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Document 62014TJ0726

Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 17. Februar 2017.
Novar GmbH gegen Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum.
Außervertragliche Haftung – Nachweis über die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang der älteren Marke – Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union – Entscheidung, mit der der Widerspruch mangels Nachweises des älteren Rechts zurückgewiesen wird – Regel 19 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 – Abhilfe – Art. 62 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Schaden in Form von Anwaltskosten – Kausalzusammenhang.
Rechtssache T-726/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2017:99

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

17. Februar 2017 ( 1 )

„Außervertragliche Haftung — Nachweis über die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang der älteren Marke — Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union — Entscheidung, mit der der Widerspruch mangels Nachweises des älteren Rechts zurückgewiesen wird — Regel 19 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 — Abhilfe — Art. 62 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 — Schaden in Form von Anwaltskosten — Kausalzusammenhang“

In der Rechtssache T‑726/14

Novar GmbH mit Sitz in Albstadt (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Weede,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage nach Art. 268 AEUV auf Ersatz eines materiellen Schadens in Form von Anwaltskosten, der der Klägerin aus einer Beschwerde gegen eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung, die gegen Regel 19 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und gegen allgemeine Rechtsgrundsätze verstoßen habe, entstanden sein soll,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten H. Kanninen sowie der Richter E. Buttigieg (Berichterstatter) und L. Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2016

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Die Klägerin, die Novar GmbH, ist Inhaberin einer internationalen Registrierung, in der die Europäische Union benannt ist, für die Marke „FlexES“.

2

Am 15. Juni 2012 legte die Klägerin beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) einen auf diese Marke gestützten Widerspruch gegen die Anmeldung der Unionsmarke FLEXPS ein. Die Sprache des Widerspruchsverfahrens war Englisch.

3

Mit Schreiben vom 22. Juni 2012 teilte das EUIPO der Klägerin mit, dass ihr Widerspruch für zulässig erklärt worden sei, und setzte ihr gemäß Art. 41 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) und Regel 19 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1995, L 303, S. 1) eine Frist, um die Tatsachen, Beweismittel und Bemerkungen zur Stützung ihres Widerspruchs vorzubringen, darunter auch Nachweise für das Bestehen des älteren Rechts, auf das der Widerspruch gestützt wurde.

4

Das Schreiben enthielt zu diesem Nachweis für die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang der den Widerspruch stützenden älteren Rechte u. a. folgende Erläuterungen:

„In Bezug auf ältere [Unions]markenanmeldungen oder ‑eintragungen, auf denen der Widerspruch basiert, muss die Widersprechende keinen Nachweis über diese Marken einreichen, da das Amt über die nötigen Informationen in seiner Datenbank verfügt. Das Amt wird dem anderen Beteiligten einen Link zu dieser Datenbank (CTM-Online) übermitteln. Beachten Sie bitte ferner, dass dies auch gilt, wenn die ältere Marke eine internationale Registrierung … ist, in der die [Europäische Union] benannt ist, allerdings nur dann, wenn die Verfahrenssprache Englisch, Französisch oder Spanisch – die drei Amtssprachen der [Weltorganisation für geistiges Eigentum] (WIPO) – ist und die Daten in diesen drei Sprachen verfügbar sind.“

5

Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2012 änderte das EUIPO seine Praxis der Anwendung von Regel 19 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 2868/95 dahin, dass es seither in Fällen, in denen der Widerspruch auf eine internationale Registrierung unter Benennung der Union gestützt wird, Auszüge aus der EUIPO-Datenbank „CTM-Online“ bzw. „TM View“ nicht mehr als ausreichenden Nachweis für die Existenz einer älteren Marke betrachtet. Diese neue Praxis wurde für alle ab dem 1. Juli 2012 eingelegten Widersprüche befolgt.

6

Am 26. Oktober 2012 reichte die Klägerin einen Schriftsatz zur Begründung ihres Widerspruchs ein, ohne ihm Belege für die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang der älteren Marke beizufügen.

7

Mit Entscheidung vom 14. Mai 2013 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch auf der Grundlage von Regel 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 mit der Begründung zurück, dass die Existenz, die Gültigkeit und der Schutzumfang der älteren Marke durch die Klägerin nicht nachgewiesen worden seien.

8

Am 21. Mai 2013 legte die Klägerin beim EUIPO gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung unter Vorlage von Registerauszügen des EUIPO und der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) Beschwerde ein. Hilfsweise beantragte sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Frist für die Vorlage von Nachweisen zu der älteren Marke.

9

Am 27. Juni 2013 teilte die Widerspruchsabteilung der Klägerin und der Anmelderin der angegriffenen Unionsmarke gemäß Art. 62 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 mit, dass sie der Beschwerde abhelfen wolle, da der Widerspruch entgegen der Entscheidung vom 14. Mai 2013 als substantiiert hätte bewertet werden müssen.

10

Die Anmelderin der angegriffenen Unionsmarke stimmte am 27. August 2013 der Abhilfe gemäß Art. 62 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zu. Die Geschäftsstelle der Beschwerdekammern teilte der Klägerin am 9. Oktober 2013 mit, dass die Widerspruchsabteilung ihre Entscheidung vom 14. Mai 2013 abgeändert habe, das Beschwerdeverfahren geschlossen sei und die Beschwerdegebühr erstattet werde.

11

Das Widerspruchsverfahren wurde wiederaufgenommen, und mit Entscheidung vom 17. Oktober 2013 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch statt und wies die angegriffene Unionsmarkenanmeldung zurück. Diese Entscheidung wurde mangels einer Beschwerde der Beteiligten bestandskräftig.

12

Mit Schreiben vom 10. Februar und 24. März 2014 verlangte die Klägerin vom EUIPO gemäß Art. 118 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 Schadensersatz in Höhe von 2498 Euro für Anwaltskosten im Zusammenhang mit der Anfechtung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 14. Mai 2013.

13

Mit Schreiben vom 2. Mai 2014 wies das EUIPO den Antrag der Klägerin zurück.

Verfahren und Anträge der Parteien

14

Mit Klageschrift, die am 26. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

15

Die Klägerin beantragt,

das EUIPO zur Zahlung von 2498 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen;

dem EUIPO die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Prozessvertretung der Klägerin aufzuerlegen.

16

Das EUIPO beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

17

Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen. Es hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung die Parteien aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen, sowie ihnen schriftliche Fragen gestellt und sie aufgefordert, diese zum Teil vor und zum Teil in der mündlichen Verhandlung zu beantworten.

18

Die Parteien haben in der Sitzung vom 30. September 2016 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Rechtliche Würdigung

19

Mit der vorliegenden Schadensersatzklage begehrt die Klägerin Ersatz des materiellen Schadens in Form von Anwaltskosten, die ihr im Rahmen einer Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 14. Mai 2013 entstanden sind (siehe oben, Rn. 12).

20

Nach Auffassung der Klägerin sind die drei Voraussetzungen, die nach Art. 118 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 die außervertragliche Haftung des EUIPO auslösen können, im vorliegenden Fall erfüllt. Erstens sei die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 14. Mai 2013 eine rechtswidrige Handlung, die einen hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß im Sinne der Rechtsprechung zur außervertraglichen Haftung darstelle, da sie auf einer fehlerhaften Anwendung von Regel 19 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 2868/95 beruhe und unter Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ergangen sei. Durch diese Entscheidung sei nämlich ihr Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass sie den Nachweis der Existenz, der Gültigkeit und des Schutzumfangs der älteren Marke nicht beigebracht habe, obwohl eben dieser nach den ihr mit Schreiben vom 22. Juni 2012 übermittelten Informationen (siehe oben, Rn. 4) in Fällen wie dem hier vorliegenden, in dem der Widerspruch auf eine internationale Registrierung unter Benennung der Union gestützt sei und die Verfahrenssprache Englisch sei, nicht erforderlich sei.

21

Zweitens habe diese fehlerhafte Rechtsanwendung durch das EUIPO die Klägerin zur Einlegung einer Beschwerde gezwungen und einen Schaden hervorgerufen, der den durch diese Beschwerde entstandenen Anwaltskosten entspreche.

22

Drittens gebe es einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen diesen Kosten und der rechtswidrigen Handlung des EUIPO, da die Klägerin gezwungen gewesen sei, zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 14. Mai 2013 anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

23

Das EUIPO bestreitet dieses Vorbringen.

24

Gemäß Art. 340 Abs. 2 AEUV ersetzt die Union den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

25

Nach ständiger Rechtsprechung hängt die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe oder Einrichtungen davon ab, dass mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich die Rechtswidrigkeit des vorgeworfenen Verhaltens, das tatsächliche Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden (Urteil vom 29. September 1982, Oleifici Mediterranei/EWG, 26/81, EU:C:1982:318, Rn. 16; vgl. auch Urteil vom 9. November 2006, Agraz u. a./Kommission, C‑243/05 P, EU:C:2006:708, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Grundsätze finden entsprechend Anwendung auf die außervertragliche Haftung der Union im Sinne dieser Vorschrift aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens und eines Schadens, der durch eine ihrer sonstigen Stellen, wie das EUIPO, verursacht worden ist und den das EUIPO nach Art. 118 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 zu ersetzen hat (vgl. Urteil vom 27. April 2016, European Dynamics Luxembourg u. a./EUIPO, T‑556/11, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2016:248, Rn. 264 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26

Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, ist wegen ihres kumulativen Charakters die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen geprüft zu werden brauchen (Urteile vom 15. September 1994, KYDEP/Rat und Kommission, C‑146/91, EU:C:1994:329, Rn. 19 und 81, und vom 20. Februar 2002, Förde-Reederei/Rat und Kommission, T‑170/00, EU:T:2002:34, Rn. 37). Darüber hinaus ist der Unionsrichter nicht gehalten, diese Voraussetzungen in einer bestimmten Reihenfolge zu prüfen (Urteil vom 9. September 1999, Lucaccioni/Kommission, C‑257/98 P, EU:C:1999:402, Rn. 13).

27

Nach Auffassung des Gerichts ist zunächst zu prüfen, ob zwischen dem angeblich rechtswidrigen Verhalten des EUIPO, nämlich dem Erlass der Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 14. Mai 2013, und dem geltend gemachten Schaden, nämlich den Anwaltskosten der Klägerin für ihre Beschwerde gegen diese Entscheidung, ein Kausalzusammenhang besteht.

28

Hierzu geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die Union nur für Schäden haftbar gemacht werden kann, die sich mit hinreichender Unmittelbarkeit aus dem fehlerhaften Verhalten des betreffenden Organs ergeben (Urteil vom 4. Oktober 1979, Dumortier u. a./Rat, 64/76, 113/76, 167/78, 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79, EU:C:1979:223, Rn. 21). Die Beweislast für das Bestehen eines solchen Zusammenhangs trägt die Klägerin (Urteil vom 30. Januar 1992, Finsider u. a./Kommission, C‑363/88 und C‑364/88, EU:C:1992:44, Rn. 25).

29

Die Klägerin bringt im Wesentlichen vor, dass es zwischen den Anwaltskosten für die Einlegung der Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 14. Mai 2013 und der rechtswidrigen Handlung des EUIPO, nämlich dem Erlass dieser Entscheidung, einen unmittelbaren Kausalzusammenhang gebe, weil sie gezwungen gewesen sei, schon aus Gründen der Schadensminderungspflicht zur Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

30

Das EUIPO weist darauf hin, dass nach Art. 92 der Verordnung Nr. 207/2009 niemand verpflichtet sei, sich in Verfahren vor dem EUIPO durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Falls dennoch eine solche Vertretung wahrgenommen werde, regelten die Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 207/2009 und 2868/95 die Verteilung und Festsetzung dieser Vertretungskosten. Folglich stehe die Klage nach Art. 118 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht offen, um Vertretungskosten in einem Beschwerdeverfahren vor den Stellen des EUIPO geltend zu machen, da mit einer solchen Klage die abschließenden Regelungen der Verordnung Nr. 207/2009 über die Kostenverteilung und Kostenfestsetzung umgangen würden.

31

Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass dann, wenn eine Vertretung durch einen Anwalt oder Beistand in einem vorgerichtlichen Verfahrens nicht verpflichtend ist, kein Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Schaden – nämlich den Kosten für diese Vertretung – und dem dem Organ oder der sonstigen Stelle möglicherweise vorwerfbaren Verhalten besteht. Denn obgleich dem Betroffenen nicht untersagt werden kann, sich schon in diesem Stadium anwaltlicher Beratung zu versichern, ist dies seine eigene Entscheidung, die folglich dem Organ oder der Stelle nicht zugerechnet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. März 1978, Herpels/Kommission, 54/77, EU:C:1978:45, Rn. 46 bis 49, vom 28. Juni 2007, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑331/05 P, EU:C:2007:390, Rn. 24 bis 29, und vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 415 und 416).

32

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus Art. 92 der Verordnung Nr. 207/2009, dass es für eine Beteiligte wie die Klägerin, die ihren Wohnsitz, Sitz oder tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung in der Union hat, nicht verpflichtend ist, sich vor den Stellen des EUIPO anwaltlich vertreten zu lassen. Hier sind daher die der Klägerin entstandenen Anwaltskosten das Ergebnis ihrer eigenen Entscheidung und können dem EUIPO nicht unmittelbar zugerechnet werden. Somit besteht zwischen dem angeblich rechtswidrigen Verhalten des EUIPO und den der Klägerin entstandenen Kosten für ihre anwaltliche Vertretung im Beschwerdeverfahren kein Kausalzusammenhang.

33

Das Vorbringen der Klägerin, wonach sie „aus Gründen der Schadensminderungspflicht“ gezwungen gewesen sei, sich bei der Anfechtung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 14. Mai 2013 anwaltlich vertreten zu lassen, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. Mit diesem Vorbringen behauptet die Klägerin nämlich, dass zwischen dem Verhalten der Einrichtung und dem geltend gemachten Schaden ein Kausalzusammenhang bestehe, und macht geltend, dass sie sich durch die Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen in angemessener Form um die Begrenzung eines etwaigen Schadens bemüht habe und somit den Kausalzusammenhang nicht durch ihr eigenes Verhalten unterbrochen habe (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. März 1990, Grifoni/Kommission, C‑308/87, EU:C:1990:134, Rn. 16 und 17, und vom 19. Mai 1992, Mulder u. a./Rat und Kommission, C‑104/89 und C‑37/90, EU:C:1992:217, Rn. 33). Im vorliegenden Fall fehlt jedoch gerade dieser Kausalzusammenhang. Die Frage, ob die Klägerin durch die Inanspruchnahme einer anwaltlichen Beratung den Umfang eines etwaigen Schadens begrenzt hat, ist somit im vorliegenden Fall ohne Belang.

34

Nach alledem ist angesichts des kumulativen Charakters der Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, da die Klägerin das Bestehen eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen dem angeblich rechtswidrigen Verhalten des EUIPO und dem geltend gemachten Schaden nicht nachgewiesen hat, die Schadensersatzklage insgesamt abzuweisen, ohne dass die weiteren Voraussetzungen dieser Haftung geprüft zu werden brauchen.

35

Ergänzend ist zudem in Übereinstimmung mit dem EUIPO darauf hinzuweisen, dass trotz des Umstands, dass die Vertretung durch einen Anwalt in den Verfahren vor dem EUIPO nicht verpflichtend ist, Art. 85 der Verordnung Nr. 207/2009 und Regel 94 der Verordnung Nr. 2868/95 für den Fall, dass ein Beteiligter einen Vertreter benennt, Regelungen über die Kostenverteilung und Höchstsätze der erstattungsfähigen Tarife enthalten. Jedoch finden diese Bestimmungen, wie die Klägerin zu Recht ausführt und das EUIPO im Wesentlichen anerkennt, nur im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens Anwendung und betreffen die Kostenverteilung zwischen den Beteiligten an einem solchen Verfahren.

36

In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass – wie ebenfalls vom EUIPO ausgeführt – keine Bestimmung der Verordnung Nr. 207/2009 oder der Verordnung Nr. 2868/95 eine Kostenerstattung für die anwaltliche Vertretung zur Einlegung einer Beschwerde vorsieht, wenn, wie hier, die Stelle, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, gemäß Art. 62 der Verordnung Nr. 207/2009 der Beschwerde abhilft. Insbesondere gewährt keine Bestimmung dieser Verordnungen einem obsiegenden Beteiligten die Erstattung der Kosten für die anwaltliche Vertretung in einem solchen Verfahren durch das EUIPO. Allein die Erstattung der Beschwerdegebühr ist in Regel 51 Buchst. a der Verordnung Nr. 2868/95 vorgesehen, der zufolge die Dienststelle, deren Entscheidung angefochten wurde, die Erstattung der Beschwerdegebühr anordnet, wenn sie der Beschwerde nach Art. 61 oder Art. 62 der Verordnung Nr. 207/2009 abhilft. Im vorliegenden Fall bestreitet die Klägerin nicht, dass ihr die Beschwerdegebühr vom EUIPO erstattet wurde.

37

Demnach käme, wenn der Klägerin Schadensersatz für die Anwaltskosten gewährt würde, die ihr für die Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 14. Mai 2013 entstanden sind, dies einer Umgehung der in den Verordnungen Nrn. 207/2009 und 2868/95 vorgesehenen Regelung der Vertretungskosten gleich (vgl. entsprechend Urteil vom 8. November 2011, Idromacchine u. a./Kommission, T‑88/09, EU:T:2011:641, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Daher ist die Klage abzuweisen.

Kosten

39

Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 135 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht jedoch auch eine obsiegende Partei zur Tragung eines Teils der Kosten oder sämtlicher Kosten verurteilen, wenn dies wegen ihres Verhaltens, auch vor Klageerhebung, gerechtfertigt erscheint; dies gilt insbesondere für Kosten, die sie der Gegenpartei nach Ansicht des Gerichts ohne angemessenen Grund oder böswillig verursacht hat.

40

Nach der Rechtsprechung ist diese Bestimmung dann anzuwenden, wenn die Entstehung des Rechtsstreits durch das Verhalten einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union begünstigt wurde (vgl. Urteil vom 8. Juli 2015, European Dynamics Luxembourg u. a./Kommission, T‑536/11, EU:T:2015:476, Rn. 391 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Im vorliegenden Fall wird vom EUIPO nicht bestritten, dass das Schreiben an die Klägerin vom 22. Juni 2012 die Angabe enthielt, der Widersprechende brauche in Fällen, in denen – wie hier – der Widerspruch auf eine internationale Registrierung unter Benennung der Union gestützt werde, sofern u. a. – wie hier – Englisch Verfahrenssprache gewesen sei, kein Beweismittel für das ältere Recht beizubringen. Wie vom EUIPO gleichfalls nicht bestritten, entsprach diese Angabe zudem der vom EUIPO befolgten Praxis bei Widersprüchen, die – wie der der Klägerin – vor dem 1. Juli 2012 erhoben wurden. Aber trotz dieser Angabe und Praxis wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch der Klägerin gerade mit der Begründung zurück, dass die Existenz, die Gültigkeit und der Schutzumfang der älteren Marke durch die Klägerin nicht nachgewiesen worden seien.

42

Dieses Verhalten des EUIPO zwang die Klägerin, gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 14. Mai 2013 Beschwerde einzulegen. Da die Klägerin, wie oben in den Rn. 35 und 36 dargelegt, keine Kostenerstattung für ihre anwaltliche Vertretung bei der Einlegung dieser Beschwerde nach den Verordnungen Nrn. 207/2009 und 2868/95 erlangen konnte, durfte sie davon ausgehen, dass eine Schadensersatzklage das einzige Mittel darstellte, um diese Kosten vom EUIPO zurückerstattet zu bekommen.

43

Der Erhebung der vorliegenden Klage lag somit das Verhalten des EUIPO in dem bei ihm geführten Verfahren zugrunde. Unabhängig von der Abweisung der vorliegenden Klage sind daher bei angemessener Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Novar GmbH und das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

 

Kanninen

Buttigieg

Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Februar 2017.

Der Kanzler

E. Coulon

Der Präsident

H. Kanninen


( 1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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