischen Bericht SWD(2017) 701. Zu dieser Änderung wurden die Justizbehörden nicht konsultiert.

(16)

     Beschluss Nr. 369/2017, veröffentlicht im rumänischen Gesetzblatt, Teil I, Nr. 582 vom 20. Juli 2017.

(17)

     COM(2016) 41, COM(2017) 16.

(18)

     Z. B. die Änderung der für die Parlamentsmitglieder geltenden Regelung über Unvereinbarkeit von Ämtern und die Entkriminalisierung der meisten Interessenkonflikte. Als weitere Beispiele für ohne vorhergehende Konsultation verabschiedete Rechtsvorschriften, die Auswirkungen auf das Justizwesen und die Bekämpfung der Korruption haben, sind jene zu nennen, die den Status der lokalen Verwaltungen betreffen, das Gesetz über die Finanzierung politischer Parteien und der letztlich durch ein Urteil des Verfassungsgerichts abgeschmetterte Vorschlag, die Überprüfung aller Urteile der letzten 20 Jahre zuzulassen.

(19)

     Technischer Bericht SWD(2017) 701. Der Vorschlag wurde dem Ministerkomitee des Europarates vorgelegt.

(20)

     Nach mehreren Vertagungen ernannte der Senat die beiden Mitglieder des Obersten Richterrats, die die Zivilgesellschaft Anfang September vertraten.

(21)

     Die Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) wurde 1999 vom Europarat eingerichtet und hat die Aufgabe, die Einhaltung der Korruptionsbekämpfungsstandards des Europarates zu überwachen.

(22)

     Auf der Grundlage der Leitlinien der Venedig-Kommission und der GRECO.

(23)

     Dies ist einem vom Justizministerium im September 2017 vorgelegten Bericht über die Fortschritte zu entnehmen, die Rumänien im Rahmen des Kooperations- und Überprüfungsmechanismus erzielt hat.

Top