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Document 52013DC0341

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Konvergenzbericht 2013 zu Lettland (auf Antrag Lettlands erstellter Bericht nach Artikel 140 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union)

/* COM/2013/0341 final */

52013DC0341

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Konvergenzbericht 2013 zu Lettland (auf Antrag Lettlands erstellter Bericht nach Artikel 140 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) /* COM/2013/0341 final */


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Konvergenzbericht 2013 zu Lettland (auf Antrag Lettlands erstellter Bericht nach Artikel 140 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union)

1.           Zweck des Berichts

Nach Artikel 140 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (nachstehend „AEUV“) haben die Kommission und die EZB dem Rat mindestens einmal alle zwei Jahre oder auf Antrag eines Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung gilt[1], darüber zu berichten, inwieweit die Mitgliedstaaten bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen sind. Die letzten turnusmäßigen Konvergenzberichte der Kommission und der EZB, die alle Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelung betrafen, wurden im Mai 2012 angenommen.

Der vorliegende Bericht wurde auf Antrag Lettlands vom 5. März 2013 erstellt. Eine ausführlichere Bewertung des Konvergenzstands Lettlands liefert ein technischer Anhang zu diesem Bericht (SWD(2013) 196).

Inhaltlich werden die von Kommission und EZB erstellten Berichte durch Artikel 140 Absatz 1 AEUV bestimmt. Danach ist in den Berichten unter anderem zu prüfen, inwieweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, einschließlich der Satzung der jeweiligen nationalen Zentralbank, mit Artikel 130 und Artikel 131 AEUV sowie mit der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (nachstehend „ESZB-/EZB-Satzung“) vereinbar sind. Ferner muss in den Berichten anhand der Konvergenzkriterien (Preisstabilität, Finanzlage der öffentlichen Hand, Wechselkursstabilität und langfristige Zinssätze) und unter Berücksichtigung anderer in Artikel 140 Absatz 1 letzter Unterabsatz AEUV genannter Indikatoren geprüft werden, ob in dem betreffenden Mitgliedstaat ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist. Die vier Konvergenzkriterien werden in einem Protokoll im Anhang zu den Verträgen (Protokoll Nr. 13 über die Konvergenzkriterien) näher beschrieben.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat allgemein deutlich gemacht, dass das derzeitige System der wirtschaftspolitischen Steuerung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) Lücken aufweist und die vorhandenen Instrumente stärker ausgeschöpft werden müssen. Die aktuelle Prüfung erfolgt im Kontext der in den letzten drei Jahren durchgeführten Reform der WWU-Governance, deren Ziel es ist, die nachhaltige Funktionsfähigkeit der WWU sicherzustellen. Dabei wird die Konvergenzbewertung mit dem umfassenderen Konzept des „Europäischen Semesters“ abgestimmt, das eine frühzeitige Gesamtbetrachtung der wirtschaftspolitischen Herausforderungen bei der Sicherung von langfristig tragfähigen öffentlichen Finanzen, Wettbewerbsfähigkeit, Finanzmarktstabilität und Wirtschaftswachstum vorsieht. Zu den wesentlichen Neuerungen bei dieser Governance-Reform, durch die der Konvergenzprozess der einzelnen Mitgliedstaaten und dessen Nachhaltigkeit einer strengeren Bewertung unterzogen werden, gehören unter anderem die Verschärfung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit durch die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts von 2011 sowie neue Instrumente im Bereich der Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte. Insbesondere werden im vorliegenden Bericht die Bewertung der 2013 vorgelegten Aktualisierung des lettischen Konvergenzprogramms[2] und die Ergebnisse des im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht erstellten Warnmechanismus-Berichts[3] berücksichtigt.

Die Konvergenzkriterien

Bei der Prüfung der Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, einschließlich der Satzung der nationalen Zentralbank, mit Artikel 130 und Artikel 131 AEUV werden die Beachtung des Verbots der monetären Finanzierung (Artikel 123) und des bevorrechtigten Zugangs (Artikel 124), die Übereinstimmung mit den Zielen und Aufgaben des ESZB (Artikel 127 Absatz 1 bzw. 2) sowie andere Aspekte im Zusammenhang mit der Einbindung der nationalen Zentralbanken in das ESZB zum Zeitpunkt der Euro-Einführung bewertet.

Das Kriterium der Preisstabilität wird in Artikel 140 Absatz 1 erster Gedankenstrich AEUV definiert als „Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität, ersichtlich aus einer Inflationsrate, die der Inflationsrate jener – höchstens drei – Mitgliedstaaten nahe kommt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“.

Laut Artikel 1 des Protokolls über die Konvergenzkriterien bedeutet das Kriterium der Preisstabilität, dass „ein Mitgliedstaat eine anhaltende Preisstabilität und eine während des letzten Jahres vor der Prüfung gemessene durchschnittliche Inflationsrate aufweisen muss, die um nicht mehr als 1½ Prozentpunkte über der Inflationsrate jener – höchstens drei – Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Die Inflation wird anhand des Verbraucherpreisindexes auf vergleichbarer Grundlage unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedstaaten gemessen“[4]. Aus der Forderung nach Dauerhaftigkeit ergibt sich, dass eine zufriedenstellende Inflationsentwicklung im Wesentlichen das Ergebnis eines entsprechenden Verhaltens der Faktorkosten und sonstiger struktureller Determinanten der Preisniveauentwicklung und nicht etwa von vorübergehenden Faktoren sein muss. Bei der Konvergenzbewertung werden daher auch die Faktoren geprüft, die sich auf die Inflationsaussichten auswirken, wobei zusätzlich auf die jüngste Inflationsprognose der Kommissionsdienststellen Bezug genommen wird[5]. Im Zusammenhang damit wird in dem Bericht ferner untersucht, ob das betreffende Land den Referenzwert in den kommenden Monaten voraussichtlich einhalten wird.

Als Referenzwert wurde im April 2013 eine Inflationsrate von 2,7 % errechnet, wobei Schweden, Lettland und Irland die drei preisstabilsten Mitgliedstaaten waren[6].

Es ist gerechtfertigt, die Länder, deren Inflationsrate nicht als aussagekräftiger Richtwert für andere Mitgliedstaaten gelten kann, von den preisstabilsten Ländern auszuschließen. Derartige Ausreißer wurden in der Vergangenheit in den Konvergenzberichten von 2004 und 2010 festgestellt[7], da ihre Inflationsraten sehr weit vom Mittel des Euro-Währungsgebiets abwichen. Gegenwärtig ist es gerechtfertigt, Griechenland von den preisstabilsten Ländern auszuschließen, da seine Inflationsrate und sein Profil sehr weit vom Mittel des Euro-Währungsgebiets abweichen, worin sich vor allem die erheblichen Anpassungserfordernisse und die besondere Situation der griechischen Wirtschaft widerspiegeln; seine Einbeziehung würde sich ungebührlich auf den Referenzwert und damit die Gerechtigkeit des Kriteriums auswirken[8]. Griechenland wird unter den preisstabilsten Ländern durch Irland ersetzt.

Das Konvergenzkriterium der öffentlichen Finanzen wird in Artikel 140 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich AEUV definiert als „eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand, ersichtlich aus einer öffentlichen Haushaltslage ohne übermäßiges Defizit im Sinne des Artikels 126 Absatz 6“. Ferner bedeutet dieses Kriterium gemäß Artikel 2 des Protokolls über die Konvergenzkriterien, „dass zum Zeitpunkt der Prüfung kein Beschluss des Rates nach Artikel 126 Absatz 6 des genannten Vertrags vorliegt, wonach in dem betreffenden Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht“. Im Zuge des allgemeinen Ausbaus der wirtschaftspolitischen Steuerung in der WWU wurden die Sekundärrechtsvorschriften zur öffentlichen Finanzlage 2011 unter anderem mit den neuen Verordnungen zur Änderung des Stabilitäts- und Wachstumspakts verschärft[9].

Das Wechselkurskriterium wird in Artikel 140 Absatz 1 dritter Gedankenstrich AEUV definiert als „Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung gegenüber dem Euro“.

In Artikel 3 des Protokolls über die Konvergenzkriterien heißt es: „Das (…) Kriterium der Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems bedeutet, dass ein Mitgliedstaat die im Rahmen des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems vorgesehenen normalen Bandbreiten zumindest in den letzten zwei Jahren vor der Prüfung ohne starke Spannungen eingehalten haben muss. Insbesondere darf er den bilateralen Leitkurs seiner Währung innerhalb des gleichen Zeitraums gegenüber dem Euro nicht von sich aus abgewertet haben“[10].

Für die Bewertung der Wechselkursstabilität wurde im vorliegenden Bericht der Zeitraum vom 17. Mai 2011 bis zum 16. Mai 2013 zugrunde gelegt. Bei der Bewertung des Wechselkurskriteriums berücksichtigt die Kommission die Entwicklung von Hilfsindikatoren, etwa der Währungsreserven und kurzfristigen Zinsen, sowie den Einfluss politischer Maßnahmen, z.B. Devisenmarktinterventionen, bei der Erhaltung der Wechselkursstabilität. Bei der Analyse werden gegebenenfalls auch die Auswirkungen offizieller Finanzierungsvereinbarungen mit dem Ausland berücksichtigt, einschließlich Umfang, Höhe und Profil der Mittelflüsse sowie etwaiger politischer Auflagen.

Artikel 140 Absatz 1 vierter Gedankenstrich AEUV verlangt die „Dauerhaftigkeit der von dem Mitgliedstaat mit Ausnahmeregelung erreichten Konvergenz und seiner Teilnahme am Wechselkursmechanismus, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt“. Artikel 4 des Protokolls über die Konvergenzkriterien bestimmt, dass „das Kriterium der Konvergenz der Zinssätze bedeutet, dass im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung in einem Mitgliedstaat der durchschnittliche langfristige Nominalzinssatz um nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem entsprechenden Satz in jenen – höchstens drei – Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Die Zinssätze werden anhand langfristiger Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbarer Wertpapiere unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedstaaten gemessen“.

Als Referenzwert wurde im April 2013 ein Zinssatz von 5,5 % errechnet. Der Referenzwert basiert auf den langfristigen Zinssätzen in Schweden, Lettland und Irland[11].

Im Konvergenzbericht 2012 wurde der langfristige Zinssatz Irlands, eines der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten, aufgrund der schweren Verwerfungen auf seinem Markt für Staatsanleihen bei der Berechnung des Referenzwerts für das Kriterium der langfristigen Zinssätze nicht berücksichtigt. Seither jedoch hat sich der langfristige Zinssatz Irlands dem anderer Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets stark angenähert, und Irlands Zugang zum Anleihemarkt hat sich wesentlich verbessert, was darauf hindeutet, dass der langfristige Zinssatz Irlands wieder als aussagekräftiger Richtwert angesehen werden kann.

Nach Artikel 140 Absatz 1 AEUV sind darüber hinaus noch weitere Faktoren zu prüfen, die für die wirtschaftliche Integration und Konvergenz von Bedeutung sind. Dazu zählen die Ergebnisse bei der Integration der Finanz- und Produktmärkte, die Entwicklung der Leistungsbilanz, die Entwicklung bei den Lohnstückkosten und andere Preisindizes. Letztere werden im Rahmen der Bewertung der Preisstabilität geprüft. Die übrigen Faktoren bieten wichtige Anhaltspunkte dafür, ob die Integration eines Mitgliedstaates in das Euro-Währungsgebiet problemlos verlaufen würde, und erlauben eine umfassendere Betrachtung der Nachhaltigkeit der Konvergenz.

2.           Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften

Der Konvergenzbericht 2012 kam bei der Bewertung der rechtlichen Konvergenz zu dem Schluss, dass die lettischen Rechtsvorschriften – insbesondere das Gesetz über die Latvijas Banka (Bank von Lettland, BoL) – nicht in vollem Umfang mit Artikel 131 AEUV vereinbar waren. Unvereinbarkeiten bestanden namentlich in Bezug auf die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die Einbindung der Zentralbank in das ESZB zum Zeitpunkt der Euro-Einführung im Hinblick auf die Aufgaben des ESZB nach Artikel 127 Absatz 2 AEUV und Artikel 3 ESZB/EZB-Satzung.

Nach der Bewertung im Konvergenzbericht 2012 bereitete die lettische Regierung in Zusammenarbeit mit Latvijas Banka eine Novelle des Zentralbankgesetzes vor, die im lettischen Parlament am 10. Januar 2013 verabschiedet wurde. In seiner geänderten Fassung ist das Gesetz über die Bank von Lettland in vollem Umfang mit den Artikeln 130 und 131 AEUV vereinbar.

3.           Preisstabilität

Der Zwölfmonatsdurchschnitt der Inflation lag in Lettland bei der letzten Konvergenzbewertung von 2012 über dem Referenzwert. In den zwölf Monaten bis April 2013 lag die durchschnittliche Inflationsrate in Lettland bei 1,3 % und damit deutlich unter dem Referenzwert von 2,7 %. Den Projektionen zufolge wird sie auch in den kommenden Monaten unter dem Referenzwert bleiben.

Nachdem die jährliche HVPI-Inflation mit 15,3 % im Jahr 2008 einen Höchststand erreicht hatte, führten signifikante nominale Lohnanpassungen und eine Korrektur der Importpreise in den Jahren 2009 und 2010 zu einer negativen Headline-Inflation. Nach der Konjunkturwende und dem Einsetzen eines globalen Aufwärtstrends bei den Rohstoffpreisen stieg die durchschnittliche Inflation von -1,2 % im Jahr 2010 auf 4,2 % im Jahr 2011, woran auch die Erhöhungen der indirekten Steuern ihren Anteil hatten. Mit dem Abklingen dieser vorübergehenden Effekte ging die Inflation im Jahr 2012 auf 2,3 % zurück, und bis April 2013 fiel die jährliche Inflationsrate auf ‑0,4 %.

Nach der Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen wird die jährliche HVPI-Inflation 2013 voraussichtlich durchschnittlich 1,4 % betragen, unter anderem aufgrund sinkender Energiepreise und einer Senkung des Mehrwertsteuerregelsatzes um einen Prozentpunkt ab Juli 2012. Den Projektionen zufolge wird sie 2014 vor dem Hintergrund einer stärkeren Inlandsnachfrage und der Liberalisierung des Elektrizitätsmarkts wieder auf 2,1 % steigen. Das Preisniveau in Lettland (rund 71 % des Euroraum-Durchschnitts 2011) deutet darauf hin, dass auf lange Sicht noch Potenzial für weitere Preiskonvergenz besteht.

Dauerhafte Konvergenz bedeutet, dass die Einhaltung des Referenzwerts weniger durch zeitlich befristete Faktoren, sondern vor allem durch Fundamentalfaktoren bedingt ist. Im Fall Lettlands hat die Senkung der Mehrwertsteuer im Juli 2012 zum derzeit niedrigen Zwölfmonatsdurchschnitt der Inflation beigetragen. Die Analyse der wirtschaftlichen Fundamentalfaktoren und die Tatsache, dass der Referenzwert mit großem Abstand eingehalten wird, sprechen jedoch dafür, dass die Erfüllung des Preisstabilitätskriteriums positiv zu bewerten ist.

Für die mittelfristigen Inflationsaussichten wird insbesondere maßgeblich sein, ob der Anstieg der Löhne und Gehälter der Produktivitätsentwicklung folgt, was wiederum vor allem davon abhängt, ob der Arbeitsmarkt weiter flexibel bleibt. In Zukunft kommt es darauf, die nachhaltige Konvergenz nicht durch eine erneute kreditgestützte Zunahme der Inlandsnachfrage und einen damit verbundenen Anstieg der Preise von Vermögenswerten – insbesondere auf dem Wohnungsmarkt – zu gefährden. Ein solches Szenario scheint in Anbetracht der Reaktion der lettischen Politik auf die Krise 2008-2009 wenig wahrscheinlich, und mit der Kombination von Faktoren, die in der Vergangenheit das gewaltige Kreditwachstum angetrieben haben (Kreditstau, beschleunigte Vertiefung und Integration der Finanzmärkte, rasche Verengung der Risikostreuung), ist in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen. Verbesserungen im Unternehmensumfeld, Fortschritte beim Einwerben neuer Investitionen, Behebung der nach wie vor bestehenden Engpässe auf dem Arbeitsmarkt und bei der wettbewerblichen Preisbildung auf den Produktmärkten werden für die mittelfristige Aufrechterhaltung der Preisstabilität von zentraler Bedeutung sein. Maßgeblich für die Preisentwicklung wird auch sein, ob weiter ein besonnener finanzpolitischer Kurs, einschließlich einer umsichtigen Lohnbildung im öffentlichen Sektor, verfolgt wird, damit sich die Inlandsnachfrage im Einklang mit den Fundamentaldaten entwickeln kann und eine Verankerung der Inflationserwartungen auf niedrigem Niveau gefördert wird.

Lettland erfüllt das Preisstabilitätskriterium.

4.           Öffentliche Finanzen

Derzeit liegt ein Beschluss des Rates vor, wonach in Lettland ein übermäßiges Defizit besteht (Ratsbeschluss vom 7. Juli 2009). Der Rat empfahl Lettland, das übermäßige Defizit bis 2012 zu korrigieren. Das gesamtstaatliche Defizit Lettlands erreichte 2010 8,1 % des BIP, ging 2012 jedoch insbesondere dank beträchtlicher Konsolidierungsanstrengungen auf 1,2 % des BIP zurück. Der Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen zufolge wird die Defizitquote bei unveränderter Politik im Jahr 2013 1,2 % und im Jahr 2014 0,9 % betragen. Die öffentliche Bruttoschuldenquote ging 2012 auf 40,7 % zurück und dürfte den Projektionen zufolge bis Ende 2014 weiter auf 40,1 % des BIP fallen.

Im März 2012 unterzeichnete Lettland den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der WWU, und das entsprechende Ratifizierungsgesetz wurde im Mai 2012 im Parlament angenommen. Damit ist Lettland eine weitere Selbstverpflichtung im Hinblick auf eine stabilitätsorientierte und nachhaltige Finanzpolitik eingegangen. Zudem hat das Parlament im Januar 2013 das Gesetz zur Haushaltsdisziplin in der letzten Lesung angenommen. Das Gesetz schreibt den Grundsatz der Festsetzung von Haushaltszielen für den gesamten Haushaltszyklus vor, wobei der Richtwert für das strukturelle Defizit 0,5 % des BIP beträgt, und bietet einen Rahmen für eine regelbasierte Finanzpolitik, insbesondere durch eine Begrenzung prozyklischer Mehrausgaben. Das Gesetz sieht zudem die Errichtung eines unabhängigen Finanzrats vor, der ab dem 1. Januar 2014 die Einhaltung der Haushaltsvorschriften überwachen soll. Die uneingeschränkte Anwendung des Gesetzes zur Haushaltsdisziplin wird von entscheidender Bedeutung sein, um den Risiken zu begegnen, die sich ergeben können, wenn nach der erfolgreichen Umsetzung des Anpassungsprogramms möglicherweise Forderungen nach einer Lockerung der Finanzpolitik laut werden.

Angesichts dieser Entwicklungen und der Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen vertritt die Kommission die Auffassung, dass das übermäßige Defizit mit einer glaubhaften und nachhaltigen Rückführung des Haushaltsdefizits unter 3 % des BIP im Jahr 2012, d. h. innerhalb des vom Rat empfohlenen Zeitrahmens, korrigiert worden ist. Daher hat die Kommission dem Rat empfohlen, den Beschluss über das Bestehen eines übermäßigen Defizits in Lettland aufzuheben (SEC(2013) XYZ).

Beschließt der Rat, das Defizitverfahren gegen Lettland aufzuheben, erfüllt Lettland das Kriterium der öffentlichen Finanzlage.

5.           Wechselkursstabilität

Der lettische Lats nimmt seit dem 2. Mai 2005, d. h. bei Annahme des vorliegenden Berichts seit mehr als acht Jahren, am WKM II teil. Beim Beitritt zum WKM II verpflichteten sich die lettischen Behörden einseitig, den Lats nur innerhalb der Bandbreite von ±1 % um den zentralen Leitkurs schwanken zu lassen. Im zweijährigen Bewertungszeitraum wich der Wechselkurs des Lats nicht mehr als ±1 % vom Leitkurs ab und war keinen Spannungen ausgesetzt. Der Lats notierte meist am oberen Ende der unilateralen Bandbreite, da das lettische Schatzamt seine erheblichen Devisenbestände auf dem Markt konvertierte. Vor dem Hintergrund des geringeren Devisenangebots des Schatzamts und der Markterwartungen bezüglich der Einführung des Euro wertete der Lats Ende 2012 und Anfang 2013 zur Mitte der Bandbreite hin ab. Auch andere Indikatoren wie die Entwicklung der Währungsreserven und kurzfristigen Zinssätze lassen keinen Druck auf den Wechselkurs erkennen. Die letzten Auszahlungen aus dem Finanzhilfeprogramm von IWF und EU fanden im August bzw. Oktober 2010 statt. Im Juni 2011 gelang Lettland mit einer auf USD lautenden Emission die Rückkehr an den internationalen Anleihemarkt. Weitere Transaktionen folgten, was als Signal für guten Marktzugang gewertet werden kann.

Lettland erfüllt das Wechselkurskriterium.

6.           Langfristige Zinssätze

Der durchschnittliche langfristige Zinssatz lag in Lettland in den zwölf Monaten bis April 2013 bei 3,8 % und damit unter dem Referenzwert von 5,5 %. Bei der Konvergenzbewertung 2012 lag der durchschnittliche langfristige Zinssatz in Lettland beim Referenzwert (5,8 %) und ist seitdem allmählich weiter gefallen. Der Zinsabstand zu langfristigen Benchmark-Anleihen des Euroraums ging 2010 deutlich zurück, da das Vertrauen in die Wechselkursbindung zurückkehrte, die Haushaltskonsolidierung Früchte trug und die Konvertierung der Mittel aus Hilfsprogrammen für reichlich Lats-Liquidität sorgte. Nach einer Pause im Jahr 2011 verringerte sich der Zinsabstand 2012 weiter, da das Marktvertrauen gegenüber Lettland noch größer wurde. Das Schatzamt kehrte mit mehreren kleineren Emissionen im ersten Halbjahr 2011 an den Inlandsmarkt für zehnjährige Anleihen zurück. 2012 legte das Schatzamt eine neue Reihe von zehnjährigen Benchmark-Anleihen auf, gab aber aufgrund seiner vorteilhaften Liquiditätsposition, die teilweise auf seine erfolgreichen Emissionen in USD zurückgeht, nur einen vergleichsweise begrenzten Betrag aus.

Lettland erfüllt das Kriterium der Konvergenz der langfristigen Zinssätze.

7.           Weitere Faktoren

Weitere Faktoren wurden ebenfalls geprüft, darunter die Zahlungsbilanzentwicklung und die Integration der Arbeits-, Finanz- und Produktmärkte. Die Zahlungsbilanz schlug 2008/2009 um und wies nach den in den Boomjahren verzeichneten hohen Defiziten im Jahr 2009 einen Überschuss von rund 11 % des BIP auf, der 2012 auf 1 % des BIP abschmolz. Das Handelsbilanzdefizit ist nach 2008 erheblich zurückgegangen, hat sich seit der Erholung ab 2010 jedoch wieder ein wenig verschlechtert. Die erhebliche Korrektur des realen effektiven Wechselkurses in den Jahren 2009-2010 hat weitgehend Bestand, und Lettland hat weitere Exportmarktanteile gewonnen. Die Einkommensbilanz wurde 2009 positiv, worin sich die enormen Rückstellungen ausländischer Banken für Kreditverluste widerspiegeln, und kehrte 2011 ins Defizit zurück, als die meisten Banken wieder Gewinne machten. Der Saldo der ausländischen Direktinvestitionen (FDI) hat sich nach 2009 schrittweise verbessert, 2012 jedoch leicht rückläufig entwickelt. Das Zahlungsbilanzhilfeprogramm, das Lettland Ende 2008 von EU und IWF erhielt, wurde im Januar 2012 erfolgreich abgeschlossen. Von der im Rahmen dieses Programms zur Verfügung stehenden Gesamtsumme von 7,5 Mrd. EUR nahm Lettland insgesamt rund 4,5 Mrd. EUR in Anspruch. Vor dem Hintergrund des Vertrauens in seine Politik und seines wiedererlangten Marktzutritts hat Lettland auf die Beantragung eines Anschlussprogramms verzichtet. Während Lettland seine aus dem Programm erwachsenen Verbindlichkeiten gegenüber dem IWF bis Dezember 2012 vollständig beglichen hat, werden die Rückzahlungen an die Europäische Kommission von 2014 bis 2025 fällig.

Die lettische Wirtschaft ist über Handels- und FDI-Verflechtungen gut in die EU-Wirtschaft integriert, während der Arbeitsmarkt eine hohe Mobilität im Rahmen der EU und eine erhebliche Flexibilität gezeigt hat, wenngleich die strukturelle Arbeitslosigkeit hoch ist. Bei den Rahmenbedingungen für Unternehmen liegt Lettland ausgewählten Indikatoren zufolge in etwa gleichauf mit dem Durchschnitt der Staaten des Euro-Währungsgebiets. Der inländische Finanzsektor ist, vor allem dank des hohen Anteils ausländischer Beteiligungen am Bankensystem, in erheblichem Maße in das EU-Finanzsystem integriert. Im Rahmen der internationalen Finanzhilfeprogramms wurde die Finanzaufsicht erheblich verschärft. Die Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden des Herkunftslands wurde weiter ausgebaut.

Lettland hat eine lange Tradition und einige Wettbewerbsvorteile im Bereich von Dienstleistungen an gebietsfremde Bankkunden, hauptsächlich Unternehmen aus den GUS-Staaten. Die Aufsicht über das gebietsfremde Bankgeschäft birgt zusätzliche Herausforderungen, unter anderem aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters der Transaktionen. Die nationale Aufsichtsbehörde hat mehrere Maßnahmen umgesetzt, um die besonderen Risiken dieser Wirtschaftstätigkeit zu begrenzen; Banken, deren Geschäftsmodell auf Gebietsfremde ausgerichtet ist, müssen einen hohen Anteil an liquiden Mitteln vorhalten und unterliegen zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen. In Zukunft werden die genaue Beobachtung von Risiken für die Finanzstabilität, die Bereitschaft, erforderlichenfalls weitere regulatorische Maßnahmen zu ergreifen, und die entschlossene Umsetzung der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche von zentraler Bedeutung sein.

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Nach Bewertung der Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften und der Erfüllung der Konvergenzkriterien sowie unter Berücksichtigung der sonstigen Faktoren ist die Kommission unter der Voraussetzung, dass der Rat ihrer Empfehlung folgt und seinen Beschluss über das Bestehen eines übermäßigen Defizits aufhebt, der Auffassung, dass Lettland die Voraussetzungen für die Einführung des Euro erfüllt.

[1]               Die Mitgliedstaaten, die die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung des Euro noch nicht erfüllen, werden als „Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt“ bezeichnet. Dänemark und das Vereinigte Königreich haben vor Annahme des Vertrags von Maastricht Regelungen ausgehandelt, die die Möglichkeit der Nichtteilnahme vorsehen, und beteiligen sich nicht an der dritten Stufe der WWU.

[2]               Verfügbar unter: http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/sgp/convergence/programmes/2013_en.htm

[3]               Die Kommission veröffentlichte ihren ersten Warnmechanismus-Bericht (WMB) im Februar 2012 und den zweiten im November 2012 (im Rahmen des Bewertungsrunde für 2013). Entsprechend den Schlussfolgerungen der beiden Berichte war Lettland nicht Gegenstand einer eingehenden Prüfung im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht.

[4]               Für die Zwecke des Preisstabilitätskriteriums wird die Inflation am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessen, der in der Verordnung (EG) Nr. 2494/95 des Rates definiert ist.

[5]               Alle im vorliegenden Bericht enthaltenen Prognosen für die Inflation und sonstige Variablen stammen aus der Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen. Die Kommissionsprognosen beruhen auf einer Reihe allgemeiner Annahmen für externe Variablen und der Annahme einer unveränderten Politik, berücksichtigen aber gleichzeitig die Maßnahmen, zu denen ausreichende Angaben vorliegen. Die Prognose des Referenzwerts ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, da sie auf der Grundlage der Inflationsprognosen für die drei im betreffenden Zeitraum voraussichtlich preisstabilsten Mitgliedstaaten erstellt wird, wodurch sich die potenzielle Fehlermarge erhöht.

[6]               Stichtag für die in diesem Bericht verwendeten Daten ist der 16. Mai 2013.

[7]               Litauen bzw. Irland.

[8]               Im April 2013 lag der Zwölfmonatsdurchschnitt der Inflationsrate in Griechenland bei 0,4 % und im Euro-Währungsgebiet bei 2,2 %, wobei der Abstand in den kommenden Monaten voraussichtlich noch größer wird.

[9]               Eine Richtlinie über Mindestanforderungen an die nationalen Haushaltsrahmen, zwei neue Verordnungen über die makroökonomische Überwachung und drei Verordnungen zur Änderung des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) sind am 13. Dezember 2011 in Kraft getreten (eine der beiden neuen Verordnungen über die makroökonomische Überwachung und eine der drei Verordnungen zur Änderung des SWP sehen neue Durchsetzungsmechanismen für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets vor). Neben der Operationalisierung des Schuldenstandkriteriums im Defizitverfahren wurde mit diesen Änderungen eine Reihe wichtiger Neuerungen im Stabilitäts- und Wachstumspakt eingeführt, insbesondere ein Richtwert für die Ausgaben, um die Bewertung der Fortschritte bei der Erreichung des länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziels zu ergänzen.

[10]             Bei der Bewertung des Wechselkurskriteriums überprüft die Kommission, ob der Wechselkurs in der Nähe des Leitkurses im WKM II lag, wobei gemäß der Gemeinsamen Erklärung des informellen ECOFIN-Rates zu Beitrittsländern und WKM II vom 5. April 2003 in Athen mögliche Gründe für eine Aufwertung berücksichtigt werden können.

[11]             Der Referenzwert für April 2013 wird berechnet als einfaches Mittel der durchschnittlichen Langfristzinssätze in Schweden (1,6 %), Lettland (3,8 %) und Irland (5,1 %).

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