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Document 52013DC0362

Empfehlung für eine EMPFEHLUNG DES RATES zum nationalen Reformprogramm Italiens 2013 und zur Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens für die Jahre 2012 bis 2017

/* COM/2013/0362 final */

52013DC0362

Empfehlung für eine EMPFEHLUNG DES RATES zum nationalen Reformprogramm Italiens 2013 und zur Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens für die Jahre 2012 bis 2017 /* COM/2013/0362 final */


 

Empfehlung für eine

EMPFEHLUNG DES RATES

zum nationalen Reformprogramm Italiens 2013 und zur Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens für die Jahre 2012 bis 2017

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf die Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken[1], insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte[2], insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission[3],

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments[4],

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)       Am 26. März 2010 stimmte der Europäische Rat dem Vorschlag der Europäischen Kommission zu, eine auf eine verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitiken gestützte neue Strategie für Wachstum und Beschäftigung („Europa 2020“) auf den Weg zu bringen, deren Schwerpunkt auf den Schlüsselbereichen liegt, in denen Maßnahmen notwendig sind, um Europas Potenzial für nachhaltiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

(2)       Am 13. Juli 2010 nahm der Rat auf der Grundlage der Vorschläge der Kommission eine Empfehlung zu den Grundzügen der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Union (2010 bis 2014) und am 21. Oktober 2010 einen Beschluss über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten[5] an, die zusammen die „integrierten Leitlinien“ bilden. Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, ihre nationalen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitiken in Anlehnung an die integrierten Leitlinien auszugestalten.

(3)       Am 29. Juni 2012 beschlossen die Staats- und Regierungschefs einen „Pakt für Wachstum und Beschäftigung“, der einen kohärenten Rahmen für Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten, der EU und des Euro-Währungsgebiets unter Nutzung aller verfügbaren Hebel, Instrumente und Politiken bildet. Sie entschieden, welche Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten getroffen werden sollten, wobei sie insbesondere ihr uneingeschränktes Engagement für die Erreichung der Ziele der Strategie Europa 2020 und für die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen zum Ausdruck brachten.

(4)       Am 6. Juli 2012 nahm der Rat eine Empfehlung zum nationalen Reformprogramm Italiens für 2012 an und nahm Stellung zum aktualisierten Stabilitätsprogramm Italiens für 2011-2015.

(5)       Am 28. November 2012 nahm die Kommission den dritten Jahreswachstumsbericht[6] an, mit dem das Europäische Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik 2013 eingeleitet wurde. Ebenfalls am 28. November 2012 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 den Warnmechanismus-Bericht[7] an, in dem Italien als einer der Mitgliedstaaten genannt wurde, für die eine eingehende Prüfung angestellt werden sollte.

(6)       Am 14. März 2013 billigte der Europäische Rat die Prioritäten zur Sicherstellung von Finanzstabilität, Haushaltskonsolidierung und wachstumsfreundlichen Maßnahmen. Er betonte, dass es notwendig sei, weiterhin eine differenzierte, wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung zu verfolgen, eine normale Kreditvergabe an die Wirtschaft wiederherzustellen, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, die sozialen Folgen der Krise abzufedern sowie die öffentliche Verwaltung zu modernisieren.

(7)       Am 10. April 2013 veröffentlichte die Kommission die Ergebnisse ihrer eingehenden Prüfung[8] für Italien gemäß Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011. Die Kommission kommt aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass es in Italien makroökonomische Ungleichgewichte gibt, die entschlossene politische Maßnahmen erfordern. Insbesondere die Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sowie die hohe öffentliche Verschuldung vor dem Hintergrund eines weiterhin verhaltenen Wachstums gelten nach wie vor als die wesentlichen makroökonomischen Ungleichgewichte Italiens.

(8)       Am 11. April 2013 übermittelte Italien sein Stabilitätsprogramm für den Zeitraum 2012-2017 und sein nationales Reformprogramm 2013. Danach bekundete die seit dem 28. April amtierende neue Regierung ihre Absicht, die Agenda der strukturellen Reformen auszubauen, und bestätigte die im Stabilitätsprogramm enthaltenen Haushaltsziele. Am 17. Mai wurde eine Gesetzesverordnung verabschiedet, die neue Bestimmungen zur Besteuerung von Immobilien und die Ausdehnung des Systems der Lohnersatzleistungen für unterbeschäftigte Arbeitnehmer enthält. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden die beiden Programme und neuen Maßnahmen der Regierung gleichzeitig bewertet.

(9)       Auf der Grundlage der Bewertung des Stabilitätsprogramms 2013-2017 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates hält der Rat das den Haushaltsprojektionen im Programm zugrunde liegende makroökonomische Szenario für 2014 im Vergleich zur Frühjahrsprognose 2013 der Kommission für optimistisch. Ab 2015 ist das Szenario plausibel, aber auch das nur unter der Voraussetzung, dass die beschlossenen Strukturreformen in vollem Umfang umgesetzt werden, was nach wie vor eine Herausforderung darstellt. Die im Programm beschriebene Haushaltsstrategie wurde von der neuen Regierung bestätigt, und das Parlament hat dafür gestimmt. Ziel der Strategie ist es, das Defizit während der gesamten Programmlaufzeit unter 3 % des BIP zu halten, um das mittelfristige Haushaltsziel im Jahr 2013 zu erreichen und dafür zu sorgen, dass die Schuldenquote ab 2014 zurückgeht. Im Programm wird ein strukturell ausgeglichener Haushalt als mittelfristiges Ziel bestätigt, was dem Stabilitäts- und Wachstumspakt entspricht. Das Defizit wurde im Jahr 2012 auf 3 % des BIP reduziert und dürfte nach der am 3. Mai veröffentlichten Frühjahrsprognose der Kommission für 2013 im Zeitraum 2013-14 unterhalb des Referenzwerts bleiben. Ihrer Bewertung zufolge werden die von der italienischen Regierung am 17. Mai erlassenen Bestimmungen – sofern sie konsequent umgesetzt werden – keine wesentlichen Auswirkungen auf das Defizit haben. Nach einer kumulativen Verbesserung um 2,7 Prozentpunkte des BIP im Zeitraum von 2009 bis 2012 und unter der Voraussetzung, dass die Politik unverändert bleibt, wird damit gerechnet, dass sich der strukturelle Saldo als Anteil am BIP im Jahr 2013 um einen weiteren Prozentpunkt auf -0,5 % verbessern wird, um sich dann im Jahr 2014 marginal zu verschlechtern. Der strukturelle Primärsaldo soll im Jahr 2014 fast 5 % erreichen. Die erwartete Strukturanpassung für 2013 ist angemessen, auch basierend auf einer Analyse der Ausgaben ohne Berücksichtigung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen, während sich für 2014 eine Abweichung vom Anpassungspfad zum mittelfristigen Haushaltsziel abzeichnet. Im Programm wird für 2013 ein Höchststand der staatlichen Schuldenquote prognostiziert, danach jedoch ein Rückgang in Höhe von einem Prozentpunkt des BIP pro Jahr, und zwar auch dank der geplanten Einnahmen durch Privatisierungen. Der Prognose zufolge steigt der Schuldenstand weiterhin an, auch wegen der Begleichung von Handelsschulden, woraus sich für den Zeitraum 2013-2014 circa 2,5 weitere Prozentpunkte ergeben; Privatisierungseinnahmen sind hingegen nicht eingeschlossen, da die Einzelheiten noch nicht festgelegt sind. Ab 2013 befindet sich Italien hinsichtlich der Einhaltung des Verschuldungskriteriums in einer dreijährigen Übergangsphase, und der Schuldenpfad des Stabilitätsprogramms sorgt für ausreichende Fortschritte auf dem Weg zur Einhaltung dieses Kriteriums. Allerdings beruhen die Defizit- und Verschuldungsprognosen des Programms auf der vollständigen Umsetzung der beschlossenen haushaltspolitischen Maßnahmen und Strukturreformen, die für die dauerhafte Rückgewinnung des Vertrauens der Märkte und für die Förderung des Wachstums und der Beschäftigung von grundlegender Bedeutung sind.

(10)     Wenngleich wichtige Reformen beschlossen wurden, um die Haushaltsstabilität zu fördern und das Wachstum anzukurbeln, stellt die vollständige Umsetzung dieser Reformen nach wie vor eine Herausforderung dar, so dass durchaus Raum für weitere Maßnahmen bleibt. Mehrere vorgeschlagene Schlüsselmaßnahmen wurden noch nicht angenommen oder es müssen noch entsprechende Rechtsvorschriften erlassen werden; zudem besteht die Gefahr, dass sie konkret nicht von allen Regierungsebenen konsequent angewandt werden. Die Effizienz der öffentlichen Verwaltung ist hinsichtlich des Rechts- und Verfahrensrahmens, der Qualität der Governance und der Verwaltungskapazität nach wie vor erheblich eingeschränkt, was die Durchführung der Reformen und die Rahmenbedingungen für Unternehmen beeinträchtigt.

(11)     Der Abschluss der Reform der Zivilgerichtsbarkeit durch rasche Umsetzung der neuen Gerichtsorganisation und durch Verringerung der überlangen Verfahrensdauer, von Verfahrensstaus und der Prozesshäufigkeit ist notwendig, um die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu verbessern. Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts vom Oktober 2012 zur Streitschlichtung ist es notwendig, Maßnahmen zur Förderung der außergerichtlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zu treffen. Besorgniserregend ist das Ausmaß der Korruption, die Kosten von schätzungsweise 4 % des BIP verursacht und damit das Potenzial für eine wirtschaftliche Erholung schwer beeinträchtigt. Das Gesetz zur Korruptionsbekämpfung vom November 2012 muss durch Folgemaßnahmen ergänzt werden, und die Effektivität der Korruptionsbekämpfung könnte weiter verbessert werden, insbesondere durch Regelung der Verjährung, die derzeit durch ausgesprochen kurze Verjährungsfristen gekennzeichnet ist.

(12)     Die ehrgeizige Strategie der Haushaltskonsolidierung, die bislang umgesetzt wurde, war begleitet von der Aufnahme einer Regel zur Gewährleistung eines ausgeglichenen Haushalts in die Verfassung im April 2012 sowie von Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz und Qualität der öffentlichen Ausgaben. Die Umsetzung dieser Maßnahmen war jedoch lückenhaft, wodurch sie nicht in vollem Umfang wirksam werden konnten, insbesondere in Bezug auf die Effektivität der Beschäftigung im öffentlichen Sektor und auf die Verringerung der Zahl der Provinzen. Der Kohäsionsaktionsplan hat die beschleunigte Inanspruchnahme der Strukturfonds im Umfang von ca. 12,1 Mrd. EUR in drei aufeinanderfolgenden Phasen ermöglicht. Gleichwohl mangelt es insbesondere in Süditalien an Ehrgeiz bei der Verbesserung des Mitteleinsatzes insgesamt, was mit Blick auf den Planungszeitraum 2014-2020 zu ernsten Bedenken Anlass gibt. Damit besteht noch viel Spielraum für eine Verbesserung der Effizienz öffentlicher Ausgaben.

(13)     Die Banken spielen traditionell eine wichtige Rolle für die italienische Wirtschaft, insbesondere durch Vergabe von Krediten an kleine Firmen; infolge der andauernden Rezession sind sie allerdings immer weniger fähig, diese Rolle weiter zu spielen. Ein höheres Kreditrisiko hat neben einem umfangreichen und zunehmenden Bestand an notleidenden Krediten zu einer Kontraktion des Kreditmarkts geführt und verschärft das Problem der geringen Rentabilität des Bankgeschäfts. Darauf hat die italienische Notenbank reagiert, indem sie die Angemessenheit von Rückstellungen für notleidende Kredite durch Inspektionen vor Ort prüft. Besonderheiten in der Unternehmensführung italienischer Banken können die Effektivität ihrer Tätigkeit als Finanzmittler einschränken. Es wurden Maßnahmen getroffen, um den Rückgriff auf andere Finanzierungsquellen – insbesondere auf Beteiligungsfinanzierungen – sowie die Innovationsfähigkeit zu fördern, doch spielen diese noch keine große Rolle und sie wurden auch noch nicht vollständig umgesetzt. Die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und die geplante Bereinigung des akkumulierten Bestandes von Handelsschulden werden einen Beitrag zur Verbesserung der Liquidität von Firmen leisten.

(14)     Im Juni 2012 wurde eine umfassende Arbeitsmarktreform beschlossen, um die starren Strukturen und die Segmentierung des Arbeitsmarkts abzubauen. Diese Reform muss durch Verabschiedung der entsprechenden Durchführungsvorschriften zum Abschluss gebracht und ihre konkrete Anwendung vor Ort sorgfältig überwacht werden. Darüber hinaus muss die staatliche Arbeitsvermittlung noch umorganisiert und in die Verwaltung der Leistungen bei Arbeitslosigkeit integriert werden, um so die Umsetzung effizienter Aktivierungsstrategien zu fördern. Im Zeitraum 2011-2013 haben die Sozialpartner in mehreren Schritten ein neues Lohnfestsetzungssystem festgelegt. Es wird durch steuerliche Anreize gestützt, die für eine Angleichung der Löhne an die Produktivität und die Bedingungen der lokalen Arbeitsmärkte sorgen sollen. Dieser Rahmen sollte wirksam umgesetzt und auf der Grundlage eines Monitorings der Ergebnisse Schritt für Schritt angepasst werden.

(15)     Die Jugendarbeitslosigkeit und der Anteil der jungen Menschen, die weder eine Arbeit haben noch eine schulische oder berufliche Ausbildung absolvieren, sind weiter angestiegen und haben Ende 2012 einen Prozentsatz von 37 % bzw. 21,1 % erreicht. Sowohl bei der Zahl der Hochschulabsolventen als auch bei der Beschäftigungsquote junger Hochschulabsolventen rangiert Italien auf dem letzten Platz der EU-Staaten, was zeigt, dass die Qualifikationen der jungen Hochschulabsolventen für den Arbeitsmarkt kaum relevant sind. Die Zahl der Schulabbrecher ist zwar leicht zurückgegangen, ist jedoch nach wie vor hoch. Das Bildungssystem gibt somit Anlass zur Besorgnis. Ein Schlüsselfaktor ist der Lehrerberuf, der derzeit durch eine einheitliche Laufbahn gekennzeichnet ist, die geringe Aussichten für eine berufliche Weiterentwicklung bietet. Die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen ist nach wie vor gering und die geschlechtsspezifische Diskrepanz bei den Beschäftigungsquoten so hoch wie in kaum einem anderen EU-Mitgliedstaat. Die Gefahr von Armut und sozialer Ausgrenzung, besonders aber von starker materieller Deprivation, steigt merklich an, während das Sozialschutzsystem zunehmend unter Druck gerät und die sozialen Bedürfnisse nicht befriedigen kann, weil es vor allem auf Rentenzahlungen beruht und die anderen Transferleistungen nicht hinreichend auf die Bekämpfung von Armut und die Förderung der sozialen Eingliederung ausgerichtet sind.

(16)     Die Struktur des Steuersystems ist immer noch kompliziert und belastet die Einkünfte aus Arbeit und Kapital schwer. Nach den in den Jahren 2010-2011 unternommenen Anstrengungen blieben weitere Maßnahmen, mit denen die Steuerlast von den Produktionsfaktoren weg auf den Konsum, das Grundeigentum und die Umwelt verlagert werden sollte, in ihrer Tragweite beschränkt. Erforderlich sind zudem Schritte zur Vereinfachung des Steuersystems, zur Straffung der Steuerausgaben, zur Anpassung der Bemessungsgrundlage für Grundsteuern an die Marktwerte, zur Verbesserung der Steuerehrlichkeit und zur Abschreckung von Steuerhinterziehern. Bis zur Änderung der Katasterwerte wird die geplante Reform der Immobilienbesteuerung darauf abzielen, die Steuergerechtigkeit zu verbessern, soweit die im Stabilitätsprogramm festgelegte Haushaltsstrategie hierfür Spielräume lässt. Die Eindämmung der Schattenwirtschaft und der nicht angemeldeten Erwerbstätigkeit kann den öffentlichen Finanzen zugutekommen und sich auch positiv auf die Steuergerechtigkeit auswirken. Die Überarbeitung der Befreiungen von der Mehrwertsteuer bzw. der ermäßigten Sätze und der direkten Steuerausgaben könnten gewisse Anpassungen bei den Sozialtransfers erforderlich machen, um die Verteilungseffekte zu minimieren.

(17)     Bemerkenswerte Anstrengungen wurden im Hinblick auf die Liberalisierung des Dienstleistungssektors unternommen. Die Reform der reglementierten Berufe sollte jedoch weiter vorangetrieben werden, um auch die verbliebenen Beschränkungen zu beseitigen; an den wesentlichen Grundsätzen der Reform sollte auch gegen zu erwartende Widerstände festgehalten werden, mit denen insbesondere im Rahmen der Reform der Rechtsberufe zu rechnen ist. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts vom Juli 2012 ist es auch wichtig, dass Maßnahmen zur Öffnung des öffentlichen Dienstleistungssektors auf lokaler Ebene für den Wettbewerb getroffen werden.

(18)     Die Reform der netzgebundenen Wirtschaftszweige geht hinsichtlich der Öffnung des Marktzugangs und der Verbesserung der Infrastrukturkapazität voran, doch sind noch immer große Herausforderungen zu bewältigen. Die Entflechtung im Gassektor soll im September 2013 abgeschlossen sein, und die nationale Strategie für den Energiebedarf vom März 2013 muss noch umgesetzt werden. Die Öffnung des Telekommunikationssektors für den Wettbewerb ist ein weiteres Feld, auf dem Maßnahmen zu treffen wären. Die neue Verkehrsbehörde, die für die Autobahnen, Flughäfen, Häfen und Eisenbahnen zuständig sein soll, wurde noch nicht eingerichtet. Sie sollte unabhängig sein, mit den für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nötigen Mitteln ausgestattet sein und Sanktionen verhängen können. Ernst zu nehmen ist auch das Problem der internen und grenzübergreifenden Infrastrukturdefizite, verbunden mit Diskrepanzen zwischen Norden und Süden, die mit ein Grund sind für hohe Energiepreise, eine geringe Breitbandversorgung und Verkehrsengpässe.

(19)     Im Rahmen des Europäischen Semesters hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Italiens eingehend analysiert. Sie hat das Stabilitätsprogramm und das Nationale Reformprogramm bewertet und eine eingehende Prüfung vorgelegt. Dabei hat sie nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Italien, sondern auch deren Übereinstimmung mit EU-Vorschriften und -Leitlinien berücksichtigt, um durch auf EU-Ebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen die wirtschaftspolitische Steuerung der Europäischen Union insgesamt zu verstärken. Ihre Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters sind in die nachstehenden Empfehlungen 1 bis 6 eingeflossen.

(20)     Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm Italiens geprüft; insbesondere die Empfehlung 1 spiegelt seine Stellungnahme[9] hierzu wider.

(21)     Anhand der Ergebnisse der eingehenden Prüfung durch die Kommission und vorstehender Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm und das Stabilitätsprogramm Italiens geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte spiegeln sich in den Empfehlungen 1 bis 6 wider.

(22)     Im Rahmen des Europäischen Semesters hat die Kommission auch die Wirtschaftspolitik im Euro-Währungsgebiet insgesamt geprüft. Auf dieser Grundlage hat der Rat spezielle Empfehlungen an die Mitgliedstaaten gerichtet, deren Währung der Euro ist. Italien sollte auch die vollständige und zügige Umsetzung dieser Empfehlungen sicherstellen –

EMPFIEHLT, dass Italien im Zeitraum 2013-2014

1.           durch vollständige Umsetzung der getroffenen Maßnahmen gewährleistet, dass das Defizit im Jahr 2013 unter 3 % des BIP bleibt; die strukturelle Anpassung in angemessenem Tempo und durch eine wachstumsfördernde Haushaltskonsolidierung fortsetzt, damit das mittelfristige Haushaltsziel ab 2014 erreicht werden kann; die geplanten strukturellen Primärüberschüsse erzielt, damit die sehr hohe Schuldenquote auf einen stetigen Abwärtspfad kommt; durch vollständige Umsetzung der 2012 beschlossenen Maßnahmen und durch unverminderte Fortsetzung dieser Anstrengungen mittels regelmäßiger eingehender Ausgabenüberprüfungen auf allen Regierungsebenen weiterhin eine nachhaltige Verbesserung der Effizienz und Qualität der öffentlichen Ausgaben verfolgt;

2.           durch rasche Annahme der entsprechenden Rechtsvorschriften gewährleistet, dass die laufenden Reformen zügig umgesetzt werden und anschließend auf allen Regierungsebenen konkret und mit allen betroffenen Akteuren angewandt und die Auswirkungen überwacht werden; die Effizienz der öffentlichen Verwaltung erhöht und die Koordinierung zwischen den verschiedenen Regierungsebenen verbessert; den Verwaltungs- und Rechtsrahmen für Bürger und Unternehmen vereinfacht, die lange Verfahrensdauer in der Zivilgerichtsbarkeit verkürzt und die Prozesshäufigkeit verringert, u. a. durch Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren; den Rechtsrahmen für die Korruptionsbekämpfung stärkt, u. a. durch Überarbeitung der Vorschriften über die Verjährungsfristen; Strukturmaßnahmen erlässt, um den Einsatz der EU-Mittel in den südlichen Regionen im Hinblick auf den Planungszeitraum 2014-2020 zu verbessern;

3.           im Bankwesen eine Unternehmensführung propagiert, die mehr Effizienz und Rentabilität ermöglicht, um den Zustrom von Krediten in produktive Aktivitäten zu fördern; die laufende Qualitätsprüfung der Aktiva im gesamten Bankensektor vorantreibt und die Abwicklung notleidender Kredite in den Bilanzen der Banken erleichtert; den Ausbau der Kapitalmärkte weiter fördert, damit Unternehmen besseren Zugang zu einem breiteren Spektrum an Finanzierungen bekommen, insbesondere zu Beteiligungsfinanzierungen, und somit Innovationsfähigkeit und Wachstum der Unternehmen gefördert werden;

4.           die Arbeitsmarktreform und die Reform des Lohnfestsetzungssystems wirksam umsetzt; weitere Maßnahmen zur Ankurbelung der Arbeitsmarktbeteiligung, insbesondere von Frauen und jungen Menschen, ergreift, beispielsweise durch eine Jugendgarantie; die berufliche Aus- und Weiterbildung ausbaut, die Effizienz der staatlichen Arbeitsvermittlung steigert und die Berufsberatung für Studenten verbessert; die negativen finanziellen Anreize einschränkt, die potenzielle Zweitverdiener von der Aufnahme einer Beschäftigung abhalten, und das Angebot an Pflege- und außerschulischen Betreuungsleistungen ausbaut; die Maßnahmen zur Bekämpfung des Schulabbruchs verstärkt, die Leistung der Schulen und die Lernergebnisse verbessert, auch durch eine Reformierung des Systems der beruflichen Weiterentwicklung und der Laufbahnentwicklung für Lehrer; die Wirksamkeit der Sozialtransfers erhöht, insbesondere durch eine gezieltere Ausrichtung von Leistungen, insbesondere auf Niedriglohnhaushalte mit Kindern;

5.           die Steuerlast auf haushaltsneutrale Weise weg von Arbeit und Kapital auf den Konsum, das Grundeigentum und die Umwelt verlagert; zu diesem Zweck die Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiungen und der ermäßigten Sätze sowie die direkten Steuerausgaben überarbeitet und das Katastersystem dahingehend reformiert, dass die Bemessungsgrundlage für die Immobilienbesteuerung an die Marktwerte angepasst wird; den Kampf gegen die Steuerhinterziehung fortsetzt, die Steuerehrlichkeit verbessert und entschieden gegen die Schattenwirtschaft und nicht angemeldete Erwerbstätigkeit vorgeht;

6.           sicherstellt, dass die Maßnahmen zur Öffnung des Dienstleistungssektors ordnungsgemäß umgesetzt werden; die verbliebenen Beschränkungen bei den freiberuflichen Dienstleistungen beseitigt und sich dafür einsetzt, dass der Markt für öffentliche Dienstleistungen auf lokaler Ebene geöffnet wird; die Umsetzung der Maßnahmen weiter vorantreibt, mit denen bessere Bedingungen für den Marktzugang der netzgebundenen Wirtschaftszweige geschaffen werden sollen, vorrangig durch die Einrichtung der neuen Verkehrsbehörde; die Infrastrukturkapazität vor allem in Bezug auf die Energieverteilungsnetze, den intermodalen Verkehr und die Hochgeschwindigkeits-Breitbandversorgung in der Telekommunikation ausbaut, auch um das Nord-Süd-Gefälle zu nivellieren.

Geschehen zu Brüssel am […]

                                                                       Im Namen des Rates

                                                                       Der Präsident/Die Präsidentin

[1]               ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

[2]               ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

[3]               COM(2013) 362 final.

[4]               P7_TA(2013)0052 und P7_TA(2013)0053.

[5]               Beschluss 2012/238/EU des Rates vom 22. April 2013.

[6]               COM(2012) 750 final.

[7]               COM(2012) 751 final.

[8]               SWD(2013) 118 final.

[9]               Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.

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