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Document 52002DC0045

Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Anwendung der Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika sowie der Regierung Kanadas über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2000

/* KOM/2002/0045 endg. */

52002DC0045

Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Anwendung der Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika sowie der Regierung Kanadas über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2000 /* KOM/2002/0045 endg. */


BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT über die Anwendung der Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika sowie der Regierung Kanadas über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2000

1. Vereinigte Staaten

1.1. Einführung

Am 23.9.1991 schloss die Kommission ein Abkommen mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln [1] (das "Abkommen von 1991") mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden zu fördern. Durch gemeinsamen Beschluss des Rates und der Kommission vom 10.4.1995 [2] wurde das Abkommen genehmigt und für anwendbar erklärt.

[1] Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regieurng der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln (ABl. L 95 vom 27.4.1995, S. 47-50).

[2] Siehe ABl. L 95 vom 27.4.1995, S. 45 f.

Am 29.5.1998 genehmigten der Rat und die Kommission durch gemeinsamen Beschluss ein weiteres Abkommen zur Stärkung der "Positive Comity"-Grundsätze des Abkommens von 1991. Das Abkommen von 1998 trat am 4.6.1998 in Kraft [3].

[3] Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung der "Positive Comitiy"-Grundsätze bei der Durchsetzung ihrer Wettbewerbsregeln, ABl. L 173 vom 18.6.1998, S. 26-31.

Am 8.10.1996 verabschiedete die Kommission ihren ersten Bericht über die Anwendung des Abkommens von 1991 für den Zeitraum vom 10.4.1995 bis 30.6.1996 [4]. Der zweite Bericht erstreckt sich auf die zweite Jahreshälfte 1996 vom 1.7.1996 bis 31.12.1996 [5]. Der dritte Bericht umfasst das gesamte Kalenderjahr 1997 [6], der vierte Bericht das Jahr 1998 [7] und der fünfte Bericht das Jahr 1999 [8]. Der vorliegende Bericht gilt für das Kalenderjahr vom 1.1.2000 bis 31.12.2000 und sollte in Verbindung mit dem ersten Bericht gelesen werden, der die Vorteile, aber auch die Grenzen dieser Art der Zusammenarbeit eingehend darlegt.

[4] KOM(96) 479 endg., siehe XXVI. Bericht über die Wettbewerbspolitik, S. 299-311.

[5] KOM(97) 346 endg., siehe XXVI. Bericht über die Wettbewerbspolitik, S. 312-318.

[6] KOM(98) 510 endg., siehe XXVII. Bericht über die Wettbewerbspolitik, S. 317-327.

[7] KOM(1999) 439 endg., siehe XXVIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik, S. 313-328.

[8] KOM(2000) 618 endg., siehe XXIX. Bericht über die Wettbewerbspolitik, S. 319-332.

Das Abkommen von 1991 sieht im Wesentlichen Folgendes vor:

- Mitteilung der Fälle, die von den Wettbewerbsbehörden einer Partei bearbeitet werden, soweit sie wichtige Belange der anderen Partei berühren (Artikel II), und Informationsaustausch über allgemeine Angelegenheiten, die die Anwendung der Wettbewerbsregeln betreffen (Artikel III);

- Zusammenarbeit und Koordinierung des Vorgehens der Wettbewerbsbehörden beider Parteien (Artikel IV);

- ein herkömmliches "Comity"-Verfahren, wonach sich jede Partei verpflichtet, wichtige Belange der anderen Partei bei ihren Durchsetzungsmaßnahmen zu berücksichtigen (Artikel VI);

- ein "Positive Comity"-Verfahren, wonach jede Partei die andere Partei ersuchen kann, gegen wettbewerbswidrige Verhaltensweisen auf dem Gebiet der anderen Partei, die wichtige Belange der ersuchenden Partei beeinträchtigen, nach Maßgabe des Wettbewerbsrechts der ersuchten Partei vorzugehen (Artikel V).

Das Abkommen von 1991 stellt überdies unmissverständlich fest, dass das Abkommen nicht auf eine Weise ausgelegt werden darf, die mit dem in Europa und den USA geltenden Recht unvereinbar ist (Artikel IX). Die Wettbewerbsbehörden unterliegen im übrigen, was die Vertraulichkeit der im Rahmen ihrer Untersuchungen gesammelten Angaben betrifft, dem innerstaatlichen Recht (Artikel VIII).

Das Abkommen von 1998 präzisiert das Verfahren des "Positive Comity" und die Voraussetzungen für dessen Inanspruchnahme. Unter anderem werden die Bedingungen genannt, unter denen die ersuchende Partei normalerweise ihre eigenen Durchsetzungsmaßnahmen aussetzt, wenn die ersuchte Partei sich des Falles angenommen hat.

1.2. Fallspezifische Zusammenarbeit im Jahr 2000

Im Laufe des Jahres 2000 hat sich die Zusammenarbeit zwischen der Kommission einerseits und der Antitrust Division des United States Departments of Justice (DoJ) und der US Federal Trade Commission (FTC) andererseits noch intensiviert. Tatsächlich werden die Kontakte zwischen Kommissionsbeamten und ihren Kollegen in den beiden US-Behörden immer häufiger. Bei diesen Kontakten werden nicht nur eingehende fallspezifische Erörterungen geführt, sondern auch allgemeinere, manchmal theoretische wettbewerbspolitische Themen besprochen. Auch auf höherer Ebene finden relativ regelmäßig Begegnungen statt. Sowohl im Bereich der Durchsetzung, wo unnötige Konflikte oder Widersprüche vermieden werden, als auch für das Verständnis der beiderseitigen Wettbewerbssysteme ist die Zusammenarbeit ein erheblicher Gewinn.

1.2.1. Fusionsfälle

Im Jahr 2000 ist auf beiden Seiten des Atlantiks die bisher größte Zahl von Zusammenschlussvorhaben gleichzeitig untersucht worden. Bei der Untersuchung dieser Vorhaben führen die Task Force "Fusionskontrolle" der GD Wettbewerb einerseits und das DoJ sowie die FTC andererseits fast täglich Gespräche miteinander. Eine solche Zusammenarbeit ist natürlich besonders effizient, wenn die beteiligten Unternehmen den EU- und den US-Behörden erlauben, die mit der Anmeldung übermittelten Informationen durch einen Geheimhaltungsverzicht miteinander auszutauschen, was keine Seltenheit mehr ist.

Die transatlantische Zusammenarbeit war im Jahr 2000 besonders intensiv bei den Mega-Fusionsfällen in den Bereichen Neue Ökonomie und Multimedia, z. B. in den Fällen AOL/Time Warner, Time Warner/EMI und MCI WorldCom/Sprint. Im Anschluss an die Geheimhaltungsverzichte der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen wurden die meisten materiellrechtlichen Fragen in diesen Fällen in enger Zusammenarbeit gewürdigt. Vertreter des DoJ (MCI WorldCom/Sprint) und der FTC (AOL/Time Warner, Time Warner/EMI) nahmen an den Anhörungen der Fusionspartner teil, während die Sachbearbeiterstäbe regelmäßig miteinander telefonierten, E-Mails und Dokumente austauschten und anderweitige Kontakte pflegten.

In den Fällen AOL/Time Warner und Time Warner/EMI konzentrierten sich die Gespräche beider Seiten insbesondere auf die Würdigung der etwaigen Auswirkungen der Zusammenschlussvorhaben auf den Wettbewerb in den Musikmärkten (z. B. Musikaufnahmen, Musikverlagswesen und Online-Musik). Wegen der Einwände der Kommission aber wurde schließlich auf die Transaktion verzichtet und zogen die Unternehmen ihre Anmeldung zurück. Den Zusammenschluss von AOL und Time Warner genehmigte die Kommission unter der Bedingung, dass sich der deutsche Medienkonzern Bertelsmann aus den Gemeinschaftsunternehmen mit AOL zurückzieht.

Bei MCI WorldCom/Sprint gelangte die Kommission sehr schnell zu dem Schluss, dass dieses Zusammenschlussvorhaben zwischen zwei US-Telekommunikationsgesellschaften weltweite Auswirkungen haben würde. Internet ist von seinem Wesen her global. Ob Anbieter von Internet-Zugängen und Internet-Diensten, Anbieter von Internet-Inhalten oder Endverbraucher, alle wollen weltweite Anschlüsse. Die Kommission hatte bereits 1998 festgestellt, als sie den Zusammenschluss zwischen WorldCom und MCI untersuchte, dass es einen weltweiten Markt für erstrangige (universelle) Internet-Netzanschlussdienste gibt und dass sich dieser Zusammenschluss nicht nur auf die US-Verbraucher, sondern auch u. a. auf die Verbraucher in der Europäischen Union auswirken würde. Auch im Falle von MCI WorldCom/Sprint war einer der relevanten Märkte der Markt für erstrangige Internet-Netzanschlussdienste. MCI WorldCom/Sprint war das erste Fusionsvorhaben mit einem US-Unternehmen, das die Kommission untersagt hat.

Die Kommission und die FTC haben auch bei dem Zusammenschluss von Boeing und Hughes eng zusammengearbeitet. Die Kommission genehmigte diesen Zusammenschluss nach einer eingehenden Untersuchung und Verpflichtungszusagen der beteiligten Unternehmen, die ihre früheren Bedenken aus dem Weg räumten, dass die Fusion zur Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung auf den Märkten für Geo-Satelliten und Startdienste führen könnte.

Die Kommission hat eng mit der FTC in der Sache AstraZeneca/Novartis zusammengearbeitet, insbesondere zur Lösung der Probleme auf den Märkten für Fungizide für den Getreide- und Herbizide für den Maisanbau. Die Zusammenarbeit war hier besonders nützlich, da den beiden Behörden zur Lösung der Wettbewerbsprobleme auf mehreren regionalen Märkten dieselben Verpflichtungen angeboten worden waren. Beide Behörden mussten gewährleisten, dass bei der Veräußerung des weltweiten Strobilurin-Geschäfts durch Novartis und des weltweiten Acetochlor-Geschäfts durch AstraZeneca die endgültigen Zusagen in keinem Widerspruch zueinander standen und der Käufer akzeptiert werden konnte. Wegen der Forderung der FTC, für diese Geschäfte einen Käufer zu haben, bevor die Transaktion genehmigt wird, hatten sich die beteiligten Unternehmen bereits nach einem Käufer umgesehen, bevor die Zusage auch von der Kommission akzeptiert werden konnte.

Im Alcoa/Reynolds-Fall haben die Bearbeitungsteams auf beiden Seiten des Atlantiks (Kommission und DoJ), aber auch die Kommission sowie die kanadischen und australischen Wettbewerbsbehörden zusammengearbeitet. An der Anhörung der fusionierenden Unternehmen beteiligten sich Vertreter sowohl der amerikanischen als auch der kanadischen Behörden. Die Fusion wurde schließlich unter der Voraussetzung genehmigt, dass signifikante Vermögensbestände veräußert werden.

1.2.2. Nichtfusionsfälle

Bei der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den US-Kartellbehörden in Nichtfusionsfällen konnte im Laufe des Jahres 2000 eine generelle Zunahme beobachtet werden. Bezüglich des sogenannten B2B-Marktplatzes "Covisint" (eine von sechs großen Kfz-Ersatzteilherstellern errichtete Zuliefererbörse) führte die Kommission beispielsweise eine Reihe informeller Meinungsaustausche mit dem FTC-Team, das denselben Vorgang untersuchte.

Im Kartellsektor sind die Kontakte nicht so häufig. Dies hängt damit zusammen, dass wir im Rahmen unserer jetzigen Kooperationsvereinbarungen keine vertraulichen Informationen austauschen dürfen, wenn diese nicht ausdrücklich für den Austausch freigegeben worden sind. Dennoch hat sich die Zusammenarbeit auch hier wesentlich verbessert; die Kontakte zwischen den zuständigen Kommissions- und DoJ-Diensten sind alltäglich geworden.

1.3. Verwaltungsvereinbarungen über die Teilnahme an Anhörungen

Die Kommission nahm am 31. März 1999 einen Vorschlag für Verwaltungsvereinbarungen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und den Vereinigten Staaten über die Teilnahme an bestimmten dem Wettbewerbsrecht der anderen Partei unterliegenden Verfahrensabschnitten an [9]. Diese Vereinbarungen fügen sich in das Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregelne ein, insbesondere in die Bestimmungen über die Koordinierung der Durchsetzungsmaßnahmen.

[9] Bulletin EU 3-1999, Wettbewerb (18/43); Bericht 1999 KOM(2000) 618 endg., S. 5.

Von den neuen Vereinbarungen wurde erstmals im Dezember 1999 Gebrauch gemacht, als Vertreter der FTC an der Anhörung der Kommission im Fusionsfall BOC/Air Liquide teilnahmen. Im Jahre 2000 nahmen Vertreter sowohl des DoJ als auch der FTC an mehreren Anhörungen teil (TimeWarner/EMI, AOL/TimeWarner, WorldCom MCI/Sprint, Alcoa/Reynolds), während ein Kommissionsbeamter zum ersten Mal an einem sogenannten "Pitch Meeting" zwischen dem DoJ und den fusionierenden Unternehmen teilnahm (WorldCom MCI/Sprint).

1.4. EU/US-Arbeitsgruppe "Fusionen"

Auf dem Jahrestreffen der Kommission (GD Wettbewerb), der FTC und des DoJ in Brüssel am 5. Oktober 1999 wurde beschlossen, eine neue EU/US-Arbeitsgruppe einzusetzen mit dem Ziel, die transatlantische Zusammenarbeit bei der Kontrolle weltumspannender Fusionen zu verbessern.

Zwar ist die Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA bei Fusionen sehr erfolgreich, doch sind Verbesserungen nach wie vor möglich, insbesondere angesichts der derzeitigen Fusionsfälle und der auffälligen Zunahme grenzübergreifender Megafusionen. Längerfristig könnte die Arbeitsgruppe außerdem damit beauftragt werden, andere Wettbewerbsfragen von gemeinsamem Interesse zu untersuchen.

Bisher hat die Arbeitsgruppe ihre Energien auf das Thema der Abhilfemaßnahmen verwendet. Im Laufe des vergangenen Jahres (2000) fanden Dreier-Gespräche (zwischen Kommission, DoJ und FTC) in einer Sitzung und mehreren Tele-/Videokonferenzen statt. Die Beratungen waren für die drei Behörden gleichermaßen, insbesondere aber für die Kommission bei der Ausarbeitung ihrer kürzlich angenommenen Mitteilung über Verpflichtungszusagen in Fusionsfällen von Nutzen [10].

[10] Mitteilung der Kommission über im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 und der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission zulässig Abhilfemaßnahmen, ABL C 68 vom 2.3.2001, S. 3-11.

1.5. "Positive Comity"

Die "Positive Comity"-Bestimmungen in Artikel V des Abkommens von 1991 [11] wurden das erste und bisher einzige Mal 1997 vom DoJ geltend gemacht. Das DoJ hatte die Kommission ersucht, das etwaige wettbewerbswidrige Verhalten von vier Luftverkehrsunternehmen (Air France, SAS, Lufthansa und Iberia) zu untersuchen, denen das computergestützte Buchungssystem Amadeus in Europa gehörte oder dem sie angeschlossen waren. Das damals von American Airlines betriebene Buchungssystem SABRE hatte sich beim DoJ über das Konkurrenten ausschließende Verhalten der Amadeus-Eigentümer bzw. -Mitglieder beschwert. Nach dem DoJ-Antrag leitete die Kommission eine Untersuchung ein und richtete 1999 an Air France eine Mitteilung von Beschwerdepunkten, die sich auf einige der ursprünglichen Behauptungen stützte. Die Untersuchung wurde im Juli 2000 erfolgreich abgeschlossen [12], nachdem Air France einem Verhaltenskodex zugestimmt und damit SABRE ebenso wie anderen Buchungssystemen ähnliche Bedingungen wie für das teilweise eigene System Amadeus anbot. Sabre hatte bereits vorher ähnliche Vereinbarungen mit SAS und Lufthansa geschlosen.

[11] Der Antrag wurde vor Abschluss des "Positive Comity"-Abkommens von 1998 gestellt.

[12] Siehe Pressemitteilung der Kommission IP/00/835 vom 25.7.2000.

Innovative Zusammenarbeit dieser Art kündigt die Möglichkeit einer bedeutenden Arbeitsteilung zwischen Einrichtungen in verschiedenen Teilen der Welt an. "Positive Comity" bietet insbesondere die Möglichkeit, ein etwaiges Wettbewerbsproblem von der Einrichtung bearbeiten zu lassen, die hierzu am besten in der Lage ist, insbesondere was die Ermittlungen oder mögliche Sanktionen betrifft.

1.6. Hochrangige Kontakte

Außerdem waren zahlreiche hochrangige Kontakte zwischen der Kommission und den zuständigen US-Behörden im Laufe des Jahres 2000 zu verzeichnen: Das für Wettbewerb zuständige Kommissionsmitglied Monti stattete im Juni zum ersten Mal einen ausgiebigen offiziellen Besuch in Washington ab; bei dieser Gelegenheit traf er u. a. mit wichtigen Mitgliedern der Verwaltung und des Kongresses zusammen. Die Jahressitzung zwischen der Kommission und dem DoJ und der FTC fand im Juli in Washington statt. Außerdem kam es zu Sitzungen mit dem US-Verkehrsministerium, der US-Behörde für Kommunikation und der US-Behörde für den Seeverkehr (die in ihren jeweiligen Bereichen in gewissem Umfange auch für wettbewerbspolitische Fragen zuständig sind).

1.7. Statistische Angaben

a) Anzahl der von der Kommission und den US-Behörden notifizierten Fälle

Vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2000 wurden von der Kommission 104 Fälle notifiziert, die im Anhang 1 als Fusionsfälle und Nichtfusionsfälle aufgeführt sind.

Im gleichen Zeitraum erhielt die Kommission von den US-Behörden insgesamt 58 Notifizierungen: 32 vom DoJ und 26 von der FTC. Diese Notifizierungen sind ebenfalls als Fusions- bzw. Nichtfusionsfälle im Anhang 2 aufgeführt.

Fusionen machen den größten Teil aller Notifizierungen auf beiden Seiten aus. Von der Kommission wurden 85 Fusionen und von den US-Behörden 49 gemeldet.

Die Zahlen entsprechen der Anzahl der Fälle, in denen eine (oder mehr) Notifizierungen erfolgt sind, und nicht der Gesamtzahl der Einzelnotifizierungen. Nach Artikel II des Abkommens sind Notifizierungen in verschiedenen Verfahrensabschnitten möglich, so dass für einen Fall mehrere Notifizierungen erfolgen können.

In Tabelle 1 ist die Anzahl der Fälle angegeben, die vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2000 nach dem Abkommen von 1991 notifiziert wurden. Tabelle 2 enthält die Anzahl der seit 23. September 1991 insgesamt notifizierten Fälle.

Tabelle 1

NOTIFIZIERTE FÄLLE

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

Tabelle 2

NOTIFIZIERTE FÄLLE

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

b) Notifizierungen der Kommission an die Mitgliedstaaten

Nach dem Auslegungsschreiben der Europäischen Gemeinschaften an die Vereinigten Staaten (sowie der Transparenz-Mitteilung der Kommission an den Rat vom 10. April 1995) setzt die Kommission nach Mitteilung an die amerikanischen Wettbewerbsbehörden den oder die Mitgliedstaaten, dessen/deren Belange berührt sind, über die Notifizierungen in Kenntnis, die ihr die US-Wettbewerbsbehörden übersandt haben. Die Notifizierungen der amerikanischen Behörden werden unverzüglich an die zuständigen Dienststellen der GD Wettbewerb weitergeleitet, während gleichzeitig Kopien der Notifizierungen an die Mitgliedstaaten, deren Belange berührt sind, versandt werden. Ebenso gehen Kopien an die betroffenen Mitgliedstaaten, wenn die GD Wettbewerb die amerikanischen Behörden über Wettbewerbsfälle unterrichtet.

In den meisten Fällen übermitteln die US-Behörden aufgrund der OECD-Empfehlung die Notifizierungen den Mitgliedstaaten direkt [13]. Im Berichtszeitraum wurden 45 Fälle dem Vereinigten Königreich, 30 Fälle Deutschland, 19 Fälle Frankreich, je 12 Fälle den Niederlanden und Schweden, 6 Fälle Spanien, je 4 Fälle Belgien, Finnland und Italien, 3 Fälle Irland und je 2 Fälle Österreich, Dänemark und Luxemburg notifiziert.

[13] Überarbeitete Empfehlung des OECD-Rates vom 27./28. Juli 1995 betreffend die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei wettbewerswidrigen Verhaltensweisen, die den internationalen Handel beeinträchtigen.

1.8. Schlussfolgerung

Die Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA in Wettbewerbsangelegenheiten hat sich 2000 weiter verstärkt. Die zuständigen Behörden arbeiteten vor allem bei grenzüberschreitenden Fusionsfällen eng zusammen, was sich im Ergebnis positiv bemerkbar machte. Dadurch hat sich auch die Herangehensweise der EU- und der US-Behörden bei der Beurteilung etwaiger wettbewerbswidriger Auswirkungen von Fusionen stärker angenähert. Dasselbe gilt für die Festlegung und Durchsetzung von Abhilfen und für deren Kontrolle nach Vollzug des Zusammenschlusses.

Außerdem haben die EU- und US-Behörden im Laufe des Jahres mehr Kontakte bei der Untersuchung von Nichtfusionsfällen, insbesondere bei der Bekämpfung weltweiter Kartelle gepflegt. Kommission, DoJ und FTC bleiben ständig im Dialog über allgemeine Fragen der Wettbewerbspolitik und Durchsetzungsfragen von gemeinsamem Interesse.

2. Kanada

2.1. Einleitung

Mit ihrem Kooperationsabkommen im Bereich des Wettbewerbs wollen die EU und Kanada ihre Zusammenarbeit bei der Anwendung ihres jeweiligen Wettbewerbsrechts erleichtern und verstärken. Dieses Abkommen wurde am 17. Juni 1999 auf einem Gipfeltreffen in Bonn unterzeichnet und trat mit seiner Unterzeichnung in Kraft.

Das Abkommen enthält folgende Kernbestimmungen: (i) Mitteilung von Fällen, die von den Wettbewerbsbehörden einer Partei bearbeitet werden, wenn diese Fälle wichtige Belange der anderen Partei berühren; (ii) Koordinierung der beiderseitigen Durchsetzungsmaßnahmen und gegenseitige Amtshilfe; (iii) das "Positive Comity", wonach eine Partei die andere ersuchen kann, Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen, und das herkömmliche "Comity", wonach eine Partei die wichtigen Belange der anderen Partei im Rahmen ihrer Durchsetzungsmaßnahmen berücksichtigen kann; und (iv) Informationsaustausch unter Berücksichtigung der Geheimhaltungspflichten bei vertraulichen Informationen. Dieses Abkommen ähnelt weitgehend dem Abkommen, das die Europäische Union und die Vereinigten Staaten 1991 geschlossen haben.

2.2. Notifizierungen

a) Anzahl der von der Kommission und den kanadischen Behörden notifizierten Fälle

In der Zeit vom 17. Juni 1999 bis Dezember 1999 notifizierte die Kommission vier Fälle, im Jahr 2000 neun. Die Kommission erhielt vom kanadischen Wettbewerbsamt 1999 drei und im Jahr 2000 zehn Notifizierungen.

Tendenziell ist festzustellen, dass die Zahl der von der Kommission notifizierten Fusionsfälle stärker zunimmt als die Zahl der Nichtfusionsfälle. Dies ergibt sich aus dem in der Fusionskontrollverordnung vorgesehenen Verfahren, wonach die Kommission bei Erhalt einer Anmeldung im Amtsblatt den Umstand der Notifizierung bekannt geben muss. Die Hauptbereiche der Zusammenarbeit waren: Luftverkehrsunternehmen, Aluminium, integrierte Elektronik, Telekom-Netze, Fernsehkabel und -inhalte, Verkehr.

Viele der im Berichtszeitraum notifizierten Fälle sind noch nicht erledigt, insbesondere die, welche in den Anwendungsbereich der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag fallen. Es ist daher nicht möglich, sie hier eingehend zu erörtern oder namentlich zu erwähnen, außer sie waren bereits Gegenstand einer Kommissionsmitteilung oder -bekanntmachung.

Fusionsfälle hingegen, die notifiziert worden sind und Gelegenheit zu einer Zusammenarbeit auf der Grundlage des Abkommens gegeben haben, sind inzwischen wegen der knappen Fristen der Fusionskontrollverordnung [14] größtenteils abgeschlossen und können deshalb in diesem Bericht erörtert werden.

[14] Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1 (berichtigte Fassung im ABL. L 257 vom 21.9.1990, S. 13) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30 Juni 1997 geänderten Fassung.

Aufgrund des Vertraulichkeitsgrundsatzes, der für kanadische Verfahren gilt, und dem auch die Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel X des Abkommens unterliegen, darf zudem auf Fälle, die die kanadischen Behörden noch nicht abgeschlossen haben oder die aus anderen Gründen vertraulich zu behandeln sind, nur bedingt Bezug genommen werden, auch wenn die Ermittlungen der Europäischen Kommission in diesen Fällen bereits abgeschlossen und die Fälle aus ihrer Sicht erledigt sind.

b) Notifizierungen der Kommission an die Mitgliedstaaten und Drittländern

Alle Mitgliedstaaten, deren Belange berührt sein können, erhalten zur gleichen Zeit wie die zuständigen Dienststellen der GD Wettbewerb eine Kopie der von der kanadischen Wettbewerbsbehörde übermittelten Notifizierungen. Gleiches gilt im umgekehrten Fall, wenn die GD Wettbewerb der kanadischen Behörde Mitteilung über wettbewerbsrelevante Fälle macht. Während des Berichtszeitraums wurden 6 Fälle Deutschland, 5 Fälle Frankreich, je 2 Fälle dem Vereinigten Königreich und Dänemark und je 1 Fall den Niederlanden, und notifiziert.

2.3. Zusammenarbeit

Wir haben mit unseren kanadischen Kollegen sehr positive Erfahrungen bei der Zusammenarbeit gemacht. Wie zusammengearbeitet wird, hängt von jedem Einzelfall ab: Dabei kann es um Fragen wie Verfahrensfristen oder Koordinierung der geplanten Abhilfemaßnahme gehen.

Die alltägliche Zusammenarbeit zwischen der GD Wettbewerb und den kanadischen Wettbewerbsamt verläuft eher reibungslos. Sie ähnelt in kleinerem Maßstab der Zusammenarbeit aufgrund des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten. Bei der Untersuchung von Fusionsfällen kommt es zu häufigen Kontakten, und das kanadische Amt nahm an mehreren Anhörungen teil. Sollte die Gemeinschaft ein wirkliches Interesse an einem Verfahren in Kanada haben, so wird auch sie an Anhörungen teilnehmen. In den Fällen Dow Chemical/Union Carbide und Alcoa/Reynolds haben bemerkenswerterweise Telekonferenzen und -sitzungen zwischen der EG, den USA und Kanada stattgefunden.

2.4. Einzelfälle

Die erste von Kanada im Jahr 2000 erhaltene Notifizierung betraf den geplanten Erwerb der Union Carbide Corporation durch Dow Chemical, der bereits zusammen mit den US-Behörden untersucht wurde. Alle übrigen Notifizierungen während dieses Jahres betrafen Kartelle.

Besonders hervorzuheben ist von unserer Seite die enge Zusammenarbeit mit den kanadischen Behörden in der Sache Vivendi/Canal+/Seagram. Im Anschluss an eine Marktuntersuchung stellte die Kommission fest, dass drei Märkte von diesem Zusammenschuss betroffen würden, nämlich Pay-TV, der pan-europäische Wachstumsmarkt für Portale und der Wachstumsmarkt für Online-Musik. Der Zusammenschluss wurde abschließend unter der Voraussetzung genehmigt, dass Vivendi seine Beteiligung am britischen Pay-TV BSKyB veräußert und konkurrierenden Pay-TV-Betreibern Zugang zu Filmen von Universal gibt.

2.5. Schlussfolgerung

Durch das Abkommen sind sich die Kommission und das kanadische Wettbewerbsamt nähergerückt und ist das Verständnis für die Wettbewerbspolitik der anderen Seite größer geworden. Immer mehr Fälle werden von beiden Wettbewerbsbehörden untersucht, und die Einsicht, wie wichtig es ist, kontradiktorische Entscheidungen zu vermeiden und Durchsetzungsmaßnahmen soweit zu koordinieren, wie dies für beide Seiten von Vorteil ist, nimmt infolge dessen ebenfalls zu.

ANHANG I

NOTIFIZIERUNGEN DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION AN DIE US-BEHÖRDEN VOM 1.1.2000 - 31.12.2000

Fusionsfälle

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

Nichtfusionsfälle [15]

[15] Wegen der Vertraulichkeits- und Geheimhaltungspflicht sind in dieser Liste nur die bereits öffentlich begannt gegebenen Untersuchungen oder Fälle aufgeführt.

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

ANHANG 2

NOTIFIZIERUNGEN DER US-BEHÖRDEN AN DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION - 1.1.2000 - 31.12.2000

Fusionsfälle [16]

[16] Wegen der Vertraulichkeits- und Geheimhaltungspflicht sind in dieser Liste nur die bereits öffentlich begannt gegebenen Untersuchungen oder Fälle aufgeführt.

01 Carnival Corp/NCL Holding ASA

02 Chemdal Corp & Chemdal Asia/BASF

03 Transportacion Maritima Mexicana/Stolt-Nielsen Transportation Group (JV)

04 American Home Products Corp/Warner-Lambert Co

05 Deere/Metso & Timberjack & Marsta

06 Dairy Farmers/SODIAAL North America Corp

07 Valmet Corp & Groupe Laperriere and Verreault Inc/Beloit Corp

08 Time Warner Inc/EMI Group plc

09 Alcoa Inc/Reynolds Metals Co

10 Novartis AG/Astra Zeneca plc

11 Boeing Co/Hughes Electronics Corp

12 PE Corp/Third Wave Technologies Inc

13 Lafarge SA/Blue Circle Industries plc

14 Carson Inc/L'Oreal

15 Glaxo Wellcome/SmithKline Beecham

16 Warner Lambert/Pfizer Inc

17 Newbridge Networks Corp/Alcatel

18 Lernout & Hauspie Speech products nv/Dragon Systems Inc

19 Charter plc/Lincoln Electric Holdings Inc

20 National Tobacco Co/Swedich Match

21 Williams plc/Assa Abloy AB

22 AOL/America on Line Inc

23 Lockheed Martin Corp/BAE Systems plc

24 Schlumberger Ltd/Baker Hughes Inc

25 Covisint/General Motors/Ford Motor/Daimler Chrysler/Nissan Motor/Renault/ Oracle/Commerce One (JV)

26 Wesley Jessen VisionCare Inc/Novartis

27 CRH plc & Hanson plc/Pioneer Roofing Tile Inc (JV)

28 BASF/Shell Petroleum NV (JV)

29 Hannaford Bros Supermarkets Co/Food Lion Inc

30 Svedala Industri AB/Metso Oyj

31 Voicestream Wireless Corp/Deutsche Telekom

32 Renault/ Aktiebolaget Volvo

33 Delta Air Lines/Air France

34 Atecs Mannesmann AG/Siemens AG & Robert Bosch GmbH

35 Mallinckrodt Inc/Tyco International Ltd

36 BAE Systems plc/Lockheed Martin Corp

37 Svedala Industri AB/Metso Oyj

38 British Aviation Insurance Group Ltd (BAIG)/Associated Aviation Underwriters

39 Pillsbury Co/Diageo plc/General Mills Inc

40 Svedala Industri AB/Metso Oyj

41 Lesaffre/Red Star Yeast & Products Division of Universal Foods Corp

42 ASM Lithography NV/Silicon Valley Group Inc

43 Egide SA/Industrial Growth Partners/Electronic Protection Products

44 Quantum Corp/Maxtor Corp

45 Reed Elsevier Inc/Harcourt General Inc

46 Electronic foreign exchange (JV)

47 Krupp Werner & Pfleiderer/Georg Fisher & Westdeutsche Landesbank Girozentral

48 Pitt-des-Moines/Chicago Bridge & Iron Co

49 Harcourt/Thomson Corp

Nichtfusionsfälle [17]

[17] Wegen der Vertraulichkeits- und Geheimhaltungspflicht sind in dieser Liste nur die bereits öffentlich begannt gegebenen Untersuchungen oder Fälle aufgeführt.

01 Dywidag-Systems International USA Inc

02 Smith International/Schlumberger Ltd

03 Charge Carbone of America Industries Corp

04 -

05 Internationale Vitaminkartelle

06 -

07 Sotheby's Holdings Inc

08 -

09 -

ANHANG 3

NOTIFIZIERUNGEN DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION AN DIE KANADISCHEN BEHÖRDEN VOM 1.1.2000 - 31.12.2000

01 Sache Nr. COMP/M.1841 - CELESTICA/IBM

02 Sache Nr. COMP/JV.46 - Callahan Invest/Kabel Nordrhein-Westfalen

03 Sache Nr. COMP/M.1908 - Alcatel/Newbridge Networks

04 Sache Nr. COMP/M.1968 - Solectron/Nortel

05 Sache Nr. COMP/M.2050 - Vivendi/Canal+/Seagram

06 Sache Nr. COMP/M.2050 - Vivendi/Canal+/Seagram (erneute Notifizierung)

07 Sache Nr. COMP/M.2139 - Bombardier/Adtranz

08 Sache Nr. COMP/M.2217 - CELECTICA/NEC TECHNOLOGIES UK

09 Sache Nr. COMP/JV.50 - Callahan Invest/Kabel Baden-Württemberg

ANHANG 4

NOTIFIZIERUNGEN DER KANADISCHEN BEHÖRDEN AN DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION - 1.1.2000 - 31.12.2000

Da die 10 notifizierten Fälle noch anhängig und die Verfahren auf Grund des kanadischen Wettbewerbsgesetzes nicht öffentlich sind, können sie nicht einzeln genannt werden.

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